A. Einleitung und Grundlagen Die in Art. 5 Abs. 3 GG normierte Wissenschaftsfreiheit dient u.a. der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und Künste durch Hochschulen und Forschungseinrichtungen.1 Sie sollen an der Erhaltung des demokratischen und sozialen Rechtsstaats mitwirken,2 weshalb sie der grundsätzlichen staatlichen Finanzierung durch die Bundesländer unterliegen.3 Darüber hinaus können sie sich jedoch auch durch Fremdmittel finanzieren;4 typischerweise Gelder von Unternehmen für die Auftragsforschung oder Gutachtenerstellung. Die Nutzung von Fremdmitteln kann dabei zu einem Spannungsverhältnis zwischen Eigeninteresse der Hochschule auf der einen und öffentlichem Zweck bzw. staatlichem Bildungsauftrag auf der anderen Seite führen. Um sicherzustellen, dass staatliche Mittel nicht auf Umwegen einem Unternehmen zufließen und so einen Wettbewerbsvorteil begründen, greift das Beihilfeverbot des Art 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und speziell auf dem Gebiet der Forschung und Lehre der „Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation“ vom 21.05.2014 (2014/C 198/01; „FuE-Rahmen“).5 Danach müssen wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten getrennt voneinander ausgewiesen werden („Gebot der Trennungsrechnung“).6 Wie Hochschulen und Forschungseinrichtungen agieren müssen, um den europarechtlichen Maßgaben des Beihilferechts gerecht zu werden, soll überblicksartig im folgenden Beitrag vorgestellt werden. I. Grundsatz Art. 107 Abs. 1 AEUV Das Beihilferecht ist Teil des europäischen Wettbewerbsrechts, welches sich in Art. 101 – 109 AEUV findet. Der Rechtsbereich zielt auf die Verhinderung von Wettbewerbsverfälschungen durch unregulierte Zuführung von Geldern und dient folglich dem fairen Wettbewerb innerhalb der EU.7 Die Mitgliedstaaten sollen nicht durch beliebige Subventionen Unternehmen so fördern, dass sie gegenüber anderen europäischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben.8 Ausgangspunkt der Trennungsrechnung ist das grundsätzliche Beihilfeverbot aus Art. 107 Abs. 1 AEUV. Hiernach sind, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen.“ Eine Beihilfe zeichnet sich somit durch folgende Merkmale aus: 1. Es muss sich um eine Maßnahme zugunsten eines Unternehmens handeln; 2. die Maßnahme muss das Unternehmen begünstigen; 3. die Maßnahme muss aus staatlichen Mitteln finanziert werden; 4. die Maßnahme muss bestimmte Unternehmen (oder Produktionszweige) begünstigen; 5. die Maßnahme muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels hervorrufen.9 Zu den Voraussetzungen des EU-Beihilfetatbestands im Folgenden: 1. Unternehmen Seinem Wortlaut nach setzt Art 107 Abs. 1 AEUV die Bevorteilung eines Unternehmens oder eines Produktionszweiges voraus. Häufig findet sich in Verwaltungen von Hochschulen oder Forschungseinrichtungen die irrige Vorstellung, nicht in einem „Unternehmen“ im Sinne des EU-BeihilDennis Hillemann / Tanja Wittig Die EU-beihilferechtliche Trennungsrechnung in der Wissenschaft – Überblick und aktuelle Rechtsfragen 1 Vgl. auch BVerfGE 10, 20 (36 f.); Maunz/Dürig/Scholz, 85. EL November 2018, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 8. 2 Vgl. § 4 Abs. 1 BerlHG, § 3 Abs. 1 HmbHG, § 3 Abs. 1 NRWHG, § 2 Abs. 1 LHG BaWü. 3 Vgl. § 87 Abs. 1 BerlHG, § 6 Abs. 1 HmbHG, § 2 Abs. 3 S. 3 NRWHG, § 13 Abs. 2 S. 1 LHG BaWü. 4 Vgl. § 40 Abs. 1 BerlHG, § 71 Abs. 1 NRWHG, § 77 Abs. 1 HmbHG, § 41 Abs. 1 LHG BaWü. 5 Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:52014XC0627(01)&from=DE [Stand: 30.04.2019]. 6 Siehe Ziff. 2.1.1. Rn. 18 des FuE-Rahmens. 7 Bartosch, EU-Beihilfenrecht, 2. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 1 ff.; Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107, Rn. 1. 8 Grabitz/Hilf/Nettesheim/von Wallenberg/Schütte, 65. EL August 2018, AEUV Art. 107 Rn. 10, 11. 9 Vgl. Bartosch, EU-Beihilfenrecht, 2. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 1 ff.; Arhold in: Münch.Komm. zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), 1. Aufl. 2011, Art. 107 AEUV, Rn. 101 ff.; Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107, Rn. 10 ff. I. Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197 170 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 169–178 10 Vgl. EuGH, Urteil vom 01.07.2006, Rs. C‑49/07, Rn. 25 – MOTOE. 11 Vgl. EuGH, Urteil vom 16.03.2004, verbundene Rsen. C‑264/01, C‑306/01, C‑354/01 und C‑355/01, AOK Bundesverband, Rn. 46; EuG, Urteil vom 14.10.2004, Rd. T‑137/02, Pollmeier Malchow GmbH & Co. KG, Rn. 50 bis 53. 12 Vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.2006, Rs. C‑237/04, Rn. 38 – Enirisorse unter Bezugnahme auf die Urteile vom 23.04.1991, Rs. C‑41/90, Rn. 21 – Höfner und Elser; vom 21.09.1999, Rs. C‑67/96, Rn. 7 – Albany; vom 12.09.2000, verbundene Rsen. C‑180/98 bis C‑184/98, Rn. 74 – Pavlov u.a., und vom 01.07.2006, Rs. C‑49/07, Rn. 22 – MOTOE. 13 Vgl. Bartosch, EU-Beihilfenrecht, 2. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 6 ff. 14 Siehe auch Risch, KommJur 2015, 10. 15 Vgl. EuGH 30/59, Slg. 1961, 3, 43 – De Gezamenlijke Steenkolenmijnen/Hohe Behörde; EuGH C‑387/92, Slg. 1994, I‑877, Rn. 13 – Banco Exterior de España S. A./Ayuntamiento de Valencia. 