Menü Schließen
Klicke hier zur PDF-Version des Beitrags!

I. Ein­lei­tung

Die Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on ESA ist Euro­pas Tor zum Welt­raum. Ihre Auf­ga­be ist es, das gemein­sa­me euro­päi­sche Welt­raum­pro­gramm zu kon­zi­pie­ren und umzu­set­zen. Die Ziel­set­zung ihrer Pro­jek­te ist dement- spre­chend viel­fäl­tig – von der Erfor­schung der Erde, ihres unmit­tel­ba­ren Umfelds, des Son­nen­sys­tems und des Uni­ver­sums über die Ent­wick­lung satel­li­ten­ge­stütz- ter Tech­no­lo­gien und Dienst­leis­tun­gen bis hin zur För- derung ver­schie­de­ner euro­päi­scher High-Tech-Indus­tri- en. Aktu­ell gehö­ren der ESA 22 Mit­glieds­staa­ten an. Die Bün­de­lung von Finanz­mit­teln und Know-how der ein- zel­nen Mit­glied­staa­ten, ermög­licht die Rea­li­sie­rung von ambi­tio­nier­ten und welt­weit füh­ren­den Pro­gram­men und Projekten.

Im fol­gen­den Bei­trag stel­len wir zunächst den recht- lichen Sta­tus der ESA und ihre Struk­tur, sowie ihre sich dar­aus erge­ben­de Immu­ni­tät dar, bevor wir uns im nächs­ten Teil spe­zi­ell dem Dienst­recht der ESA zuwen- den, dem die Rechts­ver­hält­nis­se ihrer Mit­ar­bei­ter unterliegen.

II. Sta­tus der Euro­päi­schen Weltraumorganisation

Die Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on ESA wur­de von ihren Mit­glied­staa­ten als unab­hän­gi­ge inter­na­tio­na­le zwi­schen­staat­li­che Orga­ni­sa­ti­on im klas­si­schen Sin­ne geschaffen.

1. Zweck, Auf­ga­ben und Tätig­kei­ten der Organisation

Gemäß dem Über­ein­kom­men zu ihrer Gründung2 ist es Zweck der Orga­ni­sa­ti­on, die Zusam­men­ar­beit euro­päi- scher Staa­ten für aus­schließ­lich fried­li­che Zwe­cke auf dem Gebiet der Welt­raum­for­schung, der Welt­raum­tech- nolo­gie und ihrer welt­raum­tech­ni­schen Anwen­dun­gen im Hin­blick auf deren Nut­zung für die Wis­sen­schaft und für ope­ra­tio­nel­le Welt­raum­an­wen­dungs­sys­te­me sicher- zustel­len und zu ent­wi­ckeln. Das Über­ein­kom­men stellt der Orga­ni­sa­ti­on aus­drück­lich fol­gen­de Instru­men­te zur Ver­fü­gung, um die­sen Zweck zu erreichen:

  1. 1  Die in die­sem Text geäu­ßer­ten Mei­nun­gen und Kom­men­ta­re unter­lie­gen der Ver­ant­wor­tung der Autoren und spie­geln nicht unbe­dingt den Stand­punkt der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa- tion.
  2. 2  Über­ein­kom­men zur Grün­dung einer Euro­päi­schen Welt­raum­or- gani­sa­ti­on, 30. Mai 1975 in Paris, BGBl. II 1976, 1862 ff.

– die Aus­ar­bei­tung und Durch­füh­rung einer lang­fris­ti- gen euro­päi­schen Weltraumpolitik,

– die Aus­ar­bei­tung und Durch­füh­rung von Welt­raum­tä- tig­kei­ten und programmen,

– die Koor­di­na­ti­on der natio­na­len Welt­raum­pro­gram- me mit dem euro­päi­schen Pro­gramm und deren Integ- rati­on in das­sel­be, und

– die Aus­ar­bei­tung einer ein­heit­li­chen Industriepolitik.

Eine Beson­der­heit der ESA ist, dass neben den obli- gato­ri­sche Tätig­kei­ten, an denen alle Mit­glied­staa­ten teil­neh­men, wie bei­spiels­wei­se tech­no­lo­gi­sche For- schungs­ar­beit sowie die Aus­ar­bei­tung und Durch­füh- rung eines wis­sen­schaft­li­chen Pro­gramms inklu­si­ve Sa- tel­li­ten und ande­rer Welt­raum­sys­te­me, der Löwen­an­teil (ca. 80%) der von den Mit­glied­staa­ten zur Ver­fü­gung ge- stell­ten Mitteln3 in fakul­ta­ti­ve Pro­gram­me fließt, für die die Mit­glied­staa­ten jeweils ent­schei­den kön­nen, ob und in wel­chem Maße sie sich an dem jewei­li­gen Pro­gramm betei­li­gen möchten.4 Die­se Modu­la­ri­tät und indi­vi­du­el­le Gestalt­bar­keit der Teil­nah­me an pro­gram­ma­ti­schen Ak- tivi­tä­ten wird von den Mit­glied­staa­ten als ein Grund- stein der Attrak­ti­vi­tät der ESA geschätzt.

Ein wei­te­res Merk­mal der ESA ist ihre spe­zi­fi­sche In- dus­trie­po­li­tik: gemäß Arti­kel VII des Grün­dungs­über- ein­kom­mens ist die­se ins­be­son­de­re dar­auf aus­ge­rich­tet, den Erfor­der­nis­sen des euro­päi­schen Welt­raum­pro- gramms und der koor­di­nier­ten natio­na­len Welt­raum- pro­gram­me kos­ten­wirk­sam zu ent­spre­chen, die Wett­be- werbs­fä­hig­keit der euro­päi­schen Indus­trie in der Welt zu ver­bes­sern sowie zu gewähr­leis­ten, dass alle Mit­glied- staa­ten in gerech­ter Wei­se, unter Berück­sich­ti­gung ihres finan­zi­el­len Bei­trags, an der Durch­füh­rung des euro­päi- schen Welt­raum­pro­gramms und an der damit zusam- men­hän­gen­den Ent­wick­lung der Welt­raum­tech­no­lo­gie teil­neh­men. Die Indus­trie­po­li­tik der ESA trägt zur welt- wei­ten Wett­be­werbs­fä­hig­keit der euro­päi­schen Raum- fahrt­in­dus­trie im Bereich der Raum­fahr­zeug­trä­ger, des Satel­li­ten­baus sowie des Boden­seg­ments bei und ermög- licht es Euro­pa, das gesam­te Spek­trum von Raum­fahrt- tech­no­lo­gien, ‑pro­duk­ten und ‑dienst­leis­tun­gen zu

