Übersicht I. Textanalyse: Bestimmungen der Konkordate und Kirchenverträge 1. Bayern 2. Regelungen in Preußen sowie Fortgeltung und Änderungen in den Nachfolgeländern 3. Baden und Baden-Württemberg 4. Neue Bundesländer 5. Zwischenergebnis II. Historische Genese der Bestimmungen zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen 1. Gesetzgebung in der Zeit des sog. „Kulturkampfes“ 2. Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Preußenkonkordat III. Fortgeltung der Bestimmungen zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen 1. Modifizierung durch das Reichskonkordat 2. Erweiterung kirchlicher Rechte durch die Landesverfassungen nach 1945 3. Zwischenergebnis IV. Bedeutungswandel theologischer Fakultäten durch geänderte Rahmenbedingungen 1. Wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen und Notwendigkeit der staatlichen Universität 2. Theologische Fakultäten als überwiegende Ausbildungsstätten für den geistlichen Nachwuchs 3. Errichtung von theologischen Fakultäten „zur“ wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen 4. Kirchliche Verpflichtungen in besonderen Situationen V. Zusammenfassung in Thesen In zahlreichen Konkordaten und Kirchenverträgen hat sich der Staat gegenüber seinem jeweiligen kirchlichen Vertragspartner zur Einrichtung und Unterhaltung von theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten verpflichtet. Bis in die 1970er Jahre hinein dominierte in den Vertragstexten die motivierende Erwägung, dergestalt die „wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen“ zu gewährleisten. Dieses „Angebot des Staates an die Religionsgemeinschaften“1 wurde in den seit 1990 abgeschlossenen Staatskirchenverträgen durchweg durch die Garantie zugunsten der Kirchen komplettiert, eigene Hochschulen zu errichten und zu unterhalten sowie nach Maßgabe des allgemeinen Hochschulrechts für diese Institutionen staatliche Anerkennung und Förderung zu erlangen. Von Anfang an war in den Konkordaten mit dem Heiligen Stuhl explizit die Feststellung enthalten, daß jene „wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen“ auch an anderen Institutionen als an den staatlichen theologischen Fakultäten erfolgen könne. Vor diesem Hintergrund fragt sich, wie sich die in den Staatskirchenverträgen geregelten Garantien „staatliche theologische Fakultäten“ und „kirchliche Hochschulfreiheit“ zueinander verhalten: Stehen sie gleichberechtigt nebeneinander oder besteht umgekehrt der Vorrang der einen gegenüber der anderen? Stellen die staatlichen theologischen Fakultäten – mit der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts – (nur) ein „Angebot des Staates“ dar, oder sind die Kirchen auch rechtlich verpflichtet, sie in Anspruch zu nehmen? Ist die kirchliche Hochschulfreiheit umfassend oder unterliegt sie vertragsimmanenten Schranken, resultierend etwa aus der Existenz einer staatlichen theologischen Fakultät? Derartige Fragen haben bislang wenig, noch weniger: vertiefte, Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Praxis gefunden. Lediglich vereinzelt finden sich dazu im älteren Schrifttum einige Äußerungen, die zumeist nur thesenhaft erfolgen und allenfalls knapp begründet werden. Sie lassen sich in zwei grundlegenden Aussagen zusammenfassen: – Sofern die Errichtung einer staatlichen theologischen Fakultät vertraglich vereinbart wurde, habe „die Kirche“ damit (stillschweigend) die VerpflichStefan Mückl Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge — Die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen an den staatlichen theologischen Fakultäten 1 BVerfGE 122, 89 (111). Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197 7 0 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 2 Soweit ersichtlich, erstmals Ernst-Lüder Solte, Theologie an der Universität. Staats- und kirchenrechtliche Probleme der theologischen Fakultäten, 1971, S. 103 m. Fn. 5; ähnlich Heinz Mussinghoff, Theologische Fakultäten im Spannungsfeld von Staat und Kirche. Entstehung und Auslegung der Hochschulbestimmungen des Konkordats mit Preußen von 1929, dargelegt unter Berücksichtigung des preußischen Statutenrechts und der Bestimmungen des Reichskonkordats, 1979, S. 406; ebenso Martin Heckel, Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat, 1986, S. 371. 3 Im Ansatz bereits Werner Weber, Der gegenwärtige Status der theologischen Fakultäten und Hochschulen, in: Tymbos für Wilhelm Ahlmann. Ein Gedenkbuch, herausgegeben von seinen Freunden, 1951, S. 309 (323); sodann Manfred Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und gegenwärtiger Rechtsstatus, 1965, S. 113 f. („Obliegenheit“); Solte, Theologie an der Universität (FN 2), S. 110 f.; Heckel, Die Theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat (FN 2), S. 369 („Nebenpflicht“); Rainer Himmelsbach, Die Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten Trier, Paderborn, Frankfurt St. Georgen und Fulda, 1996, S. 30; dies zuletzt aufgreifend Heribert Schmitz, Zukunft katholisch-theologischer Fakultäten in Deutschland, MThZ 51 (2000), 292 (294). 4 Konkordat zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern vom 29. März 1924, Abdruck bei Joseph Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe für Wissenschaft und Praxis, Band I, 1987, S. 289 ff. 5 Erst die Regierungsbegründung zu Art. 3 BayK (Abdruck ebd., S. 303 ff.) führte die bestehenden Institutionen auf: theologische Fakultäten in München und Würzburg, philosophisch-theologische Hochschulen in Bamberg, Dillingen, Freising, Passau und Regensburg (S. 306). 6 1966 Freising/München (Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern über die Auflösung der PhilosophischTheologischen Hochschule Freising und die wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden der katholischen Theologie an der Universität München vom 2. September 1966, Abdruck ebd., S. 374 f. – Hintergrund war die Verlegung des Priesterseminars der Erzdiözese München und Freising von Freising nach München) und Regensburg (Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern über die katholisch-theologische Fakultät der Universität Regensburg vom 2. September 1966, Abdruck ebd., S. 378 ff.), 1970 Dillingen/Augsburg (Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern über den Katholischtheologischen Fachbereich der Universität Augsburg nebst Schlußprotokoll vom 17. September 1970, Abdruck ebd., S. 399 ff.), 1974 Passau und Bamberg (Art. 3 § 1 n.F. BayK, i.d.F. des tung übernommen, ihre künftigen Geistlichen auch von dieser ausbilden zu lassen.2 – Die staatskirchenvertragliche Bestandsgarantie für die staatlichen thelogischen Fakultäten beinhalte für den kirchlichen Vertragspartner die (Neben-)Pflicht oder zumindest die Obliegenheit, sich mit der Errichtung eigener Hochschulen „zurückzuhalten“.3 Um zu klären, ob diese Thesen die Rechtslage zutreffend widergeben und die aufgeworfenen Fragen umfassend und (heute noch) maßgeblich beantworten, bedarf es zunächst einer eingehenden Bestandsaufnahme der bestehenden staatskirchenvertraglichen Bestimmungen (I.). Nach einer Analyse ihrer historischen Hintergründe (II.) ist sodann zu untersuchen, ob diese rechtlich unverändert Bestand haben (III.). Desgleichen bedarf der Klärung, ob und inwieweit mittlerweile eingetretene Veränderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen wie im Tatsächlichen Geltung oder Interpretation dieser Bestimmungen beeinflussen (IV.). Abschließend werden die Ergebnisse dieser Überlegungen thesenhaft zusammengefaßt (V.). I. Textanalyse: Bestimmungen der Konkordate und Kirchenverträge Die Bestandsaufnahme der einschlägigen Vertragsbestimmungen erfolgt in vier Abschnitten, entsprechend der historischen Reihenfolge des Abschlusses der Konkordate und Kirchenverträge. Den Ausgangspunkt bilden die bayerischen Verträge von 1924 (1.), gefolgt von den preußischen von 1929/31 (2.) und den badischen von 1932 (3.). Um die Genese der aktuellen Rechtslage besser nachvollziehen zu können, werden die nachgehenden Fortschreibungen und Modifizierungen jeweils miteinbezogen. Der vierte Abschnitt widmet sich den seit 1990 mit den neuen Ländern abgeschlossenen Staatskirchenverträgen, sofern diese konstituiv Neues enthalten und nicht allein die vorherige – preußisch geprägte – Rechtslage aufrechterhalten, modifizieren oder abändern. 1. Bayern a) Konkordat mit dem Heiligen Stuhl Das Bayerische Konkordat (BayK)4 gewährleistete die (im Vertragstext indes nicht explizit genannten) theologischen Fakultäten an den Universitäten sowie die (gleichfalls staatlichen) philosophisch-theologischen Hochschulen.5 Aufgabe beider Institutionen sollte sein, „den Bedürfnissen des priesterlichen Berufes nach Maßgabe der kirchlichen Vorschriften Rechnung (zu) tragen“ (Art. 4 § 1). Für bestimmte Geistliche wurde die erfolgreiche Absolvierung der kirchlich vorgeschriebenen philosophisch-theologischen Studien statuiert, welche alternativ entweder an einer deutschen staatlichen Hochschule, einer den Bestimmungen des c. 1365 CIC/1917 entsprechenden deutschen bischöflichen Hochschule oder an einer päpstlichen Hochschule in Rom zu erfolgen hatten (Art. 13 § 1 lit. c)). Speziell für Ordenskleriker bestand nach Art. 13 § 2 S. 2 zusätzlich die Möglichkeit, die Studien an eigenen Ordensschulen zu absolvieren. In den 1960er und 1970er Jahren wurden die philosophisch-theologischen Hochschulen aufgehoben und als theologische Fakultäten bzw. Fachbereiche in die erweiterten bzw. neugegründeten Landesuniversitäten integriert.6 Deren Zweckbestimmung wurde über die „Be- Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 7 1 Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern zur Änderung und Ergänzung des Bayerischen Konkordats vom 29. März 1924 vom 4. September 1974, Abdruck ebd., S. 406 ff.). – Mittlerweile wurden durch das Zusatzprotokoll zum Bayerischen Konkordat vom 29. März 1924 vom 19. Januar 2007 (GVBl. S. 351), bedingt durch das infolge rückläufiger Studentenzahlen entstandene „Mißverhältnis zwischen der Zahl der Lehrenden und der Studierenden“, die Fakultäten in Bamberg und Passau auf 15 Jahre sistiert. Hierzu Johann Störle, Anmerkungen zum „Ruhen“ der Kath.-Theol. Fakultäten an den Universitäten Bamberg und Passau, BayVBl 2007, 673 ff. 7 Insoweit geht die Regierungsbegründung (LT-Drucks. 7/7108, S. 16) davon aus, daß die Priesterausbildung der zu erfüllende Hauptzweck der Fakultäten und Fachbereiche bleibt, doch auch „der eingetretenen Entwicklung“ Rechnung getragen werden soll, daß „das Lehrangebot auch für Laientheologen (Pastoralassistenten) dienlich sein soll“. 8 „Zusammengefaßt“ wurden die Bischöfliche Philosophisch-Theologische Hochschule Eichstätt (1843–1924: Kirchliches Lyzeum) und die 1958 von der Freisinger Bischofskonferenz gegründete und staatlich genehmigte Kirchliche Pädagogische Hochschule Eichstätt. – Näher Wolfgang Kahl, Grundlagen. Die Geschichte der bayerischen Hochschulen, in: Max-Emanuel Geis (Hrsg.), Hochschulrecht im Freistaat Bayern. Ein Handbuch für die Praxis, 2. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 37; näher Hubert Gruber, Die Eichstätter Hochschulen nach 1945, in: Rainer A. Müller (Hrsg.), Veritati et Vitae. Vom Bischöflichen Lyzeum zur Katholischen Universität. Festschrift im Auftrag der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt, 1993, S. 109 ff. 9 Art. 5 n.F. BayK. 10 Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern über die Umbenennung der Kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt vom 1./5. März 1980, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge I (FN 4), S. 468 ff. – Seit 2001 führt die Institution die Bezeichnung „Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt“, Grundlage dafür war die durch eine weitere Konkordatsänderung ermöglichte Errichtung einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern zur Änderung und Ergänzung des Bayerischen Konkordats vom 29. März 1924, vom 8. Juni 1988 [GVBl. S. 241]). 11 Art. 13 § 3 n.F. BayK. 12 Bayerische Rechtssammlung, Bd. IV S. 190. 13 www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayKonk (Zugriff: 22. März 2019). 14 Art. 13 § 1 lit. c) sowie § 2 nehmen Bezug auf c. 1365 CIC (1917). Die Bestimmung trat mit Inkrafttreten des neuen CIC von 1983 außer Kraft; die nun für die wissenschaftliche Vorbildung der Priester geltenden Vorschriften finden sich in cc. 250–252 CIC (1983). 