16 Vgl. EuGH, Urteil vom 11.07.1996, Rs. C‑39/94, SFEI, Rn. 60; Urteil vom 29.04.1999, Rd. C‑342/96, Spanien/Kommission, Rn. 41; Urteil vom 24.03.1960, Rs. 30/59, Slg. 1961, 1 (95 ff.), Gezamenlijke Steenkolenmijnen; EuG, Urteil vom 21.01.1991, Rd. T‑129/95, Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH. 17 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107, Rn. 11 ff.; Soltész/Weiß in MüKo Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Auflage 2018 Rn. 1087 ff. 18 Vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.1991, Rs. C‑305/89, Alfa Romeo, Rn. 20; EuG, Urteil vom 12.12.2000, Rs. T‑296/97, Alitalia, Rn. 84; Europäische Kommission, Entscheidung vom 23.07.2008, K (2008) 3512, Maßnahmen Deutschlands zugunsten von DHL und des Flughafens Halle/Leipzig, ABl. EU Nr. L 346 vom 23.12.2008, S. 1, Rn. 191/200. 19 Vgl. EuGH, Urteil vom 16.5.2000, Rs. C‑83/98 P, Slg. 2000 I‑3271, Rn. 25 Frankreich/Ladbroke Racing; EuGH 17.7.2008, Rs. C‑487/06 P, Slg. 2008 I‑10515, Rn. 111 British Aggregates; EuGH 21.6.2012, Rs. C‑452/10 P Rn. 100 BNP Parisbas; EuG 17.12.2008, Rs. T‑196/04, Slg. 2008 II-3643, Rn. 40 Ryanair. ferechts tätig zu sein. Der Begriff des Unternehmens ist jedoch weit auszulegen. Es gilt der funktionale Unternehmensbegriff, der jede Einheit umfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Rechtsform und Finanzierung sind dabei unerheblich. Dieselbe Einheit kann dabei hinsichtlich einer Tätigkeit beihilferechtliches „Unternehmen“ sein und bezüglich einer anderen Tätigkeit diesem Tatbestandsmerkmal nicht unterfallen.10 Eine Gewinnerzielungsabsicht bedarf es zur Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht.11 Hochschulen und Forschungseinrichtungen können damit hinsichtlich einer Tätigkeit „Unternehmen“ im Sinne des EU-Beihilferechts sein, hinsichtlich anderer Tätigkeiten dagegen nicht. Dieses Grundverständnis des EU-Beihilferechts ist elementar. Die Autoren haben in ihrer jahrelangen Praxis bisher keine Hochschule oder (größere) Forschungseinrichtung angetroffen, die nicht auch wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des EU-Beihilferechts ausüben. Die Rechtsprechung definiert eine wirtschaftliche Tätigkeit als „jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten“.12 Der Marktbezug liegt dann vor, wenn die Tätigkeit nicht rein hoheitlicher Art ist und grundsätzlich auch von einem privaten Akteur erbracht werden könnte.13 2. Begünstigung Der europarechtliche Begriff der „Begünstigung“ geht in seiner Anwendung deutlich weiter als die aus dem deutschen Recht bekannte „Subvention“.14 Die Begünstigung umfasst jeden wirtschaftlichen Vorteil ohne angemessene Gegenleistung, den ein Unternehmen unter üblichen Marktbedingungen, also ohne Staatseingriff, nicht erhalten hätte.15 Neben staatlichen Zuwendungen kann ein Unternehmen auch durch die Befreiung von Lasten oder Abgaben begünstigt werden. Klassische Beispiele sind verlorene Zuschüsse, zinsgünstige oder zinslose Darlehen, die Übernahme von Bürgschaften sowie die Überlassung von Grundstücken oder Gebäuden. Oft spielt die Frage der „Begünstigung“ eine Rolle bei Ausgründungen aus Hochschulen, bei denen sich die Hochschule an einer privaten Gesellschaft beteiligt oder diese gründet. Das EU-Beihilferecht verbietet solche unternehmerischen Tätigkeiten nicht. Ob ein solches Verhalten der Hochschule jedoch marktüblich ist, sodass der Tatbestand der Begünstigung nicht erfüllt wäre, bemisst sich in ständiger Entscheidungspraxis des EuGH und der Kommission anhand des „Private-InvestorTests“.16 Dabei wird das Investitionsverhalten der öffentlichen Hand mit dem Verhalten eines hypothetischen privaten Marktakteurs verglichen. Würde der potentielle Privatinvestor eine dem Staat vergleichbare Handlung vornehmen, wäre die gewährte Leistung marktüblich, sodass keine Begünstigung vorläge. Würde er dieses Investment nicht tätigen, wäre die Leistung marktunüblich und somit eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.17 Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein marktwirtschaftlich handelnder Privater stets von Renditeerwartungen leiten lässt. Der „PrivateInvestor-Test“ gilt danach in der Regel als bestanden, wenn aufgrund der Struktur und der Zukunftsaussichten des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Rendite zu erwarten ist, die mit der eines Privatunternehmens bezogen auf einen angemessenen Zeitraum vergleichbar ist.18 Der Beihilfebegriff ist ein objektiver Begriff. Darauf, ob die Beihilfe bewusst oder gar schuldhaft gewährt wird, kommt es folglich nicht an. Unbeachtlich ist auch, ob mit der Beihilfe wirtschafts‑, sozial‑, gesundheits‑, umweltpolitische oder andere Ziele verfolgt werden. Maßgeblich ist allein die begünstigende Wirkung.19 Hillemann/Wittig · EU-beihilferechtliche Trennungsrechnung in der Wissenschaft 171 20 Vgl. EuGH 82/77, Slg. 1978, 25 Rn. 23–25 – Van Tiggele; EuGH verb. Rs. 213–215/81, Slg. 1982, 3583 Rn. 22 – Norddeutsches Vieh- und Fleischkontor; EuGH verb. Rs. C‑72/91 und C‑73/91, Slg. 1993, I‑887 Rn. 19 – Sloman Neptun. 21 Vgl. EuGH C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099 – Preussen Elektra/ Schleswag; EuGH C‑482/99, Slg. 2002, I‑4397 – Kommission/ Frankreich. 22 Vgl. EuGH, 16.05.2002, C‑482/99, Rn. 37. 23 EuGH C‑75/97, Slg. 1999, I‑3671 Rn. 33 – Belgien/Kommission; EuGH C‑143/99, Slg. 2001, I‑8365 Rn. 35, 42 – Adria-Wien Pipeline/Finanzlandesdirektion. 24 Vgl. EuGH, Urteil vom 02.07.1974, Rs. 173/73, Rn. 38/40 – Italien/Kommission; Urteil vom 17.09.1980, Rs. 730/79, Rn. 11 – Philip Morris/Kommission. 25 E der Kommission v. 21.12.2000, N 258/2000 – Freizeitbad Dorsten. 