A. Einleitung
Forschung und Lehre an deutschen und europäischen Universitäten werden stetig internationaler.1 In der Europäischen Union mit ihren 24 verschiedenen Amts- sprachen bedeutet dies, dass vermehrt in englischer Sprache kommuniziert wird, da diese dem größtmögli- chen Personenkreis verständlich ist.2 An deutschen Uni- versitäten wurden im Jahr 2015 über 1.000 englischspra- chige Kurse angeboten. Auch deswegen studierten an den deutschen Universitäten vermehrt internationale Studenten (erstmals über 300.000 ausländische Studie- rende in Deutschland in 2014).3 Zudem ist es in vielen Fachbereichen (insbesondere den Naturwissenschaften) inzwischen üblich, dass deutsche Wissenschaftler, die an deutschen Forschungseinrichtungen beschäftigt sind, auf Englisch publizieren.4 Universitäten und For- schungseinrichtungen haben ein Interesse daran, ihre Internationalisierung voranzutreiben, um ihren Ruf im Ausland zu stärken und dadurch sowohl attraktiv für renommierte internationale Gastwissenschaftler und Studenten zu werden als auch im Rennen um internatio- nale Forschungsgelder gut abzuschneiden. Vor allem das Volumen der von der Europäischen Union gestellten Forschungsgelder hat sich in den vergangenen Jahrzehn- ten stark erhöht.5 Zudem wird das Einwerben von euro- päischen Fördergeldern inzwischen auch bei der natio- nalen Forschungsförderung positiv berücksichtigt.6
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwie- weit deutsche Hochschulen und außeruniversitäre For- schungseinrichtungen ihr internationales Profil dadurch stärken dürfen, dass sie den bei ihnen beschäftigten For- schern und Lehrern Vorgaben hinsichtlich der Sprache ihrer Publikationen und ihrer Lehrveranstaltungen ma-
- 1 Hendler, VVDStRL 2005 (65), 258 ff.
- 2 Die Europäer und ihre Sprachen, S. 4, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_243_sum_de.pdf[abgerufen am 30.11.2016].
- 3 BMBF Pressemitteilung 098/2015, abrufbar unter: https://www.bmbf.de/de/erstmals-ueber-300–000-auslaendische-studierende-in-deutschland-956.html [abgerufen am 30.11.2016].
- 4 Hornborstel/Klingsporn/von Ins, in: Publikationsverhalten in un- terschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, 2. Auflage 2009, S. 26, abrufbar unter: https://www.humboldt-foundation.de/pls/web/docs/F13905/12_disk_papier_publikationsverhalten2_kompr. pdf [abgerufen am 30.11.2016]; Empfehlung „Sprachenpolitik
an deutschen Hochschulen“ — Empfehlung der 11. Mitglieder- versammlung der HRK am 22.11.2011 in Berlin, abrufbar unter: https://www.hrk.de/positionen/beschluesse-nach-thema/conven- tion/empfehlung-sprachenpolitik-an-deutschen-hochschulen/ [abgerufen am 30.11.2016].
chen. Des Weiteren ist der Frage nachzugehen, inwiefern die Europäische Union im Rahmen ihrer Forschungsför- derung den geförderten Forschern die Publikation ihrer Forschungsergebnisse in einer bestimmten Sprache vor- schreiben darf. In beiden Fällen ergeben sich Einschrän- kungen aus der Wissenschaftsfreiheit.
B. Sprachwahl als Teil der Wissenschaftsfreiheit nach dem Grundgesetz und die Möglichkeit ihrer Beschränkung
I. Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit
1. Sachlicher Schutzbereich
Art. 5 Abs. 3 GG schützt jede wissenschaftliche Tätigkeit, also alles, „was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.“7 Die Wissenschaftsfreiheit umfasst die Forschung, als „die geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neuer Erkenntnisse zu gewinnen“8 ebenso wie die Lehre als „der wissenschaftlich fundierten Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse“.9
Die Wissenschaftsfreiheit garantiert nicht nur dem Einzelnen ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in seine Freiheit der Forschung und Lehre, sondern verkör- pert als verfassungsrechtliche Grundentscheidung auch eine objektive Wertordnung. Diese objektive Wertord- nung bekräftigt sowohl den Schutz des Einzelnen als auch die Bedeutung, die der freien Wissenschaft für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zukommt und dar- aus resultierend das gesellschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Wissenschaftsbetrieb.10
5 Das erste Forschungsrahmenprogramm (1984) hatte einen Um- fang von unter 4 Milliarden Euro, das aktuelle achte Forschungs- rahmenprogramm hat einen Förderungsrahmen von insgesamt ca. 78 Milliarden Euro; vgl. Stamm, Europas Forschungsförderung und Forschungspolitik – Auf dem Weg zu neuen Horizonten, S. 19.
6 Stamm, Europas Forschungsförderung und Forschungspolitik – Auf dem Weg zu neuen Horizonten, S. 50.
7 BVerfG, Urteil vom 29. 5. 1973 — 1 BvR 424/71 und 325/72 = BVerfGE 35, 79.
8 Bundesbericht Forschung III BT-Drs. V/4335, S. 4.
9 BVerfG, Urteil vom 29. 5. 1973 — 1 BvR 424/71 und 325/72 =
BVerfGE 35, 79.
10 BVerfG, Urteil vom 29. 5. 1973 — 1 BvR 424/71 und 325/72 =
BVerfGE 35, 79.
Maren Jantz
Sprachwahl und Wissenschaftsfreiheit
Ordnung der Wissenschaft 2017, ISBN/ISSN 3–45678-222–7
42 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 41–50
Die Wissenschaftsfreiheit als Abwehrrecht des Einzelnen schützt unstreitig unter anderem die Frei- heit der Verbreitung von Forschungsergebnissen.11 Umstritten ist lediglich, ob die Verbreitungsfreiheit dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit an sich,12 der Forschungsfreiheit13 oder zumindest hin- sichtlich der Publikation von Lehrbüchern und von Artikeln in Ausbildungszeitschriften der Lehrfrei- heit14 zuzuordnen ist. Die exakte dogmatische Ein- ordnung hat hinsichtlich der Zulässigkeit von Ein- schränkungen der Veröffentlichungsfreiheit keine Auswirkungen, da die Wissenschafts‑, die For- schungs- und die Lehrfreiheit denselben Schranken unterliegen.
