I.
Dieser Vortrag hat eine Vorgeschichte: Ich war nach meiner Rückkehr aus Bonn im RC Freiburg-Zähringen am 15. Januar 2008 zu Gast mit dem Vortrag „Der Bolo- gna-Prozess, ein Glaubenskrieg“. In einer äußerst kriti- schen Diskussion ragte die erste Wortmeldung hinsicht- lich Emotion und Duktus heraus. Professor Helmut Eng- ler, langjähriger Wissenschaftsminister des Landes Baden-Württemberg und Altrektor der Universität Frei- burg erklärte mit einem Tremolo in der Stimme: „Leute wie Sie, Freund Heß, machen meine Humboldt-Univer- sität kaputt“. Das war der Startschuss für meine Untersu- chung, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich in dem letzten halben Jahrhundert auf einem anderen Pla- neten gelebt hatte als Professor Engler.
II.
Wilhelm von Humboldt gehört unstreitig mit der Summe seiner Begabungen und herausragenden Tätigkeiten zu dem Typus der Universalgenies des 17. und 18. Jahrhun- derts. Das außerhalb seines jahrzehntelangen preußi- schen Staatsdienstes bearbeitete Forschungsfeld ist uner- messlich groß. Er gilt als der Begründer der vergleichen- den Sprachforschung, hat unzählige Sprachen, auch exotische, unter sprachsystematischen Gesichtspunkten untersucht, Schriften über das griechische Altertum ver- fasst, ebenso über staatstheoretische, anthropologische, geschlechtsunterscheidende, historische, literaturwis- senschaftliche und architekturästhetische Themen.
Alles zusammen ein riesiges Lebenswerk eines Man- nes, der allerdings in der kollektiven Erinnerung stark auf eine Art Sankt Humboldt der Bildungswelt kanoni- siert wird. Bei näherem Hinsehen muss dabei hinsicht- lich seines überaus reichhaltigen Lebenslaufes überra- schen, dass die Zeit als Leiter der „Sektion Kultus “, einer Abteilung des preußischen Innenministerium, ver- gleichsweise sehr kurz bemessen war. Er wurde am 20. Februar 1809 als Sektionsleiter ernannt, gab dieses Amt aber auf eigenen Wunsch schon im Juni 1810 wieder ab, verbunden mit der Bitte wieder in den diplomatischen Dienst zurückzukehren.
Richtig ist aber, dass er in dieser kurzen Zeit sich mit Nachdruck vor allem um eine Reform des Schulwesens kümmerte,dieLehrerausbildungprofessionalisierteund
* Vortrag gehalten am 6.2.2018 im Rotary Club Freiburg-Zähringen.
ein dreistufiges Bildungssystem anstrebte, dem aber kein unmittelbarer Erfolg beschieden war, da seine Schulre- form noch in seiner kurzen Amtszeit 1809 abgelehnt wurde.
Richtig ist weiterhin dass die Gründung der Berliner Universität im Jahre 1809, die ja den Namen des damali- gen Königs Friedrich-Wilhelm erhielt, in seine Amtszeit fiel. Die Annahme, dass Wilhelm von Humboldt die neue Berliner Universität gestaltet und geprägt hat, ist im Hin- blick auf die Kürze seiner Amtszeit äußerst spekulativ. Die Gründungsdokumente geben jedenfalls dafür kei- nen Hinweis. Man darf aber davon ausgehen, dass Hum- boldt, losgelöst von seiner berühmten Universitäts-Idee, mit Schaffenskraft und liberalem Impetus die Grün- dungsphase kurz aber intensiv begleitet hat.
Schon an dieser Stelle müssen wir uns von der tradi- tionellen Überlieferung Abschied nehmen, dass Wilhelm von Humboldt in seiner sehr kurzen Amtszeit quasi die ganze moderne Bildungswelt geschaffen hat einschließ- lich des Gymnasiums, des Abiturs und der neuhumanis- tischen Universität. Diese in fast jedem Lexikon aufge- zeigte Tradition hat keinerlei reale Basis. Wilhelm von Humboldt war gewiss ein großer Geist und Generalist. Beruflich war er aber die weitaus längste Zeit als Diplo- mat im auswärtigen Dienst tätig, u.a. auch beim Wiener Kongress, und schloss seine Karriere als eine Art Verfas- sungsminister ab, ein Amt aus dem er wegen seiner libe- ralen Ideen entlassen wurde.