26 Vgl. EuGH, Urteil vom 17.06.1999, Rs. C‑75/97, Rn. 47 – Belgien/ Kommission; Urteil vom 14.09.1994, verbundene Rsen. C‑278/92, 279/92 und 280/92, Rn. 40 – Spanien/Kommission; Urteil vom 21.03.1991 Rs. C‑303/88, Rn. 27 – Italien/Kommission; Urteil vom 13.07.1988, Rs. 102/87, Rn. 19 – Frankreich/Kommission. Auch das wird gerade in Hochschulen häufig übersehen, die Beihilfen im Sinne des EU-Beihilferechts mit sozialen Aspekten oder mit dem Verweis auf die „Third Mission“ der Hochschulen rechtfertigen wollen. Das EU-Beihilferecht berücksichtigt diese gegebenenfalls auf der Ebene der Rechtfertigung, klassifiziert aber eigenständig nach den vorgenannten Begrifflichkeiten. 3. Finanzierung aus staatlichen Mitteln Das Gesetz unterscheidet Beihilfen danach, ob sie „staatlich“ oder „aus staatlichen Mitteln“ gewährt wurden. Diese Unterscheidung dient nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH dazu, „in den Beihilfebegriff nicht nur unmittelbar vom Staat gewährte Beihilfen, sondern auch jene Beihilfen einzubeziehen, die durch vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtungen gewährt werden“.20 Dafür sind zwei Merkmale vonnöten, die kumulativ vorliegen müssen:21 Die staatliche Herkunft der eingesetzten Mittel einerseits und die Zurechenbarkeit dieser Mittel zum Staat andererseits. Der EuGH definiert staatliche Mittel als „alle Geldmittel, auf die die Behörden tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen zurückgreifen können, unabhängig davon, ob die Mittel dauerhaft zum Vermögen des Staates gehören“.22 Hierunter fallen auch Mittel der Bundesländer, der Gebietskörperschaften und grundsätzlich auch die ihrer Unternehmen. Unter eine „staatliche oder aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme“ fallen daher nicht nur Begünstigungen auf staatlicher Ebene (Bund, Land, Kommune), sondern auch durch vom Staat (teilweise) finanzierte Einrichtungen wie Hochschulen. 4. Selektivität Um den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu erfüllen, muss die staatliche Maßnahme selektiv wirken, d.h. einem Unternehmen oder Produktionszweig einen Vorteil gegenüber anderen Marktakteuren verschaffen. Durch das Merkmal der Selektivität ausgenommen werden sollen solche Maßnahmen, die der Gemeinschaft zugutekommen und daher kein Unternehmen bevorzugen.23 5. Wettbewerbsverfälschung und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels Zudem muss für das Greifen der EU-Beihilfekontrolle eine zumindest potentielle Wettbewerbsverfälschung vorliegen. Eine solche liegt vor, wenn die Begünstigung zu einer verbesserten Stellung des Beihilfeempfängers oder eines dritten Unternehmens auf dem sachlich, zeitlich und räumlich relevanten Markt zulasten (potentieller) Konkurrenten führt. Zur Feststellung einer Wettbewerbsverfälschung wird die Marktlage vor und nach der etwaig gewährten Beihilfe verglichen.24 Schließlich muss eine Maßnahme auch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, um von der Verbotsnorm des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasst zu sein. Unter Handel im Sinne dieser Norm ist dabei der gesamte Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu verstehen.25 Eine Beeinträchtigung liegt bereits dann vor, wenn sich die fragliche staatliche Maßnahme in irgendwie gearteter Weise auf den mitgliedstaatlichen bzw. gemeinschaftsweiten Handel auswirkt.26 II. Die zwei Ebenen des EU-Beihilferechts Jede Förderung einer Hochschule muss auf zwei Ebenen des Beihilferechts betrachtet werden: Betrachtung der ersten Ebene: Diese „obere“ Ebene betrifft das Verhältnis des Staats als Beihilfegeber gegenüber der Hochschule als Beihilfeempfänger. Betrachtung der zweiten Ebene: Die „untere“ Ebene betrifft dagegen die mittelbaren staatlichen Beihil- 172 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 169–178 27 Dies ergibt sich aus Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV, wonach ein Mitgliedstaat eine Beihilfemaßnahme nicht durchführen darf, ehe die Kommission einen abschließenden Bericht erlassen hat. 28 Verordnung Nr. 1407/2013 der EU-Kommission vom 18.12.2013, ABl. L 352/1 vom 24.12.2013. 29 Verordnung Nr. 651/2014 der EU-Kommission vom 17.06.2014, ABl. L 187/1 vom 26.06.2014. 30 ABl. Nr. L 7/3 vom 11.01.2012. 31 Vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 12. 12. 2002, Rs. C‑209/00, Rn. 31 — Kommission/Bundesrepublik Deutschland. 32 Im Regelfall wird die Rückforderung mangels spezieller Rechtsgrundlagen auf § 49a VwVfG gestützt. Der Entreicherungseinwand des § 49a Abs. 2 S.1 VwVfG ist im Regelfall nach unionskonformer Auslegung der Regelung ausgeschlossen, da andernfalls der unionsrechtswidrige Zustand erhalten bliebe (EuGH NVwZ 1998, NVWZ Jahr 1998, 45 – Alcan II). 