15 Art. 2 Abs. 1 des Vertrags zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins vom 15. November 1924, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge I (FN 4), S. 508 ff. 16 Art. 26 lit c. BayEvKV sowie Art. 19 lit. c) des Vertrags zwischen dem Bayerischen Staate und der Vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche) vom 15. November 1924, Abdruck ebd., S. 517 ff. 17 Vertrag zwischen dem Freistaat Bayern und der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern über die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität München vom 20. Juni 1967, Abdruck ebd., S. 553 f. 18 Art. 3 und 4 des Vertrags zwischen dem Freistaat Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Änderung des Vertrags zwischen dem Bayerischen Staate und der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern vom 15. November 1924 vom 12. September 1974, Abdruck ebd., S. 566 ff. dürfnisse des priesterlichen Berufs“ hinaus auf diejenigen „anderer seelsorgerischer Dienste nach Maßgabe der kirchlichen Vorschriften“ erweitert (Art. 4 § 1 n.F.).7 Außerdem fand sich der bayerische Staat zur Gewährleistung der Errichtung und des Betriebs (sowie der weitgehenden Finanzierung) „einer örtlich zusammengefaßten kirchlichen Gesamthochschule“8 mit den wissenschaftlichen Studiengänge Katholische Theologie sowie Lehramt bereit,9 welche 1980 in „Katholische Universität Eichstätt“ umbenannt wurde.10 Im wesentlichen unverändert blieben seit 1924 die Anforderungen an die wissenschaftliche Vorbildung bestimmter Geistlicher, von denen seit dem Änderungsvertrag von 1974 bei kirchlichem wie staatlichen Einverständnis abgesehen werden kann.11 Wenn freilich die 1987 staatlicherseits veröffentlichte „bereinigte Fassung“ des Konkordats12 (die aktuell gleichlautend im Internet zugänglich ist13), unverändert auf eine seit 1983 nicht mehr geltende Norm des kanonischen Rechts verweist,14 indiziert dieser Umstand ein überaus zurückhaltendes Interesse des Staates an deren Effektuierung. b) Evangelische Kirchenverträge Urspünglich war allein die evangelische theologische Fakultät an der Universität Erlangen in ihrem Bestand gesichert.15 Daneben wurde für bestimmte Geistliche ein mindestens vierjähriges philosophisch-theologisches Studium an einer deutschen staatlichen Hochschule festgeschrieben; allerdings stand es den Kirchen frei, eine mit ihrer Erlaubnis an außerdeutschen Fakultäten verbrachte Zeit auf das vorgeschriebene Studium anzurechnen.16 Die Vertragsfortschreibungen der Nachkriegszeit – welche nunmehr allein das früher so bezeichnete rechtsrheinische Bayern betreffen – bezogen sich auf die Neugründung der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Universität München17 sowie die Errichtung von Lehrstühlen für die Religionslehrerausbildung an den übrigen Landesuniversitäten.18 Der Änderungsvertrag von 1974 enthielt erstmals die Vorgabe, die Fakultäten müßten „insbesondere den Bedürfnissen des Berufs eines evangelischen Pfarrers unter Berücksichtigung der 7 2 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 19 Art. 5 Abs. 1 und 2 n.F. BayEvKV (Abschnitt I Nr. 1 des in FN 18 genannten Vertrags). 20 Art. 26 Abs. 2 n.F. BayEvKV (Abschnitt I Nr. 8 des in FN 18 genannten Vertrags). 21 Vertrag zwischen dem Freistaat Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Änderung des Vertrags zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 15. November 1924, vom 10. Juli 1978, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge I (FN 4), S. 579 ff. 22 LT-Drucks. 8/8827, S. 4. 23 Art. 26 Abs. 1 lit. c) n.F. BayEvKV. 24 Art. 3 und 4 n.F. BayEvKV. – Das Zusatzprotokoll zum Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 15. November 1924, vom 14. März 2007 (GVBl. S. 556) reduzierte wieder die Lehrstühle an den Universitäten ohne eigene theologische Fakultät (Ziffer II) und erneuerte die Garantie der Fakultäten in Erlangen-Nürnberg und München in ihrer konkreten Ausstattung (Ziffer I). 25 Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhl nebst Schlußprotokoll vom 14. Juni 1929, Abdruck bei Joseph Listl, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe für Wissenschaft und Praxis, Band II, 1987, S. 709 ff. 26 Das Schlußprotokoll zu Art. 9 stellte das an einer österreichischen staatlichen Universität zurückgelegte Studium gleich, nach Art. 9 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 2 konnte bei kirchlichem und staatlichem Einverständnis vom in Art. 9 Abs. 1 lit. c) normierten Erfordernis abgesehen werden, ebenso konnte ein an anderen deutschsprachigen (nicht notwendigerweise staatlichen) Hochschulen erfolgtes Studium anerkannt werden. 27 Eingehend zur Problematik Ulrich Haude, Die Fortgeltung des preußischen Konkordats vom 14.6.1929 und der preußischen evangelischen Kirchenverträge vom 11.5.1931 in den Ländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz, Diss. iur. Bonn 1955. 28 Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Heiligen Stuhl über die Errichtung des Bistums Essen vom 19. Dezember 1956, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II (FN 25), S. 230 ff. kirchlichen Prüfungsordnungen“ sowie ferner den Bedürfnissen der Studenten für das Lehramt aller Stufen Rechnung tragen.19 Hinsichtlich der Anforderungen an die wissenschaftliche Vorbildung bestimmter Geistlicher wurde eine – vom kirchlichen und staatlichen Einverständnis bedingte – Dispensmöglichkeit geschaffen.20 Ein weiterer Änderungsvertrag von 197821 schließlich stellte – unter explizitem Hinweis auf die Bayerische Verfassung22 – das Studium an einer kirchlichen mit demjenigen an einer staatlichen Hochschule gleich23 und erhöhte die Anzahl der Lehrstühle für evangelische Theologie an den Universitäten ohne eigene theologische Fakultät.24 2. Regelungen in Preußen sowie Fortgeltung und Änderungen in den Nachfolgeländern a) Katholische Kirche Anders als in Bayern gewährleistete das Konkordat des Heiligen Stuhls mit dem Freistaat Preußen (PrK)25 den Fortbestand von vier konkret aufgeführten katholisch-theologischen Fakultäten, welche der „wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen“ dienen sollten: an den Universitäten Breslau, Bonn und Münster sowie an der Akademie Braunsberg (Art. 12 Abs. 1). Ergänzend erklärte Art. 12 Abs. 2 PrK den Erzbischof von Paderborn sowie die Bischöfe von Trier, Fulda, Limburg, Hildesheim und Osnabrück für „berechtigt, in ihren Bistümern ein Seminar zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zu besitzen“. Derartige Institutionen bestanden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits in Paderborn (Philosophisch-Theologische Akademie), Trier (Bischöfliches Priesterseminar), Fulda (Philosophisch-Theologische Lehranstalt) und seit 1926 auch in Limburg (Philosophisch-Theologische Hochschule Frankfurt St. Georgen). Inhaber bestimmter höherer kirchlicher Ämter sowie die kanonischen Pfarrer mußten ein mindestens dreijähriges philosophischtheologisches Studium (sog. Triennium) nachweisen, das entweder an einer deutschen staatlichen Hochschule, an einem der in Art. 12 PrK aufgeführten bischöflichen Seminare oder an einer päpstlichen Hochschule in Rom zu absolvieren war (Art. 9 Abs. 1 lit. c), Art. 10 Abs. 1).26 Unbeschadet der Auflösung Preußens durch den Alliierten Kontrollrat 1947 blieb das Konkordat auch für die auf ehemals preußischem Staatsgebiet neu entstandenen Länder grundsätzlich in Geltung.27 Die nachfolgenden Konkordate und Verträge zwischen Heiligem Stuhl und den betreffenden Ländern als Rechtsnachfolger Preußens setzen mit Fortschreibungen und Neuregelungen eigene Akzente: – Dem Bischof des 1956/57 neu errichteten Bistums Essen wurde vertraglich28 der Besitz eines Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen in seinem Bistum zugestanden (§ 6), die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 PrK galten fortan auch für dieses Seminar. Als ein Jahrzehnt später das Land an der neugegründeten Ruhr-Universität Bochum eine Katholisch-Theologische Abteilung einrichtete, erklärte der Heilige Stuhl in einem auf die Freundschaftsklausel gem. Art. 13 PrK gestützten Notenwechsel gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen, der Bischof von Essen werde „im Hinblick auf die Geltung dieser Gesamtregelung“ von seinem ihm Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 7 3 29 Notenwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Apostolischen Nuntius in Deutschland über die Katholisch-Theologische Abteilung der Ruhr-Universität Bochum vom 20./29. Dezember 1967, Abdruck ebd., S. 256 ff. 30 Edmund Biagoni, Essen, in: Erwin Gatz (Hrsg.), Priesterausbildungsstätten der deutschsprachigen Länder zwischen Aufklärung und Zweitem Vatikanischem Konzil. Mit Weihestatistiken der deutschsprachigen Diözesen, 1994, S. 73 f. 31 Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II (FN 25), S. 297 ff. 32 Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen vom 26. Februar 1965, Abdruck ebd., S. 5 ff. 33 Abdruck ebd., S. 37 ff. (42 f.). 34 Zur Problematik Wolfgang Rüfner, Geltung des Reichskonkordats, des Preußischen Konkordats und des Preußischen Kirchenvertrags im Beitrittsgebiet, in: Bernd Becker/Hans Peter Bull/Otfried Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag, 1993, S. 343 ff. 35 Die Wendungen lauten: „in Würdigung des Vertrages“ bzw. „unbeschadet einer Fortgeltung des Vertrages“. 36 Ausnahmen bilden das Bistum Dresden-Meißen im Hinblick auf die Besetzung des bischöflichen Stuhls und die Kanonikate des Domkapitels (insoweit gilt gem. Art. 13 Abs. 2 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen vom 2. Juli 1996, AAS 89 [1997], 613 = GVBl 1997 S. 18, Art. 14 des Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 [Reichskonkordat, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge I, S. 34 ff., fort] sowie das Bistum Erfurt (hier werden die tradierten Kautelen des PrK hinsichtlich der höheren Geistlichen, nicht aber hinsichtlich der Pfarrer, fortgeschrieben, s. Art. 5 Abs. 3 und 4 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen vom 11. Juni 1997, AAS 89 [1997], 756 = GVBl S. 266). 37 Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und den Ländern SachsenAnhalt, Brandenburg und Freistaat Sachsen über die Errichtung des Bistums Magdeburg vom 13. April 1994, AAS 87 (1995), 129 = SächsGVBl S. 1046; Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg sowie dem Freistaat Sachsen über die Errichtung des Bistums Görlitz vom 4. Mai 1994, AAS 87 (1995), 138 = SächsGVBl S. 1059; Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen über die Errichtung des Bistums Erfurt vom 14. Juni 1994, AAS 87 (1995), 145 = GVBl. S. 791 (jeweils: Schlußprotokoll zu Art. 3 und 4); ebenso Art. 12 Abs. 1 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land SachsenAnhalt vom 15. Januar 1998, AAS 90 (1998), 470 = GVBl S. 161. 38 So in den in FN 37 genannten Bistumserrichtungsverträgen für Magdeburg und Erfurt (jeweils Art. 6), außerdem Art. 8 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung von Erzbistum und Kirchenprovinz Hamburg vom 22. September 1994, AAS 87 (1995), 154 = GVOBl MV S. 1026. vertraglich eingeräumten Recht keinen Gebrauch machen.29 Freilich bestand in Essen zu keinem Zeitpunkt ein Seminar i.S.v. Art. 12 Abs. 2 PrK.30 Die Regelung des Notenwechsels wurde in einem weiteren Vertrag zwischen dem Land NordrheinWestfalen und dem Heiligen Stuhl vom 26. März 198431 bestätigt (Schlußprotokoll zu Art. II). Im übrigen bekräftigte der Vertrag – dessen Regelungsgehalt ausweislich der Präambel darin bestand, auf der Grundlage der bestehenden vertraglichen Bindungen eine Übereinkunft über die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 PrK (sowie des Schlußprotokolls zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 PrK) zu treffen – die Bestandsgarantie zugunsten der katholisch-theologischen Fachbereiche in Bochum, Bonn und Münster (Art. II); ihre Zweckbestimmung wurde wiederum mit der „wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen“ umschrieben. – Im Niedersächsischen Konkordat von 196532 erklärte sich das Land Niedersachsen bereit, „zu gegebener Zeit“ eine katholisch-theologische Fakultät an der Universität Göttingen zu errichten (Art. 4 Abs. 1). Im gleichen Zeitpunkt sollte für die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück Art. 12 Abs. 2 PrK (also die Berechtigung zum Besitz eines Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen) entfallen (Art. 4 Abs. 2). Die Zurückstellung der (bis heute nicht erfolgten) Errichtung einer Fakultät in Göttingen erklärte die Regierungsbegründung zum Konkordat mit der Erwägung, die zu erwartende Zahl der Studenten der Diözese Hildesheim, welche allein bisher bereit wäre, eine solche Fakultät zu ihrer ordentlichen Ausbildungsstätte zu bestimmen, würde die Errichtung einer Fakultät nicht rechtfertigen.33 Für die 1990 wiederbegründeten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen war hingegen die Fortgeltung des Preußischen Konkordats nicht unumstritten.34 Die von diesen Ländern mit dem Heiligen Stuhl abgeschlossenen Verträge enthalten insoweit salvatorische Klauseln,35 nehmen aber in der Sache Neuregelungen vor, die nur noch teilweise den Inhalten des Konkordats von 1929 entsprechen: – Fast zur Gänze fehlen die tradierten Bestimmungen hinsichtlich der Anforderungen an die wissenschaftliche Vorbildung bestimmter Geistlicher.36 Teilweise erklären die Länder explizit den Vorrang von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV.37 – Für das Erzbistum Hamburg sowie die Bistümer Magdeburg und Erfurt wird das Recht des (Erz-) Bischofs anerkannt, gemäß dem kirchlichen Recht ein Diözesanseminar (Hochschule im Sinne des Kirchenrechts und Priesterseminar) zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zu errichten; nach dem jeweiligen Landesrecht kann dieses Seminar den Status einer staatlich anerkannten Hochschule erhalten.38 7 4 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 39 Art. 6 des SächsKathKV (FN 36); Art. 10 des ThürKathKV (FN 36); Art. 7 KathKV LSA (FN 37); Art. 5 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 1997, AAS 90 (1998), 98 = GVOBl 1998 S. 2; Art. 5 des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg vom 12. November 2003, AAS 96 (2004), 625 = GVBl. 2004 S. 224. 40 Art. 5 SächsKathKV (FN 36) und Art. 5 KathKV LSA (FN 37). 41 Jeweils Art. 6 KathKV MV und KathKV Bbg (FN 39) sichern zu, eine wissenschaftliche Einrichtung für katholische Theologie oder Religionspädagogik nur aufgrund einer gesonderten Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl zu errichten. Dazu ist es bislang nicht gekommen. 