Übersicht
I. Einleitung
II. Bereitstellungsverbote aufgrund von Finanzsanktionen
III. Die Einstellung als „technische Unterstützung“ i.S.v. § 2 Abs. 16 AWG
- Der Transfer technischen Wissens
- Die inländische Forschungseinrichtung als Erbringer der technischen Unterstützung
- Der ausländische Empfänger des technischen Wissens (Auslandsbezug)
a) Definition des Ausländers
b) Privilegierung von in Mitgliedstaaten der EU bzw. den EU001-Ländern ansässigen Personen - Der Verwendungszusammenhang
a) ABC-Waffen/Trägersysteme und militärische Endverwendung (§ 51 Abs. 1 und 2 AWV)
b) Errichtung oder Betrieb kerntechnischer Anlagen (§ 52 Abs. 1 AWV)
c) Positive Kenntnis und Unterrichtungsmechanismus (§§ 51 Abs. 3, 52 Abs. 2 AWV) - Ausnahmen nach der Art des technischen Wissens (§§ 51 Abs. 4, 52 Abs. 3 AWV)
a) Allgemein zugängliche Informationen
b) Grundlagenforschung
c) Nicht gelistete Technologie - Ausnahmen in bestimmten Konstellationen (§ 53 AWV)
- Embargos
IV. „Deemed reexports“ im US-Recht
V. Die Implementierung im Compliance-System
I.Einleitung
Die Gewinnung qualifizierten Personals ist essentiell für den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg von Forschungseinrichtungen und Universitäten in Deutschland. Die Anwerbung von wissenschaftlichem Personal erfolgt dabei häufig auch im Ausland.1
Sollen ausländische Wissenschaftler bzw. wissenschaftliche Mitarbeiter eine Anstellung2 in Universitäten oder Forschungseinrichtungen in Deutschland erhalten, sind unbeschadet der von Artikel 5 Satz 3 des Grundgesetzes garantierten Wissenschaftsfreiheit3 außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen in Form von Genehmigungspflichten oder Verboten (vgl. § 4 Abs. 3 des Außenwirtschaftsgesetzes) zu beachten4.
Besteht hinsichtlich der Einstellung einer Person ein außenwirtschaftsrechtliches Verbot, so darf die Einstellung nicht erfolgen. Bei Bestehen einer außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigungspflicht muss die erforderliche Genehmigung vor der Einstellung des Bewerbers durch die Genehmigungsbehörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), erteilt worden sein5.
Die zu prüfenden Voraussetzungen der Genehmigungspflicht bzw. des Verbots einer Einstellung werden nachfolgend im Einzelnen näher betrachtet.6
Christian Kachel Außenwirtschaftsrechtliche Compliance bei der Einstellung ausländischer Wissenschaftler
1 Gemäß den Angaben der Bundesregierung waren im Jahr 2013 mehr als 38.000 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland an deutschen Hochschulen beschäftigt, vgl. https://www.make-it-in-germany.com/de/jobs/forschen/arbeiten-als-forscher/ [zuletzt abgerufen: 20.6.2020].
2 Beim Abschluss reiner Zugangsverträge an einem Institut muss Entsprechendes gelten, soweit ein Transfer technischen Wissens nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Sanktionslistenprüfung (siehe unter II.) muss – unabhängig von einem Technologietransfer – in jedem Fall erfolgen.
3 Vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Handbuch Exportkontrolle und Academia, Stand: Februar 2019, Seiten 15 und 23.
4 Gemäß § 1 Satz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) ist der Außenwirtschaftsverkehr grundsätzlich frei. Er unterliegt jedoch den Einschränkungen, die das AWG enthält oder die durch Rechtsverordnung auf Grund des AWG vorgeschrieben werden, § 1 Satz 2 AWG.
5 Vorsätzliche Verstöße gegen ein entsprechendes Genehmigungserfordernis können gem. § 18 Abs. 2 Nr. 6 bzw. Nr. 7 AWG strafbar sein. Die Strafandrohung lautet im Höchstmaß auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Fahrlässige Verstöße gegen die Genehmigungspflicht können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 6 bzw. Nr. 7 AWG). Die Geldbuße kann bis zu 500.000 Euro betragen, § 19 Abs. 6 AWG.
6 Zu den für die Einreise und den rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland erforderlichen (§ 4 AufenthG) und für Wissenschaftler in Betracht kommenden Aufenthaltstiteln siehe Schultheiß, Aufenthaltsrechte von drittstaatsangehörigen Wissenschaftlern, Ordnung der Wissenschaft (OdW) 2018, S. 3 ff.
Ordnung der Wissenschaft 2020, ISSN 2197–9197
2 3 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 3 3 — 2 4 4
7 So vor allem, soweit es sich nicht um die reinen sog. „Anti-
Terror-Verordnungen“ (z.B. Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des
Rates vom 27. Mai 2002 betreffend Al-Qaida und die Taliban
bzw. in der aktuellen Fassung ISIL), sondern um Länderembargos
handelt, die auch personenbezogene Beschränkungen beinhalten,
z.B. Art. 14 i.V.m. Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 36/2012
des Rates vom 18. Januar 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts
der Lage in Syrien in der aktuellen Fassung gemäß Durchführungsverordnung
(EU) 2020/716 des Rates vom 28.5.2020.
8 Vogt/Arend in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, 1. Aufl.
2017, IV., Rn. 79.
9 Vgl. BAFA, Merkblatt Länderunabhängige Embargomaßnahmen
zur Terrorismusbekämpfung, Stand: 28.08.2009, S. 4ff.
10 Vgl. Vogt/Arend, a.a.O., IV., Rn. 107.
11 Vogt/Arend, a.a.O., IV., Rn. 116.
12 Vgl. Vogt/Arend, a.a.O., IV., Rn. 87.
13 Vgl. Vogt/Arend, a.a.O., IV., Rn. 89.
14 Vgl. Vogt/Arend, a.a.O., IV., Rn. 90.
15 Die zu prüfenden Listen ergeben sich in aller Regel – neben ggf.
zu prüfenden US-Listen – aus Anhängen zu den Sanktionsverordnungen,
z.B. Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002
des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter
spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen
und Organisationen, die mit den ISIL (Da‘esh)- und Al-Qaida-
Organisationen in Verbindung stehen, in der aktuellen Fassung
der Durchführungsverordnung (EU) 2020/706 der Kommission
vom 26. Mai 2020.
16 Gemäß § 19 Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AWG kann bei
der fahrlässigen Einstellung einer sanktionierten Person (unter
Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot) eine Ordnungswidrigkeit
vorliegen, bei vorsätzlicher Begehung eine Straftat gemäß
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AWG (Höchstmaß 5 Jahre).
II. Bereitstellungsverbote aufgrund von Finanzsanktionen
Zunächst kann sich das Verbot der Einstellung eines
Wissenschaftlers unabhängig vom Inhalt der beabsichtigten
Tätigkeit und unabhängig von einem Auslandsbezug
des Einstellungssachverhalts daraus ergeben, dass
der Wissenschaftler sog. Finanzsanktionen (häufig auch
„personenbezogene Embargos“7 oder „Terrorlisten“
genannt) unterliegt.
Finanzsanktionen haben das Ziel, bestimmte Personen,
Organisationen oder Einrichtungen von (bestimmten)
vermögenswerten Vorteilen abzuschneiden, um so
ein gewünschtes außenpolitisches Ziel zu erreichen8, z.B.
die Terrorismusbekämpfung9. Die im Zusammenhang
mit Einstellungen vor allem relevanten „klassischen“ Finanzsanktionen
sind das sog. Einfrier- und
Bereitstellungsverbot.
