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I. Ein­lei­tung

Nach­dem die eng­li­sche Pre­mier­mi­nis­te­rin The­re­sa May am 29. März 2017 „die Schei­dungs­pa­pie­re“ in Brüs­sel ein­ge- reicht hat, ste­hen nun­mehr Ver­hand­lun­gen über die Moda- litä­ten des Aus­schei­dens der Bri­ten aus der EU an.

Die Berech­ti­gung zum Aus­tritt aus der EU fin­det ihren nor­ma­ti­ven Nie­der­schlag im EUV. Nach Art. 50 I EUV kann jeder Mit­glied­staat im Ein­klang mit sei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten beschlie­ßen, aus der Uni­on aus­zu­tre­ten. Ein Mit­glied­staat, der aus­zutre- ten beschließt, teilt dem Euro­päi­schen Rat sei­ne Absicht mit, Art. 50 II 1 EUV. Die For­mu­lie­run­gen ver­an­schau­li- chen, dass die­se ein­sei­ti­ge Aus­tritts­er­klä­rung an kei­ner- lei euro­pa­recht­li­che, wohl aber an inner­staat­li­che Vor- aus­set­zun­gen geknüpft ist.1 Herrsch­te im Ver­ei­nig­ten König­reich (UK) zunächst Unsi­cher­heit hin­sicht­lich des Erfor­der­nis­ses der Ein­be­zie­hung des Par­la­ments im Zu- sam­men­hang mit der Aus­tritts­er­klä­rung, sorg­te der Sup- reme Court mit sei­ner Ent­schei­dung am 24. Janu­ar 2017 für Klar­heit: Die Mit­wir­kung des Par­la­ments wur­de für not­wen­dig erachtet.2 Nach­dem die­ses sei­ne Zustim- mung zur Absichts­er­klä­rung im Sin­ne des Art. 50 II 1 EUV erteilt hat­te, wur­de sel­bi­ge – wie oben ange­deu­tet – am 29. März 2017 abge­ge­ben. Der­zeit schwe­len zahl­rei- che Kon­flik­te rund um die Details der Aus­tritts­ver­hand- lun­gen sowie um die Kos­ten des Austritts.

Auch Wis­sen­schaft und For­schung sind vom Brexit betrof­fen. Die Bedeu­tung der EU für Wis­sen­schaft und For­schung im UK wird durch ein Zitat des nicht nur in For­scher­krei­sen welt­weit bekann­ten bri­ti­schen Astro- phy­si­kers Ste­phen Wil­liam Haw­king, der 1979 bis 2009 an der Uni­ver­si­tät Cam­bridge forsch­te und lehr­te, illust- riert. Die­ser gab bereits vor dem Ple­bis­zit zu ver­ste­hen, dass ein Votum für den Brexit aus sei­ner Sicht gleich­be- deu­tend mit einem „dis­as­ter for UK sci­ence“ sei.3

Die­ser Bericht möch­te – aus­ge­hend von Haw­kings Zitat – die Aus­wir­kun­gen des Brexits auf den Gebie­ten Wis­sen­schaft und For­schung dar­stel­len. Zudem möch­te er Per­spek­ti­ven einer künf­ti­gen Zusam­men­ar­beit beleuchten.

  1. 1  Callies/Ruffert, 5. Aufl. 2016, EU-Ver­trag (Lis­sa­bon), Art. 50 Rn. 3.
  2. 2  Supre­me Court United King­dom, Urt. V. 24.1.2017 – [2017] UKSC 5, Beck­RS 2017, 100409.
  3. 3  Dazu Sper­ber, Sor­ge um EU-For­schungs­gel­der – Brexit könn­te Unis eine Mil­li­ar­de kos­ten, ZDF heu­te, abruf­bar unter http://