3 Für 2017 beläuft sich der Haus­halt der ESA auf 5,75 Mil­li­ar­den €. 4 Die wich­tigs­ten optio­na­len Pro­gram­me der ESA befin­den sich

der­zeit im Bereich der Erd­be­ob­ach­tung, Satel­li­ten­na­vi­ga­ti­on, Raum­fahr­zeug­trä­ger­ent­wick­lung, bemann­te Raum­fahrt und robo­ti­sche Explo­ra­ti­on, Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on und inte­grier­te Anwendungen.

Ulri­ke M. Bohl­mann und Tom Meinert

Die Rechts­ver­hält­nis­se der Mit­ar­bei­ter der ESA1

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2017, ISSN 2197–9197

222 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 221–228

meis­tern. Die Mit­glied­staa­ten ver­ste­hen den Aspekt, dass im Rah­men der Indus­trie­po­li­tik alle Mit­glied­staa- ten in Funk­ti­on ihres finan­zi­el­len Bei­tra­ges zum jewei­li- gen Pro­gramm auch indus­tri­ell an der Rea­li­sie­rung des Pro­gram­mes mit­wir­ken kön­nen, als zusätz­li­chen Investitionsanreiz.

Aus­ge­hend von ursprüng­lich zehn Grün­dungs­staa- ten, hat die ESA inzwi­schen 22 Mit­glied­staa­ten, davon 20 EU-Mit­glied­staa­ten5 sowie Nor­we­gen und die Schweiz. Sechs wei­te­re EU-Mit­glied­staa­ten6 haben mit der ESA Koope­ra­ti­ons­ab­kom­men geschlos­sen und mit Kroa­ti­en wer­den zur­zeit Ver­hand­lun­gen geführt. Slo­we- nien ist asso­zi­ier­ter Mit­glied­staat und Kana­da nimmt im Rah­men eines seit Lan­gem bestehen­den Koope­ra­ti­ons- abkom­mens an bestimm­ten ESA-Pro­gram­men teil.

2. Die klas­si­sche Struk­tur einer Zwi­schen­re­gie­rungs­or- ganisation

Die ESA ist als klas­si­sche inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­ti­on mit zwei Orga­nen kon­zi­piert: dem ESA-Rat und dem Gene­ral­di­rek­tor. Der ESA-Rat, das Ple­nar­or­gan, setzt sich aus Ver­tre­tern sei­ner Mit­glied­staa­ten zusam­men und tagt auf Minis­ter- oder Dele­gier­ten­ebe­ne. Der Rat ist aus­drück­lich mit der Fähig­keit aus­ge­stat­tet wor­den, nach­ge­ord­ne­te Gre­mi­en zu schaf­fen und Befug­nis­se an die­se zu dele­gie­ren, so gesche­hen zum Bei­spiel im Fall des Ver­wal­tungs- und Finanz­aus­schus­ses, oder des Aus- schus­ses für Indus­trie­po­li­tik. In die­sen nachgeordneten

Aus­schüs­sen sind alle Mit­glied­staa­ten ver­tre­ten. Da- rüber hin­aus wur­den pro pro­gram­ma­ti­schen Bereich Pro­gramm­rä­te ein­ge­rich­tet, die sich aus Ver­tre­tern der an einem bestimm­ten Pro­gramm teil­neh­men­den Mit- glied­staa­ten zusam­men­set­zen. Die­se Auf­ga­ben­tei­lung gewähr­leis­tet zum einen, dass der Rat von nach­ge­ord­ne- ten Fra­ge­stel­lun­gen ent­las­tet wird und zum ande­ren, dass die Mit­glied­staa­ten auf der ent­spre­chen­den Exper- ten­ebe­ne ver­tre­ten sind.

Nach dem Grund­satz der Gleich­heit sou­ve­rä­ner Staa- ten haben alle Mit­glied­staa­ten eine Stim­me im Rat. Die Mit­glied­staa­ten haben jedoch beschlos­sen, pro­gram­ma- tische Ent­schei­dun­gen nur den Mit­glied­staa­ten zu über- las­sen, die an dem jewei­li­gen Pro­gramm auch teil­neh- men, sowie eine gewich­te­te Abstim­mung für bestimm­te ein­zel­ne Ent­schei­dun­gen ein­ge­führt, so dass die jeweils erfor­der­li­che Mehr­heit auf der Grund­la­ge der abge­ge­ben Stim­men und auf der Grund­la­ge der Bei­trä­ge zu den op- tio­na­len Pro­gram­men berech­net wird. Die Mehr­heits­an- for­de­run­gen vari­ie­ren je nach Art der getrof­fe­nen Ent-

5 Bel­gi­en, Däne­mark, Deutsch­land, Est­land, Finn­land, Frank­reich, Grie­chen­land, Irland, Ita­li­en, Luxem­burg, Nie­der­lan­de, Öster- reich, Polen, Por­tu­gal, Rumä­ni­en, Schwe­den, Spa­ni­en, Tsche­chi- sche Repu­blik, Ungarn und das Ver­ei­nig­te Königreich.

schei­dung: grund­le­gen­de Ent­schei­dun­gen, wie bei­spiels- wei­se die Geneh­mi­gung einer inter­na­tio­na­len Zusam- men­ar­beit erfor­dert ein­stim­mi­ge Zustim­mung, wäh­rend die Annah­me von Regeln und Ver­ord­nun­gen eine Zwei- drit­tel­mehr­heit erfor­dert und die weit­aus meis­ten Ent- schei­dun­gen mit ein­fa­cher Mehr­heit der Mit­glied­staa­ten getrof­fen werden.

