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I. Spra­chen der Internationalisierung

Die Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz (HRK) beglei­tet seit etwa 10 Jah­ren die „Inter­na­tio­na­li­sie­rung“ der deut­schen Hoch­schu­len mit grund­sätz­li­chen Emp­feh­lungs­pa­pie- ren. Das ers­te, 2008, war sehr hochgemut.2 Es sah die deut­schen Hoch­schu­len „der Zukunft“ als „trans­na­tio- nale Hoch­schu­le“, als „gestal­ten­den Teil des sich in der Ent­wick­lung begrif­fe­nen Welt­hoch­schul­sys­tems“, der „ent­ste­hen­den glo­ba­len Hoch­schul­ge­mein­schaft“, mit dem Auf­trag, „jun­ge Men­schen nicht nur berufs­fä­hig zu machen, son­dern für die Wahr­neh­mung eines Welt­bür- ger­tums (glo­bal citi­zen­ship) zu qualifizieren“.3 Das zwei- te, 2011, reagier­te auf die Tat­sa­che, dass bei der Inter­na­ti- ona­li­sie­rung die Viel­zahl und Ver­schie­den­heit der Spra- chen eine Rol­le spie­len muss, in denen Wis­sen­schaft, zum Teil seit Jahr­hun­der­ten, auf hohem Niveau betrie- ben wird.4 Die HRK stell­te fest: „Die Hoch­schu­len haben auf die Her­aus­for­de­rung der Inter­na­tio­na­li­sie­rung mit der ver­stärk­ten Ver­wen­dung der eng­li­schen Spra­che in For­schung und Leh­re reagiert.“5 Die Hin­wen­dung zu aus­schließ­lich eng­lisch­spra­chi­ger Kom­mu­ni­ka­ti­on in For­schung und Leh­re gehe zu Las­ten ande­rer Spra­chen und gefähr­de damit die Spra­chen­viel­falt. Es sei des­halb erfor­der­lich, „Mehr­spra­chig­keit sowohl auf natio­na­ler wie auch auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne erfolg­reich in der Wis­sen­schaft zu ver­an­kern. Ziel ist es, in den Hoch­schu- len ein ver­stärk­tes Bewusst­sein für sprach­po­li­ti­sche Fra- gen und damit einen bewuss­ten Ein­satz von unter- schied­li­chen Spra­chen im Hoch­schul­all­tag zu fördern.

  1. 1  Text eines Vor­trags „Leh­re nur auf Eng­lisch? Aka­de­mi­sche Sprach­po­li­tik gegen Gesetz und Ver­fas­sung“ am 17.1.2017 in der LMU Mün­chen, Fakul­tät für Sprach- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf- ten, Insti­tut für Deutsch als Fremd­spra­che, für die Ver­öf­fent­li- chung aktua­li­siert und erweitert.
  2. 2  „Die deut­schen Hoch­schu­len in der Welt und für die Welt“, Ent­schlie­ßung der 4. Mit­glie­der­ver­samm­lung am 18. Novem­ber 2008, in: HRK (Hrsg.), Die deut­schen Hoch­schu­len inter­na­tio- nali­sie­ren! – Inter­na­tio­na­le Stra­te­gie der HRK – Sprach­po­li­tik an deut­schen Hoch­schu­len (Bei­trä­ge zur Hoch­schul­po­li­tik 2/2012), Bonn 2012.
  3. 3  HRK (Fn. 2), S. 1, 7–18.

Nur eine sinn­vol­le Gewich­tung der natio­na­len Spra­che, d. h. des Deut­schen, der ‚inter­na­tio­na­len’ Spra­che Eng- lisch sowie wei­te­rer Spra­chen wird lang­fris­tig wirk­li­che Mehr­spra­chig­keit fördern.“6

Im drit­ten, bis­lang neu­es­ten Papier, 2017, erhält das The­ma „Spra­che“ schließ­lich einen eige­nen Ab- schnitt.7 Inter­na­tio­na­li­sie­rung dür­fe nicht gleich­ge­setzt wer­den „mit einer gene­rel­len Abkehr vom Deut­schen als Unterrichtssprache“.8 Idea­ler­wei­se bil­de­ten erst meh­re­re Fremdsprachen„denGrundsteininterkulturellerInterakti- on“. Kei­nes­falls dür­fe der Unter­richt in einer Fremd­spra­che zum Absin­ken des wis­sen­schaft­li­chen Niveaus füh­ren. „Ge- gebe­nen­falls ist der deut­schen Spra­che der Vor­zug zu ge- ben, wobei inter­na­tio­na­le Inhal­te auch in deutsch­spra­chi­ge Ver­an­stal­tun­gen Ein­gang fin­den müssen.“9

Mit den Emp­feh­lun­gen von 2011 und 2017 zeigt die HRK Distanz zu vie­len ande­ren Insti­tu­tio­nen der deut- schen Wis­sen­schaft, nament­lich zu man­chen Kul­tus- und Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­en in Bund und Län­dern, zu den meis­ten Groß­in­sti­tu­tio­nen der For­schungs­för­de- rung und auch zu vie­len Hoch­schul­lei­tun­gen, die das Eng­li­sche zum Leit­me­di­um der Wis­sen­schaft erklä­ren und für die gewünsch­te Inter­na­tio­na­li­sie­rung sei­nen Ge- brauch als immer erfor­der­lich, aber auch als genü­gend anse­hen. Aus sol­cher Hoch­schät­zung des Eng­li­schen kann dann sogar der Wunsch erwach­sen, die aka­de­mi- sche Leh­re vom Deut­schen ganz auf die­se ande­re Spra- che umzu­stel­len – so die Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Mün- chen für das Auf­bau­stu­di­um und ande­re Hoch­schu­len für ein­zel­ne Studiengänge.10

4 Spra­chen­po­li­tik an deut­schen Hoch­schu­len, Ent­schlie­ßung der 11. Mit­glie­der­ver­samm­lung am 22. Novem­ber 2011, in: HRK (Fn. 2), S. 31–49.

5 HRK (Fn. 2), S. 32.
6 HRK (Fn. 2), S. 33.
7 HRK: Zur Inter­na­tio­na­li­sie­rung der Cur­ri­cu­la, Emp­feh­lung der

HRK-Mit­glie­der­ver­samm­lung vom 9.5.2017, www.hrk.de, unter

„Posi­tio­nen“ (zuletzt abge­ru­fen am 14.8.2017).
8 HRK (Fn. 7), bei Fn. 4.
9 HRK (Fn. 7), „Spra­che“, Absatz 1 und 2.
10 Anga­ben bei www.daad.de/deutschland/studienangebote/de

(zuletzt abge­ru­fen am 14.8.2017).

