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I. Ände­run­gen des WissZeitVG (§ 7)

  1. Hin­ter­grund der Geset­zes­än­de­rung
    Zu Beginn des Jah­res 2020 brach das Coro­na-Virus aus. Infol­ge die­ser Pan­de­mie und den Maß­nah­men zur Ein­däm­mung der Krank­heit blie­ben auch Wis­sen­schafts- und Hoch­schul­be­trie­be vor Ein­schrän­kun­gen nicht ver­schont. Labo­re, Biblio­the­ken und ande­re ele­men­ta­re Ein­rich­tun­gen wur­den pan­de­mie­be­dingt geschlos­sen. Vie­le For­schungs­vor­ha­ben kön­nen daher nur ein­ge­schränkt oder gar nicht wei­ter­ge­führt wer­den. Das Pro­blem spitzt sich beson­ders bei jun­gen Wis­sen-schaft­lerinnen zu, die befris­tet beschäf­tigt sind und nach § 2 Absatz 1 WissZeitVG der Höchst­be­fris­tungs­gren­ze unterliegen.1 Das neue Gesetz unter­stützt die Wis­sen­schaft­lerinnen, die ihre Qua­li­fi­zie­rungs­zie­le iSd § 2 I WissZeitVG nicht errei­chen kön­nen, damit sie ihre beruf­li­che Wei­ter­bil­dung fort­füh­ren können.2 Es soll einen Aus­gleich für den Zeit­raum pan­de­mie­be­ding­ter Ein­schrän­kun­gen schaffen.3
    Auf­grund des­sen wur­de am 07. Mai 2020 eine Ände­rung des WissZeitVG beschlossen.4 Das Gesetz tritt mit Wir­kung zum 01. März 2020 in Kraft.5 Danach wird in die Über­schrift des § 7 WissZeitVG der Begriff „Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung“ ange­fügt. Ein neu­er Abs. 3 wird mit fol­gen­dem Wort­laut hin­zu­ge­fügt:
    „(3)1Die nach § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 ins­ge­samt zuläs­si­ge Befris­tungs­dau­er ver­län­gert sich um sechs Mona­te, wenn ein Arbeits­ver­hält­nis nach § 2 Absatz 1 zwi­schen dem 1. März 2020 und dem 30. Sep­tem­ber 2020 besteht. 2Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung wird ermäch­tigt, durch Rechts­ver­ord­nung mit Zustim­mung des Bun­des­ra­tes die zuläs­si­ge Befris­tungs­dau­er höchs­tens um wei­te­re sechs Mona­te zu ver­län­gern, soweit dies auf­grund fort­be­stehen­der Aus­wir­kun­gen der COVID-19-Pan­de­mie in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gebo­ten erscheint; die Ver­län­ge­rung ist auch auf Arbeits­ver­hält­nis­se zu erstre­cken, die nach dem 30. Sep­tem­ber 2020 und vor Ablauf des in der Rechts­ver­ord­nung genann­ten Ver­län­ge­rungs­zeit­raums begrün­det werden.“6
  2. Neu­re­ge­lung Satz 1
    Vor­aus­set­zung für die sechs-mona­ti­ge Ver­län­ge­rung nach Satz 1 ist das Bestehen des Arbeits­ver­hält­nis­ses iSd § 2 Absatz 1 WissZeitVG. Zu erör­tern bleibt, ob jedes Arbeits­ver­hält­nis umfasst ist, das im Zeit­raum vom 01. März 2020 bis zum 30. Sep­tem­ber 2020 recht­lich bestan­den hat oder ob wei­te­re Anfor­de­run­gen erfüllt sein müs­sen. Arbeits­ver­hält­nis­se iSd § 2 Absatz 1 WissZeitVG kön­nen im Jahr 2020 abge­schlos­sen wer­den, wobei die eigent­li­che Auf­nah­me der Tätig­keit erst im Jahr 2021 erfolgt. Die­se Arbeits­ver­hält­nis­se sehen sich durch die even­tu­el­len Ent­wick­lun­gen der Coro­na-Maß­nah­men im Jahr 2021 kei­nen Ein­schrän­kun­gen mehr gegen­über, genie­ßen aber die Ver­län­ge­rung um sechs Mona­te, da das Arbeits­ver­hält­nis schon 2020 bestand. Ein solch all­um­fas­sen­der Schutz über­steigt den Sinn und Zweck der Rege­lung. Vor die­sem Hin­ter­grund scheint eine Ein­schrän­kung der in dem genann­ten Zeit­raum „bestehen­den“ Arbeits­ver­hält­nis­se gebo­ten.