Das Exe­ku­tiv­or­gan der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga- nisa­ti­on ist ihr Gene­ral­di­rek­tor. Er ist der obers­te Be- diens­te­te der Orga­ni­sa­ti­on und ihr gesetz­li­cher Vert­re- ter. Der Gene­ral­di­rek­tor hat das Vor­recht, die Pro­gram- me vor­zu­schla­gen und Ent­schei­dungs­un­ter­la­gen zu for- mulie­ren. Er setzt die vom Rat fest­ge­leg­te Poli­tik um und ver­ab­schie­det inter­ne Anwei­sun­gen für das Per­so­nal. Er trifft alle erfor­der­li­chen Maß­nah­men für die Lei­tung der Orga­ni­sa­ti­on, die Durch­füh­rung ihrer Pro­gram­me, die Anwen­dung ihrer Poli­tik und die Erfül­lung ihres Zwecks im Ein­klang mit den Wei­sun­gen des Rates. Der Gene­ral- direk­tor wird vom Per­so­nal der Orga­ni­sa­ti­on in sei­nen Auf­ga­ben unter­stützt. Die Mit­glie­der des Per­so­nals wer- den auf­grund ihrer Befä­hi­gung unter Berück­sich­ti­gung einer ange­mes­se­nen Ver­tei­lung der Stel­len auf Staats­an- gehö­ri­ge der Mit­glied­staa­ten ein­ge­stellt. Die Ein­stel­lung und die Been­di­gung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses er- fol­gen in Über­ein­stim­mung mit der Personalordnung.

3. Immu­ni­tät

Als inter­na­tio­na­le zwi­schen­staat­li­che Orga­ni­sa­ti­on besitzt die ESA Rechts­per­sön­lich­keit und genießt die in Arti­kel XV des Grün­dungs­über­ein­kom­mens vor­ge­se­he- ne klas­si­sche Immu­ni­tät. Die­se Immu­ni­tät garan­tiert die Unab­hän­gig­keit der Orga­ni­sa­ti­on, die not­wen­dig ist, um die Ver­wirk­li­chung ihrer Zie­le zu ermög­li­chen, ange- sichts poli­ti­scher und wirt­schaft­li­cher Inter­es­sen der Mit­glied­staa­ten. Die­se Immu­ni­tät wird durch ein Sys­tem von Streit­bei­le­gungs­me­cha­nis­men und –ver­fah­ren aus- gegli­chen, das den maß­ge­schnei­der­ten Ansatz für jeden poten­zi­el­len Streit vor­sieht, der sich in den ver­schie­de- nen Bezie­hun­gen erge­ben kann, die die Agen­tur auf ver- schie­de­nen Ebe­nen unter­hält. Anhang I des Grün­dungs- über­ein­kom­mens, und dort ins­be­son­de­re Arti­kel IV, gestal­ten die­se Vor­rech­te und Immu­ni­tä­ten näher aus.

Gemäß Arti­kel XXVII des Anhangs I des Über­ein- kom­mens trifft die Agen­tur geeig­ne­te Vor­keh­run­gen für die zufrie­den­stel­len­de Bei­le­gung von Strei­tig­kei­ten zwi- schen der Agen­tur und dem Gene­ral­di­rek­tor, den Be- diens­te­ten oder Sach­ver­stän­di­gen in Bezug auf ihre Dienst­be­din­gun­gen. Der Grund für die­se Verpflichtung

6 Bul­ga­ri­en, Lett­land, Litau­en, Mal­ta, Slo­wa­kei und Zypern.

Bohl­mann und Mei­nert · Rechts­ver­hält­nis­se der Mit­ar­bei­ter der ESA 2 2 3

liegt wie­der­um in der Immu­ni­tät der Agentur.7 Die­se Ver­pflich­tung zur Bei­le­gung eines Streit­bei­le­gungs­me- cha­nis­mus wur­de durch die Ein­set­zung des Beschwer­de- aus­schus­ses der Agen­tur gemäß Kapi­tel VIII, Ver­ord- nun­gen 33 bis 41 des ESA-Sta­tuts eingehalten.8

III. Dienst­recht der ESA

Das Dienst­recht der ESA regelt die Bezie­hun­gen zwi- schen der Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on und ihren Mit­ar­bei- tern. Den Sta­tus „Mit­ar­bei­ter“ haben aus­schließ­lich Bediens­te­te in unmit­tel­ba­rem Arbeits­ver­hält­nis mit der ESA. Dies trifft zu für die cir­ca 2500 Mit­ar­bei­ter, wel­che nach dem ESA inter­nen Ent­gelt­stu­fen-Sys­tem ein­grup- piert sind, inklu­si­ve der zah­len­mä­ßig weni­ger bedeut­sa- men Grup­pen von Mit­ar­bei­tern im Trai­nee­ship Pro- gram­me der ESA (YGT für „Young Gra­dua­te Trai­nee“) sowie For­schungs­sti­pen­dia­ten (IRF für „Inter­nal Rese­arch Fellow“).

Ins­be­son­de­re Prak­ti­kan­ten, sowie Wis­sen­schaft­ler zu etwa­igen For­schungs­auf­ent­hal­ten bei der ESA, Abord- nun­gen zur ESA und all die­je­ni­gen Kol­le­gen, die vor­rü- ber­ge­hend die Tätig­kei­ten der Orga­ni­sa­ti­on auf Basis von Werk‑, Dienst- oder Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ver- trä­gen zwi­schen ESA und exter­nen Unter­neh­men unter- stüt­zen, fal­len grund­sätz­lich nicht in den Gel­tungs­be- reich des Dienst­rechts. Gleich­zei­tig sind eini­ge per­so­nal- recht­li­che Bestim­mun­gen der ESA etwa zur Arbeits- platz­si­cher­heit und dem Arbeit­neh­mer­schutz eben­falls auf die­se Grup­pen anwendbar.

