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GLIEDERUNG

I. For­schung und Ent­wick­lung als Gegen­stand des Vergaberechts

II. Wis­sen­schafts­frei­heit und Ver­ga­be­recht 1. Schutz­be­reich der Wis­sen­schafts­frei­heit 2. Ver­ga­be­recht als Schranke

III. Auf­trä­ge ober­halb der Schwel­len­wer­te 1. Rechts­grund­la­gen
2. Anwen­dungs­be­reich
3. Schwel­len­wer­te

4. Rele­van­te Ver­ga­be­grund­sät­ze und Zuschlags­kri­te­ri­en 5. Wah­rung der Wissenschaftsfreiheit

IV. Auf­trä­ge unter­halb der Schwel­len­wer­te 1. Rechts­grund­la­gen
2. Anwen­dungs­be­reich
3. Ver­ga­be­grund­sät­ze

4. Wah­rung der Wis­sen­schafts­frei­heit V. Pri­va­te Auftraggeber

VI. For­schungs­re­le­van­te Lie­fe­run­gen und Dienst­leis­tun­gen 1. Ober­halb der Schwel­len­wer­te
2. Unter­halb der Schwel­len­wer­te
3. Wah­rung der Wissenschaftsfreiheit

I. For­schung und Ent­wick­lung als Gegen­stand des Ver­ga­be­rechts
Ver­trags­for­schung ist aus der arbeits­tei­li­gen heu­ti­gen For­schungs­land­schaft nicht weg­zu­den­ken. Öffent­li­che Stel­len wie pri­va­te Unter­neh­men ver­ge­ben Auf­trä­ge an For­schungs­in­sti­tu­tio­nen, die ihrer­seits wie­der­um öffent- liche Stel­len oder pri­va­te Unter­neh­men, aber auch frei- beruf­lich Täti­ge sein kön­nen. Gegen­stand der Auf­trä­ge sind dabei zumeist nicht Fra­gen der Grund­la­gen­for- schung oder der ange­wand­ten For­schung, son­dern sol- che der Ent­wick­lung, also der zweck­ge­rich­te­ten Aus­wer- tung und Anwen­dung von For­schungs­er­geb­nis­sen und Erfah­run­gen vor allem tech­no­lo­gi­scher oder öko­no­mi- scher Art, um zu neu­en Sys­te­men, Ver­fah­ren, Stof­fen, Gegen­stän­den und Gerä­ten zu gelan­gen (Neu­ent­wick- lung) oder um vor­han­de­ne zu ver­bes­sern (Wei­ter­ent- wicklung).1

  1. 1  So die Defi­ni­ti­on im Bun­des­be­richt For­schung III der Bun­des­re- gie­rung vom 12. 6.1969 (BT-Druck­sa­che V/4335 S. 5).
  2. 2  Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt, Fach­se­rie 11 Rei­he 4.3.2 (Mone­tä­re hoch- schul­sta­tis­ti­sche Kenn­zah­len 2012), Tabel­le 4.1.1; Daten­por­tal des bmbf „For­schung und Inno­va­ti­on“, Tabel­le 1.6.4. Ein – frei­lich weit

Eine Vor­stel­lung vom Umfang der Ver­trags­for­schung durch öffent­li­che Stel­len lässt sich dem Qua­li­täts­be­richt „Aus­ga­ben, Ein­nah­men und Per­so­nal der öffent­li­chen und öffent­lich geför­der­ten Ein­rich­tun­gen für Wis­sen- schaft, For­schung und Ent­wick­lung 2013“ des Sta­tis­ti- schen Bun­des­amts und dem Daten­por­tal For­schung und Inno­va­ti­on des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bil­dung und For­schung ent­neh­men. Nach dem Qua­li­täts­be­richt be- lie­fen sich im Jahr 2012 die Aus­ga­ben der Hoch­schu­len für Bau­maß­nah­men auf 564 Mio. Euro und die Aus­ga- ben für die übri­gen Sach­in­ves­ti­tio­nen auf 481 Mio. Euro. Nach dem Daten­por­tal erreich­ten die­se Aus­ga­ben bei den wis­sen­schaft­li­chen Ein­rich­tun­gen außer­halb der Hoch­schu­len 2012 734 Mio. Euro für Bau­ten und 1.214 Mrd. Euro für die übri­gen Investitionen.2

Die Ver­ga­be von Ver­trags­for­schung durch öffent­li­che Stel­len unter­liegt dem Ver­ga­be­recht. Des­sen Ver­hält­nis zum Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit ist Gegen­stand des zwei­ten Abschnitts (II).

Die Rechts­vor­schrif­ten des Ver­ga­be­rechts unter- schei­den nach dem Wert des Auf­trags: Ober­halb be- stimm­ter Schwel­len­wer­te sind die ver­ga­be­recht­li­chen Bestim­mun­gen des Geset­zes gegen Wett­be­werbs­be- schrän­kun­gen (GWB) und der Ver­ga­be­ver­ord­nung so- wie die Ver­ga­be­richt­li­ni­en der EU anwend­bar. Unter- halb der Schwel­len­wer­te sind gesetz­li­che Grund­la­ge § 55 der Bun­des­haus­halts­ord­nung und die ent­spre­chen­den Bestim­mun­gen der Lan­des­haus­halts­ord­nun­gen. Die­se mün­den, jeweils in Ver­bin­dung mit Aus­füh­rungs­be- stim­mun­gen unter­schied­li­chen Rechts­cha­rak­ters, letzt- lich alle in der Anwen­dung der Ver­ga­be- und Ver­trags- ord­nung für Leis­tun­gen Teil A All­ge­mei­ne Bestim­mun- gen für die Ver­ga­be von Leis­tun­gen (VOL/A).

Dem­entspre­chend wer­den im Fol­gen­den nach­ein­an- der die Ver­ga­be von For­schungs­leis­tun­gen ober­halb der Schwel­len­wer­te (III) und danach die Ver­ga­be von For- schungs­leis­tun­gen unter­halb der Schwel­len­wer­te (IV) unter­sucht. Ein Blick auf Rechts­fra­gen der Ver­ga­be von For­schungs­leis­tun­gen durch pri­va­te Unter­neh­men schließt sich an (V).

For­schungs­in­sti­tu­tio­nen tre­ten auch als Auf­trag­neh- mer von Dienst­leis­tun­gen auf, die ihrer­seits weder For-

zurück­lie­gen­den – Über­blick über Umfang und Bedeu­tung der Ver­trags­for­schung fin­det sich bei Röth­lings­hö­fer, Die Ver­ga­be von For­schungs- und Ent­wick­lungs­auf­trä­gen in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Schrif­ten­rei­he des IFO-Insti­tuts für Wirt­schafts­for- schung Nr. 77 (1972), S. 27ff.

