Die Vergabe von Forschungszulagen hat sich in Baden- Württemberg zu einem brisanten Thema entwickelt, zwei Hochschulen sind wegen angeblich unberechtigter Zahlungen an Wissenschaftler in den Focus des Wissen- schaftsministeriums, z.T. auch der Staatsanwaltschaft geraten. Der Landtag hat gar einen Untersuchungsaus- schuss eingesetzt, der die „Zulagenaffäre“1 aufklären soll. Auch der Landesrechnungshof hat sich mit dem Thema befasst und hierzu einen Beitrag in der Denkschrift 2018 verfasst.2 Der Rechnungshof hat 2017 Forschungszula- gen und Sonderzahlungen aus Drittmitteln an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften geprüft. Einbezogen waren nur die Hochschulen, die zum Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums gehö- ren. Untersucht wurden Forschungszulagen und Son- derzahlungen, die im Zeitraum 2013 – August 2017 gewährt worden waren. Fehlerquellen bei der Gewäh- rung von Forschungszulagen sieht der Rechnungshof diverse. Diese erstrecken sich z.B. von der Frage, ob die Zulage tatsächlich für ein Forschungsvorhaben gewährt wurde, über die Problematik einer ausreichenden Kos- tendeckung, die Beschränkung auf private Drittmittel- einnahmen bis hin zu der Frage, wer innerhalb der Hochschule für deren Gewährung überhaupt zuständig ist. Diesem letzten Punkt geht der Beitrag nach.
I. Ausgangslage
Aus der baden-württembergischen Hochschulpraxis sind zwei Vorgehensweisen bei der Vergabe von For- schungszulagen an Hochschullehrer und Hochschulleh- rerinnen ersichtlich. Entweder entscheidet das Rektorat als Kollegialgremium oder delegiert dieses die Entschei- dung per Beschluss auf eines oder mehrere Rektorats- mitglieder. Dabei kommt es sowohl vor, dass Rektor sowie ein Prorektor über die Vergabe entscheiden oder dass die Entscheidung von Rektor und Kanzler getroffen
- 1 Vgl. hierzu etwa „Ministerin will Aufsicht über Zulagen“ in Badi- sche Zeitung v. 11.07.2018, www.badische-zeitung.de/suedwest‑1/ ministerin-will-aufsicht-ueber-zulagen–154507546.html.
- 2 Forschungszulagen und Sonderzahlungen aus Drittmitteln an Hochschulen für angewandte Wissenschaf-ten [Beitrag Nr. 23 ] in: Denkschrift des Rechnungshofs Baden-Württemberg v. 16.7.2018, abrufbar unter www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/de/ veroeffentlichungen/denkschriften/320933.html.
- 3 Verordnung des Wissenschaftsministeriums, des Innenministe-
wird. Grundlage derartiger Entscheidungsstrukturen sind von den Hochschulen erlassene Richtlinien über das Verfahren und die Vergabe von Leistungsbezügen für Hochschullehrer gem. § 9 Abs. 1 der Leistungsbezü- geverordnung (LBVO).3
Im Rahmen seiner Prüfung der Hochschulen für an- gewandte Wissenschaften vertrat der Rechnungshof die Auffassung, die Vergabe einer Forschungszulage bedürfe einer Rektoratsentscheidung, d.h. einer Entscheidung des Kollegialorgans. Konkret führt der Rechnungshof unter Ziff. 5 seines Denkschriftbeitrages4 aus: „Die Zu- ständigkeit des Rektorats als Kollegium für die Vergabe der Forschungszulagen ist in § 8 Abs. 3 Leistungsbezügever- ordnung abschließend geregelt. Diese Regelung ist ange- sichts der finanziellen Bedeutung der Zulagengewährung auch sachgerecht. § 9 der Leistungsbezügeverordnung re- gelt nicht die Zuständigkeit, sondern das vom Rektorat als Gremium zu praktizierende Verfahren“. Eine Delegation der Vergabe auf einzelne Rektoratsmitglieder hält der Rechnungshof nicht für zulässig, sie führe zur formellen Rechtswidrigkeit der Vergabeentscheidung. Gleichwohl könne dieser formelle Fehler durch eine nachträgliche Entscheidung des Rektorats geheilt werden, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Forschungszulage gegeben sind.5
II. Sedes materiae
Ob für die Vergabe einer Forschungszulage eine Ent- scheidung des kollegialen Rektoratsgremiums erforder- lich ist oder dieses die Entscheidung auf einzelne Rekto- ratsmitglieder übertragen kann, ist auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen in Baden-Würt- temberg zu bestimmen.
1. Nach § 16 Abs. 3 S. 2 Nr. 14 LHG BW ist das Rekto- rat zuständig für die Festsetzung von Forschungs- und Lehrzulagen nach § 60 LBesG BW.6 Diese Vorschrift re-
riums und des Justizministeriums über Leistungsbezüge sowie Forschungs- u. Lehrzulagen (für Professoren und Leiter von Leitungsgremien an Hochschulen) v. 14.1.2005 (GBl. 2005, 125), zuletzt geändert am 18.7.2017 (GBl. S. 334, 339).