Das Einfriergebot besagt, dass sämtliche Gelder und
wirtschaftliche Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum
der in der jeweiligen Sanktionsverordnung gelisteten
natürlichen oder juristischen Person, Organisation
oder Einrichtung stehen oder von dieser gehalten oder
kontrolliert werden, eingefroren werden, was grundsätzlich
die Entziehung jeder Zugriffs- und Verwendungsmöglichkeit10
über diese Gelder und wirtschaftliche Ressourcen
bedeutet. Diese gesetzliche Anordnung ist vor
allem für den Bankensektor von Bedeutung, in der Regel
jedoch bei Personaleinstellungen nicht unmittelbar relevant,
da der potentielle Arbeitgeber grundsätzlich noch
nicht über vom Bewerber gehaltene Ressourcen oder
Gelder verfügt.
Nach dem Bereitstellungsverbot ist es untersagt, Gelder
oder wirtschaftliche Ressourcen unmittelbar oder
mittelbar den oder zugunsten von sanktionierten Personen
zur Verfügung zu stellen.11
Der Begriff „Gelder“ bezieht sich auf finanzielle Vermögenswerte
und wirtschaftliche Vorteile jeder Art12
während unter dem Begriff der „wirtschaftlichen Ressourcen“
Vermögenswerte jeder Art verstanden werden,
die nicht schon Gelder sind, aber für den Erwerb von
Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden
können13.
Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses soll die Arbeitsleistung
regelmäßig gegen eine Vergütung erfolgen
(vgl. § 611a Abs. 2 BGB), so dass schon deshalb vor Abschluss
des Arbeitsvertrags eine Prüfung etwaiger Bereitstellungsverbote
unabdingbar ist. Jedoch besteht
auch unabhängig von der Vereinbarung einer Vergütung
das Risiko der Bereitstellung wirtschaftlicher Ressourcen,
beispielsweise geistiger Eigentumspositionen (z.B.
Patente oder Geschäftsgeheimnisse) oder Technologien,
14 so dass auch bei Fehlen einer entsprechenden Vergütungsvereinbarung
(z.B. bei unbezahlten Praktika) die
Prüfung erforderlich ist, ob hinsichtlich der einzustellenden
Person ein Bereitstellungsverbot besteht.
In der Praxis erfolgt die Prüfung, ob eine Person Finanzsanktionen
unterliegt, grundsätzlich IT-gestützt
über Softwareprogramme, die nach Eingabe des Namens
der Person automatisiert sämtliche relevante Listen15 daraufhin
überprüfen, ob die einzustellende Person in diesen
Listen namentlich genannt ist. Eventuelle Treffer
werden anschließend (z.B. anhand des Geburtsdatums
oder Geburtsortes) daraufhin überprüft, ob es sich bei
der in der Liste enthaltenen Person tatsächlich um den
einzustellenden Wissenschaftler oder um eine bloße Namensähnlichkeit
handelt. Das Ergebnis der Prüfung ist
zu dokumentieren. Ist der einzustellende Wissenschaftler
mit der in einer Sanktionsliste der EU genannten Person
identisch, darf die Einstellung nicht erfolgen.16
Kachel · Außenwirtschaftsrechtliche Compliance 2 3 5
17 Als Ausdruck des völkerrechtlichen Prinzips der Personalhoheit
ist der Anwendungsbereich der §§ 49 ff. AWV auf deutsche
Staatsangehörige und juristische Personen und Personengesellschaften
mit Sitz oder Ort der Leitung in Deutschland beschränkt,
vgl. Pietsch in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, - Lieferung 12/2019, § 49 AWV Kapitel 5, Rn. 8. Die technische
Unterstützung in Drittländern (vgl. §§ 49, 50, 52a, 52b AWV) ist
nicht Inhalt dieses Beitrags, wäre jedoch z.B. bei Einstellungen
durch Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen im Ausland
zu prüfen.
18 Reine Reparaturvorgänge oder Montagen stellen keine technische
Unterstützung dar, soweit es sich nicht um eine Lehrtätigkeit oder
um die Erleichterung der Handhabung eines Guts (Teilunterweisung)
handelt, vgl. Mrozek in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch,
a.a.O., § 2 AWG, Rn. 27; vgl. Gramlich in Hohmann/John, Kommentar
zum Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4 § 45 AWV, Rn. 12; a.A.:
Pelz in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. AWV, Vor 49ff., Rn. 4.
19 Unter dem Terminus „Technologie“ versteht man spezifisches
technisches Wissen, das für die Entwicklung, Herstellung oder
Verwendung eines Produkts nötig ist, vgl. Begriffsbestimmungen
der Anlage 1 Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
(Ausfuhrliste) bzw. die Begriffsbestimmungen der Delegierten
Verordnung (EU) 2019/2199 der Kommission vom 17. Oktober
2019.
20 Pelz in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. Vor 49ff. AWV, Rn. 6.; im
US-Recht wird in derartigen Konstellation häufig ein Technologietransfer
i.S. eines „deemed (re-)exports“ vorliegen, siehe
hierzu unten Kap. IV. und vgl. Pfeil/Mertgen, Compliance im
Außenwirtschaftsrecht, 2016, Kap. D. Rn. 124.
21 Die Regelungen der §§ 46 bis 48 AWV (Handels- und Vermittlungsgeschäfte)
dürften im Zusammenhang mit der Einstellung
von Personal in Forschungseinrichtungen und Universitäten
kaum relevant werden.
22 Vgl. Mrozek in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 2 AWG,
Rn. 27.
23 So wohl auch Pelz in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. § 51 AWV, Rn.
6.
24 Vgl. die Definition von „Technologie“ (insbes. Satz 2) in den
Begriffsbestimmungen der Anlage 1 Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
(Ausfuhrliste) bzw. in den Begriffsbestimmungen
in der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2199 der
Kommission vom 17. Oktober 2019.
25 A.A. Ehrlich, Technologietransfer als Ausfuhr und technische
Unterstützung – Inhalt und Grenzen, in: Ehlers/Wolffgang, Recht
der Exportkontrolle. Bestandsaufnahme und Perspektiven, S. 491,
(494).
III. Die Einstellung als „technische
Unterstützung“ i.S.v. § 2 Abs. 16 AWG
Die außenwirtschaftsrechtliche Prüfung im Zusammenhang
mit der Einstellung ausländischer Wissenschaftler
im Inland17 erfordert regelmäßig eine detaillierte Analyse,
welche Aufgaben im Rahmen der Beschäftigung
durch den Wissenschaftler ausgeführt und welche (technischen)
Kenntnisse oder Fähigkeiten dem Wissenschaftler
dabei vermittelt werden sollen. Impliziert die
vorgesehene Tätigkeit einen Transfer technischen Wissens18
zugunsten eines ausländischen Wissenschaftlers,
liegt in der Regel eine sog. „technische Unterstützung“
vor, die nach den §§ 51, 52 AWV genehmigungspflichtig
sein kann.
Technische Unterstützung ist nach der Legaldefinition
in § 2 Abs. 16 Satz 1 AWG jede technische Hilfe in Verbindung
mit der Reparatur, der Entwicklung, der Herstellung,
der Montage, der Erprobung, der Wartung oder
jeder anderen technischen Dienstleistung. Sie kann in
Form von Unterweisung, Ausbildung, Weitergabe von
praktischen Kenntnissen oder Fähigkeiten oder in Form
von Beratungsleistungen erfolgen
(§ 2 Abs. 16 Satz 2 AWG).