Die Verbreitungsfreiheit umfasst Ort und Zeit der Publikation sowie deren Modalitäten.15 Unter die ge- schützten Modalitäten fällt nicht zuletzt die Sprache, in der das wissenschaftliche Werk verfasst ist.16 Die Sprache ist stets eine entscheidende Komponente des wissenschaftlichen Werkes, wenn auch ihre Bedeu- tung in einigen Fachbereichen zentraler ist als in an- deren. Eine besondere Bedeutung kommt der Veröf- fentlichungssprache in den Geistes‑, Sozial- und Rechtswissenschaften zu, da sie in diesen Bereichen ein wesentliches Instrument des Wissenschaftlers ist und nur wenige Wissenschaftler es vermögen, sich in mehreren Sprachen mit derselben der Sache nach er- forderlichen Präzision auszudrücken. Außerdem kann das Thema eines Forschungsvorhabens die Ver- wendung einer bestimmten Sprache, wenn auch nicht zwingend vorgeben, so doch besonders sinnvoll er- scheinen lassen.
Gegenstand der Lehrfreiheit ist unter anderem das Recht des Lehrenden, selbst den Inhalt sowie den Ab- lauf seiner Lehrveranstaltung festzulegen.17 Zum In- halt und Ablauf der Lehrveranstaltung gehört auch, in welcher Sprache sie stattfindet. Auch für den Inhalt und die Qualität der Lehrveranstaltung ist die Sprache
- 11 BVerfG, Urteil vom 29. 5. 1973 — 1 BvR 424/71 und 325/72 = BVerfGE 35, 79; Mager, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 7, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 166 Rn. 17; Scholz, in: Maunz/Dürig, 77. EL Juli 2016, Art. 5 Abs. 3, Rn. 13.
- 12 Mager, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 7, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 166 Rn. 17.
- 13 Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), 2. Aufl. 2011, Kap. I, Rn. 67.
- 14 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 77. EL Juli 2016, Art.5 Abs. 3, Rn. 108; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentarzum GG, 6. Auflage 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn 376.
- 15 BVerfG, Urteil vom 03.09.2015 — 1 BvR 1983/15, ArbR 2015, 513;Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, Art. 5Abs. 3, Rn 416.
- 16 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386, 402 f.; Kahl, JuS 2007, 201, 203.
- 17 Vgl. § 4 III HRG, s. auch BverfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 ‑1 BvR 1289/78.
ein entscheidender Bestandteil, da der lehrende Wis- senschaftler nur in einer begrenzten Anzahl an Spra- chen in der Lage sein wird, die Veranstaltung auf ei- nem hohen Niveau anzubieten. Außerdem gilt ebenso für die Lehrveranstaltung wie für die Publikation, dass gewisse Themen die Kommunikation in einer be- stimmten Sprache vorgeben.
Die aus der Verbreitungsfreiheit folgende wissen- schaftliche Sprachfreiheit hat das Recht des Einzelnen zur Konsequenz, die von ihm in Schrift und Wort ver- wendete Sprache selbst zu wählen. Ein Wissenschaft- ler hat daher nach Art. 5 Abs. 3 GG also zunächst grundsätzlich ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht, die Sprache, in der er seine Forschungsergeb- nisse publiziert oder seine Lehrveranstaltungen ab- hält, selbst zu bestimmen.
2. Persönlicher Schutzbereich
Die Wissenschaftsfreiheit ist ein Jedermann-Grund- recht und schützt als solchen „jeden, der wissen- schaftlich tätig ist oder tätig werden will“.18 Das umfasst zunächst die Wissenschaftler selbst, im nächs- ten Schritt über Art. 19 Abs. 3 GG aber auch die Hoch- schulen sowie deren Fakultäten und Fachbereiche19, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen20 sowie forschende Wirtschaftsunternehmen.21
3. Abgrenzung zur allgemeinen Sprachfreiheit sowie zur Meinungs- bzw. Pressefreiheit
Die Sprachfreiheit wird im Grundgesetz nicht explizit geschützt.22 Da die Sprache allerdings ein essentieller Bestandteil der Identität des Einzelnen ist und ihm die Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung bietet, ist sie Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.23 Die allgemeine Sprachfreiheit schützt das Recht des Einzelnen die von ihm im öffentlichen und im privaten Gebrauch in Schrift und Wort verwendete Sprache selbst zu wäh-
18 BVerfG, Urteil vom 29. 5. 1973 — 1 BvR 424/71 und 325/72 = BVerfGE 35, 79.
19 BVerfG, Urteil vom 16.01.1963 — 1 BvR 316/60, BverfGE 15, 256; Mager, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 7, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 166 Rn. 37; Arnold, Die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit für die Fraunhofer-Gesellschaft, S. 97.
20 BVerfG vom 10.3.1992, 1 BvR 454 u.a./91, BVerfGE 85, 360; Schmidt-Assmann, Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG; in: FS für Werner Thieme zum 70.Geburtstag, S. 707; Scholz, in Maunz/Dürig, GG Kommentar, 77. EL Juli 2016, Art. 5 Abs. 3, Rn. 125.
21 Ruffert, VVDStRL 65 (2006), 145, 179.
22 Anders ist dies beispielsweise in Art. 18 der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft.
23 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386, 395 m.w.N.; Kahl, JuS 2007, 201.
len.24 Die allgemeine Sprachfreiheit kommt für for- schende bzw. lehrende Wissenschaftler nicht zur Anwen- dung, da Art. 5 Abs. 3 GG die speziellere wissenschaftli- che Sprachfreiheit schützt.25
Die Meinungs- und die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG spielen für die Veröffentlichungsfreiheit des Wis- senschaftlers keine Rolle, da die Wissenschaftsfreiheit als spezielleres Grundrecht wissenschaftliche Publikationen zumindest hinsichtlich der Rechte der Wissenschaftler schützt.26
4. Grundrechtsbindung
Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind die Gesetzgebung, vollzie- hende Gewalt und Rechtsprechung unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Die staatlichen Hochschulen sind als staatliche Organe, die als juristische Personen des öffentlichen Rechts organisiert sind, unmittelbar nach Art. 1 Abs. 3 GG gegenüber ihren wissenschaftlich tätigen Mitgliedern an die Wissenschaftsfreiheit gebunden.27
Viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen werden überwiegend vom Staat finanziert und von diesem gesellschaftsrechtlich beherrscht. Zudem neh- men sie staatliche Aufgaben wahr, sodass sie dem Staat zugerechnet werden. Sie sind dementsprechend im Verhältnis zu ihrem wissenschaftlichen Personal gemäß Art. 1 Abs. 3 GG direkt an die Grundrechte ge- bunden.
Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die nicht öffentlich-rechtlich organisiert sind, sowie sol- che, die aufgrund ihrer Finanzierung, organisatori- schen Selbstständigkeit bzw. ihrer Aufgabenerfüllung nicht als staatlich angesehen werden können, sind durch die mittelbare Drittwirkung, die aus der objek- tiven Wertentscheidung des Art. 5 Abs. 3 GG folgt, an die Wissenschaftsfreiheit gebunden.28 Auch forschen- de Wirtschaftsunternehmen sind gegenüber ihren an- gestellten Forschern durch die mittelbare Drittwir- kung der Wissenschaftsfreiheit an diese gebunden.29
Die grundrechtliche Wertordnung wirkt sich auch bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln aus.30 Zentral ist dabei § 106 GewO als allgemeine Vorschrift über das Weisungsrecht.
- 24 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386, 398 f sowie Fn 48.
- 25 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386, 396.
- 26 Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 77. EL Juli2016, Rn 13; umstritten ist der Schutz des Art. 5 Abs. 3 hinsichtlichder Rechte der Verleger, siehe Scholz, ebenda, m.w.N.
- 27 Sterzel, Die Wissenschaftsfreiheit des angestellten Forschers, S. 52;Scholz, in Maunz/Dürig, GG Kommentar, 77. EL Juli 2016, Art. 5Abs. 3, Rn. 128.
- 28 Schmidt-Assmann, Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3GG; in: FS für Werner Thieme zum 70.Geburtstag, S. 708. 29 vgl. Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band
7, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 196 Rn 88 ff.; Schubert/Tarantino,
II. Sprachvorgaben als Eingriff in die Wissenschafts- freiheit
Aus dem Vorstehenden folgt: Vorgaben der Grundrechts- verpflichteten gegenüber den Wissenschaftlern hinsichtlich der Sprache, in der eine Publikation abgefasst sein oder eine Lehrveranstaltungen gehalten werden muss, stellen einen Eingriff in die Verbreitungsfreiheit und die Lehrfreiheit als Teile der Wissenschaftsfreiheit dar.
Solche Vorgaben können den Wissenschaftlern auf verschiedensten Wegen gemacht werden. Im Folgenden sollen Vorgaben, welche die unterschiedlichen Grund- rechtsadressaten den Grundrechtsträgern im Arbeits- vertrag und durch Weisung machen, auf ihre Zulässig- keit untersucht werden.
1. Sonderstellung der Professoren an staatlichen Hochschulen
Professoren an staatlichen Hochschulen befinden sich gegenüber den anderen wissenschaftlich Tätigen in zweierlei Hinsicht in einer Sonderstellung. Zum einen werden sie in der Regel nicht auf Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt, sondern sind Beamte.31 Aus der Beamtenstellung folgen gewisse Amtspflich- ten, die geeignet sind, die Wissenschaftsfreiheit ein- zuschränken. Eine solche Einschränkung ist aber zumindest im Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit, der Forschung und der Lehre, weitgehend weder zulässig (Art. 5 Abs. 3 GG) noch bezweckt. Denn die Beamtenstellung soll dem Professor die persönliche und sachliche Unabhängigkeit verleihen, die er zur Ausübung seiner von Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Freiheiten bedarf.32 Daraus folgt die andere Beson- derheit im Vergleich zu sonstigen wissenschaftlich Tätigen, dass sich Professoren an staatlichen Hoch- schulen nämlich nur sehr begrenzt Weisungsrechten gegenüber sehen.33 Nur hinsichtlich der Lehrver- pflichtungen unterliegen Professoren dem Weisungs- recht der Präsidenten bzw. Dekane der Fakultäten.34 Bei der Ausübung dieses Weisungsrechts sind die Weisungsbefugten unmittelbar an Art. 5 Abs. 3 GG gebunden.35 In der Ausübung seiner Forschungstätig-
OdW 2016, 169, 170.
30 Schubert/Tarantino, OdW 2016, 169, 170.
31 Löwisch/Wertheimer, in: Hartmer/Dettmer, Hochschulrecht, 2.
Auflage 2011, Kap X, Rn 1 ff.
32 Scholz, in Maunz/Dürig, GG Kommentar, 77. EL Juli 2016, Art. 5
Abs. 3, Rn. 172.
33 Scholz, in Maunz/Dürig, GG Kommentar, 77. EL Juli 2016, Art. 5
Abs. 3, Rn. 172; Schubert/Tarantino, OdW 2016, 169, 175; Thieme,
Deutsches Hochschulrecht, 3. Auflage 20014, Rn 701.
34 Vgl. bspw. § 24 Abs. 2 S. 1 LHG BaWü; Art. 28 Abs. 4 S. 2 BayHSchG;
§28Abs.2S.2ThürHG;§27Abs.1S.2HGNRW. 35 S.o. B.I.4.
Jantz · Sprachwahl und Wissenschaftsfreiheit 4 3
44 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 41–50
keit hingegen ist der Professor weisungsfrei, was den besonderen Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 3 GG wider- spiegelt. Für Sprachvorgaben in Bezug auf die Veröf- fentlichungen von Professoren an staatlichen Hoch- schulen fehlt daher schon ein Weisungsrecht.
2. Die übrigen wissenschaftlich Tätigen
Wissenschaftliche Mitarbeiter an staatlichen Hochschu- len stehen in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zum Bundesland, zu dem die Universität gehört, an der sie tätig werden.36 Sie unterliegen daher dem Weisungsrecht nach § 106 GewO.37
Das wissenschaftliche Personal der außeruniversitä- ren Forschungseinrichtung, zu dem auch deren leitende Wissenschaftler gehören, und das wissenschaftliche Per- sonal der forschenden privaten Wirtschaftsunterneh- men steht in einem Arbeitsverhältnis38 zu den jeweiligen Einrichtungen für die es tätig wird. Alle diese Personen sind daher ebenso wie die Wissenschaftlichen Mitarbei- ter an staatlichen Hochschulen und im Gegensatz zu den Professoren an staatlichen Hochschulen grundsätzlich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit umfassend weisungs- gebunden, § 106 GewO.39
1. Schranken
Art. 5 Abs. 3 GG enthält keine Schrankenregelung. Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG sind aufgrund der Spezi- alität der Wissenschaftsfreiheit gegenüber den Freiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht anwendbar.43 Die Wissen- schaftsfreiheit ist dennoch nicht schrankenlos gewähr- leistet. Sie wird eingeschränkt durch andere verfassungs- rechtlich geschützte Rechtsgüter.44 Bei einer Kollision von verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern sind diese im Wege der praktischen Konkordanz so gegenein- ander abzuwägen, dass beide so weit wie möglich zur Geltung kommen.45
2. Rechtmäßigkeit von Sprachvorgaben durch staatliche Hochschulen und dem Staat zuzuordnende außeruni- versitäre Forschungseinrichtungen
Unterschiedlich zu behandeln sind Sprachvorgaben von staatlichen Hochschulen und dem Staat zuzurechnen- den außeruniversitären Forschungseinrichtungen einer-
Abs. 3, Rn. 172; Schubert/Tarantino, OdW 2016, 169, 170 f. und 175 f. 42 S.o. B.I.4.