II. Die Zusam­men­ar­beit der EU und des UK auf den Gebie­ten Wis­sen­schaft und Forschung

1. Ver­trags­recht­li­che Grundlagen

Gemäß Art. 179 I AEUV hat die Uni­on „zum Ziel, ihre wis­sen­schaft­li­chen und tech­no­lo­gi­schen Grund­la­gen dadurch zu stär­ken, dass ein euro­päi­scher Raum der For­schung geschaf­fen wird, in dem Frei­zü­gig­keit für For­scher herrscht und wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se und Tech­no­lo­gien frei aus­ge­tauscht wer­den, die Ent- wick­lung ihrer Wett­be­werbs­fä­hig­keit ein­schließ­lich der ihrer Indus­trie zu för­dern sowie alle For­schungs­maß- nah­men zu unter­stüt­zen, die auf­grund ande­rer Kapi­tel der Ver­trä­ge für erfor­der­lich gehal­ten wer­den“. Die Vor- schrift unter­streicht den Stel­len­wert, den die For­schung in der Euro­päi­schen Uni­on genießt.

Ein wich­ti­ger Bestand­teil des in Art. 179 I AEUV an- gespro­che­nen For­schungs­rau­mes ist das UK mit sei­nen ange­se­he­nen Uni­ver­si­tä­ten. EU und UK pro­fi­tier­ten bis- lang wech­sel­sei­tig von der Mit­glied­schaft der Bri­ten in der EU: Wäh­rend die Anzie­hungs­kraft von Cam­bridge, Oxford und ande­ren bri­ti­schen Hoch­schu­len auf den Wis­sen­schafts- und For­schungs­stand­ort EU aus­strahl­te, konn­ten sich die bri­ti­schen Hoch­schu­len an den EU- För­der­gel­dern erfreuen.4 So ent­fie­len bis­lang zehn Pro- zent der euro­päi­schen För­der­gel­der für For­schung und Inno­va­ti­on, mit­hin die höchs­te Sum­me, auf Großbritannien.5

2. Hori­zont 2020

Das bis­lang umfang­reichs­te For­schungs- und Inno­va­ti- ons­pro­gramm der EU ist das Rah­men­pro­gramm Hori- zont 2020. Es dient unter ande­rem dazu, den in Art. 179 I AEUV ange­spro­che­nen For­schungs­raum zu ver­wirk­li- chen.6 Dar­über hin­aus soll durch Hori­zont 2020 eine Bün­de­lung meh­re­rer ein­zel­ner Pro­gram­me der For- schungs- und Inno­va­ti­ons­för­de­rung und somit eine erleich­ter­te Über­füh­rung der gewon­ne­nen Erkennt­nis­se in Wachs­tum und Arbeits­plät­ze bewirkt werden.7 Das Rah­men­pro­gramm trat am 1.1.2014 in Kraft. Man ging davon aus, dass bis 2020 alle Mit­glieds­staa­ten im Ver-

www.heute.de/sorge-um-eu-forschungsgelder-brexit-koennte-

unis-eine-milliarde-kosten-46683434.html [19.5.2017]. 4 Ebd.

5 Ebd.
Becker, Hori­zont 2020 – Das Rah­men­pro­gramm der Europäi-

schen Uni­on für For­schung und Inno­va­ti­on, OdW 2014, 97.

Eve­li­na Will

Der Brexit und die For­schung in der EU

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2017, ISSN 2197–9197

212 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2017), 211–214

bund an den im Rah­men der Schaf­fung von Hori­zont 2020 gesteck­ten Ziel­set­zun­gen mit­wir­ken würden.

