Das Urteil des BAG vom 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 ist rich- tungsweisend für künftige Befristungskontrollklagen angestellter Hochschulprofessoren. Das BAG hatte die grundlegende Frage zu beantworten, ob den Ländern die Gesetzgebungskompetenz verbleibt, um eigene Befris- tungstatbestände für Hochschullehrer zu schaffen. Die Untersuchung geht der Frage nach, ob das BAG diese Frage zu Recht bejaht hat. Hierbei wird in einem ersten Schritt untersucht, ob die Befristungsnormen des Bun- desrechts (HRG, WissZeitVG und TzBfG) abschließend im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG sind.
In einem zweiten Schritt werden die Entscheidungs- und Normverwerfungskompetenz von Fachgerichten beleuchtet und die Voraussetzungen der Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG aufgezeigt.
I. Der Fall
Die Bundesländer haben die Gesetzgebungskompetenz für die Befristungsgründe, die Arbeitsverhältnisse mit angestellten Hochschulprofessoren betreffen. Das ist die wesentliche Erkenntnis aus dem BAG-Urteil vom 11.9.2013.1 Das Gericht hatte über die Befristungskont- rollklage eines angestellten Hochschulprofessors zu ent- scheiden und kam zu dem Schluss, dass der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG auf dem Gebiet des Befristungs- rechts nicht abschließend Gebrauch gemacht hat.
Der klagende Hochschulprofessor hatte mit dem Freistaat Thüringen einen vom 1.10.2003 bis zum 30.9.2009 befristeten „Dienstvertrag“ geschlossen. Ge- stützt wurde diese Befristung auf § 50 des Thüringer Hochschulgesetzes in der Fassung vom 24.6.20032 (im Folgenden: ThürHG). Die Befristungskontrollklage des Hochschulprofessors hatte vor dem LAG Thüringen3 noch Erfolg, weil nach der Meinung des Gerichts dem
- 1 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352.
- 2 Entspricht dem heutigen § 79 Abs 1 ThürHG in der Fassung vom21.12.2006.
- 3 LAG Thüringen 10.5.2011 – 7 Sa 300/10 – juris.
- 4 § 49 Abs. 2, § 50 Abs 2 LHG BW(2005); Art 8 Abs 2 S 1 BayHSch-PG (2006); § 102 BerlHG (2011); § 41 Abs 1 BbgHG (2008); § 18 HSchulG BR (2011); §§ 16 Abs 2, 31 Abs 2 HmbHG (2001); § 61 Abs 5 HSchulG HE (2011); § 61 Abs 2, 3 LHG M‑V (2011); § 28 NHG (2007); §§ 4, 39 Abs 5, 6, 121 HG NRW (2006); § 51 Abs 1,
Freistaat für § 50 ThürHG die Gesetzgebungskompetenz fehle. Das BAG sah das anders. Seine Entscheidung ist für alle Bundesländer relevant, da sie ausnahmslos in ih- ren Hochschulgesetzen auch die Befristung von Arbeits- verhältnissen von Hochschullehrern regeln.4 Trotz der typischen Verbeamtung ist potentiell jeder noch nicht verbeamtete Hochschullehrer betroffen. § 50 ThürHG sieht ebenso wie andere Hochschulgesetze insoweit kei- ne Einschränkungen vor.
Die BAG-Entscheidung wirft zwei Rechtsfragen auf:
1. Haben die Länder die Kompetenz, für die Anstel- lungsverhältnisse ihrer Hochschulprofessoren ein eige- nes Befristungsrecht zu schaffen?
2. Hat ein (Arbeits-)Gericht – wie hier das LAG Thü- ringen – die Kompetenz, eine landesgesetzliche Norm für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären, ohne das BVerfG anzurufen?
II. Länderkompetenz für Hochschularbeitsrecht
Ob den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für die Befristung angestellter Hochschulprofessoren zukommt, war schon für §§ 51a ff HRG und ist auch mit dem Wiss- ZeitVG umstritten. Während eine Ansicht davon aus- geht, dass der Bund mit den Regelungen des TzBfG, des HRG und des WissZeitVG abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Befris- tungsrechts Gebrauch gemacht hat,5 sieht die Gegenmei- nung in der Herausnahme der Hochschullehrer aus dem personellen Geltungsbereich des WissZeitVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG) das entscheidende Indiz dafür, dass der Bund gerade nicht abschließend von seiner Gesetzge- bungskompetenz Gebrauch gemacht hat; die Länder sei- en also befugt, eigene Regelungen zu treffen.6
2 HochSchG RP (2010); § 32 Abs 1–3 UG SN (2010); §69 Abs 1, 3 SächsHSFG (2013); § 38 Abs 1 S 1, 2 HSG LSA (2010); § 63 Abs 1, 2 HSG SH (2007).
5 Preis, WissZeitVG (2008), § 1 Rn 33; KR/Treber 10. Aufl (2013),
§ 1 WissZeitVG Rn 50; Hartmer/Detmer/Löwisch/Wertheimer, Hochschulrecht (2004), S 330; Löwisch/Wertheimer/Zimmermann, Die Befristung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse von Professo- ren im Falle der Erstberufung, WissR 2001, 28, 49.
Daniel Dommermuth-Alhäuser
Landesgesetze zur Befristung angestellter Hochschulprofessoren – BAG vom 11.9.2013, 7 AZR 843/11
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
90 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2014), 89–96
Bereits im Jahr 2011 hatte das BAG die Gesetzge- bungskompetenz der Länder für das Befristungsrecht im Hochschulbereich – trotz Kritik,7 aber mit der herr- schenden Ansicht – restriktiv ausgelegt. Demnach haben die Länder keine Kompetenz, den persönlichen Gel- tungsbereich des WissZeitVG zu konkretisieren.8 Hier entschied das BAG nun zu Gunsten der Länder und er- kannte ihre Gesetzgebungskompetenz an, weil der Nor- menkomplex der bundesrechtlichen Befristungsnormen nicht abschließend im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG sei.
1. Befristungsrecht als Gegenstand konkurrierender Gesetzgebung
Weitgehend einig ist man sich im Ausgangspunkt: Die Befristung von Arbeitsverhältnissen gehört zum Arbeits- recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und damit zur konkurrie- renden Gesetzgebung.9 Auch wenn hier die Bildungspo- litik der Länder und die Hochschulautonomie als Teil der den Universitäten gewährleisteten Wissenschafts- freiheit10 (Art. 5 Abs. 3 GG) berührt sind, besteht keine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gem. Art. 30, 70 GG. Befristungsrecht ist auch im Hoch- schulbereich Arbeitsvertragsrecht und damit Arbeits- recht i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.11 Denn das Recht der Arbeitsverträge im Hochschulbereich ist von der sonsti- gen Kompetenz der Länder im Hochschulbereich zu trennen.12 Klarheit verschafft hier das Urteil des BVerfG zur Juniorprofessur, dass zwar vor der Föderalismusre- form ergangen ist, aber sinngemäß herangezogen wer- den kann, um zu klären, wann das Hochschulrecht schwerpunktmäßig betroffen ist:13 Das ist der Fall, „wenn durch die Regelungen des Dienstrechts die personelle und sachliche Organisation der Hochschule, deren Selbstver- waltung und innere Gliederung, die Ausgestaltung der
- 6 Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 55 ff; Arnold/Gräfl/Rambach, TzBfG, 3. Aufl (2012), § 1 WissZeitVG Rn 16; Seit der 14. Aufl ErfK/Müller-Glöge, 14. Aufl (2014), § 1 WissZeitVG Rn 10; Joussen, WissZeitVG 1. Aufl 2. Ed (2012), § 1 Rn 4.
- 7 Löwisch, Die Ablösung der Befristungsbestimmungen des Hoch- schulrahmengesetzes durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, NZA 2007, 479, 480 f; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, Fachan- waltskommentar Arbeitsrecht, 6. Aufl (2014), § 1 WissZeitVG Rn 1; Rambach/Feldmann, Fremdsprachenlektoren als wissenschaft- liches Personal nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, ZTR 2009, 286.
- 8 BAG 1.6.2011 – 7 AZR 827/09 – NZA 2011, 1280; zustimmend: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl (2012), § 1 WissZeitVG Rn 5; KR/Treber, 9. Aufl (2009), § 1 WissZeitVG Rn 37.
- 9 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352, 1354.
- 10 Hartmer/Detmer/Kempen, Hochschulrecht (2004), S 38 f; Dreier/Britz, GG, 3. Aufl (2013) Art 5 Rn 88.
- 11 Dieterich/Preis, Das Hochschularbeitsrecht in der Verfassungs-
Bedingungen für freie Lehre und freie Forschung (Art. 5 III GG) sowie die Ordnung des Studiums grundlegend ver- ändert werden sollen.“14 Das Befristungsrecht bewirkt keine grundlegende Strukturveränderung der Hoch- schulen. Es baut auf den vorhandenen personellen Struk- turen und Personalkategorien des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals auf und lässt sie unverän- dert.15
Folglich besteht eine Gesetzgebungskompetenz der Länder nur solange und soweit der Bund von seiner Kompetenz keinen (abschließenden!16) Gebrauch ge- macht hat. Ob ein Gesetz die Materie abschließend re- gelt, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG anhand ei- ner Gesamtwürdigung des Normenkomplexes zu bewer- ten. Dazu sind das Bundesgesetz selbst, der dahinter ste- hende Regelungszweck, die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien auszuwerten.17
2. Gesamtwürdigung der Befristungsnormen durch das BAG
Eine solche Gesamtwürdigung der bundesrechtlichen Befristungsnormen (TzBfG, HRG und WissZeitVG) hat das BAG ausführlich vorgenommen und sich im Ergeb- nis der Ansicht von Lenk18 angeschlossen, nach der den Ländern eine Gesetzgebungskompetenz zusteht, um Befristungstatbestände für Hochschullehrer zu schaffen. Das WissZeitVG, das die §§ 57a bis 57f des HRG abgelöst hat, ist erst am 18.4.2007 in Kraft getreten, so dass es für diesen konkreten Streitfall nur als Indiz herangezogen werden kann. Die Prüfung der Gesetzgebungskompe- tenz anhand des WissZeitVG, die auch das BAG vor- nimmt, darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass ein noch nicht in Kraft getretenes Bundesgesetz bereits Sperrwirkung nach den Art. 72 ff. GG für die
falle? Erwiderung auf Löwisch NZA 2004, 1065 ff, NZA 2004, 1241, 1244; anders: Löwisch, Befristungen im Hochschulbereich – Rechtslage nach dem Urteil des BVerfG zur Juniorprofessur, NZA 2004, 1065, 1070; ders, Die gesetzliche Reparatur des Hochschul- befristungsrechts, NZA 2005, 321, 322 f.
12 BAG 21.6.2006 – 7 AZR 234/05 – NZA 2007, 209, 211 ff; Kort- stock, Reform des Hochschulbefristungsrechts – Entwurf eines Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, ZTR 2007, 2, 3 mwN.
13 Dieterich/Preis, Das Hochschularbeitsrecht in der Verfassungsfal- le? Erwiderung auf Löwisch NZA 2004, 1065 ff, NZA 2004, 1241, 1244.
14 BVerfG 27.7.2004 – 2 BvF 2/02 – NJW 2004, 2803, 2806.
15 BAG 21.6.2006 – 7 AZR 234/05 – NZA 2007, 209, 212 mwN.
16 v. Mangoldt/Klein/Starck/Oeter, GG 6. Aufl (2010), Art 72 Rn 70
mwN.
17 BVerfG 10.2.2004 – 2 BvR 834/02 und 1588/02 – NJW 2004, 750,
755.
18 Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis an staat-
lichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 55 ff.
Dommermuth-Alhäuser · Landesgesetze zur Befristung angestellter Hochschulprofessoren 9 1
Länder entfalten könnte. Das WissZeitVG wird vielmehr herangezogen, um zu klären, inwieweit der Bund mit den im Jahr 2003 bestehenden Befristungsnormen von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hatte, ob diese Befristungsnormen abschließend im Sin- ne des Art. 72 GG waren und ob sie es heute sind.
a) HRG und WissZeitVG
Zunächst verneint das BAG, dass der Bundesgesetzgeber mit dem im Jahr 2003 geltenden HRG abschließend von der Gesetzgebungskompetenz im (Hochschul-)Befris- tungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Das HRG habe zu keinem Zeitpunkt Regelungen über die Befristung von Hochschullehrern enthalten.19
Die Gesetzgebungsmaterialien des HRG zeigten, dass der historische Gesetzgeber des HRG den Ländern die Möglichkeit eigener Befristungstatbestände für Hoch- schulprofessoren belassen wollte.20 Der Bundesrat habe zwar eine explizite Länderkompetenz vorgeschlagen. Trotz des Scheiterns zeige das doch, dass der Bundesge- setzgeber nur für die in §§ 57a ff. HRG geregelten Ar- beitsverhältnisse eine abschließende Regelung habe schaffen wollen.21
Vor allem habe auch das WissZeitVG das Befris- tungsrecht für Hochschullehrer nicht abschließend gere- gelt, da Hochschullehrer nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Wiss- ZeitVG ausdrücklich vom personellen Anwendungsbe- reich des Gesetzes ausgenommen seien, noch dazu der zuständige Bundestagsausschuss im Gesetzgebungsver- fahren ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass den Ländern eine konkurrierende Gesetzgebungszuständig- keit verbleibe, um Befristungstatbestände für Juniorpro- fessoren zu schaffen.22
Dem BAG ist zuzustimmen. Der Vergleich mit Junior- professoren, für die eine Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht nur vom BAG bejaht wird,23 ist entschei- dend.24 Auch Juniorprofessoren gehören nach § 42 HRG zu den Hochschullehrern.25 Deshalb ist es irrelevant, ob
im Gesetzgebungsverfahren allein von Juniorprofesso- ren oder von Hochschullehrern die Rede gewesen ist. Bejaht man eine Gesetzgebungskompetenz der Länder für Juniorprofessoren, ist konsequenterweise zugleich die Gesetzgebungskompetenz für alle Hochschullehrer zu bejahen.
Die Hochschullehrer sind aus dem personellen An- wendungsbereich des WissZeitVG gerade herausgenom- men, um den Ländern insoweit die Gesetzgebungskom- petenz zu belassen.26 Einen anderen Sinn hätte diese Be- reichsausnahme kaum haben können. Die einzige, wenn auch wenig plausible Alternativerklärung wäre, dass der Gesetzgeber die Befristung von Hochschullehrern ab- schließend durch das TzBfG geregelt wähnte. Es gibt in- des keinen Grund, ein spezielles Gesetz für die Befris- tung von angestelltem Hochschulpersonal zu schaffen und ausgerechnet die Hochschullehrer aus dem speziel- leren Gesetz auszuklammern und sie dem allgemeinen Gesetz unterfallen zu lassen. Die naheliegende Erklä- rung ist deshalb, dass die Ausklammerung aus dem per- sonellen Anwendungsbereich des § 1 WissZeitVG erfolg- te, um den Ländern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung eine Gesetzgebungskompetenz zu belas- sen bzw. um eine Öffnungsklausel zugunsten der Länder zu schaffen.27 Die Beschlussempfehlung des zuständigen Bundestagsausschusses stützt diese These:
„Durch die ausdrücklich formulierte Herausnahme der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer aus dem Anwendungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsge- setzes wird klargestellt, dass die konkurrierende Gesetz- gebungszuständigkeit für die Regelung der befristeten Beschäftigung von Juniorprofessorinnen und Juniorpro- fessoren nach einer Aufhebung des HRG und damit auch der Sonderregelung des § 48 Abs. 1 HRG bei den Ländern liegen wird, solange der Bund nicht eine neue gesetzliche Befristungsregelung für Juniorprofessorin- nen und Juniorprofessoren schafft.“28
25 Preis, WissZeitVG (2008), § 1 Rn 33; KR/Treber, 10. Aufl (2013), § 1 WissZeitVG Rn 50; aA v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl (2005), Art 5 Rn 391.
26 Boecken/Joussen, TzBfG, 3. Aufl (2012), § 1 WissZeitVG Rn 11; Arnold/Gräfl/Rambach, TzBfG, 3. Aufl (2012), § 1 WissZeitVG Rn 16; aA: Preis, WissZeitVG (2008), § 1 Rn 33.
27 Reich, HRG mit WissZeitVG, 11. Aufl (2012), § 1 WissZeitVG Rn 2 mwN.
28 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, BT-Drs 16/4043 S 9.
- 19 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 –
- 20 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 –
- 21 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 –Hinweis auf BT-Drs 10/2283 S 15.
- 22 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 –
NZA 2013, 1352, 1354. NZA 2013, 1352, 1355. NZA 2013, 1352, 1355 mit
NZA 2013, 1352, 1355 mit
Hinweis auf BT-Drs 16/4043 S 9.
- 23 So schon Löwisch, Die Ablösung der Befristungsbestimmungendes Hochschulrahmengesetzes durch das Wissenschaftszeitver-tragsgesetz, NZA 2007, 479, 480.
- 24 Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis anstaatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 56.
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b) TzBfG
Die soeben zitierte Passage aus der Beschlussempfeh- lung des zuständigen Ausschusses zeigt zugleich, dass § 14 TzBfG die Befristung der Arbeitsverhältnisse von Hochschullehrern nicht abschließend regeln sollte.29 Eine Länderkompetenz ist nur denkbar, wenn das TzBfG, ins- besondere § 14 TzBfG nicht abschließend im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG ist.
Zwar nehmen einige Stimmen in der Literatur an, dass der Bund mit dem TzBfG abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz auch für die Befristung ange- stellter Hochschulprofessoren Gebrauch gemacht habe, weil das TzBfG für alle Arbeitsverhältnisse gelte und da- mit also auch eine abschließende Bundesregelung für angestellte Hochschullehrer sei.30
Zutreffend ist das Gegenteil – wie das BAG richtig er- kennt. Den Ausgangspunkt bildet § 23 TzBfG31 im Zu- sammenspiel mit TzBfG, HRG und WissZeitVG. § 23 TzBfG sieht vor, dass besondere Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen nach anderen ge- setzlichen Vorschriften unberührt bleiben. Schon das ist ein Indiz dafür, dass der Bundesgesetzgeber seine Kom- petenz nicht abschließend genutzt hat. In jedem Fall sindBundesgesetze neben dem TzBfG anwendbar und kön- nen den Geltungsbereich des TzBfG klarstellen.
Der dagegen erhobene Einwand des LAG Thüringen32 einer petitio principii – also eines Zirkelschlusses33 – geht fehl. Das wäre nur der Fall, wenn man aus § 23 TzBfG fol- gerte, dass jede landesrechtliche Regelung neben dem TzBfG zulässig wäre. Das unterliefe dann tatsäch- lich nicht nur das System des TzBfG, sondern auch das Prinzip der konkurrierenden Gesetzgebung. Das folgert niemand aus § 23 TzBfG. Voraussetzung für die Zulässig- keit einer Befristungsnorm neben dem TzBfG ist – und das hat auch das BAG deutlich gemacht34 – ‚dass jene mit entsprechender Gesetzgebungskompetenz erlassen wor- den ist.
Zugleich liegt § 23 TzBfG damit die Annahme zu- grunde, dass durch das TzBfG keine abschließende Re- gelung getroffen wird. Das wird nach Ansicht des BAG
- 29 Für Juniorprofessoren: Löwisch, Die Ablösung der Befristungsbe- stimmungen des Hochschulrahmengesetzes durch das Wissen- schaftszeitvertragsgesetz, NZA 2007, 479, 480; anders aber für Hochschulprofessoren: Hartmer/Detmer/Löwisch/Wertheimer, Hochschulrecht (2004), S 330; Löwisch/Wertheimer/Zimmermann, Die Befristung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse von Professo- ren im Falle der Erstberufung, WissR 2001, 28, 49.
- 30 Preis, WissZeitVG (2008), § 1 Rn 33; KR/Treber, 10. Aufl (2013), § 1 WissZeitVG Rn 50.
- 31 Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis an staatli-
durch die Entstehungsgeschichte des TzBfG deutlich.35 Explizit nicht einbezogen worden seien die bereichsspe- zifischen Ausnahmen des HRG und der befristet Be- schäftigten an Forschungseinrichtungen.36 Aber auch das WissZeitVG ist – wie gesehen – nicht abschließend, gilt es doch insbesondere nicht für Hochschulprofesso- ren. Damit zeigt dieses Zusammenspiel aus TzBfG und WissZeitVG, dass der Bund seine Gesetzgebungs- kompetenz für die Befristung der Arbeitsverhältnisse angestellter Hochschulprofessoren nicht abschließend ausgeübt hat.
Der Einwand, auch Hochschullehrer seien Arbeit- nehmer im Sinne des TzBfG und deshalb nach jenen Vorschriften befristet anzustellen, weshalb das TzBfG abschließend sei, vermengt den Anwendungsbereich ei- nes Gesetzes mit der abschließenden Wahrnehmung ei- ner Gesetzgebungskompetenz. Dass Hochschullehrer von dem persönlichen Anwendungsbereich des TzBfG erfasst sind, ist eindeutig. § 3 Abs. 1 Satz 1 TzBfG kennt keine Ausnahme. Damit ist aber nichts darüber gesagt, ob das TzBfG für Hochschullehrer abschließend ist oder ob den Ländern nicht die Möglichkeit bleibt, zusätzliche Befristungstatbestände zu schaffen. Das TzBfG ist nicht schon deshalb abschließend, weil sein personeller An- wendungsbereich auch Hochschullehrer erfasst. Ande- res widerspräche dem in den bereits zitierten Gesetzge- bungsmaterialien37 zum Ausdruck kommenden gesetz- geberischen Willen. Doch auf diesen kommt es an, wie auch das BVerfG explizit auf die Gesetzgebungsmateria- lien bzw. den daran „ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers“ abstellt, wenn der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist.38 Der Gesetzeswortlaut der bundes- rechtlichen Befristungsvorschriften passt nicht eindeutig zu dem Willen, der in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck kommt, da einerseits dem Landesgesetz- geber Regelungsmöglichkeiten für Hochschullehrer be- lassen werden sollten, andererseits ausdrückliche Be- reichsausnahmen im TzBfG ausgeblieben sind und § 3 TzBfG keine Differenzierungen zwischen Arbeitneh- mern vornimmt. Immerhin „insbesondere“ in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist ein starkes Indiz gegen eine abschließen-
chen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 56. 32 LAG Thüringen 10.5.2011 – 7 Sa 300/10 – juris Rn 22.
33 Schneider/Schnapp, Logik für Juristen, 6. Aufl (2006), S 242 mwN. 34 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352, 1355 f.
35 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352, 1356.
36 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352, 1356 mit
Verweis auf den Gesetzesentwurf: BT-Drs 14/4374 S 14.
37 BT-Drs 14/4374 S 14.
38 BVerfG 10.2.2004 – 2 BvR 834/02 und 1588/02 – NJW 2004, 750,
755.
Dommermuth-Alhäuser · Landesgesetze zur Befristung angestellter Hochschulprofessoren 9 3
de Regelung durch das TzBfG. Die Gesetzgebungsmate- rialien des TzBfG gerade in Zusammenspiel mit jenen des WissZeitVG zeigen, dass ersteres nicht abschließend sein sollte: Aus dem TzBfG wurde das Hochschulrah- menrecht und beim WissZeitVG das Recht, Befristungs- tatbestände für Juniorprofessuren zu schaffen, ausge- klammert.39
Dem wird entgegengehalten, dass der Anwendungs- bereich des TzBfG durch die Begründung eines anderen Gesetzes nicht geändert werden könnte.40 Die Aussage an sich ist zwar richtig. Trotzdem greift der Einwand nicht. Denn das WissZeitVG bzw. dessen Gesetzge- bungsmaterialien ändern den Anwendungsbereich des TzBfG nicht. Vielmehr wird durch das WissZeitVG deutlich, auf welchem Gebiet der Bundesgesetzgeber mit dem TzBfG von Anfang an von seiner Gesetzgebungs- kompetenz nicht abschließend Gebrauch gemacht hat: auf dem Gebiet der Befristung von Hochschulpersonal. Indem das WissZeitVG in einem zweiten Schritt Hoch- schullehrer von seinem persönlichen Anwendungsbe- reich ausnimmt, führt das nicht etwa zu der alleinigen Anwendbarkeit des TzBfG, sondern zeigt schlicht, dass der Bundesgesetzgeber insoweit seine Gesetzgebungs- kompetenz nicht wahrgenommen hat. Insofern ist nicht der Anwendungsbereich des TzBfG durch die Gesetzes- begründung des WissZeitVG verkleinert, sondern ledig- lich klargestellt worden.
Die verbleibende Regelungsmöglichkeit der Länder für Hochschullehrer ergibt sich auch aus einem weiteren in den Gesetzgebungsmaterialien erwähnten Grund. Ausdrücklich sollte mit dem TzBfG der allgemeine Teil des Befristungsrechts geregelt werden, wobei insbeson- dere das Schriftformerfordernis und die Folgen unwirk- samer Befristungen in den Gesetzgebungsmaterialien genannt sind.41 Ebenfalls werden Bereichsausnahmen genannt, die das TzBfG nicht regeln soll, so zum Beispiel das Hochschulrahmengesetz.42 Das zeigt nicht nur den Unwillen des Gesetzgebers, die Befristung der Arbeits- verhältnisse des gesamten Hochschulpersonals abschlie- ßend zu regeln, sondern gleichzeitig den Willen, ab- schließend nur einen allgemeinen Teil des Befristungs- rechts und eben keine abschließende Regelung der Be- fristungstatbestände zu schaffen.
- 39 So Fn 36 und Fn 28.
- 40 Preis, WissZeitVG (2008), § 1 Rn 33.
- 41 BT-Drs 14/4374 S 14.
- 42 BT-Drs 14/4374 S 14.
- 43 ZB Art 8 BayHSchPG (Bayern) und § 63 HSG (Schleswig-Hol-stein).
3. Folgerung: Gleichzeitige Anwendbarkeit von TzBfG und Landesrecht?
a) Reichweite der Gesetzgebungskompetenz der Länder
Den Ländern verbleibt eine Gesetzgebungskompetenz allerdings nur, soweit das TzBfG nicht abschließend ist i.S.d. Art. 72 Abs. 1 GG. Das ermöglicht nur die Schaf- fung von Befristungstatbeständen, nicht aber ein landes- rechtliches Befristungsregime. Vom allgemeinen Befris- tungsrecht (Schriftformgebot) können die Länder nicht abweichen. Nur der materielle Aspekt der Befristung, d.h. die Schaffung von Befristungstatbeständen im Bereich des Hochschulrechts wurde nicht abschließend durch das TzBfG geregelt.
b) Konkurrenz zwischen TzBfG und Landesrecht
Aus dem zuvor Gesagten folgt nicht, dass die Befris- tungstatbestände des § 14 TzBfG für die Befristung ange- stellter Hochschulprofessoren nicht anwendbar wären. Dafür bietet das TzBfG keinen Anhaltspunkt. § 3 Abs. 1 Satz 1 TzBfG regelt, wann ein Arbeitnehmer befristet beschäftigt ist. Etwaige Bereichsausnahmen für Hoch- schullehrer enthält § 3 TzBfG ebenso wenig wie § 14 TzBfG. Daraus folgt, dass das TzBfG, insbesondere also auch die Befristungstatbestände des § 14 TzBfG grundsätzlich neben den landesrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. Im Wege der Spezialität (lex specialis derogat legi generali) verdrängen die Befristungstatbe- stände der Landeshochschulgesetze jene des § 14 TzBfG auch nicht; selbst dort nicht, wo der Landesgesetzgeber ein Sonderbefristungsrecht geschaffen und eine Befris- tung nicht nur dem Grunde nach43 für zulässig erklärt hat.44 Im letzteren Fall gibt es schon kein spezielleres Gesetz, das ein generelles verdrängen könnte. Die Befris- tungstatbestände des TzBfG sind also unmittelbar anwendbar, wenn die Länder eine Befristungsmöglich- keit nur dem Grunde nach regeln.45
Aber auch wenn die Befristungstatbestände explizit durch den Landesgesetzgeber geregelt sind, verdrängen sie nicht die Befristungstatbestände des § 14 TzBfG. Die Gesetzeskonkurrenz, die es für die Anwendung des Spe- zialitätsgrundsatzes bedarf, besteht zwischen TzBfG und den Befristungstatbeständen der Landeshochschulgeset-
44 45
Dies bejaht Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhält- nis an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 68 mwN.
Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis an staat- lichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 68 f.
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ze nicht. Zweck der Sonderbefristungstatbestände für Hochschullehrer ist es, zusätzliche Tatbestände gerade für die Befristung angestellter Hochschullehrer zu schaf- fen. Zweck eines spezifisch auf Hochschullehrer zuge- schnittenen Befristungstatbestandes ist es nicht, eine Be- fristung z.B. wegen Vertretung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG) zu verhindern. Daher ist das TzBfG direkt ne- ben Befristungsvorschriften aus den Hochschulgesetzen anwendbar, ohne dass es einer entsprechenden Anord- nung bedürfte, wie sie in § 1 Abs. 2 WissZeitVG getroffen wird.46
Schaffen die Länder also eigene Befristungstatbestän- de in ihren jeweiligen Hochschulgesetzen, kann daneben auch hinsichtlich der Befristungstatbestände auf das TzBfG zurückgegriffen werden. Es muss sogar auf das TzBfG zurückgegriffen werden, soweit das Landes- gesetz die Befristung nur dem Grunde nach für zulässig erklärt und soweit das Landesrecht keine Regelungen treffen durfte, d.h. hinsichtlich des allgemeinen Teils des TzBfG.47
III. Entscheidungs- bzw. Normverwerfungskompe- tenz der Fachgerichte
Die Berufungsentscheidung des LAG Thüringen macht es notwendig, auf einen anderen Aspekt einzugehen: Das LAG Thüringen hat § 50 ThürHG selbst als verfassungs- widrig verworfen, ohne das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG anzurufen.
1. Grundregel und Ausnahme von der Pflicht zur Rich- tervorlage
Ein Gericht hat nach Art. 100 Abs. 1 GG eine konkrete Normenkontrolle einzuleiten, wenn es der Ansicht ist, ein Landesgesetz verstoße gegen die maßgebliche Lan- desverfassung oder das Grundgesetz. Letzteres gilt nur, wenn das jeweilige Landesgesetz jünger ist als das Bun- desgesetz, da der Landesgesetzgeber nur in diesem Fall höherrangiges Recht missachtet haben kann.48 Die kon- krete Normenkontrolle soll insofern die Autorität des Bundesgesetzgebers schützen. Ist das Landesgesetz älter als das Bundesgesetz, kommt auch den Fachgerichten
- 46 AA: Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 68 f.
- 47 Lenk, Die befristete Professur im Angestelltenverhältnis an staat- lichen und staatlich anerkannten Hochschulen, WissR 2009, 50, 68 mwN.
- 48 BVerfG 6.10.1959 – 1 BvL 13/58 – NJW 1959, 2108; Maunz/ Dürig/Maunz, GG, (1971), Art 100 Rn 12 f; v. Mangoldt/Klein/ Starck/Sieckmann, GG, 6. Aufl (2010), Art 100 Rn 26.
- 49 Maunz/Dürig/Maunz, GG, (1971), Art 100 Rn 12.
- 50 LAG Thüringen 10.5.2011 – 7 Sa 300/10 – juris Rn 19.
nach dem „lex-posterior-Prinzip“ die Kompetenz zu, eine Landesnorm wegen Verstoßes gegen jüngeres Bun- desrecht für unwirksam zu erklären. Eine Zuständigkeit des BVerfG besteht hier nicht.49
Sollte also ein Gericht – wie das LAG Thüringen – den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für Befris- tungstatbestände angestellter Hochschullehrer abspre- chen wollen, hat es eine konkrete Normenkontrolle beim BVerfG zu beantragen, sofern das jeweilige Hochschul- gesetz jünger ist als das Gesetz, das nach Ansicht des Ge- richts die Sperrwirkung auslöst – im Fall des LAG Thü- ringen also das TzBfG.
2. Missachtung der Vorlagepflicht durch das LAG Thü- ringen
Diese Pflicht hat das LAG Thüringen nicht gesehen und stattdessen selbst § 50 ThürHG die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz unter Verweis auf Art. 31 GG abgesprochen.50 Das ist gleich aus drei Gründen falsch:
Zunächst ist die vom LAG gewählte Formulierung falsch, wonach Art. 31 GG die Landeskompetenz „gesperrt“ habe. Denn das BVerfG geht bei einer Normenkollision von einfachem Landesrecht mit Bundesrecht i.d.R.51 von der Nichtigkeit des Landesrechts aus.52
Zweitens kommt es hierauf nicht an: Art. 31 GG ist nicht die einschlägige Norm und wäre es auch dann nicht, wenn man der Ansicht des LAG Thüringen folgte. Art. 31 GG kommtnurbeieinerKollisionvonBundesrechtmitLan- desrecht zur Anwendung, wenn beide Gesetze kompetenz- gemäß zustande gekommen sind und dem jeweiligen Ge- setzgeber noch immer die Gesetzgebungskompetenz zu- steht.53 Ansonsten bedarf es der Anordnung „Bundesrecht bricht Landesrecht“ nicht. Denn die Normen über die Ge- setzgebungszuständigkeiten sind vorrangig gegenüber der Kollisionsregelung des Art. 31 GG, so dass der Verfassungs- verstoß und damit die Nichtigkeit sich allenfalls aus den Art. 70 ff. GG ergibt, nicht aus Art. 31 GG. Dieses Vorrang- verhältnis54 hat das LAG Thüringen verkannt.
Drittens hätte das LAG Thüringen in der Sache nicht entscheiden dürfen, denn das TzBfG wurde am 21.12.2000 verkündet.55 Die entscheidende Änderung des § 50 ThürHG wurde am 24.4.2003 verkündet – das ist
51 Nichtigkeit ist die Regel, in Betracht kommt aber auch die bloße Unvereinbarerklärung mit dem Grundgesetz: BVerfG 10.2.2004 – 2 BvR 834/02 und 1588/02 – NJW 2004, 750, 757.
52 BVerfG 30.7.2008 – 1 BvR 402/08 – NJW 2008, 2409, 2411.
53 Dreier/ders, GG, 2. Aufl (2006), Art. 31 Rn 19; Sachs/Huber, GG,
6. Aufl (2011), Art 31 Rn 15.
54 Epping/Hillgruber/Hellermann, GG, 2. Aufl (2013), Art 31
Rn 5.1.
55 Epping/Hillgruber/Hellermann, GG, 2. Aufl (2013), Art 31
Rn 5.1.
Dommermuth-Alhäuser · Landesgesetze zur Befristung angestellter Hochschulprofessoren 9 5
der relevante Anknüpfungspunkt,56 um zu bestimmen, welches der Gesetze jünger ist. Die Neufassung ist der maßgebliche Zeitpunkt, da der Landesgesetzgeber mit dieser seinen (Bestätigungs-)Willen deutlich gemacht hat,57 einen Tatbestand für die Befristung der Arbeits- verhältnisse von Hochschulprofessoren schaffen bzw. beibehalten zu wollen. Das zeigt schon der dazugehörige Regierungsentwurf zur Änderung des Hochschulgeset- zes, der sich intensiv mit Befristungsmöglichkeiten für Hochschullehrer auseinander setzt.58
Würde das TzBfG also tatsächlich eine Sperrwirkung entfalten, hätte der Landesgesetzgeber schon im Zeit- punkt der Verkündung (24.4.2003) der Änderung des § 50 ThürHG keine Gesetzgebungskompetenz gehabt. Hierüber zu entscheiden, oblag nicht dem LAG Thürin- gen, sondern allein dem BVerfG. Jedes Gericht, nicht nur ein letztinstanzliches, hat die Pflicht,59 eine konkrete Normenkontrolle einzuleiten, wenn es Bundesrecht oder Landesrecht für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar hält gem. Art. 100 Abs. 1 GG.60 Das LAG Thüringen hat den Parteien damit ihren gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen. Allein im umge- kehrten Fall, d.h. wenn § 50 ThürHG bereits in Kraft ge- wesen wäre, bevor das TzBfG in Kraft trat, also das Lan- desrecht zunächst kompetenzrechtlich zulässig und erst später gesperrt worden wäre, hätte es dem Gericht oble- gen, selbst über die Sperrwirkung zu entscheiden.61
IV. Zusammenfassung und Ausblick
Die Entscheidung des BAG ist Richtschnur für künftige Befristungskontrollklagen angestellter Hochschulprofes- soren. Die Befristungen werden nicht an einem man- gelnden Befristungstatbestand scheitern, wenn die Bun- desländer einen solchen in ihren Hochschulgesetzen haben62 und die Voraussetzungen des jeweiligen Tatbe-
- 56 Auch das BAG stellt für die Frage der Gesetzgebungskompetenz allein auf den Zeitpunkt der Neufassung des § 50 ThürHG ab, BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352, 1354.
- 57 Zu der vergleichbaren Problematik bei (ursprünglich) vorkonsti- tutionellem Recht: v. Mangoldt/Klein/Starck/Sieckmann, GG, 6. Aufl (2010), Art 100 Rn 28 f; v. Münch/Kunig/Meyer, GG 6. Aufl (2012), Art 100 Rn 18; Maunz/Dürig/Maunz, GG, (1971), Art 100 Rn 14 ff.
- 58 Thür-LT-Drs 3/2847, S 28 ff.
- 59 V. Mangoldt/Klein/Starck/Sieckmann, GG, 6. Aufl (2010), Art 100
standes erfüllt sind. Dem BAG ist darin zuzustimmen, dass der Bund mit TzBfG, HRG und jetzt WissZeitVG das Befristungsrecht nicht abschließend regeln wollte. Den Ländern verbleibt die Kompetenz, eigene Befris- tungstatbestände für Hochschullehrer, aber auch nur für Hochschullehrer zu schaffen. Nur insoweit sind TzBfG und WissZeitVG nicht abschließend im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG.
Ein Rückgriff auf das TzBfG als allgemeinen Teil des Befristungsrechts ist neben einem landesrechtlichen Sonderbefristungstatbestand notwendig, da das TzBfG in seinem allgemeinen Teil abschließend ist, eine landes- rechtliche Regelung mithin gesperrt wäre.
Bei Hochschulgesetzen, die eine wiederholte Befris- tung der Arbeitsverhältnisse angestellter Hochschulleh- rer zulassen, kann sich zusätzlich die Frage nach der Unionsrechtswidrigkeit der entsprechenden Hochschul- gesetze stellen. Das BAG hat das im obiter dictum ange- deutet.63
Hält ein Fachgericht das Landesgesetz, auf das eine Befristung gestützt ist, entgegen der hier vertretenen An- sicht für verfassungswidrig, hat es von der Richtervorla- ge nach Art. 100 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen, sofern nicht das Landesrecht älter ist als das vermeintlich sper- rende Bundesgesetz.
Bei möglicherweise unionsrechtswidrigen Hochschul- gesetzen ist vor allem für Instanzgerichte auf die Möglich- keit des Art. 267 Abs. 2 AEUV hinzuweisen, durch die relativ zügig Rechtssicherheit erlangt und Individual- rechtsschutz gewährt werden kann.64
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr- stuhl für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht (Prof. Dr. Volker Rieble) am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) an der Ludwig-Maximilians- Universität München (LMU).
Rn 7.
60 Dreier/Wieland, GG, 2. Aufl (2008), Art 100 Rn 9; Maunz/Dürig/
Maunz, GG, (1971), Art 100 Rn 30.
61 So unter III.1.
62 So Fn 4.
63 BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – NZA 2013, 1352, 1356; Seeger,
Anmerkung zu BAG 11.9.2013 – 7 AZR 843/11 – ArbR 2013, 600. 64 Latzel/Streinz, Das richtige Vorabentscheidungsersuchen, NJOZ
2013, 97, 98; Zusammenfassung in NJW 2013, 271.
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