33 Vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 – III ZR 299/05, NVwZ 2007, 973; Urteil vom 24. Oktober 2003 – V ZR 48/03, EuZW 2004, 254; Urteil vom 20. Januar 2004 – XI ZR 53/03, EuZW 2004, 252. fen und damit die Fälle, in denen die Hochschule einen Privaten an ihrer staatlichen Förderung mittelbar teilhaben lässt. Klassischer Fall ist die Erbringung von Leistungen zugunsten eines Unternehmens ohne angemessene Gegenleistung. Diese Regulierung soll sicherstellen, dass die staatliche Finanzierung der Hochschule nicht auf Umwegen das Marktgeschehen beeinflusst und letztlich zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. III. Freistellungsmöglichkeit Grundsätzlich stellt jede staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Begünstigung eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV dar und muss folglich bei der Kommission angezeigt („notifiziert“) werden.27 Eine Ausnahme gilt dann, wenn die getätigte Beihilfe der Freistellung unterliegt. Beispiele hierfür stellen die „De-minimis-Verordnung“,28 die „Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung“29 sowie – für Unternehmen, die mit sogenannten „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ befasst sind – der Freistellungsbeschluss der EU-Kommission (Beschluss der Kommission (2012/21/EU) vom 20.12.201130) dar. IV. Rechtsfolgen Sollte keine Freistellung vorliegen und die Kommission von einem beihilferechtlichen Verstoß – typischerweise durch Medienberichte – erfahren, würde sie die Aufhebung und Erstattung der Maßnahme durch den Mitgliedstaat anordnen.31 Zudem gilt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Nichtigkeit der der Beihilfe zugrundeliegenden Verwaltungsakte, die folglich rückabgewickelt werden müssen.32 Diese Rechtsfolge tritt automatisch ein und kann von Wettbewerbern des Beihilfeempfängers im Wege der zivilgerichtlichen oder der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage vor den deutschen Land- bzw. Verwaltungsgerichten dahingehend genutzt werden, dass diese auf Feststellung der Nichtigkeit des konkreten Vertrags-/Zuwendungsverhältnisses klagen.33 V. Das Gebot zur EU-beihilferechtlichen Trennungsrechnung Die Aufhebung und Rückabwicklung der Beihilfe kann gemäß Ziff. 2.1.1. Rn. 18 des FuE-Rahmens vermieden werden, indem „die nichtwirtschaftlichen und die wirtschaftlichen Tätigkeiten und ihre Kosten, Finanzierung und Erlöse klar voneinander getrennt werden […], so dass keine Gefahr der Quersubventionierung der wirtschaftlichen Tätigkeit besteht.“ Es muss also nachgewiesen werden, dass der wirtschaftliche Bereich der Einrichtung nicht durch öffentliche Mittel, die für den nichtwirtschaftlichen Bereich vorgesehen waren, finanziert wurde (Verbot der Quersubventionierung). Diesen Beweis kann die Hochschule mittels der Trennungsrechnung erbringen. Häufig begegnet den Autoren in der Praxis die Erwartung, es gebe nur „die eine“ Trennungsrechnung, also ein in sich abgeschlossenes System, das vergleichbar bei allen Hochschulen unisono angewendet werden kann. Tatsächlich schreibt das EU-Beihilferecht kein bestimmtes System vor. Es muss nur eine klare Trennung zwischen nichtwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten einerseits gesichert sein und andererseits nachgewiesen werden, dass Defizite einzelner wirtschaftlicher Tätigkeiten nicht durch den Mittelfluss in den nichtwirtschaftlichen Bereich ausgeglichen werden. Viele Details sind hier sowohl rechtlich wie auch betriebswirtschaftlich geprägt, z.B. die korrekte Ermittlung von Gemeinkostensätzen. Dieser Überblicksbeitrag kann diese Details nicht erschöpfend darstellen. Die Autoren konzentrieren sich daher auf zwei besonders wichtige Aspekte einer funktionierenden Trennungsrechnung: Die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten einerseits und die Grundsätze der Preisermittlung andererseits. B. Abgrenzung von wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit I. Allgemeines Das in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegte beihilferechtliche Verbot setzt die Begünstigung bestimmter Unter- Hillemann/Wittig · EU-beihilferechtliche Trennungsrechnung in der Wissenschaft 173 nehmen oder Produktionszweige voraus. Dabei gilt ein sog. funktionaler Unternehmensbegriff dergestalt, dass der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit umfasst, unabhängig von ihrer Rechtsform oder Finanzierung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit wird wiederum nach ständiger Rechtsprechung als „jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten“34 verstanden. II. Ausgestaltung der Abgrenzung im Bereich Forschung und Entwicklung Für Hochschulen ergeben sich Besonderheiten bei der Abgrenzung. Insbesondere ist bei der Auslegung und Anwendung des EU-Beihilferechts auf dem Gebiet der Forschung und Lehre der „Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation“ vom 21.05.2014 (2014/C 198/01; „FuE-Rahmen“) maßgeblich. Dieser enthält die wichtigsten Unterscheidungen zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten. Auch die „Notion of Aid“ der EU-Kommission enthält für die Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV wichtige Grundsätze, auch und besonders im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Ferner sind insbesondere die Ausnahmevorschriften der AGVO für Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (Art. 25 ff. AGVO) von Bedeutung. Wichtig für das Verständnis des FuE-Rahmens ist sein Verhältnis zum zuvor dargestellten „allgemeinen Beihilferecht“. Dieses wird durch den FuE-Rahmen nicht ersetzt. Er stellt vielmehr Auslegungs- und Anwendungsregeln dar, insbesondere zu der Frage, welche Tätigkeiten von Hochschulen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten darstellen und staatlicher Förderung zugänglich sind. Andere Vorschriften des FuE-Rahmens enthalten Gestaltungshinweise, wie staatliche Zuwendungen mit wirtschaftlichen Tätigkeiten von Hochschulen vereinbart werden können. 1. Nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im FuE-Rahmen Das EU-Beihilferecht privilegiert Forschungseinrichtungen insoweit, als dass sog. primäre Tätigkeiten von Forschungseinrichtungen von der Kommission im Allgemeinen als nichtwirtschaftliche (und damit als nicht beihilferelevante) Tätigkeiten betrachtet werden. Hierzu gehören insbesondere: — die Ausbildung von mehr oder besser qualifizierten Humanressourcen. Die innerhalb des nationalen Bildungswesens organisierte öffentliche Bildung, die überwiegend oder vollständig vom Staat finanziert und überwacht wird, gilt als nichtwirtschaftliche Tätigkeit; — die unabhängige Forschung und Entwicklung zur Erweiterung des Wissens und des Verständnisses (sog. Grundlagenforschung, aber auch unabhängige angewandte Forschung); — die weite Verbreitung der Forschungsergebnisse (also die frei zugängliche Veröffentlichung von Forschungsergebnissen),35 — der Wissenstransfer (Lizensierung, Gründung von Spin-offs oder andere Formen des Managements von der Hochschule geschaffenem Wissen), wenn diese Tätigkeit interner Natur ist und alle Einnahmen daraus wieder in die wesentlichen Tätigkeiten der Hochschule investiert werden.36 2. Wirtschaftliche Tätigkeiten im FuE-Rahmen Der FuE-Rahmen nennt ferner Tätigkeiten, die regelmäßig wirtschaftlicher Natur und damit beihilferelevant sind. Dazu gehören insbesondere:37 — die Vermietung von Ausrüstung und Laboratorien an Unternehmen; — die Erbringung von Dienstleistungen für Unternehmen; — die Auftragsforschung. a) Bereitstellung von Infrastruktur für Dritte Danach ist auch die Bereitstellung von Infrastruktur für Dritte – auch im Rahmen einer Gründungsförderung – als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen und gemäß der besonderen rechtlichen Vorgaben des FuE-Rahmens durchzuführen. Denn eine Infrastrukturbereitstellung beinhaltet regelmäßig die genannten Tätigkeiten der „Vermietung von Ausrüstung oder Laboratorien“ sowie der „Erbringung von Dienstleistungen“. b) Auftragsforschung Nach Ziffer 2.1.2. Rz. 21 des FuE-Rahmens betrachtet die Kommission insbesondere die Auftragsforschung für 34 Vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.2006, Rs. C‑237/04, Rn. 38 – Enirisorse unter Bezugnahme auf die Urteile vom 23.04.1991, Rs. C‑41/90, Rn. 21 – Höfner und Elser; vom 21.09.1999, Rs. C‑67/96, Rn. 7 – Albany; vom 12.09.2000, verbundene Rsen. C‑180/98 bis C‑184/98, Rn. 74 – Pavlov u.a., und vom 01.07.2006, Rs. C‑49/07, Rn. 22 – MOTOE. 35 Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation vom 21.05.2014 (2014/C 198/01), Ziff. 2.1.1 Rn. 19 lit. a. 36 Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation vom 21.05.2014 (2014/C 198/01), Ziff. 2.1.1 Rn. 19 lit. b. 37 Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation vom 21.05.2014 (2014/C 198/01), Ziff. 2.1.2. Rn. 21/22. 174 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 169–178 Unternehmen als wirtschaftliche (und damit beihilferelevante) Tätigkeit. Unter Auftragsforschung ist im Allgemeinen das wissenschaftliche Forschen im Auftrag eines Mittelgebers in Form eines Forschungsauftrags oder einer Forschungskooperation zu verstehen. Das Ziel des Forschungsauftrags wird hierbei vom Auftrag-/Mittelgeber vorgegeben und die Forschungsresultate sowie auch die Publikations‑, Schutz‑, Urheber‑, Nutzungs‑, und Verwertungsrechte sind ausschließlich oder zumindest zum Teil dem Auftraggeber vorbehalten; kennzeichnend ist ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Indizien für das Vorliegen einer Auftragsforschung sind folglich, dass das Unternehmen die Vertragsbedingungen festlegt, Eigentümer der Ergebnisse der Forschungstätigkeiten ist und das Risiko des Scheiterns trägt, vgl. Ziffer 2.1.1. Rz. 25 FuE-Rahmen. Kurzum steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Forschung „abhängig“ ist von den Zielvorgaben eines Dritten, insbesondere eines Industriepartners. Erbringt die Forschungseinrichtung abhängige und damit wirtschaftliche Forschungstätigkeiten, ist sie „Unternehmen“ im Sinne des EU-Beihilferechts. Sie tritt in Konkurrenz zu anderen, privaten Unternehmen. Im Rahmen der Auftragsforschung darf die Forschungseinrichtung ihre staatlichen Zuwendungen deshalb nicht „mittelbar“ an das Unternehmen weiterleiten, indem sie für dieses Unternehmen Leistungen erbringt, ohne hierfür eine angemessene Gegenleistung zu erhalten. Ansonsten würde eine unzulässige „mittelbare“ Beihilfe vorliegen. Erbringt eine Forschungseinrichtung Forschungstätigkeiten im Auftrag eines Unternehmens, sind diese daher nur dann nicht beihilferelevant, wenn die Forschungseinrichtung ein angemessenes Entgelt für ihre Leistungen erhält. Das Entgelt ist nach Ziffer 2.2.1. Rz. 25 lit. a) und b) des FuE-Rahmens angemessen, wenn die Forschungseinrichtung ihre Dienstleistung entweder zum Marktpreis erbringt oder, falls ein solcher nicht ermittelbar sein sollte, zu einem Preis, der sowohl die Gesamtkosten der Dienstleistung als auch eine angemessene Gewinnspanne umfasst. Ferner kann nach Ziffer 2.2.1. Rz. 25 lit. b) des FuE-Rahmens die beihilferechtliche Relevanz der Vergütung mittels eines Ergebnisses ausgeschlossen werden, welches auf der Grundlage des sog. „Arm´s‑length-Prinzip“ erzielt worden ist. „Arm´s‑length-Prinzip“ bedeutet nach Ziffer 1.3. Rz. 15 lit. f) des FuE-Rahmens, „dass die Bedingungen des Rechtsgeschäfts zwischen den Vertragsparteien sich nicht von jenen unterscheiden, die bei einem Rechtsgeschäft zwischen unabhängigen Unternehmen festgelegt werden würden, und dass keine wettbewerbswidrigen Absprachen vorliegen. Wenn ein Rechtsgeschäft auf der Grundlage eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens geschlossen wird, geht der FuE-Rahmen davon aus, dass es dem Arm’s‑Length-Prinzip entspricht.