Auch im UK sind For­schung und Wis­sen­schaft stark in das Pro­gramm invol­viert, wie ein Blick auf die finan- ziel­len Moda­li­tä­ten zeigt. So lag der bri­ti­sche Finan­zie- rungs­an­teil am 7. EU-For­schungs­rah­men­pro­gramm, das einer der Vor­läu­fer von Hori­zont 2020 war und von 2007 bis 2013 lief, bei 5,4 Mil­li­ar­den Euro.8 Die­sem Finan­zie- rungs­bei­trag ste­hen 8,8 Mil­li­ar­den Euro gegen­über, die bri­ti­schen Hoch­schu­len wäh­rend die­ser Lauf­zeit zuge- wie­sen wurden.9 Zudem för­der­te der European Rese­arch Coun­cil (Euro­päi­scher For­schungs­rat) bri­ti­sche Insti­tu­ti- onen zwi­schen 2007 und 2015 mit 636 Sti­pen­di­en, die aus Mit­teln des Pro­gramms Hori­zont 2020 bereit­ge­stellt wurden.10

Der bri­ti­sche Refe­ren­dums­ent­scheid zei­tig­te schon nach weni­gen Wochen ers­te Fol­gen: So wird von Bewer- bun­gen für Gel­der aus dem Pro­gramm berich­tet, in de- nen bri­ti­sche Teil­neh­mer von ande­ren Teil­neh­mern ge- beten wur­den, unter­ge­ord­ne­te Rol­len bei dem jeweils bewor­be­nen For­schungs­vor­ha­ben einzunehmen.11

Zusam­men­fas­send lässt sich sagen, dass EU und UK bis­lang wech­sel­sei­tig von Hori­zont 2020 pro­fi­tie­ren. Da es sich um ein bedeu­ten­des Rah­men­pro­gramm han­delt, stellt der Brexit nicht nur die wis­sen­schaft­li­che Koope­ra- tion im Zusam­men­hang mit dem Pro­gramm als sol- chem, son­dern auch die Exis­tenz­be­rech­ti­gung der ein- zel­nen an dem Pro­gramm teil­ha­ben­den For­schungs­pro- jek­te infrage.

3. Eras­mus+

Das am 15. Juni 1987 durch Beschluss des Rates ins Leben geru­fe­ne Eras­mus-Pro­gram­m12 – seit 2014 in Eras­mus+ umbe­nannt und inhalt­lich modi­fi­ziert – erlebt in die­sem Jahr sein drei­ßig­jäh­ri­ges Jubi­lä­um. Wäh­rend das Pro- gramm anfäng­lich als Aus­tausch­pro­gramm für Hoch- schul­stu­den­ten kon­zi­piert war, ist es nun­mehr ein umfang­rei­ches Bil­dungs­pro­gramm auf den Gebie­ten Wis­sen­schaft und Forschung.13

  1. 7  Ebd.
  2. 8  Kra­wi­etz, Gra­vie­ren­de Fol­gen, For­schung und Leh­re vom8.8.2016, abruf­bar unter: http://www.forschung-und-lehre.de/wordpress/?p=21644 [19.5.2017].
  3. 9  Ebd.
  4. 10  Das Ver­ei­nig­te König­reich beleg­te damit den Spit­zen­platz, vgl. ebd.
  5. 11  Ebd.
  6. 12  Beschluss des Rates vom 15. Juni 1987 über ein gemein­schaft­li-ches Akti­ons­pro­gramm zur För­de­rung der Mobi­li­tät von Hoch-schul­stu­den­ten (ERASMUS), 87/327/EWG.
  7. 13  Das Pro­gramm dient mitt­ler­wei­le ganz all­ge­mein der Mobi­li­tät­von Ein­zel­per­so­nen und för­dert vor die­sem Hin­ter­grund – neben dem Aus­tausch von Stu­die­ren­den – auch Prak­ti­ka, berufliche