    a) Fak­ti­scher Ein­griff in die wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit
    Es lie­ße sich anfüh­ren, auf einen fak­ti­schen Ein­griff in die For­schungs­tä­tig­keit abzu­stel­len. Damit wür­den nur die Wis­sen­schaft­lerinnen von der Ver­län­ge­rung der Befris­tung pro­fi­tie­ren, die tat­säch­lich in ihrer For­schung ein­ge­schränkt sind. Dage­gen spricht aber, dass bei einem rein fak­ti­schen Ein­griff die Fra­ge bleibt, wann ein sol­cher vor­liegt. Ist ein sol­cher noch gege­ben, wenn Labo­re und Biblio­the­ken teil­wei­se wie­der geöff­net haben, aber nur einer beschränk­te Per­so­nen­zahl Zutritt gewährt Vik­tor Kurz Geset­zes­än­de­rung zur Unter­stüt­zung von Wis­sen­schaft und Stu­die­ren­den – Ände­run­gen des WissZeitVG und BAföG auf­grund der COVID-19-Pan­de­mie 1 BT-Drucks 19/18699, S. 1. 2 BT-Drucks 19/18699, S. 1, 2. 3 Ebd. 4 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw17-de-wissenschaftsunterstuetzung-691628 (2. Juni 2020). 5 BT-Drucks 19/18699, S. 4. 6 Die abge­druck­ten Geset­zes­tex­te stam­men aus Nr. 4 BGBl 28.05.2020 (https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#bgbl%2F%2F%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s1073.pdf%27%5D__1591097899257, 2. Juni 2020).
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2020, ISSN 2197–9197
    1 9 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 9 1 – 1 9 4
    7 BT-Drucks 19/18699, S. 4.
    8 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/
    pres­se­mit­tei­lun­gen/2020/1‑­quar­tal/­co­ro­na-geset­zes­pa­ket-imbun­des­rat.
    html (2. Juni 2020); BT-Drucks 19/18699, S. 1.
    9 BT-Drucks 19/18699, S. 1.
    10 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw17-dewissenschaftsunterstuetzung-
    691628 (2. Juni 2020).
    11 BT-Drucks 19/18699, S. 5, 8.
    12 BT-Drucks 19/18699, S. 4.
    wird? Dies führt zu Ein­zel­fall­prü­fun­gen ohne bestimm­te
    Kri­te­ri­en und damit zu einer mas­si­ven Rechts­un­si­cher­heit
    für die Wis­sen­schaft­lerinnen. Des Wei­te­ren müss­te auch die Befris­tungs­ver­län­ge­rung ent­spre­chend der Dau­er der Tätig­keit in der Zeit zwi­schen dem 01. März und dem 30. Sep­tem­ber ver­kürzt wer­den. Eine sol­che Aus­le­gung kann dem Wort­laut nicht bei­zu­mes­sen sein. Das Bestehen in Satz 1 auf den rein fak­ti­schen Ein­griff zu kon­kre­ti­sie­ren, ist nicht sach­ge­recht. b) Tat­säch­li­che Auf­nah­me der wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit Viel­mehr muss dar­auf abge­stellt wer­den, ob die wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit tat­säch­lich im Zeit­raum vom 01. März 2020 bis zum 30. Sep­tem­ber 2020 auf­ge­nom­men wur­de. Damit wird den Wis­sen­schaft­lerinnen aus­rei­chend
    Schutz gebo­ten, die in der Zeit der Coro­na-Maß­nah­men
    ein­ge­schränkt sind und ihre Qua­li­fi­zie­rungs­zie­le
    iSd § 2 I WissZeitVG nicht errei­chen können.