1. Hin­ter­grund

Wie bereits oben unter II.3 bespro­chen, genießt die ESA Unab­hän­gig­keit von ihren Mit­glieds­staa­ten, um ihre Auf­ga­ben und Zie­le zu errei­chen. Auch das Dienst­recht der ESA ist unab­hän­gig von den natio­na­len Rege­lun­gen der Mit­glied­staa­ten. Als zwi­schen­staat­li­che Orga­ni­sa­ti- on wer­den die Dienst­rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen der Orga­ni­sa­ti­on und ihren Mit­ar­bei­tern sepa­rat und in allen wesent­li­chen Punk­ten durch eine orga­ni­sa­ti­ons­ei- gene Per­so­nal­ord­nung gere­gelt. Wenn­gleich natio­na­les Recht und die gesetz­ge­be­ri­schen Vor­stel­lun­gen der ESA Mit­glied­staa­ten also nicht direkt Anwen­dung auf die Mit­ar­bei­ter der Orga­ni­sa­ti­on fin­den, haben die Fortent-

7 Zum his­to­ri­schen Hin­ter­grund des Anspruchs auf die Ver­füg- bar­keit eines Rechts­be­helfs als all­ge­mei­ner Rechts­grund­satz im Sin­ne von Arti­kel 38 des Sta­tuts des Inter­na­tio­na­len Gerichts­hofs sie­he: August Rei­nisch, Ulf Andre­as Weber: In the Shadow of Wai­te and Ken­ne­dy – The juris­dic­tion­al immu­ni­ty of inter­na­ti- onal orga­niza­ti­ons, the individual’s right of access to the courts and admi­nis­tra­ti­ve tri­bu­nals as alter­na­ti­ve means of dis­pu­te sett­le­ment, in: Inter­na­tio­nal Orga­niza­ti­ons Law Review 2004,

wick­lun­gen der ver­schie­de­nen ein­zel­staat­li­chen Rechts- sys­te­me sowie der Euro­päi­schen Uni­on doch mit­tel­ba­re Aus­wir­kun­gen: Einer­seits betreibt die Ver­wal­tung rechts­ver­glei­chen­de Ana­ly­sen zur Wei­ter­ent­wick­lung der auf ihre Mit­ar­bei­ter anwend­ba­ren Vor­schrif­ten, ande­rer­seits brin­gen auch die Dele­ga­ti­ons­mit­glie­der der Mit­glied­staa­ten im ESA-Rat und dem ihm nach­ge­ord­ne- ten Ver­wal­tungs- und Finanz­aus­schuss die jewei­li­gen natio­na­len Blick­win­kel durch­aus ein, wenn dienst­recht- liche Vor­schrif­ten zur Abstim­mung vor­ge­legt werden.

Glei­ches gilt für die Recht­spre­chung inter­na­tio­na­ler Gerich­te. Die ESA ist als eigen­stän­di­ge Inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­ti­on nicht selbst Mit­glied ande­rer inter­na­tio­na- ler Orga­ni­sa­tio­nen, deren Gerichts­bar­keit sie unter­stün- de. Daher sind Ent­schei­dun­gen bezüg­lich dienst­recht­li- cher Ver­pflich­tun­gen ande­rer inter­na­tio­na­ler Orga­ni­sa- tio­nen (durch Ver­wal­tungs­ge­rich­te wie EuGH für EU, UNDT und UNAT für die VN oder die Recht­spre­chung des Ver­wal­tungs­ge­richts der Inter­na­tio­na­len Arbeits­or- gani­sa­ti­on (VGIAO) für des­sen über 60 Mit­glieds­or­ga- nisa­tio­nen) für die ESA nicht ver­bind­lich. Den­noch stel- len sie wert­vol­le Inter­pre­ta­ti­ons­hil­fen für ESA Vor­schrif- ten dar, ins­be­son­de­re wenn die­se denen ande­rer Inter­na- tio­na­ler Orga­ni­sa­tio­nen inhalt­lich beson­ders ähn­lich sind.

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die ein­zel­nen Mit­glied­staa­ten der ESA, anders als die Orga­ni­sa­ti­on selbst, sehr wohl nicht nur vor ihrer na- tio­na­len Gerichts­bar­keit son­dern auch vor ande­ren in- ter­na­tio­na­len Gerich­ten, etwa dem EuGH oder dem EGMR zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den können.

Exakt in die­sem Span­nungs­feld ver­schie­de­ner Zu- stän­dig­kei­ten und der Immu­ni­tät der ESA spiel­te bei- spiels­wei­se der Fall „Wai­te and Ken­ne­dy vs Ger­ma­ny“ vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR).9 In dem Fall wur­den Arbeit­neh­mer eines pri- vaten euro­päi­schen Unter­neh­mens der ESA für Arbei­ten im Euro­pean Space Obser­va­tions Cen­ter (ESOC) in Darm­stadt für eine Dau­er von über 10 Jah­ren zur Ver­fü- gung gestellt. Nach­dem die­se Über­las­sung zwi­schen ESA und dem pri­va­ten Unter­neh­men been­det wur­de, tru­gen die Arbeit­neh­mer in den vor deut­schen Gerich­ten an- hän­gig gemach­ten Kla­gen vor, sie hät­ten nach deut- schem Recht und ins­be­son­de­re dem Arbeitnehmerüber-

Sei­ten 59–110, ver­füg­bar unter: http://deicl.univie.ac.at/fileadmin/ user_upload/i_deicl/VR/VR_Personal/Reinisch/ Publikationen/ waite_kennedy_iolr_2004.pdf [zuletzt abge­ru­fen am 29.5.2017].

8 Sie­he auch: Bohl­mann, Dis­pu­ting with ESA, in: Pro­cee­dings of the 56th Col­lo­qui­um on the Law of Outer Space, Sep­tem­ber 2013, ele­ven inter­na­tio­nal publi­shing, Edi­tor: Corin­ne Jor­gen­sen, 2014.

9 http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001‑3495 [zuletzt abge­ru­fen am 29.5.2017].