Das Pro­gramm Eras­mus+ unter­schei­det seit 2015 zwi­schen Pro­gramm- und Part­ner­län­dern. Zu den ins- gesamt 33 Pro­gramm­län­dern zäh­len neben den 28 Mit- glied­staa­ten aktu­ell Island, Liech­ten­stein, Nor­we­gen, die Repu­blik Maze­do­ni­en und die Tür­kei, nicht aber die Schweiz. Die­se neh­men am Eras­mus+-Pro­gramm unein- geschränkt teil.14 Part­ner­län­der sind ande­re Län­der au- ßer­halb der EU, die einen Aus­tausch mit EU-Mit­glieds- staa­ten pflegen.15 Der Aus­tausch mit Part­ner­län­dern wird mit einem gerin­ge­ren Bud­get unterstützt.16

Das Eras­mus-Pro­gramm kann seit sei­ner Begrün- dung im Jahr 1987 einen ste­ti­gen Zuspruch ver­zeich­nen. In einem durch das Pro­gramm geför­der­ten Aus­lands­auf- ent­halt erbli­cken vie­le jun­ge Men­schen, vor allem Stu- die­ren­de, eine berei­chern­de Lebens­er­fah­rung. So nah- men im Hoch­schul­jahr 2013/2014 40.732 Stu­die­ren­de, Leh­ren­de und Hoch­schul­mit­ar­bei­ter aus Deutsch­land am Pro­gramm teil.17

Das UK spielt im Zusam­men­hang mit Eras­mus+ eine bedeu­ten­de Rol­le. Es war einer der Mit­glied­staa­ten, die Eras­mus ins Leben geru­fen haben. Als voll­wer­ti­ges Pro- gramm­land hat es die Erfolgs­ge­schich­te bis heu­te mit­ge- schrie­ben. Für deut­sche Stu­die­ren­de zählt das UK als re- nom­mier­ter Wis­sen­schafts­stand­ort zu den attrak­tivs­ten Aus­tau­sch­län­dern. Dies mani­fes­tiert sich nicht zuletzt in der Sta­tis­tik für das Hoch­schul­jahr 2013/2014: damals steu­er­ten 3.140 von ins­ge­samt 36.256 deut­schen Eras- mus-Stu­die­ren­den (10,5 Pro­zent) im Rah­men ihres Aus- lands­auf­ent­halts das UK an.18 Bri­ti­schen Nach­wuchs- wis­sen­schaft­lern kommt durch die Par­ti­zi­pa­ti­on ihres Hei­mat­lan­des an Eras­mus+ das Pri­vi­leg zu, im EU-Aus- land zu deut­lich güns­ti­ge­ren Kon­di­tio­nen, häu­fig sogar gebüh­ren­frei zu stu­die­ren. Vor dem Hin­ter­grund der ver­gleichs­wei­se hohen Stu­di­en­ge­büh­ren im UK war dies für vie­le Stu­die­ren­de ein Anreiz, einen Teil ihres Stu­di- ums in Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pa zu verbringen.

Sobald der Brexit voll­zo­gen ist, wird das UK – jeden- falls nicht kraft sei­nes dann nicht mehr vor­han­de­nen Sta­tus als Mit­glied­staat – kein Pro­gramm­land mehr sein.

Bil­dung, Erwach­se­nen­bil­dung, Jugend und Sport, vgl. DAAD, Fact Sheet – 30 Jah­re Eras­mus, abruf­bar unter https://www.daad. de/medien/30_jahre_erasmus_fact_sheet_pk.pdf [19.5.2017].

14 Eras­mus+ Jah­res­be­richt 2015, S. 7 f., abruf­bar unter https:// eu.daad.de/service/medien-und-publikationen/publikationsda- tenbank/de [19.5.2017].

15 Ebd.
16 Eras­mus+ Jah­res­be­richt 2015, S. 50, abruf­bar unter https://

eu.daad.de/service/medien-und-publikationen/publikationsda-

tenbank/de [19.5.2017].
17 Eras­mus+ Jah­res­be­richt 2014, S. 13, abruf­bar unter https://

eu.daad.de/service/medien-und-publikationen/publikationsda-

tenbank/de [19.5.2017]. 18 Ebd.