43 Kempen, in: Hartmer/Dettmer, Hochschulrecht, 2. Auflage 2011, Kapitel I Rn 95; Mager, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 7, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 166 Rn. 30.
44 Löwisch, OdW 2016, 153, 154; Mager, in: Isensee/Kirchhof, Hand- buch des Staatsrechts, Band 7, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 166 Rn. 30.
45 Calliess, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band II, 2006, § 44, Rn 34; Schulte, VVDStRL 65 (2006), 110, 120.
Wie weit dieses Weisungsrecht reicht, hängt sowohl von der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages als auch von der konkreten Weisung im Einzelfall ab.40
Die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages und die daraus resultierende Einbindung in weisungsrechtliche Strukturen entscheidet zunächst darüber, ob ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer staatlichen Hochschule oder das wis- senschaftliche Personal von außeruniversitären For- schungseinrichtung sowie forschenden privaten Wirt- schaftsunternehmen sich überhaupt auf die Wissenschafts- freiheit berufen kann. Denn auf die Wissenschaftsfreiheit kann sich nur berufen, wer wissenschaftlich tätig wird. Ob der Ein- zelne wissenschaftlich tätig wird oder nur qualifizierte Dienst- leistungen in einem wissenschaftlichen Umfeld erbringt, legt der Arbeitsvertrag fest. Sieht der Vertrag also eine vollständig weisungsgebundene Tätigkeit vor, so kann sich der Arbeitneh- mer nicht auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, da nur eigen- verantwortliche Tätigkeiten als Wissenschaft vom Schutzbe- reich des Art. 5 Abs. 3 GG umfasst sind.41
- 36 Löwisch/Wertheimer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, Kapitel X, Rn 10.
- 37 Löwisch/Wertheimer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, Kapitel X, Rn 57ff; Schubert/Tarantino, OdW 2016, 169, 175.
- 38 Mit Ausnahme der leitenden Wissenschaftler, die Organe der von ihnen geleiteten Forschungseinrichtung sind.
- 39 Schubert/Tarantino, OdW 2016, 169, 170.
- 40 Schubert/Tarantino, OdW 2016, 169.
- 41 Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 152;Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 77. EL Juli 2016, Art. 5
Sieht der Arbeitsvertrag hingegen vor, dass eine, wenn auch auf einen gewissen abtrennbaren Bereich be- schränkte, unabhängige und damit wissenschaftliche Tä- tigkeit geschuldet wird, so kann sich der Einzelne bei der speziellen Vertragsgestaltung in diesem Bereich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen. Wissenschaftliche Mitar- beiter an staatlichen Hochschulen sowie an dem Staat zuzuordnenden außeruniversitären Forschungseinrich- tungen können sich ihrem Arbeitgeber gegenüber direkt auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen, da ihre Arbeitgeber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG direkt an die Grundrechte gebunden sind.42 Das wissenschaftliche Personal der übrigen auße- runiversitären Forschungseinrichtungen und der for- schenden privaten Wirtschaftsunternehmen kann sich aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gegenüber seinem Arbeitgeber auf § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB berufen, soweit die die Wissenschaftsfreiheit einschränkenden Regelungen vom Arbeitgeber allge- mein vorgegeben werden.
III. Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Sprach- freiheit
seits und dem Staat nicht zurechenbaren außeruniversi- tären Forschungseinrichtungen und privaten Wirt- schaftsunternehmen andererseits. Denn die staatlichen Hochschulen und die dem Staat zurechenbaren auße- runiversitären Forschungseinrichtungen können sich neben Art. 5 Abs. 3 GG nicht auf andere Grundrechte berufen.46 Demgegenüber stehen dem Staat nicht zuge- ordneten außeruniversitären Forschungseinrichtungen ebenso wie privaten Wirtschaftsunternehmen das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zur Seite.47
a) Sprachvorgaben für Lehrveranstaltungen
Wird durch einen Grundrechtsverpflichteten die Lehr- freiheit eingeschränkt, so kommen als Schranke der Wissenschaftsfreiheit des lehrenden Wissenschaftlers die verfassungsrechtlich geschützten Güter der Studier- bzw. Lernfreiheit der Studenten48 und der Ausbildungs- auftrag der Universität in Betracht.49 Es ist also eine Ver- hältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen mit dem Ziel der Erreichung praktischer Konkordanz.
Legitim sind sprachliche Vorgaben, welche den Stu- denten die Möglichkeit geben sollen, ihrem Grundrecht auf Lernfreiheit gemäß ausgebildet zu werden oder wel- che einen ordnungsgemäßen Ablauf des Lehrbetriebes garantieren sollen. Die Weisung, eine Lehrveranstaltung in englischer Sprache abzuhalten, ist beispielsweise von diesem Zweck gedeckt, wenn es sich um Veranstaltun- gen des Fachbereichs Anglistik oder um englischspra- chige Spezialveranstaltungen im Rahmen des Lehrange- bots anderer Fachbereiche einer staatlichen Hochschule handelt, die ihre Veranstaltungen ansonsten grundsätz- lich auf Deutsch abhalten. Nicht gedeckt wäre diese Vor- gabe hingegen an einer staatlichen Hochschule in Bezug auf Lehrveranstaltungen, deren Thema keine besondere Verbindung zur englischen Sprache aufweist.50
Soweit ein solcher legitimer Zweck besteht, ist die Weisung, etwa die englische Sprache zu verwenden, ge- eignet und erforderlich, da kein milderes Mittel zur Ge- währleistung der Lernfreiheit sowie eines ordnungsge- mäßen Lehrbetriebs vorhanden ist.
Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Wege der praktischen Konkordanz zu gewährleisten, dass sowohl die Wissenschaftsfreiheit
- 46 Bethge, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Mün- chen, Art. 5, Rn 220.
- 47 Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 144, 155.
- 48 Umstritten ist, ob der Schutz aus Art. 5 Abs. 3 GG folgt (so: Beth- ge, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, München, Art. 5, Rn 208) oder aus Art. 2 Abs. 1 GG (so: Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Auflage 2004, 847).