Man­fred Löwisch

For­schung und Vergaberecht

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2016, ISSN 2197–9197

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schung noch Ent­wick­lung sind, aber für die For­schung Bedeu­tung haben. So neh­men etwa Insti­tu­te der Rechts- medi­zin foren­sisch – toxi­ko­lo­gi­sche und mole­ku­lar­ge- neti­sche Unter­su­chungs­auf­trä­ge vor allem öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber wie etwa der Lan­des­kri­mi­nal­äm­ter wahr, um Mate­ri­al für ihre rechts­me­di­zi­ni­sche For­schung und Ent­wick­lung zu gewin­nen. Sie unter­lie­gen dann als Auf- trag­neh­mer dem Ver­ga­be­recht und müs­sen sich dem mit die­sem ver­bun­de­nen Wett­be­werb stel­len. Die dar­aus re- sul­tie­ren­den Fra­gen wer­den in einem eige­nen Abschnitt behan­delt (VI).

II. Wis­sen­schafts­frei­heit und Vergaberecht

1. Schutz­be­reich der Wissenschaftsfreiheit

Die Wis­sen­schafts­frei­heit schützt die „auf wis­sen­schaft- licher Eigen­ge­setz­lich­keit beru­hen­den Pro­zes­se, Verhal- tens­wei­sen und Ent­schei­dun­gen bei der Suche nach Erkennt­nis­sen, ihrer Deu­tung und Weitergabe“.3 Trä­ger die­ses Schutz­rechts sind einer­seits die ein­zel­nen Wis­sen- schaft­ler und ande­rer­seits die wis­sen­schaft­li­chen Ein- rich­tun­gen, ins­be­son­de­re die Hoch­schu­len, aber auch pri­va­te Wissenschaftseinrichtungen.4

Der Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit gilt dabei nicht nur der frei­en Wahl von Fra­ge­stel­lung und Metho­dik, son­dern auch der prak­ti­schen Durch­füh­rung von For- schung und Leh­re ein­schließ­lich der vor­be­rei­ten­den und beglei­ten­den Tätig­kei­ten, die in einem engen Zusam- men­hang mit For­schung und Leh­re ste­hen. Geschützt ist auch die Orga­ni­sa­ti­on von For­schung und Lehre.5

Erfasst wird so auch die Ver­ga­be von For­schungs- und Ent­wick­lungs­auf­trä­gen. Wer ein­zel­ne Wis­sen­schaft- ler, eine Grup­pe von Wis­sen­schaft­lern oder eine For- schungs­ein­rich­tung ein­schal­tet, um bestimm­te Tei­le ei- nes Pro­jekts durch deren For­schungs- oder Ent­wick- lungs­bei­trä­ge vor­an­zu­brin­gen, trifft eine genu­in wis­sen- schaft­li­che Ent­schei­dung, die nicht regle­men­tiert wer- den darf. Art. 5 Abs. 3 GG gewähr­leis­tet inso­weit ein Recht auf Abwehr staat­li­cher Ein­wir­kun­gen auf den Pro- zess der Gewin­nung wis­sen­schaft­li­cher Erkenntnisse.6

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge- richts ver­kör­pert sich in Art. 5 Abs. 3 GG auch eine ob- jek­ti­ve Wert­ent­schei­dung. Sie beruht auf der Schlüs­sel- funk­ti­on, die einer frei­en Wis­sen­schaft sowohl für die Selbst­ver­wirk­li­chung des Ein­zel­nen als auch für die ge- samt­ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lung zukommt. Die­se Wert­ent­schei­dung bedeu­tet nicht nur die Absa­ge an staat­li­che Ein­grif­fe in den Eigen­be­reich der Wis­sen- schaft. Sie schließt viel­mehr das Ein­ste­hen des Staa­tes, der sich als Kul­tur­staat ver­steht, für die Idee einer frei­en Wis­sen­schaft und sei­ne Mit­wir­kung an ihrer Ver­wirk­li- chung ein und ver­pflich­tet ihn, sein Han­deln posi­tiv da- nach ein­zu­rich­ten, d.h. schüt­zend und för­dernd einer Aus­höh­lung die­ser Frei­heits­ga­ran­tie vorzubeugen.7

Der Staat muss des­halb die Pfle­ge der frei­en Wis­sen- schaft und ihre Ver­mitt­lung an die nach­fol­gen­de Gene- rati­on durch Bereit­stel­lung von per­so­nel­len, finan­zi­el­len und orga­ni­sa­to­ri­schen Mit­teln ermög­li­chen und för- dern.8 Die­se För­der­pflicht des Staa­tes wäre zu eng ver- stan­den, woll­te man sie in sach­li­cher Hin­sicht auf die aus­drück­lich genann­te Bereit­stel­lung finan­zi­el­ler Mit­tel beschrän­ken. Zwar ermög­licht deren Bereit­stel­lung es den Hoch­schu­len in der Regel, sich die sach­li­chen Mit­tel für den For­schungs- und Lehr­be­trieb am Markt zu be- schaf­fen. Wo aber die Ver­fü­gung über die­se sach­li­chen Mit­tel beim Staat liegt, muss er den Hoch­schu­len ange- mes­se­nen Zugang zu ihnen gewähren.

Für Akten und ande­re Unter­la­gen ist das im Grund- satz anerkannt.9 Es muss aber auch für im Wesent­li­chen nur von staat­li­chen Stel­len zu ver­ge­ben­de Auf­trä­ge gel- ten, die Gegen­stand wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Leh­re sind, wie das etwa auf Unter­su­chungs­auf­trä­ge im Bereich der Rechts­me­di­zin zutrifft.10

2. Ver­ga­be­recht als Schranke

Die Wis­sen­schafts­frei­heit ist nicht schran­ken­los garan- tiert. Schran­ken kön­nen sich aus ande­ren ver­fas­sungs- recht­lich geschütz­ten Rechts­gü­tern erge­ben. Der Staat ist bei der Rege­lung des wis­sen­schaft­li­chen Lebens in sei- nen Hoch­schu­len nicht auf die abso­lu­te Frei­heit für die

8 BVerfG vom 29.5.1973 aaO. Rn. 96.
9 BVerfG vom 9.10.1985, 7 B 188/85, NJW 1986, 1177; näher

Kem­pen in Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kom­men­tar GG (Stand 1. 9. 2015) Art. 5 Rn. 182; vgl. auch § 5 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 Bun­des­ar­chiv­ge­setz, wo wis­sen­schaft­li­che For­schungs­vor­ha­ben im Bezug auf die Dau­er der Schutz­fris­ten pri­vi­le­giert werden.

10 All­ge­mein zum Schutz der Ein­wer­bung von Mit­teln für die For­schung Britz in Drei­er, Kom­men­tar zum Grund­ge­setz Band I, Art. 5 Abs. 3 Rn. 24.