Denk­bar ist, dass sich jun­ge Euro­pä­er in Zukunft in Rich­tung Kana­da oder USA ori­en­tie­ren wer­den, wenn sie einen Aus­lands­auf­ent­halt im eng­lisch­spra­chi­gen Raum absol­vie­ren möchten.19 Dabei wer­den sie deut­lich höhe­re Stu­di­en­ge­büh­ren erwarten.

4. For­schungs­pro­jek­te

Vom Brexit betrof­fen sind auch For­schungs­pro­jek­te. So unter­hält die Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg nach Dar­stel­lung von Hans-Jochen Schie­wer, Rek­tor der Uni­ver- sität Frei­burg, 41 For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen mit fünf Uni- ver­si­tä­ten, dar­un­ter Oxford und Cambridge.20 Hier­bei han- delt es sich nach Aus­kunft der Uni­ver­si­tät um Koope­ra­tio- nen in EU-Ver­bund­pro­jek­ten, bei denen gemäß den Vor­ga­ben der EU stets min­des­tens drei Part­ner aus drei ver- schie­de­nen EU- oder asso­zi­ier­ten Staa­ten betei­ligt sind.

Die Aus­wir­kun­gen des Brexits auf die­se Pro­jek­te sind – zunächst – beschränkt. Chris­ti­an Jäger, Lei­ter des EU- Büros der Uni­ver­si­tät Frei­burg, weist dar­auf hin, dass die bis zum Aus­schei­den Groß­bri­tan­ni­ens aus der EU abge- schlos­se­nen Ver­trä­ge über EU-Pro­jek­te bis zum Ende ih- rer Lauf­zeit fort­ge­führt wer­den. Hin­ter­grund sei die (eu- ropa­recht­li­che) Ver­pflich­tung der bri­ti­schen Regie­rung zur Unter­stüt­zung die­ser Pro­jek­te. Da die Lauf­zeit vie­ler Koope­ra­tio­nen bis zu fünf Jah­re beträgt, wird es auch nach voll­zo­ge­nem Brexit noch EU-geför­der­te For- schungs­ko­ope­ra­tio­nen mit bri­ti­schen Part­nern geben.

IV. Per­spek­ti­ven der Wis­sen­schaft und For­schung in der EU nach voll­zo­ge­nem Brexit

1. All­ge­mei­nes

Auf bei­den Sei­ten des Ärmel­ka­nals herrscht Einig­keit hin­sicht­lich der Not­wen­dig­keit einer zukünf­ti­gen Koope­ra­ti­on. So wird auf Sei­ten der EU befürch­tet, dass die Wis­sen­schafts­re­gi­on Euro­pa ohne eine enge Zusam- men­ar­beit mit dem UK und sei­nen renom­mier­ten For- schungs­ein­rich­tun­gen ver­ar­men könn­te; außer­dem könn­te die EU – ange­sichts der Kon­kur­renz durch ande- re „Wis­sen­schafts­re­gio­nen“, etwa Nord­ame­ri­ka, Ost- und Süd­ost­asi­en – in Sachen Wis­sen­schaft und For­schung zuneh­mend ins Hin­ter­tref­fen geraten.21 Das House of

  1. 19  Bam­ler, Die­se Aus­wir­kun­gen hat der Brexit für Stu­den­ten, jetzt (SZ) vom 24.6.2016, abruf­bar unter: www.jetzt.de/politik/brexit- aus­wir­kun­gen-fuer-bri­ti­sche-stu­den­ten-und-eras­mus-stu­die­ren- de [19.5.2017].
  2. 20  Die­se Dar­stel­lung hat Schie­wer bei einer Podi­ums­dis­kus­si­on am 24. Janu­ar 2017 in der bri­ti­schen Bot­schaft in Ber­lin abge­ge­ben, vgl. dazu den Bei­trag des DAAD, abruf­bar unter: https://www. daad.de/der-daad/daad-aktuell/de/51909-brexit-und-dann-die- zukunft-bri­tisch-deut­scher-bil­dungs-und-for­schungs­ko­ope­ra­ti- on/ [19.5.2017].
  3. 21  Kra­wi­etz, Gra­vie­ren­de Fol­gen, For­schung und Leh­re vom