42 Eingliederung der (kirchlichen, indes staatlich anerkannten) Theologischen Fakultät Erfurt in die staatliche Universität Erfurt durch den Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen hinsichtlich der Errichtung einer KatholischTheologischen Fakultät der Universität Erfurt vom 19. November 2002, AAS 95 (2003), 237 = GVBl S. 417. 43 Schlußprotokoll zu Art. 11 Abs. 2 ThürKathKV (FN 36). 44 Erst in der Regierungsbegründung zum Vertrag über die Errichtung der Fakultät in Erfurt (FN 42) nennt insoweit die Bischöfe der Diözesen Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg, welcher ferner ihren „Willen bekräftigt“ hätten, „an der gemeinsamen Ausbildung ihrer Priesteramtskandidaten in Erfurt festzuhalten (LT-Drucks. 3/2824, S. 13). Von einer derartigen Absichtserklärung wußte bereits der Wissenschaftsrat in seiner „Stellungnahme zur Aufnahme der Universität Erfurt in das Hochschulverzeichnis des Hochschulbauförderungsgesetzes“ vom 25. Oktober 1995 zu berichten (Drs. 2273/95, S. 63 f.; zugänglich unter www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2273–95.pdf; Zugriff: 22. März 2019). 45 Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II (FN 25), S. 760 ff. 46 Das an einer österreichischen staatlichen Universität zurückgelegte Studium wird bereits demjenigen an einer deutschen Universität gleichgestellt (Schlußprotokoll zu Artikel 8 Abs. 1 lit. c)). Kirchliche Hochschulen werden nicht erwähnt. 47 So für Göttingen (Art. 3 Abs. 1 des Vertrags des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen vom 19. März 1955, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II [FN 25], S. 109 ff.); Kiel (Art. 4 Abs. 1 des Vertrags zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein vom 23. April 1957, Abdruck ebd., S. 665 ff.), Marburg (Art. 13 des Vertrags der Evangelischen Landeskirchen in Hessen mit dem Lande Hessen vom 18. Februar 1960, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge I [FN 4], S. 802 ff.), Bonn und Münster (Art. II Abs. 1 des Vertrags zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche vom 18. September 1984, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II [FN 25], S. 380 ff.). 48 Art. 9 Abs. 1 lit. c) NdsEvKV; Art. 10 Abs. 1 lit. b) EvKV SH; Art. 10 Abs. 1 lit. c) HessEvKV (alle FN 47); außerdem Art. 9 Abs. 1 lit. c) Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche vom 6. März 1958 (Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II [FN 25], S. 322 ff.). 49 Art. 9 Abs. 3 und 4 NdsEvKV; Art. 10 Abs. 3 EvKV SH (beide FN 47); Art. 9 Abs. 3 und 4 EvKV Lippe (FN 48; hier zudem Erweiterung auf holländische Hochschulen). – Alle fünf neuen Länder erkennen das Recht der Kirche (sowie ihrer Ordensgemeinschaften und Einrichtungen) zur Errichtung eigener Hochschulen an, deren Anerkennung sich wiederum nach dem jeweiligen Landesrecht sowie ggf. ergänzender Vereinbarung bemißt.39 Während an den Universitäten Dresden und Halle Institute für Katholische Theologie zum Zweck der Religionslehrerausbildung bestehen,40 wurde allein41 in Erfurt (bis 1945 preußisch) im Jahr 2002 eine katholisch-theologische Fakultät an der staatlichen Universität errichtet.42 Bereits im Vorfeld war im Thüringer Vertrag der Verzicht „der Diözesanbischöfe“ auf die Ausübung des Rechts festgehalten worden, eine eigene Einrichtung für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen zu errichten oder zu unterhalten.43 Um welche Bischöfe es sich dabei gehandelt haben könnte, läßt der Vertragstext indes nicht erkennen.44 b) Evangelische Kirchen Der Preußische Kirchenvertrag (PrEvKV)45 erhielt mit der Zielsetzung „für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen“ die evangelisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten in Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Halle, Kiel, Königsberg, Marburg und Münster aufrecht (Art. 11 Abs. 1). Für bestimmte kirchliche Ämter war die Absolvierung eines mindestens dreijährigen theologischen Studiums an einer deutschen staatlichen Hochschule Voraussetzung (Art. 8 Abs. 1 lit. c)). Allerdings konnte – bei kirchlichem und staatlichen Einverständnis – auch ein Studium an „anderen deutschsprachigen Hochschulen“ anerkannt werden (Art. 8 Abs. 3). Näheren Anhalt, was darunter zu verstehen sein könnte,46 lassen sich dem Vertragstext nicht entnehmen. Dieser Grundkonzeption des Preußischen Kirchenvertrags folgten diverse Kirchenverträge der 1950er und 1960er Jahre: Die Bestandsgarantien für die evangelisch-theologischen Fakultäten werden erneuert,47 ihre Zweckbestimmung liegt weiterhin in der wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen, bestimmte Kirchenämter erfordern unverändert ein mindestens dreijähriges theologisches Studium an einer deutschen staatlichen Universität48 (oder wenigstens einer deutschprachigen – nicht notwendigerweise staatlichen – Hochschule)49. Gleichwohl wird schon in dieser Phase das überkommene preußische System fortentwickelt: – Vorsichtig findet sich der Staat bereit, auch die Errichtung kirchlicher Ausbildungsstätten vertraglich zu fixieren, zunächst bezogen auf die „Lehrkräfte in evangelischer Religionspädagogik“ in Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 7 5 50 Art. 5 Abs. 1 EvKV SH (FN 47). 51 Art. 11 Abs. 6 EvKV Lippe (FN 48). 52 Schlußprotokoll zu Art. 10 Abs. 1 lit. c) HessEvKV (FN 47): Anerkennung der theologischen Studien an den kirchlichen Hochschulen Bethel, Wuppertal, Neuendettelsau und Berlin; Schlußprotokoll zu Art. II Abs. 1 EvKv NRW (FN 47): Erklärung der Landeskirchen, daß „gegenwärtig nicht die Absicht besteht, die Kirchlichen Hochschulen Bethel und Wuppertal aufzulösen oder eine weitere kirchliche Einrichtung für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen zu errichten. 53 Diese neuen Kirchenverträge treten nach dem Willen der Vertragsparteien an die Stelle des PrEvKV, s. Art. 28 Abs. 2 des Vertrags des Landes Sachsen-Anhalt mit den Evangelischen Landeskirchen in Sachsen-Anhalt vom 15. September 1993, GVBl. 1994 S. 173 (sowie Schlußprotokoll); Art. 28 Abs. 2 S. 2 des Vertrags zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 20. Januar 1994, GVOBl. S. 559; Schlußprotokoll zu Art. 27 Abs. 2 des Vertrags des Freistaates Thüringen mit den Evangelischen Kirchen in Thüringen vom 15. März 1994, GVBl. S. 509; Art. 26 Abs. 2 des Vertrags des Freistaates Sachsen mit den Evangelischen Landeskirchen im Freistaat Sachsen vom 24. März 1994, GVBl. S. 1253 (sowie Schlußprotokoll); Art. 26 Abs. 2 des Vertrags zwischen dem Land Brandenburg und den Evangelischen Landeskirchen in Brandenburg vom 8. November 1996, GVBl. 1997 S. 4; Art. 29 Abs. 2 des Vertrags des Landes Berlin mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 20. Februar 2006, GVBl. S. 715. 54 Halle (Art. 3 Abs. 1 EvKV LSA), Greifswald (Art. 4 Abs. 1 EvKV MV) und Berlin (Art. 3 Abs. 1 EvKV Berlin). 55 Art. 3 Abs. 1 EvKV LSA (FN 53). 56 Art. 4 Abs. 1 EvKV MV (FN 53). 57 Art. 3 Abs. 1 EvKV Berlin (FN 53). 58 Art. 4 EvKV LSA; Art. 5 EvKV MV; Art. 4 ThürEvKV; Art. 4 SächsEvKV; Art. 4 Abs. 1 lit. a) EvKV Bbg; Art. 4 EvKV Berlin (alle FN 53). 59 Art. IX S. 1 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1932 (Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge, Band I [FN 4], S. 136 ff.); Art. VII Abs. 1 des Vertrags zwischen dem Freistaate Baden und der Vereinigten Evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens vom 14. November 1932 (Abdruck ebd., S. 215 ff.). 60 Art. V Abs. 1 lit. c BadKV (FN 59). 61 Art. VII Abs. 1 S. 1 lit. c, Art. VIII Abs. 1 BadK (FN 59). Schleswig-Holstein,50 sodann im Hinblick auf die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen generell im ehemals lippischen Landesteil NordrheinWestfalens.51 – Zudem nimmt der Staat – zustimmend – zur Kenntnis, daß die für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen erforderlichen theologischen Studien nicht zwingend an einer staatlichen theologischen Fakultät zu absolvieren sind, sondern auch an einer kirchlichen Hochschule erfolgen können (selbst wenn diese außerhalb der Landesgrenzen liegt und/ oder obgleich das Land eine oder mehrere staatliche theologische Fakultäten unterhält).52 Wesentlich stärkere Umformungen der Bestimmungen des Preußischen Kirchenvertrags erfolgten auch hier durch die Kirchenverträge zwischen den 1990 wiederbegründeten, ganz oder teilweise auf altem preußischen Staatsgebiet belegenen, Ländern und den jeweiligen evangelischen Landeskirchen:53 Auch in ihnen werden die Bestandsgarantien zugunsten der in Art. 11 Abs. 1 PrEvKV genannten Fakultäten erneuert.54 Ihre Zielbestimmung beschränkt sich indes nicht mehr auf diese wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen (welche – neben der „Ausbildung zum Lehramt Evangelische Religionslehre“ – nur noch im Berliner Vertrag genannt wird), sondern bezieht sich in allgemeiner Form auf die Ermöglichung „wissenschaftlich-theologischer Ausbildungsgänge“,55 auf die „wissenschaftliche Pflege der evangelischen Theologie“56 sowie auf das „wissenschaftliche Studium der Evangelischen Theologie“.57 Die Bestimmungen, nach denen Inhaber bestimmter kirchlicher Ämter grundsätzlich ein Theologiestudium an einer deutschen staatlichen Universität vorweisen müssen, sind ersatzlos weggefallen. Hingegen wird der Kirche und ihren diakonischen Werken ausdrücklich das Recht eingeräumt, eigene Hochschulen, Fachhochschulen sowie Ausbildungsstätten für kirchlich orientierte Berufe zu errichten und zu betreiben, wobei sich die Einzelheiten nach dem allgemeinen staatlichen Hochschulrecht bzw. nach gesonderten Vereinbarungen richten.58 3. Baden und Baden-Württemberg Die badischen Staatskirchenverträge von 1932 folgen im wesentlichen dem Vorbild der jeweiligen preußischen Abmachungen: Für die „wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen“ bleiben die theologischen Fakultäten in Freiburg i. Br. (katholisch) und Heidelberg (evangelisch) erhalten, und zwar „mit den zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden Rechten“.59 Für kirchenleitende Ämter sowie für die dauerende Übertragung des Pfarramtes muß ein mindestens dreijähriges philosophisch-theologisches Studium nachgewiesen sein. Während dieses im Falle der evangelischen Landeskirche im Regelfall an einer deutschen staatlichen Hochschule zu absolvieren ist,60 stellt das Badische Konkordat drei Optionen gleichberechtigt nebeneinander: Studium an einer deutschen staatlichen Schule, Studium an einer deutschen kirchlichen Hochschule, Studium an einer päpstlichen Hochschule in Rom.61 In beiden Verträgen ist die Anerkennung des Studiums an einer anderen (nicht notwendigerweise staatlichen) deutschsprachigen Hochschule möglich, sofern das kirchliche wie staatliche Einver- 7 6 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 62 Art. VII Abs. 1 S. 2 BadK; Art. V Abs. 3 BadKV (jew. FN 59). – Ferner wird dem Studium an einer deutschen Universität gleichgestellt das Studium an einer österreichischen Universität, im Falle der evangelischen Landeskirche auch an den Universitäten Basel, Zürich und Bern (Schlußprotokoll zu Art. VII Abs. 1 BadK sowie Schlußprotokoll zu Art. V Abs. 3 BadKV). 63 Art. IX S. 3 BadK (FN 59). 64 Art. 20 RK (FN 36) hinsichtlich der Errichtung von philosophischen und theologischen Lehranstalten zur Ausbildung des Klerus; dazu noch unten III. 1. 65 Der in Art. 19 S. 1 RK (FN 36) ausgesprochenen Bestandsgarantie der katholisch-theologischen Fakultäten unterfällt nach Richard Puza, Bestandsgarantie und Umbildung von Lehrstühlen und Professorenstellen an staatlichen Katholisch-Theologischen Fakultäten in Deutschland. Unter besonderer Bezugnahme auf die Fakultät in Tübingen, ZRG 119 Kan. 88 (2002), 391 ff., auch die – im übrigen konkordatär nicht erfaßte – katholisch-theologische Fakultät in Tübingen. 66 Neben dem BadEvKV (für den ehemals badischen Landesteil) auch der PrEvKV (für den ehemaligen preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen). 67 So LT-Drucks. 14/1940, S. 7, zum Vertrag des Landes BadenWürttemberg mit der Evangelischen Landeskirche in Baden und mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 17. Oktober 2007, GVBl. 2008 S. 1. 68 Dieser Bestimmung wollen Michael Frisch/Uwe Kai Jacobs, Evangelischer Kirchenvertrag Baden-Württemberg, ZevKR 54 (2009), 290 (325) – weitergehend – eine „Zuständigkeit der Evangelischtheologischen Fakultäten auch ‚für die wissenschaftliche Vorbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer‘“ entnehmen. 69 LT-Drucks. 14/1940, S. 10. 70 Art. 4 Abs. 1 EvKV MV; Art. 3 Abs. 1 ThürEvKV; Art. 3 Abs. 1 SächsEvKV (alle FN 53). – 1992 war die Kirchliche Hochschule Leipzig (vor 1990: Theologisches Seminar Leipzig), an der zu DDR-Zeiten ein erheblicher Teil der evangelischen Geistlichen ausgebildet wurde (deren Abschlüsse staatlich freilich nicht anerkannt waren), in die staatliche Fakultät in Leipzig überführt worden. Vertiefend Werner Vogler (Hrsg.), Vier Jahrzehnte kirchlich-theologische Ausbildung in Leipzig. Das Theologische Seminar/Die kirchliche Hochschule Leipzig, 1993. 