Von der Ausfuhr (§ 2 Abs. 3 AWG) von Technologie
unterscheidet sich die technische Unterstützung grundsätzlich
dadurch, dass im Fall der Ausfuhr die Technologie
„verkörpert“ ist (z.B. in Form von technischen Unterlagen,
einer E‑Mail oder einer elektronischen Bereitstellung),
während eine technische Unterstützung bei der
„unverkörperten“ Weitergabe von Technologie (z.B.
mündlich) vorliegt. Soweit jedoch die Technologie das
Gebiet der Bundesrepublik nicht verlässt, sondern an einen
ausländischen Wissenschaftler im Inland weitergegeben
wird, besteht eine Ausnahme von diesem Grundsatz:
Die Übergabe von verkörperter Technologie19 an
Ausländer im Inland stellt keine Ausfuhr, sondern technische
Unterstützung dar.20
Die Voraussetzungen der Genehmigungspflicht der
technischen Unterstützung im Rahmen einer Personaleinstellung
im Inland sind in § 51 AWV und (nur relevant
bei Tätigkeiten im Nuklearbereich) § 52 AWV
normiert.21 - Der Transfer technischen Wissens
Im Rahmen der Einstellung von wissenschaftlichem Personal
ist also zunächst zu prüfen, ob der einzustellenden
Person im Rahmen der Tätigkeit technische Kenntnisse
oder Fähigkeiten weitergegeben werden.22 Dies dürfte
z.B. bei einer Mitarbeit als Wissenschaftler an einem
naturwissenschaftlich-technisch ausgerichteten Institut
regelmäßig der Fall sein. Dabei muss jedoch nach Sinn
und Zweck der Vorschrift das in der technischen Unterstützung
enthaltene technische Wissen ein Mindestmaß
an Detailgrad erreichen.23 Da es sich bei der technischen
Unterstützung um einen Fall des Technologietransfers
handelt24, ist es grundsätzlich erforderlich, dass das vermittelte
technische Wissen für die Entwicklung, Herstellung
oder Verwendung eines Produkts mindestens
„nötig“ ist.25
2 3 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 3 3 — 2 4 4
26 In Betracht kommen insbesondere die Ausfuhrliste und Anhang
I der Dual Use-VO in der jeweils aktuell gültigen Fassung, die
Güterlisten aus den Embargo-Verordnungen (soweit ein Bewerber
in einem Staat, der einem Embargo unterliegt, ansässig ist)
und (ohne Auswirkung auf die Genehmigungspflicht nach der
AWV) die US-Güterlisten, soweit ein US-Bezug (z.B. wenn das
einstellende Unternehmen eine US-Person ist oder die weiterzugebende
Technologie einen US-Ursprung bzw. Bestandteile mit
US-Ursprung besitzt) besteht.
27 Im Rahmen von § 52 AWV ist somit ausnahmsweise nicht nur
die Ansässigkeit, sondern alternativ die deutsche Staatsangehörigkeit
relevant.
28 Vgl. Pelz in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. § 51 AWV, Rn. 15 und
§ 52 AWV Rn. 9; vgl. Gramlich in Hohmann/John, a.a.O., Teil 4
§ 45 AWV, Rn. 13.
29 Im Rahmen von § 52 AWV (relevant bei einem Bezug zu kerntechnischen
Anlagen) kommt es auf die Ausländereigenschaft
des Empfängers dagegen nicht an, sondern stattdessen auf den
Ort der beabsichtigten Verwendung des technischen Wissens
(§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AWV).
30 Vgl. hierzu oben, Kap. III. 2.
Erfolgt die technische Unterstützung (wie im Regelfall)
mündlich, ist eine Listung des technischen Wissens
in Teil I Abschnitt A Nummer 0022 der Ausfuhrliste
oder in Nummern der Gattung E des Anhang I der Dual
Use-VO Voraussetzung einer Genehmigungspflicht
(§ 51 Abs. 4 Nr. 2 AWV und – mit Beschränkung auf
Technologie der Kategorie 0 – § 52 Abs. 3 Nr. 2 AWV).
Aus diesem Grund sollte in Universitäten und Forschungseinrichtungen
standardmäßig auch eine Güterlistenprüfung,
insbesondere hinsichtlich Gattung E der
relevanten26 Güterlisten, im außenwirtschaftsrechtlichen
Einstellungsprozess implementiert sein.
Soweit eine Einstellung im Bereich der (nicht-technischen)
Verwaltung erfolgt, wird in aller Regel schon kein
weiterzugebendes technisches Wissen vorliegen, so dass
hier grundsätzlich keine detaillierte weitere Prüfung erforderlich
ist. - Die inländische Forschungseinrichtung als Erbringer
der technischen Unterstützung
Die Genehmigungspflicht der Einstellung eines Wissenschaftlers
im Inland setzt voraus, dass die technische
Unterstützung „durch einen Inländer“
(§ 51 Abs. 1 Satz 1 AWV) bzw. „durch einen Deutschen
oder einen Inländer“ (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AWV)27 erfolgt.
Meist wird es sich bei der den Wissenschaftler einstellenden
inländischen Universität oder Forschungseinrichtung
um eine juristische Person oder Personengesellschaft
mit Sitz oder Ort der Leitung im Inland handeln.
In diesem Fall ist die inländische Universität bzw.
Forschungseinrichtung als „Inländer“ i.S.d. Außenwirtschaftsgesetzes
zu qualifizieren (§ 2 Abs. 15 Nr. 2 AWG).
Bei Einstellungen durch eine Zweigniederlassung einer
ausländischen juristischen Person oder Personengesellschaft
kommt es darauf an, ob die Zweigniederlassung
ihre Leitung im Inland hat und für sie eine gesonderte
Buchführung existiert (§ 2 Abs. 15 Nr. 3 AWG),
während bei einer Personaleinstellung in der Betriebsstätte
einer ausländischen juristischen Person oder Personengesellschaft
im Inland entscheidend ist, ob die Betriebsstätte
ihre Verwaltung im Inland hat
(§ 2 Abs. 15 Nr. 4 AWG).
Der Erbringer der technischen Unterstützung ist anhand
der zivilrechtlichen Vereinbarungen festzustellen.
Soll die technische Unterstützung aufgrund des Arbeitsvertrages
mit einer Forschungseinrichtung bzw. Universität
erfolgen, die nach den soeben dargestellten Grundsätzen
als „Inländer“ anzusehen ist, so ist die Genehmigungsbedürftigkeit
für die jeweilige Einrichtung unabhängig
davon zu beurteilen, ob der das technische
Wissen tatsächlich weitergebende Mitarbeiter seinerseits
Inländer bzw. Deutscher ist.28 - Der ausländische Empfänger des technischen Wissens
(Auslandsbezug)
Im Rahmen des § 51 Abs. 1 AWV kommt ein Genehmigungserfordernis
nur in Betracht, wenn die technische
Unterstützung durch den Inländer „gegenüber Ausländern
erbracht wird, die nicht in einem Land ansässig
sind, das in Anhang IIa Teil 2 der Verordnung (EG) Nr.
428/2009 genannt ist oder Mitglied der Europäischen
Union ist“ (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 AWV)29. § 51 Abs. 2 AWV
erfordert die Ansässigkeit „in einem Land im Sinne des
Artikels 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009“
(d.h. in einem Waffenembargoland).