Axel Fless­ner

Aka­de­mi­sche Leh­re nur auf Eng­lisch? – Sprach­po­li­tik an deut­schen Hoch­schu­len, recht­lich betrachtet1

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2017, ISSN 2197–9197

230 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 229–236

II. Kri­tik

Es gibt immer wie­der fun­dier­te wis­sen­schaft­li­che Kri­tik an der Erhe­bung des Eng­li­schen über ande­re Sprachen.11 Die jüngs­te sol­che Äuße­rung, knapp und tief­schür­fend, ist die einer pro­mi­nent besetz­ten Arbeits­grup­pe, die von den Wis­sen­schafts­rä­ten Deutsch­lands, Öster­reichs und der Schweiz beauf­tragt wur­de, sich mit dem The­ma Wis­sen- schafts­spra­che zu befas­sen, die­ses The­ma „ange­sto­ßen durch die welt­wei­te Umstel­lung auf das Eng­li­sche als Wis- sen­schafts­spra­che“. Die Arbeits­grup­pe hat im Herbst 2016 ihren Bericht vor­ge­legt; er wur­de von den Wis­sen­schafts­rä- ten sogleich veröffentlicht.12 Sei­ne ers­te Emp­feh­lung (von ins­ge­samt 7) für Maß­nah­men in Schu­le, Uni­ver­si­tät, Lite­ra- tur und Medi­en lau­tet: „Insti­tu­tio­na­li­sie­rung einer gestuf- ten Mehr­spra­chig­keit in der aka­de­mi­schen Leh­re, d.h. Ein- füh­rung in die Wis­sen­schaf­ten in den tra­dier­ten Kul­tur- spra­chen (z.B. Deutsch), schritt­wei­ser Erwerb von Kom­pe­ten­zen in der glo­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­spra­che (Eng­lisch) und in ande­ren Wis­sen­schafts­spra­chen (z.B. Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch Russisch).“13

III. Recht?

Bei allen die­sen Stel­lung­nah­men, auch den Emp­feh­lun- gen der HRK und der eben genann­ten Arbeits­grup­pe, wird nicht ange­spro­chen, auf wel­cher Rechts­grund­la­ge die Sprach­po­li­tik für Hoch­schu­len über­haupt betrie­ben wer­den kann und wel­chen Rah­men sie schon vor­fin­det. Die deut­schen Groß­in­sti­tu­tio­nen, die den Gebrauch des Eng­li­schen vor­an­trei­ben, haben im deut­schen Wis­sen- schafts­sys­tem recht­li­che, orga­ni­sa­to­ri­sche und finan­ziel- le Macht – man soll­te erwar­ten, dass, wie in Wirt­schaft und all­ge­mei­ner Poli­tik, dies auch in der Wis­sen­schafts- poli­tik die Fra­ge nach recht­li­cher Begrün­dung und Begren­zung der Macht auslöst.

11 Am Insti­tut für Deutsch als Fremd­spra­che (s. oben Fn. 1) schon 2008, s. den Bericht von Simo­ne Schie­der­mair, Spra­chen­po­li­tik an Hoch­schu­len in Zei­ten von Exzel­lenz und Inter­na­tio­na­li­sie- rung: Das Bei­spiel Mün­chen, in: Ziel­spra­che Deutsch (Inter­na- tio­na­le Zeit­schrift für Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweit­spra­che) 2008, Heft 3, S. 59–77. Es folg­ten Eins/Glück/ Pret­scher (Hrsg.), Wis­sen schaf­fen, Wis­sen kommunizieren

– Wis­sen­schafts­spra­chen in Geschich­te und Gegen­wart, 2011; Oberreuter/Krull/H.J. Meyer/Ehlich (Hrsg.), Deutsch in der Wis­sen­schaft – Ein poli­ti­scher und wis­sen­schaft­li­cher Dis­kurs, 2012; Arbeits­kreis Deutsch als Wis­sen­schafts­spra­che (ADAWIS) (Hrsg.), Die Spra­che von For­schung und Leh­re : Wel­che, Wo, für Wen?, 2013; ADAWIS (Hrsg.), Die Spra­che von For­schung und Leh­re: Bin­de­glied der Wis­sen­schaft zu Kul­tur und Gesell­schaft?, 2016; Colin/Umlauf (Hrsg.), Mehr­spra­chig­keit und Eli­ten­bil- dung im euro­päi­schen Hoch­schul­raum, Hei­del­berg 2015, 259 S.; umfas­send und beson­ders ein­gän­gig auch für Nicht-Linguisten

Die Hoch­schul­ge­set­ze der Län­der stel­len in sehr aus- führ­li­chen Bestim­mun­gen vie­le Anfor­de­run­gen an die Hoch­schu­len und die aka­de­mi­sche Leh­re auf, dar­un­ter auch sol­che in Rich­tung Inter­na­tio­na­li­sie­rung, sie sagen aber nichts zu der eigent­lich ele­men­ta­ren Fra­ge, in wel- cher Spra­che denn die­se Leh­re statt­fin­den soll.14 Die sprach­po­li­ti­sche Abs­ti­nenz der Gesetz­ge­ber spie­gelt sich in der Lite­ra­tur. Selbst in den Stan­dard­wer­ken des Hoch- schul­rechts kom­men Begrif­fe wie „Spra­che“, „Spra­che der Leh­re“, „Sprach­po­li­tik“ nicht vor.15 Erst seit kur­zem kann man Auf­sät­ze zur recht­li­chen Bewer­tung der Sprach- poli­tik für die aka­de­mi­sche Leh­re fin­den. Sie machen dar- auf auf­merk­sam, dass auch die Sprach­po­li­tik für die Hoch- schu­len, wie alles staat­li­che Han­deln, recht­lich gebun­den ist und dass die­se Poli­tik vor allem die Grund­rech­te der Stu- dier­wil­li­gen und der Hoch­schul­leh­rer zu beach­ten hat.16

IV. Die Rechtslage

Der Ver­fas­ser die­ses Bei­trags hat in sei­nem genann­ten Auf- satz17 die Rechts­la­ge so zusam­men­ge­fasst: Die Umstel­lung der aka­de­mi­schen Leh­re auf das Eng­li­sche stößt an

• die Aus­bil­dungs- und Berufs­frei­heit der Stu­die­ren- den und der Stu­dier­wil­li­gen (Art. 12 GG)

• die Berufs- und Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch- schul­leh­rer (Art. 5 III und­Art. 12 GG)

• das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht der Stu­die­ren- den und Leh­ren­den (Art. 2 GG)

• das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung und der Pri­vi­le­gie- rung wegen der Spra­che (Art. 3 III GG)

• das Demo­kra­tie­ge­bot für die staat­li­chen Insti­tu­tio- nen (Art. 20 GG)

• den Anspruch der All­ge­mein­heit auf die Gewähr­leis- tung eines bis zur obers­ten Stu­fe voll leis­tungs­fä­hi­gen Hoch­schul­sys­tems in ihrer Lan­des­spra­che (Art. 5 III GG)

jetzt Tra­bant, Glo­ba­le­sisch oder was? – Ein Plä­doy­er für Europas

Spra­chen, Mün­chen 2014, 235 S.
12 Mittelstraß/Trabant/Fröhlicher, Wis­sen­schafts­spra­che – Ein Plädo-

yer für Mehr­spra­chig­keit in der Wis­sen­schaft, Stutt­gart 2016, 50

S.; das Zitat steht im Vor­wort, S. 7.
13 Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12), S. 41
14 Bei­spiel: BayHSchG, Art. 2 I‑VI, 43 I‑VI, 55 I‑II, 56 I‑VI, 57 I‑III. 15 Bei­spiel: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hoch­schul­recht – Ein Hand-

buch für die Pra­xis, 3. Aufl. 2017.
16 Sachs/Lethaus, Ver­pflich­tung zu fremd­spra­chi­ger Leh­re? Neue

Her­aus­for­de­run­gen für die Leh­ren­den in der inter­na­tio­na­li­sier­ten Hoch­schu­le, For­schung & Leh­re (F&L) 2015, 628–629; Fless­ner, Der Rechts­an­spruch auf die Lan­des­spra­che in der Uni­ver­si­tät, Zeit­schrift für Rechts­po­li­tik (ZRP) 2015, 212–215; Jantz, Sprach- wahl und Wis­sen­schafts­frei­heit, OdW 2017, 41–50.

17 ZRP 2015, 212–215.

• die ver­fas­sungs­recht­li­che Ver­ant­wor­tung des deut- schen Staa­tes für sei­ne Spra­che (nicht nur für sei­ne Wis­sen­schaft!), die ihn zu ihrem Gebrauch in allen sei- nen Insti­tu­tio­nen und des­we­gen auch zu ihrer Bei­be- hal­tung und Pfle­ge in den Hoch­schu­len verpflichtet.