71 Art. 4 EvKV Bbg (FN 53). ständnis vorliegt.62 Anders als in Preußen, ist im badischen Konkordat nicht von einem „Seminar zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen“ die Rede, wohl aber von einem (sog. Pastoral-)Seminar „für die Ausbildung der Kandidaten zum Priesteramte“.63 Während für die katholische Kirche das Badische Konkordat (mit den im Reichskonkordat festgelegten Ergänzungen64 und Erweiterungen)65 fortgilt, sind für die evangelischen Landeskirchen die noch aus Weimarer Zeit stammenden Kirchenverträge66 durch den Evangelischen Kirchenvertrag Baden-Württemberg von 2007 „fortbildend ersetzt“67 worden. Nunmehr normiert Art. 3 Abs. 1 eine Bestandsgarantie zugunsten der Evangelisch-Theologischen Fakultäten an den Universitäten Heidelberg und Tübingen. Den Zweck des Bestehens evangelisch-theologischer Fakultäten umschreibt der Vertrag mit der Wendung „für die wissenschaftliche Pflege der evangelischen Theologie …, die Bestandteil europäischer Wissenschaftskultur ist, und für die wissenschaftliche Vorbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie von Lehrkräften für den evangelischen Religionsunterricht“. Das Schlußprotokoll zu Art. 3 Abs. 1 hält, nach dem Hinweis auf die zur Zeit des Vertragsschlusses bestehende Ausstattung der Fakultäten, fest, Land und Kirchen sähen „sich gemeinsam verpflichtet, im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung dafür zu sorgen, daß auch in Zukunft eine ausreichende Zahl von Studierenden an den Evangelisch-Theologischen Fakultäten vorhanden sein wird“.68 Daneben wird in Art. 11 das Recht der Kirchen und ihrer Gliederungen festgeschrieben, Hochschulen zu errichten und zu betreiben (Abs. 1), welche im Rahmen der allgemeinen staatlichen Förderung angemessen berücksichtigt werden (Abs. 2). Insoweit verweist die Begründung der Landesregierung lapidar auf die verfassungsrechtliche Garantie.69 Spezifische Anforderungen an die Inhaber bestimmter kirchlicher Ämter hinsichtlich ihrer universitären Vorbildung sind auch in diesem Vertrag ersatzlos entfallen. 4. Neue Bundesländer Die Kirchenverträge in den neuen Ländern nehmen nicht nur die Bestimmungen von PrK und PrEvKV auf und schreiben sie fort, sondern enthalten auch konstitutive vertragliche Gewährleistungen: Die traditionsreichen, aber vertraglich nicht abgesicherten evangelisch-theologischen Fakultäten in Rostock (seit 1918: Freistaat Mecklenburg-Schwerin), Jena (seit 1920: Land Thüringen) und Leipzig (seit 1919: Freistaat Sachsen) werden nun in ihrem Bestand garantiert.70 Als ihre ratio essendi ist allein für Jena noch die „wissenschaftlich-theologische Ausbildung der Geistlichen und der Religionspädagogen“ vereinbart; ansonsten verharren die Umschreibungen im eher allgemeinen („wissenschaftlichen Pflege der evangelischen Theologie“ im Fall Rostock, „für wissenschaftlich-theologische Ausbildungsgänge“ im Fall Leipzig). Die einzige Besonderheit weist das Schlußprotokoll zum Thüringer Vertrag auf, welches die Übereinstimmung der Vertragsparteien vermerkt, daß die Bestandsgarantie der Jenaer Fakultät daran gebunden ist, daß die Pfarrerausbildung auch in Zukunft ganz überwiegend in Form des theologischen Studiums an den staatlichen Hochschulen sowie an den bestehenden kirchlichen Hochschulen (Bethel, Neuendettelsau und Wuppertal stattfindet). Brandenburg hält sich – wie auch gegenüber der katholischen Kirche – die Einrichtung von einem „Ausbildungsgang in evangelischer Theologie oder Religionspädagogik“ an einer Landeshochschule offen;71 bisher ist es dazu nicht gekommen. Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 7 7 72 Allein im Fall der Fakultät in Regensburg äußerte der staatliche Vertragspartner die Erwartung, daß diese die Regel-ausbildungsstätte für die Theologiestudenten der Diözese Regensburg sein werde (Regierungsbegründung zum Vertrag, BayLT-Drucks. 5/2892, S. 3) Eine vertragliche Pflicht folgt aus einer solchen einseitigen Erwartung indes nicht. 73 Oben FN 29, 33, 43. 74 Im Falle der Fakultät in Erfurt ist die staatliche Erwartung durch eine entsprechende Absichtserklärung der Bischöfe von DresdenMeißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg verstärkt, auch künftig die Priesterausbildung in Erfurt stattfinden zu lassen (s. FN 44). 75 Oben I. 4. 76 Oben FN 68. 77 So lautete Art. 15 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850: „Die evangelische und die römischkatholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus‑, Unterrichts‑, und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds.“, Abdruck bei Ernst Rudolf Huber/Wolfgang Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Band II, 1986, Nr. 11, S. 37 f. 78 Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 91; Erwin Gatz, Der rheinische Weltpriesternachwuchs von der Gründung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn (1818) bis zum Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, Römische Quartalsschrift 88 (1993), 237 (242). 79 Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 91. 80 Breslau, Freiburg, München, Münster und Würzburg. 81 Bonn und Tübingen. 5. Zwischenergebnis Eine präzise Analyse des Textbefundes ergibt, daß sämtliche Konkordate und Verträge für die wissenschaftliche Vorbildung der katholischen Geistlichen drei Optionen vorsehen (staatliche theologische Fakultät, bischöfliches Seminar/kirchliche Hochschule, päpstliche Hochschule in Rom). Von einer Verpflichtung zur Ausbildung an einer konkreten Institution ist in keinem der Vertragstexte die Rede.72 Ab den 1950er Jahren nehmen auch die evangelischen Kirchenverträge die Möglichkeit in den Blick, die Geistlichen an kirchlichen Hochschulen wissenschaftlich auszubilden; ebensowenig finden sich in ihnen Aussagen, eine konkrete Institution in Anspruch nehmen zu müssen. Nur punktuell verhält sich das Staatskirchenvertragsrecht zum gleichzeitigen Bestehen von staatlicher theologischer Fakultät und kirchlicher Ausbildungsstätte, und dies durchweg im Anwendungsbereich des PrK: Im Hinblick auf die tatsächlich erfolgte Einrichtung einer theologischen Fakultät haben die Bischöfe von Essen und Erfurt auf die Ausübung ihres Rechtes zum Besitz eines Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen verzichtet, gleiches gilt – sollte in Göttingen eine theologische Fakultät errichtet werden – für die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück.73 Damit mag staatlicherseits die Erwartung verbunden sein, die angehenden Geistlichen würden an den jeweiligen staatlichen Fakultäten ausgebildet74 – Vertragsbestandteil ist eine solche auch hier nicht. Allein im ThürEvKV ist der kirchliche Vertragspartner partiell Bindungen eingegangen:75 Die Pfarrerausbildung soll auch künftig „ganz überwiegend“ entweder an den staatlichen oder an den bestehenden kirchlichen Hochschulen erfolgen. Rechtstechnisch liegt in dieser Wendung – welche eine Bestandsgarantie der Jenaer Fakultät zum Bezugspunkt hat – weniger eine Verpflichtung denn eine Obliegenheit. Insoweit liegt, jedenfalls mit dem Focus auf die Pfarrerausbildung, auch eine partielle Einschränkung der kirchlichen Hochschulfreiheit vor; an welcher konkreten Institution diese Ausbildung erfolgt, ist hingegen vertraglich nicht geregelt. Hingegen lassen sich aus der allgemein gehaltenen „Verpflichtung“ von Staat und Kirchen im EvKV BW,76 für eine ausreichende Zahl von Studenten an den Fakultäten Heidelberg und Tübingen Sorge zu tragen, keine konkreten Handlungs- oder Unterlassungspflichten entnehmen. Der Vertrag verhält sich allein zum „Ob“, nicht aber zum „Wie“ der Realisierung der gemeinsamen Sorge. II. Historische Genese der Bestimmungen zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen Unbeschadet der theoretischen Anerkennung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts unter Einschluß des Unterrichtswesens77 unternahm es die Staatspraxis des 19. Jahrhundert in zunehmendem Maße, die Ausbildung der künftigen Geistlichen zu kontrollieren und gesetzlich zu reglementieren. Derartige Maßnahmen wurden mit dem juristischen Argument, Geistliche hätten (wie bei der Schulaufsicht und im Personenstandswesen) auch staatliche Aufgaben wahrzunehmen,78 sowie mit der allgemeinen Erwägung, sie hätten als Volkserzieher großen Einfluß auf Einstellung und Bildung der Bevölkerung,79 gerechtfertigt. Allerdings richtete sich der Focus allein auf die katholische Kirche, welche ihre angehenden Priester teilweise auf fortbestehenden80 bzw. neugegründeten81 theologischen Fakultäten an den staatlichen 7 8 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 82 Im hiesigen Kontext meint „Seminar“ nicht das zur praktischspirituellen Ausbildung der Priesteramtskandidaten bestehende „Pastoralseminar“, sondern das „Klerikalseminar“ (auch: „tridentinisches Seminar“), das sich der vollständigen – also auch der theologisch-wissenschaftlichen – Ausbildung der Kandidaten widmet. Derartige Seminare bestanden in Eichstätt, Fulda, Hildesheim, Mainz, Paderborn und Trier. 83 Zum gesamten Komplex eingehend Gatz (Hrsg.), Priesterausbildungsstätten (FN 30). 84 Berlin, Bonn, Breslau, Erlangen, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Kiel, Königsberg, Leipzig, Marburg, Rostock und Tübingen. – Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen (FN 3), S. 107, spricht von einem „Monopol der evangelisch-theologischen Fakultäten in der wissenschaftlichen Vorbildung der Pfarrer“ 85 Zum folgenden Emil Friedberg, Die Gränzen zwischen Staat und Kirche und die Garantien gegen deren Verletzung. Historischdogmatische Studie mit Berücksichtigung der deutschen und außerdeutschen Gesetzgebungen und einem Anhange theils ungedruckter Aktenstücke, 1872, S. 813 ff. (hier auch die Zitate). 86 Abdruck bei Huber/Huber, Staat und Kirche II (FN 77), Nr. 279, S. 594 ff. 87 Jeweils „Gesetz betreffend Abänderung(en) der kirchenpolitischen Gesetze“; ein erstes vom 11. Juli 1883 beschränkte die Anzeigepflicht auf bestimmte Geistliche (Art. 1), ein zweites vom 21. März 1886 ermöglichte bei Vorliegen einer ministeriellen Ausnahmegenehmigung auch die Aufnahme diözesanfremder Studenten in ein bischöfliches Seminar (Art. 2 Abs. 4). Diese Beschränkung wurde durch ein weiteres Gesetz vom 29. April 1887 ganz aufgehoben (Art. 1 § 2). Im gleichen Gesetz wurde den Bischöfen von Osnabrück und Limburg die (allerdings nicht realisierte) Errichtung eines Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zugestanden (Art. 1 § 1). Außerdem galt die Anzeigepflicht für zu besetzende Kirchenämter nur mehr für die dauernde Übertragung eines Pfarramtes (Art. 2 § 1). Abdruck der Gesetze bei Huber/Huber, Staat und Kirche II (FN 77), Nr. 400, S. 845; Nr. 414, S. 867 ff. sowie Nr. 420, S. 883 f. 88 Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen (FN 3), S. 35. 89 Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 156. Universitäten, teilweise auf bischöflichen Seminaren82 wissenschaftlich ausbildete.83 Demgegenüber studierten die Kandidaten für das evangelische Pfarramt durchweg an den staatlichen Fakultäten.84 1. Gesetzgebung in der Zeit des sog. „Kulturkampfes“ In den atmosphärisch aufgeheizten Jahren des sog. „Kulturkampfes“ wurde die rechtspolitische Zielsetzung,85 „daß der Staat die Bildung des jungen Clerus überwache“ in Gesetzesform gegossen. Diesem sollten zwei Maßnahmen dienen: die Beibehaltung der katholisch-theologischen Fakultäten und die „Beseitigung der bischöflichen Seminarien“. Damit sollte ein „wissenschaftlicher Clerus“ herangebildet werden, der notwendigerweise „auch ein nationaler sein werde“. Dementsprechend stellte das preußische Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen vom 11. Mai 187386 als Voraussetzung für die Bekleidung eines geistlichen Amtes die „Zurücklegung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer Deutschen Staatsuniversität“ auf (§ 4). Alternativ konnten die theologischen Studien an einem der bereits in Preußen bestehenden, zur wissenschaftlichen Vorbildung der Theologen bestimmten Seminaren absolviert werden (§ 6). Diese Möglichkeit war aber in dreifacher Hinsicht beschränkt: Erstens mußten diese Seminare vom Minister der geistlichen Angelegenheiten als dem Universitätsstudium gleichwertig anerkannt worden sein (Abs. 1), am gleichen Ort durfte sich keine theologische Fakultät befinden (Abs. 2) und schließlich bestand die Option des Seminarstudiums allein für die Studenten der jeweiligen Diözese (Abs. 2). Ihre wirksame Absicherung erfuhren die Bestimmungen über die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen durch das weitere Erfordernis, dem jeweiligen Oberpräsidenten die Kandidaten für die Übertragung eines geistlichen Amtes anzuzeigen, welcher bei Fehlen der gesetzlichen Erfordernisse zur Bekleidung eines geistlichen Amtes (etwa der §§ 4 und 6) seinen Einspruch erheben konnte (§ 15). Auch wenn nach dem Abflauen des „Kulturkampfes“ durch sog. „Milderungs- und Friedensgesetze“ ab 1883 manche dieser Bestimmungen abgeschwächt wurden,87 blieb die grundsätzliche Konzeption des Gesetzes von 1873 weiterhin in Kraft: Die Übertragung eines geistlichen Amtes setzte den Nachweis der wissenschaftlichen Vorbildung voraus, welche (im Regelfall) an einer staatlichen Fakultät zu erfolgen hatte, ausnahmsweise auch an einem (vor 1873 bestehenden) bischöflichen Seminar absolviert werden konnte. Indes war das gleichzeitige Bestehen von staatlicher theologischer Fakultät und bischöflichem Seminar am selben Ort ausgeschlossen (allerdings bestand umgekehrt keine Verpflichtung des Bischofs zur Entsendung seines geistlichen Nachwuchses an eine in seiner Diözese belegene staatliche theologische Fakultät).88 2. Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Preußenkonkordat Nach den weitreichenden Verwerfungen des Kulturkampfes sah gerade der staatlichen Partner im Konkordatsschluß mit dem Heiligen Stuhl ein zu erbringendes „Friedenswerk“.89 Freilich bestanden hinsichtlich der wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen die verschiedenen Interessenlagen von Kirche und Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 7 9 Staat fort: Während die Bischöfe bereits seit 1920 die vollständige Freiheit bei der Errichtung theologischer Lehranstalten und bei der Errichtung des theologischen Studiums sowie bei der Festsetzung der zur Erlangung des geistlichen Amtes erforderlichen wissenschaftlichen Nachweisungen wünschten,90 wollte der Staat eine „Konkurrenz der kirchlichen Seminare mit den Staatsfakultäten“ vermieden wissen.91 Die letztlich in Art. 9 und 12 PrK getroffenen Regelungen gehen konzeptuell und nahezu bis auf die Details auf einen Entwurf des Breslauer (später Bonner) Kanonisten Friedrich Heyer92 aus dem Jahr 192693 zurück, der als Fachberater des preußischen Kultusministeriums fungierte.94 Demnach sollte – die Bestellung bestimmter Geistlicher davon abhängig gemacht werden, daß sie „mit Erfolg die von der kirchlichen Behörde vorgeschriebenen phil. und theol. Studien an einer deutschen Hochschule oder an einem hierfür in Preußen bestimmten kirchlichen Seminare oder an einer päpstlichen Hochschule in Rom gemacht“ haben (= Art. 9 Abs. 1 lit. c), Art. 10 Abs. 1 PrK), – für „die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen … die Kath.-Theologischen Fakultäten an den Universitäten in Breslau, Bonn und Münster und an der Akademie in Braunsberg bestehen“ bleiben (= Art. 12 Abs. 1 PrK), – den Bischöfen von Trier, Paderborn, Fulda, Limburg und Osnabrück die Berechtigung zuerkannt werden, „für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen ein Diözesanseminar zu unterhalten“ (= Art. 12 Abs. 2 PrK). Inhaltlich steht die von Heyer entworfene und dann weitgehend in das Konkordat eingegangene Konzeption noch deutlich in der Kontinuität der seit 1887 in Preußen geltenden Regelungen:95 Die sich einander ausschließende Gewährleistungen der bereits bestehenden (oder jedenfalls rechtlich möglichen) staatlichen Fakultäten und bischöflichen Seminaren, welche für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen in Frage kommen. Neu ist allein die Option, die Studien an einer päpstlichen Hochschule in Rom zu absolvieren, die freilich gegen Vorbehalte selbst des beratenden Kanonisten96 wie (erst recht) im späteren parlamentarischen Diskurs durchgesetzt werden mußte.97 In der Endfassung des PrK wurde schließlich – von unwesentlichen redaktionellen Änderungen abgesehen – auch dem (von Heyer nicht berücksichtigten) Bischof von Hildesheim das Recht zum Besitz eines Seminares für die wissenschaftliche Vorbildungen der Geistlichen zuerkannt, nicht aber den Ordinarien der neu errichteten Jurisdiktionsbezirke (Bistümer Aachen und Berlin sowie Prälatur Schneidemühl). Die insoweit maßgebliche Erwägung bestand darin, daß „eine Zersplitterung der Anstalten“ nicht wünschenswert sei.98 In der Summe hat also das PrK weitgehend, wenngleich rechtsstaatlich purifiziert, die seit 1887 in Preußen geltende Gesetzeslage rezipiert. Der Heilige Stuhl hat dem, letztlich mangels gangbarer Alternativen (zumal im Hinblick auf Fragen der materiellen Ausstattung eigener kirchlicher Einrichtungen), zugestimmt, ohne im Grundsätzlichen von seinen Forderungen abzurücken. In der Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 PrK, welche nur bestimmten (Erz-)Bischöfen den Besitz eines wissenschaftlichen Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zuerkennt, liegt die Wahrung des bestehenden Besitzstandes und die gegenwärtige Bescheidung mit dem Erreichbaren. Darin auch einen für die Zukunft geltenden Verzicht der in Art. 12 Abs. 2 PrK nicht erwähnten (Erz-)Bischöfe auf ein derartiges Seminar zu erblicken,99 ist eine Überinterpretation der Bestimmung,100 welche weder in der Entstehungsgeschichte noch in dem erklärten Parteiwillen des Vertragspartners Heiliger Stuhl eine Stütze findet. Noch weniger läßt sich aus dem gänzlichen Stillschweigen eines Konkordats über die Frage eines Klerikalseminars der „Verzicht“ 90 Ebd., S. 170. 91 Ebd., S. 217. 92 Zu ihm Annekatrin Donath, Friedrich Hubert Maria Heyer, in: Matthias Schmoeckel (Hrsg.), Die Juristen der Universität Bonn im „Dritten Reich“, 2004, S. 347 ff. 93 Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 218 f. 94 Ebd., S. 157. 95 Darauf wird nach Abschluß des Konkordats auch ungeschminkt die Regierungsbegründung verweisen, Abdruck bei Listl, Konkordate und Kirchenverträge II, S. 724 (733). 96 Nachw. bei Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 220. 97 Zu den Polemiken über eine drohende „Entdeutschung“ und „Romanisierung“ des Klerus s. die Nachw. ebd., S. 316. 98 Dementsprechend vermerkt die Regierungsbegründung, es sei „beachtlich …, daß auch die Neuerrichtung von Diözesen … eine Vermehrung dieser Seminare nicht zur Folge haben wird“ (FN 95). 99 So aber Schmitz, MThZ 51 (2000), 292 (306 f., m. Fn. 48). 100 Zutreffend Adolf Süsterhenn, Zur staatskirchenrechtlichen Stellung kirchlicher Hochschulen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, TThZ 70 (1961), 156 (159); sowie Alexander Hollerbach, Aktuelle Fragen aus dem Recht der Theologischen Fakultäten, ThQ 171 (1991), 251 (253, Fn. 6). 8 0 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 eines Bischofs auf eigene wissenschaftliche Ausbildungsstätten konstruieren.101 Anders als anfangs die preußische „Kulturkampf “- gesetzgebung102 enthielt das Konkordat keinerlei Vorgaben, welche Studenten an einer bestimmten Ausbildungsstätte aufgenommen werden dürften. Die konkordatäre Systematik (zwei staatliche Fakultäten in zwei Bistümern, Klerikalseminare in sechs weiteren Bistümern) legte es zwar nahe, die Priesteramtskandidaten möglichst nahe am Bischofssitz und „dessen“ Ausbildungsstätte studieren zu lassen, was die nunmehr garantierten bischöflichen Ingerenzen auf die Dozentenauswahl (Art. 12 Abs. 1 PrK) weiter befördern mochten. Doch eine rechtlich faßbare Verpflichtung wurde – soweit ersichtlich – in den Konkordatsverhandlungen nicht thematisiert. Der Angebotscharakter der gewährleisteten Ausbildungsstätten zeigte sich in der Folge darin, daß keineswegs sämtliche der in Art. 12 Abs. 2 PrK genannten Bischöfe auch tatsächlich Seminare zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen besaßen: Fortgeführt wurden allein die vor 1873 bestehenden Einrichtungen in Fulda, Paderborn und Trier, desgleichen die frisch gegründete Philosophisch-Theologische Hochschule Frankfurt St. Georgen (für das Bistum Limburg).103 Das 1873 geschlossene Hildesheimer Seminar wurde 1887 allein als Pastoralseminar wiedereröffnet, während die Priesteramtskandidaten ihre Studien in Münster bzw. Frankfurt St. Georgen absolvierten.104 Gleiches galt (und gilt grosso modo bis heute) für das Bistum Osnabrück.105 Ebenso streitet für die Freiheit der Bischöfe zur Bestimmung des Ausbildungsortes der Priesteramtskandidaten die vertragliche Gewährleistung der Option „päpstliche Hochschule in Rom“. Im Unterschied zur preußischen Verwaltungspraxis des 19. Jahrhunderts berühmte sich der Staat insoweit keines vorgängigen Erfordernisses einer Erlaubnis mehr106 und stellte seine anfänglichen Bedenken107 im Hinblick auf die überschaubare Anzahl von verfügbaren Kollegplätzen sowie aus Erwägungen der Staatsräson zurück.108 III. Fortgeltung der Bestimmungen zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen 1. Modifizierung durch das Reichskonkordat Bereits wenige Jahre nach Abschluß der Konkordate mit Bayern, Preußen und Baden setzte das Reichskonkordat von 1933109 markante neue Akzente. Hinsichtlich der Anforderungen an die wissenschaftliche Vorbildung bestimmter Geistlicher verblieb es noch bei der bekannten Trias „deutsche staatliche Hochschule“ – „deutsche kirchliche akademische Lehranstalt“ – „päpstliche Hochschule in Rom“ (Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 lit. c)). Auch die Bestandsgarantie für die katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen wahrte den erreichten Stand (Art. 19). Eine konstitutive Neuregelung hingegen enthielt Art. 20 Abs. 1, der generell der „Kirche“ das Recht zuerkannte, „zur Ausbildung des Klerus philosophische und theologische Lehranstalten zu errichten, die ausschließlich von der kirchlichen Behörde abhängen“. Einschränkungen bestanden allein in zweifacher Hinsicht: Es durfte keine andere Vereinbarung vorliegen, und es durften keine staatlichen Zuschüsse verlangt werden. Während die erste Einschränkung ersichtlich auf die Regelung in Art. 12 Abs. 2 PrK zielte,110 enthob 101 Dies versucht Solte, Theologie an der Universität (FN 2), S. 108 f., im Hinblick auf Art. IX BadK (FN 59) darzutun. Doch aus der vertraglichen Bestimmung, der Freiburger Erzbischof sei „berechtigt, für die Ausbildung der Kandidaten zum Priesteramte Konvikte und ein Priesterseminar zu unterhalten und in seinem Namen zu leiten“ abzuleiten, er dürfe kein Klerikalseminar errichten, überspannt auch hier Wortlaut des Konkordats wie den (kirchlichen) Parteiwillen. 102 Oben II. 1. 103 In den Konkordatsverhandlungen spielte die Existenz dieser Hochschule nur eine untergeordnete Rolle, als „Bedrohung“ oder „Konkurrenz“ der staatlichen theologischen Fakultäten wurde sie jedenfalls nicht wahrgenommen. Zur Sprache kam sie allein im Kontext der Frage der Beteiligung an staatlichen Dotationen (die sie letztlich erhielt). Für die Einzelheiten Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 237, 333. 104 Hans-Georg Aschoff, Hildesheim, in: Gatz (Hrsg.), Priesterausbildungsstätten (FN 30), S. 100 f. 105 Wolfgang Seegrün, Osnabrück, in: ebd., S. 165 f. 106 Erlaß der Minister v. Raumer und v. Westphalen betreffend staatliche Maßnahmen gegen das Studium am Collegium Germanicum zu Rom vom 16. Juli 1852, Abdruck bei Huber/Huber, Staat und Kirche II (FN 77), Nr. 29, S. 72. 107 Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 223. 108 Der an den Verhandlungen beteiligte preußische Finanzminister (und spätere Präsident des BVerfG) Hermann Höpker-Aschoff verwies darauf, daß das Collegium Germanicum seinerzeit nur über 80 Plätze verfügte und im übrigen „der Staat … ein Interesse daran (habe), daß einige Geistliche die römischen Verhältnisse gut kennten“, Nachw. bei Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 302 f. 109 FN 36. 110 Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 363; Himmelsbach, Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten (FN 3), S. 24. Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 8 1 die zweitgenannte stillschweigend von den aus dem 19. Jahrhundert fortbestehenden staatlichen Dotationspflichten.111 Es war seit Anfang der 1920er Jahre zwischen Kirche und Staat unstreitig, gleichzeitig eine Bestandsgarantie zugunsten der theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten wie der Freiheit zur Errichtung kirchlicher Lehranstalten zur philosophisch-theologischen Ausbildung des Klerus vorzusehen.112 Eine vatikanische Punktation von 1921 hatte die Freiheit zur Errichtung kirchlicher Lehranstalten explizit gefordert und die staatlichen theologischen Fakultäten eher implizit zur Kenntnis genommen (was gewiß eine Präferenz für den zu erstrebenden Ort der Priesterausbildung erkennen läßt).113 Der Konkordatsentwurf des Reichsinnenministeriums von 1924 nahm das Petitum auf und faßte beide Gewährleistungen in zwei Absätzen des gleichen Abschnitts zusammen.114 Dessen Wortlaut entspricht – bis auf die beiden erwähnten Einschränkungen – nahezu vollständig der Endfassung des RK von 1933.115 Die Errichtung von philosophisch-theologischen Lehranstalten in kirchlicher Trägerschaft zur Ausbildung des Klerus hat demnach seit 1933 eine eindeutige konkordatsrechtliche Grundlage. Wegen Art. 12 Abs. 2 PrK gilt sie nicht für Preußen; weitere Einschränkungen bestehen nicht. 2. Erweiterung kirchlicher Rechte durch die Länderverfassungen nach 1945 a) Landesverfassungsgesetzliche Bestimmungen Die in der unmittelbaren Nachkriegszeit, noch vor Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündeten Verfassungen der Länder nahmen die im Reichskonkordat vertraglich geregelte Parallelität von staatlicher theologischer Fakultät einerseits und kirchlicher Ausbildungsstätte andererseits auf. Gewährleistungen beider Institutionen – durchweg ohne den im RK bestimmten Ausschluß staatlicher Zuschüsse – finden sich so in den Verfassungen des Freistaates Bayern,116 des Landes Hessen,117 des Landes Rheinland-Pfalz118 sowie des Saarlandes.119 Bis auf die hessische Ausnahme wird den Kirchen und Religionsgemeinschaften explizit das Recht zur Errichtung eigener Hochschulen im Hinblick auf die Ausbildung ihrer Geistlichen und Religionsdiener eingeräumt. Eine andere Regelungstechnik wählte die Verfassung von Nordrhein-Westfalen:120 Einerseits erkennt sie die preußischen Kirchenverträge von 1929/31 für die ehemals preußischen Gebiete des Landes als geltendes Recht an (Art. 23 Abs. 1) – damit implizit den in Art. 12 Abs. 1 PrK ausgesprochenen Fortbestand der dort genannten theo111 Darin dürfte die Ursache dafür liegen, daß es in der angespannten wirtschaftlichen Situation kurz nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise nicht zur Errichtung derartiger Lehranstalten kam. 112 Eingehend zur Frühphase der Konkordatsverhandlungen Rudolf Morsey, Zur Vorgeschichte des Reichskonkordats aus den Jahren 1920 und 1921, ZRG Kan. 44 (1958), 237 ff. 113 Punktuation des Vatikans für ein Reichskonkordat vom 15. November 1921, Punkt V. Abs. 2–5; Abdruck bei Ernst Rudolf Huber/ Wolfgang Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Band IV, 1988, Nr. 170, S. 282 ff. 114 Art. III § 1 Abs. 1 des Entwurfs („Die katholisch-theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten.“) und Abs. 2 („Die Kirche hat das Recht, zur Ausbildung des Klerus philosophische und theologische Lehranstalten zu errichten, die ausschließlich von der kirchlichen Behörde abhängen.“); Abdruck bei Alfons Kupper, Staatliche Akten über die Reichskonkordatsverhandlungen 1933, 1969, S. 473 ff. – Schon 1922 erachtete das Reichsinnenministerium die Freiheit zur Errichtung von philosophischen und theologischen Lehranstalten als einen Punkt „vollen oder weiten Entgegenkommens an die Wünsche der Kurie“, während die (ohnedies durch Art. 149 Abs. 3 WRV abgesicherten) staatlichen theologischen Fakultäten und die an ihnen erstrebten bischöflichen Ingerenzen auf die Dozentenauswahl, wiewohl als Angelegenheit der Länder bezeichnet, als „Punkte ohne sachliche Bedenken“ klassifiziert wurden. S. die Zusammenstellung des Reichsministeriums des Innern über noch zu klärende Punkte bezüglich des Reichskonkordats vom 13. März 1922 (Ziff. I. 5 sowie III. a) 1.), Abdruck ebd., S. 455 ff. 115 Auch hinsichtlich der Möglichkeit, die philosophisch-theologischen Studien außer an einer deutschen Hochschule oder einer deutschen bischöflichen akademischen Lehranstalt auch an „einer als gleichwertig anzusehenden Anstalt in Rom“ zu absolvieren, war bereits in Art. I § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Konkordatsentwurfs von 1924 (FN 114) enthalten. 116 Art. 150 Abs. 1 (eigene kirchliche Hochschulen) und Abs. 2 (theologische Fakultäten) der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946, GVBl. S. 333. 117 Art. 60 Abs. 2 (theologische Fakultäten) und Abs. 3 (kirchliche theologische Bildungsanstalten) der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946, GVBl. S. 229. 118 Art. 39 Abs. 1 S. 2 (theologische Fakultäten) sowie Art. 42 (eigene Hochschulen der Kirchen und Religionsgemeinschaften) der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947, VOBl. S. 209. 119 Art. 36 Abs. 1 (eigene Hochschulen der Kirchen und Religionsgemeinschaften) und Abs. 2 (theologische Fakultäten als Kann-Vorschrift) der Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947, ABl. S. 1077. 120 Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950, GV. S. 127. 8 2 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 logischen Fakultäten bekräftigend – und spricht zum anderen den Kirchen und Religionsgemeinschaften das Recht zu, zur Ausbildung ihrer Geistlichen „eigene Anstalten mit Hochschulcharakter zu errichten und zu unterhalten“ (Art. 16 Abs. 2). Dem Modell der vorkonstitutionellen Länderverfassungen wiederum folgen die nach 1990 in Kraft getretenen Verfassungen von Brandenburg (Art. 32 Abs. 4), Sachsen (Art. 111) und Thüringen (Art. 28 Abs. 3). b) Nachfolgende Rechtspraxis Aufgrund der genannten Bestimmungen erfolgten bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit Neugründungen wissenschaftlicher Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft, welche zur Vorbildung der Geistlichen bestimmt waren. Bereits 1947 errichtete die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern im mittelfränkischen Neuendettelsau – nur 50 km von Erlangen, dem damals einzigen bayerischen Standort einer evangelisch-theologischen Fakultät, entfernt – die Augustana-Hochschule.121 Der Staat erblickte darin kein rechtliches Problem, wie ein nachfolgender Schriftwechsel zwischen Kultusministerium und Landeskirchenrat erhellt, in welchem die Übereinstimmung zum Ausdruck gebracht wurde, daß Art. 26 lit. c) des BayEvKV durch Art. 150 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung „modifiziert“122 worden sei.123 1949 erhielt die Hochschule bereits die staatliche Anerkennung.124 Im Jahre 1950 folgte die Errichtung der Theologischen Fakultät Trier durch den Heiligen Stuhl,125 welche noch im gleichen Jahr durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit allen akademischen Rechten, einschließlich demjenigen der Verleihung akademischer Grade und dem der Habilitation, staatlich anerkannt wurde.126 In Nordrhein-Westfalen ermöglichte Art. 16 Abs. 2 der Landesverfassung die Wiederaufnahme der Lehrund Ausbildungstätigkeit der in der NS-Zeit geschlossenen Kirchlichen Hochschulen in Bethel127 und Wuppertal128 sowie des Missionspriesterseminars der Steyler Missionare in St. Augustin,129 ebenso die Fortführung der Philosophisch-Theologischen Akademie in Paderborn und die Gründung der PhilosophischTheologischen Hochschule der Franziskaner und Kapuziner. Das Inkrafttreten des neuen Hochschulgesetzes von 1979130 führte schließlich zur staatlichen Anerkennung der genannten Institutionen mit allen akademischen Rechten, welche im Falle von Paderborn, Bethel und Wuppertal durch das Gesetz selbst,131 in 121 Die Hochschule wurde aufgrund eines Beschlusses der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern durch das kirchliche Errichtungsgesetz vom 16. Mai 1947 gegründet (Abdruck: KABl. Landeskirche Bayern S. 42). 1973 erhielt sie nach Maßgabe des Bayerischen Hochschulgesetzes das (in Kooperation mit den staatlichen Fakultäten Erlangen bzw. München auszuübende) Promotionsrecht, 1990 schließlich das eigenständige Promotions- und Habilitationsrecht. 122 Der Vertragstext selbst wurde erst 1978 entsprechend angepaßt, s. oben sub I. 1. b), Text zu FN 21–23. 123 Schriftwechsel zwischen dem Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenrat und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultur über die Anerkennung der kirchlichen Augustana-Hochschule in Neuendettelsau als Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 26 Buchst. c des Staatsvertrags, bekanntgemacht am 26. August 1948, Abdruck: KABl. Landeskirche Bayern S. 79. 124 Vollzugsbekanntmachung des Staatsministers für Unterricht und Kultus vom 29. September 1949, Abl. des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus S. 197. – Aktueller gesetzlicher Status: Art. 81 S. 2 BayHochschulG. 125 Errichtung ad experimentum durch Dekret der Sacra Congregatio de Seminariis et Studiorum Universitatibus vom 5. Juni 1950, Abdruck in: Kirchliches Amtsblatt Trier S. 111; endgültige Errichtung durch Dekret derselben Kongregation vom 8. September 1955, Abdruck in: AAS 48 (1956), 590 f. 126 Erlaß vom 22. August 1950. Einzelheiten bei Himmelsbach, Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten (FN 3), S. 57 ff.; aus dem zeitgenössischen Schrifttum Hubert Junker, Die Errichtung der Theologischen Fakultät Trier und das deutsche Hochschulrecht, TThZ 60 (1951), 146 ff.; Nikolaus Hilling, Die päpstliche Errichtung und staatliche Anerkennung der Theologischen Fakultät in Trier. Ein Selbstinterview mit Aktenpublikation, ArchKathKR 125 (1951/52), 257 ff. 127 1905 von Friedrich von Bodelschwingh als „Theologische Schule“ gegründet (näher Gisela Heckel, Der Rechtsstatus der evangelischen kirchlichen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. iur. Köln 1957, S. 14 ff.), waren die dort absolvierten Studien weder staatlich noch kirchlich anerkannt (Solte, Theologie an der Universität [FN 2], S. 107). 1945 wurde die Hochschule unter der Trägerschaft der Zionsgemeinde Bethel wiederöffnet. – Näher zur Geschichte Frank-Michael Kuhlemann, Die Kirchliche Hochschule Bethel. Grundzüge ihrer Entwicklung 1905–2005, 2005. 128 Die Kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie, Abteilung Elberfeld, entstand 1935 auf Initiative u.a. von Martin Niemöller als Ausbildungsstätte des theologischen Nachwuchses der Bekennenden Kirche. 1945 nahm sie als Theologische (dann: Kirchliche) Hochschule Wuppertal den Lehrbetrieb wieder auf, zunächst in Trägerschaft des Altpreußischen Bruderrates, später derjenigen eines eigenen Vereins und seit 1976 in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Einzelheiten bei Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche. Die Anfänge der Kirchlichen Hochschule Wuppertal 1935 bis 1945, 1985. 129 Das seit 1913 bestehende „Missionshaus St. Augustin“ fungierte seit 1919 als Noviziatshaus, ehe es durch Errichtung des philosophischen (1925) und theologischen (1932) Studienganges zum Missionspriesterseminar ausgebaut wurde. 130 Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1979, GVBl. S. 926. 131 § 118 Abs. 1 S. 1 HochschulG NRW 1979; aktuell: § 74 Abs. 1 S. 1 HochschulG NRW 2014 (die Hochschulen in Bethel und Wuppertal waren 2005/2007 zur Kirchlichen Hochschule Wuppertal/ Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 8 3 den übrigen Fällen durch ministerielle Entscheidung erfolgte.132 In gleicher Weise haben das Land Hessen die Philosophisch-Theologische Hochschule Frankfurt St. Georgen133 sowie die Theologische Fakultät in Fulda,134 das Land Rheinland-Pfalz die vormalige Missionsausbildungsstätte der Pallotiner in Vallendar135 sowie der Freistaat Bayern die Hochschule für Philosophie in München136 anerkannt und mit akademischen Rechten ausgestattet. c) Rechtliche Würdigung Die Frage, welche rechtlichen Auswirkungen die genannten landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen auf die Geltung teilweise gegenlautender staatskirchenvertraglicher Normen haben, ist nur vereinzelt im älteren Schrifttum gesehen worden.137 Sämtliche Autoren138 gelangen zu dem – zutreffenden – Ergebnis, daß jedenfalls der Freistaat Bayern sowie die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (als – partielle – Rechtsnachfolger des Freistaates Preußen) auf die das kirchliche Wirken beschränkenden vertraglichen Bestimmungen verzichtet haben. In seiner für das Konkordatsrecht maßstabsetzenden Habilitationsschrift hat Alexander Hollerbach nachgewiesen,139 daß ein rechtswirksamer Verzicht auf die Ausübung vertraglicher Rechte jedenfalls dann möglich ist, wenn dieser (1.) durch einen Akt der Gesetzgebung erfolgt und (2.) den Vertragspartner begünstigt, indem er diesem einen Zugewinn an Freiheit einräumt. Formal wird eine staatskirchenvertragliche Vereinbarung dergestalt nicht geändert – dafür wäre in der Tat eine Modifizierung durch einen actus contrarius, d.h. eine Vertragsänderung erforderlich140 –, wohl aber normativ überlagert: Der verzichtenden Teil geht über das Staatskirchenvertragsrecht hinaus,141 wovon der begünstigte Teil Gebrauch machen kann – aber nicht muß. Dergestalt bleibt die Einordnung des Staatskirchenvertrags in das staatliche Rechtsquellensystem gewahrt.142 Dessen Rechtsanwendungsbefehl durch einen staatlichen Transformationsakt (im Regelfall: durch Parlamentsgesetz) wird für die staatliche Rechtsordnung durch ein zeitlich nachfolgendes Gesetz (lex posterior) oder Verfassungsgesetz (lex superior) ausgeweitet, so daß sich der kirchliche Vertragspartner auf diese zu seinen Gunsten geänderte Rechtlage berufen kann, ohne durch den zeitlich vorgängigen Vertrag daran gehindert zu sein. Als praktische Beispiele hat bereits Hollerbach Art. 150 Abs. 1 BayLV im Verhältnis zu Art. 26 lit. c) a.F. BayEvKV sowie Art. 16 Abs. 2 LV NRW im Verhältnis zu Art. 12 Abs. 2 PrK genannt.143 Auf die Beachtung dieser konkordatären Bestimmung haben überdies auch die anderen Länder mit ehemals preußischen Anteilen, deren Verfassung eine analoge Aussage enthält, verzichtet, also Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Für die Richtigkeit dieses Verständnisses sprechen nicht zuletzt die oben dargestellten nachfolgenden Vereinbarungen hinsichtlich der Bistümer Essen und Erfurt.144 In beiden Fällen wurde den betreffenden BischöBethel zusammengeschlossen worden). 132 Erlasse des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1983, Az. III B 3 – 5299/67/83 (Philosophisch-Theologische Hochschule SVD St. Augustin) sowie Az. III B 3 – 5299/105/83 (PhilosophischTheologische Hochschule Münster). 133 Bescheid des Hessischen Kultusministers vom 31. März 1980, Abdruck in: ArchKathKR 149 (1980), 217. 134 Bescheid des Hessischen Kultusministers vom 23. Februar 1983, s. Himmelsbach, Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten (FN 3), S. 90, 135. 135 Die seit 1896 in Koblenz-Ehrenbreitstein ansässige philosophisch-theologische Bildungsstätte mit dem Ziel der Missionarsausbildung wurde 1897 nach Limburg verlegt und 1945 in Vallendar wiedereröffnet. Bis in die 1960er Jahre allein ordensintern ausgerichtet, öffnete sie sich erst für sonstige Priesteramtskandidaten und ab den 1970er Jahren auch für Laientheologen. Die staatliche Anerkennung erfolgte durch Bescheid des Kultusminister von Rheinland-Pfalz vom 2. März 1979, Abdruck in: ArchKathKR 148 (1979), 197. 136 Bescheide des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 24. September 1971 und 17. November 1972. Zu ihnen näher Manfred Baldus, Die nichtstaatlichen katholischen Hochschulfakultäten in der Bundesrepublik Deutschland, WissR 10 (1977), 48 (55 f.). – Aktueller gesetzlicher Status: Art. 81 S. 1 BayHochschulG. 137 Erstmals wohl Werner Weber, Rechtsfragen der kirchlichen Hochschulen, ZevKR 1 (1951), 346 (348 f.); grundlegend dann Alexander Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965, S. 174 f.; Heinrich Flatten, Zur Rechtsstellung des Kölner Priesterseminars. Konkordatsrechtliche Erwägungen zur Rechtslage im Land NordrheinWestfalen, ÖAKR 22 (1971), 290 ff.; Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 406 f. 138 Allein Weber zieht aus der Zitation der Normen der Landesverfassungen keine Schlußfolgerungen hinsichtlich einer (nur noch) beschränkten Fortgeltung der Verträge. 