Erst hierdurch erhält der Inlandssachverhalt (Einstellung/
Tätigkeit im Inland) einen Auslandsbezug und damit
einen Bezug zum Außenwirtschaftsverkehr, der den
Anwendungsbereich der Beschränkungen nach
§ 1 Abs. 1 Satz 2 AWG eröffnet. Für die technische Unterstützung
gegenüber einem Inländer i.S.v. § 2 Abs. 15 AWG
kann eine Genehmigungspflicht nach § 51 AWV nicht
bestehen.
a) Definition des Ausländers
Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 5 AWG sind als Ausländer
alle Personen und Personengesellschaften anzusehen,
die keine Inländer sind. Inländer sind, soweit es
sich nicht um juristische Personen oder Personengesellschaften
handelt,30, definiert als „natürliche Personen
Kachel · Außenwirtschaftsrechtliche Compliance 2 3 7
31 Vgl. schon zur alten Rechtslage Gramlich in: Hohmann/John,
a.a.O., Teil 4 § 45 AWV, Rn. 16; vgl. Pietsch in: Wolffgang/Rogmann/
Pietsch, a.a.O., § 49 AWV Kapitel 5, Rn. 14, entscheidend
soll danach die „wirtschaftlich-räumliche Beziehung zum inländischen
Hoheitsgebiet“ sein.
32 Vgl. Sachs in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., I. § 2 AWG, Rn. 62; vgl.
Mrozek in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 2 AWG, Rn.
26a.; vgl. Just in Hohmann/John, a.a.O., Teil 3 § 4 AWG, Rn. 9.
33 Vgl. Mrozek in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 2 AWG,
Rn. 26a mit Hinweis auf die Möglichkeit der Berücksichtigung
weitere Umstände und Verweis auf den Runderlass Außenwirtschaft
Nr. 7/83 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie,
noch hinsichtlich des Wohnsitzes im „Wirtschaftsgebiet“,
das heute als „Inland“ zu verstehen ist, vgl. Pietsch in: Wolffgang/
Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 49 AWV Kapitel 5, Rn. 14.
34 Mrozek in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 2 AWG,
Rn. 26a.
35 Just in Hohmann/John, a.a.O., Teil 3 § 4 AWG, Rn. 11; Mrozek in:
Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 2 AWG, Rn. 26a.
36 Just in Hohmann/John, a.a.O., Teil 3 § 4 AWG, Rn. 12; Mrozek in:
Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 2 AWG, Rn. 26b.
37 Dies gilt nicht für die Sanktionslistenprüfung und nicht automatisch
für das US-(Re-)Exportkontrollrecht.
38 Vgl. BAFA, HADDEX – Handbuch der deutschen Exportkontrolle,
Stand: März 2020, Teil 8, 2. Kapitel, 2.4., Rn. 669; zur (hier
nicht entscheidenden) Legaldefinition des „Unionsansässigen“
siehe § 2 Abs. 18 AWG.
mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland“
(§ 2 Abs. 15 Nr. 1 AWG).
Bei der Feststellung, ob es sich beim einzustellenden
Wissenschaftler um einen Ausländer im genannten Sinne
handelt, kommt es also nicht auf die Staatsangehörigkeit31,
sondern auf den Ort der „Ansässigkeit“, d.h. den
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, an. Verfügt
eine Person über mehrere Wohnsitze, so richtet sich die
Inländereigenschaft danach, an welchem Ort sich der
hauptsächliche Schwerpunkt der Lebensführung befindet,
zu dessen Bestimmung nach allgemeiner Auffassung
auf Vorschriften der §§ 8, 9 AO zurückgegriffen werden
kann.32
Nach § 8 AO hat eine Person einen Wohnsitz dort,
wo sie eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf
schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten
und benutzen wird. Dabei muss die Wohnung mit einer
gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt werden,
die natürliche Person sich im Inland aufhalten und
im Melderegister registriert sein und entweder ein Gewerbe
im Wirtschaftsgebiet betreiben oder mit einem
inländischen Arbeitgeber einen unbefristeten oder länger
als ein Jahr laufenden Arbeitsvertrag abgeschlossen
haben.33
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er
sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass
er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend
verweilt (§ 9 Satz 1 AO). Als gewöhnlicher
Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets
und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender
Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen;
kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt
(§ 9 Satz 2 AO). Ein Aufenthalt ausschließlich zu
Besuchs‑, Erholungs‑, Kur- oder ähnlichen privaten
Zwecken von höchstens einem Jahr Dauer führt nicht
per se zu einem gewöhnlichen Aufenthalt (vgl.
§ 9 Satz 3 AO).
Bei Erfüllung der Voraussetzungen des gemeinsamen
Tatbestands, der sich aus § 9 Satz 2 und 3 AO ergibt, liegt
eine unwiderlegbare Vermutung für einen gewöhnlichen
Aufenthalt (im Inland) vor.34 Im Übrigen sind deutliche
Hinweise für einen gewöhnlichen Aufenthalt – wie bei
der Bestimmung des Wohnsitzes – das Betreiben eines
Gewerbes, ein längerfristiger Arbeitsvertrag mit einem
Inländer und insbesondere eine unbeschränkte
Einkommensteuerpflicht.35
Fallen Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt auseinander,
ist regelmäßig der Wohnsitz entscheidend, da
dieser nach außen weniger flüchtig erscheint und die Zugehörigkeit
zu einem Gebiet deutlicher dokumentiert.36
Die Bewerbung einer Person aus dem Inland heraus
(ersichtlich z.B. aus der Absenderadresse in den Bewerbungsunterlagen)
kann deshalb – unabhängig von der
Staatsangehörigkeit der Person – ein erstes Indiz für die
Ansässigkeit im Inland, mithin die Inländereigenschaft
der Person darstellen, die ggf. eine außenwirtschaftsrechtliche
Prüfung weitestgehend37 entbehrlich macht.
Umgekehrt kann die Drittlandsstaatsangehörigkeit des
Bewerbers auf eine mögliche Ansässigkeit in diesem
Drittland hinweisen, wenn die Bewerbung tatsächlich
auch von diesem Land aus erfolgt.
Zu berücksichtigten ist bei der Feststellung der Ansässigkeit
jedoch die Einschränkung in § 51 Abs. 5 AWV,
wonach als Ausländer im Sinne von § 51 Abs. 1 und
2 AWV auch solche natürlichen Personen anzusehen
sind, deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im
Inland auf höchstens fünf Jahre befristet ist. Das bloße
Vorliegen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts
im Inland ist in diesen Fällen nicht ausreichend zur
Begründung der Inländereigenschaft.
Der Begriff des „Inlands“ deckt in diesem Zusammenhang
ausschließlich das deutsche Hoheitsgebiet –
und nicht auch die übrigen EU-Mitgliedstaaten oder die
sog. „EU001-Länder“ – ab38, so dass in Mitgliedstaaten
2 3 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 3 3 — 2 4 4
39 Entsprechend der Legaldefinition des „Ausländers“ in § 2 Abs. 5
AWG.
40 So wohl auch Pelz in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. § 51 AWV,
Rn. 10 und 12; siehe auch unten unter b).
41 Vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. D. Rn. 130.
42 Vgl. BAFA, Handbuch Exportkontrolle und Academia, Seite 34.
43 Siehe Anhang IIa Teil 2 der Dual Use-VO in der Fassung der
Delegierten Verordnung (EU) 2019/2199 der Kommission vom - Oktober 2019. Derzeit erfasst sind Australien, Japan, Kanada,
Neuseeland, Norwegen, die Schweiz einschließlich Liechtenstein
und die Vereinigten Staaten von Amerika. Mit Ablauf
des 31.12.2020 wird in diese Ländergruppe voraussichtlich das
Vereinigte Königreich aufgenommen.
44 Vgl. hierzu Pietsch in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 49
AWV Kapitel 5, Rn. 25.
45 Ggf. sind jedoch die Anforderungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes
und (bei bestehendem US-Bezug) das US-(Re-)Exportkontrollrecht
zu beachten.