Für die Umsetzung einer nachhaltigen Universitäts- reform fehlte Humboldt auch nicht nur die Zeit sondern wohl auch ein hinreichend aufgeschlossenes staatliches Umfeld. Nicht nur König Friedrich-Wilhelm III, son- dern auch der vielgelobte Reformer Hardenberg vertra- ten deutlich konservativere Positionen.
III.
Man kann in der Universitätsreform des 18. und 19. Jahr- hunderts grob gesagt zwei Reformstränge unterschei- den: Fachlich-inhaltlich war die spätmittelalterliche Uni- versität noch stark geprägt von scholastischen Lehrplä- nen und theologischem Dogmatismus. Forschung fand im 17. und 18. Jahrhundert eher unter dem Dach der Akademien statt. Die Explosion des Erfahrungswissens und die damit verbundenen Ausdifferenzierung der
Die Vortragsform ist beibehalten.
Jürgen Heß
250. Geburtstag von Wilhelm von Humboldt Eine Ikonografie mit alternativfaktischer Einfärbung*
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
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Fächer, vor allem auch die Einrichtung naturwissen- schaftlicher Fakultäten, führte dann im 19. Jahrhundert zu einer weitgehenden Verlagerung der Forschung auf die Universitäten – womit der Boden für die Entwick- lung des deutschen Markenzeichens in Gestalt der For- schungsuniversität gelegt wurde. Der andere Strang der Reform war die Organisation der Universität als Körper- schaft des Staates. Ohne die damit verbundene Finanzie- rung wären die neuen Forschungsaufgaben nicht zu meistern gewesen. Der Preis dafür war der Verlust der früher umfassenden Selbstständigkeit. Das Thema ist bekanntlich heute noch aktuell.
Die in den Quellen vor allem genannten Protagonis- ten der inhaltlichen Reformbewegung waren Leute wie Wolff, Schleiermacher, Fichte, Schelling und Steffens. Ich habe keinen Zweifel dass Wilhelm von Humboldt als ge- nialer Denker und Wissenschaftler sich in diese Reform- diskussion einbrachte. In den Schriften zur Universitäts- reform des 19. Jahrhunderts taucht allerdings sein Name nicht auf. Auch die neu gegründete Berliner Universität stand nicht an der Spitze der Reformbewegung. Als Leit- bilder der Reformuniversität werden von den Histori- kern heute vor allem die Universitäten Halle und Göttin- gen genannt.
Wie ist der sog. Humboldt-Mythos dann überhaupt entstanden?
Ausgangspunkt ist offenkundig die im Zusammen- hang mit der Universitätsgründung in Berlin entstande- ne Schrift mit dem Titel: „Über die innere und äußere Or- ganisation der höheren wissenschaftlichen Anstalt in Ber- lin“. Sie ist aber als programmatisches Gründungsmani- fest der Akt einer nachträglich konstruierten Tradition. Sie wurde nämlich erst rund 100 Jahre nach ihrer Abfas- sung im Jahre 1903 veröffentlicht. Erst ab diesem Zeit- punkt wurde Humboldt zum Säulenheiligen der deut- schen Gelehrtenrepublik. Wie immer bei der Instrumen- talisierung eines Mythos wurde Humboldt je nach Zeit- geist und Interesse für höchst unterschiedliche Zwecke eingesetzt, beginnend mit einer nationalen Komponen- te, wonach seine Idee im „deutschen Wesen“ wurzele, bis hin in jüngerer Zeit, wo Humboldt wie ein großes Kreuz in der Schlacht gegen den mephistophelischen Bologna- Prozess hochgehalten wurde und vielleicht noch wird.
IV.
Phänotyp und Konstruktionsmuster des von Helmut Eng- ler hoch gehaltenen Humboldt-Ideals lassen sich in vier Punkten charakterisieren:
Keine berufsspezifische Ausbildung, sondern der Er- werb einer breit gegliederten, interdisziplinär ausgerich-
teten und an den humanistischen Bildungsgrundlagen- der Antike orientierten Bildung.
Bildung als Selbst-bewusst-werden-durch-tätiges Da- sein ohne curriculare Einzwängung.
Kein Einfluss des Staates auf Lehre und Forschung - daher keine religiöse oder sonstige Zweckbildung
Einheit von Forschung und Lehre als forschendes Leh- ren in der Gemeinschaft der Professoren und Studieren- den im Forschen und im Lehren.
Das ist gewiss die beste aller denkbaren akademi- schen Welten, aber sie hat nicht viel mit Wilhelm von Humboldt und fast nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Die Realität sah zu allen Zeiten anders aus:
Nimmt man die oben dargestellten Humboldt’schen Leitgedanken seiner Universitätsidee im engeren Sinn zum Maßstab, so kommt man nicht an der Feststellung vorbei, dass sie im 19. Jahrhundert schon deshalb keine Rolle spielten, weil sie gar nicht veröffentlicht wurden. Soweit es Quellen zur Diskussion um die Reform der Universität im 19. Jahrhundert gibt, taucht der Name Humboldt nicht auf. Selbst losgelöst von den Humboldt’schen Leitgedanken spricht wenig dafür, dass das neuhumanistische Bildungsideal die Universitäts- landschaft entscheidend geprägt hat.
Ein solches idealistisches Menschenbild hätte im Üb- rigen auch mit der Tatsache zu kämpfen, dass der Zu- gang zur Universität ein offenkundig schichtenspezifi- scher war, denn nur knapp ein Prozent eines Jahrgangs bekamen den Zugang zur Universität. Selbst diese kleine Studentenschaft bot nicht das Bild einer neuhumanisti- schen Elite. Berichte sprechen von verbummelte Studi- en, Studienorientierungsproblemen und Studienabbrü- chen. Zugespitzt gesagt hat der Bildungsbegriff nicht das Menschenbild einer gesamten Gesellschaft geprägt, er wurde eher zum soziologischen Abgrenzungsmerkmal einer „Elite“, die bei Führungsaufgaben neben den Adel trat.
Was war dann der Grund, der namentlich am Ende des 19. Jahrhunderts und am Beginn des 20. Jahrhun- derts der deutschen Universität zur Weltgeltung verhalf? Hier sei allen Humboldt-Verehrern gesagt, dass be- stimmte Elemente seiner Idee, ohne dass man sie unmit- telbar kausal auf sein “Gründungsdokument“ zurück- führen kann, sukzessive Wirkung entfaltet haben. Wenn man Humboldt aus dem Gravitationsfeld seiner ideell überhöhten Idee herausnimmt und ihn in eine geistige Strömung einordnet, die letztlich eine Folge der Aufklä- rung ist und an der viele große Geister mitgewirkt ha- ben, so kann man erkennen, dass in der Universitätswelt im 19. Jahrhundert ein Rationalismus Platz gegriffen hat,
der Raum für eine individualistische Weltaneignung ge- schaffen hat. Das Lernen wurde von einem scholasti- schen Bildungskanon befreit und die dem Menschen in- newohnend Neugier konnte sich in einer Forschung ent- falten, die sich von theologischen und staatlichen Ein- griffen frei entwickelte. Die Freiheit der Forschung ist in der Tat ein nicht hoch genug zu schätzendes Merkmal gerade der deutschen Universität um die Jahrhundert- wende. Hinzu kommt der Siegeszug des Seminars als Veranstaltungsstruktur des forschenden Lehrens, der der deutschen Universität Erfolg und Weltruhm einbrachte.
V.
Welche Rolle spielt die Humboldt’sche Universitätsidee nun aber im jetzigen tertiären Bildungssystem in Deutsch- land? Hier muss ich sogleich die Einschränkung machen, dass sich meine eigene unmittelbare und mit belastbaren Fakten fundierte Beobachtung auf einen Zeitraum bis vor ca. 10 Jahren bezieht. Seither hat sich manches geän- dert. Man muss als Pensionär aufpassen dass man nicht frühere Befunde ungeprüft fortschreibt. Ich bin aber kühn genug zu behaupten dass ich zumindest die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts seit den sechziger Jahren realistisch beschreibe. Mit dieser Einschränkung wage ich folgende durchaus provokative, scharfe Aussage:
Wer im Rahmen eines Hochschulreformprozesses, damit meine ich nicht nur die Bologna- Diskussion, auf- schreit, man mache mit dieser Reform die deutsche Humboldt-Universität kaputt, ist intellektuell unredlich oder in seiner Wahrnehmungsfähigkeit schwerwiegend eingeschränkt. Nicht nur, dass es die Humboldt- Univer- sität systemisch nie gab. Auf der Grundlage der bil- dungspolitischen Parameter und auch in Ansehung ei- ner strukturell schief gelaufenen Hochschulentwicklung in den ersten fünf Jahrzehnten nach Kriegsende ist der Gedanke, das Humboldt-Ideal als typenprägendes Bil- dungsideal der Universität zu retten oder zu revitalisie- ren, schlicht wahnhaft. Leider nimmt sich keiner der rhetorisch so überaus beeindruckenden Gralshüter der Humboldt-Idee die Mühe, sich mit den harten bildungs- soziologischen Fakten zu befassen.
Zu Zeiten Humboldts haben wie gesagt weniger als ein Prozent eines Jahrgangs den Weg zur Hochschule ge- funden. Nimmt man alle Hochschularten zusammen so haben wir heute in Deutschland eine Übergangsquote von über 50 % bezogen auf alle Hochschularten. Derzeit sind über 2,9 Mio. Studierende an deutschen Hochschu- len. Teilt man diese Zahl auf die beiden großen Hoch- schularten Universität und Fachhochschule (unter Ver- nachlässigung der kleinen Hochschularten) auf, so er-
gibt sich das strukturell höchst verwunderliche Bild, dass die Fachhochschulen, deren Fokus auf qualifizierte Be- rufsausbildung und auf anwendungsbezogene For- schung gerichtet ist, mit ca. 900 000 Studierenden nur ein knappes Drittel der Studierenden unter ihrem Dach haben, während die Universitäten, die einen vertiefen- den wissenschaftlich-methodischen Fokus haben sollten und verstärkt Grundlagenforschung betreiben, rund 1,9 Mio. Studierende betreuen. Das Betreuungsverhältnis an deutschen Universitäten bezogen auf Studierende und Professoren weist die katastrophale Quote von 1: 66 auf während angelsächsische Spitzenuniversitäten ein sol- ches von ca. 1:9 haben. Zudem hat sich die Komplexität der wissenschaftlichen Disziplinen seit Humboldts Zei- ten um einen Quantensprung vergrößert und verdichtet. Es muss also mit einer defizitären Personalausstattung – neudeutsch gesprochen – ein weitaus komplexerer Wis- senstransfer und Erkenntnistransfer an Studierende ge- leistet werden. Darüber hinaus stehen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen durch Selbstverwaltungsauf- gaben, durch Drittmitteleinwerbung und durch Evaluie- rungsaufgaben unter permanentem Zeitdruck.