139 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche (FN 137), S. 175; ebenso Flatten, ÖAKR 22 (1971), 290 (295 f.). 140 Hierauf insistiert Weber, ZevKR 1 (1951), 346 (354 f.), im Hinblick auf die in der unmittelbaren Nachkriegszeit modifizierten Erfordernisse des Triennium bei der evangelischen Pfarrerausbildung (die allerdings gerade nicht in Gesetzesform, sondern durch Verwaltungsentscheidungen erfolgten). 141 Flatten, ÖAKR 22 (1971), 290 (296). 142 Hierzu im Überblick Stefan Mückl, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VII, 3. Aufl. 2009, § 159 Rn. 44. 143 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche (FN 137), S. 175, Fn. 1; ebenso Flatten, ÖAKR 22 (1971), 290 (293 ff.); dem zustimmend Mussinghoff, Theologische Fakultäten (FN 2), S. 406 f. 8 4 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 fen das Recht zur Errichtung eines Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zuerkannt, womit in Anbetracht der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits geltenden Landesverfassung deren Gewährleistung lediglich deklaratorisch bekräftigt,145 nicht aber als Recht erst konstitutiv begründet wurde.146 Deutlich wird dies insbesondere in § 6 Abs. 2 des Vertrags zur Errichtung des Bistums Essen, welcher explizit festhält, das „Recht aus Art. 16 Abs. 2“ der Landesverfassung bleibe „auch im übrigen unberührt“. Als zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Gebiet beider Bistümer eine staatliche theologische Fakultät errichtet werden sollte, ließ dies das Recht der Bischöfe zum Besitz eines eigenen wissenschaftlichen Seminars unangetastet, welche allein in einem gesonderten Rechtsakt erklärten, auf die Ausübung ihres Rechtes zu verzichten.147 3. Zwischenergebnis Während die Bestimmungen der älteren Staatskirchenverträge hinsichtlich des philosophisch-theologischen Triennium größtenteils unverändert gültig sind (bei allerdings reduziertem Interesse und beschränkten Möglichkeiten des Staates, auf deren praktische Beachtung hinzuwirken),148 haben sich deutliche Verschiebungen bei den Vorgaben ergeben, an welchen Einrichtungen die Studien zu absolvieren sind. Für den Bereich der katholischen Kirche ließ bereits das Reichskonkordat – jenseits des Geltungsbereichs des PrK – kirchliche Lehranstalten zu. Im übrigen haben die nach 1945 bzw. 1990 in Kraft getretenen Landesverfassungen in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und in Nordrhein-Westfalen sowie in Brandenburg, Sachsen und Thüringen die (tatsächlich bestehenden oder interpretativ angenommenen) Restriktionen in den noch aus Weimarer Zeiten stammenden Staatskirchenverträgen beseitigt. Die Kirche ist in der Errichtungen eigener Institutionen frei. IV. Bedeutungswandel theologischer Fakultäten durch geänderte Rahmenbedingungen Die Annahme, mit der staatskirchenvertraglichen Einrichtung von staatlichen theologischen Fakultäten habe der kirchliche Vertragspartner implizit die Verpflichtung übernommen, seine künftigen Geistlichen auch an diesen ausbilden zu lassen, beruhte historisch auf drei Prämissen: (1) Aus übergeordneten Gründen des Staatswohls bedürfen die Geistlichen einer wissenschaftlichen Vorbildung, die grundsätzlich nur der Staat zu erbringen imstande ist, (2.) die theologischen Fakultäten werden weit überwiegend von Theologiestudenten genutzt, die sich auf das Priestertum sowie auf das Pfarramt vorbereiten und (3.) die theologischen Fakultäten werden explizit für den Zweck der wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen eingerichtet. Alle drei Prämissen sind seit geraumer Zeit nicht mehr tragfähig; allein besondere Konstellationen können (im Fall einer ausdrücklichen Vereinbarung) eine (näher zu bestimmende) kirchliche Verpflichtung begründen (4.). 1. Wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen und Notwendigkeit der staatlichen Universität Die (einseitige) staatliche Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts wünschte den „wissenschaftlich gebildeten“ Geistlichen.149 Eine wissenschaftliche Ausbildung, so die noch bis in die 1950er Jahre weit verbreitete Überzeugung,150 konnte allein der Staat an seinen Universitäten leisten. Dahinter stand die auf das Preußische Allgemeine Landrecht zurückgeführte151 Rechtsansicht vom staatlichen Hochschulmonopol. In dieser Logik (deren 144 FN 28, 38. 145 Typischerweise haben zahlreiche staatskirchenvertragliche Bestimmungen wiederholenden und verstärkenden Charakter: Das vom Staat in seiner Rechts‑, besonders seiner Verfassungsordnung bereits Gewährleistete wird auch vertraglich abgesichert, s. Mückl, Grundlagen des Staatskirchenrechts (FN 142), § 159 Rn. 37. 146 Richtig gesehen von Flatten, ÖAKR 22 (1971), 290 (295). 147 FN 29, 43. – Hier lag jedenfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der entscheidende Unterschied zur Rechtslage in Niedersachsen (oben Text zu FN 32, 33): Die seinerzeit geltende Vorläufige Niedersächsische Verfassung von 1951 enthielt als reines Organisationsstatut weder Grundrechte noch Aussagen zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Da seinerzeit zudem die Existenz eines staatlichen Hochschulmonopols (dazu sogleich sub IV.) weitgehend unangefochten angenommen wurde, lag der in Art. 4 Abs. 2 NdsK für den Fall einer staatlichen theologischen Fakultät an der Universität Göttingen vorgesehene Wegfall des Rechts aus Art. 12 Abs. 2 PrK für die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück im Rahmen der seinerzeitigen niedersächsischen Rechtslage. Ob inzwischen auch für Niedersachsen aufgrund der revidierten Verfassung von 1993, welche nunmehr die Freiheit privater Hochschulen enthält (Art. 5 Abs. 2), und der nachfolgenden Hochschulgesetzgebung (§§ 64 ff. NdsHochschulG) ein staatlicher Verzicht auf Art. 4 Abs. 2 NdsK angenommen werden könnte, bedürfte noch gesonderter Untersuchung. 148 Der literarische Protest von Solte, Theologie an der Universität (FN 2), S. 104 f., und Heckel, Die Theologischen Fakultäten in weltlichen Verfassungsstaat (FN 2), S. 373 f., gegen verschiedene landeskirchliche Aufweichungen ist in der Praxis folgenlos geblieben. 149 Oben II. 150 Arnold Köttgen, Das Grundrecht der deutschen Universität, Göttingen 1959, S. 7; Weber, in: Tymbos für Wilhelm Ahlmann (FN 3), S. 309 (311, 317 f.). 151 § 1 II 12 ALR lautete: „Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates.“ Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 8 5 juristische Exegese alles andere als zwingend war152) konnte der Staat kirchliche Ausbildungsstätten allenfalls als Ausnahmefall hinnehmen und mußte ihnen detaillierte Vorgaben für ihren Betrieb auferlegen. Gleichwohl galten sie nicht als wissenschaftliche Einrichtungen – keine von ihnen besaß das Recht, mit Wirkung für den staatlichen Rechtskreis Abschlüsse und akademische Grade zu verleihen –, sondern als Bildungsstätten minderen Ranges und Hort obskuranten Dogmatismus. Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen sind die staatskirchenvertraglichen Bestimmungen in Bayern, Preußen und Baden zu sehen. Jedenfalls die katholische Kirche hatte sich seinerzeit mitnichten „freiwillig“ entschlossen, „ihre Theologenausbildung an den staatlichen Universitäten zu belassen“,153 sondern sich mangels gangbarer Alternative zur vertraglichen Absicherung des bereits bestehenden Zustands verstanden. Ein eigenständiges kirchliches Bildungswesen in Schule und Hochschule war und ist ein essential der katholischen Kirche, welches vertraglich zu erreichen ihr in den 1920er Jahren zwar nur ansatzweise gelang, das sie aber nicht aufgegeben hat. In jener historischen Situation die staatskirchenvertraglichen Bestimmungen als ein „Angebot“ des Staates zu sehen, welches die Kirche „rechtsverbindlich angenommen“ habe, wodurch die „Erhaltung und Benützung der theologischen Fakultäten … zu einer rechtlichen Pflicht auch der Kirchen geworden sei“,154 berücksichtigt und gewichtet die seinerzeitigen Rahmenbedingungen nicht in dem gebotenen Maße. Vollends brüchig wurden diese Rahmenbedingungen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg: Das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Fassung sah keine Kompetenz des Bundes für die Hochschulen vor, welche damit der sog. Kulturhoheit der Länder unterfielen. Auch wenn weiterhin im Schrifttum das Bestehen eines staatlichen Hochschulmonopols als „allgemeiner Grundsatz des deutschen Hochschulrechts“ behauptet wurde,155 hat das Grundgesetz die vorgängige Entscheidung von fünf Landesverfassungen, das (angenommene) staatliche Hochschulmonopol durch die Zulassung von kirchlichen Ausbildungsstätten für die Vorbildung der Geistlichen zu durchbrechen, sanktioniert – letztlich bezweifelte das auch nicht der Protest jener etatistischen Stimmen.156 Schlußpunkte der Entwicklung waren die infolge der Grundgesetzänderung von 1969 eingeführte Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Hochschulwesen157 und der Erlaß des darauf gestützten Hochschulrahmengesetzes von 1976. Darin wurde allgemein die Möglichkeit der Anerkennung nicht-staatlicher Hochschulen mit allen akademischen Rechten geregelt, wovon die Länder in der Folgezeit sowohl bei kirchlichen wie sonstigen privaten Hochschulen umfangreichen Gebrauch machten.158 Damit ist seit Ende der 1970er Jahre die erste grundlegende Rahmenbedingung für das grundsätzliche Erfordernis, die Geistlichen müßten ihre wissenschaftliche Vorbildung gerade an einer staatlichen theologischen Fakultät erhalten, hinfällig geworden. Ratio der historischen Bestimmungen in den Konkordaten und Kirchenverträgen war die Sicherstellung einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung der Geistlichen,159 nicht aber der Bestandsschutz einer konkreten staatlichen Institution. 152 Bereits die nachfolgende Norm (§ 2 II 12 ALR: „Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staats errichtet werden.“) machte deutlich, daß nicht-staatliche Institutionen keineswegs verboten, sondern allein unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden sollten. Gleichwohl verfocht die Staatspraxis das Dogma vom staatlichen Hochschulmonopol. Mit den Handelshochschulen wurde dieses erstmals Ende des 19. Jahrhunderts durchbrochen, die Gründung der ersten nichtstaatlichen Universität erfolgte erst 1914 („Königliche Universität zu Frankfurt am Main“). 153 Vgl. Heckel, Die Theologischen Fakultäten (FN 3), S. 370. 154 Ebd., S. 371; ähnlich Weber, ZevKR 1 (1951), 346 (349), der meint, „die Kirche“ habe in den Konkordaten mit Bayern, Preußen und Baden ein staatliches Hochschulmonopol „wiederholt ausdrücklich anerkannt“. 155 Nachw. FN 150. 156 Nicht ohne resignativen Unterton Weber, in: Tymbos für Wilhelm Ahlmann (FN 3), S. 309 (317): nun sei „das klare staatsrechtliche Gefüge des überlieferten theologischen Hochschulwesens erschüttert“, und weiter: „die staatliche Hochschulhoheit (sei) in manifester Form gesprengt worden“ (S. 321). 157 Das 22. Gesetz der Änderung zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 185) wies dem Bund die Kompetenz zu, Rahmenvorschriften über „die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ zu erlassen (Art. 75 Nr. 1a GG). Die Bestimmung wurde im Zuge der Föderalismusreform I durch ein weiteres Änderungsgesetz (vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034) wieder gestrichen. 158 Hinsichtlich kirchlicher Hochschulen s. die Nachw. in FN 131- 136. 159 Die dahinter stehende Motivation der Kontrolle der Geistlichkeit hingegen entbehrt im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat der Legitimation, s. explizit BVerfGE 122, 89 (111). 8 6 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 2. Theologische Fakultäten als überwiegende Ausbildungsstätten für den geistlichen Nachwuchs Im Zeitpunkt der Staatskirchenverträge und bis weit in die 1960er Jahre studierten an den theologischen Fakultäten weit überwiegend Kandidaten für das Priestertum sowie für das Pfarramt,160 und zwar in einer Größenordnung, welche die Fortführung bzw. Errichtung einer Fakultät rechtfertigen konnte.161 Das Ausbleiben dieser Personengruppe konnte die Existenz einer theologischen Fakultät beenden162 oder ihre Entstehung substantiell gefährden.163 Ein solches Schicksal drohte zuletzt – bereits kurz nach Aufnahme des Vorlesungsbetriebs im Sommer 1965 – der neugegründeten katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Bochum:164 Diese war ursprünglich nicht für die Priesteramtskandidaten des Bistums Essens gedacht gewesen, sondern für die Ausbildung von Religionslehrern und sonstigen „Nichtpriesteramtskandidaten“. Erst als diese ausblieben,165 baten die Professoren der Fakultät den Bischof von Essen, die Priesteramtskandidaten (welche zunächst an den theologischen Einrichtungen der Mutterbistümer Köln, Paderborn und Münster, sodann in Bonn studiert hatten) nach Bochum zu transferieren. Zur weiteren Absicherung der Fakultät wurde dann im Dezember 1967 (also über zwei Jahre nach deren Eröffnung) der bekannte Notenwechsel mit dem Verzicht des Essener Bischofs auf ein eigenes Seminar ausgetauscht.166 Gegenwärtig hat sich hingegen der langfristige Trend verfestigt, daß die Ausbildung des geistlichen Nachwuchses an den theologischen Fakultäten vom Regel- zum Ausnahmefall mutiert ist. Zwar ist die Anzahl der Theologiestudenten insgesamt annähernd konstant geblieben, was indes den stark angestiegenen Zahlen bei den Lehramts- und Bachelorstudiengängen zu verdanken ist. Die Zahlen bei den sog. Volltheologen sind massiv eingebrochen (im Studium der katholischen Theologie um 50% in den vergangenen 25 Jahren).167 Die in den landeskirchlichen Listen eingetragenen Studenten der evangelischen Theologie (damit die potentiellen Anwärter auf das Pfarramt) erreichen noch gut 20% des Stands von Ende der 1980er Jahre,168 die Anzahl der Seminaristen sämtlicher katholischer Diözesen ist allein im Zeitraum von 2009 bis 2017 um nahezu die Hälfte zurückgegangen (und liegt in absoluten Zahlen bei 489 Seminaristen).169 3. Errichtung von theologischen Fakultäten „zur“ wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen Dem soeben dargelegten rechtstatsächlichen Befund entsprach in den Staatskirchenverträgen der Weimarer Zeit sowie in den ersten beiden Jahrzehnten unter der Geltung des Grundgesetzes der in den Vertragstexten niedergelegte Konnex zwischen Errichtung einer theologischen Fakultät und deren Zweckbestimmung auf die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen. Die zahlenmäßig rasch zunehmende und dann vorherrschende Präsenz von Studenten an den theologischen Fakultäten, welche nicht das Priestertum bzw. 160 Stichprobe: Im Sommersemester 1960 waren von den 363 an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn eingeschriebenen Studenten 237 Priesteramtskandidaten, s. Gatz, Römische Quartalsschrift 88 (1993), 237 (244). 