Die genann­ten Grund­rech­te und staats­recht­li­chen Grund­sät­ze ver­pflich­ten den deut­schen Staat, zu gewähr- leis­ten, dass man an sei­nen Hoch­schu­len jedes Fach bis zum höchs­ten Abschluss auf Deutsch stu­die­ren kann. Nach dem Grund­ge­setz darf die deut­sche Spra­che des­halb aus der aka­de­mi­schen Leh­re nicht ver­drängt werden.

Die Begrün­dung die­ser Rechts­auf­fas­sung muss hier nicht wie­der­holt wer­den. Der fol­gen­de Bei­trag führt sie viel­mehr fort mit der Fra­ge, wie sich die ver­fas­sungs- recht­li­che Gewähr­leis­tung des Deut­schen in der aka­de- mischen Leh­re denn ver­trägt mit den Grün­den, die von ange­se­he­nen deut­schen Insti­tu­tio­nen in der Regel für die Umstel­lung der Leh­re auf das Eng­li­sche vor­ge­bracht werden.

V. Inter­na­tio­na­li­sie­rung?

Wie kann die Inter­na­tio­na­li­sie­rung der deut­schen Hoch- schu­len, die in der Hoch­schul­po­li­tik gefor­dert wird, über­haupt gelin­gen, wenn es den Hoch­schu­len nicht erlaubt sein soll, Stu­di­en­gän­ge auf das Eng­li­sche umzu- stel­len? Die Ant­wort dar­auf ist zunächst, dass die bezeich­ne­te Rechts­la­ge sich nicht gegen deut­sche Stu­di- engän­ge in frem­der Spra­che rich­tet, son­dern die Gewähr- leis­tung des Stu­di­ums auf Deutsch for­dert. Immer schon ent­hal­ten Stu­di­en­gän­ge in Deutsch­land aus fach­spe­zi­fi- schen Grün­den auch Unter­richts­ein­hei­ten in frem­der Spra­che, und auch gan­ze Stu­di­en­gän­ge in einer Fremd- spra­che sind recht­lich unpro­ble­ma­tisch, wenn die Hoch- schu­le in der Lage bleibt, ein Stu­di­um des­sel­ben Faches auf Deutsch ohne Ein­bu­ße an Qua­li­tät zu gewährleisten.

Die Inter­na­tio­na­li­sie­rung durch fremd­spra­chi­ges Stu­di­um bleibt also mög­lich, aller­dings erfor­dert sie Res- sourcen. Wenn die­se für bei­des – ein ordent­li­ches Stu­di- enan­ge­bot auf Deutsch und Stu­di­um in einer Fremd- spra­che – nicht aus­rei­chen, muss die Hoch­schu­le be- rück­sich­ti­gen, dass hin­ter dem Inter­es­se an einem Stu­di- um auf Deutsch die Grund­rech­te von Stu­die­ren­den und Hoch­schul­leh­rern sowie die ver­fas­sungs­recht­li­che Sprach­ver­ant­wor­tung des Staa­tes ste­hen, wäh­rend die Mög­lich­keit einer Leh­re auch in einer Fremd­spra­che nur

  1. 18  Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12), S. 10–16, 20–25, 39–41.
  2. 19  Moci­kat, Die Spra­che in den Natur­wis­sen­schaf­ten: Her­aus­for­de-run­gen in Zei­ten der Inter­na­tio­na­li­sie­rung, in: Colin/Umlauf (Fn. 11), S. 57- 67; aus­führ­lich über die Sprach­lich­keit aller Wis­sen- schaft auch Fless­ner, Die Bedeu­tung von Wil­helm von Humboldts

ein je nach den Umstän­den berech­tig­tes, aber doch nur hoch­schulpoli­ti­sches Desi­de­rat ist, das gewiss nicht die Zurück­set­zung von Grund­rech­ten und Staats­grund­sät- zen rechtfertigt.

Die Poli­tik der Inter­na­tio­na­li­sie­rung, die nicht auf Fremd­spra­chen schlecht­hin, son­dern gera­de auf das Eng­li­sche setzt, hat zudem spe­zi­fi­sche Schwä­chen, die bei ihrer recht­li­chen Bewer­tung beson­ders ins Gewicht fal­len. Sie wird im all­ge­mei­nen damit begrün­det, dass das Eng­li­sche inzwi­schen die glo­ba­le Ver­kehrs­spra­che auch in der Wis­sen­schaft ist und so den Wis­sen­schaft- lern den inter­na­tio­na­len Aus­tausch erleich­tert, die inter- natio­na­le beruf­li­che Mobi­li­tät ver­schafft, den Stu­die­ren- den das Stu­di­um in ver­schie­de­nen Län­dern erlaubt und den Absol­ven­ten den glo­ba­len Arbeits­markt eröffnet.

Die­se Begrün­dung für die Rela­ti­vie­rung der Lan­des- spra­che und sogar für ihre Erset­zung in der aka­de­mi- schen Leh­re durch das Eng­li­sche nimmt Wis­sens­ver­lus- te in Kauf (im fol­gen­den unter 1.) und bedroht sogar die Wis­sen­schaft­lich­keit der eng­lisch­spra­chi­gen Leh­re selbst (im fol­gen­den unter 2.).

1. Wis­sens­ver­lus­te

Die Spra­che ist nach Sprach- und Erkennt­nis­theo­rie auch in der Wis­sen­schaft nicht nur Mit­tel der Kom­mu- nika­ti­on, „Ver­kehrs­mit­tel“, son­dern der Gewin­nung (Pro­duk­ti­on) und am Ende der Auf­nah­me und Aneig- nung (Rezep­ti­on) von Wis­sen; die Wis­sen­schaft ist ins- gesamt und von Anfang an „sprach­lich verfasst“.18 Sie ist das not­wen­di­ge Medi­um des gesam­ten Wis­sen­schafts- pro­zes­ses und muss des­halb nicht nur wis­sen­schaft­li­che Ergeb­nis­se trans­por­tie­ren, son­dern For­schern und Den- kern zunächst den Zugang zum Gegen­stand eröff­nen und ihnen sodann, nach geta­ner For­schungs- und Denk- arbeit, die Ver­brei­tung ihrer Ergeb­nis­se im wis­sen­schaft- lichen Forum, dann in der Leh­re, und wei­ter ihre Annah- me durch die sozia­le Umwelt ermög­li­chen – dies alles auch in der Naturwissenschaft!19 Die Wis­sen­schafts­ge- schich­te ist voll von Erzäh­lun­gen über den Wider­stand gegen neue Erkennt­nis­se, der – neben ande­ren Bewei­sen eben auch durch Spra­che – über­wun­den wer­den musste.

Sprach- und Erkennt­nis­theo­rie sagen aber auch, dass jede wis­sen­schafts­taug­li­che Ein­zel­spra­che den Wis­sen- schafts­pro­zess auf ihre Wei­se beein­flusst und das mit ihr mög­li­che Bild der Wirk­lich­keit zeich­net. Für den fra­gen- den Zugang zum Erkennt­nis­ge­gen­stand bie­tet jede Ein- zel­spra­che eine eige­ne Per­spek­ti­ve, für die sozia­le Durch-

Sprach­den­ken für die Rechts­wis­sen­schaft, in: Fest­schrift 200 Jah­re Juris­ti­sche Fakul­tät der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin, hrsg. von Grund­mann u.a., 2010, S. 874, 887–893, mit wei­te­ren Nach­wei­sen von Stim­men aus der Naturwissenschaft.