- 49 BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 — 1 BvR 1289/78; Kahl,
des Lehrenden als auch die Lernfreiheit der Studenten weitestmöglich zur Geltung kommen. Ein Wissenschaft- ler, der zu einem Thema forscht und lehrt, das eine enge Verbindung zur englischen Sprache aufweist, wird in sei- ner Lehrfreiheit durch die Weisung zur Verwendung der englischen Sprache kaum eingeschränkt sein, da diese ein wesentlicher Bestandteil seiner Forschung ist. Dem- entsprechend ist es nur angemessen, der Lernfreiheit in diesem Zusammenhang den Vorzug zu geben, da diese durch auf deutscher Sprache abgehaltene Lehrveranstal- tungen, die den Gebrauch des Englischen thematisch verlangen, stark eingeschränkt würde. Weist das Thema der Lehrveranstaltung also eine enge Verbindung zur englischen Sprache auf, ist eine entsprechende Vorgabe der englischen Sprache rechtmäßig.
b) Sprachvorgaben für Publikationen
Wird einem Wissenschaftler eine Vorgabe hinsichtlich der Sprache, in der er seine wissenschaftlichen Ergebnisse pub- lizieren soll, gemacht, so schränkt dies seine Wissenschafts- freiheit in ihrem Kernbereich ein, da die Kommunikation für die Wissenschaft von herausragender Bedeutung ist51 und die zur Vermittlung von wissenschaftlichen Aussagen gewählte Sprache einen entscheidenden Einfluss auf die Art der Kommunikation hat. Es muss daher dem gegenläufigen Interesse zunächst ein verfassungsrechtlich garantiertes Rechtsgut zur Seite stehen.52
Ein solches Rechtsgut kann die Wissenschaftsfreiheit anderer Wissenschaftler sein, mit denen der betroffene Wissenschaftler im Rahmen der Hochschule oder der Forschungseinrichtung zusammenarbeitet. Hat sich eine Forschergruppe für die Veröffentlichung der gemeinsa- men Forschungsergebnisse in einer bestimmten Sprache entschieden, muss sich diese Entscheidung gegen die ab- weichende Meinung einzelner Mitglieder der For- schungsgruppe durchsetzen können.
Hingegen reicht das Interesse der staatlichen Hoch- schule oder außeruniversitären Forschungseinrichtung, ihr wissenschaftliches Profil bzw. ihre Ausgangsposition im Wettbewerb um Forschungsförderungsgelder durch die Wahl einer gängigen Sprache und der damit einher- gehenden Möglichkeiten eines besseren „Rankings“ zu stärken, nicht aus. Zwar sind die staatlichen Hochschu-
VVDStRL 65 (2006), 386, 404; Kempen, in: Hartmer/Detmer,
Hochschulrecht, 2. Auflage 2011, Kapitel I Rn 96.
50 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386, 402 f.
51 Pernice, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage
2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn 28; Steinfort, Die verfas- sungsrechtlichen Grundlagen der Veröffentlichungsfreiheit des Wissenschaftlers, Bonn 1987, S. 28 f.
52 A.A. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, 6. Auflage 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn 416.
Jantz · Sprachwahl und Wissenschaftsfreiheit 4 5
46 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 41–50
len und die dem Staat zugeordneten außeruniversitären Forschungseinrichtungen grundsätzlich Träger der Wis- senschaftsfreiheit. Auf diese können sie sich aber regel- mäßig nur im Verhältnis zum Staat berufen. Den für sie tätigen Wissenschaftlern gegenüber sind sie in erster Li- nie grundrechtspflichtig.53 Nur wenn und soweit sie ihre Aufgabe, den ihr angehörenden Wissenschaftlern die freie Betätigung zu ermöglichen und ihre sonstigen Auf- gaben in der Wissenschaftspflege anders nicht mehr er- füllen können, kommt eine Einschränkung der Wissen- schaftsfreiheit in Betracht.54 Davon aber kann im Hin- blick auf die Sprachwahl bei Publikationen in aller Regel nicht gesprochen werden.
3. Rechtmäßigkeit von Sprachvorgaben durch nicht dem Staat zuzuordnende außeruniversitäre Forschungsein- richtungen und forschende private Wirtschaftsunter- nehmen
Da in den hier zu behandelnden Institutionen nur geforscht und nicht gelehrt wird, kann es nur um die Zulässigkeit von Sprachvorgaben hinsichtlich der Publi- kation von Forschungsergebnissen gehen.
Als Schranke der Wissenschaftsfreiheit der Forscher kommen als kollidierende verfassungsrechtlich ge- schützte Rechtsgüter die Wissenschaftsfreiheit der ande- ren Wissenschaftler und die Wissenschaftsfreiheit des Arbeitgebers sowie dessen unternehmerische Freiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht.55 Auf die Wissen- schaftsfreiheit können diese Arbeitgeber sich allerdings nur berufen, sofern organisatorisch sichergestellt ist, dass ihre Arbeitnehmern wissenschaftlich tätig werden können,56 sie ihnen also einen gewissen Freiraum bei der Forschung garantieren.
Diese Grundrechte der Arbeitgeber sind als kollidie- rendes Verfassungsrecht im Arbeitsverhältnis zu beach- ten, da die Grundrechte mittelbar zu Gunsten und zu Lasten beider Vertragsparteien wirken.57
Es ist also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzu- nehmen, um die Zulässigkeit einer Weisung über die Verwendung einer bestimmten – oftmals der englischen – Sprache für Publikationen zu beurteilen.
Ebenso wie in der staatlichen Hochschule bzw. der dem Staat zuzuordnenden außeruniversitären For-
- 53 Hanau/Ossenbühl, Kündigungsschutz und Wissenschaftsfreiheit, S. 74; Löwer, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, 2011, Band IV, § 99, Rn 21; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kom- mentar zum Grundgesetz, 6. Auflage 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn 409.
- 54 Mallmann/Strauch, Die Verfassungsgarantie der freien Wissen- schaft, S. 14 f.; Schulte, VVDStRL 65 (2006), 110, 122.
- 55 Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 144, 155; vgl. Brenner, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, 2013, § 155, Rn 15 ff.
schungseinrichtung gilt auch hier, dass bei der Zusam- menarbeit mehrerer Wissenschaftler an einem größeren Forschungsprojekt dem Einzelnen Sprachvorgaben zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit der übrigen Wissen- schaftler gemacht werden dürfen. Sie sind also soweit rechtmäßig, als sie für die Durchführung und den Erfolg des Projekts erforderlich sind.