  3. Neu­re­ge­lung Sat­zes 2
    Nach dem Zeit­raum März bis Sep­tem­ber 2020 kann die
    Befris­tungs­gren­ze durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für
    Bil­dung und For­schung durch eine zustim­mungs­be­dürf­ti­ge
    Rechts­ver­ord­nung die Befris­tungs­dau­er um bis zu
    sechs wei­te­re Mona­te ver­län­gert wer­den, wenn pan­de­mie­be­ding­te
    Ein­schrän­kun­gen dies wei­ter erfordern.7
    Abwei­chend von Satz 1 müs­sen die Arbeits­ver­hält­nis­se
    nach dem 30. Sep­tem­ber 2020 und vor dem Ablauf des
    Ver­län­ge­rungs­zeit­raums „begrün­det“ wor­den sein. Hier
    gebie­tet sich die glei­che Aus­le­gung wie bei Satz 1, um die
    genann­ten Pro­ble­me zu ver­hin­dern. Die
    Wissenschaftler*innen müs­sen in die­ser Zeit tat­säch­lich
    ihre wis­sen­schaft­li­che Arbeit auf­ge­nom­men haben.
    II. Ände­rung des BAföG (§§ 21, 53, 66a)
  4. Hin­ter­grund der Geset­zes­än­de­rung
    Gehen Aus­zu­bil­den­de neben ihrer Aus­bil­dung einer
    Beschäf­ti­gung nach, wer­den die­se Ein­künf­te auf die
    Leis­tun­gen des BAföG ange­rech­net und die­se ent­spre­chend
    gemin­dert, § 11 Absatz 2 BAföG. Um den Aus­zu­bil­den­den
    Anrei­ze zu schaf­fen, in der COVID-19-Pan­de­mie
    sys­tem­re­le­van­ten Tätig­kei­ten nach­zu­ge­hen und
    damit die­se zu unter­stüt­zen, wur­de am 27. März 2020 das
    COVID-19-Kran­ken­haus­ent­las­tungs­ge­setz ver­ab­schie­det.
    Die dor­ti­ge Ände­rung ermög­lich­te den Aus­zu­bil­den­den,
    in Gesund­heits- und sons­ti­gen sozia­len Ein­rich­tun­gen,
    sowie in der Land­wirt­schaft zu enga­gie­ren,
    ohne dass der hier­aus gezahl­te Lohn auf Bezü­ge aus dem
    Bun­des­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz (BAföG) ange­rech­net
    wird.8 Auf­grund der per­so­nel­len Her­aus­for­de­rung
    wird die­se Mög­lich­keit nun auf ande­re sys­tem­re­le­van­te
    Berei­che erweitert.9 Am 07. Mai 2020 wur­de des­halb eine
    Ände­rung des BAföG beschlossen.10 Aus­zu­bil­den­de sol­len
    einen Anreiz erhal­ten, vor­rü­ber­ge­hend in der Coro­na-
    Pan­de­mie mit­zu­ar­bei­ten und ent­spre­chend belohnt
    zu werden.11 Das Gesetz tritt mit Wir­kung zum 01. März
    2020 in Kraft.12
    Fol­gen­de Ände­run­gen wur­den beschlos­sen:
    – § 21 Absatz 4 Nr. 5 BAföG wird ein­ge­fügt:
    „5. zusätzliche Ein­nah­men aus einer Tätigkeit der Antrag­stel­len­den
    in sys­tem­re­le­van­ten Bran­chen und Beru­fen,
    soweit die Tätigkeit zur Bekämpfung der COVID-19-Pan­de­mie
    und deren sozia­len Fol­gen seit dem 1. März 2020
    auf­ge­nom­men oder in ihrem arbeits­zeit­li­chen Umfang
    auf­ge­stockt wur­de, für die Dau­er die­ser Tätigkeit oder
    Arbeits­zeit­auf­sto­ckung.“
    – § 53 Absatz 2 BAföG wird auf­ge­ho­ben.