4 Siehe hierzu oben Fn 2.
5 Vgl. Ziff. 2.2.1 des Denkschriftbeitrages, a.a.O.
6 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg v. 9.11.2010 (GBl. S.
793) i.d.F. v. 17.7.2018.
Frank Wertheimer
Forschungszulagen für Hochschullehrer – wer entscheidet?
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISBN/ISSN 3–45678-222–7
302 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2018), 301–304
gelt allerdings nur die – grundsätzliche – Zuständigkeit des Rektorats in Abgrenzung zu anderen Gremien der Hochschule, insbesondere zum Senat sowie zum Hoch- schulrat. Der Bestimmung lässt sich aber nicht entneh- men, dass die Festsetzung einer Forschungszulage vom gesamten Rektoratskollegium beschlossen werden muss. Hinsichtlich der Aufteilung der Kompetenzen innerhalb des Rektorates ist auf § 16 Abs. 2 LHG BW abzustellen. Daraus ergibt sich, dass das Rektorat bestimmte Ge- schäftsbereiche für seine Mitglieder festlegen kann, in denen sie die Geschäfte der laufenden Verwaltung in ei- gener Zuständigkeit erledigen. Damit ist einerseits ge- sagt, dass Entscheidungen, die in den Zuständigkeitsbe- reich des Rektorates fallen, nicht stets vom gesamten Gremium getroffen werden müssen, andererseits hilft § 16 Abs. 2 S. 1 1. Hs hier nicht weiter, da es sich bei der Vergabe einer Forschungszulage nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt. Eine strikte Vorgabe, Forschungszulagen ausschließlich durch Beschluss durch das (gesamte) Rektoratsgremium zu vergeben, lässt sich auch nicht den Grundordnungen der Hoch- schulen entnehmen. Mit „Gremien“ im Sinne der jewei- ligen Grundordnungen sind im Zusammenspiel mit § 10 LHG BW die Gremien der Hochschule gemeint, in denen die einzelnen Mitgliedergruppen vertreten sind, insbesondere also der Senat und die Fakultätsräte, nicht aber das Rektorat als Leitungsorgan.
Ein Hinweis, dass eine Entscheidung über die Verga- be einer Forschungszulage grundsätzlich delegationsfä- hig ist, könnte sich aus § 16 Abs. 3 S. 5 LHG BW ergeben. Immerhin ist dort bestimmt, dass, soweit es um For- schungszulagen in der Medizinischen Fakultät geht, die Entscheidung auf deren Dekan bzw. deren Dekanin übertragen werden kann. Dieser Gedanke ist gleichwohl nicht verallgemeinerungsfähig, weil diese Bestimmung dem Umstand Rechnung trägt, dass die Dekanin bzw der Dekan der Medizinischen Fakultät Beauftragte® für den Haushalt ist (vgl. § 27 Abs. 2 LHG BW), da die Fa- kultät nach § 27 Abs. 2 S. 1 wie ein Landesbetrieb gem. § 26 Abs. 1 LHO BW geführt wird.
2. Die Grundlage dafür, dass Hochschullehrern aus Mitteln privater Dritter überhaupt Forschungs- und Lehrzulagen bewilligt werden können, bildet § 60 Abs. 1 LBesG BW. Die Vorschrift legt aber die Zu- ständigkeit für die Vergabe einer Forschungszulage nicht fest, vielmehr enthält deren Abs. 3 eine Verordnungser- mächtigung. Mit dieser kann das für die jeweilige Hoch- schule zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung das Nähere zur Gewährung von Forschungs- und Lehr-
- 7 Vgl. insoweit Detmer, in: HSchR-Praxishandbuch, 3. Aufl., 2017, Kap. 4 Rn. 251.
- 8 Vgl. Ziff. 5 des Denkschriftbeitrags Nr. 23 v. 16.7.2018.
zulagen regeln, insbesondere zum Vergabeverfahren, zur Zuständigkeit sowie zu den weiteren Voraussetzungen und Kriterien der Vergabe.
3. Die Beantwortung der Frage, ob es für die Vergabe einer Forschungszulage eines kollegialen Rektoratsbe- schlusses bedarf, kann sich damit nur aus der Leistungs- bezügeverordnung (LBVO) ergeben, die von Wissen- schaftsministerium, Innenministerium und Justizminis- terium auf Grundlage des § 60 Abs. 3 LBesG BW erlas- sen worden ist.
a) Ein Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt zunächst, dass Entscheidungen zur Vergabe von For- schungszulagen nicht zwingend von den Hochschullei- tungen als Kollegialorgan getroffen werden müssen, auch wenn die Entscheidungskompetenz regelmäßig bei der Hochschulleitung verankert ist.7 So liegt etwa in Bay- ern gem. § 6 Abs. 1 BayHLeistBV, die auf Grundlage des im Vergleich zu § 60 Abs. 3 LBesG BW nahezu inhalts- gleichen Art. 74 BayBesG erlassen wurde, die Zuständig- keit allein beim Präsidenten der Hochschule. Entspre- chendes gilt nach § 8 Abs. 2 LBVO NRW, der auf § 39 HLeistBVO NRW basiert. Der Hinweis des ba- den-württembergischen Rechnungshofes im Denk- schriftbeitrag,8 die Zuständigkeit des Rektorats als Kolle- gium sei angesichts der finanziellen Bedeutung der Zula- gengewährung sachgerecht, verfängt daher nicht.
b) Im Rahmen der LBVO BW kommt es auf das Ver- ständnis der Regelungen in §§ 8 Abs. 3 sowie 9 Abs. 1 an. Nach § 8 Abs. 3 LBVO BW entscheidet über die Fest- setzung von Forschungs- und Lehrzulagen das Rektorat einer Hochschule nach Maßgabe der hochschulrechtli- chen Bestimmungen. Diese Norm legt aber nicht fest, dass Entscheidungen über die Gewährungen einer For- schungszulage nur vom kollegialen Rektoratsgremium getroffen werden können. Vielmehr nimmt § 8 Abs. 3 LBVO BW nur die allgemeine Zuständig- keitsregelung, wie sie auch § 16 Abs. 3 S. 2 Nr. 14 LHG BW enthält, auf. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 LBVO BW. Mit dieser Norm eröffnet der Verordnungsgeber einen Gestal- tungsspielraum für das Rektorat, was das Verfahren und die Vergabe von Forschungs- und Lehrzulagen nach § 8 betrifft. Zu Verfahren und Vergabe solcher Zulagen ge- hört auch die Bestimmung der Zuständigkeit, die § 60 Abs. 3 LBesG BW ausdrücklich dem Verordnungs- geber, also u.a. dem Wissenschaftsministerium, überlas- sen hat.
4. Von dieser aus § 9 Abs. 1 LBVO BW folgenden Ge- staltungsmöglichkeit kann eine Hochschule im Wege ei-
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ner Richtlinie zur Umsetzung von § 9 Abs. 1 LBVO BW Gebrauch machen. Das Rektorat kann somit die Gewäh- rung von Forschungszulagen auf einzelne Rektoratsmit- glieder delegieren.
Im Rahmen einer solchen Delegierung muss aber den Regelungen in § 16 Abs. 2 S. 4 und 5 LHG BW Rech- nung getragen werden. Nach S. 4 können Beschlüsse in Haushaltsangelegenheiten nur mit Zustimmung der Rektorin oder des Rektors gefasst werden. S. 5 regelt das Vetorecht des Kanzlers bzw. der Kanzlerin gegen Maß- nahmen, die für rechtswidrig oder mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nicht für vertretbar erachtet wer- den mit der Folge, dass vom Rektor dann eine Entschei- dung des Hochschulrates herbeizuführen ist. Beides fin- det Berücksichtigung, wenn das Rektorat die Vergabe ei- ner Forschungs- oder Lehrzulage auf Rektor und Kanz- ler delegiert und diese dann gemeinsam entscheiden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für die Vergabe einer Forschungszulage (gleiches gilt für die Vergabe von Lehrzulagen sowie die Festsetzung von Leistungsbezügen gem. § 38 LHG BW) eine Entschei- dung des kollegialen Rektoratsgremiums nicht zwingend ist, dieses vielmehr die Entscheidung auf einzelne Rekto-
ratsmitglieder übertragen kann. Ein solches Delegieren auf Grundlage einer von einer Hochschule in Umset- zung von § 9 Abs. 1 LHG BW erlassenen Richtlinie ist je- denfalls dann unbedenklich, wenn Rektor und Kanzler an der Vergabeentscheidung beteiligt sind. Die Vergabe- entscheidung bedarf im Übrigen gem. § 9 Abs. 2 LBVO BW der Schriftform und ist aktenkundig zu machen.
Um für die Zukunft Rechtssicherheit in diesem Punkt zu schaffen, wäre es hilfreich, wenn der Verordnungsge- ber, ggf. durch eine Präzisierung von § 9 Abs. 1 LBVO BW, klarstellte, dass ein Delegieren der Zulagengewäh- rung auf einzelne Rektoratsmitglieder möglich ist.
Frank Wertheimer ist Partner der Kanzlei KRAUSS LAW in Lahr/Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jahre im Univer- sitätsbereich, davon über 10 Jahre in der Hochschul- medizin tätig. Zu seinen Beratungsfeldern gehört im Bereich des Arbeitsrechts auch das Hochschulrecht. Er ist Gastmitglied der Forschungsstelle für Hochschul- recht und Hochschularbeitsrecht an der Rechtswissen- schaftlichen Fakultät der Universität Freiburg.
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