Das Interesse der Arbeitgeber, das hinter einer Sprachvorgabe steht, ist die Stärkung seines wissen- schaftlichen Profils. Damit einhergehen soll die Mög- lichkeit, renommierte internationale Wissenschaftler als Arbeitnehmer gewinnen zu können und eine möglichst gute Ausgangsposition bei der Bewerbung um For- schungsförderungsgelder zu haben. Es soll also die wis- senschaftliche Leistung der außeruniversitären For- schungseinrichtung bzw. des forschenden privaten Wirt- schaftsunternehmens gestärkt werden, um wirtschaftlich wertvolle Ergebnisse zu erzielen und es sollen Fördergel- der akquiriert werden. Diese Interessen werden sowohl von Art. 5 Abs. 3 als auch von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt und sind damit als legitim anzusehen.
Eine Sprachvorgabe ist geeignet und erforderlich, um das Interesse des Arbeitgebers an internationaler Auf- merksamkeit zu erfüllen, da allein die Verwendung der englischen Sprache es garantiert, dass die internationale „scientific community“ die Forschungsergebnisse zur Kenntnis nehmen kann.
Fraglich ist allerdings, ob die Sprachvorgabe des Ar- beitgebers als verhältnismäßig im engeren Sinne angese- hen werden kann. Dies wäre wohl anzunehmen, wenn man mit Starck davon ausginge, dass die Art und Weise der Veröffentlichung lediglich eine Akzidenz der For- schungsfreiheit ist und Eingriffe daher einfacher zu rechtfertigen sind.58 Anders ist es allerdings zu beurtei- len, wenn man die Ansicht von Pernice und Steinfort,59 dass die Veröffentlichungsfreiheit auch in Bezug auf ihre Modalitäten, wovon auch die Veröffentlichungssprache umfasst ist, zum Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit gehört. Diese Ansicht ist überzeugender, da die Sprache einen wesentlichen Teil der Veröffentlichung darstellt. Sie ist das Medium, mit dem das Forschungsergebnis vermittelt wird. Erst die sprachliche Vermittlung macht die Ergebnisse für die „scientific community“ verständ-
56 Schmidt-Assmann, Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG; in: FS für Werner Thieme zum 70.Geburtstag, S. 708; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, 6. Auflage 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn 411.
57 Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, 6. Aufla- ge 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn 411.
58 Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, 6. Aufla- ge 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn 416.
59 S.o. Fn 51.
lich und so zu einem Teil des wissenschaftlichen Dialogs. Außerdem ermöglicht es die Wahl der Sprache dem Wis- senschaftler, den Adressatenkreis für seine Forschungs- arbeit zu bestimmen, was je nach deren Thema ein we- sentlicher Gesichtspunkt sein kann. Eine Sprachvorgabe stell demnach einen Eingriff in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit des Betroffenen dar. Eingriffe in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit sind wesent- lich schwieriger zu rechtfertigen.60 Denn der aus der Verwehrung einer Sprachvorgabe resultierende Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers ist weit weniger einschnei- dend. Zwar ist ihm die Möglichkeit der Schärfung seines internationalen Profils erschwert, er kann aber dennoch weiterhin auf dem von ihm gewünschten Gebiet for- schen lassen und dadurch wirtschaftlich verwertbare Forschungsergebnisse erzielen.
IV. Ergebnis
DieSprachwahldesWissenschaftlersbezüglichseiner Publikationen und seiner Lehrveranstaltungen wird von Art. 5 Abs. 3 GG geschützt. Einschränkungen die- ser Freiheit sind nur auf der Grundlage von kollidie- renden verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgü- tern zulässig.
In Bezug auf Lehrveranstaltungen sind Sprachvor- gaben zulässig, sofern die Studier- bzw. Lernfreiheit der Studenten und der ordnungsgemäße Ablauf der Lehr- veranstaltungen es erfordern. Dies wird in der Regel am Beispiel der Vorgabe der Verwendung des Englischen nur zu bejahen sein, wenn Lehrveranstaltungen des Fachbereichs Anglistik oder Spezialveranstaltung ande- rer Fachbereiche, deren Thematik eine enge Verbindung zur englischen Sprache aufweisen, betroffen sind.
Sprachvorgaben für Publikationen sind in der Regel unzulässig, da entsprechende Eingriffe in den Kernbe- reich der Forschungsfreiheit nur schwer zu rechtfertigen sind. Eine Ausnahme ergibt sich insbesondere bei der Kooperation mehrerer Wissenschaftler, die nur mit Hil- fe der gemeinsamen Verwendung derselben Veröffentli- chungssprache möglich ist.
- 60 BVerfG, Beschlüsse vom 22. Juli 1999 — 1 BvR 709/97 und 07. August 2007 — 1 BvR 2667/05.
- 61 Kotzur, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht — Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage 2015, 2. Teil § 38 Bildung und Kultur, Rn 45; Mann, in: Hesselhaus/Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 26, Rn 56.
- 62 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 13 GRCh mwN.
C. Sprachwahl als Teil der Wissenschaftsfreiheit nach der Europäischen Grundrechte Charta und die Mög- lichkeit ihrer Beschränkung
I. Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit
In Art. 13 GRCh ist die Wissenschaftsfreiheit auf europa- rechtlicher Ebene garantiert. In Art. 13 heißt es, dass die Forschung frei ist und die akademische Freiheit geachtet wird. Die Begriffe Wissenschaft, Forschung und akade- mische Freiheit sind in der GRCh nicht definiert. Es gibt auch keine Rechtsprechung des EuGH, die sich mit der Wissenschaftsfreiheit der GRCh beschäftigt.61
Für den Begriff der Wissenschaftsfreiheit kann zwar nicht auf die Definition des Grundgesetzes abgestellt werden62, aber im europäischen Sekundärrecht findet sich zumindest eine Definition der Forschungsfreiheit, die Anhaltspunkte liefern kann.
So definiert die Richtlinie des Rates vom 12.10.2005 über ein besonderes Zulassungsverfahren für Dritt- staatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung in Art. 2 lit. b) Forschung als „systematisch betriebene, schöpferische Arbeit mit dem Zweck der Er- weiterung des Wissensstands, einschließlich der Er- kenntnisse über den Menschen, die Kultur und die Ge- sellschaft, sowie der Einsatz dieses Wissens mit dem Ziel, neue Anwendungsmöglichkeiten zu finden“.
Von der Wissenschaftsfreiheit ist auch die Publikati- on der Forschungsergebnisse umfasst.63 Dies erscheint allein schon aufgrund der Tatsache, dass die Wissen- schaftsfreiheit der GRCh als Ausfluss der Meinungs- und Gedankenfreiheit gesehen wird,64 zwingend. Denn für die Meinungsfreiheit ist es elementar, nicht nur eine Meinung zu haben, sondern diese auch kommunizieren zu dürfen. Da zum Kommunikationsvorgang entschei- dend die Sprache gehört, in der kommuniziert wird, ist davon auszugehen, dass Art. 13 GRCh auch die wissen- schaftliche Sprachfreiheit umfasst.