    – § 66a Absatz 8 BAföG wird ein­ge­fügt:
    „(8a) § 21 Absatz 4 Num­mer 5 ist ab dem ers­ten Tag des
    Monats nicht mehr anzu­wen­den, der auf den Monat
    folgt, in dem die Auf­he­bung der vom Deut­schen Bun­des­tag
    fest­ge­stell­ten epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler
    Trag­wei­te infol­ge der COVID-19-Pan­de­mie nach § 5 Absatz
    1 Satz 3 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes bekannt gemacht
    wird. Der nach Satz 1 maß­geb­li­che Tag ist vom
    Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung im Bun­des­ge­setz­blatt
    bekannt­zu­ma­chen.“
  5. Neu­re­ge­lung § 21
    § 21 I BAföG bestimmt grund­sätz­lich was als „Ein­kom­men“
    iSd BAföG gilt. Danach sind alle posi­ti­ven Ein­künf­te
    als „Ein­kom­men“ zu qua­li­fi­zie­ren. Absatz 4 stellt
    zu die­sem Grund­satz eine Aus­nah­me dar. Er defi­niert
    Ein­künf­te, die nicht als „Ein­kom­men“ iSd Absatz 1 gel­ten.
    Sie wer­den nicht auf Leis­tun­gen nach dem BAföG
    ange­rech­net. Mit der Ein­füh­rung der Nr. 5 zäh­len hier­zu
    nun Tätig­kei­ten in sys­tem­re­le­van­ten Bran­chen und
    Beru­fen, die zur Bekämp­fung der COVID-19-Pan­de­mie
    und deren sozia­len Fol­gen die­nen. Eine sol­che Tätig­keit
    muss ent­we­der ab dem 01. März 2020 neu auf­ge­nom­men
    wor­den sein oder eine bereits bestehen­de Tätig­keit in
    ihrem arbeits­zeit­li­chen Umfang auf­ge­stockt wor­den
    Kurz · Geset­zes­än­de­rung zur Unter­stüt­zung von Wis­sen­schaft und Stu­die­ren­den 1 9 3
    13 BT-Drucks 19/18699, S. 6. 14 Löwisch, BB 2020, 949, 950.
    sein. Bei letz­te­rem fällt nur das „Auf­ge­stock­te“ unter die
    Aus­nah­me­re­ge­lung. Das regu­lä­re Ein­kom­men wird
    nach den übli­chen Rege­lun­gen ange­rech­net.
    a) Auf­ge­nom­me­ne oder auf­ge­stock­te Tätig­keit
    Der Grund für die Auf­nah­me oder der Auf­sto­ckung der
    Tätig­keit muss aus der Pan­de­mie resultieren.13 Eine gene­ra­li­sie­ren­de
    Aus­sa­ge, dass alle auf­ge­nom­me­nen oder
    auf­ge­stock­ten Tätig­kei­ten der Nr. 5 unter­lie­gen, hat vor
    dem Hin­ter­grund der übri­gen Geset­zes­än­de­run­gen im
    Sozi­al­recht kei­nen Halt. Der Gesetz­ge­ber hat in
    § 421c SGB III für das Kurz­ar­bei­ter­geld gere­gelt, dass das
    Ein­kom­men aus sys­tem­re­le­van­ten Bran­chen und Beru­fen
    nicht zum Ist-Ent­gelt hin­zu­ge­rech­net wird, wenn die
    Tätig­keit zwi­schen dem 1. April und dem 31. Okto­ber
    2020 auf­ge­nom­men wurde.14 Hier wird das Kri­te­ri­um
    „zur Bekämp­fung der Pan­de­mie“ nicht auf­ge­führt.
    Daher darf der Zusatz in § 21 Absatz 4 Nr. 5 BAföG nicht
    leer­lau­fen. Vor­ga­ben, wann eine Auf­nah­me oder Auf­sto­ckung
    „zur Bekämp­fung“ erfolgt, gibt es jedoch nicht.
    Wie eine sol­che Dif­fe­ren­zie­rung vor­zu­neh­men ist, muss
    daher näher beleuch­tet wer­den.
    aa) Grund­fäl­le
    Ein­fach zu beur­tei­len sind die Fäl­le, bei denen der
    Arbeit­ge­ber sei­nen Bestand an Mit­ar­bei­tern auf­grund
    der Mehr­ar­beit bedingt durch die Pan­de­mie erwei­tern
    möch­te. Die Auf­sto­ckung oder Auf­nah­me der Tätig­keit
    erfolgt dann „zur Bekämp­fung“ iSd Nr. 5.