“ In der Praxis ist in der Regel ein Marktpreis für Auftragsforschung schwer zu ermitteln; ebenso ist das „Arm’s‑Length-Prinzip“ kaum rechtssicher anwendbar, weil schwer nachweisbar ist, dass eine Verhandlung unter gleichwertigen Partnern wie in der Privatwirtschaft stattgefunden hat. Die sicherste Variante der Preisbestimmung für die Trennungsrechnung ist daher der Ansatz, den Preis der Auftragsforschung nach dem Prinzip „Vollkosten plus angemessener Gewinnzuschlag“ zu bestimmen. Welcher Gewinnzuschlag angemessen ist, lässt sich wiederum nur am Einzelfall beurteilen. 1%, wie die Autoren häufig in der Praxis antreffen, ist zu wenig – kein vernünftiger Unternehmer würde mit einer solchen Spanne kalkulieren. Wirtschaftsprüfer verlangen regelmäßig sogar zwischen 10–30%, wobei das wiederum auch nicht durch das EU-Beihilferecht zwingend vorgegeben ist. Die Gutachter empfehlen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, hier durchaus ihre Stärke auszuspielen und nicht zu knapp zu kalkulieren, insbesondere keinen Gewinnzuschlag unter 5% zu kalkulieren. Denn häufig werden Projekte teurer als ursprünglich kalkuliert. Das EU-Beihilferecht führt jedoch eine Betrachtung „vom Ende her durch“, d.h. es fragt, ob nach Projektabschluss noch ein angemessener Gewinn verbleibt. Wer einen zu geringen Zuschlag kalkuliert, kann hier nachträglich oft ein böses Erwachen erleben. Wichtig zum Verständnis: Es ist durchaus möglich, dass ein wirtschaftliches Projekt unter Vollkosten bleibt, insbesondere wenn der Marktpreis niedriger ist als die kalkulierten Vollkosten. Es kann defizitäre wirtschaftliche Projekte geben. Diese Defizite müssen dann aber durch Gewinne aus anderen (früheren) wirtschaftlichen Projekten ausgeglichen werden. c) Forschungsnahe Dienstleistungen für Unternehmen Für forschungsnahe Dienstleistungen gilt das Gleiche wie für die Auftragsforschung. Während im Steuerrecht die Abgrenzung zwischen „Forschung“ und „Dienstleistung“ bedeutsam sein kann, spielt dies für das EU-Beihilferecht keine Rolle. Beides sind wirtschaftliche Tätigkeiten, für die die o.g. Grundsätze gelten. Hillemann/Wittig · EU-beihilferechtliche Trennungsrechnung in der Wissenschaft 175 d) Abgrenzungsfragen am Beispiel universitärer Weiterbildungsprogramme für Berufstätige Ob gegen Entgelt erbrachte universitäre Angebote zur Weiterbildung von Berufstätigen als wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu werten sind, ist nicht abschließend geklärt. Derzeit wird am EuGH ein Fall verhandelt,38 bei dem voraussichtlich die Frage geklärt werden wird, ob private Hochschulen als Dienstleistungserbringer gelten, womit jede Tätigkeit wirtschaftlicher Art wäre. Diese scharfe Trennung zwischen nichtwirtschaftlicher (ausschließlich dem Bildungsauftrag verpflichteter) staatlicher Universität und wirtschaftliche agierender Privatuniversität wurde durch den Generalanwalt Michal Bobek in Frage gestellt. Schließlich würden heutzutage auch staatliche Universitäten Studiengebühren erheben und teilweise sogar weltweite Joint-Ventures schließen und Spin-Off-Gesellschaften für Lehre und Forschung gründen. Er schlägt deshalb folgende Abgrenzung vor: ‑Nach jeder einzelnen Tätigkeit (insbesondere jedem Studiengang) ‑Nach Bildungsebene, da nur bei Grund- und Sekundarunterricht der soziale Charakter der Bildung deutlich wird, nicht hingegen im Hochschulbereich — Nach Finanzierung des Studiengangs und der Frage der Gegenleistung, wobei hier folgende Aspekte eine Rolle spielen:39 — Kostentragung (nicht ausschließlich und unmittelbar vom Kunden)40 — Marktkriterium (je größer der Markt für einen Studiengang [national, europäisch, global], desto weniger kann davon ausgegangen werden, dass eine besondere und einmalige soziale und kulturelle Zielsetzung verfolgt wird).41 Sollte der EuGH der Argumentation des Generalanwalts folgen, würde am Beispiel der entgeltlichen Weiterbildung von Berufstätigen wohl aufgrund der Kostentragung durch den Kunden eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen, die folglich als solche in der Trennungsrechnung ausgewiesen werden müsste. Ein solches Urteil hätte jedoch Einfluss auf weitere universitäre Tätigkeitsbereiche, sodass hier vorerst die Entscheidung des EuGH abgewartet werden muss. Die Autoren erwarten weitreichende Auswirkungen für die Praxis. III. Privilegierte wirtschaftliche Tätigkeiten: 20%-Klausel des FuE-Rahmens Der FuE-Rahmen macht vom Grundsatz der Trennungsrechnung eine weitere Ausnahme: Nach Ziff. 2.1.1. Rn. 20 des FuE-Rahmens gilt, dass bei fast ausschließlicher Nutzung einer Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten die Kommission befinden kann, dass unter den nachfolgenden Bedingungen keine Beihilfeprüfung stattfindet. Die wirtschaftliche Nutzung der Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur muss eine Nebentätigkeit darstellen, die mit dem Betrieb der Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur unmittelbar verbunden und dafür erforderlich ist. Alternativ kann der Mitgliedsstaat aber auch nachweisen, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten existiert.42 Ferner muss der Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit begrenzt sein. Dabei stellt die Kommission eine