Diese Diskussionsrunde hatte das Referat mit dem Titel „Zwischen Völkerrecht und Frascati – Praktische Aspek- te der rechtlichen Ausgestaltung internationaler Koope- rationen am DESY“ von Christian Harringa, Administ- rativer Direktor am Deutschen Elektronen-Synchroton (DESY), zum Gegenstand.
Zu Beginn der Diskussion erfolgte der Hinweis, dass bei der Organisation wissenschaftlicher Kooperationen die Komplexität durch den internationalen Faktor noch zusätzlich gesteigert werde. Jedoch amortisiere sich der gesteigerte Gründungsaufwand, je länger das Vorhaben dauere. Am Beispiel HERA dagegen zeige sich, dass die Rechtsdogmatik es nicht in jedem Fall vermag, sich in der Praxis zu bewähren. Denn das Vorgehen bei diesem Großprojekt mit dem Baubeginn 1984, ohne schriftli- chen Gründungsvertrag, schlicht unter Vereinbarung der Einhaltung der Regeln „guter wissenschaftlicher Praxis“, besteche zwar durch seine simple Gründung, enthalte jedoch nur schwer kalkulierbare (Haftungs-)Ri- siken für den Forschungsbetrieb. Dennoch habe es ta- dellos funktioniert. Auf die Frage, woran es denn liege, dass heutige Großprojekte in der Forschung im Gegen- satz zu HERA deutlich regelungsbedürftiger geworden seien, wurde geantwortet, dass es bei HERA einen Hauptfinanzier gegeben habe. Nach dessen Zusage sei die (finanzielle) Durchführbarkeit des Vorhabens gesi- chert gewesen, sodass alsbald mit dem Bau begonnen werden konnte. Heutige Großprojekte dagegen würden sich insbesondere durch eine hohe Anzahl an internatio- nalen Kooperationspartnern und einen deutlich gestei- gerten finanziellen Aufwand auszeichnen. Hier gelte es, die oftmals divergierenden Interessen der internationa- len Partner zunächst in einen Ausgleich zu bringen. Da- bei biete sich oftmals ein zweigeteiltes Vorgehen an: In einem ersten Schritt erfolgt eine völkerrechtliche Vor- vereinbarung als Vorgründungsvertrag, in dem die poli- tischen Interessen einfließen können und eine Strategie für das Vorhaben festgelegt werden kann. Sodann erfolgt die eigentliche Gründung, wie etwa beim X‑Ray Free- Electron Laser Facility (XFEL), als GmbH-Gründung. Nach der Ansicht der Diskutanten ist ein solcher völker- rechtlicher Vorgründungsvertrag geeignet, die eigentli- che Gesellschaftsgründung zu vereinfachen und der zu
gründenden Gesellschaft wertvolle Hinweise für den weiteren Verlauf des Gesellschaftslebens zu geben.
Ebenfalls Eingang in die Diskussion fand die steuer- rechtliche Komponente. Es wurde die Frage aufgewor- fen, wann es sich lohne, durch eine transparente, durch- lässige Gestaltung der Kooperation die Umsatzsteuer- pflichtigkeit zu vermeiden. Hierbei erfolgte der Hinweis, dass die Beurteilung der Umsatzsteuerpflichtigkeit für die Verantwortlichen in einer Forschungskooperation oftmals problematisch sei. Zwar könne als Maßstab das von der OECF veröffentliche Frascati-Handbuch heran- gezogen werden, doch entfalte dies keinerlei Bindungs- wirkung hinsichtlich einer finanzgerichtlichen Betrach- tung. Hinzu komme unter Umständen eine abweichende Beurteilung durch wechselnde Zuständigkeit des Fi- nanzamts infolge eines Umzugs des Vorhabens.
Im Bewusstsein dessen wurde erörtert, ob für inter- nationale Forschungskooperationen die Verwendung ei- ner originär europäischen Rechtsform einen Ausweg aus dieser und anderen Problemlagen bieten könnte. In con- creto wurde das europäische Konsortium für eine For- schungsinfrastruktur (ERIC) genannt. Diese Rechtsform wurde durch eine Verordnung am 25. Juni 2009 verab- schiedetundtratam28.August2009inKraft.Kernstück der ERIC ist die Einstufung als internationale Einrich- tung im Sinne des Artikel 143 Buchstabe g) und 151 Ab- satz 1 Buchstabe b) der Mehrwertsteuerrichtlinie, was eine Befreiung von der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer zur Folge hätte. Diese Rechtsform wurde jedoch mit der Anmerkung versehen, dass derzeit ihr gegenüber gerade von behördlicher Seite noch ein gewisses Misstrauen herrsche. Darüber hinaus zeichne sich die ERIC durch ein aufwendiges Gründungsverfahren aus. Ferner gebe es Schwierigkeiten im Funktionsablauf.
Sodann wurde die Diskussion mit der Frage weiter- geführt, ob es denn nötig sei, eine neue Rechtsform für kleinere und kleinste Kooperationen zu schaffen, oder ob es vielmehr eine Rechtsform speziell für größere, ins- titutionalisierte Kooperationen geben müsse. Verbun- den wurde dies mit dem Hinweis, dass im laufenden For- schungsbetrieb – gerade bei den außeruniversitären For- schungseinrichtungen – vermutlich täglich Kooperatio- nen gegründet werden, ohne dass dies ins Bewusstsein
Florian Schulz
Berichterstattung zur Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Christian Harringa, Administrati- ver Direktor am Deutschen Elektronen-Synchroton (DESY)
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
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der Teilnehmer rückt, was unter Umständen – man den- ke an die (unbewusste) Gründung einer GbR mit der da- mit verbundenen persönlichen Haftung gemäß § 128 HGB analog – erhebliche Risiken für die beteiligten For- scher mit sich bringen könne. Gerade unter diesem As- pekt sei es sachdienlich, eine Rechtsform zu etablieren, die von Beginn an mit der Kooperation „wachsen“ kön- ne. Hierauf wurde zunächst die große Bedeutung kleine- rer Kooperationen betont, die diese schon allein auf- grund ihrer bloßen Anzahl besitzen. Daher sei es ange- bracht, Organisationsprozesse zu etablieren, die zu ei- nem strukturierteren Ablauf solcher Kooperationen beitragen, etwa durch die Zurverfügungstellung eines
Musterdokuments, das sich mit den grundlegenden Fra- gen wie der Haftung beschäftigt. Nicht beinhalten solle ein solches Musterdokument dagegen Fragen bezüglich der Governance-Struktur. Entscheidend für eine verbes- serte Forschungspraxis sei letztlich das Vorhandensein möglichst leicht handhabbarer Instrumente von Seiten des Gesetzgebers.
Florian Schulz promoviert im Bereich des Gesell- schaftsrechts am Institut für deutsches und europäi- sches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht der Rup- recht-Karls-Universität Heidelberg