§ 99. Kein Studierender, er mag der väterlichen oder vor- mundschaftlichen Gewalt noch unterworfen sein, oder nicht, kann, so lange er auf Universitäten ist, ohne Vorwis- sen und Konsens des akademischen Gerichts, gültig Schul- den kontrahieren, oder Bürgschaften übernehmen.
1) Die Honoraria für die Kollegia müssen zur Hälfte von den Studierenden vorausbezahlt, die andere Hälfte aber in der Mitte des halben Jahres zu Johannis oder Neujahr entrichtet werden. In Fällen, wo Lehrer bei dem, durch ein gerichtliches Attest von der Obrigkeit des Geburts- orts bescheinigten, Unvermögen eines Studierenden genötigt sind, ihm die Honoraria für die Kollegia so lan- ge zu stunden, bis er durch Beförderung zu einem öffent- lichen Amte, oder durch sonstige Verbesserung seiner Vermögensumstände in den Stand gekommen, diesel- ben zu bezahlen, verbleibt ihnen bis dahin ihr Anspruch an solchen ungekränkt. Sie müssen aber dafür besorgt sein, dass beim Abgange der Studierenden der Betrag der Schuld, gleich anderen, von dem akademischen Gerichte registriert, und zugleich in dem akademischen Zeugnisse notiert wird.
2) Repetenten, welche die von Anderen gehaltenen Vor- lesungen in dem Zeitraume, in welchem sie gehört wor- den, mit dem Studierenden wiederholen, haben in Anse- hung des Honorarii mit dem akademischen Lehrer glei-
che Rechte, wegen anderer Privatstunden aber sind sie den Sprach= und Exerzitienmeistern gleich zu achten.
3) Der bisher gestattete Kredit von fünf und zwanzig Thlern. bei Kaufleuten, welche Materialien zur Kleidung liefern, wird wegen des Mißbrauchs, daß diese Materia- lien häufig verkauft oder versetzt werden, ganz aufgeho- ben; dagegen den Schneidern in dem Betracht, daß ein angemessenes fertig gemachtes Kleid weniger Gelegen- heit zum Mißbrauche giebt, bis auf fünf und zwanzig Thaler inklusive der Materialien zu kreditiren nachgelas- sen. Buchhändler, Schuhmacher, Aufwärter= und Auf- wärterinnen können nur auf zehn Thaler, Buchbinder nur auf drei Thaler Kredit geben, und zwar nicht über ein Vierteljahr.
4) Kostgeld, Waschgeld, Friseur= und Barbierlohn, Stu- benmiethe, Bettzins, Aufwartung, Arzneien und Arzt- lohn, auch was für den Unterricht in den Sprachen und Leibesübungen zu bezahlen ist, sollen ebenfalls nicht über ein Vierteljahr geborgt werden.
5) Alle diese von 1–4 gültigen Schulden behalten das Vor- recht gesetzlicher Schulden nur, wenn sie nach dem Ablaufe des Vierteljahres, in welchem sie kontrahiert sind, in dem unmittelbar darauf folgenden Vierteljahre eingeklagt werden.
1 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, Kommentar in Anmerkungen von C.F. Koch, 4. Bd., 5. Aufl. 1876, S 606 ff..
C.F. Koch
Die Schulden der Studierenden nach der Kommentierung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht1
Ordnung der Wissenschaft 2017, ISSN 2197–9197
150 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2017), 149–150