Vermutung dahingehend auf, dass dies der Fall ist, wenn für die wirtschaftlichen Tätigkeiten — dieselben Inputs (wie Material, Ausrüstung, Personal und Anlagekapital) eingesetzt werden wie für die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten und — wenn die für die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit jährlich zugewiesene Kapazität nicht mehr als 20 % der jährlichen Gesamtkapazität der betreffenden Einrichtung bzw. Infrastruktur beträgt.43 Hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der 20%igen Kapazitätsgrenze bestehen jedoch in der Praxis Unsicherheiten, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder durch unionsrechtliche Rechtsprechung noch durch Beschlüsse der Kommission einer Klärung zugeführt worden sind. Bislang liegen keine von der EU38 Generalanwalt beim EuGH, 15.11.2018 — C‑393/17, ECLI:EU:C:2018:918. 39 Generalanwalt beim EuGH, 15.11.2018 — C‑393/17, ECLI:EU:C:2018:918 Rn. 57 ff. 40 Generalanwalt beim EuGH, 15.11.2018 — C‑393/17, ECLI:EU:C:2018:918 Rn. 85 ff. 41 Generalanwalt beim EuGH, 15.11.2018 — C‑393/17, ECLI:EU:C:2018:918 Rn. 88. 42 Siehe hierzu EuGH 26.3.2009, Rs. C‑113/07 P, Slg. 2009 I‑2207 Rn.118–119 „SELEX Sistemi Integrati“; EuGH 12.7.2012, Rs. C‑138/11 Rn. 38 „Compass-Datenbank“ [noch nicht in amtl. Slg.]. Aus der Kommissionspraxis: KOMM. 19.7.2006, N 140/2006, ABl. 2006 Nr. C 244/12 Ziff.3.6 „Litauen: „Zuweisung von Beihilfen staatliche Unternehmen in Besserungsanstalten“: Bei Beihilfen an staatliche Unternehmen, die in Besserungsanstalten die berufliche Ausbildung und die Beschäftigung von Strafgefangenen sicherstellen, kann das Ziel der Arbeitsförderung und der Wiedereingliederung nicht von der hoheitlichen Tätigkeit des Strafvollzugs getrennt werden. Siehe auch KOMM. 27.6.2007, N 558/2005, ABl. 2007 Nr. C 255/22 Rn. 52–61 „Polen: Förderung von Behindertenwerkstätten“: Bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zum Zwecke ihrer Selbstständigkeit und Reintegration stellen die von diesen erzeugten Produkte und Dienstleistungen lediglich eine wirtschaftliche Nebentätigkeit dar. 43 Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation vom 21.05.2014 (2014/C 198/01), Ziff. 2.1.1 Rn. 20. 176 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 169–178 Kommission rechtsverbindlich verabschiedeten Kriterien zur Anwendung der Rn. 20 vor. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob bezüglich der Kapazität als Bezugsgröße auf die Hochschule als Ganze („Forschungseinrichtung“, Definition siehe Rn. 15, lit. ee FuERahmen) oder abgrenzbare Einheiten innerhalb der Hochschule („Forschungsinfrastruktur“, Definition siehe Rn. 15 lit. ff FuE-Rahmen, worunter u.a. auch Geräte, Archive und Infrastrukturen der Informations- und Kommunikationstechnologie fallen) abzustellen ist.44 Die Kernfrage der Bezugsgröße lautet demnach: Kann sich eine einzelne Forschungseinrichtung in mehrere Untereinheiten, die jeweils Forschungsinfrastrukturen in diesem Sinne darstellen, unterteilen und muss dann für jede einzelne dieser „Untereinheiten“ die 80/20-Grenze gelten – oder ist der Blick auf die Forschungseinrichtung „als Einheit“ zu richten? In jedem Fall ist eine Trennungsrechnung durchzuführen, um das Nicht-Überschreiten der Grenze belegen zu können. Die unter das 20 %-Kriterium fallenden wirtschaftlichen Tätigkeiten sind in der Trennungsrechnung als „privilegierte wirtschaftliche Tätigkeiten“ gesondert auszuweisen.45 In Bezug auf die Bagatellgrenze bei einer gemischten Nutzung von Infrastruktur für nichtwirtschaftliche und wirtschaftliche Tätigkeiten heißt es in Ziffer 207 der „Notion of Aid“: „Wenn die Infrastruktur im Falle einer gemischten Nutzung fast ausschließlich für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, kann ihre Finanzierung nach Auffassung der Kommission ganz aus dem Anwendungsbereich der Beihilfevorschriften herausfallen, sofern die wirtschaftliche Nutzung eine reine Nebentätigkeit darstellt, d. h., wenn sie unmittelbar mit dem Betrieb der Infrastruktur verbunden und dafür erforderlich ist oder in untrennbarem Zusammenhang mit der nichtwirtschaftlichen Haupttätigkeit steht. Davon ist auszugehen, wenn für die wirtschaftliche Tätigkeit die gleichen Produktionsfaktoren (zum Beispiel Materialien, Ausrüstung, Personal und Anlagevermögen) erforderlich sind wie für die nichtwirtschaftliche Haupttätigkeit. Die Inanspruchnahme der Kapazität der Infrastruktur durch wirtschaftliche Nebentätigkeiten muss in ihrem Umfang begrenzt bleiben. Als Beispiele für solche wirtschaftlichen Nebentätigkeiten sind unter anderem Forschungseinrichtungen anzuführen, die gelegentlich ihre Ausrüstungen und Labors an Partner aus der Industrie vermieten. Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass übliche Zusatzleistungen (wie Restaurants, Geschäfte oder bezahlte Parkplätze) von fast ausschließlich für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Infrastrukturen sich in der Regel nicht auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken, weil unwahrscheinlich ist, dass diese üblichen Zusatzleistungen Kunden aus anderen Mitgliedstaaten anziehen würden und dass ihre Finanzierung mehr als marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen oder Niederlassungen haben dürfte.