3 4

5

6 7

BVerfG vom 26.10.2004, 1 BvR 911, 927, 928/00, BVerfGE 111, 333, 354.
BVerfG vom 14.4.1987, 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192; BVerfG vom 10.3.1992, 1 BvR 454 u.a./91, BVerfGE 85, 360; Kem­pen in Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kom­men­tar GG (Stand 1.9.2015) Art. 5 Rn. 185.

BVerfG vom 29.5.1973, 1 BvR 424/71 und 325/72, BVerfGE 35, 79.
BVerfG vom 1.3.1978, 1 BvR 333/75, BVerfGE 47, 327, 367. BVerfG vom 29.5.1973, 1 BvR 424/71 und 1 BvR 325/72, BVerfGE 35,79, 95.

For­schungs- und Lehr­tä­tig­keit des ein­zel­nen Wis­sen- schaft­lers und die damit ein­her­ge­hen­de Ver­nach­läs­si- gung ande­rer im Grund­ge­setz geschütz­ter Rechts­gü­ter festgelegt.11 Viel­mehr liegt es in sei­nem Gestal­tungs­er- mes­sen, inwie­weit er die Trä­ger der Wis­sen­schafts­frei- heit an all­ge­mei­ne recht­li­che Rege­lun­gen bindet.12

Ihre Gren­ze fin­det die­se Bin­dung an das all­ge­mei­ne Recht aber am Min­dest­maß des­sen, was not­wen­dig ist, um wis­sen­schaft­li­che For­schung und Leh­re zu betrei- ben. Recht­li­che Vor­schrif­ten dür­fen Wis­sen­schaft­ler und Hoch­schu­len nicht dar­an hin­dern, in ihren wis­sen- schaft­li­chen Auf­fas­sun­gen grün­den­de Ent­schei­dun­gen in For­schungs- und Lehr­an­ge­le­gen­hei­ten zu rea­li­sie­ren. Auch dür­fen sie nicht dazu füh­ren, dass ihnen die not- wen­di­ge Min­dest­aus­stat­tung ver­sagt bleibt.13

Hier­aus folgt einer­seits, dass Art. 5 Abs. 3 GG weder deut­schen noch euro­päi­schen Vor­schrif­ten ent­ge­gen- steht, wel­che die Ver­ga­be von For­schungs- und Ent­wick- lungs­auf­trä­gen und die Beschaf­fung der für For­schung und Leh­re not­wen­di­gen sach­li­chen Mit­tel dem Ver­ga­be- recht unterstellen.

Ande­rer­seits darf auch die Anwen­dung des Ver­ga­be- rechts nicht dazu füh­ren, dass wis­sen­schafts­be­ding­te Ent­schei­dun­gen der Trä­ger von For­schung und Leh­re ver­hin­dert und die Min­dest­be­dürf­nis­se für die Durch- füh­rung von For­schung und Leh­re nicht mehr erfüllt werden.

III. Auf­trä­ge ober­halb der Schwellenwerte

1. Rechts­grund­la­gen

Die Ver­ga­be von Leis­tun­gen ober­halb der Schwel­len­wer- te ist einer­seits Gegen­stand des euro­päi­schen Rechts. Maß­ge­bend ist nun­mehr die Richt­li­nie 2014/24/EU vom 26. Febru­ar 2014, wel­che die vor­an­ge­hen­de Richt­li­nie 2004/18/EG mit Wir­kung zum 18. April 2016 auf­ge­ho­ben hat. Ande­rer­seits sind die Bestim­mun­gen des 4. Teils des GWB über die Ver­ga­be von öffent­li­chen Auf­trä­gen ein- schlä­gig. Die­se sind durch das Ver­ga­be­rechts­mo­der­ni- sie­rungs­ge­setz vom 17. 2. 2016 an die Vor­ga­ben der Richt- linie ange­passt wor­den. Die Neu­fas­sung ist nach Art. 3 Satz 2 des Geset­zes am 18. 4. 2016 in Kraft getreten.14 Der Bei­trag legt die­se neu­en Rege­lun­gen zugrunde.

  1. 11  BVerfG vom 1.3.1978, 1 BvR 174, 178, NJW 1978, 1621; vom 15.9.1997, 1 BvR 406/96, NVwZ-RR 1998, 175.
  2. 12  BVerwG vom 9.10.1985,7 B 188/85, NJW 1986, 1277.
  3. 13  BVerfG vom 29.5.1973 aaO; BVerfG vom 8. 2. 1977, 1 BvR79/70, Rn. 114; vom 8. 7. 1980, 1 BvR 1472/78, Rn. 92 und vom 15.9.1997 aaO; Scholz in Maunz/Dürig, 75. EL Sep­tem­ber 2015, Art. 5 Abs. 3, Rn. 116 und 194.
  4. 14  Ver­ga­be­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz vom 17. 2. 2016 (BGBl I

Im Gefol­ge des Ver­ga­be­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set- zes ist auch die Ver­ga­be­ver­ord­nung neu gefasst und dort das Ver­ga­be­ver­fah­ren für Lie­fer- und Dienst­leis­tun­gen sowie für frei­be­ruf­li­che Leis­tun­gen zusam­men­ge­führt worden.15 Die­se Neu­fas­sung wird im Fol­gen­den eben- falls zugrun­de gelegt.

2. Anwen­dungs­be­reich

Richt­li­nie wie 4. Teil des GWB bezie­hen sich auf öffent- liche Auf­trag­ge­ber. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richt­li­nie bezeich­net als sol­che den Staat, die Gebiets­kör­per­schaf- ten, die Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen Rechts oder die Ver­bän­de, die aus einer oder meh­re­ren die­ser Kör­per- schaf­ten oder Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen Rechts bestehen. Etwas wei­ter ist die Defi­ni­ti­on in § 99 GWB. Danach sind neben den Gebiets­kör­per­schaf­ten und deren Son­der­ver­mö­gen ande­re juris­ti­sche Per­so­nen des öffent­li­chen und des pri­va­ten Rechts, die im All­ge­mein- inter­es­se lie­gen­de Auf­ga­ben nicht­ge­werb­li­cher Art erfül- len, dann öffent­li­che Auf­trag­ge­ber, wenn sie über­wie- gend öffent­lich finan­ziert wer­den, der Auf­sicht öffent­li- cher Stel­len unter­lie­gen oder mehr als die Hälf­te ihrer Organ­mit­glie­der durch öffent­li­che Stel­len bestimmt wor­den sind.

Grund­sätz­lich erfasst das Ver­ga­be­recht also die Hoch­schu­len, aber auch über­wie­gend öffent­lich finan- zier­te For­schungs­ein­rich­tun­gen wie die Insti­tu­te der Max-Planck-Gesell­schaft, der Fraun­ho­fer-Gesell­schaft, der Helm­holtz-Gemein­schaft deut­scher For­schungs­zen- tren und der Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft Gott­fried Wil- helm Leib­niz, sowie die Res­sort­for­schung der Bun­des­re- gie­rung und Landesregierungen.