224 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 221–228

las­sungs­ge­setz einen Mit­ar­bei­ter­sta­tus bei der ESA er- langt. Die ESA berief sich in allen natio­na­len Instan­zen erfolg­reich auf ihre Immu­ni­tät und die Arbeit­neh­mer ar- gumen­tier­ten nach Erschöp­fung des natio­na­len Rechts- weges eine Ver­let­zung in ihrem Recht auf ein fai­res Ver- fah­ren durch den ESA Mit­glied­staat Deutsch­land (ge- mäß Arti­kel 6 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­er­klä- rung — EMRK) vor dem EGMR. Das Gericht ent­schied ein­stim­mig, dass die Arbeit­neh­mer gegen­über ihrem Ent­leih­un­ter­neh­men Ansprü­che hät­ten gel­tend machen kön­nen und auch vor dem ESA Beschwer­de­aus­schuss ef- fek­ti­ven Rechts­schutz hät­ten erlan­gen kön­nen und da- her nicht in ihrem Recht aus Arti­kel 6 der EMRK ver­letzt seien.

2. Die Nor­men­hier­ar­chie des ESA Dienstrechts

Das kodi­fi­zier­te Dienst­recht lässt sich in fol­gen­dem Schau­bild zusammenfassen:

b) Staff Regulations

Die Vor­schrif­ten der Per­so­nal­ord­nung, wel­che vom ESA Rat in ihrer der­zei­ti­gen Fas­sung 2014 beschlos­sen wur- den, wer­den in der eng­li­schen Sprach­fas­sung der Per­so- nal­ord­nung “Staff Regu­la­ti­ons” und in der fran­zö­si­schen Sprach­fas­sung “Artic­les” genannt. Gemein­sam mit dem ESA Über­ein­kom­men stel­len sie die Grund­la­ge der Arbeits­be­din­gun­gen von ESA Mit­ar­bei­tern dar.

Die­se vom Rat ver­ab­schie­de­ten Vor­schrif­ten der Per­so- nal­ord­nung sind in ihrer der­zeit gül­ti­gen Fas­sung öffent­lich auf Eng­lisch und Fran­zö­sisch, den bei­den Arbeits­spra­chen der Orga­ni­sa­ti­on, im Inter­net verfügbar.10

Da eini­ge Vor­schrif­ten der Per­so­nal­ord­nung wei­te­rer Kon­kre­ti­sie­rung bedür­fen ist der dem ESA-Rat nach­ge- ord­ne­te Ver­wal­tungs- und Finanz­aus­schuss befugt über eben sol­che Arti­kel der Imple­men­tie­rungs­vor­schrif­ten zu entscheiden.

page4image787526896

a) ESA Übereinkommen

Das Über­ein­kom­men legt die Grund­zü­ge der dienst- recht­li­chen Orga­ni­sa­ti­on der ESA fest. Es bestimmt, dass der Rat der ESA durch die Per­so­nal­ord­nung wei­te­re Ein- zel­hei­ten der dienst­recht­li­chen Bezie­hun­gen regelt (Arti­kel XI, Absatz i). Das Über­ein­kom­men legt grund­sätz­lich fest, dass Mit­ar­bei­ter im Ein­klang mit der Per­so­nal­ord­nung ein­zu- stel­len­sind­und­dass­sie­die­im­Über­ein­kom­men­ge­re­gel­ten Vor­rech­te und Immu­ni­tä­ten genießen.

10 http://esamultimedia.esa.int/docs/LEX‑L/Contracts/ESA_ REG_007_EN.pdf [zuletzt abge­ru­fen am 29.5.2017].

c) Arti­kel und Dienst­an­wei­sun­gen der Personalordnung

Die Arti­kel („Staff Rules“ in der eng­li­schen Sprach­fas- sung und „règle­ment“ in der fran­zö­si­schen Sprach­fas- sung) und Dienst­an­wei­sun­gen („Staff Ins­truc­tions“ und „Ins­truc­tions“) stel­len die unter­ge­ord­ne­ten Vor­schrif­ten der Per­so­nal­ord­nung dar. Gemein­sam mit den Anhän- gen und Anla­gen zur Per­so­nal­ord­nung wer­den sie ESA Mit­ar­bei­tern bereits vor Dienst­be­ginn zugäng­lich gemacht und kom­plet­tie­ren den Kata­log anwendbarer

Bohl­mann und Mei­nert · Rechts­ver­hält­nis­se der Mit­ar­bei­ter der ESA 2 2 5

dienst­recht­li­cher Bestim­mun­gen der ESA. Ände­run­gen an die­sen Vor­schrif­ten wer­den durch Adden­da zur Per- sonal­ord­nung ver­ab­schie­det. Dies geschah in den letz­ten Jah­ren durch­schnitt­lich sechs­mal pro Jahr, wobei derar- tige Refor­men unter­schied­lich umfang­reich sein kön- nen.11

d) Ver­wal­tungs­rund­schrei­ben und ver­wal­tungs­in­ter­ne Anweisungen

Die­se Anwei­sun­gen wer­den in Form von Ver­wal­tungs- rund­schrei­ben ver­öf­fent­licht und regeln so unter­schied- liche The­men wie Teil­zeit­ar­beit, das orga­ni­sa­ti­ons­ei­ge­ne Pen­si­ons­sys­tem aber auch die Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der ESA. Dane­ben ist es der Orga­ni­sa­ti­on unbe­nom­men, wei­ter­ge­hen­de inter­ne Anwei­sun­gen zu erlas­sen. Dies ist ins­be­son­de­re zweck­dien­lich, um die kohä­ren­te und fai­re Behand­lung aller Mit­ar­bei­ter an den ver­schie­de­nen Stand­or­ten zu gewährleisten.

e) Ent­schei­dun­gen des ESA Beschwerdeausschusses

Zuletzt sei­en noch die Ent­schei­dun­gen des ESA Beschwer­de­aus­schus­ses auf­ge­führt. Deren unmit­tel­ba­re Wir­kung ist grund­sätz­lich begrenzt auf den anhän­gi­gen Rechts­streit zwi­schen den Par­tei­en des jewei­li­gen Ver- fah­rens. Gleich­zei­tig gebie­tet es der Gleich­be­hand­lungs- grund­satz, dass die Ver­wal­tung all ihre Mit­ar­bei­ter in ver­gleich­ba­ren Situa­tio­nen auch gleich behan­delt. Daher ist in Aus­nah­me­fäl­len vor­stell­bar, dass sich nach einer Ent­schei­dung des Beschwer­de­aus­schus­ses de fac­to auch eine mit­tel­ba­re Dritt­wir­kung für Mit­ar­bei­ter in ver- gleich­ba­ren Situa­tio­nen ergibt, wel­che selbst nicht Beschwer­de gegen eine sie belas­ten­de Ent­schei­dung ein- gelegt haben. Soll­te etwa bei­spiels­wei­se die Strei­chung einer Zula­ge erfolg­reich ange­grif­fen wor­den sein, ist es nicht vor­stell­bar, dass von der Strei­chung betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ter in ver­gleich­ba­rer Situa­ti­on auf Dau­er unter- schied­lich behan­delt würden.