161 Auch das – kleine – frisch gegründete Bistum Essen zählte 1958 143 Priesteramtskandidaten, 1962 bereits 179, s. Biagioni, in: Gatz, Priesterausbildung (FN 30), S. 73. 162 Historisches Beispiel: Die 1830/31 errichtete katholisch-theologische Fakultät an der Universität Gießen mußte mangels Studenten geschlossen werden, als 1851 der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler für die Seminaristen seiner Diözese das Bischöfliche Priesterseminar als philosophisch-theologische Ausbildungsstätte bestimmte. Eingehend Uwe Scharfenecker, Die Katholisch-Theologische Fakultät Gießen (1830–1859). Ereignisse, Strukturen, Personen, 1998. 163 Die ebenfalls 1831 konstituierte katholisch-theologische Fakultät an der Universität Marburg nahm ihren Vorlesungsbetrieb erst gar nicht auf, nachdem der Bischof von Fulda sich nicht bereit fand, die philosophisch-theologische Ausbildung am Bischöflichen Priesterseminar einzustellen. Näher Carl Mirbt, Die katholisch-theologische Fakultät zu Marburg. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Kirche in Kurhessen und Nassau, 1905. 164 Heribert Heinemann, Die Katholisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität. Kritische Anmerkungen zu staatskirchenrechtlichen und kirchenrechtlichen Vereinbarungen, in: Winfried Aymans/Karl-Theodor Geringer (Hrsg.), Iuri Canonico Promovendo. Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, 1994, S. 397 (400 f.). 165 Im Wintersemester 1966/67 studierten erst 39 ordentliche Studenten an der bereits mit 11 Ordinarien ausgestatteten Fakultät, s. Eva Schmidt-Häuer, Theologen im Turm. In der Bochumer Universität beugt man sich den Wünschen des katholischen Klerus, in: DIE ZEIT, Nr. 8 v. 24. Februar 1967 (zugänglich unter www. zeit.de/1967/08/theologen-im-turm; Zugriff: 22. März 2019). 166 Oben FN 29. 167 So die vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz erhobenen und vom Katholisch-Theologischen Fakultätentag veröffentlichten Zahlen, s. http://kthf.de/wp-content/uploads/2015/12/Statistik-der-Studierendenzahlen-2016.pdf (Zugriff: 22. März 2019). 168 Waren Ende der 1980er Jahre noch etwa 10.000 Studenten in den landeskirchlichen Listen eingeschrieben, waren es (mit weiter abnehmender Tendenz) im Wintersemester 2012/13 noch 2421 Studenten. Einzelheiten bei Verena Schneider, Landeskirchen brauchen dringend junge Pfarrerinnen. Von der „Theologenwelle“ zur „Pensionierungsdelle“, online zugänglich unter www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=3620 (Zugriff: 22. März 2019). 169 Zwischen 2009 und 2017 sanken die Zahlen von 842 auf 489. Nachw. in der jährlich vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen Arbeitshilfe „Katholische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten“, Ausgabe 2010/11, S. 12; Ausgabe 2017/18, S. 42. Mückl · Der Angebotscharakter der Konkordate und Kirchenverträge 8 7 das Pfarramt anstrebten, fand hingegen in den Verträgen nur zögerlich textliche Berücksichtigung. Die erste Lockerung im geänderten BayK von 1974 sah – seinerzeit von den Realien noch gedeckt – in der Vorbereitung auf den priesterlichen Beruf unverändert den Hauptzweck einer theologischen Fakultät, nahm aber bereits andere Dienste in den Blick.170 Demgegenüber hielten zehn Jahre später, als sich der Schwerpunkt bereits deutlich vom geistlichen Nachwuchs auf die sonstigen Theologiestudenten verschoben hatte, die nordrhein-westfälischen Verträge171 unbeirrt an der (alleinigen) Zielsetzung herkömmlichen Zuschnitts fest. Erst die nach 1990 abgeschlossenen Staatkirchenverträge nahmen den rechtstatsächlichen Befund auch normativ adäquat zur Kenntnis und erwähnten (wenn überhaupt172) die Zielsetzung der wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen als einen Belang unter mehreren. Diese langfristige Entwicklung ist selbstverständlich den beteiligten Vertragspartnern nicht verborgen geblieben. Wenn sie unter diesen Umständen die bestehenden theologischen Fakultäten weiter aufrecht erhalten, läßt dies nur den Schluß zu, daß der Zusammensetzung der Studentenschaft in einer staatlichen theologischen Fakultät keine rechtlich relevante Bedeutung mehr zukommt.173 Damit erschöpft sich die Wendung „zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen“ in den Verträgen auf die Eignung der betreffenden Fakultät, auch diese (weiterhin) zu erbringen. 4. Kirchliche Verpflichtungen in besonderen Situationen Läßt sich weder historisch noch aktuell aus dem Umstand der Errichtung einer theologischen Fakultät eine Verpflichtung des kirchliche Teils konstruieren, an dieser seine angehenden Geistlichen ausbilden zu müssen, bleibt es infolge der staatskirchenrechtlichen Vertragsfreiheit den Vertragspartnern unbenommen, im Einzelfall spezifischere Bindungen einzugehen. Dies ist der deutschen Praxis der vergangenen Jahrzehnten in unterschiedlichem Ausmaß und in wenigen Fällen geschehen: der Verzicht der Bischöfe von Essen (1967) sowie von Dresden-Meißen, Erfurt, Magdeburg und Görlitz (1997) auf die Ausübung ihres Rechts auf Errichtung und Unterhaltung einer eigenen Einrichtung für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen, außerdem die Beschränkung der Evangelischen Kirchen in Thüringen auf bestimmte Ausbildungsorte der Pfarrerausbildung (1994). Allen drei Fälle lagen besondere Situationen zugrunde: Neugründung bzw. staatliche Übernahme einer Fakultät mit dem entsprechenden Investitionsaufwand (Bochum und Erfurt), weitgehend religionslos geprägtes Umfeld, welche eine Konzentration der Ausbildung der künftigen Geistlichen nahelegte (Erfurt und Jena), prekäre Situation der öffentlichen Finanzen in den Jahren nach der Wiedervereinigung (wiederum Erfurt und Jena). Weder lassen sich derartige Sondersituationen im Tatsächlichen verallgemeinern, noch kann aus im Einzelfall vereinbarten spezifischeren Bindungen ein allgemeines Prinzip abgeleitet werden. Vielmehr bestätigen gerade die tatsächlichen wie rechtlichen Ausnahmen, daß für den Regelfall – also jenseits einer besonderen Vereinbarung – keine vertraglichen Verpflichtungen des kirchlichen Partners im Hinblick auf ein Handeln (Zuweisung der angehenden Geistlichen an die örtlich „zuständige“ staatliche theologische Fakultät) oder Unterlassen (kein Betrieb einer zu dieser „konkurrierenden“ eigenen Einrichtung174) bestehen. 170 Oben FN 7. 171 Oben FN 31, 47. 172 Die beiden Thüringer Verträge (FN 42, 43 sowie 70), EvKV Berlin (FN 53) und EvKV BW (FN 67). 173 Aus diesem Befund zog erstmals in einem Vertragstext explizit die rechtlichen Konsequenzen der Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Oktober 2018 zum Fortbestand der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bochum (bisher nicht veröffentlicht): Nachdem seit dem Wintersemester 2012/13 die Priesterausbildung für das Bistum Essen statt in Bochum in Münster stattfindet, hält nunmehr der Notenwechsel fest, daß „an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität in Bochum nicht notwendigerweise Geistliche ausgebildet werden“ (Zitat und weitere Einzelheiten im Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland bei Gelegenheit der Unterzeichnung des Notenwechsels, zugänglich unter www.nuntiatur.de/detail/ grusswort-von-nuntius-eterovic-zzum-notenwechsel-zwischendem-heiligen-stuhl-und-dem-land-nordrhein-westfalen.html; Zugriff: 22. März 2019). 174 Himmelsbach, Rechtsstellung der Theologischen Fakultäten (FN 3), sieht offenbar in den Staatskirchenverträgen ein System wechselseitigen Konkurrenzverbots angelegt: So müsse sich die Kirche „beim Ausbau eines eigenen Hochschulwesens im Bereich der Theologenausbildung in Zurückhaltung … üben, um nicht ‚vor Ort‘ zu einer konkordatär garantierten theologischen Staatsfakultät in Konkurrenz zu treten“ (S. 30), umgekehrt sei es dem Staat verwehrt, dort staatliche Fakultäten zu errichten, wo die Kirche bereits eine eigene Hochschule unterhält (S. 84 f.). – BVerwGE 101, 309, Tz. 28, hat das Argument des Konkurrenzschutzes für die Errichtung eines Diplomstudiengangs Katholische Theologie an einer staatlichen Universität in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer kirchlichen Hochschule nicht gelten lassen. 8 8 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2019), 69–88 V. Zusammenfassung in Thesen 1. Die älteren Konkordate (BayK, PrK, BadK) gewährleisteten explizit oder implizit konkrete staatliche theologische Fakultäten. Die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen konnte außerdem an bestimmten bischöflichen Seminaren sowie an den päpstlichen Hochschulen in Rom erfolgen. Das PrK sah das Bestehen von bischöflichen Seminaren in jenen Diözesen vor, in welchen keine staatliche theologische Fakultät vorhanden war. 2. In seiner Systematik bildete insbesondere das PrK die preußische Gesetzeslage von 1887 – nach der partiellen Entschärfung der „Kulturkampf “gesetzgebung von 1873 – ab. Der Heilige Stuhl hat mit Abschluß des Konkordats den status quo vertraglich abgesichert, ohne von seiner grundsätzlichen Haltung abzurücken. Weder war der Vertragswille des Heiligen Stuhls auf eine dauerhafte Verpflichtung zur Inanspruchnahme der staatlichen theologischen Fakultäten und den dauerhaften Verzicht auf eigene Ausbildungsstätten gerichtet, noch decken die Vertragstexte ein solches Verständnis. 3. Das RK hatte – außer für den Geltungsbereich des PrK – das kirchliche Recht zur Errichtungen eigener philosophisch-theologischer Lehranstalten anerkannt. Die insoweit aus dem PrK abgeleiteten Beschränkungen wurden durch diverse Landesverfassungen nach 1945 bzw. 1990 infolge staatlichen Verzichts gegenstandslos. Die ersten Gründungen derartiger kirchlicher Ausbildungsstätten erfolgten bereits in den ersten Jahren nach 1945. 4. Ebenfalls erhielten die früheren evangelischen Kirchenverträge (BayEvKV, PrEvKV, BadEvKV) konkrete staatliche theologische Fakultäten in ihrem Bestand aufrecht. Da seinerzeit die Anwärter auf das Pfarramt durchweg an diesen Fakultäten studierten, erübrigten sich Bestimmungen über eigene kirchliche Ausbildungsstätten. 5. Derartige kirchliche Ausbildungsstätten wurden bereits in den ersten Jahren nach 1945 errichtet und vom Staat auf der Grundlage der Landesverfassungen anerkannt. Ab den 1950er Jahren wurde auch ihr Bestand als kirchliche Rechtsposition explizit in den Kirchenverträgen verankert. 6. Im Einzelfall haben sich die kirchlichen Vertragspartner zur Nicht-Ausübung ihres Rechts auf das Bestehen eigener Ausbildungsstätten bzw. zur Beschränkung auf die bereits vorhandenen verpflichtet. Aus der allgemeinen Selbstverpflichtung, für eine ausreichende Anzahl von Studenten an den theologischen Fakultäten Sorge zu tragen, erwachsen ebenso wenig konkrete Handlungs- oder Unterlassungspflichten wie aus staatlichen Erwartungshaltungen, die nicht Vertragsbestandteil geworden sind. 7. Das Gesamtgefüge von staatlichen theologischen Fakultäten und kirchlichen Ausbildungsstätten hat mit den Landesverfassungen nach 1945 sowie mit dem Hochschulrahmengesetz (1976) erhebliche rechtliche und seit den 1980er Jahren auch wesentliche tatsächliche Veränderungen erfahren. Wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen setzt nach dem Abschied vom staatlichen Hochschulmonopol nicht mehr zwingend das Studium an einer staatlichen Universität voraus. Die zur Zeit der des Abschlusses der ersten Staatskirchenverträge tragende Prämisse, die theologischen Fakultäten dienten ausschließlich oder weit überwiegend der Ausbildung des geistlichen Nachwuchses wurde ab den späten 1960er Jahren brüchig und gilt heute nicht mehr. Angesichts der dramatisch gesunkenen Zahlen der Anwärter auf das geistliche Amt ist aktuell wie künftig keine theologische Fakultät in ihrem Bestand bedroht, wenn diese Anwärter andernorts studieren. 8. Der kirchliche Vertragspartner wird demnach (von Sonderfällen abgesehen, welcher gesonderter Vereinbarung bedürfen) durch die Staatskirchenverträge nicht verpflichtet, seine angehenden Geistlichen durch bestimmte staatliche Institutionen ausbilden zu lassen, noch daran gehindert, eigene Ausbildungsstätten zu errichten und zu betreiben. Stefan Mückl ist Professor für Kirchenrecht, insbesondere Verkündigungs- und Staatskirchenrecht, an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom.