Seit 2014 gibt § 38 Absatz 4 Urheberrechtsgesetz wissen- schaftlichen Autoren das Recht zur Zweitveröffentli- chung. Sind ihre Beiträge im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten For- schungstätigkeit entstanden, können sie diese zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung in einer Zeit- schrift allgemein öffentlich zugänglich machen. § 44 Absatz 6 des neu gefassten Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg hat den Gebrauch dieses Rechs zur Pflicht gemacht: Die Hochschulen des Landes sollen die Angehörigen ihres wissenschaftlichen Personals durch Satzung verpflichten, das Recht auf Zweitveröffentli- chung wissenschaftlicher Beiträge wahrzunehmen. Sie können dabei regeln, dass die Zweitveröffentlichung auf einem von ihnen vorgehaltenen Repositorium erfolgt. Die Universität Konstanz ist dieser Aufforderung des Gesetzgebers nachgekommen. Nach § 2 Absatz 2 ihrer Satzung vom 10. Dezember 2015 sind die einschlägigen Beiträge zwölf Monate nach der Erstpublikation auf dem hochschuleigenen Repositorium öffentlichen zugänglich zu machen.
Gegen diese Pflicht zur Zweitveröffentlichung hat sich der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz mit einem Schreiben des Fachbereichsspre- chers Prof. Dr. Hans Theile vom 1. Februar 2016 an den Rektor gewandt:
Satzung zur Ausübung des wissenschaftlichen Zweit- veröffentlichungsrechts gemäß § 38 Abs. 4 UrhG
Magnifizenz, lieber Herr Rüdiger,
mit diesem Schreiben wenden wir uns gegen die am 10. Dezember 2015 verabschiedete Satzung zur Ausübung des wissenschaftlichen Zweitveröffentlichungsrechts gemäß § 38 Abs. 4 UrhG, die uns an der Universität Konstanz täti- gen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in § 2 Abs. 2 verpflichtet, Zeitschriftenbeiträge zwölf Monate nach der Erstpublikation auf dem hochschuleigenen Repositorium KOPS zu veröffentlichen.
Diese Regelung ist insofern rechtlich übergriffig, als das in § 38 Abs. 4 UrhG durch den Bundesgesetzgeber aus- drücklich anerkannte individuelle Recht auf Zweitveröf- fentlichung nunmehr im Wege einer universitätsinternen Satzung in eine Pflicht zur Zweitveröffentlichung transfor- miert wird. Dies stellt eine Verletzung des Grundrechts auf
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) dar, zu der selbst- verständlich die Entscheidung über Art, Ort und Zeit- punkt einer Publikation zählt. Darüber hinaus handelt es sich um eine Verletzung der Gewährleistung geistigen Ei- gentums (Art. 14 GG), das auch den eigenverantwortli- chen Umgang mit diesem Eigentum umfasst. In ihrem Kern individuelle Grundrechtspositionen werden auf diese Weise „zwangsvergemeinschaftet“. Dass die Universität mit dieser Satzung lediglich § 44 Abs. 6 LHG umsetzt, macht die Angelegenheit nicht besser, da der Gesetzgeber hierdurch nur die unmittelbare Verantwortung für den Grundrechtsverstoß den Universitäten zuschiebt. Aufgabe der Universität müsste es jedoch sein, ihre Wissenschaftle- rinnen und Wissenschaftler vor einer solchen Grund- rechtsverletzung zu schützen. Im Übrigen geht es hier von vornherein nicht um eine im Wege einer Satzung zu re- gelnde Selbstverwaltungsangelegenheit. Vielmehr sind das private Urheberrecht oder allenfalls das allgemeine Dienst- recht betroffen, weshalb der Landesgesetzgeber den Uni- versitäten mit dieser Vorgabe auch noch eine Überschrei- tung ihrer Rechtsetzungskompetenz zumutet.
Die praktischen Folgen dieser verfassungswidrigen Re- gelung sind absehbar: Zwar betrifft die Regelung zunächst nur Publikationen, die unter Verwendung von Drittmit- teln zustande gekommen sind. Jedoch dürfte diese Ein- schränkung im Vollzug der Bestimmung ignoriert werden, so dass perspektivisch im Zweifel jede Publikation in KOPS erscheint, was offenbar die eigentliche Intention des Lan- desgesetzgebers ist. Darüber hinaus müssen wir künftig mit Schwierigkeiten rechnen, in periodisch erscheinenden wissenschaftlichen Organen zu publizieren, da Herausge- ber und Verlage verständlicherweise eher auf Autoren zu- rückgreifen werden, die nicht zu einer Zweitveröffentli- chung gezwungen werden. Angesichts eines solchen Wett- bewerbsnachteils seiner Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler wird der Forschungsstandort Konstanz auf diese Weise marginalisiert. Zudem besteht die Gefahr ei- nes Dammbruchs, indem in Zukunft eine Verpflichtung zur Zweitveröffentlichung auch in Bezug auf Monographi- en oder Vorträge begründet wird. In einem solchen Fall wäre die Möglichkeit einer Publikation von Lehrbüchern, Kommentaren, Habilitations- oder Dissertationsschriften in renommierten Verlagen faktisch von vornherein verschlossen.
Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Idee von Open-Access selbst, wohl aber gegen den durch die Univer- sität eingeschlagenen Weg, die Möglichkeit der Zweitveröf-
Manfred Löwisch
Konstanzer Juristenfakultät verweigert sich der Pflicht zur Zweitveröffentlichung
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
136 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2016), 135–136
fentlichung in ein auf diese Weise diskreditiertes Zwangs- instrument umzuwandeln. Angesichts der prinzipiellen Offenheit gegenüber der Open-Access-Idee verstört uns die Art und Weise, mit der sie an unserer Universität zwangs- weise durchgesetzt werden soll, anstatt auf die individuel- le Entscheidung der an ihr tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu vertrauen.
Als lernende Organisation hat die Universität die Mög- lichkeit einer Selbstkorrektur und sollte diese Möglichkeit
in der Weise nutzen, die Satzung schnellstmöglich aufzu- heben. Im Professorium meines Fachbereichs vom 26.1.2016 herrschte Einmütigkeit dahin, dass wir bis dahin das in ihr statuierte Gebot ignorieren und nicht in KOPS veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen Hans Theile