Persönlich können den Schutz der Wissenschaftsfrei- heit des Art. 13 GRCh sowohl natürliche als auch juristische Personen, die wissenschaftlich tätig werden, in Anspruch nehmen.65 Einem Wissenschaftler wird demnach durch
63 Ruffert, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 13 GRCh, Rn 8.
64 Kempen in: Stern/Sachs, Europäische Grundrechte-Charta, 2016, Art. 13, Rn 17, 24; Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUVB, 5. Aufl. 2016, Art. 13 GRCh, Rn 7.
65 Kempen, in: Stern/Sachs, Europäische Grundrechte-Charta, 2016, Art. 13, Rn 9.
Jantz · Sprachwahl und Wissenschaftsfreiheit 4 7
48 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 41–50
Art. 13 GRCh das Recht garantiert, eine wissenschaftliche Publikation in der Sprache seiner Wahl zu verfassen.
II. Eingriff und dessen Zulässigkeit
Schränkte die Europäische Union im Rahmen der Ver- gabe ihrer Fördergelder dieses Recht durch sprachliche Vorgaben ein, läge darin ein Eingriff in die Wissen- schaftsfreiheit.66
1. Forschungsförderung durch die EU
Art. 179 AEUV schreibt das Ziel der Union fest, ihre wis- senschaftlichen und technologischen Grundlagen dadurch zu stärken, dass ein europäischer Raum der Forschung geschaffen wird, in dem Freizügigkeit für Forscher herrscht und wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien frei ausgetauscht werden, die Ent- wicklung ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschließlich der ihrer Industrie zu fördern sowie alle Forschungsmaß- nahmen zu unterstützen, die aufgrund anderer Kapitel der Verträge für erforderlich gehalten werden.
Zur Zielerreichung werden nach Art. 180 lit. a) AEUV unter anderem Programme für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration unter Förderung der Zu- sammenarbeit mit und zwischen Unternehmen, For- schungszentren und Hochschulen durchgeführt.
Die Forschungsrahmenprogramme werden gemäß Art. 182 Abs. 1 AEUV vom Europäischen Parlament und dem Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsver- fahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozial- ausschusses aufgestellt. Diese fassen alle Aktionen der Union in diesem Bereich zusammen.
Zur Durchführung des Rahmenprogramms legt die Union unter anderem die Regeln für die Verbreitung der Forschungsergebnisse fest, Art. 183 AEUV.
Durch die Verordnung Nr. 1291/2013 des Europäi- schen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über das Rahmenprogramm für Forschung und Innova- tion Horizont 2020 (2014–2020) und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1982/2006/EG wurde das aktuelle achte Forschungsrahmenprogramm eingeführt. Das Ziel des Programms ist es, zum Aufbau einer unionsweiten wis- sens- und innovationsgestützten Gesellschaft und Wirt- schaft beizutragen, indem es zusätzliche Fördermittel für Forschung, Entwicklung und Innovation mobilisiert und
- 66 Vgl. Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäi- schen Union, 4. Auflage 2014, Artikel 13, Rn 15 und Ehlers, Euro- päische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Auflage, Berlin, Rn 11, die davon ausgeht, dass sich Art. 13 GRCh bei der Forschungs- förderung und dort insbesondere bei Verhaltensanforderungen an Wissenschaftler auswirken kann.
- 67 Zu Horizon 2020: Becker, Das Rahmenprogramm der Europäi- schen Union für Forschung und Innovation, OdW 2014, 97.
einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele im Bereich Forschung und Entwicklung leistet, Art. 5 Abs. 1 der Ver- ordnung.67
Zur Zielerreichung sollen drei Schwerpunkte dienen: „wissenschaftliche Exzellenz“, „führende Rolle der In- dustrie“ und „gesellschaftliche Herausforderungen“, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung.
Im Rahmen dieses Beitrags ist es nicht möglich sämt- liche Forschungsförderungsmaßnahmen der EU aus- führlich darzustellen, weshalb der Blick im Folgenden auf den Schwerpunkt „wissenschaftliche Exzellenz“ und dort noch spezieller auf das Einzelziel „Stärkung der Pi- onierforschung durch Tätigkeiten des Europäischen For- schungsrates“ (ERC = European Research Council), Art. 3 Abs. 1 lit. a) des Beschlusses des Rates vom 3. Dezember 2013 über das Spezifische Programm zur Durchführung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014–2020) gerichtet wird. Dieses Ein- zelziel ist aus zwei Gründen besonders interessant. Zum einen wird Projektförderung betrieben, in deren Rah- men Vorgaben bezüglich der Veröffentlichung der For- schungsergebnisse gemacht werden, zum anderen ist dieses Einzelziel mit einer finanziellen Ausstattung von ca. 13 Milliarden Euro eines der finanziell am besten aus- gestatteten Einzelziele von Horizon 2020.68
Der ERC bietet Forschern eine Langzeitförderung für Projekte im Bereich der Grundlagenforschung. Die För- dermittel werden auf der Grundlage der Exzellenz des Förderantrags innerhalb eines peer review Verfahrens vergeben. Als Kriterien werden das Potential des Antrag- stellers, das Potential des Projekts und das Umfeld des Antragstellers herangezogen.69 Mit den in diesem Ver- fahren erfolgreichen Teilnehmern werden Finanzhilfe- vereinbarungen / Grant Agreements geschlossen, Art. 18 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1290/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013. Diese Vereinbarungen legen die Rechte und Pflichten der Teil- nehmer und des ERC fest, Art. 18 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 1290/2013.
2. Zulässigkeit von Sprachvorgaben im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung
Die aktuellen Musterfinanzhilfevereinbarungen des ERC (Model Grant Agreements) enthalten keine Vorgaben zur Sprache, in der Publikationen zu verfassen sind.70
68 Anhang II zur Verordnung (EU) Nr. 1291/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013.
69 S. Groß, EuR 2010, 299, 301, der das Antragsverfahren, das Bewertungsverfahren und die Organisation des ERC ausführlich darstellt.
70 Model Grant Agreements abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ research/participants/portal/desktop/en/funding/reference_docs. html#h2020-mga-erc[abgerufen am 30.11.2016].
Sprachvorgaben sind im Model Grant Agreement ledig- lich hinsichtlich der Berichte (Art. 20.5), der Bewertung (Art. 22.1.2.) und Audits (Art. 22.1.3) enthalten. Es wird in allen genannten Klauseln vorgeschrieben, dass die Sprache der Finanzhilfevereinbarung zu verwenden ist. Hinsichtlich der Veröffentlichungen finden sich im Model Grant Agreement Regelungen in Art. 29. Hier wird insbesondere in Art. 29.2 vorgeschrieben, dass die Publikation online kostenlos abrufbar sein muss („open access“).