Com­mons Edu­ca­ti­on Com­mit­tee, gewis­ser­ma­ßen der Bil- dungs­aus­schuss des bri­ti­schen Unter­hau­ses, gibt zu beden­ken, dass der Brexit die inter­na­tio­na­le Wett­be- werbs­fä­hig­keit und den lang­fris­ti­gen Erfolg bri­ti­scher Uni­ver­si­tä­ten gefähr­den könn­te, und unter­brei­tet der bri­ti- schen Regie­rung umfang­rei­che Vor­schlä­ge zur Siche­rung des der­zei­ti­gen Niveaus der „hig­her edu­ca­ti­on“.22

Die­se grund­sätz­lich koope­ra­ti­ve Grund­stim­mung wird indes von poli­ti­schen Aus­sa­gen über­la­gert, die zu- neh­mend schär­fer werden.23 Zwar ist der Aus­gang der nun zu füh­ren­den Ver­hand­lun­gen offen; die auf einen „har­ten Brexit“ hin­deu­ten­den Äuße­run­gen schrän­ken jedoch die Hand­lungs­spiel­räu­me der Unter­händ­ler – auch auf den Gebie­ten Wis­sen­schaft und For­schung – ein. So erweist es sich zum der­zei­ti­gen Zeit­punkt als frag­lich, ob dem UK bestimm­te Teil­ha­be­mög­lich­kei­ten in der EU ein­ge­räumt wer­den und sich im UK ansäs­si­ge EU-Bür­ger im Gegen­zug auf Grund­frei­hei­ten, ins­be­son- dere die Arbeit­neh­mer­frei­zü­gig­keit (Art. 45 ff. AEUV), beru­fen kön­nen. Mitt­ler­wei­le erscheint sogar ein unge- ord­ne­tes Aus­schei­den des UK denkbar.

Die euro­päi­schen Ver­trä­ge ste­hen einer zukünf­ti­gen inten­si­ven Koope­ra­ti­on von EU und UK in Ange­le­gen- hei­ten der Wis­sen­schaft und For­schung indes selbst dann nicht ent­ge­gen, wenn das UK fort­an den Sta­tus ei- nes Dritt­staa­tes inne­hat. So for­dert die Vor­schrift des Art. 180 lit. b AEUV unter ande­rem eine För­de­rung der Zusam­men­ar­beit mit drit­ten Län­dern und inter­na­tio­na- len Orga­ni­sa­tio­nen auf dem Gebiet der For­schung der Uni­on. Ziel ist dem­nach, den in Art. 179 AEUV ange­leg- ten euro­päi­schen For­schungs­raum inter­na­tio­nal zu ver- net­zen, um auch Wis­sen­schaft­ler aus Dritt­län­dern zur For­schung in der EU zu bewegen.24 Dar­an anknüp­fend normiertArt.186AEUVeineVertragsschlusskompetenz der Uni­on, die die­sem Anlie­gen Rech­nung tra­gen soll.

Im Fol­gen­den sol­len die Per­spek­ti­ven ein­zel­ner Ko- ope­ra­tio­nen auf den Gebie­ten Wis­sen­schaft und For- schung unter­sucht werden.

2. Per­spek­ti­ven von Hori­zont 2020
Hori­zont 2020 
eröff­net auch sol­chen Staa­ten, die kein

EU-Mit­glied­staat sind, die Mög­lich­keit einer Partizipati-

8.8.2016, abruf­bar unter: http://www.forschung-und-lehre.de/

wordpress/?p=21644 [19.5.2017].
22 House of Com­mons Edu­ca­ti­on Com­mit­tee, Exi­ting the EU:

chal­lenges and oppor­tu­ni­ties for hig­her edu­ca­ti­on, S. 3, abruf­bar unter: https://www.publications.parliament.uk/pa/cm201617/ cmselect/cmeduc/683/683.pdf [19.5.2017].