Nicht erfasst wird hin­ge­gen die Deut­sche For- schungs­ge­mein­schaft, die sich sat­zungs­ge­mäß auf die fi- nan­zi­el­le För­de­rung von For­schungs­ar­bei­ten be- schränkt.16

Art. 14 der Richt­li­nie 2014/24/EU und damit über­ein- stim­mend § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB ent­hal­ten indes eine Aus­nah­me für For­schungs- und Ent­wick­lungs­dienst­leis- tun­gen. Nach die­sen Vor­schrif­ten gel­ten Richt­li­nie und GWB nur für bestimm­te, im Com­mon Pro­cu­re­ment Vo- cabu­la­ry (CPV) der EG-Ver­ord­nung 213/2008 genann­te For­schungs- und Ent­wick­lungs­dienst­leis­tun­gen, näm-

2016, 203.
15 Ver­ord­nung über die Ver­ga­be öffent­li­cher Auf­trä­ge (Art. 1 der

Ver­ga­be­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ver­ord­nung volm 12. 4. 2016,

BGBl I 2016, 624).
16 Sie­he § 1 Satz 1 in Ver­bin­dung mit § 12 der Sat­zung der Deut-

schen For­schungs­ge­mein­schaft, zuletzt geän­dert und neu­ge­fasst am 2.7.2014, abruf­bar im Inter­net unter http://dfg.de/dfg_profil/ satzung/index.html (zuletzt abge­ru­fen am 1.10.2015).

Löwisch · For­schung und Ver­ga­be­recht 1 5 5

156 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 153–160

lich For­schungs- und Ent­wick­lungs­diens­te und zugehö- rige Bera­tung, Dienst­leis­tun­gen im Bereich For­schung und expe­ri­men­tel­le Ent­wick­lung, For­schungs­diens­te, For­schungs­la­bor­diens­te, Mee­res­for­schungs­diens­te, Ex- peri­men­tel­le Ent­wick­lung, Pla­nung und Aus­füh­rung von For­schung in Ent­wick­lung, Vor­stu­die zur Durch- führ­bar­keit und tech­no­lo­gi­sche Demons­tra­ti­on sowie Test und Bewer­tung. Alle übri­gen For­schungs- und Ent- wick­lungs­dienst­leis­tun­gen wer­den von der Richt­li­nie 213/2008 und damit von der Ver­ga­be­richt­li­nie und dem GWB nicht erfasst. Das betrifft ins­be­son­de­re sol­che in den Berei­chen Ver­tei­di­gung und Sicher­heit bis hin zur Ent­wick­lung von elek­tro­ni­schen Sys­te­men für mili­tä­ri- sche Zwecke.

Auch soweit For­schungs- und Ent­wick­lungs­dienst- leis­tun­gen von Richt­li­nie und GWB erfasst wer­den, gilt das nach den genann­ten Vor­schrif­ten nur, wenn ihre Er- geb­nis­se aus­schließ­lich Eigen­tum des öffent­li­chen Auf- trag­ge­bers für sei­nen Gebrauch bei Aus­übung sei­ner ei- genen Tätig­keit wer­den und außer­dem die erbrach­te Dienst­leis­tung voll­stän­dig durch den öffent­li­chen Auf- trag­ge­ber ver­gü­tet wird.

Mit die­sem Vor­be­halt will die Richt­li­nie aus­weis­lich ihres Erwä­gungs­grun­des 35 die Finan­zie­rung von For- schungs- und Ent­wick­lungs­pro­gram­men durch die In- dus­trie för­dern. Um die­ses Ziel zu errei­chen, soll sie nur anwend­bar sein, wenn es kei­ne sol­che Ko-Finan­zie­rung gibt und wenn das Ergeb­nis der For­schungs- oder Ent- wick­lungs­dienst­leis­tung dem betref­fen­den öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber zu Gute kommt.

Die Vor­gän­ger­vor­schrift von § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB, § 100 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F. ist ver­schie­den inter­pre­tiert wor­den. Teil­wei­se stand die Lite­ra­tur auf dem Stand- punkt, dass auch bei einem nicht aus­schließ­li­chen Nut- zungs­recht des öffent­li­chen Auf­trag­ge­bers der Vor­be­halt ent­fal­le, so dass das Ver­ga­be­recht anzu­wen­den sei.17 Teil­wei­se wur­de dem Wort­laut fol­gend nur bei aus- schließ­li­cher Nut­zung der Tat­be­stand als erfüllt ange­se- hen.18

Jeden­falls nach neu­em Recht ist davon aus­zu­ge­hen, dass die wört­li­che Aus­le­gung das Rich­ti­ge trifft. Wenn der Erwä­gungs­grund 35 der Richt­li­nie 2014/24/EG er- klärt, dass es unschäd­lich sein soll, wenn der Dienst­leis- tungs­er­brin­ger einen Bericht über sei­ne Tätig­kei­ten ver- öffent­licht, solan­ge nur der Auf­trag­ge­ber die „allei­ni­gen“ Rech­te zum Gebrauch der For­schungs- und Entwick-

  1. 17  Pünder/Schellenberg, Ver­ga­be­recht 2. Aufl. 2015, § 100 Rn. 30.
  2. 18  Mül­ler-Wre­de/S­ter­ner, GWB-Ver­ga­be­recht, 2. Aufl. 2014, §100Rn. 15; Kularz/Kus/Portz/Röwekamp, GWB-Ver­ga­be­recht, 3. Aufl. 2014, §100, Rn. 45; Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht,

lungs­er­geb­nis­se bei der Aus­übung sei­ner Tätig­keit be- hält, stellt er unmiss­ver­ständ­lich auf die aus­schließ­li­che Nut­zung ab. Zudem steht hin­ter dem Vor­be­halt auch der Zweck, die Zugäng­lich­keit der Ergeb­nis­se von For­schung und Ent­wick­lungs­tä­tig­kei­ten für die Sci­ence Com­mu­ni- ty zu begüns­ti­gen. Das legt es nahe, dem Vor­be­halt einen wei­ten Anwen­dungs­be­reich zu geben.

Von vorn­her­ein nicht von der Vor­schrift erfasst wer- den Dienst­leis­tun­gen, denen das kon­sti­tu­ti­ve Merk­mal von For­schung und Ent­wick­lung, näm­lich das Stre­ben nach neu­en Erkennt­nis­sen (For­schung) oder neu­en Sys- temen (Ent­wick­lung) fehlt. Schon dar­an muss­te in dem von der Ver­ga­be­kam­mer Süd­bay­ern und dem Baye­ri- schen Obers­ten Lan­des­ge­richt ent­schie­de­nen Fall der Unter­su­chung von Rüs­tungs­alt­last­ver­dachts­stan­dor- ten19 die Anwen­dung des dama­li­gen § 100 Abs. 2 lit. n GWB schei­tern. Vor allem Bau­leis­tun­gen unter­fal­len aus die­sem Grund nicht der Ausnahme.