    Eben­falls ein­fach zu beant­wor­ten, ist der Fall, bei
    dem der Arbeit­ge­ber zwei neue Mit­ar­bei­ter ein­stellt, weil
    zuvor zwei sei­ner Arbeit­neh­mer gekün­digt haben oder
    das Arbeits­ver­hält­nis aus ande­rem Grund ende­te. Hier
    möch­te der Arbeit­ge­ber sei­nen Grund­be­stand an Mit­ar­bei­tern
    sichern. Die Auf­nah­me erfolgt dann nicht „zur
    Bekämp­fung“ iSd Nr. 5.
    bb) Misch­fäl­le
    Pro­ble­ma­tisch liegt der Fall, wenn der Arbeit­ge­ber bei­spiels­wei­se
    drei neue Mit­ar­bei­ter sucht, nach­dem bei
    zwei Arbeit­neh­mern das Arbeits­ver­hält­nis ende­te. Hier­in
    liegt eine Kom­bi­na­ti­on aus Fall 1 und 2. Daher wer­den
    zwei Mit­ar­bei­ter nicht pan­de­mie­be­dingt, wohin­ge­gen
    der Drit­te pan­de­mie­be­dingt ein­ge­stellt wird. Frag­lich ist,
    wer der „drit­te“ von den drei neu­en Mit­ar­bei­tern ist, der
    „zur Bekämp­fung der Pan­de­mie“ ein­ge­stellt wur­de.
    (1) Befris­tungs­lö­sung
    Ein Indiz könn­te die Befris­tung sol­cher Arbeits­ver­trä­ge
    sein. Die­se könn­te dann auf­grund der Dau­er der
    COVID-19-Pan­de­mie gem. dem TzBfG ver­län­gert wer­den.
    Dage­gen spricht jedoch, dass der Arbeit­ge­ber nicht
    alle Arbeit­neh­mer nach der Pan­de­mie ent­las­sen möch­te
    und des­halb auch unbe­fris­tet ein­stellt. Somit wären Aus­zu­bil­den­de,
    die pan­de­mie­be­dingt ihre Tätig­keit unbe­fris­tet
    auf­neh­men, benach­tei­ligt und wür­den aus der
    Son­der­re­ge­lung der Nr. 5 her­aus­fal­len. Dies scheint nicht
    sach­ge­recht.
    (2) Zeit­li­che Lösung
    Ande­rer­seits könn­te auf die zeit­li­che Kom­po­nen­te abge­stellt
    wer­den. Danach ist „Drit­ter“ der­je­ni­ge, mit dem
    das Arbeits­ver­hält­nis zuletzt ent­stand. Dage­gen spricht
    aller­dings, dass der Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses oft
    von Zufäl­lig­kei­ten und Ter­min­pla­nung abhängt. Außer­dem
    könn­te dies dazu füh­ren, dass Aus­zu­bil­den­de den
    Ver­trag­schluss von Umstän­den abhän­gig machen, wie
    z.B. ob vor ihnen schon genug ande­re Arbeit­neh­mer ein­ge­stellt
    wur­den, damit ihre Tätig­keit als pan­de­mie­be­dingt
    auf­ge­nom­men gilt.
    (3) Arbeit­ge­ber­lö­sung
    Schließ­lich wird es dar­auf hin­aus­lau­fen, dass der Arbeit­ge­ber
    selbst ent­schei­det, wel­che Arbeit­neh­mer „zur
    Bekämp­fung der Pan­de­mie“ ein­ge­stellt oder auf­ge­stockt
    wer­den. Der Arbeit­ge­ber wird hier­zu eine ent­spre­chen­de
    Erklä­rung gegen­über dem BAföG-Amt abge­ben. Dies
    wird in Form eines neu­en Form­blat­tes nach dem BAföG
    oder einer hand­schrift­li­chen Erklä­rung erfol­gen.