23 Dies mani­fes­tier­te sich nicht zuletzt in der viel­be­ach­te­ten Rede der bri­ti­schen Pre­mier­mi­nis­te­rin The­re­sa May vom 17.1.2017, vgl. dazu FAZ v. 18.1.2017, S. 1, 3, 8, 17.

24 Callies/Ruffert, 5. Aufl. 2016, AEUV, Art. 186 Rn. 5.

Will · Brexit und die For­schung in der EU 2 1 3

214 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2017), 211–214

on. Dabei wer­den zwei Kate­go­rien unter­schie­den: die sog. asso­zi­ier­ten Staa­ten und die Dritt­staa­ten. Asso­zi­ier- te Staa­ten sind Isra­el, Nor­we­gen, Island, Liech­ten­stein, Maze­do­ni­en, Tür­kei, Bos­ni­en Her­ze­go­wi­na, Alba­ni­en, Mon­te­ne­gro, Ser­bi­en, die Farö­er Inseln, Mol­da­wi­en, Ukrai­ne, Tune­si­en, Geor­gi­en und die Schweiz. Wäh­rend natür­li­che und juris­ti­sche Per­so­nen aus asso­zi­ier­ten Staa­ten erleich­ter­ten Zugang zu den För­der­töp­fen vonHori­zont 2020 erhal­ten, kön­nen Insti­tu­tio­nen aus Dritt- staa­ten nur unter deut­lich enge­ren Vor­aus­set­zun­gen geför­dert werden.25 Ob eine asso­zi­ier­te Mit­glied­schaft im Pro­gramm für das UK in Betracht käme, ist frag­lich. So wäre die Begren­zung der Frei­zü­gig­keit – eines der zen­tra­len Anlie­gen des Refe­ren­dums­ent­scheids – nur schwer mit dem Sta­tus eines asso­zi­ier­ten Staa­tes zu ver- ein­ba­ren: schließ­lich ist die Rei­se- und auch Nie­der­las- sungs­frei­heit der Wis­sen­schaft­ler bedeu­ten­der Bestand- teil inter­na­tio­na­ler Forschungsprojekte.26 Vor die­sem Hin­ter­grund könn­te das UK im Rah­men von Hori­zont 2020 zukünf­tig als Dritt­staat behan­delt wer­den. Dass Dritt­staat nicht gleich Dritt­staat ist, zei­gen indes die Bei- spie­le Kana­da und USA – die­se genie­ßen Zugangs­er- leich­te­run­gen bei von Hori­zont 2020 geför­der­ten For- schungsprojekten.27

3. Per­spek­ti­ven von Eras­mus+

Das Pro­gramm Eras­mus+ wird auf Sei­ten des UK sehr geschätzt. Dies mani­fes­tiert sich nicht zuletzt in dem erwähn­ten State­ment des House of Com­mons Edu­ca­ti­on Com­mit­tee zum Brexit. Dort heißt es: „Eras­mus+ is an important pro­gram­me for stu­dent and staff mobi­li­ty and con­tin­ued mem­ber­ship should be a Govern­ment tar­get; (…).“28 Trotz die­ser Wert­schät­zung müs­sen die Moda­li- täten für die Betei­li­gung des UK an Eras­mus+ für die Zeit nach dem Voll­zug des Brexits neu ver­han­delt wer- den. Von Bedeu­tung wird sein, ob das UK als Pro- gramm­land, Part­ner­land oder gar als – grund­sätz­lich nicht an Eras­mus+ teil­neh­men­der – Dritt­staat ein­ge­stuft wird. Par­al­lel zur Dis­kus­si­on um den Sta­tus des UK bei Hori­zont 2020 ist die zukünf­ti­ge Ein­stu­fung als Pro- gramm­land als eher unwahr­schein­lich einzuschätzen.