3. Schwel­len­wer­te

Nach Art. 4 der Richt­li­nie 2014/24/EU, auf den § 106 GWB ver­weist, betra­gen die Schwel­len­wer­te der­zeit 5.186.000 Euro bei öffent­li­chen Bau­auf­trä­gen, 134.000 Euro bei öffent­li­chen Lie­fer- und Dienst­leis­tungs­auf­trä- gen, die von zen­tra­len Regu­lie­rungs­be­hör­den ver­ge­ben wer­den, und 207.000 Euro bei öffent­li­chen Lie­fer- und Dienst­leis­tungs­auf­trä­gen die von sub­zen­tra­len öffent­li- chen Auf­trag­ge­bern ver­ge­ben werden.

Die­se Schwel­len­wer­te wer­den bei Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen im Bereich von Bau­leis­tun­gen häu­fig, im Bereich von Lie­fer- und Dienst­leis­tungs­auf- trä­gen, um die es bei For­schung und Ent­wick­lung in ers- ter Linie geht, nur aus­nahms­wei­se erreicht.

4. Rele­van­te Ver­ga­be­grund­sät­ze und Zuschlagskriterien

Art. 18 Abs. 1 der Richt­li­nie 2014/24/EU ver­pflich­tet die öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber, alle Wirt­schafts­teil­neh­mer in glei­cher und nicht­dis­kri­mi­nie­ren­der Wei­se zu behan- deln und dabei trans­pa­rent und ver­hält­nis­mä­ßig zu han- deln. Nach Art. 67 Abs. 2 lit. a gehö­ren zu den Zuschlags- kri­te­ri­en Qua­li­tät, ein­schließ­lich tech­ni­scher Wert, Ästhe­tik, Zweck­mä­ßig­keit, Zugäng­lich­keit, Design für Alle, sozia­le, umwelt­be­zo­ge­ne und inno­va­ti­ve Eigen- schaf­ten und Han­del und die damit ver­bun­de­nen Bedin- gun­gen, nach Art. 67 Abs. 2 lit. b auch Orga­ni­sa­ti­on, Qua­li­fi­ka­ti­on und Erfah­rung des mit der Ausführung

2012, § 100 Rn. 1.
19 Ver­ga­be­kam­mer Süd­bay­eRn. vom 27.9.2002, 120.3–3194‑1–36-

08–02, juris; BayO­bLG vom 27.2.2003, Verg. 25/02, juris.

betrau­ten Per­so­nals, wenn die Qua­li­tät des ein­ge­setz­ten Per­so­nals erheb­li­chen Ein­fluss auf das Niveau der Auf- trag­s­aus­füh­rung haben kann.

Mit die­sen Vor­ga­ben stim­men die Rege­lun­gen des deut­schen Ver­ga­be­rechts über­ein: Zunächst ver­pflich­tet § 97 Abs. 1 und 2 GWB die öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber auf die Grund­sät­ze der Wirt­schaft­lich­keit, Ver­hält­nis­mä­ßig- keit und Gleich­be­hand­lung. Nach § 97 Abs. 3 GWB wer- den bei der Ver­ga­be Aspek­te der Qua­li­tät und der Inno- vati­on sowie sozia­le und umwelt­be­zo­ge­ne Aspek­te be- rücksichtigt.

Nach § 127 Abs. 3 GWB müs­sen wei­ter auch die Zu- schlags­kri­te­ri­en mit dem Auf­trags­ge­gen­stand in Ver­bin- dung ste­hen. Die­se Ver­bin­dung ist auch dann anzu­neh- men, wenn sich ein Zuschlags­kri­te­ri­um auf Pro­zes­se im Zusam­men­hang mit der Her­stel­lung, Bereit­stel­lung oder Ent­sor­gung der Leis­tung, auf den Han­del mit der Leis- tung oder auf ein ande­res Sta­di­um im Lebens­zy­klus der Leis­tung bezieht, auch wenn sich die­se Fak­to­ren nicht auf die mate­ri­el­len Eigen­schaf­ten des Auf­trags­ge­gen- stan­des auswirken.

Die Ver­ga­be­ver­ord­nung gibt in ihren §§ 42ff für Auf- trä­ge ober­halb der Schwel­len­wer­te im Ein­zel­nen Eig- nungs­kri­te­ri­en vor. Gestellt wer­den kön­nen dabei unter ande­rem Anfor­de­run­gen an die tech­ni­sche und beruf­li- che Leis­tungs­fä­hig­keit des Unter­neh­mens, wel­che eine ange­mes­se­ne Qua­li­tät der Aus­füh­rung gewähr­leis­ten (§ 46 Abs. 1), sowie Stu­di­en- und Aus­bil­dungs­nach­wei­se (§ 46 Abs. 3 Nr. 6).

5. Wah­rung der Wissenschaftsfreiheit

Soweit For­schungs- und Ent­wick­lungs­dienst­leis­tun­gen aus dem Anwen­dungs­be­reich des Ver­ga­be­rechts aus­ge- nom­men sind, steht ein Ein­griff in die Wis­sen­schafts- frei­heit der ver­ge­ben­den wis­sen­schaft­li­chen Ein­rich­tun- gen von vorn­her­ein nicht in Rede.

Aber auch dort, wo der Anwen­dungs­be­reich des Ver- gabe­rechts eröff­net ist, las­sen Ver­ga­be­grund­sät­ze und Zuschlags­kri­te­ri­en aus­rei­chend Raum, um den beson­de- ren Bedürf­nis­sen der Ver­trags­for­schung Rech­nung zu tra­gen. Ins­be­son­de­re kann der Grad der erwar­te­ten In- nova­ti­on ein aus­schlag­ge­ben­der Aspekt sein. Auch die wis­sen­schaft­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on des für die Durchfüh-

  1. 20  Bun­des­an­zei­ger 2009 Nr. 196a.
  2. 21  §§ 6 f. TtVG Bre­men; § 2a Ver­gG Ham­burg; § 2 Abs. 1 Ver­gGMeck­len­burg-Vor­pom­mern; § 3 Abs. 2 TVer­gG Nie­der­sach­sen; § 3 Abs. 3 TVer­gG Nord­rhein-West­fa­len; § 1 Abs. 2 Ver­gG Sach­sen; § 1 Abs. 2 LVG Sach­sen-Anhalt; § 3 Abs. 1 Tver­gG Schles­wig- Holstein.
  3. 22  LTMG Baden-Würt­tem­berg; MfG Bay­ern; AVG Ber­lin; VergG

rung vor­ge­se­he­nen Per­so­nals kann so genü­gend gesi- chert werden.