    Klar ist, dass die Ent­schei­dung des Arbeit­ge­bers damit
    nicht anhand von Kri­te­ri­en nach­prüf­bar ist. Damit
    steht die Aus­nah­me der Nr. 5 der Dis­po­si­ti­on des Arbeit­ge­bers
    zu, der die­se ent­we­der auf­grund von Nicht­wis­sen
    falsch anwen­den oder miss­brau­chen könn­te. Hier ist auf
    das Ver­trau­en der Arbeit­ge­ber zu set­zen.
    cc) Arbeit­ge­ber­wech­sel
    Zu erör­tern bleibt zuletzt, wie sich ein Arbeit­ge­ber­wech­sel
    und die Rege­lung der Nr. 5 gegen­über­ste­hen. Frag­lich
    ist, ob Nr. 5 Anwen­dung fin­det, wenn ein Aus­zu­bil­den­der,
    der bereits in einer sys­tem­re­le­van­ten Bran­che arbei­tet,
    den Arbeit­ge­ber wech­selt, um damit pan­de­mie­be­dingt
    eine Tätig­keit auf­zu­neh­men. Nach dem Sinn und
    1 9 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 9 1 – 1 9 4
    Zweck der Rege­lung erscheint es mög­lich die Rege­lung
    Nr. 5 anzu­wen­den. Ein Aus­zu­bil­den­der, der in einer sys­tem­re­le­van­ten
    Bran­che eine Tätig­keit auf­nimmt, soll für
    sei­ne Mit­hil­fe belohnt werden.15 Für die Qua­li­tät die­ser
    Mit­hil­fe muss es gleich­gül­tig sein, woher der Aus­zu­bil­den­de
    kommt. Ent­schei­dend ist, dass er dort eine Tätig­keit
    auf­nimmt, wo sie gebraucht wird. Zumin­dest wird
    nach der Arbeit­ge­ber­lö­sung der Aus­zu­bil­den­de regel­mä­ßig
    als pan­de­mie­be­dingt ein­ge­stuft wer­den.
    b) Sys­tem­re­le­van­te Bran­chen und Beru­fe
    Sys­tem­re­le­van­te Bran­chen und Beru­fe iSd Nr. 5 sind die
    Ord­nungs- und Sicher­heits­be­hör­den, Ener­gie- und Was­ser­ver­sor­ger,
    der Trans­port- und Per­so­nen­ver­kehr, die
    Auf­recht­erhal­tung von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­gen, das
    Gesund­heits­we­sen, die Land­wirt­schaft, die Lebens­mit­tel­in­dus­trie,
    das Bil­dungs­sys­tem, die Kin­der- und
    Jugend­hil­fe, die Behin­der­ten­hil­fe und die Erzieher.16
    Eine Ori­en­tie­rung für das Merk­mal „sys­tem­re­le­vant“
    gibt das BSI-Kri­sen­ge­setz und die lan­des­recht­li­chen
    Bestim­mun­gen zur Berech­ti­gung von Kin­der­not­fall­be­treu­ung.
    17
  6. Neu­re­ge­lung § 66a
    § 66a Absatz 8a bil­det den zeit­li­chen Rah­men für die
    Rege­lung des § 21 Absatz 4 Nr. 5 BAföG. Danach wird die
    Anwen­dung des § 21 Absatz 4 Nr. 5 BAföG aus­ge­schlos­sen,
    wenn der Bun­des­tag gem. § 5 Absatz Satz 3 Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes
    die Auf­he­bung der epi­de­mi­schen
    Lage bekannt gibt. Der maß­geb­li­che Tag wird vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um
    für Bil­dung und For­schung im Bun­des­ge­setz­blatt
    bekannt­ge­ge­ben. Der Aus­schluss gilt dann ab
    dem fol­gen­den Monat.
    Vik­tor Kurz ist Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der
    For­schungs­stel­le für Hoch­schul­ar­beits­recht der Albert-
    Ludwigs-Universität Frei­burg. Er dankt Herrn Prof. Dr.
    Dr. h.c. Man­fred Löwisch herz­lich für die Anre­gun­gen.
    15 BT-Drucks 19/18699, S. 8.
    16 Ebd.
    17 Ebd; tief­ge­hen­der Aus­füh­run­gen zu „sys­tem­re­le­van­te Bran­chen
    und Beru­fe“ sie­he Löwisch, BB 2020, 948, 950.