2. Recht­set­zung im Bereich des ESA Dienstrechts

Staff Regu­la­ti­on 46.2 bestimmt, dass alle Maß­nah­men, wel­che die Arbeits­be­din­gun­gen der ESA Mit­ar­bei­ter beein­träch­ti­gen und ins­be­son­de­re Ände­run­gen an der Per­so­nal­ord­nung mit der Per­so­nal­ver­tre­tung verhandelt

  1. 11  Die Refor­men rei­chen etwa von einer weit­ge­hen­den Gleichs­tel- lung gleich­ge­schlecht­li­cher Paa­re, über die Ein­füh­rung fle­xi­bler Arbeits­zeit­mo­del­le bis hin zur Anpas­sung der Sozi­al­ver­si­chungs­be- stim­mun­gen und der Dienst­be­zü­ge von ESA Mitarbeitern.
  2. 12  Die Orga­ni­sa­ti­on des Nord­at­lan­tik­ver­trags (NATO), Orga­ni­sa­ti­on für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (OECD), Euro­pa­rat (CoE), Euro­päi­sche Orga­ni­sa­ti­on für die Nut­zung meteo­ro­lo­gi­scher Satel­li­ten (EUMETSAT) sowie das Euro­päi­sches Zen­trum für mit­tel­fris­ti­ge Wet­ter­vor­her­sa­gen (ECMWF).
  3. 13  Zuletzt bestä­tigt vom Beschwer­de­aus­schuss in den Ver­fah­ren 98,

wer­den müs­sen. Soll­ten Ver­wal­tung und Per­so­nal­vert­re- tung zu kei­ner Eini­gung über eine Ände­rung der Arbeits- bedin­gun­gen kom­men, sieht Staff Regu­la­ti­on 46 ein aus- dif­fe­ren­zier­tes Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren vor.

Eine wich­ti­ge Aus­nah­me zum oben beschrie­be­nen Ver­fah­ren ist die Recht­set­zung des ESA-Rats nach Emp- feh­lung durch die Mit­glied­staa­ten der ESA und 5 wei­te- rer Inter­na­tio­na­ler Organisationen12, mit wel­chen die ESA im Rah­men der Koor­di­nier­ten Orga­ni­sa­tio­nen ko- ope­riert. Reform­vor­schlä­ge aus die­sem Gre­mi­um wer- den im Rah­men der Koor­di­na­ti­on mit Ver­tre­tern der sechs Orga­ni­sa­tio­nen und deren Per­so­nal­ver­tre­tern be- raten und bedür­fen sobald sie an die Orga­ni­sa­tio­nen ge- rich­tet wer­den kei­ner wei­te­ren Ver­hand­lun­gen mehr mit der Personalvertretung.13 Die­se Aus­nah­me gilt zwar le- dig­lich für einen klei­nen Bereich des ESA Dienst­rechts, umfasst aber ins­be­son­de­re die Rege­lun­gen zu Dienst­be- zügen und Zula­gen der Mit­ar­bei­ter der Koor­di­nier­ten Organisationen.

Der regel­mä­ßi­ge Aus­tausch im Rah­men der Koor­di- nation,zusätzlichunterstütztdurcheineigenesBüro,14 ermög­licht kon­ti­nu­ier­li­ches „best prac­ti­ce sha­ring“ und eine effi­zi­en­te, spe­zia­li­sier­te Exper­ti­se zu Dienst­be­zü­gen und Pen­sio­nen der Mit­ar­bei­ter aller sechs Organisationen.

3. Rech­te und Pflich­ten von ESA Mitarbeitern

a) Rech­te von ESA Mitarbeitern

Mit­ar­bei­ter der ESA haben ein Recht auf Dienst­be­zü­ge wie sie sich aus der Per­so­nal­ord­nung und den unter­ge- ordnetenVorschriftenergeben.Hierzuzählennichtnur ein Grund­ge­halt son­dern gege­be­nen­falls auch monat­li- che oder ein­ma­li­ge Zuschüs­se. Das Grund­ge­halt hängt wesent­lich von Ent­gelt­grup­pe und Dienst­stu­fe ab und ist zudem für die ein­zel­nen Dienst­stand­or­te der ESA zu unter­schei­den da ein Kauf­kraft­aus­gleich vor­ge­nom­men wird. Die Zuschüs­se ähneln den Zula­gen im deut­schen öffent­li­chen Dienst und wer­den bei­spiels­wei­se für einen Ein­satz im Aus­land oder auch für Kin­der von Mit­ar­bei- tern oder bei dienst­lich not­wen­di­gem Umzug gewährt. Anträ­ge auf Zula­gen müs­sen bei der Orga­ni­sa­ti­on bean- tragt und gege­be­nen­falls durch ent­spre­chen­de Nach­wei- se belegt wer­den. Die Ver­wal­tung ent­schei­det über das

99 und 100 in denen erneut fest­ge­stellt wur­de, dass das Ver­fah­ren nach Regu­la­ti­on 46 nur auf Ände­run­gen anwend­bar ist die nicht im Rah­men der Koor­di­na­ti­on bera­ten werden.

14 Mehr Infor­ma­tio­nen zum Inter­na­tio­nal Ser­vice for Remu­n­e­ra- tions and Pen­si­ons unter: www.sirp-isrp.org [zuletzt abge­ru­fen am 29.5.2017].

15 Sie­he hier­zu http://www.esa.int/About_Us/Careers_at_ESA/ Hours_and_allowances mit detail­lier­te­ren Infor­ma­tio­nen [zuletzt abge­ru­fen am 29.5.2017].