Fraglich ist, ob Sprachvorgaben zulässig wären, soll- ten sie eingeführt werden. Dies ist anhand der Wissen- schaftsfreiheit der geförderten Wissenschaftler zu beur- teilen. Die Exekutivagentur (ERCEA), die die Verwal- tung des ERC übernimmt und die Finanzhilfevereinba- rung abschließt, handelt im Namen der Europäischen Kommission.71 Dementsprechend muss sie bei ihrer Tä- tigkeit die GRCh beachten, vgl. Art. 51 Abs. 1 GRCh.
Die Wissenschaftsfreiheit des Art. 13 GRCh ist unter anderem nach Art. 52 GRCh einschränkbar.72 Nach Art. 52 Abs. 1 S. 1 GRCh muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesens- gehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Als gesetzli- che Norm kommt für die Einschränkung der Wissen- schaftsfreiheit hinsichtlich der Veröffentlichungen Art. 183 AEUV in Betracht, der vorsieht, dass die Union zur Durchführung des Rahmenprogramms die Regeln für die Verbreitung der Forschungsergebnisse festlegt.
Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit dürfen jedoch unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnis- mäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erfor- derlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfor- dernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten ande- rer tatsächlich entsprechen, Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRCh.
Rechtfertigend kommt also zunächst die Wissen- schaftsfreiheit anderer Forscher in Betracht. Hier ist ebenso wie auf nationaler Ebene73 davon auszugehen, dass bei Kooperationen mehrerer Wissenschaftler dem Einzelnen Sprachvorgaben gemacht werden dürfen, wenn die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse der Forscher in einer Sprache für die Durchführung des gemeinsamen Forschungsprojekts erforderlich ist.
Als von der Union anerkannte, dem Gemeinwohl
- 71 http://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/erc_de [abgerufen am 30.11.2016]; Stamm, Europas Forschungsförderung und Forschungspolitik – Auf dem Weg zu neuen Horizonten?, S. 37.
- 72 Kempen, in: Stern/Sachs, Europäische Grundrechte-Charta, 2016, Art. 13, Rn 22; Kotzur, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht — Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage 2015; 2. Teil § 38 Bildung und Kultur, Rn 77.
dienende Zielsetzung, aufgrund derer die Wissenschafts- freiheit eingeschränkt werden kann, kommt Art. 179 AEUV in Betracht. Danach hat die Union das Ziel, ihre wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen dadurch zu stärken, dass ein europäischer Raum der Forschung geschaffen wird, in dem Freizügigkeit für Forscher herrscht und wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien frei ausgetauscht werden.
Die Vorgabe der Publikation der Forschungsergeb- nisse in englischer Sprache wäre zur Erreichung der Zie- le der Förderung der Mobilität der Forscher und des Austausches von wissenschaftlichen Erkenntnissen ge- eignet, da Englisch inzwischen die lingua franca der Wissenschaften ist.74 Der Adressatenkreis der von der EU geförderten Publikationen wäre somit größtmöglich und auch Wissenschaftler, die der Amtssprache eines Landes, in dem sie forschen, nicht mächtig sind, könnten dort Publikationen auf Englisch anfertigen.
Eine solche Sprachvorgabe wäre hingegen nicht er- forderlich. Die Wissenschaftsfreiheit würde durch Sprachvorgaben für die Publikation von Forschungser- gebnissen erheblich eingeschränkt.75 Die vorgenannten Ziele der Union müssen dagegen zurückstehen. Dafür spricht neben der Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit der Grundgedanke des Art. 22 GRCh, demgemäß die Union die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Spra- chen achtet. Es ist also auch die Sprachwahl des Wissen- schaftlers bei der Veröffentichung seiner Forschungser- gebnisse zu achten. Zumal die Kommission sich in Art. 38.1 das Recht sichert, für ihre Kommunikations- und Veröffentlichungstätigkeiten („communication and publicising activities“), Informationen zum Forschungs- projekt, Dokumente, insbesondere Zusammenfassun- gen, und andere Materialien der Forscher zu nutzen und in diesem Zuge auch zu übersetzten.
III. Ergebnis
Die Sprachfreiheit bezüglich wissenschaftlicher Publika- tionen wird auch von der Wissenschaftsfreiheit des Art. 13 GRCh geschützt. Dementsprechend stellen Sprachvorgaben für die Veröffentlichung von wissen- schaftlichen Ergebnissen in Finanzhilfevereinbarungen Einschränkungen dieser Freiheit dar. Diese sind regel- mäßig nicht zu rechtfertigen. Ausnahmsweise sind sie
73 S.o. B.III.2¬.b)
74 Hornborstel/Klingsporn/von Ins, in: Publikationsverhalten in un-
terschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, 2. Auflage 2009, S. 26, abrufbar unter: https://www.humboldt-foundation.de/pls/ web/docs/F13905/12_disk_papier_publikationsverhalten2_kompr. pdf. [abgerufen am 30.11.2016].
75 Zur Bedeutung der Veröffentichungssprache für die Wissen- schaftsfreiheit, s.o. B.III.3.
Jantz · Sprachwahl und Wissenschaftsfreiheit 4 9
50 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 41–50
jedoch zulässig, wenn sie für die Zusammenarbeit einer Gruppe von Wissenschaftlern erforderlich sind, wenn also eine gemeinsame Veröffentlichung oder mehrere aufeinander aufbauende Publikationen innerhalb dieser Gruppe geplant sind.
D. Gesamtergebnis
DieFreiheitderSprachwahlisteinwesentlicherBestand- teil der Wissenschaftsfreiheit sowohl des Grundgesetzes als auch der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Einschränkungen dieser Freiheit sind daher nur aufgrund eines starken gegenläufigen Interesses, das ver- fassungsrechtlich geschützt ist bzw. einer von der Union
anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzun- gen entspricht. Ein solches Interesse wird bei Sprachvor- gaben hinsichtlich der Publikation von wissenschaftli- chen Ergebnissen in der Regel nicht vorliegen. Anders ist dies bei sprachlichen Vorgaben bezüglich der Lehre. In diesem Fall muss die Freiheit der Sprachwahl, soweit dies durch die Thematik der Lehrveranstaltung vorgege- ben ist, zurücktreten gegenüber der Lern- bzw. Studier- freiheit der Studenten und dem ordnungsgemäßen Ablauf des Lehrbetriebes.
Die Autorin ist Rechtsanwältin bei Kliemt & Vollstädt in Berlin.