Fless­ner · Aka­de­mi­sche Leh­re nur auf Eng­lisch? 2 3 1

232 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 229–236

set­zung des Erkann­ten ihre eige­ne Seman­tik, Gram­ma- tik und Argumentationsweise.20 Jede Ein­zel­spra­che ist des­halb in glo­ba­ler Per­spek­ti­ve auch ein unvoll­kom­me- nes Medi­um. Erst in voll­kom­me­ner Mehr­spra­chig­keit wür­de die Wis­sen­schaft in ihrem Ide­al­zu­stand daher das voll­stän­di­ge Bild erstel­len können.21 Gleich­zei­tig sehen wir, dass es – allein schon in Euro­pa – in ver­schie­de­nen Spra­chen unter­schied­li­che und jeweils rei­che Wis­sen- schafts­kul­tu­ren gibt.

Bei die­ser Sach­la­ge die Men­schen für ihr wis­sens­ba- sier­tes Leben im Glo­ba­len nur mit einer Spra­che zu rüs- ten, blen­det die tat­säch­lich bestehen­de Viel­falt der Wis- sen­s­kul­tu­ren und der mit ihnen erreich­ten Welt­erfas- sung aus und kann so eine wah­re Inter­na­tio­na­li­sie­rung der Hoch­schu­len und ihrer Leh­re nicht errei­chen. Die Wis­sen­schaft in einen Zustand sprach­li­cher Mono­kul­tur zu ver­set­zen, ist daher kein genu­in wis­sen­schaft­li­ches Anlie­gen, son­dern allen­falls eines der Wis­sen­schafts­po- litik; die­se mag dabei die Kos­ten­vor­tei­le uni­fi­zier­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on im Sinn haben und die damit ver­bun- denen Wis­sens­ver­lus­te in Kauf neh­men. Für die recht­li- che Bewer­tung ist jeden­falls fest­zu­stel­len, dass Inter­na­ti- ona­li­sie­rung, die eine rea­lis­ti­sche Welt­kennt­nis wegen ihres Wil­lens zur Mono­kul­tur gar nicht errei­chen kann, zur Ein­schrän­kung von Berufs­frei­heit, Wis­sen­schafts- frei­heit, Per­sön­lich­keits­rech­ten und der Sprach­ver­ant- wor­tung des Staa­tes nach dem Grund­ge­setz nicht gee­ig- net ist.

2. Wis­sens­ver­zich­te

Es ist bekannt, dass wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­tio­nen, die im eng­li­schen Sprach­raum ent­ste­hen, nur sel­ten auf Quel­len und Lite­ra­tur ein­ge­hen, die in ande­ren Spra- chen vor­lie­gen. Das ist in der Rechts­wis­sen­schaft sogar in den Teil­dis­zi­pli­nen zu beob­ach­ten, die inter­na­tio­na- len Rechts­stoff behan­deln – Völ­ker­recht, inter­na­tio­na­les Pri­vat- und Straf­recht, Rechtsvergleichung.

Die Nicht­be­ach­tung anders­spra­chi­ger Quel­len und Lite­ra­tur­bei­trä­ge kann der Arbeits­ef­fi­zi­enz, aber auch rei­ner Bequem­lich­keit geschul­det sein. Die Wis­sen­schaft in den etwa 70 Län­dern mit eng­li­scher Lan­des- oder Amts- oder jeden­falls Bildungssprache22 und mit etwa

  1. 20  Aus­führ­lich Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12), S. 11–16, 26–30. Zum Zu- sam­men­hang zwi­schen Spra­che und Den­ken gibt der pro­mi­nen­te ARD-Jour­na­list Franz Stark eine sehr gute gemein­ver­ständ­li­che Zusam­men­fas­sung der Erkennt­nis­se der Lin­gu­is­tik und der ande­ren Tei­le der inter­dis­zi­pli­nä­ren „Kogni­ti­ons­wis­sen­schaft“ (Psy­cho­lo­gie, Neu­ro­lo­gie, Kul­tur­anthro­po­lo­gie, Phi­lo­so­phie): Stark, Wie viel Eng­lisch ver­kraf­tet die deut­sche Spra­che? – Die Chan­ce zwi­schen Glo­ba­li­sie­rungs­er­for­der­nis und Deutsch­tü­me- lei, 2. Aufl. 2010, S. 22–66 (lin­gu­is­ti­sche Grund­be­grif­fe), 67–98 (Spra­che und Denken).
  2. 21  Die Erkennt­nis vom unlös­li­chen Zusam­men­hang zwi­schen dem

einem Drit­tel der Welt­be­völ­ke­rung pro­du­ziert welt­weit genug, um im eige­nen Bereich den Ein­druck ent­ste­hen zu las­sen, man kön­ne sich die Beob­ach­tung wei­te­rer Sprach­räu­me gefahr­los erspa­ren. Die­se Selbst­zu­frie­den- heit wird aber auch aktiv geför­dert. Es wird inzwi­schen von Zeit­schrif­ten berich­tet, die ihren Autoren jede Zitie- rung von Quel­len und Tex­ten in ande­ren Spra­chen als Eng­lisch herausstreichen.23 Die ein­fluss­rei­chen ame­ri­ka- nischen Zitier­in­di­ces berück­sich­ti­gen aus­län­di­sche Pub- lika­tio­nen, und beson­ders die in ande­rer Spra­che, nur höchst lücken­haft und in kei­nem auch nur annä­hernd rea­lis­ti­schen Ver­hält­nis zur Men­ge der ernst­zu­neh­men- den Publi­ka­tio­nen des Auslands.24 In Groß­bri­tan­ni­en ist das Nicht­ken­nen von Fremd­spra­chen inzwi­schen offi­zi- elle Schul­po­li­tik; Fremd­spra­chen sind für die Sekun­dar- stu­fe der staat­li­chen Schu­len als Pflicht­fach abge­schafft. Es droht eine „Ver­ar­mung der Wis­sen­schaft durch eine mono­sprach­li­che Horizontbegrenzung“.25

Für die Wis­sen­schaft, welt­weit gese­hen, führt die­se sprach­po­li­ti­sche Hal­tung zu einem Ver­lust an Welt­erfas- sung, und der Ver­lust wird zuneh­mend grö­ßer, je mehr das Eng­li­sche zum welt­weit allein gül­ti­gen Erkennt­nis- und Ver­kehrs­me­di­um erklärt wird, weil dann auch die- jeni­gen, die es als Fremd­spra­che benut­zen (müs­sen), die­se Selbst­be­schrän­kung auf das mit Eng­lisch Ermit­tel- bare und Sag­ba­re über­neh­men wer­den. Wenn sprach­lich beding­tes Nicht­wis­sen und Nicht­wis­sen­kön­nen zum wis­sen­schaft­li­chen Ide­al erho­ben wird, wer­den all­mäh- lich alle in ihrem Bemü­hen um fremd­sprach­lich gestütz- te Wis­sens­er­wei­te­rung nachlassen.