226 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 221–228

Vor­lie­gen der jewei­li­gen Vor­aus­set­zun­gen einer Anspruchsberechtigung.

Des Wei­te­ren haben ESA Mit­ar­bei­ter der­zeit An- spruch auf 32,5 Tage Jah­res­ur­laub sowie 12 Fei­er­ta­ge pro Jahr. Letz­te­re wer­den all­jähr­lich für jeden Stand­ort ein- zeln zwi­schen Ver­wal­tung und Per­so­nal­ver­tre­tung ver- ein­bart. Unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen bestehen zudem Anspruch auf Hei­mat­ur­laub, Eltern­zeit, Son­der- urlaub und Krankheitsurlaub.15

Wei­ter­hin genie­ßen Mit­ar­bei­ter der Orga­ni­sa­ti­on Immu­ni­tät vor der natio­na­len Gerichts­bar­keit hin­sicht- lich der von ihnen in Aus­übung ihres Amtes vor­ge­nom- menen Hand­lun­gen ein­schließ­lich ihrer münd­li­chen und schrift­li­chen Äuße­run­gen. Die­se Immu­ni­tät und wei­te­re Vor­rech­te der Mit­ar­bei­ter der ESA wer­den ih- nen, unab­hän­gig von even­tu­el­len zusätz­li­chen Rege­lun- gen in Sitz­staat­ab­kom­men an den ver­schie­de­nen Stand- orten, durch Art. XVI des ESA Über­ein­kom­mens zugesichert.

Es ist wei­ter­hin aner­kannt, dass die Mit­ar­bei­ter von einer Für­sor­ge­pflicht oder Bei­stands­pflicht der Orga­ni- sati­on ihnen gegen­über pro­fi­tie­ren, wel­che in Arti­kel 5.2 der Per­so­nal­ord­nung fest­ge­hal­ten ist. Die­se Neben­pflicht des Dienst­ver­hält­nis­ses umfasst etwa, dass die Orga­ni­sa- tion ihre Mit­ar­bei­ter über Rech­te und Pflich­ten, wel­che sich aus deren beson­de­rem Sta­tus vis-à-vis den Mit­glied- staa­ten erge­ben kön­nen unter­rich­tet. So sind etwa Hin- wei­se zur Besteue­rung der Dienst­ein­künf­te oder im Hin- blick auf das Zusam­men­spiel zwi­schen ESA-eige­nem So- zial­ver­si­chungs­sys­tem und natio­na­len Sys­te­men angezeigt.

Ein wei­te­rer Anspruch im Hin­blick auf das Dienst- rechts­ver­hält­nis besteht sei­tens der Mit­ar­bei­ter auf ein effek­ti­ves Rechts­schutz­sys­tem zur Wah­rung ihrer ar- beits­recht­li­chen Ansprü­che. Da Mit­ar­bei­tern der ESA, wie oben bespro­chen, der Beschwer­de­weg zu natio­na­len Gerich­ten ver­wehrt ist, wur­de für dienst­recht­li­che Strei- tig­kei­ten der Orga­ni­sa­ti­on ein unab­hän­gi­ges Sys­tem der Streit­bei­le­gung geschaffen:

Fühlt sich ein Mit­ar­bei­ter der ESA durch eine ihn be- tref­fen­de nach­teil­haf­te dienst­recht­li­che Ent­schei­dung in einem sei­nem aus der Per­so­nal­ord­nung oder sei­ner Ar- beits­ver­trag resul­tie­ren­den Rech­te ver­letzt, sieht das Streit­bei­le­gungs­sys­tem vor, dass er zunächst eine Ent- schei­dung des Gene­ral­di­rek­tors, nach Anru­fung eines Bera­ten­den Aus­schus­ses bean­tra­gen muss. Die­ser Aus- schuss besteht aus ande­ren ESA Mit­ar­bei­tern wel­che pa- ritä­tisch durch Per­so­nal­ver­tre­tung und Generaldirektor

16 Die Ver­fah­rens­re­geln des Beschwer­de­aus­schus­ses und alle ver­öf- fent­lich­ten Ent­schei­dun­gen unter: http://www.esa.int/About_Us/ Law_at_ESA/Appeals_Board [zuletzt abge­ru­fen am 29.5.2017].

benanntwerden.DerAusschussgibtdemGeneraldirek- tor eine Stel­lung­nah­me zum kon­kre­ten Fall. Wenn­gleich der Aus­schuss ledig­lich bera­ten­de Funk­ti­on hat, folgt der Gene­ral­di­rek­tor den meist ein­stim­mi­gen Emp­feh- lun­gen in aller Regel.

Gegen die­se letz­te Ent­schei­dung des Gene­ral­di­rek- tors haben ESA Mit­ar­bei­ter die Mög­lich­keit ein exter­nes Gre­mi­um zur end­gül­ti­gen Ent­schei­dung des Streits an- zuru­fen. Die­se Funk­ti­on über­nimmt der Beschwer­de- aus­schuss der Orga­ni­sa­ti­on, wel­cher in letz­ter Instanz über dienst­recht­li­che Strei­tig­kei­ten entscheidet.

Die­ses „Ver­wal­tungs­ge­richt“ der ESA besteht aus sechs unab­hän­gi­gen exter­nen Mit­glie­dern wel­che direkt vom ESA-Rat ernannt wer­den. Seit Grün­dung der ESA 1975 wur­de der Beschwer­de­aus­schuss letzt­in­stanz­lich mit ca. 100 Ver­fah­ren befasst.16

b) Pflich­ten von ESA Mitarbeitern

Die Orga­ni­sa­ti­on ver­langt von ihren Mit­ar­bei­tern ein beson­de­res Maß an Loya­li­tät, wenn es in Arti­kel 2.1 heißt, dass Mit­ar­bei­ter bei der Auf­ga­ben­er­fül­lung und in ihrem Ver­hal­ten stets das Inter­es­se der Orga­ni­sa­ti­on zu berück­sich­ti­gen haben. Dies äußert sich zum Bei­spiel kon­kret in der Geneh­mi­gungs­be­dürf­tig­keit aller Neben- tätig­kei­ten von Mit­ar­bei­tern und über­dies in einer Anzei­ge­pflicht von Geschen­ken und Ein­la­dun­gen gegen- über der Organisation.