“ Die Kommission geht folglich davon aus, dass bei einer gemischten Nutzung einer Infrastruktur fast ausschließlich für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten, ihre Finanzierung ganz aus dem Anwendungsbereich des EUBeihilferechts herausfallen kann, wenn die wirtschaftliche Nutzung eine im Umfang begrenzte reine Nebentätigkeit ist. Hierzu nennt die Kommission dieselbe Vermutungsregel wie der FuE-Rahmen. Ferner betrachtet die Kommission übliche Zusatzleistungen (wie Restaurants, Geschäfte und bezahlte Parkplätze) von fast ausschließlich für nichtwirtschaftliche Zwecke genutzten Infrastrukturen als „in der Regel“ nicht potenziell handelsbeeinträchtigend. „In der Regel“ bedeutet, dass keine Besonderheiten vorliegen dürfen, die eine andere Annahme rechtfertigen könnten (wie beispielsweise ein Sternerestaurant, das Kunden aus anderen Mitgliedsstaaten anziehen könnte). Die Autoren sind skeptisch hinsichtlich dieser Privilegierung und empfehlen in ihrer Praxis nicht die Berufung auf diese Vorschrift, da insbesondere die unterjährige Steuerung (Vermeidung der Überschreitung der 20%-wirtschaftlichen Nutzung) kaum möglich erscheint. Zusammenfassend wollen die Autoren darauf verweisen, dass viele Trennungsrechnungen in der Praxis nicht notwendigerweise an betriebswirtschaftlichen Parametern scheitern, sondern an einer sauberen Abgrenzung von wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten. Diese ist Voraussetzung jeder sauberen Trennungsrechnung und eine rechtliche Frage. Viele andere Aspekte einer Trennungsrechnung bauen (lediglich) darauf auf. Daher der Appell: Unbedingt eine saubere Abgrenzung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten vornehmen und in die Buchhaltung einstellen! 44 Leitfaden zur Unterscheidung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit von Hochschulen (III C – 4120/6.1.2.) vom Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland vom 22.0.2017, Ziff. 5. 45 Leitfaden zur Unterscheidung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit von Hochschulen (Stand: 22.09.2017), herausgegeben von dem Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Ziffer 5, abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_09_22-LeitfadenWirtschaftliche-Nichtwirtschaftliche-Taetigkeit.pdf [Stand: 30.04.2019]. Hillemann/Wittig · EU-beihilferechtliche Trennungsrechnung in der Wissenschaft 177 C. Preisermittlung Nachdem eine Abgrenzung von wirtschaftlicher zu nichtwirtschaftlicher Tätigkeit vorgenommen wurde, muss sichergestellt werden, dass wirtschaftliche Tätigkeiten nicht zu einer Quersubventionierung eines Unternehmens führen. Dies bemisst sich am sog. PrivateInvestor-Test. Dabei wird das wirtschaftliche Handeln der staatlichen Stelle mit dem hypothetischen Verhalten eines Privatinvestors verglichen. Würde er den Vorteil nicht oder zu ungünstigeren Konditionen anbieten, läge eine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vor. Der FuE-Rahmen enthält dazu im Bereich der Forschung und Entwicklung in Abschnitt 2.2.1., Rn. 25 lit. a) und b) die folgenden Voraussetzungen, unter denen keine mittelbare staatliche Beihilfe vorliegt: a) „Die Auftragsforschung oder Forschungsdienstleistung wird zum Marktpreis erbracht. b) Wenn es keinen Marktpreis gibt, wird die Auftragsforschung oder Forschungsdienstleitung zu einem Preis erbracht, der (1) den Gesamtkosten entspricht und eine angemessene Gewinnspanne umfasst, die sich an von vergleichbar tätigen Unternehmen angewandten Gewinnspannen orientiert oder (2) das Ergebnis von nach dem „Arm‘s‑length-Prinzip“, d. h. wie zwischen unabhängigen Parteien geführten Verhandlungen, ist und zumindest die Grenzkosten gedeckt werden.“ Diese Anforderungen sind an die Preisermittlung zu stellen. Im Übrigen gelten die o.g. Anforderungen systematisch für alle wirtschaftlichen Tätigkeiten von Hochschulen, auch wenn dies nicht ausdrücklich klargestellt wird im FuE-Rahmen. Die Leistungserbringung zum Marktpreis ist, sofern ein solcher bekannt ist, unproblematisch. Andernfalls kommt der Preiskalkulierung durch Addition der Gesamtkosten mit Gewinnaufschlag Bedeutung zu. Da die Preisermittlung nach dem Arm’s‑length-Prinzip oft mit Beweisschwierigkeiten verbunden ist, ist vorrangig von einer Preisermittlung zu Vollkosten + Gewinn Gebrauch zu machen. D. Ausblick Die Autoren sehen in der Praxis zunehmend einerseits Bemühungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, das System des EU-Beihilferechts und der Trennungsrechnung sauber umzusetzen, andererseits aber auch zunehmend kritische Prüfungen der Umsetzung insbesondere durch die Rechnungshöfe. Dabei werden viele Fehler nicht auf der Ebene betriebswirtschaftlicher Parameter begangen, sondern auf der Ebene der Abgrenzung wirtschaftlicher/nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten. Diese Abgrenzung sollte sauber erfolgen. Eine Orientierungshilfe kann hierbei der KMK-Leitfaden46 bieten, der jedoch jeweils im Einzelfall auf Kongruenz zum konkreten Fall zu prüfen ist. Dennis Hillemann ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Senior Manager bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg. Tanja Wittig ist Rechtsanwältin bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg. 46 Leitfaden zur Unterscheidung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit von Hochschulen (Stand: 22.09.2017), herausgegeben von dem Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_09_22-LeitfadenWirtschaftliche-Nichtwirtschaftliche-Taetigkeit.pdf [Stand: 30.04.2019]. 178 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2019), 169–178