  1. 25  Die­se sind in Art. 27 der Ver­ord­nung 1291/2013/EU nie­der­ge­legt, vgl. dazu Becker, Hori­zont 2020 – Das Rah­men­pro­gramm der Euro­päi­schen Uni­on für For­schung und Inno­va­ti­on, OdW 2014, 97 (98).
  2. 26  Eben­falls skep­tisch Cressey/Abbott, Was bedeu­tet der Brexit für die Wis­sen­schaft, Spek­trum v. 24.6.2016.

Unter die­ser Prä­mis­se kann eine Ein­schrän­kung der Mobi­li­tät der Nach­wuchs­wis­sen­schaft­ler pro­gnos­ti­ziert wer­den. Die­se könn­te gege­be­nen­falls durch Begrün­dung bila­te­ra­ler Aus­tausch­pro­gram­me oder eines eige­nen, mit Eras­mus+ ver­gleich­ba­ren Pro­gram­mes (das House of Com­mons Edu­ca­ti­on Com­mit­tee spricht inso­fern von einem „home-grown repla­ce­ment“) abge­fe­dert werden.

4. Per­spek­ti­ven der Forschungsprojekte

Hin­ter der Finan­zie­rung zukünf­ti­ger For­schungs­ko­ope- ratio­nen mit bri­ti­schen Part­nern steht ein gro­ßes Fra­ge- zei­chen. Jäger weist dar­auf hin, dass sie stark davon abhän­gig ist, wie das UK in Zukunft in das For­schungs- rah­men­pro­gramm Hori­zont 2020 invol­viert ist. Da die Rol­le des UK in die­sem Pro­gramm momen­tan völ­lig unklar ist, sind zukünf­tig auch bila­te­ra­le For­schungs- koope­ra­tio­nen mit ein­zel­nen bri­ti­schen Uni­ver­si­tä­ten denkbar.

E. Fazit

Das UK ist ein wich­ti­ger Bestand­teil des EU-For­schungs- raums. Die EU kann an der erst­klas­si­gen For­schung und dem gro­ßen Renom­mee bri­ti­scher Uni­ver­si­tä­ten teil­ha- ben. Das UK pro­fi­tiert sei­ner­seits ins­be­son­de­re von der euro­pa­recht­lich gewähr­leis­te­ten Mobi­li­tät von Wis­sen- schaft­lern sowie der finan­zi­el­len För­de­rung durch die EU. Die­se bis­lang frucht­ba­re Kon­stel­la­ti­on wird durch den („har­ten“) Brexit von umfang­rei­chen Ver­wer­fun­gen bedroht. Es bleibt zu hof­fen, dass die anste­hen­den Aus- tritts­ver­hand­lun­gen wis­sen­schafts­freund­lich geführt wer­den, um bis­her erreich­te Errun­gen­schaf­ten zu erhal- ten.

Eve­li­na Will ist Wis­sen­schaft­li­che MIt­ar­bei­te­rin an der For­schungs­stel­le für Hoch­schul­recht und Hoch­schul- arbeits­recht der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg. Sie dankt Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Man­fred Löwisch herz- lich für die Unter­stüt­zung bei der Erstel­lung die­ses Berichts.

27 Becker, Hori­zont 2020 – Das Rah­men­pro­gramm der Euro­päi- schen Uni­on für For­schung und Inno­va­ti­on, OdW 2014, 97 (98).

28 House of Com­mons Edu­ca­ti­on Com­mit­tee, Exi­ting the EU: chal­lenges and oppor­tu­ni­ties for hig­her edu­ca­ti­on, S. 3, abruf­bar unter: https://www.publications.parliament.uk/pa/cm201617/ cmselect/cmeduc/683/683.pdf [19.5.2017].