Auch poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten, öffent­li­che Auf­trit­te und Publi­ka­tio­nen sind tabu, wenn sie mit den Auf­ga­ben und Ver­pflich­tun­gen eines inter­na­tio­na­len öffent­li­chen Be- diens­te­ten unver­ein­bar sind oder auf die Orga­ni­sa­ti­on als Gan­zes zurück­fal­len könn­ten. So dürf­te etwa ein her- aus­ra­gen­des poli­ti­sches Amt eines ESA Mit­ar­bei­ters pa- ral­lel zu sei­ner Dienst­tä­tig­keit aus­ge­schlos­sen sein, selbst wenn es sich um ein Ehren­amt han­deln sollte.

Um jed­we­den Inter­es­sen­kon­flikt von ESA Mit­ar­bei- tern bei der Aus­übung ihrer Tätig­kei­ten zu erken­nen und zu ver­mei­den, dür­fen Mit­ar­bei­ter expli­zit kei­ne Wei­sun­gen von Drit­ten ent­ge­gen­neh­men (Art. 2.2 der Per­so­nal­ord­nung). Gemäß Art. 3.4 der Per­so­nal­ord­nung kön­nen zudem weder Mit­ar­bei­ter noch deren Part­ner direkt oder indi­rekt an pri­va­ten Unter­neh­mun­gen betei- ligt sein wenn die­se geeig­net sind, deren Unab­hän­gig­keit im Beruf zu beein­flus­sen. Die­ses Ver­bot ist beson­ders re- levant bei Fir­men­be­tei­li­gun­gen im Bereich der Luft- oder Raum­fahrt und fin­det nicht nur Anwen­dung wenn bereits Geschäfts­be­zie­hun­gen zwi­schen ESA und der be- tref­fen­den Fir­ma bestehen.

Bohl­mann und Mei­nert · Rechts­ver­hält­nis­se der Mit­ar­bei­ter der ESA 2 2 7

Zudem haben ESA Mit­ar­bei­ter eine Mit­wir­kungs- und Aus­kunfts­pflicht, wel­che die Bediens­te­ten deut­scher Arbeit­ge­ber deut­lich über­stei­gen dürf­te. Dies erklärt sich zum gro­ßen Teil aus der dienst­recht­li­chen Son­der- stel­lung der ESA, denn die Orga­ni­sa­ti­on ist nicht nur Ar- beit­ge­ber, son­dern zeit­gleich auch Kran­ken­kas­se, Ren- ten­ver­si­che­rung und für zahl­rei­che Mit­ar­bei­ter sogar Kindergeldstelle.

Auf der Gren­ze zwi­schen Recht und Pflicht eines ESA Mit­ar­bei­ters bewegt sich der Schutz des geis­ti­gen Eigen­tums an des­sen Erar­bei­tung ein ESA Mit­ar­bei­ter betei­ligt war. Grund­sätz­lich regelt Arti­kel 4.2, dass die Orga­ni­sa­ti­on Eigen­tum an allen sol­chen gewerb­li­chen Schutz­rech­ten hat. Gleich­zei­tig sieht der Arti­kel und die nach­ge­ord­ne­ten Vor­schrif­ten jedoch vor, dass einem Mit­ar­bei­ter ent­we­der eine finan­zi­el­le Aner­ken­nung zu teil wer­den darf oder ihm, nach Prü­fung der Inter­es­sen der Orga­ni­sa­ti­on, sogar die Aus­übung der Schutz­rech­te gestat­tet wer­den kann.17

IV. Zusam­men­fas­sung

Die­ser kur­ze Über­blick über den recht­li­chen Sta­tus der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on sowie über das Dienst­recht, dem ihr Per­so­nal unter­liegt, hat die struk­tu- rel­len Beson­der­hei­ten her­aus­ge­ar­bei­tet, die sich aus der insti­tu­tio­na­li­sier­te Zusam­men­ar­beit der Mit­glied­staa­ten in For­schung und Ent­wick­lung auf die recht­li­che Ges­tal- tung der Dienst­ver­hält­nis­se ihres Per­so­nals erge­ben. Inter­es­sant ist dabei das dar­aus fol­gen­de beson­ders enge Nähe­ver­hält­nis zwi­schen der Orga­ni­sa­ti­on und ihren Bediensteten.

Dr. Ulri­ke M. Bohl­mann, Stra­te­gie­ab­tei­lung, Euro­päi- sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on, Paris. Tom Mei­nert LLM, Per­so­nal­ab­tei­lung, Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti- on, Paris

17 Die Poli­tik der ESA im Hin­blick auf gewerb­li­che Schutz­rech­te wur­zelt im Über­ein­kom­men zur Grün­dung der Euro­päi­schen Welt­raum­for­schungs-Orga­ni­sa­ti­on17, ESRO, aus dem Jah­re 1962 und ist im Grün­dungs­über­ein­kom­men der ESA unver­än­dert geblie­ben. Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grün­dungs­über­ein­kom-
mens erleich­tern die Mit­glied­staa­ten und ESA den Aus­tausch wis­sen­schaft­li­cher und tech­ni­scher Infor­ma­tio­nen auf dem Gebiet der Welt­raum­for­schung, der Welt­raum­tech­no­lo­gie und ihrer welt­raum­tech­ni­schen Anwendungen.17 Die Orga­ni­sa­ti­on ist dazu ver­pflich­tet, sicher­zu­stel­len, dass die wis­sen­schaft­li­chen Ergeb- nis­se ihrer Tätig­kei­ten nach ihrer Ver­wen­dung durch die für die Ver­su­che ver­ant­wort­li­chen Wis­sen­schaft­ler ver­öf­fent­licht oder auf ande­re Wei­se wei­ten Krei­sen zugäng­lich gemacht wer­den, wobei jedoch die sich erge­ben­den redu­zier­ten Daten Eigen­tum der Orga­ni­sa­ti­on sind, Art. 3 Abs. 2.

228 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2017), 221–228