46 Die Regelungen des Kriegswaffenrechts, insbesondere die Vorschriften
der §§ 17, 18, 18a KrWaffKontrG mit ihren sog. Fördertatbeständen,
sind im Rüstungsbereich zusätzlich und vorrangig
zu beachten, vgl. Pietsch in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O.,
§ 49 AWV Kapitel 5, Rn. 9.
der EU bzw. in den EU001-Ländern ansässige Personen
danach als „Ausländer“ i.S.v. § 51 Abs. 5 AWV zu qualifizieren
sein können39. Sie sind jedoch regelmäßig aufgrund
der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1
Nr. 2 AWV („…nicht in einem Land ansässig sind, das in
Anhang IIa Teil 2 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 genannt
ist oder Mitglied der Europäischen Union ist“)
von der Genehmigungspflicht der technischen Unterstützung
ausgenommen.40 Die Frage der Ansässigkeit in
einem Mitgliedstaat der EU bzw. in einem EU001-Land
ist nicht nach dem Maßstab des § 51 Abs. 5 AWV, sondern
nach den oben dargestellten allgemeinen Grundsätzen
zur Bestimmung der Ansässigkeit vorzunehmen,
d.h. ein gewöhnlicher Aufenthalt von mindestens 5 Jahren
im Inland ist insoweit nicht zwingend erforderlich.
Entsprechendes gilt für die Feststellung der Ansässigkeit
in einem Waffenembargoland nach § 51 Abs. 2 AWV.
Für die Prüfung im Unternehmen bedeutet dies, dass
der Lebenslauf der einzustellenden Person im Rahmen
einer Einzelfallprüfung daraufhin überprüft werden
muss, ob ein Lebensmittelpunkt in Deutschland bereits
vorliegt oder noch nicht. Jedenfalls dann, wenn der gewöhnliche
Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland
ununterbrochen seit mehr als 5 Jahren besteht, kann von
dem Vorliegen der Inländereigenschaft ausgegangen
werden.41
Erfolgt eine Bewerbung aus dem Ausland, ist in aller
Regel davon auszugehen, dass noch kein gewöhnlicher
Aufenthalt oder Wohnsitz des Bewerbers im Inland vorliegt.
Diese Vermutung kann allerdings anhand eines lückenlosen
Lebenslaufs entkräftet werden (z.B. bei nur
sehr kurzem, zwischenzeitlichen Aufenthalt im Ausland
während einer bereits seit einigen Jahren bestehenden
Beschäftigung in Deutschland).
Ein erteiltes Visum entbindet nicht von den außenwirtschaftsrechtlichen
Genehmigungspflichten.42
b) Privilegierung von in Mitgliedstaaten der EU bzw.
den EU001-Ländern ansässigen Personen
Außenwirtschaftsrechtlich privilegiert werden im Rahmen
der technischen Unterstützung Ausländer, die in
einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in
einem der EU001-Länder43 ansässig sind. Diese werden
ebenso wie Inländer nicht der Genehmigungspflicht
nach § 51 AWV unterworfen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 AWV).
Nach Sinn und Zweck der Regelung muss es dabei
ausreichen, wenn sich diese „Ansässigkeit“ eines Bewerbers
erst aus der Addition der unmittelbar aufeinander
folgenden Aufenthalte in mehreren verschiedenen EUMitgliedstaaten
ergibt (z.B. gewöhnlicher Aufenthalt 4
Monate in Italien, anschließend 4 Monate in Spanien
und sodann 5 Monate in Deutschland), da bei diesen
Ländern von einem vergleichbaren Kontrollstandard sowohl
bezüglich der außenwirtschaftsrechtlichen Regelungen
wie auch der Bewertung von Sachverhalten auszugehen
ist, sog. like-minded countries44.
Bei der Einstellung einer in einem Mitgliedstaat der
EU bzw. einem EU001-Land ansässigen Person im Inland
bleibt sodann von den Regelungen der §§ 49 ff.
AWV neben der Norm des § 51 AWV nur die Vorschrift
des § 52 AWV zu prüfen, die jedoch nur bei einem Bezug
zu Kerntechnologie relevant werden kann und eine Verwendung
der Technologie in einem in § 9 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AWV ausdrücklich genannten Land erfordert.
Im Übrigen ist über die Sanktionslistenprüfung hinaus
(siehe oben) keine weitere Prüfung45 erforderlich. - Der Verwendungszusammenhang
Weitere Voraussetzung einer Genehmigungspflicht der
Personaleinstellung als technische Unterstützung im
Inland ist das Vorliegen eines bestimmten kritischen
Verwendungszusammenhangs46 der technischen Unterstützung.
a) ABC-Waffen/Trägersysteme und militärische Endverwendung
(§ 51 Abs. 1 und 2 AWV)
Ein (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) die
Genehmigungspflicht auslösender Verwendungszusammenhang
ist im Rahmen des § 51 AWV zunächst der
Zusammenhang der technischen Unterstützung mit der
Entwicklung, der Herstellung, der Handhabung, dem
Betrieb, der Wartung, der Lagerung, der Ortung, der
Kachel · Außenwirtschaftsrechtliche Compliance 2 3 9
47 Vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. D. Rn. 131 f., anders als dort
angegeben, kommt es jedoch gerade nicht auf die Staatsangehörigkeit
des Bewerbers, sondern auf seine Ansässigkeit an, also
den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, vgl. die Def. von
„Ausländer“ in § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 15 Nr. 1 AWG.
48 Vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. D. Rn. 134.
Identifizierung oder der Verbreitung von chemischen
oder biologischen Waffen, von Kernwaffen oder sonstigen
Kernsprengkörpern bzw. ein Zusammenhang mit
der Entwicklung, der Herstellung, der Wartung oder der
Lagerung von Flugkörpern, die für die Ausbringung derartiger
Waffen geeignet sind (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
und b AWV).
Diese Fallgruppe der Verwendung des technischen
Wissens für ABC-Waffen oder Kernsprengköper bzw.
entsprechende Trägertechnologie ist bei allen in einem
Drittland i.S.v. § 2 Abs. 8 AWG ansässigen Personen zu
prüfen. Hier wird man zunächst generell die Geeignetheit
der Technologie für eine entsprechende Verwendung
zu analysieren haben und sodann die fallspezifischen
Umstände würdigen, die für eine derartige Verwendung
durch den einzustellenden Wissenschaftler
sprechen.
Ebenso kann ein Zusammenhang mit einer militärischen
Endverwendung i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Dual Use-VO
in einem Waffenembargoland zu einer Genehmigungspflicht
führen, § 51 Abs. 2 AWV. Eine militärische Endverwendung
ist gegeben, wenn Güter zum Einbau in militärische
Güter bestimmt sind oder der Verwendung
von Herstellungs‑, Test- oder Analyseausrüstung sowie
Bestandteilen hierfür für die Entwicklung, Herstellung
oder Wartung von Rüstungsgütern oder der Verwendung
von unfertigen Erzeugnissen in einer Anlage für
die Herstellung von Rüstungsgütern dienen
(Art. 4 Abs. 2 Dual Use-VO).
Ein solcher Fall liegt im Rahmen von Einstellungen
beispielsweise vor, wenn bekannt ist, dass die einzustellende
Person nach Beendigung ihrer Tätigkeit an ein
staatliches Rüstungsunternehmen oder eine militärisch
ausgerichtete Universität in einem Waffenembargoland
zurückkehrt, um dort seine in Deutschland erlangten
Kenntnisse einzusetzen.
Universitäten und Forschungseinrichtungen, die die
Forschung und Entwicklung von Maschinen betreiben,
die für die Herstellung von Rüstungsgütern eingesetzt
werden, dürfen somit einen Bewerber, der in einem
Land ansässig sind, gegen das ein Waffenembargo verhängt
wurde, in einem entsprechenden Bereich ohne
Genehmigung des BAFA nur beschäftigen, wenn sein
Aufenthalt entweder unbefristet oder auf einen Zeitraum
von mehr als fünf Jahren befristet ist.47 Andernfalls
ist ein Antrag auf Genehmigung der technischen
Unterstützung erforderlich.
Die Einstellung von wissenschaftlich-technischem
Personal aus einem Waffenembargoland an einer Forschungseinrichtung,
die jedenfalls auch einen Rüstungsbezug
aufweist, wird somit grundsätzlich einer Genehmigungspflicht
des BAFA unterliegen. Soll trotz Rüstungsbezugs
des Instituts ausnahmsweise hinsichtlich
der im Rahmen der Tätigkeit erlangten Kenntnisse und
Fähigkeiten eine militärische Endverwendung verneint
werden (weil etwa das der einzustellenden Person weiterzugebene
technische Wissen nur einen Teilbereich
der Tätigkeiten der Forschungseinrichtung abdeckt, der
selbst keinen Rüstungsbezug aufweist, und sich ein solcher
erst aufgrund weiterer Projektabschnitte ergibt, an
denen die Person nicht mitwirkt und die ihr nicht bekannt
sind) ist dies sehr sorgfältig zu begründen und
entsprechend im Compliance-System zu
dokumentieren.
In Zweifelsfällen sollte ein Antrag auf Genehmigung
beim BAFA gestellt werden. Bis zur Erteilung der Genehmigung
durch das BAFA oder der Entscheidung des
BAFA, dass keine Genehmigung erforderlich ist, darf
eine Einstellung nicht erfolgen (§ 51 Abs. 3 Satz 3 AWV,
§ 52 Abs. 2 Satz 3 AWV).
b) Errichtung oder Betrieb kerntechnischer Anlagen
(§ 52 Abs. 1 AWV)
Soweit ein Zusammenhang der technischen Unterstützung
mit der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen
für kerntechnische Zwecke im Sinne der Kategorie 0 des
Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 in einem
der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der AWV genannten
Länder (derzeit: Algerien, Irak, Iran, Israel, Jordanien,
Libyen, Demokratische Volksrepublik Korea, Pakistan
und Syrien) besteht, kann diese Verwendung gemäß § 52
AWV ebenfalls eine Genehmigungspflicht auslösen.
Entscheidend ist im Rahmen dieser Vorschrift nicht, ob
die einzustellende Person in einem dieser Länder ansässig
ist, sondern ob die betroffene Anlage sich in einem
dieser Länder befindet oder errichtet werden soll.48
c) Positive Kenntnis und Unterrichtungsmechanismus
(§§ 51 Abs. 3, 52 Abs. 2 AWV)
Entsprechende Verwendungszusammenhänge können
grundsätzlich zu einer außenwirtschaftsrechtlichen
Beschränkung führen, wenn das einstellende Unternehmen,
d.h. der inländische Arbeitgeber, vom
2 4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 3 3 — 2 4 4
49 Vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 AWV (zur Verwendung im Zusammenhang
mit ABC-Waffen/Trägersystemen), § 51 Abs. 2 AWV (zur
militärischen Verwendung in einem Waffenembargoland) und
§ 52 Abs. 1 AWV (zur Verwendung im Zusammenhang mit der
Errichtung oder dem Betrieb kerntechnischer Anlagen).
50 Das Wissen einzelner Mitarbeiter wird der Forschungseinrichtung
bzw. Universität analog § 166 BGB zugerechnet, vgl. Pelz in:
Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. § 49 AWV, Rn. 26; lesenswert allgemein
zur Zurechnung Liebscher, Zurechnung als Rechtsproblem,
ZIP 39/2019, S. 1837 ff.
51 Morweiser, Subjektive Elemente im Außenwirtschaftsrecht, in:
Ehlers/Wolffgang, Recht der Exportkontrolle. Bestandsaufnahme
und Perspektiven, S. 231, (235).
52 Pietsch in: Wolffgang/Rogmann/Pietsch, a.a.O., § 49 AWV Kapitel
5, Rn. 21.
53 Vgl. BAFA, HADDEX – Handbuch der deutschen Exportkontrolle,
Teil 8, 2. Kapitel, 2.2, Rn. 656.
54 Die Definition von „allgemein zugänglich“ enthalten die Begriffsbestimmungen
der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2199 der
Kommission vom 17. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung
(EG) Nr. 428/2009 des Rates bzw. die Begriffsbestimmungen
in Teil I der Anlage 1 Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung.
55 Vgl. BAFA, HADDEX – Handbuch der deutschen Exportkontrolle,
Teil 8, 2. Kapitel, 2.2, Rn. 659; vgl. Zirkel/Kachel Technologiekontrolle
und ACADEMIA, AW-Prax Juli 2019, S. 282, (285f.).
56 Die Definition von „Wissenschaftliche Grundlagenforschung“
enthalten die Begriffsbestimmungen der Delegierten Verordnung
(EU) 2019/2199 der Kommission vom 17. Oktober 2019 zur
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates bzw.
die Begriffsbestimmungen in Teil I der Anlage 1 Anlage AL zur
Außenwirtschaftsverordnung.
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)
über den Verwendungszusammenhang unterrichtet
worden ist.49
Ist eine Unterrichtung indessen nicht erfolgt, kommt
es darauf an, ob dem Arbeitgeber, d.h. der Universität
oder Forschungseinrichtung, bekannt ist50, dass die gegenüber
dem Wissenschaftler im Inland zu erbringende
technische Unterstützung für eine der oben genannten
Verwendungen bestimmt ist. Ist dies der Fall, hat der Arbeitgeber
das BAFA zu unterrichten, das über das Bestehen
einer Genehmigungspflicht entscheidet (vgl.
§ 51 Abs. 3 Sätze 1 und 2 und § 52 Abs. 2 Sätze 1 und 2
AWV). Voraussetzung dieser Unterrichtungspflicht ist
positive Kenntnis des Arbeitgebers vom kritischen Verwendungszweck,
fahrlässige Unkenntnis genügt nicht.51
Eine Nachforschungspflicht besteht nicht52, allerdings
dürfen offensichtliche Anhaltspunkte für einen kritischen
Verwendungszusammenhang nicht bewusst ignoriert
werden.53
Ein Unternehmen ist also aus außenwirtschaftsrechtlicher
Sicht nicht zu Hintergrundrecherchen hinsichtlich
eines Bewerbers verpflichtet, solange sich nicht (z.B. aus
dem Lebenslauf) ernsthafte Indizien dafür ergeben, dass
das im Rahmen der Tätigkeit zu erwerbende Wissen
später für eine kritische Endverwendung eingesetzt werden
soll. - Ausnahmen nach der Art des technischen Wissens
(§§ 51 Abs. 4, 52 Abs. 3 AWV)
Die Beschränkungen der technischen Unterstützung
nach §§ 51 und 52 AWV gelten nicht für die Weitergabe
von Informationen, die im Sinne der Allgemeinen Technologie-
Anmerkung (ATA) bzw. im Sinne der Nukleartechnologie-
Anmerkung (NTA) zu Teil I der Ausfuhrliste
oder zu Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009
„allgemein zugänglich“ oder Teil der „Grundlagenforschung“
sind (§ 51 Abs. 4 Nr. 1 AWV, § 52 Abs. 3 Nr. 1 AWV).
a) Allgemein zugängliche Informationen
„Allgemein zugänglich“ in diesem Sinne ist eine Technologie
dann, wenn sie ohne Beschränkung ihrer weiteren
Verbreitung erhältlich ist (Copyright-Beschränkungen
heben die allgemeine Zugänglichkeit nicht auf)54. Für
die Inanspruchnahme dieser Ausnahme müssen die
Informationen im Zeitpunkt der relevanten Handlung,
d.h. der Weitergabe an den einzustellenden Wissenschaftler,
allgemein zugänglich sein (die Möglichkeit des
allgemeinen Zugangs reicht insoweit aus), was insbesondere
der Fall ist, wenn die Informationen in einer allgemein
zugänglichen Fachbibliothek oder entsprechend
zum Download online im Rahmen der üblichen Vorschriften
publiziert worden sind.55
Typischerweise fallen in Einrichtungen der Wissenschaft
und Forschung reine Recherchetätigkeiten ebenso
hierunter wie Tätigkeiten, die keinen über die in veröffentlichter
Literatur verfügbaren Inhalte hinausgehenden
Wissenstransfer an die einzustellende Person
erfordern.
b) Grundlagenforschung
Unter „wissenschaftlicher Grundlagenforschung“ im
Sinne des Außenwirtschaftsrechts versteht man experimentelle
oder theoretische Arbeiten hauptsächlich zur
Erlangung von neuen Erkenntnissen über grundlegende
Prinzipien von Phänomenen oder Tatsachen, die nicht
in erster Linie auf ein spezifisches praktisches Ziel oder
einen spezifischen praktischen Zweck gerichtet sind.56
Da dieses Verständnis von Grundlagenforschung
nicht immer dem methodologisch-technischen Verständnis
von Grundlagenforschung entspricht, lässt sich
zur Vereinfachung das sog. „Technology Readiness Level“
(TRL) heranziehen, das den Entwicklungsgrad eines
technischen Produkts beschreibt und eine Skala von
TRL 1 bis TRL 9 umfasst, wobei die TRL 1 bis TRL 3
grundsätzlich die Stadien der Grundlagenforschung umKachel
· Außenwirtschaftsrechtliche Compliance 2 4 1
57 Vgl. Zirkel/Kachel, a.a.O., S. 284f.
58 Vgl. Zirkel/Kachel, a.a.O., S. 284 f.
59 Vgl. Pelz in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., II. Vor § 51 AWV, Rn. 22.
60 Z.B. bei Bereitstellung von technischer Hilfe im Zusammenhang
mit in der Embargo-Verordnung besonders gelisteten Gütern
und Technologien oder im Zusammenhang mit der Bereitstellung,
Herstellung, Instandhaltung und Verwendung dieser Güter
mittelbar oder unmittelbar für iranische Personen, Organisationen
oder Einrichtungen oder zur Verwendung in Iran, vgl. Art.
3a Abs. 1 lit. b der VO (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März
2012 (Iran).
61 In der EU-Terminologie werden Sanktionen und Embargos zum
Teil auch als „restriktive Maßnahmen“ bezeichnet, vgl. Sachs
in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., IV., Rn. 1 mit Verweis auf Art.
215 Abs. 2 AEUV.
62 Vgl. Art. 1 lit. r der VO (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom
23.3.2012 (Iran); Art. 1 lit. p der VO (EU) Nr. 36/2012 des Rates
vom 18. Januar 2012 (Syrien).
63 Vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. E. Rn. 39.
64 Vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. E. Rn. 9ff.
65 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 1 lit. a‑d VO (EU) 833/2014 (Russland) des
Rates vom 31. Juli 2014 („…zur Verwendung in Russland…“).
66 Vgl. z.B. Art. 1 lit. o ii) i.V.m. Art. 2a Abs. 1 lit. b i.V.m. Anhang I
der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates
vom 23. März 2012 (Iran).
fassen (TRL 3 = Nachweis der Funktionstüchtigkeit einer
Technologie).57
Im Rahmen der Einstellung erfolgt insoweit eine Prognoseentscheidung58
hinsichtlich der Einstufung der
durch die einzustellende Person auszuführenden Tätigkeiten
bzw. zur Verfügung zu stellenden Informationen
(technisches Wissen) als Grundlagenforschung.
Ändern sich später die Tätigkeitsinhalte derart, dass
eine Mitarbeit auf dem Gebiet der angewandten Forschung
in Betracht kommt, bedarf es einer aktualisierten
Prüfung der außenwirtschaftsrechtlichen Zulässigkeit.
Eine Aktualisierung der außenwirtschaftsrechtlichen
Prüfung sollte standardmäßig bei Vertragsverlängerungen
stattfinden, da in diesem Rahmen nicht selten auch
die Zuständigkeitsbereiche und Tätigkeitsinhalte modifiziert
oder erweitert werden.
c) Nicht gelistete Technologie
Bei Einstellungen im Inland entfällt eine Genehmigungspflicht
als technische Unterstützung auch dann,
wenn die technische Unterstützung keine Technologie
betrifft, die in Teil I Abschnitt A Nummer 0022 der Ausfuhrliste,
Nummern der Gattung E des Anhangs I der
Verordnung (EG) Nr. 428/2009 oder Teil I Abschnitt B
Nummern der Gattung E der Ausfuhrliste genannt ist
(§ 51 Abs. 4 Nr. 2 AWV) bzw. keine Technologie betrifft,
die in Nummern der Gattung E in der Kategorie 0 des
Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 genannt
ist (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 AWV).
Da auch die im Inland erfolgende Übergabe verkörperter
Technologie als technische Unterstützung zu qualifizieren
ist, kann auch diese gemäß § 51 Abs. 4 Nr. 2
AWV bzw. § 52 Abs. 3 Nr. 2 AWV befreit sein59, wenn es
sich nicht um entsprechend gelistete Technologie
handelt. - Ausnahmen in bestimmten Konstellationen
(§ 53 AWV)
Bestimmte Konstellationen unterliegen per se nicht den
Genehmigungspflichten der §§ 49 ff. AWV (unabhängig
von den oben genannten Ausnahmen). Diese sind in
§ 53 AWV genannt.
Im Rahmen von Personaleinstellungen kommt eine
Befreiung vor allem in Betracht, wenn die Einstellung
durch Behörden und Dienststellen der Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben
erfolgt (vgl. § 53 Nr. 1 AWV). Die dienstlich erfolgende
technische Unterstützung dieser Einrichtungen (nicht
allerdings etwaiger Beauftragter) gegenüber ihren Mitarbeitern
ist somit genehmigungsfrei. - Embargos
Zusätzliche außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen
oder Verschärfungen vorhandener Beschränkungen
können sich, soweit ein Bezug zu einem Embargoland
besteht60, aus Embargo-Vorschriften61 ergeben, die
grundsätzlich auch die technische Unterstützung umfassen
können und für die die EU-Embargoverordnungen
meist den Terminus „technische Hilfe“62 verwenden.
Inhaltliche Unterschiede zur „technischen Unterstützung“
infolge der abweichenden Terminologie bestehen
jedoch nicht.63
Angesichts des weiten Geltungsbereichs64 der EUEmbargoverordnungen
müssen grundsätzlich sämtliche
inländische Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung
die in den EU-Embargos genannten restriktiven
Maßnahmen beachten.
Im Rahmen der Einstellung von Personal stellt sich
die Frage nach den Embargobeschränkungen vor allem
dann, wenn eine Person aus einem Embargoland eingestellt
werden soll. Insoweit kann es (im Rahmen der Einstellung)
vor allem auf die Verwendung der technischen
Unterstützung im Embargoland65 oder auf den Aufenthaltsort
oder Wohnsitz des Empfängers im Embargoland66
ankommen.
Anders als Beschränkungen aufgrund reiner Finanzsanktionen
erfordern diese destinationsbezogenen Embargo-
Vorschriften im Rahmen der Einstellung eine genaue
Prüfung der im Rahmen der geplanten Beschäftigung
weiterzugebenden Technologie, denn die Weiter2
4 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 3 3 — 2 4 4
67 Vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 lit. a i.V.m. Anhang IA der VO (EU) Nr.
36/2012 des Rates vom 18. Januar 2012 (Syrien).
68 Vgl. z.B. Art. 2a Abs. 2 lit. a i.V.m. Anhang IV der VO (EU)
833/2014 (Russland) des Rates vom 31. Juli 2014; Art. 4b i.V.m.
Anhang III der VO (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März
2012 (Iran).
69 Art. 4 Abs. 1 lit. a VO (EU) 833/2014 (Russland) des Rates vom - Juli 2014; vgl. Ehrlich, a.a.O., S. 491, (495).
70 Vgl. § 734.14 (2) der „Export Administration Regulations“
(EAR); bei Militärgütern vgl. 22 CFR § 120.19 (a)(2) ITAR.
71 In diesem Fall kann jedoch ein sog. „in-country transfer“ vorliegen,
vgl. § 734.16 EAR.
72 D.h. insbesondere „any individual who is a citizen of the United
States“ (772.1 EAR), im US-Embargobereich teilweise abweichend
definiert, vgl. hierzu Weigl/Burnett in: Hocke/Sachs/Pelz,
a.a.O., V., Rn. 207.
73 Vgl. Kachel, „Decontrol Notes“ in der Exportkontrolle von
Dual-Use-Technologie in Einrichtungen der Wissenschaft und
Forschung, US-Exportbestimmungen, Heft 5, Mai 2019, S. 74,
(76ff.).
74 Vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. D. Rn. 149ff.
75 Vgl. z.B. 734.5 (a) EAR.
76 Vgl. Def. in 772.1 EAR.
77 Zum Spannungsverhältnis zwischen ausländischen Boykotts und
§ 7 AWV vgl. Hoffmann, Das Verbot der Abgabe einer Boykott-
Erklärung nach § 7 Außenwirtschaftsverordnung, Beteiligung
deutscher Wirtschaftsbeteiligter an „fremden“ Sanktionen, EuZW
2019, S. 315 ff.; zur Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom - November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen
Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte
sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden
Maßnahmen in der Fassung der Delegierten Verordnung (EU)
2018/1100 der Kommission vom 6. Juni 2018 („Blocking-VO“)
vgl. Pfeil/Mertgen, a.a.O., Kap. E. Rn. 129 ff.
78 Vgl. hierzu Weigl/Burnett in: Hocke/Sachs/Pelz, a.a.O., V., Rn. 166
ff.
79 Allgemein zur Compliance im Personalwesen vgl. Haag/Jantz,
Compliance im Personalwesen, CB 2019, S. 147 ff.
80 Vgl. §§ 17, 18, 19 AWG.
81 Vgl. § 130 OWiG.
82 Vgl. § 30 OWiG.
gabe von bestimmter Technologie (also auch in Form
der technischen Unterstützung) an eine in einem von
Embargo-Maßnahmen betroffenen Land ansässige Person
kann aufgrund einer Listung der Technologie in der
Güterliste eines anwendbaren Embargos beschränkt
sein.67
Dabei ist es insbesondere möglich, dass die nach der
Dual Use-Verordnung oder der Außenwirtschaftsverordnung
bestehende Genehmigungspflicht der technischen
Unterstützung bei Bezug zu einem bestimmten
Embargoland oder zu einer bestimmten, in der jeweiligen
Embargo-Verordnung gelisteten Person, zu einem
Verbot erstarkt.68 So kann die technische Unterstützung
einem Verbot unterstellt werden, wie es etwa bei technischer
Hilfe bezogen auf Güter der gemeinsamen Militärgüterliste
nach dem Russland-Embargo der Fall ist.69
IV. „Deemed reexports“ im US-Recht
In Fällen der technischen Unterstützung gegenüber dem
im Inland einzustellenden Wissenschaftler kann aus
Sicht des US-(Re-)Exportkontrollrechts ein sog.
„deemed reexport“70, d.h. eine (fiktive) Ausfuhr von
Technologie oder Source Code aus dem Inland in ein
„foreign country“ (d.h. in ein anderes Land als die USA)
vorliegen.
Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich, dass im
Rahmen der Tätigkeit die Einsicht in Technologie oder
Source Code mit US-Ursprung oder US-Bestandteilen
ermöglicht wird und dass die Weitergabe nicht nur zwischen
zwei Inländern im Inland71 und nicht nur an eine
„US person“72 erfolgt.
Dann findet neben den deutschen/europäischen Regularien
zusätzlich das gesamte US-(Re-)Exportkontrollrecht
mit seinen ggf. weitergehenden Beschränkungen
(einschließlich etwaiger Befreiungen)73
Anwendung.74
Wesentlicher Prüfgegenstand im internen Compliance-
System ist also zunächst die Frage, ob ein relevanter
US-Zusammenhang der Tätigkeit besteht.
Soll die Einstellung einer „US person“ erfolgen, ist darüber
hinaus zu berücksichtigen, dass für die etwaige
Weitergabe von Technologie durch diese Person im Rahmen
ihrer Tätigkeit teilweise strengere Regeln zu beachten
sind75 als dies bei einer (aus US-Sicht) „foreign person“
76 der Fall ist.
Bei einem Embargoland-Bezug (z.B. vorgesehene
Zusammenarbeit mit einer iranischen Person) ist zu beachten,
dass zusätzlich77 die Regularien der für das Sanktionsrecht
zuständigen Behörde Office of foreign assets
control (OFAC) zu berücksichtigen sein
können (Genehmigungsvorbehalte oder Verbote)78.
V. Die Implementierung im Compliance-System
Eine Prüfung der außenwirtschaftsrechtlichen Beschränkungen
sollte im internen Compliance-System79 der
Forschungseinrichtung bzw. Universität im Rahmen des
Einstellungsprozesses standardmäßig implementiert
sein, um die möglichen straf- bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlichen
Folgen eines Verstoßes80 (sowohl für den
Handelnden als auch für weitere Verantwortliche, insbesondere
den Ausfuhrverantwortlichen81, aber auch für
die gesamte Forschungseinrichtung bzw. Universität82)
Kachel · Außenwirtschaftsrechtliche Compliance 2 4 3
sowie einen sich hieraus ergebenden Reputationsverlust
und ggf. sogar den Verlust der „Zuverlässigkeit“ als
Exporteur83 zu vermeiden. Aus Praktikabilitätserwägungen
sollte allerdings die Prüfung erst dann erfolgen,
wenn die Entscheidung über die
Einstellung des Bewerbers getroffen ist.84
Christian Kachel ist Syndikusrechtsanwalt in der
Rechtsabteilung der Fraunhofer-Gesellschaft e.V. mit
dem Schwerpunkt Außenwirtschaftsrecht und Exportkontrolle.
83 Vgl. § 8 Abs. 2 AWG.
84 Die Erstattung etwa angefallener Reisekosten kann eine Bereitstellung
von „Geldern“ bzw. „wirtschaftlichen Ressourcen“
darstellen, so dass jedenfalls vor Erstattung dieser Kosten die
Sanktionslistenprüfung (s.o., II.) erfolgt sein muss.
2 4 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 3 3 — 2 4 4