Für die recht­li­che Bewer­tung der Umstel­lung auf Eng­li­schist­nicht­all­ein­die­ser­Ver­lust­ein­Ne­ga­tiv­pos­ten, son­dern mehr noch die inne­re Wider­sprüch­lich­keit die- ser aka­de­mi­schen Sprach­po­li­tik. Mit ihr soll die Inter­na- tio­na­li­sie­rung, also die Erwei­te­rung des Hori­zonts der deut­schen Hoch­schu­len erreicht wer­den. Wenn die­se In- ter­na­tio­na­li­sie­rung aber vor allem auf die eng­li­sche Spra­che setzt, führt sie in eine Sprach­welt, in der das wis- sen­schaft­li­che Ver­blei­ben im eige­nen Sprach­raum, das Abschal­ten des Fra­gens und For­schens über die eige­ne Sprach­gren­ze hin­aus, zum guten Ton gehört. Eine sol­che Sprach­po­li­tik mag, schon wegen der Grö­ße des engli-

Den­ken und der ein­zel­nen Spra­che geht auf Wil­helm von Hum-

boldt zurück; dar­über aus­führ­lich Fless­ner (Fn. 19), S. 874–880.
22 Dazu Metz­ler Sprach­le­xi­kon, hrsg. von Glück, 4. Aufl. 2010, Stich-

wör­ter „Eng­lisch“ und „“Eng­lisch als Zweit­spra­che“.
23 HRK (Fn. 4), S. 40 f.; Moci­kat, in: ADAWIS 2016 (Fn. 11), S. 67. 24 Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12), S. 29 f, 31 mit wei­te­ren Anga­ben.
25 Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12), S. 36. Die dort zitier­te Kla­ge der British

Aca­de­my , dass die bri­ti­schen Wis­sen­schaft­ler „Gefan­ge­ne ihrer Spra­che“ gewor­den sei­en, und die Aka­de­mie-Emp­feh­lun­gen zum (Wieder-)Aufbau des Fremd­spra­chen­un­ter­richts haben ansch­ei- nend bis­her nichts bewirkt.

schen Sprach­raums, für Hoch­schu­len in ande­ren Sprach- räu­men immer noch eine Erwei­te­rung sein. Sie kann aber nicht recht­fer­ti­gen, den Ein­zel­nen und der All­ge- mein­heit ihren ver­fas­sungs­recht­li­chen Anspruch auf den Gebrauch auch der eige­nen Lan­des­spra­che in den Hoch­schu­len mit der Behaup­tung zu ver­wei­gern, das Eng­li­sche bie­te die bes­se­re Wissenschaft.

Wenn eine staat­li­che Hoch­schu­le (mit Ein­wil­li­gung des zustän­di­gen Minis­te­ri­ums) die Umstel­lung des Stu- diums auf das Eng­li­sche beschließt, gel­ten für bei­de die Grund­sät­ze des all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­rechts. Nach die­sem muss das staat­li­che Ermes­sen „ent­spre­chend dem Zweck der Ermäch­ti­gung“ aus­ge­übt wer­den (§ 40 VwVfG). Die Hoch­schul­ge­set­ze for­dern auf und ermäch- tigen zur Inter­na­tio­na­li­sie­rung um der Erwei­te­rung des Hori­zonts willen.26 Wenn die­se Erwei­te­rung nur dar­in bestehen soll, dass die aka­de­mi­sche Leh­re vom hei­mi- schen Sprach­raum in einen ande­ren wech­seln soll, der zwar grö­ßer ist, aber den Blick in wei­te­re Sprach­räu­me selbst für über­flüs­sig erklärt, ent­steht den deut­schen Hoch­schul­in­stan­zen offen­sicht­lich ein Pro­blem des Fehl­ge­brauchs ihres Ermes­sens. Die­ses besteht auch dann, wenn man ihren Beschluss nicht als Ver­wal­tungs- akt, son­dern als (unter­ge­setz­li­che) Norm­set­zung an- sieht.27 Da mit der Ver­drän­gung des Deut­schen aus der Leh­re in Grund­rech­te ein­ge­grif­fen wird, kommt der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ins Spiel – die Ent- spre­chung zur Ermes­sens­leh­re auf der ver­fas­sungs­recht- lichen Ebe­ne. Auch dort geht es um die Zweck­eig­nung der Maß­nah­me. Die deut­sche Hoch­schul­po­li­tik, die die aka­de­mi­sche Leh­re auf das Eng­li­sche umstel­len will, kann der inne­ren Wider­sprüch­lich­keit ihres Stre­bens recht­lich nicht entkommen.

Die Inter­na­tio­na­li­sie­rung der deut­schen Hoch­schu- len kann nach allem nur so aus­se­hen, wie HRK und Wis- sen­schafts­rat es vor­zeich­nen: „Gene­rell soll­te das Ziel al- ler Bemü­hun­gen im insti­tu­tio­nel­len Rah­men einer Etab- lie­rung von Mehr­spra­chig­keit in der Wis­sen­schaft ein Zustand sein, in dem jeder Wis­sen­schaft­ler in der Lage ist, dem wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs (in Schrift und Wort) in aus dis­zi­pli­nä­rer Per­spek­ti­ve zen­tra­len Wis­sen- schafts­spra­chen zu fol­gen (Lese- und Rezeptionsfähig-

  1. 26  Z.B. BayHSchG, Art. 2 II 1, 55 II 1.
  2. 27  Nach Art. 56 I 1 und 58 I 1 BayHSchG ist die Stu­di­en- und Prü-fungs­ord­nung für einen Stu­di­en­gang (genehmigungsbedürftige)„Satzung“ der Hochschule.
  3. 28  Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12), S. 42, Emp­feh­lung Nr. 7; in dem­sel­ben­Sinn HRK (Fn. 4), S. 33, 36, und HRK (Fn. 7): „Der Fremd­spra- che­n­er­werb ist … cur­ri­cu­lar zu ver­an­kern. … Über den all­ge- mei­nen Sprach­ge­brauch hin­aus ist auch die fach­spe­zi­fi­sche Mehr- spra­chig­keit der Stu­die­ren­den gezielt zu för­dern. Nur ver­tief­te, fach­spe­zi­fi­sche Kennt­nis­se einer oder meh­re­rer Fremd­spra­chen ermög­li­chen es den Stu­die­ren­den, inter­na­tio­na­le For­schungs­be- fun­de zu rezipieren..“

keit) und sei­ner­seits von der sci­en­ti­fic com­mu­ni­ty als Au- tor und als Spre­cher einer Wis­sen­schafts­spra­che gele­sen und ver­stan­den wird.“28 An die­se Fähig­kei­ten müs­sen auch die Stu­die­ren­den her­an­ge­führt werden.29 Es ist ein Grund­zug der Uni­ver­si­tät der Mehr­spra­chig­keit, dass sie von ihren Leh­rern, For­schern und Stu­die­ren­den neben der Ach­tung der Lan­des­spra­che bis zur Gren­ze ihres Kön­nens die Kennt­nis und den Gebrauch einer Anzahl von Fremd­spra­chen ver­langt. Gewoll­te Selbst­be­schrän- kung auf eine ein­zi­ge Wis­sen­schafts­spra­che gibt es in der wahr­haft inter­na­tio­na­li­sier­ten Hoch­schu­le nicht.

VI. Hoch­schul­au­to­no­mie?

Wenn der Staat den deut­schen Hoch­schu­len etwas aufer- legt oder etwas Wich­ti­ges ent­zieht, ist schnell von der „Hoch­schul­au­to­no­mie“ die Rede, die zu ach­ten sei – sie ist zunächst ein hoch­schul­po­li­ti­sches Argu­ment. Sie kann aber auch ein recht­li­cher Ein­wand der Hoch­schu­len gegen Rege­lun­gen der Gesetz­ge­ber oder Regie­run­gen wer­den – viel­fäl­ti­ge Recht­spre­chung, auch des BVerfG, zeugtdavon,auchwennderBegriffselbst–Hochschul- auto­no­mie – in Geset­zen und Ver­fas­sun­gen nicht vor- kommt.30

Die Auto­no­mie der Hoch­schu­len als Schran­ke für staat­li­ches Regeln grün­det sich in Deutsch­land auf Ver- fas­sungs­be­stim­mun­gen und die Hoch­schul­ge­set­ze in den Bun­des­län­dern, dar­über hin­aus auf ein gemein­deut- sches Ver­ständ­nis von der Selbst­ver­wal­tung der eigent- lich vom Staat getrenn­ten, aber von ihm gegrün­de­ten und getra­ge­nen Kör­per­schaf­ten und Anstalten.31 Sie wird aber auch aus der Wis­sen­schafts­frei­heit (Art. 5 III GG) her­ge­lei­tet – in dem Sin­ne, dass auch die Hoch­schu- len und ihre Unter­glie­de­run­gen (Fakul­tä­ten, Fach­be­rei- che) sich auf die­ses Grund­recht gegen­über dem Staat be- rufen können.32

Wenn Hoch­schul­au­to­no­mie dem­nach auch recht­lich für aka­de­mi­sche Sprach­po­li­tik ins Feld geführt wer­den kann, ist hier zu fra­gen: Muss der Staat den Hoch­schu­len wegen ihres Rechts auf Auto­no­mie erlau­ben, das Stu­di- um auf eine Fremd­spra­che umzu­stel­len? Sieht man die Hoch­schul­au­to­no­mie allein im Hoch­schul­recht der Län-

29 Näher dazu für die Rechts­wis­sen­schaft Fless­ner (Fn. 19), S. 897 f; ders., Juris­ti­sche Metho­de und Euro­päi­sches Pri­vat­recht, JZ 2002, 14, 22–24.

30 Aus­führ­lich Kem­pen, Grund­fra­gen des insti­tu­tio­nel­len Hoch- schul­rechts, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.) (Fn. 15), 1. Kap., Rn. 117–142.

31 Kem­pen (Fn. 30), Rn. 22–28, 117–124.
32 So jüngst auch, nach frü­he­rem Zögern, BVerfG 15.7.2015, 2 BvE

4/12, NVwZ 2015, 1361 mit Anm. Lenz, JuS 2016, 858, Anm. Hufen.

Fless­ner · Aka­de­mi­sche Leh­re nur auf Eng­lisch? 2 3 3

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der begrün­det, ist die Ant­wort ein­fach. Die Ver­pf­lich- tung des deut­schen Staa­tes auf sei­ne Spra­che in sei­nen Hoch­schu­len folgt aus dem Grund­ge­setz, der Bun­des- verfassung.33 Gegen sie kann das Bun­des­land, das die Hoch­schu­len in der Sprach­po­li­tik frei­er stel­len will, nichts ausrichten.

Die Ant­wort ist schwie­ri­ger zu fin­den, wenn, wie über­wie­gend ange­nom­men, die Hoch­schul­au­to­no­mie aus Art. 5 III GG her­zu­lei­ten ist. Dann steht das Grund- recht der Hoch­schu­le auf unab­hän­gi­ge Gestal­tung der Leh­re gegen das eben­falls aus Art. 5 III GG her­zu­lei­ten- de Grund­recht der Hoch­schul­leh­rer auf Sprach­frei­heit für ihre Lehr­tä­tig­keit. Hier könn­te man ver­su­chen, nach der Leh­re von der „prak­ti­schen Kon­kor­danz“ zwi­schen gegen­sätz­li­chen, aber an sich gleich­ran­gi­gen Grund- rechts­po­si­tio­nen zu einer aus­glei­chen­den und ange­mes- senen Sprach­po­li­tik an den Hoch­schu­len zu kommen.34

Für die Auf­lö­sung der hier gege­be­nen Kol­li­si­on muss aber grund­sätz­li­cher und genau­er ange­setzt wer­den. Zu berück­sich­ti­gen ist, dass der Gedan­ke der Hoch­schul­au- tono­mie sich nicht gegen die Ange­hö­ri­gen der Hoch- schu­le, son­dern gegen die Hoch­schul­po­li­tik des Staa­tes, sei­ne Gesetz­ge­ber und Regie­run­gen rich­tet und dass im Fal­le der aka­de­mi­schen Leh­re der Staat eben nicht frei hoch­schul­po­li­tisch ent­schei­det, son­dern selbst durch an- dere Grund­rech­te (Berufs­frei­heit, Dis­kri­mi­nie­rungs­ver- bot) und staats­recht­lich an die deut­sche Spra­che in sei- nen Hoch­schu­len gebun­den ist. Wo der Staat ver­fas- sungs­recht­lich gebun­den ist, kann er von vorn­her­ein kei­ne davon abwei­chen­de Poli­tik betrei­ben. Ein Grund- recht der Hoch­schu­le gegen den Staat auf eine eige­ne Sprach­po­li­tik gegen die­se Ver­fas­sungs­la­ge kann es nicht geben, es wäre widersinnig.

Es wäre wider­sin­nig auch des­halb, weil die Hoch- schul­au­to­no­mie ja aus der Wis­sen­schafts­frei­heit (Art. 5 III GG) fol­gen soll. Wis­sen­schaft bedeu­tet stän­di­ge Un- zufrie­den­heit mit dem gefühl­ten Nicht­wis­sen, die­se führt zum metho­di­schen Fra­gen und For­schen. Für die Frei­heit zu die­sem Fra­gen und For­schen sich einem Sprach­raum hin­zu­ge­ben, in dem ten­den­zi­ell das Wis- sen­wol­len an den Gren­zen die­ses Sprach­raums enden darf, ent­spricht nicht dem Begriff der Wis­sen­schaft im Sinn von Art. 5 III GG, es ist eher sei­ne Umkeh­rung. Das bewusst akzep­tier­te Nicht­wis­sen zu begüns­ti­gen, kann nicht der Sinn der Wis­sen­schafts­frei­heit der Hoch­schu- len sein.

Das HRG bestä­tigt die­se Auf­fas­sung. Sein § 4 II soll ver­deut­li­chen, was die Mit­glie­der der Hoch­schu­le als

  1. 33  S. oben, bei Fn. 17.
  2. 34  So Jantz, OdW 2017, 44, 47.
  3. 35  BGBl. I 185, zuletzt geän­dert 2007, BGBl. I 506.

Teil ihrer nach Art. 5 III 1 GG ver­bürg­ten „Frei­heit der Leh­re“ im Rah­men der zu erfül­len­den Lehr­auf­ga­ben „wahr­neh­men kön­nen“, näm­lich: „ … die Abhal­tung von Lehr­ver­an­stal­tun­gen und deren inhalt­li­che und metho- dische Gestal­tung“. In Satz 2 wird sodann den zustän­di- gen Hoch­schul­or­ga­nen erlaubt, die Orga­ni­sa­ti­on des Lehr­be­triebs sowie die Auf­stel­lung und Ein­hal­tung von Prü­fungs­ord­nun­gen zu regeln. Es wird dort aber aus- drück­lich her­vor­ge­ho­ben, dass die­se Ent­schei­dun­gen „die Frei­heit der Leh­re im Sin­ne von Satz 1 nicht beein- träch­ti­gen“ dür­fen. Mit ande­ren Wor­ten: Die Frei­heit der Leh­re der Hoch­schul­leh­rer ran­giert, was die Spra­che der Leh­re angeht, vor dem Orga­ni­sa­ti­ons­recht der Hoch- schu­le; die­ses umfasst nicht Inhalt und Metho­de der Leh­re und damit auch nicht die Wahl der Unter­richts- spra­che. Ein Recht der Hoch­schu­le, ihre Mit­glie­der auf eine Fremd­spra­che zu ver­pflich­ten, gibt die Hoch­schul- auto­no­mie nicht her, wenn sie Bestand­teil der Wis­sen- schafts­frei­heit nach Art. 5 III GG ist.

VII. Beson­der­hei­ten beim Master-Studium?

Aus Hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­en ist gele- gent­lich zu ver­neh­men, dass die Sprach­po­li­tik für post- gra­dua­le Stu­di­en­gän­ge, beson­ders für das Mas­ter-Stu­di- um, frei­er gestellt sei. Dafür gibt es aber in den maß­ge- ben­den Rechts­tex­ten kei­ne Anhaltspunkte.

Nach dem HRG von 197635 berei­ten die Hoch­schu­len durch die ihnen auf­ge­tra­ge­ne „Pfle­ge der Wis­sen­schaf- ten und der Küns­te … auf beruf­li­che Tätig­kei­ten vor, die die Anwen­dung wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se und wis­sen­schaft­li­cher Meto­den oder die Fähig­keit zu künst- leri­scher Gestal­tung erfor­dern“ (§ 1 I). Leh­re und Stu­di- um sol­len die Stu­die­ren­den „auf ein beruf­li­ches Tätig- keits­feld vor­be­rei­ten …“ (§ 7), und die Stu­di­en­gän­ge sol- len „in der Regel zu einem berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Ab- schluss“ füh­ren (§ 10 I 1). „Post­gra­dua­le“ Stu­di­en kön­nen sodann „zur Ver­mitt­lung wei­te­rer wis­sen­schaft­li­cher oder beruf­li­cher Qua­li­fi­ka­tio­nen oder zur Ver­tie­fung ei- nes Stu­di­ums“ ange­bo­ten wer­den (§ 12 Satz 1). Das ge- sam­te Stu­di­um, auch das post­gra­dua­le, ist des­halb bun- des­recht­lich auf Wis­sen­schaft­lich­keit und Berufs­qua­li­fi- zie­rung ausgerichtet.

An die­ser Aus­rich­tung des gesam­ten Stu­di­ums haben die Bun­des­län­der nichts ändern wol­len, als sie 1999 in der KMK den Ein­tritt in den „Bolo­gna-Pro­zess“ be- schlossen.36 Dadurch wur­de zwar ein Sys­tem gestuf­ter Stu­di­en­ab­schlüs­se (Bache­lor, dann Mas­ter) eingeführt,

36 Dar­über und über die Rechts­ver­bind­lich­keit die­ses Pro­zes­ses infor­ma­tiv und klä­rend Lind­ner, Rechts­fra­gen des Stu­di­ums, in: Hartmer/Detmer (Fn. 15), Rn. 34–38.

für bei­de Stu­di­en­stu­fen aber der wis­sen­schaft­li­che und berufs­qua­li­fi­zie­ren­de Cha­rak­ter bei­be­hal­ten. Der KMK- Beschluss vom 10.10.2003 über „Län­der­ge­mein­sa­me Struk­tur­vor­ga­ben für die Akkre­di­tie­rung von Bache­lor- und Masterstudiengängen“37 spricht dem Bache­lor-Stu- dien­gang zu, „wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen, Metho­den- kom­pe­tenz und berufs­feld­be­zo­ge­ne Qua­li­fi­ka­tio­nen ent­spre­chend dem Pro­fil der Hoch­schu­le und des Stu­di- engangs“ zu ver­mit­teln ((Punkt A.3.1); die Mas­ter-Stu­di- engän­ge sol­len dann „der fach­li­chen und wis­sen­schaft­li- chen Spe­zia­li­sie­rung“ die­nen (Punkt A.3.2). In die­sem „Sys­tem … stellt der Bache­lor­ab­schluss als ers­ter berufs- qua­li­fi­zie­ren­der Abschluss den Regel­ab­schluss dar und führt damit für die Mehr­zahl der Stu­die­ren­den zu einer ers­ten Berufs­ein­mün­dung“ (Punkt A.2). Der Mas­ter ist nur „wei­te­rer berufs­qua­li­fi­zie­ren­der Abschluss“, die „Durch­läs­sig­keit im Hoch­schul­sys­tem (muss) auch nach Ein­füh­rung des neu­en Gra­du­ie­rungs­sys­tems erhal­ten blei­ben“ (Punkt A. 2 letz­ter Satz).

Der Unter­schied die­ses Sys­tems zu dem vom HRG vor­ge­fun­de­nen und gere­gel­ten Sys­tem besteht nicht in einer Ände­rung sei­ner Wis­sen­schaft­lich­keit und Berufs- ori­en­tie­rung auf den ver­schie­de­nen Stu­fen, son­dern da- rin, dass schon mit Abschluss der ers­ten Stu­fe, dem Ba- che­lor, in der Regel nach 6 Semes­tern der „ers­te berufs- qua­li­fi­zie­ren­de Abschluss“ soll erreicht wer­den können.

Die Hoch­schul­ge­set­ze der Bun­des­län­der fol­gen die- sen Vor­ga­ben. Eine freie­re Stel­lung für die Sprach­po­li­tik in den Mas­ter-Stu­di­en­gän­gen lässt sich ihnen nicht ent- neh­men. Als Bei­spiel die­ne hier das baye­ri­sche Hoch- schulgesetz.38 Nach sei­nem Art. 2 berei­ten die Hoch- schu­len „auf eine beruf­li­che Tätig­keit vor“. Nach Absatz 5 der Vor­schrift sol­len sie zudem den Erwerb von Zu- satz­qua­li­fi­ka­tio­nen ermög­li­chen, „die den Über­gang in das Berufs­le­ben erleich­tern“. Nach Art. 55 I sol­len Leh­re und Stu­di­um die Stu­die­ren­den „auf ein beruf­li­ches Tä- tig­keits­feld vor­be­rei­ten“, und zwar so, dass sie „zu wis- sen­schaft­li­cher Arbeit befä­higt wer­den“. Ein Unter­schied zwi­schen dem Bache­lor- und dem Mas­ter-Stu­di­um wird da nicht gemacht. Eben­so nicht in Art. 56 I, wo nur ver- langt wird, dass „ein Stu­di­en­gang“ (also jeder!) „in der Regel zu einem berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Abschluss“ füh- ren soll. In Absatz 3 die­ser Bestim­mung wird dann für die „grund­stän­di­gen“ Stu­di­en­gän­ge ver­langt, dass sie zu einem „ers­ten berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Hoch­schul­ab- schluss“ füh­ren sol­len. Aber auch den dann genann­ten „post­gra­dua­len Stu­di­en­gän­gen“, also auch dem Master-

  1. 37  Heu­te in der Fas­sung vom 4.2.2010, abruf­bar unter www.kmk.org (zuletzt abge­ru­fen am 14.8.2017).
  2. 38  BayGVBl. 2006, 245, zuletzt geän­dert durch Gesetz vom 12.7.2017, GVBl. 362.

Stu­di­um, wird das Ziel der Ver­mitt­lung „wei­te­rer … be- ruf­li­cher Qua­li­fi­ka­tio­nen“ und der „beruf­li­chen Wei­ter- bil­dung“ gesetzt.

An kei­ner Stel­le des Geset­zes wird gesagt, dass na- ment­lich in ihrer Eig­nung für das Berufs­le­ben ein grund- sätz­li­cher Unter­schied zwi­schen den grund­stän­di­gen und den post­gra­dua­len Stu­di­en­gän­gen bestehen sol­le. Der ein­zi­ge Unter­schied ist, dass die grund­stän­di­gen auf einen „ers­ten Abschluss“ hin­füh­ren müs­sen, wäh­rend die post­gra­dua­len eine beruf­li­che Zusatz­qua­li­fi­zie­rung ver­mit­teln, also auf einen zwei­ten und wei­te­ren „Ab- schluss“ hin­füh­ren, aber auch ohne Abschluss enden kön­nen. Jeden­falls dann, wenn in der Berufs­welt ein wei­te­rer sol­cher Abschluss ver­langt wird oder jeden­falls Vor­tei­le bie­tet und des­we­gen von der Hoch­schu­le ange- boten wird (ohne die­ses Ziel dürf­te sie ihn ja nicht anbie- ten), gel­ten für ihn die­sel­ben grund­sätz­li­chen Anfor­de- run­gen wie für die grund­stän­di­gen. Die Leh­re in der Hoch­schu­le ist, ob “gestuft“ oder nicht, grund­sätz­lich die­sel­be und ist recht­lich als Ein­heit zu behan­deln. Eine Unter­schei­dung zur Sprach­po­li­tik für das grund­stän­di­ge und das post­gra­dua­le Stu­di­um wird auch in den Emp- feh­lun­gen der HRK nicht gemacht.39

Das BayHSchG erlaubt aller­dings, für das Mas­ter- Stu­di­um „wei­te­re Zugangs­vor­aus­set­zun­gen“ (über die all­ge­mei­ne Hoch­schul­rei­fe hin­aus) fest­zu­le­gen, „ins­be- son­de­re den Nach­weis einer stu­di­en­gangs­spe­zi­fi­schen Eig­nung“ (Art Abs. 5 Satz 2). Dazu kön­nen viel­leicht auch nach­zu­wei­sen­de Sprach­kennt­nis­se gehö­ren. Die­se Sprach­kennt­nis­se müs­sen aber aus der fach­li­chen Eigen- art des Stu­di­en­gangs erfor­der­lich sein (beson­ders etwa in Stu­di­en­gän­gen über fremd­sprach­li­che Kulturen).40 Die Hoch­schu­le kann nicht – umge­kehrt – fremd­sprach- liche Eig­nungs­nach­wei­se ver­lan­gen, um erst damit die Ein­rich­tung eines fremd­sprach­li­chen Stu­di­en­gangs zu begrün­den. Den logi­schen Vor­rang hat die Entsch­ei- dung über die Ein­rich­tung des Stu­di­en­gangs, erst dann kön­nen – auch sprach­li­che – Zugangs­vor­aus­set­zun­gen fach­ge­recht fest­ge­legt wer­den. Es kann nicht ange­nom- men wer­den, ein Lan­des­ge­setz­ge­ber habe den Hoch- schu­len auf einem gewun­de­nen Weg, gleich­sam durch die Hin­ter­tür, sprach­po­li­tisch freie Hand geben wollen.

Den Hoch­schul­ge­set­zen lässt sich nach allem nicht ent­neh­men, dass die Hoch­schu­len sprach­po­li­tisch für dasMaster-StudiumeinefreiereStellunghätten.Anders kann es auch nicht sein, denn die Ver­pflich­tung der Hoch­schu­len auf die deut­sche Spra­che beruht auf Bun-

39 S. HRK 2011 und HRK 2017, oben Fn. 4 und 7.
40 Aus­führ­lich dazu Lind­ner (Fn. 36), Rn. 78, 79, 82–86.

Fless­ner · Aka­de­mi­sche Leh­re nur auf Eng­lisch? 2 3 5

236 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 229–236

des­ver­fas­sungs­recht. Das Grund­ge­setz kennt den Unter- schied zwi­schen grund­stän­di­gem und post­gra­dua­lem Stu­di­um nicht. Nach ihm ist auch der Zugang zum Mas- ter-Stu­di­um eine Stu­fe der Berufs­wahl, die nicht mit dem Erfor­der­nis der Kennt­nis einer Fremd­spra­che er- höht wer­den (Art. 12) und nicht wegen einer Unkennt­nis die­ser Fremd­spra­che zur Dis­kri­mi­nie­rung genutzt wer- den darf (Art. 3 III GG); und nach ihm ist auch das Mas- ter-Stu­di­um (und gera­de die­ses!) wis­sen­schaft­li­che Leh- re, deren Frei­heit nicht ein­ge­schränkt wer­den darf (Art. 5 III), und gera­de der Ort, an dem die Ver­drän­gung der deut­schen Spra­che den Qua­li­täts­ver­lust des deut- schen Hoch­schul­sys­tems und das Ver­sa­gen des deut- schen Staa­tes in sei­ner Ver­ant­wor­tung für die deut­sche Lan­des­spra­che am deut­lichs­ten mar­kie­ren wür­de. Kurz- um: Die Stu­fung des Stu­di­ums durch die Hoch­schul­ge- set­ze der Län­der ändert nichts dar­an, dass das gesam­te Stu­di­um, auch das post­gra­dua­le, den bun­des­ver­fas- sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen an Zugäng­lich­keit, Frei­heit und Qua­li­tät genü­gen muss. Vor dem Grundge- setz sind alle Stu­di­en­gän­ge gleich.

VIII. Euro­päi­scher und glo­ba­ler Hochschulraum

Nach deut­schem Ver­fas­sungs­recht darf die deut­sche Spra­che aus der aka­de­mi­schen Leh­re in Deutsch­land nicht ver­drängt wer­den. Iso­liert Deutsch­land sich damit im „Euro­päi­schen Hoch­schul­raum“, dem die KMK mit ihrem Bolo­gna-Ein­tritt ange­hö­ren, oder gar in dem glo- balen Hoch­schul­raum, dem die HRK mit ihren Emp­feh- lun­gen die­nen möchte?

In Ita­li­en hat kürz­lich der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof die Wah­rung der ita­lie­ni­schen Spra­che als vor­ran­gi­ges Me-

dium an den staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten eingefordert.41 In Frank­reich hat die jüngs­te Revi­si­on des Bil­dungs­ge­set­zes dafür gesorgt, dass die aka­de­mi­sche Leh­re auf Fran­zö- sisch ver­pflich­tet bleibt; Eng­lisch ist an den Hoch­schu­len nur erlaubt, wenn es fach­spe­zi­fisch oder durch didak­ti- sche Erfor­der­nis­se begrün­det ist.42 Dies dar­zu­stel­len und außer­dem die sprach­li­chen Ver­pflich­tun­gen der Hoch­schu­len aus euro­päi­schem Uni­ons­recht und aus Völ­ker­recht zu erör­tern, erfor­dert eine eige­ne Unter­su- chung. Jeden­falls soll­ten schon das ita­lie­ni­sche und das fran­zö­si­sche Bei­spiel genü­gen, um Furcht vor deut­scher Iso­lie­rung durch sei­ne Ver­fas­sung in Euro­pa nicht auf- kom­men zu lassen.

Vor dem Vor­wurf der Selbst­iso­lie­rung kön­nen die Hoch­schu­len sich am bes­ten mit einem kla­ren Kon­zept der Mehr­spra­chig­keit der Wis­sen­schaft schüt­zen, wie es von der Arbeits­grup­pe der Wis­sen­schafts­rä­te begrün­det wor­den ist.43 Die Autoren schrei­ben am Schluss: „Spra- che in der Wis­sen­schaft bzw. Spra­che der Wis­sen­schaft (ist) nicht nur ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um, son­dern auch ein kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment der Wis­sen­schaft selbst. Wenn die Wis­sen­schaft das nicht sieht, kennt sie sich selbst nicht. Und wenn die Wis­sen­schafts­po­li­tik an einer der­ar­ti­gen Pro­blem­la­ge vor­bei­sieht, gerät sie in Gegen- satz zu einer Bil­dungs­po­li­tik, die bean­sprucht, in der Wis­sen­schaft das kul­tu­rel­le Wesen einer moder­nen Ge- sell­schaft zu erkennen“.44 Aus recht­li­cher Sicht ist hin­zu- zufü­gen: Wenn Wis­sen­schafts­po­li­tik und Hoch­schu­len in Deutsch­land dabei auch an der Lan­des­spra­che vor­bei- sehen, müs­sen sie am Grund­ge­setz scheitern.

Axel Fless­s­ner ist Pro­fes­sor i. R. der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät, Berlin.

  1. 41  Urteil (Sen­ten­za) Nr. 42 vom 21.2.2017, deut­sche Über­set­zung und Kom­men­ta­re unter www.adawis.de unter „Aktu­el­les“.
  2. 42  Loi no. 2013–660 du 22 juil­let 2013 rela­ti­ve à l’enseignement supé­ri­eur et à la recher­che, Art. 2, auf­ruf­bar bei www. legifrance.gouv.fr unter „Les codes en vigeur>Code de l’éducation>enseignement supérieur“.
  3. 43  Mit­tel­straß u.a. (Fn. 12).
  4. 44  AaO., S. 42 f.