Wer will da noch von Einsamkeit und Freiheit im wissenschaftlichen Wirken sprechen oder davon, dass Professoren und Studierende Seite an Seite ihren For- schungsinteressen nachgehen? Wer will behaupten, dass 1,9 Mio. Universitäts-Studierende wirklich die mentale Disposition haben. um auf der einen Seite durch einen quasi freischwebenden akademischen Diskurs und einen zweckfreien Bildungsgewinn ihre Persönlichkeit reifen zu lassen und andererseits ein Höchstmaß an wissen- schaftlicher Methodenkompetenz zu erwerben, die es ihnen erlaubt, in der späteren Berufspraxis Probleme ge- wissermaßen aus der Sicht einer Metaebene zu lösen. Solche Erwartungen sind schlichte Fiktion und Aus- druck eines Realitätsverlustes. 1,9 Mio. Studierende ha- ben nicht alle die Absicht, den ehrenwerten Beruf eines Professors bzw. einer Professorin zu erlangen. Sie wollen auch nicht alle oberste Bundesrichter oder Industriefor- scher werden. Sie wollen vor allem eines: Gute Wettbe- werbschancen auf einem schwierigen und herausfor- dernden Arbeitsmarkt erlangen um ihrem Leben eine gute oder zumindest auskömmliche materielle Grundla- ge zu verschaffen. Es führt kein Weg daran vorbei: Die Universitäten tragen unmittelbare Verantwortung für das auch praktisch gelingende Leben ihrer Schützlinge.
Mithin gilt: Der Ausbildungsaspekt – im humanisti- schen Universitätsideal als Nützlichkeitsaspekt diskrimi- niert – muss in Ansehung der genannten tatsächlichen Verhältnisse gegenüber dem vom Ergebnis her durchaus
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ehrenwerten aber auch recht wolkigen Versuch einer bil- dungsgetragenen Selbstverwirklichung den Vorrang ha- ben. Freilich ist eine gute Lehre dadurch gekennzeich- net, dass sie immer auch die Verbindung eines fachli- chen Themenkreises zu übergreifenden Bildungsaspek- ten oder zu interdisziplinären Fragestellungen herstellt. Und gerne fordere ich ganz im Sinne von Wilhelm von Humboldt: In jedem Studiengang welcher Disziplin auch immer müsste eine Vorlesung Praktische Philosophie bzw. Erkenntnistheorie obligatorisch sein.
Bleibt da überhaupt noch Raum für Humboldt in der Jetztzeit? Bezogen auf die große Fläche des vermassten universitären Bildungsgeschehens sicher nicht. Aber es gibt bestimmte kleinere und spezifische Strukturkompo- nenten, die Teile der Humboldt-Idee wieder aufgreifen und zwar auf ganz unterschiedlichen Stufen des tertiären Systems. In Bayreuth gibt es z.B. seit längerer Zeit einen sehr erfolgreichen Bachelor-Studiengang Philosophy and Economics, wo man offenbar weiß, dass Manager nicht nur Effizienz sondern auch ein Quantum Ethos im Kopf haben sollten. Chancen für eine bessere Interaktion zwischen Professoren und Studierenden gäbe es auch in den Masterstudiengängen, sofern der Staat deutlich mehr Geld für dieses Segment ausgibt und man damit ein besseres Betreuungsverhältnis verwirklicht. Weiter- hin ist das Format der Graduiertenkollegs schon seit län- gerer Zeit eine Erfolgsstory. Es gäbe eine weitere Idee mit
der ich Wilhelm von Humboldt ganz auf meiner Seite hät- te. Als Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz habe ich ganz förmlich einen Antrag auf Einführung ei- nes strukturierten Doktorandenstudiums eingebracht und bin damit völlig an die Wand gefahren. Das wäre nun wirklich ein gemeinsames wissenschaftliches Wir- ken von Professoren und Doktoranden auf höchstem Ni- veau und wir hätten das Problem der Promotionsplagia- te ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Vielleicht gibt es ja später noch einen neuen Versuch in diese Richtung.
VI.
Damit komme ich zum Ausgang zurück: Die Humboldt- Idee ist ein wunderschöner Traum. In der historischen Realität gab es sie als Gesamtkonzept nie und als Modell für die derzeitige deutsche Universitätssituation geht sie an allen realen Gegebenheiten vorbei. Nur für ganz bestimmte Segmente in einem ausdifferenzierten Uni- versitätssystem ist das Humboldt-Konzept in Teilaspek- ten immer noch eine vorzügliche Leitidee.
Jürgen Heß war von 1988 bis 1994 Kanzler der Univer- sität Konstanz, von 1994 bis 2000 Kanzler der Universi- tät Freiburg und von 2000 bis 2003 Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz.