I. Einleitende Bemerkungen
Dass sich das konsensuale Konfliktlösungsverfahren der Mediation auch auf dem Campus öffentlich-rechtlicher Hochschulen als hilfreich erweisen kann, ist eine Erkenntnis, die erst in jüngerer Zeit und immer noch eher zögerlich an Boden gewinnt. Ob freilich insoweit von dem am 26.07.2012 in Kraft getretenen Mediations- förderungsgesetz1 unmittelbar wirksame Impulse ausge- hen, die auch gerade die öffentlich-rechtlichen Hoch- schulen für dieses Verfahren sensibilisiert haben könn- ten, erscheint eher fraglich. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinie2 deut- lich über diese hinausgegangen, aber das für öffentlich- rechtliche Behörden maßgebliche, kodifizierte Verwal- tungsverfahren wurde nicht in das Mediationsförde- rungsgesetz einbezogen. Der Empfehlung der Abteilung „Mediation“ des 67. Deutschen Juristentages 2008 in Erfurt,3 das Verwaltungsverfahrensrecht solle ausdrück- lich die Möglichkeit regeln, ein Mediationsverfahren „im“ oder parallel zum Verwaltungsverfahren durchzu- führen, wurde nicht Rechnung getragen.
Aufgegriffen hat der Gesetzgeber dagegen den Vor- schlag des 67. DJT, die gerichtsinterne Mediation in allen Prozessordnungen der Fachgerichte und damit auch in der für die Verwaltungsgerichte maßgeblichen VwGO vorzusehen,4 so dass in öffentlich-rechtlichen Streitig- keiten nach § 40 VwGO den Beteiligten eines anhängi- gen Verfahrens – also auch in einem Streit unter Beteili-
* Bei diesem Aufsatz handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Beitrages, der in dem von Fritjof Haft und Katharina Gräfin von Schlieffen herausgegebenen „Handbuch Mediation“, 3. Aufl. 2016, als § 43 erschienen ist.
- 1 Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung v. 21.7.2012, BGBl. 2012 I,
S. 1577. Dem § 1 des in Art. 1 normierten Mediationsgesetzes sind freilich nun mehr zentrale Begriffsbestimmungen zu entnehmen: Nach § 1 Abs. 1 ist die Mediation „ein vertrauliches und struktu- riertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich die einvernehmli- che Beilegung ihres Konfliktes anstreben“. Nach § 1 Abs. 2 ist ein Mediator „eine unabhängige und neutrale Person ohne Entschei- dungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt“. - 2 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen v. 24.5.2008, ABl. EU 2008, L 136/3.
- 3 Vgl. unter http://www.djt.de, Die Tagungen, Beschlüsse, 67. DJT, Mediation, D 19. Siehe aber nunmehr das am 1.1.2015 in Kraft
gung einer öffentlich-rechtlichen Hochschule – nun- mehr auf gesicherter rechtlicher Grundlage als Alterna- tive zum konventionellen Prozess die Möglichkeit einer Mediation durch einen entsprechend geschulten, nicht zur Streitentscheidung befugten Richter – den Güterich- ter – angeboten werden kann.5 Dieses Angebot ist in den Gerichten und insbesondere in den Verwaltungsgerich- ten freilich nicht neu. Bereits Jahre vor dem Inkrafttreten des Mediationsförderungsgesetzes gab es eine rasant wachsende Zahl an Modellprojekten,6 die sich zuneh- mender Wertschätzung erfreuten.
Zwar hat das Mediationsförderungsgesetz – wie er- wähnt – das Verwaltungsverfahrensrecht ausgeklam- mert, aber auch in den Bereichen, die dieses Recht regelt, wird die Mediation bereits seit mehreren Jahren – und nicht erst seit Inkrafttreten des Mediationsförderungsge- setzes – praktiziert. Das gilt für die nach außen wirksame Verwaltungstätigkeit (vor allem bei raumrelevanten Vor- haben), aber darüber hinaus für die interne Bearbeitung verwaltungsinterner Konflikte. Solche sogenannten In- house-Mediationen sind vor allem in großen privaten Wirtschaftsunternehmen ein bevorzugtes Mittel des Konfliktmanagements.7 Es gibt indes z.B. auch Kommu- nalverwaltungen, die mit Inhouse-Mediationen gute Er- fahrungen gesammelt haben.8 Dazu gehört schon seit geraumer Zeit die Stadt Heidelberg.9 Selbst in einem Bundesministerium wird inzwischen die Einführung ei- nes Konfliktmanagementsystems erwogen und der Frage nachgegangen, ob den Konfliktbeteiligten die Möglich-
getretene Umweltverwaltungsgesetz Baden-Württemberg vom 25.11.2014, GBl. S. 592, „§ 4 Umweltmediation“; vgl. dazu Feld- mann, NVwZ 2015, 321, 324 ff.
4 Siehe Fn. 3, D 21. Vgl. § 278 Abs. 5 ZPO und § 173 S. 1 VwGO, jeweils in der Fassung des Mediationsförderungsgesetzes (Fn. 1), Art. 2 Ziff. 5 u. Art. 6.
5 Vgl. Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, §§ 9 u. 51.
6 Vgl. Jan Malte von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, S. 70 ff.
7 Vgl. zum „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ (RTMKM), unter: http://www.rtmkm.de; sowie Handbuch Mediation (Fn. 5), § 36; siehe auch Hoormann/ Matheis, Konfliktmanagement in Hochschulen, 2014, S. 7 ff.; Henkel/Göhler, Mediation im Betrieb, in: AuR 2014, 703.
8 Hoormann/Matheis (Fn. 7) nennen in diesem Zusammenhang die Städte Kempten und Wuppertal (S. 9).
9 Weigle, in: Niedostadek (Hrsg.), Praxishandbuch Mediation, 2010, S. 154, 157.
Joachim von Bargen
Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus* Mediation in öffentlich-rechtlichen Hochschulen
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
140 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152
keit eröffnet werden sollte, die Hilfe einer Mediatorin oder eines Mediators in Anspruch zu nehmen.10
Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Hochschulen werden Mediationen zur Lösung hochschulinterner Konflikte derzeit noch am ehesten dann angeboten, wenn Hochschulen eine Konfliktberatungsstelle einge- richtet haben, die allen Hochschulangehörigen offen steht und diese im Falle unspezifischer, nicht speziell wissenschaftsbezogener Konflikte – wie es sie in jedem Wirtschaftsunternehmen und jeder Verwaltungsbehör- de geben kann – unterstützt (dazu unter II.). Deutlich geringere Erfahrungen – wenn überhaupt –, aber einen wachsenden Bedarf an einem Konfliktmanagement (ein- schließlich der Mediation) gibt es, wenn spezifisch wis- senschaftsbezogene Konflikte zu bearbeiten sind. Das gilt im Rahmen der immer dringlicheren Bemühungen um die „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“11 zum einen für das weite Feld der Forschung (III.), zum anderen aber auch speziell für den Bereich der Promoti- on (IV.). Nach ein paar Stichworten zu Möglichkeiten, zur konsensualen Lösung interner Konflikte externe Hil- fe in Anspruch zu nehmen (V.), soll abschließend nur angerissen werden, dass sich öffentlich-rechtliche Hoch- schulen auch im Bereich der Lehre (VI.) und der Wis- senschaft in Sachen „Mediation“ engagieren (VII.).
II. Bearbeitung unspezifischer Konflikte am Arbeits- und Studienplatz
Eine der ersten deutschen Universitäten, die eine Stelle für eine interne professionelle „Sozial- und Konfliktbe- ratung“ eingerichtet hat, ist die Technische Universität Darmstadt (TUD).12 Diese vorbildliche Einrichtung, die inzwischen seit ca. 15 Jahren ihre Hilfe anbietet, steht allen Beschäftigten der Universität u.a. im Falle von Konflikten am Arbeitsplatz offen, geht aber in ihrem Bei- stands-Angebot weit darüber hinaus. Sie ist mit zwei Mediatorinnen besetzt (davon eine Vollzeitstelle) und direkt als Stabsstelle dem Präsidium zugeordnet, die
- 10 Wagner, Mediation in Behörden, NJW 2014, 1344.
- 11 Deutsche Forschungsgemeinschaft, Sicherung guter wissenschaft-licher Praxis – Denkschrift; diese ist sowohl in der ersten (1998) als auch in der zweiten (Juli 2013), ergänzten Auflage im Internet verfügbar unter: http://www.ombudsman-fuer-die-wissenschaft. de, weitere Informationen; vgl. ferner das Positionspapier des Wissenschaftsrates „Empfehlungen zur Sicherung wissenschaft- licher Integrität“ v. 24.4.2015, unter http://www.wissenschaftsrat.de; siehe dazu Schmoll, FAZ v. 27.4.2015, S. 2.
- 12 Vgl. hier und im Folgenden: http://www.intern.tu-darmstadt.de/sokobe/ und die dort genannten Presseartikel. Siehe ferner den Vortrag von Mada Mevissen über die von ihr gesammelten Erfahrungen in der Sozial- und Konfliktberatung an der TUD im Rahmen des
Mediatorinnen arbeiten aber in gesicherter Unabhängig- keit.13
An die beiden Mediatorinnen Mada Mevissen und Beatrice Wypych herangetragen werden Konflikte zwi- schenHierarchie-EbenenebensowieinnerhalbvonAb- teilungen und Teams. Veränderte Aufgaben und perso- neller Wechsel am Arbeitsplatz können ebenso zu eska- lierenden Spannungen führen wie Überforderung, per- sönliche Aversionen oder Rivalitäten. Entwürdigendes und respektloses Verhalten wie Mobbing, Schikanen, Diskriminierungen und „sexual harassment“ oder „stal- king“ sind häufig die Folge ungeklärter Konflikte. Bis einschließlich 2012 hat die Sozial- und Konfliktberatung der TUD 1500 Ratsuchende betreut. 2012 nahmen 180 Personen den Service in Anspruch, darunter ca. 10 bis 15% Professoren und knapp 30% Doktoranden. Die Zahl der Mediationen beläuft sich derzeit auf ein bis zwei im Monat. Die Mediatorinnen haben so gut zu tun, dass sie drei bis vier Wochen im Voraus ausgebucht sind.
Inzwischen gibt es ähnliche Einrichtungen wie die Sozial- und Konfliktberatungsstelle der TUD in zahlrei- chen öffentlich-rechtlichen Hochschulen, die sich frei- lich in ihrer Vielfalt erheblich unterscheiden. Umso ver- dienstvoller ist es, dass es die Autoren Josef Hoormann und Alfons Matheis in einer 2014 veröffentlichten Studie unternommen haben, im Zuge einer Bestandsaufnahme erstmals Ausmaß und Art des Konfliktmanagements an öffentlich-rechtlichen Hochschulen in der Bundesrepu- blik Deutschland zu erfassen.14 Die Idee der Autoren ist – wie es im Vorwort heißt –, weitere Hochschulen zu motivieren, sich für ein Konfliktmanagement zu öffnen. Die Studie gibt nicht nur den einschlägigen Stand der Forschung wieder,15 sondern skizziert auch ausgewählte Beispiele aus der Praxis des hochschulinternen Konflikt- managements.16 Hier wird u.a. näher auf die Aktivitäten an der TUD, aber auch auf die an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, der Technischen Universität Ilmenau und an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden eingegangen. In allen hier genannten
vierten Netzwerktreffens „Konfliktmanagement und Mediation“ der HIS Hochschulentwicklung am 20.11.2013 in Hannover, unter: http://www.his-he.de/veranstaltung/dokumentation/Netzwerktreffen_2013. Lesenswert sind auch weitere der im Rahmen dieser Netzwerk- treffen gehaltenen und dokumentierten Referate, zB das beim 5. Treffen Mitte Dezember 2014 vorgetragene Referat von Joachim Kepplinger, der sich u.a. zur innerbehördlichen Mediation in der Polizei Baden-Württembergs äußert.
13 Vgl. Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 56.
14 Vgl. zu dieser Studie Knoke, in: duz 10/2014, S. 26.
15 Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 43 ff. mwN., siehe auch das umfas-
sende Literaturverzeichnis, S. 105 ff. 16 Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 50 ff.
von Bargen · Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus 1 4 1
Hochschulen sind ausgebildete Mediatorinnen bzw. Me- diatoren tätig, allein an der zuletzt genannten Hochschu- le sind es sechs.
Von hohem Wert ist die Studie aber vor allem auch deshalb, weil sie sich auf umfassende empirische Erhe- bungen stützt.17 Die Verfasser der Studie haben an 238 staatliche Hochschulen und zwei staatlich anerkannte (private) Fachhochschulen einen detaillierten Fragenbo- gen verschickt, der von 86 Hochschulen beantwortet wurde (40 Universitäten und 46 Fachhochschulen); die Rücklaufquote lag bei 35,8%. In knapp mehr als der Hälf- te dieser Hochschulen gibt es Regeln für die Konfliktbe- arbeitung wie z.B. fixierte Vereinbarungen, informelle Absprachen oder Gewohnheiten, die in der Hochschule allgemeine Praxis sind. Auf die Frage nach der Form der Konfliktbearbeitung nennen knapp 43% der Hochschu- len die Mediation; mehr als ein Viertel (26,7%) nehmen externe Hilfe in Anspruch.18 Knapp mehr als die Hälfte (52,4%) schätzen die Konflikthäufigkeit an ihrer Hoch- schule als „mittel“ (mehrere Konflikte pro Monat) ein.19
Im Rahmen der empirischen Studie sind nicht nur quantitative Daten ausgewertet, sondern in ausgewähl- ten Hochschulen auch persönliche Interviews mit den Akteuren der Konfliktberatungsstellen geführt wor- den.20 In diesem Zusammenhang werden die Universitä- ten Mainz und Stuttgart sowie die Hochschulen Ost- westfalen Lippe und Harz genannt, in denen ausgebilde- te Mediatorinnen und Mediatoren Hilfe bei der internen Konfliktbearbeitung anbieten. Dass das auch für die TUD gilt, ist bereits dargelegt worden.21
III. Bearbeitung spezifisch wissenschaftsbezogener Konflikte im Bereich der Forschung
1. Grundlagen
Während noch vor ca. zwei Jahrzehnten die Hoffnung verbreitet war, dass es in den Hochschulen, in denen wis-
- 17 Vgl. hier und im Folgenden Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 59 ff.
- 18 Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 67.
- 19 Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 74.
- 20 Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 90 ff., 111 ff.
- 21 Siehe oben bei Fn. 12 ff.
- 22 Vgl. hier und im Folgenden DFG-Denkschrift, 2. Aufl. (Fn. 11),S. 8, 13 f.; Apel, Verfahren und Institutionen zum Umgang mit Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, 2009, S. 313; Hüt- temann, Selbstkontrolle in der Wissenschaft, F&L 2011, 80; Schiffers, Ombudsman und Kommission zur Aufklärung wissen- schaftlichen Fehlverhaltens an staatlichen Hochschulen, 2012, S. 17 ff.; von Bargen, Wissenschaftliche Redlichkeit und zentrales hochschulinternes Verfahrensrecht, JZ 2013, 716 f.
senschaftlich geforscht wird, so gut wie keine Konflikte gibt, jedenfalls keine, die Anlass geben könnten, ausrei- chende organisations- und verfahrensrechtliche Vorkeh- rungen zu treffen, hat sich das im Jahr 1997 schlagartig geändert.22 Seinerzeit verdichteten sich Hinweise auf massive Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen zwei bis dahin renommierte Mediziner und Krebs- forscher, nämlich Friedhelm Herrmann sowie seine ehe- malige Kollegin und Lebensgefährtin Marion Brach. In einem Mitte des Jahres 2000 vorgelegten Abschlussbe- richt kam eine „Task Force F.H.“ zu dem Ergebnis, dass sich in 94 Veröffentlichungen, in denen Herrmann als Co-Autor genannt worden war, Hinweise auf Datenma- nipulationen fänden.23
Dieser sogenannte „Sündenfall“24 war für die Deut- sche Forschungsgemeinschaft und andere Wissen- schaftsorganisationen Anlass, die Initiative zu ergreifen und auf grundlegende Änderungen zu dringen. Wäh- rend in den letzten 10 Jahren vor 1997 lediglich in sechs Fällen Ad-hoc-Kommissionen gebildet worden waren, haben Universitäten und Forschungseinrichtungen die in einer 1998 beschlossenen Musterverfahrensordnung der Hochschulrektorenkonferenz25 empfohlenen Ände- rungen aufgegriffen und – inzwischen auch fortgeschrie- bene – Regeln zur Sicherung der Selbstverantwortung in der Forschung und zum Umgang mit wissenschaftli- chem Fehlverhalten verabschiedet. Vorgesehen sind nunmehr in den Hochschulen ständige zentrale Institu- tionen, nämlich sowohl Ombudspersonen als auch Un- tersuchungskommissionen. Darüber hinaus hat die DFG ein – aus drei Wissenschaftlern bestehendes – Bera- tungs- und Vermittlungs-Gremium, den „Ombudsman für die Wissenschaft“ eingerichtet.26
Eine wesentliche Ursache dafür, dass es im Interesse der Redlichkeit in der Wissenschaft zwingend geboten war, elementare Grundlagen für ein Konfliktmanage- ment zu normieren, sind fundamentale Strukturverän-
23 Vgl. Koenig, Panel Calls Falsification in German Case ’Unprece- dented’, Science 277, 894.
24 Finetti/Himmelrath, Der Sündenfall. Betrug und Fälschung in der deutschen Wissenschaft, 1999.
25 HRK-Beschluss v. 6.7.1998 „Zum Umgang mit wissenschaftli- chem Fehlverhalten in den Hochschulen“, http://www.hrk.de, Beschlüsse; siehe dort auch die überarbeitete und präzisierte Fassung v. 14.5.2013.
26 DFG-Denkschrift, 2. Aufl. (Fn. 11), S. 35 ff.; sowie unter: http:// www.ombudsman-fuer-die-wissenschaft.de.
142 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152
derungen des internationalen Wissenschaftssystems,27 die hier nur mit ein paar Stichworten skizziert werden können. Charakteristisch ist ein zunehmender internati- onalisierter Wettbewerb zwischen Forschergruppen, bei dem sich keineswegs alle Beteiligten ausschließlich fair verhalten, und der auch in ruinöse Formen ausarten kann („cut throat competition“). Immer schwerer zu kontrollieren ist eine wachsende Beschleunigung des Forschungsprozesses, die u.a. einen steigenden Veröf- fentlichungsdruck bewirkt. Konkurrenzdenken und Profilierungszwänge werden zunehmend selbstverständ- licher. Das nie endende Ringen um Stellen und Förder- mittel prägt den Alltag des Wissenschaftlers, dessen Leistungskraft an quantifizierenden Kennzahlen wie Drittmittel, Promotionen und Publikationen gemessen wird.
Die Folge ist, dass sich eine Tendenz hin zu einer un- gesunden, verkrampften Kommunikationskultur und zur Entsolidarisierung entwickelt.28 Coach- und Team- fähigkeit haben keinen hohen Stellenwert. Die offene Austragung von Konflikten oder die Einbeziehung Drit- ter werden aus Sorge vor einer Skandalisierung vermie- den. Umso häufiger findet die Kommunikation mit Drit- ten einseitig „hinter vorgehaltener Hand“ statt. Positive Ergebnisse werden überbetont, negative verschwiegen oder kleingeredet. Eigene Fehler werden eher selten the- matisiert, Anderen Fehler vorzuhalten, gilt als Affront. Zu den Ursachen, die ein Gegensteuern zwingend gebo- ten haben und noch heute bieten, zählt freilich auch, dass die früher geschätzten Kontrollinstrumente „peer review“ und „replication“ erheblich an Effektivität verlo- ren haben und mehr denn je überschätzt werden. Der in den Niederlanden lehrende deutsche Sozialpsychologe
- 27 Vgl. hier und im Folgenden Schulze-Fielitz, Reaktionsmöglich- keiten des Rechts auf wissenschaftliches Fehlverhalten, in: WissR, Beiheft 21 (2012), 1 ff.; ders., Rechtliche Rahmenbedingungen von Ombuds- und Untersuchungsverfahren zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens, in: WissR 2004, 122; Fohrmann, Zur Unverwechselbarkeit verpflichtet, siehe unter: http://www.ombudsman-fuer-die-wissenschaft.de, weitere Infor- mationen; aufschlussreich ist auch das Interview mit dem Jenaer Soziologen Hartmut Rosa, in: Die Zeit, Nr. 45 v. 3.11.2011: „Jeden Tag schuldig ins Bett – Das Hamsterrad für Professoren dreht sich immer schneller, teils mit ruinösen Folgen für die Menschen und die Forschung“; vgl. ferner: Die Zeit Nr. 24 v. 11.6.2015, S. 59 ff. („Professoren protestieren gegen die Uni“).
- 28 Vgl. hier und im Folgenden Baum, Wistleblowing in der Wissen- schaft, in: F&L 2012, 38 ff. Christopher Baum war in der Medizi- nischen Hochschule Hannover Ombudsman und ist seit 1.4.2013 ihr Präsident.
- 29 Stroebe/Postmes/Spears, Scientific Misconduct and the Myth of Self-Correction in Science, in: APS 2012, 670 ff.
- 30 Fang/Steen/Casadevall, Misconduct accounts for the majority of
Wolfgang Stroebe und sein Team haben sie in ihrer 2012 erschienenen Studie zum Mythos erklärt.29 Eine For- schergruppe um den an der Universität Seattle lehren- den Wissenschaftler Ferric C. Fang hat in einer ebenfalls 2012 veröffentlichten Untersuchung nachgewiesen, dass nicht nur die Zahl zurückgezogener Artikel rasant steigt, sondern auch, dass – anders als bisher angenommen – die meisten Rücknahmen keineswegs die Folge bloßer Irrtümer sind.30 Vielmehr beruhen ca. 67 % der Rück- nahmen auf wissenschaftlichem Fehlverhalten, am häu- figsten darunter mit 43 % Fälschungen bzw. Fälschungs- verdachtsfälle. Der Göttinger Biochemiker Cornelius Frömmel nennt in einem Beitrag in der „Zeit“ mehrere geradezu haarsträubende Beispiele und Ergebnisse von Studien.31
Der Zufall wollte es, dass unmittelbar vor dem „Umschalt“-Jahr 1997 ein richtungweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu der in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ohne Gesetzesvorbehalt garantierten Wissenschafts- freiheit ergangen war, die auch die Freiheit von For- schung und Lehre einschließt.32 Um zu verhindern, dass Universitätsgremien in unkonventionelle Einfälle und Vorhaben eingreifen, wird jeder wissenschaftlich Tätige umfassend geschützt, und er hat es weitgehend selbst in der Hand, sich diesen Schutz zu erhalten: Das BVerwG schließt sich der Rechtsprechung des BVerfG im Hoch- schulreform-Urteil an, nach der „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Er- mittlung von Wahrheit anzusehen ist“, als wissenschaft- liche Tätigkeit gilt.33 Zwar sei es Aufgabe der Hochschu- len, konkreten Anhaltspunkten für einen Missbrauch der Forschungsfreiheit nachzugehen. Voraussetzung sei- en aber „schwerwiegende Vorwürfe“. Dass die Miss-
retracted scientific publications in: PNAS, Bd. 109 (2012), 17028
ff.
31 Frömmel, Bitte nur die ganze Wahrheit, in: Die Zeit v. 24.7.2014,
Nr. 31, S. 31.
32 Urt. v. 11.12.1996, BVerwGE 102, 104; der Kläger, Wolfgang
Lohmann, Biophysik-Professor der Universität Gießen, gegen den Fälschungsvorwürfe erhoben worden waren, hatte mit seiner Klage in allen drei Instanzen Erfolg. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde der Universität nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschl. v. 8.8.2000, NJW 2000, S. 3635; vgl. auch die DFG-Denkschrift, 2. Aufl. (Fn. 11), S. 26 f. Siehe hier und im Folgenden ferner von Bargen (Fn. 22), in: JZ 2013, 717 ff. Anders als Wolfgang Lohmann hatte der Physiker Jan Hendrik Schön, dem der Doktorgrad wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens entzogen worden war, mit seiner Klage letztlich keinen Erfolg, vgl. BVerwG, Urt. v. 31.7.2013, BVerwGE 147, 292 und BVerfG, Beschl. v. 3.9.2014, NVwZ 2014, 1571; vgl. dazu von Bargen, Der Entzug des redlich erworbenen Doktorgrades, in: JZ 2015, 819 ff.
33 Urt. v. 29.5.1973, BVerfGE 35, 79, 113.
von Bargen · Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus 1 4 3
brauchsgrenze vom Kläger „zweifelsfrei“ überschritten worden sei, habe die Ad-hoc-Kommission in dem von ihr beurteilten Fall nicht feststellen können.
Das Bundesverwaltungsgericht weist in seinem Ur- teil darauf hin, dass das hochschulinterne Verfahren der wissenschaftlichen Selbstkontrolle normativ geregelt werden sollte, und es regt an, es am förmlichen Diszipli- narverfahren zu orientieren. Letzterem ist mit überzeu- genden Gründen widersprochen worden.34 Nicht der Typ des streng formalisierten, kontradiktorischen Diszi- plinarverfahrens könne als Leitbild dienen, sondern das der Wissenschaft als kommunikativem Prozess gemäße- re, weitgehend auf Kooperation aller Beteiligten angeleg- te Verfahren des Diskurses. Daran haben sich die Hoch- schulen bei der Umsetzung der HRK-MusterVerfO35 orientiert, wenn auch die Ausgestaltung im Detail höchst unterschiedlich ausgefallen ist. Als Ermächtigungs- grundlage für den Erlass der wissenschaftseigenen Klä- rungsverfahren dient in acht Bundesländern unmittel- bar Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, in den übrigen acht Bundeslän- dern sind die Hochschulgesetze ergänzt, alle wissen- schaftlich Tätigen zu wissenschaftlicher Redlichkeit verpflichtet und die Hochschulen zum Erlass entspre- chender Regeln ermächtigt worden.36 Vieles spricht da- für, dass dadurch die wissenschaftliche Selbstkontrolle nachhaltiger legitimiert, der rechtliche Rahmen sicherer gestaltet, insbesondere aber das Klärungsverfahren in der Praxis ernster genommen wird. War auch in den ers- ten nach 1998 erlassenen Ordnungen die gebotene Form einer Satzung nicht die Regel, so ist das inzwischen der Fall.37
2. Ombudspersonen
a) Funktion
Die Bestellung, die Amtszeit, die Zahl, der Status und der fachliche Hintergrund der Ombudspersonen38 sind in
- 34 Vgl. Schmidt-Aßmann, Fehlverhalten in der Forschung – Reakti- onen des Rechts, in: NVwZ 1998, 1231 ff.; Apel (Fn. 22), S. 306 ff., 309 f.; Schulze-Fielitz (Fn. 27), in: WissR, Beiheft 21 (2012), 51 f.
- 35 Siehe oben Fn. 25.
- 36 Vgl. von Bargen (Fn. 22), in: JZ 2013, 718 m. Fn. 46; sowie Löwer,Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zwischen Ethik und Hoch-schulrecht, in: Dreier/Ohly (Hrsg.), Plagiate, 2013, S. 51, 55 f.
- 37 Vgl. Schulze-Fielitz (Fn. 27), in: WissR, Beiheft 21 (2012), 38;Schiffers (Fn. 22), S. 78 ff., 87 ff.; eine Zusammenstellung von in den Hochschulen erlassenen Redlichkeits-Ordnungen findet sich bei Apel (Fn. 22), S. 335 ff. Sie ist freilich nicht mehr auf dem neuesten Stand.
- 38 Vgl. in diesem Zusammenhang eingehend Schiffers (Fn. 22), S. 25 ff., 170 ff.
- 39 HRK-MusterVerfO (Fn. 25) unter C. II.: „Ombudsmann“, hier: Abs. 1.
den einschlägigen Satzungen von Hochschule zu Hoch- schule anders geregelt. Nicht einmal die Bezeichnung ist einheitlich, vor allem sind auch ihre Kompetenzen unterschiedlich ausgestaltet. Ganz überwiegend über- nommen wird freilich die Empfehlung der HRK-Mus- terVerfO,39 sowohl denen, die Vorwürfe wissenschaftli- chen Fehlverhaltens vorzubringen haben, als auch denen, die sich dem Verdacht wissenschaftlichen Fehl- verhaltens ausgesetzt sehen, als „Ansprechpartner“, als „Vertrauensperson“ zur Verfügung zu stehen. Übernom- men wird darüber hinaus häufig der Vorschlag, dass die Ombudspersonen von sich aus Hinweise aufzugreifen haben, die ihnen (ggf. über Dritte, insbesondere sog. „Whistleblower“) zur Kenntnis kommen. Und auch die Anregung, dass es zu den Aufgaben der Ombudsperso- nen gehöre, Vorwürfe unter Plausibilitätsgesichtspunk- ten auf Konkretheit und Bedeutung zu prüfen, findet sich in einer Reihe von Satzungen wieder.
Weniger selbstverständlich ist, dass die Hochschulen in ihren Redlichkeitssatzungen den letzten Teil des Ab- satzes 1 (C. II.) aufgreifen, in dem die Empfehlungen der HRK-MusterVerfO formuliert sind.40 Dort heißt es, dass sich die Prüfung auch „auf mögliche Motive und im Hinblick auf Möglichkeiten der Ausräumung der Vor- würfe“ erstrecken sollte. Berücksichtigung findet diese Empfehlung etwa in den Satzungen der Universitäten Hamburg,41 Göttingen,42 Bayreuth43 und Köln44. Gerade die beiden zuerst genannten Universitäten messen der Ombudsfunktion erhebliche Relevanz bei. Das kommt z.B. darin zum Ausdruck, wie eingehend sie geregelt wird, aber auch durch die Zahl der Personen, die diese Funktion wahrnehmen. In der Göttinger Satzung sind es für den gesamten Universitätsbereich mit Ausnahme der Medizin drei und speziell für die Medizin noch einmal fünf, die jeweils einzeln, aber ggf. auch als Kollegialorgan tätig werden. Vor allem aber zählt in beiden Satzungen auch zu den Aufgaben der Ombudspersonen, „zwischen
40 Siehe Fn. 39.
41 Satzung „zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zur
Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens an der Universität Hamburg“ v. 15.5.2014, siehe unter: http://www.uni-hamburg.de, §§ 6 f. und insbesondere § 7 Abs. 3.
42 Ordnung der Göttinger Universität „zur Sicherung guter wissen- schaftlicher Praxis“ v. 12.12.2012, siehe unter: http://www.uni-goettingen.de, §§ 7 f., 10 f.
43 Satzung „zur Sicherung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten“ v. 10.5.2012, siehe unter: http://www.uni-bayreuth.de, § 6 Abs. 2.
44 Ordnung „zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten“ v. 22.7.2011, siehe unter: http://www.uni-koeln.de, § 11.
144 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152
den Verfahrensbeteiligten zu vermitteln, soweit dies möglich und sachlich gerechtfertigt ist“.45
Die HRK hat ihre Empfehlungen in der MusterVerfO v. 06.07.199846 durch Beschluss v. 14.05.2013 noch einmal überarbeitet und präzisiert.47 Die Überschrift unter C. II. lautet nun – anders als bisher – nicht mehr „Ombuds- mann“, sondern „Ombudssystem an den Hochschulen“. Ausgeführt wird sodann, dass sich zur Sicherung der gu- ten wissenschaftlichen Praxis im deutschen Wissen- schaftssystem ein System der Selbstkontrolle (Ombuds- man) etabliert habe. Hochschulen sollten „unabhängige Ombudspersonen“ haben (empfehlenswert sei ein aus mindestens drei Personen bestehendes Ombudsgremi- um an jeder Hochschule), an die sich ihre Mitglieder in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und in Fragen vermuteten Fehlverhaltens wenden könnten „(Präventi- on und Mediation)“. Die Hochschulen hätten Sorge da- für zu tragen, dass die Ombudspersonen in ihre Arbeit „bestmöglich eingeführt“ würden und dass sie in der Einrichtung bekannt seien.
Wie der Hinweis auf die „Mediation“ gemeint ist, lässt sich wohl nicht anders verstehen, als dass die Mit- glieder der Hochschule die Möglichkeit haben sollten, sich mit dem Anliegen an die Ombudspersonen – als „Vertrauenspersonen“48 – wenden zu können, die ihnen – den Hochschul-Mitgliedern – zur Lösung ihres Kon- flikts ggf. eine Mediation oder zumindest ein sachorien- tiertes Konfliktmanagement unter Einsatz mediativer Elemente – z.B. Aktives Zuhören und Paraphrasieren, Fragetechniken, Reframing, professioneller Umgang mit Kommunikationsstörungen und Emotionen – anbie- ten.49 Darauf deutet hin, wenn die HRK im selben Satz, in dem sie von „Mediation“ spricht, davon ausgeht, dass die Hochschulen die Unabhängigkeit der Ombudsperso- nen sichern, die Voraussetzung dafür ist, Beteiligte durch das – vertrauliche – Verfahren einer Mediation zu füh- ren.50 Offenbar sieht die HRK in diesem durchdachten Verfahren eine Chance, in geeigneten Fällen zu einem frühen Zeitpunkt mit allen Beteiligten eine interessenge- rechte, für alle befriedigende, nachhaltige Lösung zu er- arbeiten und so vor allem auch in Zukunft eine störungs-
- 45 So ist es in der Göttinger Satzung geregelt, vgl. Fn. 42. Die Re- gelung in der Hamburger Satzung lautet: Die Ombudspersonen „beraten die Beteiligten und vermitteln zwischen ihnen mit dem Ziel, Konflikte so weit wie möglich gütlich beizulegen“, vgl. Fn. 41.
- 46 Vgl. Fn. 25.
- 47 Siehe unter: http://www.hrk.de, Beschlüsse, Beschluss v. 14.5.2013unter II. 1.
- 48 Siehe nach Fn. 39.
- 49 Vgl. Handbuch Mediation (Fn. 5), §§ 14 und 16.
- 50 Vgl. § 1 Abs. 2 MediationsG, vgl. Fn. 1; siehe auch unter II. 1.Abs. 3 des HRK- Beschlusses v. 14.5.2013 (Fn. 47).
- 51 Vgl. Fn. 47.
freie Kooperation etwa in derselben Forschergruppe zu ermöglichen. Das hätte besondere Bedeutung gerade dann, wenn die Konfliktbeteiligten – wie das in Hoch- schulen häufig der Fall sein dürfte – in wechselseitiger Abhängigkeit stehen. Ein solches Vorgehen würde im Übrigen nicht nur die Redlichkeitskommission entlas- ten, deren Verfahren in aller Regel mit größerem Auf- wand verbunden sein dürfte, sondern es wäre auch für die Betroffenen weniger belastend.
b) „bestmöglich eingeführt“
Würde von den Hochschulen die aktualisierte Empfeh- lung zu den Aufgaben der Ombudspersonen im Beschluss der HRK vom 14.05.2013 (unter II. 1., Abs. 1)51 aufgegriffen, dann hätten die Hochschulen freilich auch den letzten Satz des oben wiedergegebenen Absatzes zu beachten, in dem es heißt, sie hätten Sorge dafür zu tra- gen, „dass die Ombudspersonen in ihre Arbeit bestmög- lich eingeführt“ würden. Damit kann nur das Angebot einer optimalen Schulung gemeint sein, und das hieße in erster Linie, Ombudspersonen die Gelegenheit einer Mediationsausbildung zu bieten. Eine solche Ausbildung ist in zahlreichen Hochschulen selbst möglich.52
Eine auf die Ombudspersonen zugeschnittene Ein- führung in ihre Arbeit – wenn auch keine Mediations- ausbildung – bietet das Zentrum für Wissenschaftsma- nagement in Zusammenarbeit mit der Deutschen For- schungsgemeinschaft. Seit Dezember 2012 werden im Rahmen eines Weiterbildungsprogramms Workshops speziell zu dem Thema „Mediation und Konfliktma- nagement für Ombudspersonen“53 veranstaltet. An zwei Tagen erörtern zwei Dozentinnen mit den Teilneh- merinnen und Teilnehmern Rolle und Aufgaben der Ombudspersonen, das Verfahren und die Rahmenbe- dingungen. Vorgestellt werden ua das Verfahren der Me- diation, Kommunikationstechniken, ein idealtypischer Gesprächsaufbau und Techniken zum Umgang mit Emotionen. Vor allem aber werden in Rollenspielen ex- emplarische Fälle aus dem umfassenden Spektrum der Konflikte54 bearbeitet, die an die Ombudspersonen her- angetragen werden könnten. Ziel dieser Workshops ist
52 Eine aktuelle Übersicht der Hochschulen, die eine Mediationsaus- bildung anbieten, findet sich unter: https://www.mediationaktuell.de/news/mediation-auf-suche- nach-ausbildungsangeboten-hochschulen.
53 http://www.zwm-speyer.de; die DFG übernimmt für die Betei- ligten aus ihren Mitgliedseinrichtungen die Tagungsgebühren, lediglich für die Verpflegung und eine Übernachtung wird ein Eigenbeitrag erhoben.
54 Vgl. die hilfreiche – auf den Jahrbüchern des DFG-Ombudsgre- miums für die Wissenschaft (Fn. 26) basierende – empirische Bestandsaufnahme v. Schulze-Fielitz (Fn. 27), in: WissR, Beiheft 21 (2012), 10 ff.
von Bargen · Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus 1 4 5
c) Beispiele
Die Möglichkeiten und Grenzen einer konsensualen Konfliktlösung sollen im Folgenden noch einmal anhand von zwei Beispielen erläutert werden:
Der Studierende S nahm zu Beginn seines Germanistik- Studiums an einem von Professor P veranstalteten Semi- nar mit dem Thema „Die Funktion der Sprache in der Kommunikation Jugendlicher“ teil. Er schrieb eine Arbeit, für die er Protokolle von 120 Chat-Kontakten zwischen seinen Mitschülerinnen und Mitschülern und ihm selbst in anonymisierter Form verwertete. Diese hatte er während seiner gesamten Schulzeit gesammelt. P war von der Arbeit außerordentlich angetan. Er lobte S und bat ihn, die nicht anonymisierten Chat-Protokolle im Original einsehen zu dürfen. S freute sich über das Lob und leitete P die Original-Protokolle zu. Weitere Verabredungen wurden nicht getroffen.
Gegen Ende seines Studiums erfährt S von M, einem Mitarbeiter P’s, dass er – M – gerade die Druckfahnen ei- nes von P für eine Zeitschrift verfassten Beitrages lese. P stütze sich in dem Beitrag auf die von S gesammelten Chat-Protokolle und verwende sie in nicht anonymisier- ter Form. S ist empört und bittet P um ein Gespräch, in dem er P vorwirft, ihn hintergangen zu haben. Er sei mit der Veröffentlichung keinesfalls einverstanden. P re- agiert verärgert und beharrt darauf, das es sein – P’s – gu- tes Recht sei, Materialien in Veröffentlichungen zu ver- werten, die in ein von ihm veranstaltetes Seminar einge- bracht worden seien. Die nicht anonymisierte Fassung der Chat-Protokolle wirke authentischer. S wendet sich an die Ombudsperson, die S und P zu einem Gespräch einlädt.
Wie geht die Ombudsperson mit diesem Konflikt um? Denkbar wäre, dass sie – wenn sich der Sachverhalt in dem Gespräch zu Dritt nicht vollkommen anders dar- stellt, Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten P’s bejaht.59 Dafür spricht, dass P’s Standpunkt, er könne alle in seine Lehrveranstaltungen eingebrachten Materialien der Stu- dierenden auch ohne Einverständnis für eigene Veröf- fentlichungen verwerten, nicht haltbar sein dürfte. Hin- zu kommt aber hier, dass S die Chat-Protokolle in seiner Arbeit nur anonymisiert verwendet hat. Dass P’s Bitte,
58 Vgl. in diesem Zusammenhang detailliert: Glasl (Fn. 57), S. 395 ff.
59 Vgl. in diesem Zusammenhang: Schulze-Fielitz (Fn. 27), in: WissR, Beiheft 21 (2012), S. 18; Apel (Fn. 22), S. 385. Vgl. zum Fall eines Professors der Universität Bonn, der die Staatsexamens- arbeit einer Studentin unter seinem Namen veröffentlicht hat, den Beschluss des OVG NRW v. 19.12.2008 — 6 B 1607/08 — juris; und dazu Schmoll, FAZ v. 11.12.2012.
auch, ein Netzwerk unter den Beteiligten aufzubauen, das dazu dient, Erfahrungen auszutauschen, sich mit Rat zu Seite zu stehen und zu informieren.
Auf höherer Ebene bietet das DFG-Ombudsgremium für die Wissenschaft ebenfalls seine Hilfe an. Auf der Homepage steht dafür ein Anfrageformular zur Verfü- gung. Darüber hinaus wird dort eine Liste aller Om- budspersonen an deutschen Hochschulen und For- schungseinrichtungen geführt, aber auch eine Fülle hilfreicher Materialien angeboten. Ertragreich sind schließlich die vom DFG-Ombudsgremium für Om- budspersonen veranstalteten Tagungen, bei denen diese ausgiebig Gelegenheit haben, den eigenen Horizont zu erweitern. Das gilt nicht zuletzt insoweit, als bei diesen Tagungen auch von Ombudspersonen Erfahrungsbe- richte vorgetragen werden.55
Unterbleibt die von der HRK empfohlene „bestmög- liche“ Einführung56 der Ombudspersonen in ihr Amt, sind diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe rasch überfordert. Dabei kann es nicht nur misslich sein, wenn sie ihre Möglichkeiten unterschätzen, sondern auch, wenn sie sich zu viel zutrauen. Nicht in jedem Konflikt, in dem die Kommunikation zwischen emotional hoch erregten oder verstockt uneinsichtigen Beteiligten tief- greifend gestört ist, sollte allein schon deshalb der Ver- such einer gütlichen Streitbeilegung unterbleiben. Ande- rerseits könnte genau das der Fall sein, wenn ein Konflikt bereits eine Eskalationsstufe erreicht hat, auf der nur noch ein Machteingriff, z.B. die Entscheidung eines Ge- richts, den Konflikt beenden kann, weil weder z.B. eine Moderation noch selbst eine Mediation – wenn sich die Beteiligten überhaupt auf sie einlassen – Aussicht auf Er- folg verspricht. Um Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, auf welcher Eskalationsstufe der Konflikt einzuordnen ist, hat Friedrich Glasl ein neunstufiges Modell der Eska- lation entwickelt,57 das in einer Abwärtsbewegung von einer bloßen Verhärtung der Standpunkte (Stufe 1) bis hin zur Vernichtung des „Feindes“ auch um den Preis der Selbstvernichtung (Stufe 9: „Gemeinsam in den Ab- grund“) reicht. Bis zur Eskalationsstufe 3 genügt in der Regel eine bloße Moderation, eine Mediation kommt maximal bis Stufe 7 in Betracht.58
- 55 Siehe unter Fn. 26. Die letzte Tagung am 21. und 22.05.2015 stand unter dem Generalthema: „Gefährdete Wissenschaft? – Regeln guter wissenschaftlicher Praxis als Beitrag zur Qualitätssi- cherung“.
- 56 Vgl. Fn. 47.
- 57 Glasl, Konfliktmanagement, 11. Aufl. 2013; eingehende Erläute-rungen des Modells und der einzelnen Stufen finden sich ab S. 199 ff. und insbesondere ab S. 235 ff.
146 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152
ihm Einsicht in die Original-Protokolle zu gewähren, P nicht das Recht gibt, sie in dieser Form in einer Publika- tion zu verwerten, liegt auf der Hand.
Die Ombudsperson könnte S und P deshalb beim Abschluss des Gesprächs darauf hinweisen, dass sie selbst die Redlichkeitskommission informieren werde. Sie könnte freilich insoweit auch S die Initiative überlas- sen. Käme die Redlichkeitskommission im Rahmen ih- res Verfahrens ebenfalls zum Ergebnis, dass die Verwer- tung der nicht anonymisierten Chat-Protokolle als ein Fehlverhalten P’s zu werten sei, würde sie die Leitungs- ebene der Hochschule von ihrem Befund in Kenntnis setzen, und diese hätte zu entscheiden, ob eine Sanktion in Betracht käme und ggf. welche.
Denkbar wäre indes auch, dass die Ombudsperson den Konflikt – und das liegt durchaus nahe – noch nicht einer Eskalationsstufe zuordnet, auf der eine gütliche Ei- nigung offensichtlich aussichtslos ist. Beim sachorien- tierten Durcharbeiten des Konflikts, bei dem es darum geht, die sich blockierenden Positionen (keine Veröffent- lichung –Veröffentlichung) zu hinterfragen und die Inte- ressen bzw. persönlichen Anliegen zu ermitteln, um Ei- nigungsräume zu öffnen, könnte sich ergeben, dass S gar nichts gegen die Veröffentlichung als solche hat, dass sich sein Widerstand lediglich gegen die nicht anonymi- sierte Verwendung der Chat-Protokolle richtet, weil es in ihnen um höchst private Inhalte geht und eine Veröffent- lichung seine Mitschülerinnen und Mitschüler und ihn – S – bloßstellen würde. P wiederum könnte zu der Ein- sicht kommen, dass ihm die Veröffentlichung des Beitra- ges als solche erheblich wichtiger sei, als die Verwen- dung der nicht anonymisierten Fassung, dass er aber auch nachvollziehen könne, wie viel S an der anonymi- sierten Veröffentlichung liege, und dass er S in jedem Fall hätte Gelegenheit geben müssen, sich zu der geplan- ten Veröffentlichung in der nicht anonymisierten Form zu äußern. Ergebnis könnte eine Vereinbarung sein, in der S der Veröffentlichung in anonymisierter Form zu- stimmt, P eine Anonymisierung in den Fahnen zusagt, diese S zur Kenntnis gibt und sich dafür entschuldigt, ihn nicht über seine Pläne informiert zu haben.
Das zweite Beispiel ist einem Fall nachgebildet, der sich in der Yale University zugetragen hat. Über ihn wur- de in der Süddeutschen Zeitung mit der Überschrift „Fi- sche vergiften im Labor“60 berichtet. A war Postdoc- Wissenschaftlerin im Institut für Entwicklungsbiologie der Universität U. Sie arbeitete gemeinsam in einer For-
- 60 SZ v. 10.3.2014; vgl. in diesem Zusammenhang nach Fn. 27.
- 61 Vgl. zu dieser Form des Fehlverhaltens Schulze-Fielitz (Fn. 27), in:WissR, Beiheft 21 (2012), 13; Apel (Fn. 22), S. 386.
schergruppe mit anderen Postdocs an einem Projekt, für das in einem arbeits- und zeitaufwändigen Verfahren transgene Zebrafische zu züchten waren. Nach einigen Monaten musste A feststellen, dass nach und nach alle von ihr gezüchteten Fische starben, während die Zucht- bemühungen ihrer Kolleginnen und Kollegen aus- nahmslos Erfolg hatten. A züchtete nunmehr eine neue Charge transgener Zebrafische und teilte sie in zwei Gruppen ein. Die eine Gruppe setzte sie in einen Behäl- ter, den sie – wie üblich – mit ihren Initialen kennzeich- nete. Dieser wurde mit einer versteckten Kamera über- wacht. Den anderen Behälter markierte sie nicht. Nur die Fische in dem mit A’s Initialen gekennzeichneten Be- hälter starben. Die Überwachung ergab zweifelsfrei die Identität des Täters; B, ein anderer Postdoc derselben Forschergruppe, hatte zum zweiten Mal die Fische mit Ethanol vergiftet.
Würde sich A an die Ombudsperson wenden und ihr mit der Bitte um Rat den Sachverhalt vortragen, könnte diese zwar B um eine Stellungnahme bitten, ob aber die Anregung eines gemeinsamen Gesprächs mit dem Ziel des Versuchs einer gütlichen Einigung empfehlenswert wäre, erscheint fraglich. Alles spricht dafür, dass ein evi- denter Fall wissenschaftlichen Fehlverhaltens in der Form eines – eher seltenen – Sabotageaktes61 vorliegt, der sich sogar wiederholt hat. Hier dürfte eine Eskalati- onsstufe erreicht sein, die einer konsensualen Konflikt- lösung entgegensteht. Es bleibt daher nur ein Machtein- griff. Auf Initiative der Ombudsperson oder A’s wird die Redlichkeitskommission ein Verfahren einleiten und die Hochschulleitung auf der Grundlage des Verfahrenser- gebnisses über eine Sanktion entscheiden, die B gericht- lich überprüfen lassen kann.
3. Untersuchungskommissionen
Auch die in der HRK-MusterVerfO vorgesehenen Unter- suchungskommissionen62 haben die Hochschulen in ihre Redlichkeitssatzungen als Institution übernommen, aber ebenso wie die Institution der Ombudspersonen im Detail unterschiedlich ausgestaltet. Die HRK-Muster- VerfO sieht vor, die Kommission „etwa“ mit drei oder fünf erfahrenen Professoren der eigenen Hochschule zu besetzen oder mit drei Professoren und zwei externen Mitgliedern, von denen eines die Befähigung zum Rich- teramt oder „Erfahrungen mit außergerichtlichen Schlichtungen hat“. Aufgabe der Kommission ist die „Förmliche Untersuchung“, in der die Kommission in
62 Fn. 25, siehe unter C. III.
von Bargen · Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus 1 4 7
nichtöffentlicher mündlicher Verhandlung berät.63 Zu dieser können weitere Mitglieder – wie z.B. „Schlich- tungsberater“ – mit beratender Stimme hinzugezogen werden. Hält die Kommission – so die Vorgabe der HRK-MusterVerfO – ein Fehlverhalten für nicht erwie- sen, wird das Verfahren eingestellt. Hält sie es für erwie- sen, legt sie das Ergebnis ihrer Untersuchung der Hoch- schulleitung mit einem Vorschlag zum weiteren Verfah- ren und zur weiteren Veranlassung vor.
Schon die Vorschläge der HRK-MusterVerfO zur Be- setzung lassen erkennen, dass auch das Bemühen um eine gütliche Einigung zu den Aufgaben der Kommissio- nen gehört. Das wird in der DFG-Denkschrift eingehend dargelegt und als Vorzug der „institutionsinternen Ver- fahren“ gewürdigt.64 Interne Regelungen könnten je nach Art und Schwere des Fehlverhaltens Wege zu ein- vernehmlichen Lösungen vorzeichnen. Diese hätten all- gemein den Vorteil, dass sie Verfahren auf der Basis ei- ner Einigung, also ohne streitentscheidendes Urteil eines Dritten, zügig beendeten. Dadurch hätte das Verhältnis der Beteiligten für die Zukunft eine Chance. Der oft auf Dauer angelegte Charakter von Arbeits- und Dienstver- hältnissen lege ein solches Verfahren in vielen Fällen nahe, wie die gesetzlich vorgesehene Güteverhandlung im arbeitsgerichtlichen Prozess65 zeige. Eine Verfahrens- beilegung auf der Basis einer Einigung habe Potenzial zur Befriedung und könne unter Umständen dem Ein- zelfall besser gerecht werden als ein Urteil auf der Grund- lage abstrakt gefasster Tatbestände und Rechtsfolgen. Gleichzeitig dürfe diese Flexibilität aber nicht zur per- sönlichen Bevorzugung führen oder dazu, dass Vorwür- fe ungeklärt unter den Teppich gefegt würden.
Obwohl es der DFG und ihr folgend der HRK er- sichtlich darum ging, das Verfahren der Untersuchungs- kommissionen als der „Wissenschaft gewidmete Wahr- heitskommissionen“66 lediglich hochschulintern auszu- gestalten, d.h. so, dass es ausschließlich der Beratung der Hochschulleitung durch ein sachverständiges Votum zu wissenschaftlichen Fragen dient und keine Außenwir- kung hat,67 ist das Verwaltungsgericht Mainz zu einer
- 63 Fn. 25, siehe unter C. IV. 2.
- 64 Vgl. hier und im Folgenden: DFG-Denkschrift, 2. Aufl. (Fn. 11),S. 24.
- 65 Vgl. § 54 Abs. 6 ArbGG, nunmehr i.d.F. des Art. 4 Ziff. 1 desMediationsförderungsgesetzes (Fn. 1).
- 66 Häberle, Die Erinnerungskultur im Verfassungsstaat, 2011, S. 137ff.
- 67 Siehe bei Fn. 64.
- 68 3 K 844/09.MZ — juris; diesem – rechtskräftigen – Urteil folgtdas VG Berlin in seinem Beschluss v. 1.11.2011 — 12 L 1036/.11; anders dagegen das OVG Berlin-Brandenburg, das mit seinem Beschluss v. 26.4.2012, NVwZ 2012, S. 1491, 1493 ff., die Ent- scheidung des VG Berlin geändert hat. Siehe in diesem Zusam-
anderen Bewertung gekommen. In seinem Urteil vom 08.09.201068 interpretiert das Gericht die – von zahlrei- chen Hochschulen und auch von der Universität Mainz aus der HRK-MusterVerfO übernommenen – Regelun- gen in der Weise, dass sowohl die Einstellung des Verfah- rens durch die Kommission, wenn es ein Fehlverhalten verneint, als auch die Feststellung eines Fehlverhaltens für die Hochschulleitung verbindlich sei. Es handele sich, wenn die Kommission ein Fehlverhalten bejahe, um ei- nen feststellenden Verwaltungsakt in der Form eines Grundlagenbescheids, wie ihn z.B. das Abgaben- und Steuerrecht kenne. Die Hochschulleitung habe nur noch über die Sanktion zu entscheiden.
In dem vom VG Mainz entschiedenen Fall hat sich die Klägerin, eine Professorin und Lehrstuhlinhaberin, gegen die von der Redlichkeitskommission getroffene Feststellung gewehrt, ihr sei ein Fehlverhalten unterlau- fen. Das Gericht gab der Klage statt, weil es die Feststel- lung als einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit wer- tete, die einer materiellrechtlichen Ermächtigungs- grundlage bedürfe. Die Redlichkeits-Ordnung der Uni- versität Mainz war aber seinerzeit – noch – nicht als Satzung erlassen.69 Auf die Frage, ob die Kommission das Fehlverhalten zu Recht festgestellt habe, kam es des- halb gar nicht mehr an. Aufgrund dieses Urteils haben viele Hochschulen klargestellt, dass die Redlichkeits- Kommission lediglich die Aufgabe habe, die Hochschul- leitung „zu beraten“ und dass eine „rechtliche Bindung“ nicht bestehe.70
Dem Tatbestand des Urteils des VG Mainz ist zu ent- nehmen, dass der Ombudsman der Universität „zu- nächst fachbereichsinterne Vermittlungsbemühungen“ angeregt habe, die sich aber zerschlagen hätten. Offenbar waren die Konfliktbeteiligten, die später klagende Lehr- stuhlinhaberin K und eine an ihrem Lehrstuhl beschäf- tigte wissenschaftliche Mitarbeiterin W, zu einer kon- sensualen Lösung des Konfliktes nicht bereit. Rückbli- ckend gesehen stellt sich die Frage, ob die beiden Wis- senschaftlerinnen nicht doch besser daran getan hätten, sich auf diesen Weg einzulassen und sich gütlich zu eini-
menhang auch Löwer (Fn. 36), in: Dreier/Ohly (Hrsg.), Plagiate, S. 51, 58 m. Fn. 28; Schulze-Fielitz (Fn. 27), in: WissR, Beiheft 21 (2012), 42 f.; Apel (Fn. 22), S. 410 ff., 425 f.; Schiffers (Fn. 22), S. 193 ff.
69 Inzwischen ist das der Fall; vgl. die nunmehr als Anlage zur Grundordnung beschlossene Ordnung der Universität Mainz zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis in Forschung und Lehre v. 15.12.2011, unter: http://www.uni-mainz.de.
70 Vgl. z.B. die Satzung der Freiburger Universität „zur Siche- rung der Redlichkeit in der Wissenschaft“ v. 10.6.2011 i.d.F. v. 30.4.2013, unter: http://www.uni-freiburg.de, § 8 Abs. 2 Satz 1, siehe auch § 9 Abs. 5 Satz 1.
148 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152
gen, anstatt auf eine Entscheidung im Rechtsweg zu set- zen. Der Versuch, den Konflikt durch eine Verständi- gung beizulegen, hätte – auch wenn er im ersten Anlauf nicht erfolgreich war – ohne Weiteres im Verfahren der Untersuchungskommission noch einmal unternommen werden können, soweit die Konfliktbeteiligten damit einverstanden gewesen wären.71
Dafür sprechen die oben wiedergegebenen Erwägun- gen in der DFG-Denkschrift, in der u.a. darauf hinge- wiesen wird, dass gerade im Falle auf Dauer angelegter Arbeits- und Dienstverhältnisse eine zügige Beendigung des Streites durch gütliche Einigung die Zusammenar- beit der Beteiligten in der Zukunft weniger belaste als ein sich länger hinziehender, ungelöster Konflikt. In dem entschiedenen Fall hat sich W Ende August 2008 an den Ombudsman gewandt, Ende März 2009 ist von der Kommission ein Fehlverhalten K’s festgestellt worden, im September 2009 hat K Klage erhoben, über die ein Jahr später entschieden worden ist. Es liegt nahe, dass im Zuge dieses Zeitraumes, des Kommissionsergebnisses, der Klage und des Urteils, mit dem K den Prozess ge- winnt und die Universität ihn verliert, die Spannungen zwischen den Beteiligten zu- und nicht abgenommen haben. Die dem Tatbestand zu entnehmenden Umstän- de deuten auch darauf hin, dass es sich um einen Einzel- fall gehandelt hat, der sich geeignet hätte, das Befrie- dungspotenzial einer konsensualen Konfliktlösung zu nutzen. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil Anhaltspunk- te dafür fehlen, dass hier schon eine Eskalationsstufe er- reicht gewesen wäre, die dem Versuch einer gütlichen Einigung entgegen gestanden hätte. Zwar wäre das Er- gebnis einer vertraulichen Konfliktbearbeitung im Zuge eines erfolgreichen Einigungsverfahrens nicht öffentlich geworden. Im Urteil des VG Mainz wird aber der Kon- flikt der beiden Wissenschaftlerinnen, also die Frage, ob K ein Fehlverhalten unterlaufen ist, gar nicht entschie- den. Die rechtlichen Ausführungen sind in mehrfacher Hinsicht für viele Hochschulen hilfreich. Die Beteiligten des Konfliktes indes, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, bringt das Urteil keinen Schritt auf dem Weg zur Lösung ihres Konfliktes weiter!
- 71 Würde in einem vergleichbaren Fall Klage bei einem Verwal- tungsgericht erhoben, käme auch hier noch eine Mediation durch einen entsprechend geschulten Güterichter in Betracht, vgl. bei Fn. 4 f.
- 72 Vgl. oben nach Fn. 22.
- 73 Vgl. von Münch, Gute Wissenschaft, 2012, S. 107 ff.; Gärditz, DieFeststellung von Wissenschaftsplagiaten im Verwaltungsverfah-ren, in: WissR 2013, 3 ff.; von Bargen (Fn. 22), in: JZ 2013, 715.
- 74 Schmoll, in: FAZ v. 22.11.2012.
- 75 DFG-Denkschrift, 2. Aufl. (Fn. 11), S. 18 f.
- 76 Vgl. z.B. das Positionspapier des WR v. 9.11.2011 „Anforderun-
IV. Bearbeitung spezifisch wissenschaftsbezogener Konflikte im Bereich der Promotion
Bei dem einen – oben näher skizzierten – Sündenfall Ende der neunziger Jahre, der der DFG und anderen Wissenschaftsorganisationen Anlass zu grundlegenden Änderungsvorschlägen gab,72 ist es nicht geblieben. Ein zweiter Sündenfall ist verbunden mit dem Namen Frei- herr zu Guttenberg, dem eine erhebliche Zahl an Plagia- ten in seiner Dissertation vorgeworfen wurde, und dem deshalb die Promotionskommission der Rechtswissen- schaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth Ende Feb- ruar 2011 den Doktorgrad entzog. Der Fall löste eine ganze Welle weiterer Plagiatsvorwürfe aus, die sich gegen prominente Politikerinnen und Politiker richteten. Soweit sich diese überhaupt mit einer Klage bei den zuständigen Verwaltungsgerichten wehrten, hatten sie damit keinen Erfolg.73
Der sog. „Guttenberg-Effekt“74 hatte nicht nur zur Folge, dass Ombudspersonen, Untersuchungskommissi- onen und Promotionssauschüsse der Hochschulen zu- nehmend häufiger der Frage nachzugehen hatten, ob die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis – und zwar kei- neswegs nur durch Plagiate – verletzt wurden, sondern die DFG75 und andere Wissenschaftsorganisationen76 regten auch an, darüber nachzudenken, ob nicht das Promotionsverfahren neu gestaltet werden sollte. Zu den Empfehlungen der DFG zählt u.a., neben der primären „Bezugsperson“ eine Betreuung durch zwei weitere er- fahrene Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler vor- zusehen, die für Rat und Hilfe „und bei Bedarf zur Ver- mittlung in Konfliktsituationen zur Verfügung stehen“. Und in einem Beschluss der HRK77 heißt es: Als unab- dingbar werde eine Stelle angesehen, „die im Konfliktfall vermittelnd und schlichtend aktiv“ werde. „Dies kann z.B. eine Ombudsperson sein, die sich durch eine hohe Reputation auszeichnet und hinreichend neutral agieren kann“. Eine Ombudsstelle zur Konfliktregelung für den Promotionsbereich stehe allen Doktorandinnen und Doktoranden und Betreuerinnen und Betreuern offen.78
gen an die Qualitätssicherung der Promotion“, unter:
http://www.wissenschaftsrat.de.
77 Beschluss v. 23.4.2012, unter II. 4., letzter Absatz, siehe unter:
http://www.hrk.de, Beschlüsse.
78 Vgl. in diesem Zusammenhang eingehend auch Lentsch (Akade-
misches Konfliktmanagement: Ein Beitrag zur Qualitätssicherung der Promotionspraxis, in: HRS 2012, 118 ff. mwN.), der zwischen den Modellen eines institutionalisierten Ombudsgremiums und einer prozessorientierten Wissenschaftsmediation unterscheidet; siehe dazu auch Hoormann/Matheis (Fn. 7), S. 44 ff.
von Bargen · Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus 1 4 9
Entsprechend normiert nunmehr z.B. das 2014 no- vellierte Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg in § 38 Abs. 4 S. 2 u.a., dass die Promotionsordnung die „Einsetzung von Ombudspersonen“ regelt.79 Die Rah- menpromotionsordnung80 der Universität Freiburg sieht vor, dass zwei – für alle Doktorandinnen und Doktoran- den der Universität zuständige – Ombudspersonen be- stellt werden, die „als unabhängige und unparteiische Beratungs- und Vermittlungsstelle“ fungieren. Die Pro- motionsordnungen der Fakultäten können stattdessen ein Ombudsverfahren auf Fakultätsebene etablieren.
Welche Art Vermittlungsaufgabe insoweit auf die zu- ständige universitäre Ombudsperson zukommen könn- te, zeigt folgendes Beispiel: Professor A und seine Dokto- randin B – beide sind Mitglieder der Medizinischen Fa- kultät der Universität U – nehmen an einem Fachkon- gress in Irland teil. B entdeckt dort ein Poster, auf dem Ergebnisse eines Projektes präsentiert werden, das ihrem sehr ähnlich ist. Es stellt sich heraus, dass das Poster die Arbeit des Doktoranden C zeigt, dessen primäre „Be- zugsperson“ Professor D ist. C und D gehören derselben Universität U wie A und B, aber der Fakultät für Biologie an. Alle vier Wissenschaftler kommen noch während des Kongresses überein, beide Arbeiten in drei Monaten der Zeitschrift Z anzubieten, um sie im sog. „Back-to-Back- Verfahren“ zu publizieren. Bei diesem Verfahren werden zwei Manuskripte gleichzeitig eingereicht, die sich kom- plettieren. Kein Autor geht das Risiko ein, „unterwertig“ publizieren zu müssen, weil ihm der jeweils andere zu- vorgekommen ist. B und C tauschen sich in den nächs- ten Wochen intensiv aus. Zwei Monate nach der Über- einkunft erfährt A beiläufig in einem Gespräch mit dem Editor von Z, dass C’s Arbeit entgegen der Absprache ge- rade eingereicht worden sei. In diesem Artikel sind C als Erstautor, B an zweiter, A an dritter und D an vierter Stel- le genannt. A und B, die von C und D nicht informiert worden waren, wenden sich empört an die Ombudsperson.
Würde dieser Konflikt mit Hilfe einer mediativ ge- schulten Ombudsperson sachorientiert durchgearbei- tet,81 könnte sich erweisen, dass beide Gruppen ein Inte- resse an einer möglichst optimalen Publikation ihrer Ar- beiten haben. Vieles hinge davon ab, ob es gelingt, C und
- 79 Die Neufassung v. 1.4.2014 (GBl. S. 99) ist am 9.4.2014 in Kraft getreten; siehe zu der Neufassung: Theresia Bauer, Ein neuer Königsweg zum Doktortitel, in: FAZ v. 19.3.2014; Sandberger, Paradigmenwechsel oder Kontinuität im Hochschulrecht, VBlBW 2014, 321; speziell zu § 38 Abs. 4 S. 2 LHG BW: Löwisch/Wür- tenberger, Betreuungsvereinbarungen im Promotionsverfahren, OdW 2014, 103, 112. Vgl. zur Institution der Ombudsperson eingehend oben unter III. 2. a).
- 80 Vgl. unter: http://www.uni-freiburg.de, § 22. Die Universität
D die Einsicht zu vermitteln, dass der Bruch der Abspra- che als Fehlverhalten gewertet werden könnte. Hilfreich könnte insoweit ein Perspektivwechsel sein, also die an C und D gerichtete sog. zirkuläre Frage,82 wie denn wohl sie – C und D – reagiert hätten, wenn B und A in der Weise vorgegangen wären wie sie. Einsicht bewirken könnte auch die sog. Zukunftsfrage, ob C und D denn si- cher seien, dass der von ihnen bei Z eingereichte Beitrag ohne die Zustimmung von B und A veröffentlicht würde. Für die Frage, ob eine gütliche Einigung möglich ist, wird es nicht zuletzt darauf ankommen, ob und ggf. un- ter welchen Voraussetzungen B und A bereit sind, den beiden anderen Wissenschaftlern ihr Verhalten nachzu- sehen. Ergebnis des Gesprächs könnte die Vereinbarung sein, den eingereichten Beitrag in geteilter Erst-Autoren- schaft von B und C zu veröffentlichen oder doch bei dem ursprünglich verabredeten „Back-to-Back-Verfahren“ zu bleiben.
V. Inanspruchnahme externer Hilfe
Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, die Hilfe externer – freiberuflich tätiger, aufgrund des Mediati- onsgesetzes zertifizierter – Mediatorinnen und Mediato- ren in Anspruch zu nehmen, wenn es gilt, einen Konflikt innerhalb der Hochschule zu lösen. In Betracht käme etwa, dass Ombudspersonen oder Untersuchungskom- missionen in Fällen, in denen die Hilfe einer besonders erfahrenen – externen – Mediatorin geboten sein könn- te, den Konfliktbeteiligten raten, deren Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denkbar ist auch, dass sich mehrere Hoch- schulen (z.B. am selben Ort) zusammentun und der Mediator der einen Hochschule jeweils der anderen zur Verfügung steht. Es hätte den Vorteil, dass das Vertrauen der Konfliktbeteiligten in die Unabhängigkeit des Medi- ators einer anderen Hochschule noch selbstverständli- cher sein könnte, als in die des Mediators der eigenen, sei sie auch noch so „gesichert“.
Beispiele, die den Wunsch wecken, viele Hochschu- len würden sie sich zum Vorbild nehmen, sind z.B. Me- diationsangebote des AStA der Universität Osnabrück und des AStA der Universität Bonn. Seit 2012 (Osna- brück) und 2013 (Bonn) gibt es in den genannten Uni-
Freiburg hat seit 1.10.2014 eine Prorektorin für Redlichkeit in der Wissenschaft, Gleichstellung und Vielfalt; vgl. Badischen Zeitung v. 19.11.2014 „Die Plage mit den Plagiaten“ u. das Interview mit der neuen Prorektorin Gisela Riescher.
81 Vgl. oben nach Fn. 48 u. nach Fn. 59.
82 Vgl. hier und im Folgenden Handbuch Mediation (Fn. 5), § 14,
Rn. 40. Vgl. zum sog. „verstehensbasierten“ Mediationsmodell Friedman/Himmelstein, Konflikte fordern uns heraus, 2013, S. 33 ff.
150 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152
versitäten AStA-Projekte, in deren Rahmen Studieren- den kostenlose „Konfliktberatung und Mediation“ ange- boten wird. In beiden Fällen sind ausgebildete, externe Mediatoren tätig, die jeweils einen engeren Bezug zu ih- rer Universität haben und die Gelegenheit nicht zuletzt nutzen können, um Mediationserfahrung zu sammeln.83
VI. Mediation im Bereich der Lehre
1. Schlüsselqualifikation „Mediation“
Die Mediation und mediative Elemente werden in den Hochschulen nicht nur zur konsensualen Lösung von Konflikten genutzt, sondern sie sind auch Gegenstand der Lehre. Die wohl erste Erwähnung des Begriffs „Medi- ation“ in einem Bundesgesetz findet sich in § 5a Abs. 3 des Deutschen Richtergesetzes. Seit 2006 haben die Inhalte des rechtswissenschaftlichen Studiums die recht- sprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselquali- fikationen wie z.B. Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Verneh- mungslehre und Kommunikationsfähigkeit, aber auch Mediation zu berücksichtigen.84 Staatliche und universi- täre Prüfungen haben sich auf die in § 5a Abs. 3 DRiG genannten Praxisbereiche einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen zu erstrecken (§ 5d Abs. 1 S. 1 DRiG). Seither sind Lehrveranstaltungen zu den Schlüsselqualifikationen einschließlich der Mediati- on fester Bestandteil des Lehrangebots der Rechtswis- senschaftlichen Fakultäten. Sie unterscheiden sich frei- lich nach Schwerpunkt und Ausgestaltung.
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg z.B. bietet jeweils im Sommersemester eine Vorlesung „Mediation und Verhandlungslehre“ und im Wintersemester einen „Workshop Mediation“ an.85 Im Mittelpunkt dieses Workshops – einer Mischung aus Vorlesung und Übung –, an dem insgesamt fünf als Me- diatorinnen und Mediatoren ausgebildete Dozentinnen und Dozenten (darunter eine in der Mediationsausbil- dung engagierte Diplom-Psychologin) mitwirken, ste- hen vier Übungen, in denen in kleineren Gruppen zent-
- 83 In der Universität Osnabrück ist es der Mediator Maximilian Geßner; das Angebot des AStA findet sich unter: https://www.asta.uni-osnabrueck.de/service/konfliktberatung- und-mediation; Mediator des AStA in der Universität Bonn ist Christian Seiwald; http://www.asta-bonn.de/Konfliktberatung_ und_Mediation.
- 84 Das am 1.7.2003 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Juris- tenausbildung v. 11.7.2002 (BGBl. I, 2592) wurde am 1.7.2006 ver- bindlich, nachdem die Bundesländer den neuen Vorgaben in ihren Regelungen zur Juristenausbildung Rechnung getragen hatten. Vgl. hier und im Folgenden von Bargen, Erfahrungen auf einem neuen Ausbildungsterrain, in JuS-Magazin Sept./Okt. 2006, 14.
rale Phasen der Mediation anhand von zwei Fällen im Rollenspiel erarbeitet werden, um dann ebenfalls im Rollenspiel in einem der Fälle der Frage nachzugehen, wie in einer Gerichtsverhandlung „verfahren“ würde. Beim Einüben des Mediationsverfahrens wird eine Vi- deokamera eingesetzt, um den Studierenden Gelegen- heit zu geben, sich selbst beim Rollenspiel zu beobachten und um ein hohes Maß an detaillierter, konstruktiver Kritik zu gewährleisten. In den zehn Jahren, in denen es das Workshop-Angebot gibt, haben sich mehrfach teil- nehmende Studierende zu einer Mediationsausbildung entschlossen
2. Legal Clinics
Noch praxisorientierter sind studentische Rechtsbera- tungsprojekte, die insbesondere seit der Liberalisierung der Rechtsberatung durch das am 01.07.2008 in Kraft getretene Rechtsdienstleistungsgesetz86 mit zunehmen- derTendenzaufInitiativeausdenRechtswissenschaftli- chen Fakultäten der Hochschulen ins Leben gerufen werden. Diesen Projekten liegt das Konzept zugrunde, dass juristisch entsprechend geschulte Studierende unter Anleitung z.B. einer Rechtsanwältin kostenlosen Rat erteilen und damit nicht nur selbst praktische Erfahrun- gen sammeln, sondern finanzschwachen Ratsuchenden in der Realität behilflich sind.87 Die Idee stammt aus den USA, dort sind sog. „Legal Clinics“ oder „Law Clinics“ an den Law Schools seit Jahrzehnten außerordentlich verbreitet.
Seit März 2014 gibt es auch in Freiburg einen Verein „Pro Bono“, den Studierende der Rechtswissenschaftli- chen Fakultät der Freiburger Universität unter dem Bei- stand ihres Studiendekans, Boris P. Paal, gegründet ha- ben.88 Das – kostenlose – Beratungsangebot beschränkt sich derzeit auf die Bereiche Mietrecht, Verbraucher- schutzrecht, Internetrecht und Existenzgründung. Zum Ausbildungsprogramm, das allen Studierenden empfoh- len wird, die sich beim Freiburger „Pro Bono“-Verein engagieren wollen, gehören auch Lehrangebote zum Thema Mediation, wie z.B. der erwähnte Workshop.89 Eine in diesem Workshop mitwirkende Dozentin, Rechtsanwältin und Mediatorin Bettina Faller, ist bei
85 Vgl. unter: http://www.legalclinics.uni-freiburg.de/mediation. 86 Gesetz v. 12.12.2007, BGBl. I, 2840; siehe dort § 6.
87 Himmer, Jurastudenten machen sich nützlich, in: FAZ v.
13./14.09.2014; siehe ferner Horn, Studentische Rechtsberatung in
Deutschland, in: JA 2013, 644.
88 Vgl. unter: http://www.probono-freiburg.de/. Siehe auch
Süddeutsche Zeitung v. 29./30.11.2014: „Anwalt auf Probe“;
vgl. ferner Schubert, Legal Clinics – Juristische Ausbildung mit Praxisbezug am Beispiel der Freiburg Legal Clinics und Pro Bono Studentische Rechtsberatung Freiburg, in: OdW 2014, 241.
89 Vgl. oben unter VI. 1.
von Bargen · Konsensuale Konfliktlösung auf dem Campus 1 5 1
„Pro Bono“ als anleitende Anwältin und Mediatorin tä- tig, so dass in geeigneten Fällen auch die Mediation im Spektrum des Vereinsangebots Berücksichtigung finden kann. Anders als z.B. an der Harvard Law School oder der Law School der University of Michigan90 gibt es an deutschen Hochschulen wohl noch keine auf Mediation spezialisierte Clinic, aber vielleicht machen auch die ge- nannten Beispiele hier eines Tages Schule.
3. Mediations-Aus- und Fortbildung
Gegenstand der Lehre ist die Mediation in den Hoch- schulen ferner in der Form, dass diese komplette Ausbil- dungs- und Fortbildungsgänge anbieten. Die Bandbreite dieser Angebote, die sich nach Art, Spezialisierung, Dau- er und Struktur, Kosten und Abschluss deutlich unter- scheiden, ist bemerkenswert.91 Erwähnung verdienen hier zwei Master-Studiengänge: Einer wird von der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder angebo- ten.92 Die wissenschaftliche Leitung liegt in den Händen von Ulla Gläßer, Lars Kirchhoff, Stephan Breidenbach und Andreas Nelle. Einen weiteren – interdisziplinär aus- gerichteten – postgraduierten Studiengang „Master of Mediation“ hat die FernUniversität Hagen im Pro- gramm.93 Wissenschaftlich verantwortlich zeichnet Katharina Gräfin von Schlieffen.
VII. Mediation im Bereich der Wissenschaft
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Mediation in den HochschulenauchGegenstandderWissenschaftist.Um hier nur punktuelle Beispiele zu nennen, belegen das zum einen zwei Publikationen aus jüngerer Zeit, näm- lich die von der Universität Graz angenommene Habili- tationsschrift von Sascha Ferz mit dem Titel „Mediation im öffentlichen Bereich – Eine rechtstatsächliche und rechtsdogmatische Studie für Österreich und Deutsch- land“,94 sowie eine von der Universität Kiel angenomme- ne Dissertation von Jonas Hennig mit dem Titel: „Medi- ation als rationaler Diskurs – Überpositive Legitimation der Mediation und Vergleich zum Gerichtsprozess am
- 90 http://hnmcp.law.harvard.edu/negotiation-mediation-clinic- course-description/ und http://www.law.umich.edu/clinical/civilmediation/Pages/default. aspx. Dort wird das Konzept des „Negotiation & Mediation Clinical Program“ bzw. der „Civil Mediation Clinic“ eingehend beschrieben.
- 91 Siehe zur detaillierten Übersicht Fn. 52.
- 92 Vgl. unter: http://www.rewi.europa-uni.de/de/studium/master/mediation/index.html.
- 93 Vgl. unter: http://www.fernuni-hagen.de/ls_schlieffen/mediation/wsm.shtml.
Maßstab der Alexyschen Diskurstheorie“.95 Mit Mediati- onsforschung befasst sich etwa das Institut für Konflikt- management der Europa-Universität Viadrina,96 aber auch das LOEWE-Verbundforschungsvorhaben „Außer- gerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung“ der Uni- versität Frankfurt a.M., des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte und der Frankfurt Uni- versity of Applied Sciences.97 In diesen Zusammenhang gehören ferner der seit mehreren Jahren von der Univer- sität Jena veranstaltete „Deutsche Mediationstag“98 und die Kolloquien des Forums „für Forschung und Wissen- schaft zu Mediation und außergerichtlicher Konfliktlö- sung“.99
VIII. Abschließende Bemerkungen
Als der Verfasser dieses Beitrags, der sechs Jahre als Vor- sitzender einer Untersuchungskommission in der Uni- versität Freiburg tätig war, 2005 vor seiner Wahl gefragt wurde, ob er bereit sei, das Amt zu übernehmen, hat ihm die Hochschulleitung versichert, es handele sich um ein selten reizvolles Amt, es gäbe nämlich nichts zu tun. Es gab sie dann aber doch, die Fälle, und jeder Fall war eine neue, besondere und einsame Herausforderung! Inzwi- schen zweifelt niemand mehr daran, dass die Hochschu- len auf eine professionelle Konfliktbearbeitung optimal eingestellt sein sollten, und die – Diskurs-basierte – Mediation ist ohne Zweifel ein Verfahren, das die besten Voraussetzungen für die Bearbeitung hochschulinterner und gerade auch spezifisch wissenschaftsbezogener Konflikte bietet. Die Hochschulen sind im eigenen Inte- resse gut beraten, sich dieses Verfahrens in der Praxis, aber auch in Lehre und Wissenschaft noch nachdrückli- cher als bisher anzunehmen.
Der Autor ist Honorarprofessor der Universität Frei- burg. Er war Präsident des Freiburger Verwaltungsge- richts und Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg.
94 2013; vgl. dort zur Mediation im öffentlichen Bereich in Deutsch- land, S. 213 ff.
95 2014; vgl. in diesem Zusammenhang nach Fn. 34 und unter oben VIII.
96 Vgl. unter: http://www.europa-uni.de/de/forschung/institut/institut_ikm/index.html.
97 Vgl. unter: http://www.konfliktloesung.eu/.
98 Vgl. unter: http://www.rewi.uni-jena.de/mediationstagung.html. 99 Vgl. unter: https://www.mediationaktuell.de/news/2.-kolloqui-
um-in-freiburg-am-28.11.2014.
152 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 139–152