Not­wen­dig ist frei­lich, dass die Leis­tungs­be­schrei- bung die for­schungs­re­le­van­ten Anfor­de­run­gen prä­zi­se for­mu­liert. Auch ändert sich nichts dar­an, dass zwi­schen qua­li­ta­tiv gleich­wer­ti­gen Ange­bo­ten der Zuschlag an das wirt­schaft­lichs­te zu gehen hat.

IV. Auf­trä­ge unter­halb der Schwellenwerte

1. Rechts­grund­la­gen

Die gesetz­li­chen Vor­ga­ben für die Ver­ga­be von Auf­trä- gen unter­halb der Schwel­len­wer­te ent­hal­ten § 55 Bun- des­haus­halts­ord­nung und die im Wesent­li­chen gleich lau­ten­den ent­spre­chen­den Bestim­mun­gen der Lan­des- haus­halts­ord­nun­gen. Danach muss dem Abschluss von Ver­trä­gen über Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen eine öffent- liche Aus­schrei­bung vor­aus­ge­hen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder beson­de­re Umstän­de eine Aus­nah­me recht­fer­ti­gen (Abs. 1) und ist beim Abschluss von Ver­trä- gen nach ein­heit­li­chen Richt­li­ni­en zu ver­fah­ren (Abs. 2).

Was den Bund angeht, wird die­se Vor­ga­be durch Ab- schnitt 1 der VOL (VOL/A) umge­setzt. Die­se ist vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft am 20.12.2009 erlas- sen wor­den und am 11.6.2010 in Kraft getreten.20 In der Sache eben­so ver­fah­ren die Bun­des­län­der. Teil­wei­se ord- nen sie die Gel­tung der VOL/A gesetz­lich an,21 teil­wei­se begnü­gen auch sie sich mit ent­spre­chen­den Ver­wal- tungsvorschriften.22

Soweit die betref­fen­den Lan­des­ge­set­ze die Ver­ga­be zusätz­lich an die Gewähr­leis­tung von Tarif­treue bei der Durch­füh­rung des Auf­trags bin­den, gilt das grund­sätz- lich auch für die Ver­ga­be von For­schungs- und Ent­wick- lungs­auf­trä­gen. Aller­dings müs­sen die ein­schlä­gi­gen ta- rif­li­chen Bestim­mun­gen ihrer­seits mit der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewähr­leis­te­ten Wis­sen­schafts­frei­heit ver­ein- bar sein. So wären tarif­li­che Bestim­mun­gen, wel­che die Nut­zung der in § 14 Abs. 2 Nr. 2 Arbeits­zeit­ge­setz für die For­schung vor­ge­se­he­nen Aus­nah­me vom all­ge­mei­nen Nacht- und Sonn­tags­ar­beits­ver­bot aus­schlös­sen, unbe- achtlich.23

Ob im Zuge der Moder­ni­sie­rung des Ver­ga­be­rechts auch die Vor­schrif­ten für die Ver­ga­be unter­halb der

Bran­den­burg; Ver­gG Hes­sen; LTTG Rhein­land-Pfalz; TTG Saar-

land.
23 Dazu Löwisch, Tarif­ver­trä­ge für das Hoch­schul­per­so­nal, FS

Wür­ten­ber­ger, 2013, 1165, 1172ff; all­ge­mein zur Pro­ble­ma­tik der Tarif­treu­e­re­ge­lun­gen dem­nächst Löwisch/Rieble, TVG, 4. Aufl. 2016, § 5 Rn. 441ff.

Löwisch · For­schung und Ver­ga­be­recht 1 5 7

158 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 153–160

Schwel­len­wer­te geän­dert wer­den, ist offen. Das Eck- punk­te­pa­pier des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Ener­gie sieht inso­weit nur eine zeit­na­he Prü­fung des Anpas­sungs­be­darfs vor.24

2. Anwen­dungs­be­reich

Abge­se­hen von Bau­leis­tun­gen, für wel­che die VOB maß- gebend ist, gilt die VOL/A nach ihrem § 1 Satz 1 für alle Ver­ga­ben von öffent­li­chen Auf­trä­gen über Leis­tun­gen (Lie­fe­rungs- und Dienst­leis­tun­gen). Meh­re­re Län­der sehen aller­dings Schwel­len­wer­te für Klein­auf­trä­ge vor, sei es dass sol­che Auf­trä­ge über­haupt vom Ver­ga­be­recht aus­ge­nom­men wer­den, sei es dass bei ihnen die frei­hän- dige Ver­ga­be zuge­las­sen wird.25

Von der Gel­tung der VOL/A von vorn­her­ein aus­ge- nom­men sind nach § 1 Satz 2 Leis­tun­gen, die im Rah­men einer frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit erbracht oder im Wett­be- werb mit frei­be­ruf­lich Täti­gen ange­bo­ten wer­den. Für den Begriff der frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit wird dabei in ei- ner Fuß­no­te auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ver­wie­sen, nach dem zur frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit u. a. die selb­stän­dig aus­ge­üb­te wis­sen­schaft­li­che, künst­le­ri­sche, schrift­stel­le- rische, unter­rich­ten­de oder erzie­he­ri­sche Tätig­keit ge- hört. Selb­stän­dig in die­sem Sin­ne ist eine Tätig­keit, die ein Steu­er­pflich­ti­ger auf eige­ne Rech­nung und Gefahr entfaltet.26

Damit ist die Ver­trags­for­schung im geis­tes- und sozi- alwis­sen­schaft­li­chen Bereich aus dem Anwen­dungs­be- reich im Wesent­li­chen aus­ge­nom­men. Ins­be­son­de­re wird die Gut­ach­ter­tä­tig­keit in die­sen Berei­chen nicht er- fasst.

WasdieVertragsforschungimÜbrigenangeht,macht die VOL/A inso­fern eine Aus­nah­me, als sie in § 3 Abs. 5 lit. c eine frei­hän­di­ge Ver­ga­be für zuläs­sig erklärt, wenn es sich um die Erbrin­gung von Dienst­leis­tun­gen zur Er- fül­lung wis­sen­schaft­lich-tech­ni­scher Fach­auf­ga­ben auf dem Gebiet von For­schung, Ent­wick­lung und Unter­su- chung han­delt, die nicht der Auf­recht­erhal­tung des all- gemei­nen Dienst­be­triebs und der Infra­struk­tur einer Dienst­stel­le des Auf­trag­ge­bers dient.

Man wird davon aus­ge­hen müs­sen, dass damit nicht nur wis­sen­schaft­lich-tech­ni­sche Dienst­leis­tun­gen im en- geren Sin­ne gemeint sind, son­dern all­ge­mein For- schungs- und Ent­wick­lungs­auf­trä­ge auf wis­sen­schaft- lich-tech­ni­schem Gebiet.27 Denn gera­de für die­se ist die frei­hän­di­ge Ver­ga­be sinn­voll, weil sie auf die ange­sichts der Dyna­mik von For­schung und Ent­wick­lung nur schwer mög­li­che detail­lier­te Aus­schrei­bung verzichtet.

  1. 24  Sie­he Eck­punk­te zur Reform des Ver­ga­be­rechts, Beschluss des Bun­des­ka­bi­netts, 7. Janu­ar 2015, abruf­bar unter www.bmwi.de.
  2. 25  § 5 TtVG Bre­men; § 1 Abs. 2 Ver­gG Hes­sen; § 4 Ver­gG Sach­sen; § 1 Abs. 1 LVG Sachsen-Anhalt.

3. Ver­ga­be­grund­sät­ze

Auch soweit For­schungs- und Ent­wick­lungs­auf­trä­ge frei­hän­dig ver­ge­ben wer­den, sind doch die in § 2 VOL/A fest­ge­leg­ten Ver­ga­be­grund­sät­ze zu beach­ten. Danach muss die Ver­ga­be an fach­kun­di­ge, leis­tungs­fä­hi­ge und zuver­läs­si­ge (geeig­ne­te) Unter­neh­men zu ange­mes­se­nen Prei­sen erfol­gen (Abs. 1 Satz 1). Kein Unter­neh­men darf dabei dis­kri­mi­niert wer­den (Abs. 1 Satz 2).

§ 3 Ab. 5 lit. c VOL/A schreibt die frei­hän­di­ge Ver­ga- be nicht vor, son­dern erklärt sie nur für zuläs­sig. Es steht des­halb nichts ent­ge­gen, For­schungs- und Ent­wick- lungs­auf­trä­ge auf wis­sen­schaft­lich-tech­ni­schem Gebiet aus­zu­schrei­ben. Dann sind die in § 16 VOL/A fest­ge­leg­ten Zuschlags­kri­te­ri­en zu beach­ten. Auch hier gilt dann, dass die Auf­trag­ge­ber durch den Auf­trags­ge- gen­stand gerecht­fer­tig­te Kri­te­ri­en, wie Qua­li­tät, Preis, tech­ni­schen Wert, Ästhe­tik, Zweck­mä­ßig­keit, Umwel­t­ei- gen­schaf­ten usw. berück­sich­ti­gen kön­nen (Abs. 8), soweit die­se in den Ver­ga­be­un­ter­la­gen genannt sind (Abs. 7).

In der Sache nichts ande­res gilt aber auch für Leis- tun­gen im Rah­men einer frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit. Denn auch für die­se gel­ten, wie § 1 Satz 3 VOL/A aus­drück­lich fest­hält, die Bestim­mun­gen der Haus­halts­ord­nun­gen und damit die Grund­sät­ze der Wirt­schaft­lich­keit und Spar­sam­keit (§ 7 Satz 1 BHO).

4. Wah­rung der Wissenschaftsfreiheit

Gleich­gül­tig, ob For­schungs- und Ent­wick­lungs­auf­trä­ge unter­halb der Schwel­len­wer­te frei­hän­dig ver­ge­ben oder aus­ge­schrie­ben wer­den: Ver­ga­be­grund­sät­ze und Zuschlags­kri­te­ri­en las­sen auch hier aus­rei­chend Raum, um den wis­sen­schafts­re­le­van­ten Bedürf­nis­sen von For- schungs­ein­rich­tun­gen gerecht zu wer­den. Ins­be­son­de­re kön­nen die not­wen­di­gen Anfor­de­run­gen an Fach­kun­de und Leis­tungs­fä­hig­keit des Auf­trag­neh­mers gestellt wer- den.

V. Pri­va­te Auftraggeber

Auf Auf­trags­for­schung, wel­che von pri­va­ten Unter­neh- men ver­ge­ben wird, ist das Ver­ga­be­recht von Haus aus nicht anwend­bar. Auch die Vor­schrif­ten über das ver­bo- tene Ver­hal­ten markt­be­herr­schen­der Unter­neh­men grei­fen in der Regel nicht, weil es sich bei For­schungs- und Ent­wick­lungs­dienst­leis­tun­gen zumeist nicht um gewerb­li­che Leis­tun­gen handelt.

26 Blümich/Hutter, Kom­men­tar zum Ein­kom­men­steu­er­ge­setz, 130. Aufl. 2015, § 18 Rn. 19.

27 So wohl auch Willenbruch/Wieddekind/Haak/Preißinger, Ver­ga­be- recht, § 3 VOL/A, Rn. 45ff.

Eine Bin­dung an ver­ga­be­recht­li­che Bestim­mun­gen kann sich aber aus dem Gesell­schafts­recht erge­ben. So kön­nen Sat­zun­gen vor­se­hen, dass bestimm­te Auf­trä­ge nur nach Aus­schrei­bung ver­ge­ben wer­den dür­fen. Auch kann es der von Vor­stands­mit­glie­dern und Geschäfts- füh­rern anzu­wen­den­den Sorg­falt ent­spre­chen, Aus- schrei­bun­gen vor­zu­neh­men und bestimm­te Ver­ga­be­kri- teri­en zu beach­ten. Das gilt aber nicht in jedem Fall. For- schungs- und Ent­wick­lungs­auf­trä­ge kön­nen so spe­zi­fi- sche Anfor­de­run­gen an die Fähig­kei­ten des Auf­trag­neh­mers stel­len, dass von vorn­her­ein nur ein oder weni­ge Unter­neh­men in Betracht kom­men. Dann kann es sinn­voll sein, auf eine Aus­schrei­bung zu ver­zich- ten.

Denk­bar, wohl aber weit­hin nicht prak­ti­ziert, ist auch eine Bin­dung von Zuschüs­sen öffent­li­cher Stel­len an die Anwen­dung des Ver­ga­be­rechts bei der Ver­ga­be von Auf- trägen.

VI. For­schungs­re­le­van­te Lie­fe­run­gen und Dienst­leis- tungen

1. Ober­halb der Schwellenwerte

Vor­schrif­ten, die For­schungs­ein­rich­tun­gen als Auf­trag- neh­mer ganz vom Ver­ga­be­recht aus­neh­men wür­den, ent­hal­ten weder die Richt­li­nie 2014/24/EU noch das GWB. Art. 32 Abs. 3 lit. a der Richt­li­nie bestimmt aber, dass das Ver­hand­lungs­ver­fah­ren ohne vor­he­ri­ge Ver­öf- fent­li­chung anwend­bar ist, wenn es sich um Pro­duk­te han­delt, die aus­schließ­lich zu Forschungs‑, Versuchs‑, Unter­su­chungs- oder Ent­wick­lungs­zwe­cken her­ge­stellt wer­den, sofern die Auf­trä­ge nicht die Seri­en­fer­ti­gung zum Nach­weis der Markt­fä­hig­keit oder zur Deckung der For­schungs- und Ent­wick­lungs­kos­ten umfas­sen. Das Ver­ga­be­recht des GWB ent­hält die­se Aus­nah­me nicht. Es begnügt sich mit der all­ge­mei­nen Aus­nah­me­vor- schrift des § 116 Abs. 1 Nr. 2, die aber an die oben II 1 dar- geleg­ten Vor­aus­set­zun­gen geknüpft ist.

Art. 5 Abs. 10 der Richt­li­nie und § 3 Abs. 9 der Ver­ga- bever­ord­nung ermög­li­chen es aller­dings, aus einem Ge- samt­auf­trag ein oder meh­re­re Lose mit einem geschätz- ten Wert von unter 80.000 Euro zu ver­ge­ben, solan­ge die­se 20 % des kumu­lier­ten Wer­tes aller Lose nicht über- stei­gen. Das bedeu­tet prak­tisch, dass 20% regel­mä­ßig wie­der­keh­ren­der Auf­trä­ge außer­halb des Anwen­dungs- bereichs von Richt­li­nie und GWB ver­ge­ben wer­den kön- nen, so dass sie nur den Bestim­mun­gen für Auf­trä­ge un- ter­halb der Schwel­len­wer­te unterliegen.

28 vom 21. 11. 1953 (BAnz. Nr. 244), zuletzt geän­dert durch VO PR 1/89 vom 13. 6. 1989 (BGBl. I 1094).

Eine unzu­läs­si­ge Umge­hung im Sin­ne von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 der Richt­li­nie und § 3 Abs. 2 Ver­ga­be­ver­ord­nung liegt in einer sol­chen Vor­ge­hens­wei­se nicht. Bei Art. 5 Abs. 10 der Richt­li­nie und § 3 Abs. 9 Ver­ga­be­ver­ord­nung han­delt es sich um Son­der­vor­schrif­ten, denen gegen­über den all­ge­mei­nen Umge­hungs­vor­schrif­ten Spe­zi­al­cha­rak- ter zukommt. Sie sol­len gera­de auch die schwie­ri­ge mit Unsi­cher­hei­ten ver­bun­de­ne Beur­tei­lung der Fra­ge erüb- rigen, ob für eine Ver­mei­dung der Anwen­dung von Richt­li­nie und GWB ein beson­de­rer recht­fer­ti­gen­der Grund vorliegt.

2. Unter­halb der Schwellenwerte

Für Auf­trä­ge unter­halb der Schwel­len­wer­te ist wie­der­um § 3 Abs. 3 lit. c VOL/A ein­schlä­gig, nach dem die frei­hän- dige Ver­ga­be stets zuläs­sig ist, wenn es sich um die Erbrin­gung von Dienst­leis­tun­gen zur Erfül­lung wis­sen- schaft­lich-tech­ni­scher Fach­auf­ga­ben auf dem Gebiet von For­schung, Ent­wick­lung und Unter­su­chung han­delt, die nicht der Auf­recht­erhal­tung des all­ge­mei­nen Dienst­be- triebs und der Infra­struk­tur einer Dienst­stel­le des Auf- trag­ge­bers die­nen. Indem die Vor­schrift auch auf Unter- suchun­gen abstellt, ermög­licht sie die Berück­sich­ti­gung von For­schungs­ein­rich­tun­gen, die für ihre eige­ne For- schung und Ent­wick­lung auf das durch Unter­su­chun­gen gewon­ne­ne Mate­ri­al ange­wie­sen sind.

Die frei­hän­di­ge Ver­ga­be lässt zu, auf eine Aus­schrei- bung zu ver­zich­ten, nur weni­ge Unter­neh­men zur Ange- bots­ab­ga­be auf­zu­for­dern und dann auch nur mit einem Unter­neh­men über die Auf­trags­be­din­gun­gen zu ver­han- deln. Das lässt Spiel­raum, jeden­falls einen Teil sol­cher Unter­su­chungs­auf­trä­ge an Hoch­schul­ein­rich­tun­gen, etwa der Rechts­me­di­zin, zu ver­ge­ben, um die wis­sen- schaft­li­chen Bedürf­nis­se sol­cher For­schungs­ein­rich­tun- gen zu befriedigen.

Ein Ver­stoß gegen die nach § 2 Abs. 4 VOL/A bei der Ver­ga­be öffent­li­cher Auf­trä­ge zu beach­ten­den Preis­vor- schrif­ten liegt dar­in nicht. Zwar bin­det § 4 Abs. 2 der Ver­ord­nung PR Nr. 30/53 über die Prei­se bei öffent­li­chen Aufträgen28 öffent­li­che Auf­trag­ge­ber an die im Ver­kehr übli­chen Prei­se. Doch kön­nen die­se nach § 4 Abs. 4 der Ver­ord­nung über­schrit­ten wer­den, wenn es die bei dem Auf­trag vor­lie­gen­den beson­de­ren Ver­hält­nis­se kos­ten- mäßig recht­fer­ti­gen. Dass sol­che beson­de­ren Ver­hält­nis- se vor­lie­gen, muss man ange­sichts der Bedeu­tung die­ser Auf­trä­ge für die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschütz­te wis­sen­schaft­li­che For­schung anneh­men. Solan­ge die von den Hoch­schul­ein­rich­tun­gen ver­lang­ten Prei­se die ver-

Löwisch · For­schung und Ver­ga­be­recht 1 5 9

160 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 153–160

kehrs­üb­li­chen nicht unver­hält­nis­mä­ßig über­schrei­ten, ist des­halb auch das Preis­recht eingehalten.

3. Wah­rung der Wissenschaftsfreiheit

Aus der nach Art. 5 Abs. 3 GG bestehen­den Pflicht des Staa­tes, dafür zu sor­gen, dass sich Hoch­schu­len und For- schungs­ein­rich­tun­gen die für For­schung und Leh­re not- wen­di­gen sach­li­chen Mit­tel, über die der Staat ver­fügt, ver­schaf­fen kön­nen, folgt sei­ne Ver­pflich­tung, auch bei Auf­trä­gen ober­halb der Schwel­len­wer­te sicher­zu­stel­len, dass Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen den für

ihre For­schung und Leh­re unab­ding­ba­ren Min­dest­an­teil an ein­schlä­gi­gen Auf­trä­gen erhalten.

Um die­se Ver­pflich­tung zu erfül­len, muss der Staat vor allem von der Mög­lich­keit Gebrauch machen, bis zur Gren­ze von 20% des Gesamt­wer­tes Ein­zel­auf­trä­ge im Umfang bis zu 80.000,00 € zu ver­ge­ben, um so zur An- wen­dung von § 3 Abs. 5 lit. c VOL/A zu gelangen.

Der Autor ist Pro­fes­sor an der Albert-Lud­wigs-Uni­ver- sität Frei­burg und Lei­ter der For­schungs­stel­le für Hoch­schul­recht und Hochschularbeitsrecht.