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Mit der Dis­kus­si­on um Miss­brauchs­ri­si­ken in den Bio- wis­sen­schaf­ten sind For­de­run­gen nach der Beschrän- kung der bio­wis­sen­schaft­li­chen For­schung ver­bun­den. Zunächst fragt sich jedoch, inwie­weit die For­schung bereits jetzt wegen die­ser Risi­ken recht­lich ein­ge­schränkt ist.

For­sche­rin F ist in einem Hoch­si­cher­heits­la­bor tätig. Regeln zur Vor­beu­gung von Unfäl­len sind in ihrem La- bor,wiefürdieseSicherheitsstufevorgesehen,Normali- tät.1 Ver­schie­de­ne Vor­ga­ben sichern den Labor­be­trieb dage­gen ab, dass Erre­ger unbe­ab­sich­tigt nach außen drin­gen. Doch wenn F an dem arbei­tet, was ande­re als „Kil­ler­vi­ren“ bezeich­nen, stellt sich noch ein ande­res Pro­blem: Die hoch­an­ste­cken­den Erre­ger, an denen sie forscht, las­sen sich womög­lich absicht­lich als bio­lo­gi- scher Kampf­stoff ein­set­zen und ihre For­schungs­er­geb- nis­se kön­nen viel­leicht zur Ent­wick­lung sol­cher Kampf- stof­fe miss­braucht werden.

Nun ist rele­vant, wel­chen Beschrän­kun­gen ihre For- schung wegen die­ses Miss­brauchs­ri­si­kos unter­liegt. Vier Berei­che wer­den in die­sem Bei­trag auf sol­che Beschrän- kun­gen unter­sucht, die das Pro­blem des dual use bewäl- tigen und damit anders als die Regeln der Unfall­vor­beu- gung in Labo­ren, wel­che soge­nann­te bio­sa­fe­ty bezwe- cken, soge­nann­ter bio­se­cu­ri­ty die­nen sollen:2 Ers­tens die Durch­füh­rung von For­schungs­vor­ha­ben, zwei­tens Pub- lika­tio­nen, drit­tens nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on und vier­tens inter­na­tio­na­le Forschungskooperationen.

Beschrän­kun­gen könn­ten sich für die­se Berei­che ei- ner­seits aus dem Bio­waf­fen­ver­bot der Bio­waf­fen­kon­ven- tion und ande­rer­seits aus Geneh­mi­gungs­pflich­ten des Export­kon­troll­rechts erge­ben. Es wird sich jedoch zei- gen, dass das Bio­waf­fen­ver­bot nicht auf fried­li­che For-

  1. 1  Sie­he für die­sen Bereich: Tee­tz­mann, Rechts­fra­gen der Sicher­heit in der bio­lo­gi­schen For­schung, 2014, FIP 4/2014, S. 19 ff.
  2. 2  Zu den Begrif­fen bio­sa­fe­ty, bio­se­cu­ri­ty, dual use sie­he ebd., S. 2 f. und in die­sem Heft die Aus­füh­run­gen in den Auf­sät­zen von Jere­mi­asRey­donTru­te und Vöneky.
  3. 3  Art. I Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on: Über­ein­kom­men vom 10. April 1972 über das Ver­bot der Ent­wick­lung, Her­stel­lung und Lage­rung bak­te­rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Waf­fen und von Toxin­waf­fen sowie über die Ver­nich­tung sol­cher Waf­fen, 10.4.1972, in Kraft seit 26.3.1975, BGBl. 1983 II 132; 1015 UNTS 163: „Jeder Ver­trags­staat die­ses Über­ein­kom­mens ver­pflich­tet sich,1. mikro­bio­lo­gi­sche oder ande­re bio­lo­gi­sche Agen­zi­en oder
    - unge­ach­tet ihres Ursprungs oder ihrer Her­stel­lungs­me­tho­de — Toxi­ne, von Arten und in Men­gen, die nicht durch Vorbeugungs‑,

schung über­greift; und die Geneh­mi­gungs­pflich­ten wer- den sich in ihrer der­zei­ti­gen Aus­for­mung als recht­lich nur teil­wei­se trag­bar erweisen.

I. Durch­füh­rung von Forschungsvorhaben

Die Durch­füh­rung von For­schungs­vor­ha­ben unter­liegt kei­nen Beschrän­kun­gen wegen Miss­brauchs­ri­si­ken. Selbst dem Bio­waf­fen­ver­bot des Art. I Bio­waf­fen­kon­ven- tion3 ist dies nicht zu entnehmen.

Nach Art. I Nr. 1 Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on sind Hers­tel- lung und Ent­wick­lung von Agen­zi­en und Toxi­nen, die nicht zu fried­li­chen Zwe­cken gerecht­fer­tigt sind, ver­bo- ten. Die­ses zwi­schen­staat­li­che Ver­bot gilt für For­sche­rin F nicht unmit­tel­bar, für sie gilt der wort­glei­che Art. 2 Abs. 1 des Geset­zes zum Bio­waf­fen­über­ein­kom­men von 1983.4

Der Arti­kel hat eine zwei­stu­fi­ge Struk­tur von Ver­bot und Recht­fer­ti­gung: Das Her­stel­len oder Ent­wi­ckeln von Agen­zi­en und Toxi­nen wird auf der ers­ten Stu­fe ver­bo- ten. Das Ver­bot gilt nicht, wenn die Her­stel­lung und Ent­wick­lung zu fried­li­chen Zwe­cken gerecht­fer­tigt ist. Das ist die zwei­te Stufe.

Die­ser zwei­stu­fi­gen Struk­tur ent­spricht ein zwei­fa- cher For­schungs­be­zug. Ers­tens stellt sich die Fra­ge, wann For­schung über­haupt als Ent­wick­lung von Agen- zien und Toxi­nen zu ver­ste­hen ist. Zwei­tens ist zu prü- fen, wann dies zu fried­li­chen Zwe­cken geschieht.

Die Kon­ven­ti­on ent­hält kein aus­drück­li­ches For- schungs­ver­bot. Als Grund für den Ver­zicht gel­ten dro- hen­de Abgren­zungs­pro­ble­me zwi­schen defen­si­ver und offen­si­ver mili­tä­ri­scher Forschung.5 Defen­siv bezeichnet

Schutz- oder sons­ti­ge fried­li­che Zwe­cke gerecht­fer­tigt sind…nie- mals und unter kei­nen Umstän­den zu ent­wi­ckeln, her­zu­stel­len, zu lagern oder in ande­rer Wei­se zu erwer­ben oder zu behalten.“

4 Gesetz zu dem Über­ein­kom­men vom 10.4.1972 über das Ver­bot der Ent­wick­lung, Her­stel­lung und Lage­rung bak­te­rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Waf­fen und von Toxin­waf­fen sowie über die Ver- nich­tung sol­cher Waf­fen, 25.2.1983, BGBl. 1983 II 132.

Kisch­lat, Das Über­ein­kom­men über das Ver­bot der Ent­wick­lung, Her­stel­lung und Lage­rung bak­te­rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Waf­fen und von Toxin­waf­fen sowie über die Ver­nich­tung sol­cher Waf­fen, 1976, S. 153 f.; Gold­blat, The Bio­lo­gi­cal Wea­pons Convention,

Int‘l Rev. Red Cross 1997, S. 251; Rof­fey, Bio­lo­gi­cal wea­pons and poten­ti­al indi­ca­tors of offen­si­ve bio­lo­gi­cal wea­pon acti­vi­ties, SIPRI Year­book 2004, S. 557 (559).

Con­stan­tin Teetzmann

Mit Miss­brauchs­ri­si­ken begrün­de­te recht­li­che Beschrän­kun­gen der For­schung in den Biowissenschaften

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2015, ISSN 2197–9197

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den mili­tä­ri­schen Schutz vor Bio­waf­fen­ein­sät­zen durch tech­ni­sche Ein­rich­tun­gen, Impf­stof­fe oder ähn­li­ches. Offen­siv ist, was zur Schä­di­gung von Men­schen, Tie­ren oder der Umwelt genutzt wird oder genutzt wer­den kann.6 Defen­si­ve For­schung war gewollt, offen­si­ve nicht.7

Da offen­si­ve For­schung ver­hin­dert wer­den soll, ist Art. I Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on so zu ver­ste­hen, dass offen­si- ve For­schung ver­bo­ten ist. Dem steht auch die Wort­wahl „Ent­wick­lung“ nicht entgegen.8 Zwi­schen Ent­wick­lung und For­schung besteht kei­ne stren­ge Tren­nung, viel- mehr wird in ande­ren Rechts­in­stru­men­ten For­schung sogar expli­zit als Teil der Ent­wick­lung genannt.9 Inhalt der For­schung muss jedoch dem Wort­laut nach sein, dass Agen­zi­en oder Toxi­ne ent­wi­ckelt wer­den. Als Ent- wick­lung soll­te daher alle For­schung zu ver­ste­hen sein, die offen­si­ves Poten­ti­al von Agen­zi­en oder Toxi­nen er- mög­licht, indem über die Agen­zi­en oder Toxi­ne Er- kennt­nis­se gewon­nen wer­den, die einem Waf­fen­ein­satz dien­lich wären, weil zum Bei­spiel der Schä­di­gungs­grad des Erre­gers oder die Sta­bi­li­tät gegen Umwelt­ein­flüs­se erhöht werden.10

Auf der ers­ten Stu­fe gilt also: Jede For­schung mit Agen­zi­en, die offen­si­ves Poten­ti­al hat, unter­liegt zu- nächst Art. I Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on. Auf der zwei­ten Stu- fe fragt sich, ob die­se For­schung zu fried­li­chen Zwe­cken gerecht­fer­tigt ist.

Fried­li­che Zwe­cke sind nicht defi­niert. For­schung wird in der Staa­ten­pra­xis pau­schal den fried­li­chen Zwe- cken zugeordnet.11 Das gilt auch, wenn trotz des Ver­fol- gens fried­li­cher Zwe­cke For­schung offen­si­ves Poten­ti­al hat. Das Miss­brauchs­ri­si­ko ist hier irrele­vant. Wenn auf eine For­schungs­re­ge­lung ver­zich­tet wur­de, weil zwi- schen offen­si­ver und defen­si­ver mili­tä­ri­scher For­schung Abgren­zun­gen schwer fal­len, und damit im ver­bor­ge­nen Bereich mili­tä­ri­scher For­schung Missbrauchsrisiken

  1. 6  Miller/Selgelid, Ethi­cal and Phi­lo­so­phi­cal Con­side­ra­ti­on of the Dual-Use Dilem­ma in the Bio­lo­gi­cal Sci­en­ces, 2008, S. 11.
  2. 7  Kisch­lat (Fn. 5), S. 153 f.; United King­dom, Working paper onmi­cro­bio­lo­gi­cal war­fa­re, UN Doc. ENDC/231, in: United Nati­ons­Di­s­ar­ma­ment Com­mis­si­on, Offi­ci­al Records, 1969, S. 43 (Rn. 7).
  3. 8  So aber Kisch­lat (Fn. 5), S. 152–155.
  4. 9  Begriffs­be­stim­mun­gen in Anhang I EG-Dual-Use-Verordnung:Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5.5.2009 über eine Gemein­schafts­re­ge­lung für die Kon­trol­le der Aus­fuhr, der Ver­brin­gung, der Ver­mitt­lung und der Durch­fuhr von Gütern mit dop­pel­tem Ver­wen­dungs­zweck, Abl. L 134/1.
  5. 10  Vgl. die Indi­ka­to­ren offen­si­ver For­schung in Lei­ten­berg, Asses­sing the bio­lo­gi­cal wea­pons and bio­ter­ro­rism thre­at, 2005, S. 72 f; BTWC Mee­ting of the Sta­tes Par­ties, Report, 19.12.2012, UN Doc. BWC/MSP/2012/5, Annex I Rn. 9.
  6. 11  Teil A Kriegs­waf­fen­lis­te (Anhang zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG):

hin­ge­nom­men wur­den, müs­sen erst recht im nor­ma­ler- wei­se nicht von Geheim­hal­tung gepräg­ten Bereich zivi- ler For­schung Miss­brauchs­ri­si­ken akzep­tiert werden.

Auch wenn sich ein fried­li­cher Zweck benen­nen lässt,wäredenkbar,füreineRechtfertigungzufordern, dass die For­schung für den genann­ten Zweck geeig­net und erfor­der­lich ist. Vor dem Ziel der Kon­ven­ti­on, der Ver­hin­de­rung offen­si­ven Bio­waf­fen­po­ten­ti­als, kann man For­schung in Fra­ge stel­len, die offen­si­ves Poten­ti­al schafft, obwohl die For­schung für den vor­ge­ge­be­nen Zweck kei­nen Nut­zen erwar­ten lässt oder obwohl für die For­schungs­zie­le alter­na­ti­ve und glei­cher­ma­ßen geeig­ne- te Wege vor­han­den sind.

Die­se Beden­ken las­sen sich zwar mit den Zie­len der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on begrün­den, eine recht­li­che Beschrän- kung ergibt sich aber nicht. Art. I Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on fragt nicht, ob die For­schung sinn­voll ist. Art. X Abs. 2 Bio- waffenkonvention12 ver­bie­tet sogar eine Durch­füh­rung der Kon­ven­ti­on, die fried­li­che For­schung – ohne Dif­fe­ren­zie- rung danach, ob sinn­voll oder nicht – behin­dern wür­de. Die­se Vor­ga­be des Art. X Abs. 2 ist auch bei der Aus­le­gung des Ver­bots des Art. I zu beachten.

For­schung zu fried­li­chen Zwe­cken, die Erkennt­nis­se über das offen­si­ve Poten­ti­al von Agen­zi­en erzeugt, ge- schieht mit­hin in vol­lem Ein­klang mit Art. I Abs. 1 Bio- waffenkonvention.13 Das Bio­waf­fen­ver­bot des Art. I Bio- waf­fen­kon­ven­ti­on ist für Miss­brauchs­ri­si­ken blind.

Wenn For­sche­rin F also For­schung durch­führt, wel- che trotz gleich­wer­ti­ger Alter­na­ti­ven Erkennt­nis­se schafft, die zur Schä­di­gung von Mensch, Tier oder Um- welt miss­braucht wer­den kön­nen, kann man dies vor dem Hin­ter­grund der Zie­le der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on kri­ti­sie­ren. An der Durch­füh­rung fried­li­cher For­schung hin­dert sie die Kon­ven­ti­on jedoch trotz Miss­brauchs­ri­si- ken nicht.

„Vor­rich­tun­gen, Tei­le, Gerä­te, Ein­rich­tun­gen, Sub­stan­zen und Orga­nis­men, die zivi­len Zwe­cken oder der wis­sen­schaft­li­chen, medi­zi­ni­schen oder indus­tri­el­len For­schung auf den Gebie­ten der rei­nen und ange­wand­ten Wis­sen­schaft die­nen“; „bona fide rese­arch“, § 175.3 US Code Title 18: Bio­lo­gi­cal Wea­pons Anti- Ter­ro­rism Act of 1989 (US Con­gress); „rese­arch“, Art. 6 Abs. 1 lit. a Tsche­chi­sches Bio­waf­fen­ge­setz: Act 281/2002 Coll. of 30 May 2002 on Some Mea­su­res Rela­ted to a Ban on Bac­te­rio­lo­gi­cal (Bio- logi­cal) and Toxin Wea­pons and on Amend­ments to the Trades Licen­sing Act (Tsche­chi­sche Repu­blik), 30.5.2002.

12 Zu Art. X Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on sie­he Fn. 35.
13 Dies wird auch durch Staa­ten­pra­xis (vgl. Lei­ten­berg, Asses­sing

the bio­lo­gi­cal wea­pons and bio­ter­ro­rism thre­at, 2005, S. 69 f.; van Aken, Auf­rüs­tung im Reagenz­glas, W & F 19 (2001) Nr. 4, S. 59) und travaux pre­pa­ra­toires (vgl. Kisch­lat (Fn. 5), S. 142) unter- stützt, a.A. Lei­ten­berg (Fn. 10), S. 80.

Tee­tz­mann · Beschrän­kun­gen der For­schung in den Bio­wis­sen­schaf­ten 9 1

II. Publi­ka­tio­nen

Wäh­rend Publi­ka­tio­nen im Inland kei­nen Beschrän­kun- gen unter­lie­gen, sieht es anders aus, wenn von der Euro- päi­schen Uni­on aus jen­seits der Gren­zen des Uni­ons­ge- biets ver­öf­fent­licht wird. Das hat sich auch schon in der Pra­xis gezeigt: Von den Behör­den der Nie­der­lan­de wur- de 2012 eine Publi­ka­ti­on zur Über­trag­bar­keit des A/H5N1-Virus in der ame­ri­ka­ni­schen Zeit­schrift Sci­ence einer Geneh­mi­gungs­pflicht unterworfen.14 Grund­la­ge war die Ver­ord­nung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemein­schafts­re­ge­lung für die Kon- trol­le der Aus­fuhr, der Ver­brin­gung, der Ver­mitt­lung und der Durch­fuhr von Gütern mit dop­pel­tem Ver­wen- dungs­zweck (EG-Dual-Use-Ver­ord­nung). Die Ver­ord- nung beschränkt die Aus­fuhr zivi­ler Güter, die mili­tä- risch ver­wen­det wer­den kön­nen. Sie ent­hält die Publi­ka- tions­be­schrän­kung für miss­brauchs­ge­fähr­de­te For­schung auf EU-Ebe­ne. Es besteht aber auch eine Geneh­mi­gungs­pflicht nach deut­schem Recht. Im Ergeb- nis wird sich die euro­päi­sche Rege­lung ange­sichts der Wis­sen­schafts­frei­heit nicht, die deut­sche nur bei enger Aus­le­gung auf­recht­erhal­ten lassen.

1. EG-Dual-Use-Ver­ord­nung

Die Aus­fuhr von Tech­no­lo­gien zur Ent­wick­lung und Her­stel­lung einer Viel­zahl von Agen­zi­en nach Län­dern außer­halb der Euro­päi­schen Uni­on ist nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Nr. 1E001, 1C351-1C354 EG-Dual-Use- Ver­ord­nung geneh­mi­gungs­pflich­tig. Aus­ge­nom­men sind jedoch nach den All­ge­mei­nen Tech­no­lo­gie-Anmer- kun­gen der Ver­ord­nung Tech­no­lo­gien, die all­ge­mein zugäng­lich sind, und die Grund­la­gen­for­schung. Zudem gibt es eine all­ge­mei­ne Aus­fuhr­ge­neh­mi­gung in Anhang IIa EG-Dual-Use-Ver­ord­nung, nach der Tech­no­lo­gien grund­sätz­lich in bestimm­te Län­der frei aus­ge­führt wer- den dürfen.15

Tech­no­lo­gie kann nach den Begriffs­be­stim­mun­gen im Anhang I der EG-Dual-Use-Ver­ord­nung in tech­ni- schen Unter­la­gen ver­kör­pert sein. Als Unter­la­gen wer- den Blau­pau­sen, Plä­ne und ähn­li­ches erfasst, aber auch Beschrei­bun­gen und Anwei­sun­gen in Schriftform.16 Ih- nen ist gemein, dass sie dem Nach­bau des von ihnen Be- schrie­be­nen die­nen. Wis­sen­schaft­li­che Publikationen,

  1. 14  Recht­bank Noord-Hol­land, Goe­de­ren voor tweeër­lei gebruik, Urteil, 20.9.2013 – Az. AWB 13/792.
  2. 15  Aus­tra­li­en, Japan, Kana­da, Neu­see­land, Nor­we­gen, Schweiz (ein­schließ­lich Liech­ten­stein), Ver­ei­nig­te Staa­ten von Amerika.
  3. 16  Begriffs­be­stim­mun­gen in Anhang I EG-Dual-Use-Verordnung.
  4. 17  Das gilt vor allem für die eng­li­sche For­mu­lie­rung der Aus­nah­me „has been made available“. BAFA, Merk­blatt über Verantwortung

die blo­ße Beob­ach­tun­gen wie­der­ge­ben – man den­ke an die Sequen­zen natür­li­cher Viren – sind daher kei­ne tech- nischen Unter­la­gen. Publi­ka­tio­nen jedoch, die Infor­ma- tio­nen zur Ent­wick­lung und Her­stel­lung gelis­te­ter Agen- zien ent­hal­ten, sind tech­ni­sche Unter­la­gen. Die­se Infor- matio­nen müs­sen nicht unbe­dingt das For­schungs­er- gebnis sein, sie kön­nen auch in der Beschrei­bung der Metho­de ent­hal­ten sein.

a) Aus­nah­me all­ge­mein zugäng­li­cher Informationen

Nicht geneh­mi­gungs­pflich­tig sind Publi­ka­tio­nen, wenn die rele­van­ten Infor­ma­tio­nen all­ge­mein zugäng­lich sind. Nach ihrem Wort­laut greift die Aus­nah­me für all­ge­mein zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen erst, wenn der Inhalt der Publi­ka­ti­on schon all­ge­mein zugäng­lich ist.17 F unter­lä- ge wei­ter der Geneh­mi­gungs­pflicht, wenn sie einen Auf- satz bei einer Zeit­schrift im Aus­land ein­rei­chen will oder auf einem aus­län­di­schen Ser­ver ver­öf­fent­licht. Gegen die Geneh­mi­gungs­pflicht spre­chen jedoch drei Punk­te: Ein Ver­gleich mit der frei­en Aus­fuhr von Infor­ma­tio­nen für Patent­an­mel­dun­gen, ein Blick in den Her­kunfts­staat der Kon­trol­le tech­ni­scher Unter­la­gen, die USA, und vor allem die Wis­sen­schafts­frei­heit nach Art. 13 der Char­ta der Grund­rech­te der Euro­päi­schen Uni­on (EUGRCh).

aa) Ungleich­be­hand­lung gegen­über Patentanmeldungen

Die Aus­fuhr tech­ni­scher Unter­la­gen, soweit sie für die Patent­an­mel­dung erfor­der­li­che Infor­ma­tio­nen enthal- ten, ist nach der Dual-Use-Ver­ord­nung nicht geneh­mi- gungs­pflich­tig. Damit stellt sich das Pro­blem, ob die unter­schied­li­che Behand­lung von Patent­an­mel­dun­gen und Publi­ka­tio­nen mit dem Gleich­heits­grund­satz des Art. 20 EUGRCh ver­ein­bar ist. Die­se Infor­ma­tio­nen wer­den nach Aus­fuhr erst im Aus­land geprüft und bei Ertei­lung des Patents ver­öf­fent­licht. Auch bei Publi­ka­tio- nen in aus­län­di­schen Medi­en wird in der Regel erst geprüft und dann ver­öf­fent­licht. Der Umgang mit Infor- matio­nen für die Patent­an­mel­dung ist also der Publi­ka- tion im Aus­land im Wesent­li­chen ver­gleich­bar. Es ist nicht ersicht­lich, dass der Unter­schied von Publi­ka­tio- nen in aus­län­di­schen Zeit­schrif­ten und von Paten­tan- mel­dun­gen für die Vor­beu­gung der Ver­brei­tung der geneh­mi­gungs­pflich­ti­gen Tech­no­lo­gien von sol­cher Bedeu­tung wäre, dass die unter­schied­li­che Behandlung

und Risi­ken beim Wis­sens­trans­fer — Teil II. Unter­rich­tungs- und Geneh­mi­gungs­pflich­ten, 2004, S. 8; Berndt, Die Aus­fuhr­kon­trol­le von Know-how, 2008, S. 87; Wolffgang/Simonsen, Know-how- Trans­fer in Wirt­schaft und Wis­sen­schaft, in: Ehler­s/Hahn/Lech- leitner/Wolffgang, Risi­ko­ma­nage­ment im Export­kon­troll­recht, 2004, S. 107 (111).

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sich recht­fer­ti­gen lie­ße. Der Gleich­heits­grund­satz gebie- tet daher, dass ent­we­der auf die Aus­nah­me für Paten­tan- mel­dun­gen ver­zich­tet oder auch die Publi­ka­ti­on im Aus- land von der Geneh­mi­gungs­pflicht aus­ge­nom­men wird.

bb) Rechts­la­ge in den USA

Her­kunfts­land der Export­kon­trol­le für Tech­no­lo­gien sind die Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Dort wur­den Kon­flik­te zwi­schen Sicher­heits­be­hör­den und For­schungs­ge­mein- schaft mit dem Ergeb­nis aus­ge­tra­gen, dass die Aus­nah- me für all­ge­mein zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen ent­wi­ckelt wurde.18 Die Tech­no­lo­gie­kon­trol­le wur­de dann in das Was­sen­aar Arran­ge­ment, bzw. des­sen Vor­läu­fer, die Lis- te des Coor­di­na­ting Com­mit­tee for Mul­ti­la­te­ral Export Con­trols, auf­ge­nom­men. Den Inhalt die­ser nicht rechts- ver­bind­li­chen Ver­ein­ba­rung hat die EU in der EG-Dual- Use-Ver­ord­nung über­nom­men. Auf dem Weg in die EG- Dual-Use-Ver­ord­nung hat die Aus­nah­me für all­ge­mein zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen im Ver­gleich zu den US- Rege­lun­gen einen wesent­li­chen Teil ver­lo­ren: In den USA gilt die Aus­nah­me auch für „[Tech­no­lo­gien,] die all­ge­mein zugäng­lich gemacht wer­den sollen“.19 Von den Export Admi­nis­tra­ti­on Regu­la­ti­ons ist zu jeder Zeit alle For­schung nicht erfasst, bei der For­scher die Frei­heit haben, wis­sen­schaft­li­che Infor­ma­tio­nen ohne ande­re Beschrän­kun­gen oder Zeit­ver­zö­ge­run­gen zu publi­zie- ren.20 Eine eigen­stän­di­ge Export­kon­trol­le von Publi­ka­ti- onen fin­det prak­tisch nicht statt.

cc) Pri­or Res­traint und Wissenschaftsfreiheit

Der Blick in die USA hat auch Bedeu­tung für den drit­ten Punkt, die Bewer­tung der Geneh­mi­gungs­pflicht anhand der Wis­sen­schafts­frei­heit. In den USA haben Gerich­te schon Export­kon­trol­len für Tech­no­lo­gien wegen nicht hin­rei­chend gere­gel­ter pri­or res­traints (Vor­ab­be­schrän- kun­gen) des first amend­ments (der Mei­nungs­frei­heit) der US-Ver­fas­sung, als ver­fas­sungs­wid­rig eingestuft.21 In der EU besteht die­ses Pro­blem ebenfalls.

Für wis­sen­schaft­li­che Äuße­run­gen gilt in der Euro- päi­schen Uni­on Art. 13 EUGRCh, die Frei­heit der Wis- sen­schaft. Ohne eine aus­führ­li­che grund­recht­li­che Be- wer­tung sei hier auf den Aspekt der pri­or res­traints, der

  1. 18  Sie­he dazu Fogleman/Viator, The Cri­ti­cal Tech­no­lo­gies Approach, BYU J. Pub. L. 4 (1990), S. 293; Ger­juoy, Con­trols on Sci­en­ti­fic Infor­ma­ti­on Exports, Yale L. & Pol‘y Rev. 3 (1984–1985), S. 447.
  2. 19  § 734.3 (b) (3) (i) EAR: Code of Fede­ral Regu­la­ti­ons Title 15, Part 134 — Export Admi­nis­tra­ti­on Regu­la­ti­ons (United Sta­tes), Stand 8.4.2014: “Publicly available tech­no­lo­gy and software…that:
    (i) Are alre­a­dy published or will be published as descri­bed in §734.7 of this part”.
  3. 20  § 734.8 EAR.
  4. 21  United Sta­tes Court of Appeals, Ninth Cir­cuit, Bern­stein v. Uni-ted Sta­tes Depart­ment of Jus­ti­ce, Decis­i­on (with­drawn), 6.5.1999 – Az. 97–16686, F.3d 176 (1999), 1132.

Vor­ab­be­schrän­kun­gen, ein­ge­gan­gen. Für die Grund- rech­te­char­ta ist nach Art. 52 Abs. 3, 53 EUGRCh die Eu- ropäi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on Min­dest­stan­dard. In der für die Inter­pre­ta­ti­on der Kon­ven­ti­on wesent­li- chen Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs für Men­schen­rech­te (EGMR)22 fin­den sich beson­de­re An- for­de­run­gen, damit Vor­ab­be­schrän­kun­gen recht­mä­ßig sind. Vor­ab­be­schrän­kun­gen sind alle Beschrän­kun­gen von Mei­nungs­äu­ße­run­gen vor deren Ver­öf­fent­li­chung und Ver­brei­tung. Dazu gehö­ren auch Geneh­mi­gungs- pflich­ten für Publikationen.

Nach der Recht­spre­chung des EGMR zu Vor­ab­be- schrän­kun­gen ist ins­be­son­de­re eine gesetz­li­che Rege- lung erfor­der­lich, die eine strik­te­Kon­trol­le über den Umfang der Beschrän­kun­gen erlaubt und eine effek­ti­ve rich­ter­li­che Über­prü­fung zur Ver­hin­de­rung eines Miss- brauchs der Geneh­mi­gungs­be­fug­nis gewährleistet.23 Mit ande­ren Wor­ten: Der Rich­ter braucht ein Geset­zes­pro- gramm, anhand des­sen er ent­schei­den kann, ob die Ge- neh­mi­gungs­ent­schei­dung rich­tig oder falsch war. Für die Geneh­mi­gung der Aus­fuhr von Publi­ka­tio­nen ist Art. 12 Abs. 1 Dual-Use-Ver­ord­nung Geset­zes­pro­gramm. Er gibt vor, dass bei der Ent­schei­dung über eine Geneh- migung „alle sach­dien­li­chen Erwä­gun­gen“ zu beach­ten sei­en. Dar­auf folgt eine Lis­te beson­ders beach­tens­wer­ter Punk­te, die aber auch nicht viel bestimm­ter ist. Damit räumt die Vor­schrift den Behör­den prak­tisch unbe- grenz­tes Ermes­sen ein. Das ent­spricht nicht dem Kri­te­ri- um der strik­ten Kon­trol­le des Gerichts­hofs für Men- schen­rech­te. Damit ver­stößt die Geneh­mi­gungs­pflicht für Publi­ka­tio­nen in ihrer der­zei­ti­gen Aus­ge­stal­tung ge- gen die Wis­sen­schafts­frei­heit der Grundrechtecharta.

b) Aus­nah­me der Grundlagenforschung

Neben all­ge­mein zugäng­li­chen Infor­ma­tio­nen sind auch Publi­ka­tio­nen der Grund­la­gen­for­schung von der Aus- fuhr­kon­trol­le befreit. Das soeben gefun­de­ne Ergeb­nis, die Geneh­mi­gungs­pflicht für Publi­ka­tio­nen ver­sto­ße gegen Art. 13 EUGRCh, müss­te revi­diert wer­den, wenn schon mit die­ser Aus­nah­me der Wis­sen­schafts­frei­heit genügt würde.24

22 Der EGMR ist nach Art. 19, 55 EMRK für zwi­schen­staat­li­che Streit­bei­le­gun­gen über die EMRK aus­schließ­lich zustän­dig. Auch in der Grund­rech­te­char­ta wird die Bedeu­tung der Rechtsp­re- chung des EGMR deut­lich: Im fünf­ten Absatz der Prä­am­bel wird die Recht­spre­chung als eine Quel­le der in der Char­ta kodi­fi­zier- ten Rech­te benannt.

23 EGMR, Ekin/Frankreich, Urteil, 17.7.2001 – Az. 39288/98
(Rn. 58); EGMR, Obser­ver und Guardian/Vereinigtes König­reich, Urteil, 26.11.1991 – Az. 13585/88 (Rn. 60).

24 So die Behaup­tung in BAFA, Tech­no­lo­gie­trans­fer und Non-Pro­li- fera­ti­on, 2011, S. 9.

Tee­tz­mann · Beschrän­kun­gen der For­schung in den Bio­wis­sen­schaf­ten 9 3

Grund­la­gen­for­schung ist nach der Dual-Use-Ver­ord- nung nur gege­ben bei „expe­ri­men­tel­len oder theo­re­ti- schen Arbei­ten haupt­säch­lich zur Erlan­gung von neu­en Erkennt­nis­sen über grund­le­gen­de Prin­zi­pi­en von Phä- nome­nen oder Tat­sa­chen, die nicht in ers­ter Linie auf ein spe­zi­fi­sches prak­ti­sches Ziel oder einen spe­zi­fi­schen prak­ti­schen Zweck gerich­tet sind“. Es muss das Erkennt- nis­in­ter­es­se auf grund­le­gen­de Prin­zi­pi­en, also auf hin­ter ein­zel­nen Phä­no­me­nen ste­hen­de Gesetz­mä­ßig- kei­ten, gerich­tet sein und die For­schung darf nicht in ers­ter Linie für eine Ver­wen­dung außer­halb der Wis- sen­schaft geschehen.

Die Aus­nah­me für Grund­la­gen­for­schung allein ist je- doch für die Wis­sen­schafts­frei­heit nicht aus­rei­chend. Die Wis­sen­schafts­frei­heit schützt auch ange­wand­te For- schung. Ihr kann man ohne Ände­rung der Geneh­mi- gungs­vor­schrif­ten nur genü­gen, wenn man die Aus­nah- me für all­ge­mein zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen auch auf noch zu publi­zie­ren­de Infor­ma­tio­nen aus­wei­tet. Es spricht also auch die Wis­sen­schafts­frei­heit für eine sol- che Ausweitung.

2. Außen­wirt­schafts­ver­ord­nung

Neben der Export­be­schrän­kung aus der EG-Dual-Use- Ver­ord­nung besteht auch eine Beschrän­kung der Aus- fuhr von tech­ni­schen Unter­la­gen, die unver­zicht­bar für die Ent­wick­lung und Her­stel­lung oder Ver­wen­dung von Agen­zi­en für den Kriegs­ge­brauch sind, in Län­der außer- halb der Euro­päi­schen Uni­on. Sie ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV i.V.m. Nr. 0022b3, 0007a-0007g Aus­fuhr­lis- te. Auch hier sind all­ge­mein zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen, wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen­for­schung und Paten­tan- mel­dun­gen aus­ge­nom­men. Es gilt das zu der EU-Rege- lung Gesagte.

Die Geneh­mi­gungs­pflicht kol­li­diert mit dem auch für wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­tio­nen geltenden25 Zen­sur- ver­bot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Die Geneh­mi­gungs- pflicht kann vor dem Zen­sur­ver­bot nur bestehen, wenn sie nicht als sys­te­ma­ti­sche Inhalts­kon­trol­le frei­er Kom- muni­ka­ti­on durch­ge­führt wird.26 Sie darf nur den Akt der Aus­fuhr, nicht jedoch die Inhal­te der Publi­ka­ti­on be- tref­fen. Es könn­te daher die Geneh­mi­gungs­pflicht da- durch ver­fas­sungs­kon­form aus­ge­legt wer­den, dass sie le- dig­lich die Prü­fung gebie­tet, ob jen­seits der Kom­mu­ni- kat­ion rechts­wid­ri­ge Zwe­cke ver­folgt werden.27 Auch ei- ner sol­chen Aus­le­gung könn­te jedoch die im Grund­ge­setz vor­be­halt­lo­se Wis­sen­schafts­frei­heit ent­ge­gen­ste­hen: Die

25 Zum Ver­hält­nis von Art. 5 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG: Feh­ling, in: Bon­ner Kom­men­tar, Art. 5 Abs. 3 (Wis­sen­schafts­frei- heit), Rn. 268 mwN; Tru­te, „…that natu­re is the ulti­ma­te bio­ter­ro- rist“ in die­sem Heft, Abschnitt V. 2. S. 113;

a.A. Deut­scher Ethik­rat, Bio­si­cher­heit, 2014, S. 91.

Belas­tung für die wis­sen­schaft­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on ist hoch und die zu erwar­ten­den Zahl miss­bräuch­li­cher Aus­fuh­ren, die durch eine Geneh­mi­gungs­pflicht sich ef- fek­tiv auf­hal­ten las­sen, dürf­te gering sein, wenn das Ge- neh­mi­gungs­ver­fah­ren nur inhalts­neu­tral durch­ge­führt wird. Damit ent­ste­hen Zwei­fel an der Ver­hält­nis­mä­ßig- keit der Genehmigungspflichten.

Ledig­lich dem Kri­te­ri­um strik­ter Kon­trol­lier­bar­keit des EGMR genügt die deut­sche Rege­lung ohne wei­te­res: Nach § 8 Abs. 1 AWG ist eine Geneh­mi­gung „zu ertei­len, wenn zu erwar­ten ist, dass die Aus­fuhr den Zweck der Geneh­mi­gungs­pflicht nicht oder nur unwe­sent­lich ge- fähr­det.“ Die erheb­li­chen Rechts­be­grif­fe sind voll jus­ti­zi- abel, Ermes­sens­spiel­raum wird kei­ner eingeräumt.

Pro­blem die­ser Geneh­mi­gungs­kri­te­ri­en dürf­te je- doch erneut die Wis­sen­schafts­frei­heit des Grund­ge­set- zes sein: Die Gefähr­lich­keit der Aus­fuhr der Publi­ka­ti­on wird ver­mu­tet. Damit wird die Publi­ka­ti­ons­frei­heit in ihr Gegen­teil ver­kehrt. Einen für gerecht­fer­tig­te Ein­grif- fe in die Wis­sen­schafts­frei­heit erfor­der­li­chen Aus­gleich der betrof­fe­nen Ver­fas­sungs­gü­ter wür­de dies nur bein- hal­ten, wenn die Ver­mu­tung auch der typi­schen Gefähr- lich­keit der Infor­ma­tio­nen ent­spricht. Ange­sichts des wei­ten Umfangs der betrof­fe­nen Agen­zi­en (die Kon­trol- le ist nicht auf bestimm­te Arten von Erre­gern be- schränkt) ist eine typi­sche Gefähr­lich­keit die­ser Infor- matio­nen fragwürdig.

Den Zwei­feln an der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Aus- fuhr­kon­trol­le nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV kann nur begeg- net wer­den, wenn der Umfang der Geneh­mi­gungs­pf­lich- ten hin­rei­chend eng ist. Die Geneh­mi­gungs­pflich­ten be- tref­fen Tech­no­lo­gien, die für die Her­stel­lung von Agen- zien „für den Kriegs­ge­brauch“ „unver­zicht­bar“ sind. Das bedeu­tet, dass die Tech­no­lo­gie „beson­ders dafür ver­ant- wort­lich“ sein muss, dass die „Leis­tungs­merk­ma­le und Cha­rak­te­ris­ti­ken“ zur Stei­ge­rung der Wirk­sam­keit bei der „Schä­di­gung von Mensch, Tier, Umwelt oder Mate- rial“ „erreicht oder über­schrit­ten“ werden.28 Es kommt also nicht dar­auf an, dass die Tech­no­lo­gie für den Kriegs- gebrauch bestimmt oder zumin­dest alter­na­tiv­los ist. In einem wei­ten Ver­ständ­nis der Defi­ni­ti­on wür­de jede zi- vile Tech­no­lo­gie erfasst, die dazu genutzt wer­den kann, den Schä­di­gungs­grad von Agen­zi­en zu erhö­hen. Ver- klei­nern lässt sich die Men­ge erfass­ter Tech­no­lo­gien, wenn das Defi­ni­ti­ons­merk­mal „beson­ders dafür ver­ant- wort­lich“ so ver­stan­den wird, dass nur Tech­no­lo­gie zur Erhö­hung des Schä­di­gungs­gra­des erfasst wird, für die

26 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 174.

27 Tee­tz­mann (Fn. 1), S. 15.
28 Sie­he „unver­zicht­bar“ und „für den Kriegs­ge­brauch“ in den Be-

griffs­be­stim­mun­gen zu Teil I Aus­fuhr­lis­te (Anla­ge 1 zur AWV).

94 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2015), 89–98

auch die tech­ni­schen Bedin­gun­gen vor­han­den sind, um sie unmit­tel­bar für den Kriegs­ge­brauch zu benut­zen. Dann besteht auch zwi­schen Tech­no­lo­gie und zu schüt- zen­dem Gut ein der­art enges Ver­hält­nis, dass von einer typi­schen Gefähr­lich­keit der Infor­ma­tio­nen aus­ge­gan- gen wer­den kann, und dann dürf­te die Zahl der Kon­trol- len so gering sein, dass die Geneh­mi­gungs­pflicht sich noch als ver­hält­nis­mä­ßig ein­stu­fen lässt.

For­sche­rin F muss sich ihre Aus­fuhr also auch nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV geneh­mi­gen las­sen. Die­se Geneh- migungs­pflicht ist nur bei restrik­ti­ver Aus­le­gung mit der Wis­sen­schafts­frei­heit des Art. 5 Abs. 3 GG zu ver­ein­ba- ren. Sie kol­li­diert mit dem Zen­sur­ver­bot und muss auf Tech­no­lo­gien beschränkt wer­den, die unmit­tel­bar für den Kriegs­ge­brauch ein­ge­setzt wer­den können.

3. Zwi­schen­er­geb­nis: Vor­han­de­ne, aber teil­wei­se rechts- wid­ri­ge Ausfuhrbeschränkungen

Führt also For­sche­rin F Infor­ma­tio­nen zur Her­stel­lung von Agen­zi­en aus, indem sie im Aus­land publi­ziert, muss sie sich dies grund­sätz­lich geneh­mi­gen las­sen. Das gilt nicht, wenn sie oder ande­re die Infor­ma­tio­nen schon ver­öf­fent­licht haben oder sie Grund­la­gen­for­schung betreibt. Aber auch sonst, wenn F im Aus­land publi­ziert, spre­chen eini­ge Argu­men­te gegen eine Geneh­mi­gungs- pflicht. Sol­che Argu­men­te erge­ben sich aus dem Ver- gleich mit der Paten­t­aus­nah­me sowie aus dem Blick auf die Rege­lungs­si­tua­ti­on in den USA. Vor allem füh­ren die grund­recht­li­chen Vor­ga­be einer strik­ten Kon­trol­lier­bar- keit von Vor­ab­be­schrän­kun­gen bzw. das Zen­sur­ver­bot zu Zwei­feln an den Geneh­mi­gungs­pflich­ten. Die deut- schen Regeln müs­sen daher eng aus­ge­legt wer­den und die Geneh­mi­gungs­pflicht aus der EG-Dual-Use-Ver­ord- nung ist des­we­gen rechtswidrig.

III. Nicht öffent­li­che Kommunikation

Die Aus­fuhr­be­schrän­kun­gen, die für Publi­ka­tio­nen gel- ten, erfas­sen jeweils auch die nicht öffent­li­che Kom­mu- nika­ti­on durch Aus­fuhr tech­ni­scher Unter­la­gen oder ande­re tech­ni­sche Unter­stüt­zung. Für tech­ni­sche Unter- stüt­zung sehen zudem §§ 49 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AWV Geneh­mi­gungs­pflich­ten vor.

  1. 29  Z.B. EGMR, Thor­ge­i­er Thorgeierson/Island, Urteil, 25.6.1992
    – Az. 13778/88 (Rn. 63); EGMR, Castells/Spanien, Urteil, 23.04.1992 – Az. 11798/85 (Rn. 43); EGMR, Riolo/Italien, Urteil, 17.07.2008 – Az. 42211/07 (Rn. 63).
  2. 30  EGMR, Ekin/Frankreich, Urteil, 17.7.2001 – Az. 39288/98
    (Rn. 56); EGMR, Obser­ver und Guardian/Vereinigtes König­reich, Urteil, 26.11.1991 – Az. 13585/88 (Rn. 60).

1. Aus­fuhr­kon­trol­len

Damit ist auch Kom­mu­ni­ka­ti­on, die nicht auf Ver­öf­fent- lichung aus­ge­rich­tet ist, nach Art. 3 Abs. 1 EG-Dual-Use- Ver­ord­nung und § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV geneh­mi­gungs- pflich­tig. Die­se Beschrän­kun­gen kann man wegen der schon zuvor zu den Publi­ka­tio­nen dis­ku­tier­ten Punk­ten anzwei­feln. In Bezug auf Zen­sur­ver­bot und EGMR- Recht­spre­chung zu Vor­ab­be­schrän­kun­gen macht es jedoch einen wesent­li­chen Unter­schied, dass es sich nicht um öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on handelt.

Soweit nach Art. 3 Abs. 1 EG-Dual-Use-Ver­ord­nung nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on geneh­mi­gungs­pf­lich- tig ist, ist die Recht­spre­chung des EGMR für Vor­ab­be- schrän­kun­gen nicht über­trag­bar. Öffent­li­che Kom­mu­ni- kat­ion spielt in der Judi­ka­tur des EGMR eine Son­der­rol- le29 und die Argu­men­ta­ti­on des Gerichts­hofs, der die Son­der­be­hand­lung von Vor­ab­be­schrän­kun­gen mit dem öffent­li­chen Wett­be­werb der Ideen begründet,30 lässt sich kaum auf nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on über- tragen.

Das glei­che Pro­blem wirft die Geneh­mi­gungs­pflicht für nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on nach § 8 Abs. 1 AWV in Bezug auf das Zen­sur­ver­bot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG auf. Hier ist jedoch die Gene­se der Vor­schrift ein- deu­tig: Bis zur redak­tio­nel­len Bear­bei­tung am Ende der Bera­tun­gen des par­la­men­ta­ri­schen Rates bezog sich das Zen­sur­ver­bot allein auf Pres­se, Thea­ter, Rund­funk und Vorträge.31 Indi­vi­du­al­kom­mu­ni­ka­ti­on soll­te vom Zen- sur­ver­bot nicht erfasst werden.32 Daher steht die nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on auch nicht unter dem Schutz des Zen­sur­ver­bots aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG.

Auch hier bestehen aller­dings Zwei­fel an der Ver­hält- nis­mä­ßig­keit der Geneh­mi­gungs­pflich­ten. Zwar wird die Kon­trol­le, die nicht durch Inhalts­neu­tra­li­tät begrenzt ist, wesent­lich effek­ti­ver sein als die Aus­fuhr­kon­trol­le von Publi­ka­tio­nen, aber die Zahl der erfass­ten unbe­den­k­li- chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­gän­ge dürf­te noch mal we- sent­lich höher sein.

Bei der Bewer­tung der Geneh­mi­gungs­pflicht des Art. 3 Abs. 1 EG-Dual-Use-Ver­ord­nung für nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on gilt zunächst, dass die Wis­sen­schafts- frei­heit des Art. 13 EUGRCh nach Art. 52 Abs. 1 EU-

31 Doem­ming (Hrsg.), Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Arti­kel des Grund­ge­set­zes, 1951, S. 85.

32 Jes­taedt, Mei­nungs­frei­heit, in: Merten/Papier, Hand­buch der Grund­rech­te in Deutsch­land und Euro­pa, 2011, S. 875 (Rn. 94).

Tee­tz­mann · Beschrän­kun­gen der For­schung in den Bio­wis­sen­schaf­ten 9 5

GRCh unter ein­fa­chem Geset­zes­vor­be­halt steht und die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit im Uni­ons­recht weni­ger streng als im deut­schen Recht zu prü­fen ist.33 Den­noch dür­fen die Belas­tun­gen für die Wis­sen­schafts­frei­heit nicht zu dem von dem Geneh­mi­gungs­pflich­ten zu erwar­ten­den Ge- winn an Sicher­heit außer Ver­hält­nis ste­hen. Die Men­ge der erfass­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­gän­ge muss daher kom­pen­siert wer­den, indem in der Geneh­mi­gungs­pra­xis Belas­tun­gen für die Wis­sen­schaft ver­mie­den wer­den. Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren müs­sen schnell und unkom- pli­ziert durch­ge­führt wer­den und Wis­sen­schaft­lern müs­sen, soweit mög­lich, Glo­bal­ge­neh­mi­gun­gen, das heißt Geneh­mi­gun­gen die eine Grup­pe meh­re­rer Kom- muni­ka­ti­ons­vor­gän­ge, z.B. einen For­schungs­ver­bund, zusam­men­fas­sen, erteilt werden.

Auch bei der deut­schen Rege­lung lässt sich die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Geneh­mi­gungs­pflich­ten be- zwei­feln. Ein hin­rei­chen­der Aus­gleich lässt sich er- neut nur gewähr­leis­ten, wenn „uner­läss­lich für den Kriegs­ge­brauch“ wie schon bei Publi­ka­tio­nen eng aus- gelegt wird, Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren schnell und un- kom­pli­ziert sind und die Mas­se ein­zel­ner Kom­mu­ni- kat­ions­vor­gän­ge mit Sam­mel­ge­neh­mi­gun­gen nach § 4 WV (das deut­sche Pen­dant zur Glo­bal­ge­neh­mi- gung) auf­ge­fan­gen wird.

2. Geneh­mi­gung sons­ti­ger tech­ni­scher Unter­stüt­zung nach Unterrichtung

Die Geneh­mi­gungs­pflich­ten nicht öffent­li­cher Kom­mu- nika­ti­on gehen noch wei­ter. § 49 Abs. 1 Nr. 1 AWV unter- wirft die Erbrin­gung tech­no­lo­gi­scher Unter­stüt­zung durch Deut­sche oder Inlän­der in Nicht-EU-Län­dern einer Geneh­mi­gungs­pflicht, wenn der Inlän­der durch das Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le (BAFA) dar­über unter­rich­tet wur­de, dass die Unter­stüt- zung zur Ver­wen­dung im Zusam­men­hang mit bio­lo­gi- schen Waf­fen bestimmt ist. Die tech­ni­sche Unter­stüt- zung im Inland gegen­über einem Aus­län­der ist nach § 51 Abs. 1, 2 AWV geneh­mi­gungs­pflich­tig, wenn der Inlän- der durch das BAFA über die Bestim­mung zur Ver­wen- dung im Zusam­men­hang mit bio­lo­gi­schen Waf­fen oder über den Zusam­men­hang mit einer mili­tä­ri­schen End- ver­wen­dung in Län­dern, gegen die ein Embar­go ver- hängt wurde,34 unter­rich­tet wor­den ist.

Das Außen­wirt­schafts­recht kennt als Bei­spie­le tech- nischer Unter­stüt­zung Unter­wei­sun­gen, die Ver­mitt­lung von Fer­tig­kei­ten, Schu­lung, Bera­tungs­diens­te und die Wei­ter­ga­be tech­ni­scher Unter­la­gen. Wesent­lich ist nur, dass Wis­sen so kom­mu­ni­ziert wird, dass der Kommuni-

33 Tee­tz­mann (Fn. 1), S. 125 ff.; King­reen, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, 2011, Art. 52 EU-GRChar­ta, Rn. 65 ff.

kat­ions­emp­fän­ger es für die Ver­wen­dungs­zu­sam­men- hän­ge nut­zen kann. Jede Kom­mu­ni­ka­ti­on von Wis­sen- schaft­lern, die nutz­ba­re Infor­ma­tio­nen zur Ent­wick­lung oder Her­stel­lung von Agen­zi­en ent­hält, ist also tech­ni- sche Unterstützung.

Hier fin­det über den Zusam­men­hang mit bestimm- ten Ver­wen­dun­gen eine punk­tu­el­le Anknüp­fung an eine kon­kre­te Gefah­ren­si­tua­ti­on statt. Das bedeu­tet im Ver- gleich zu all­ge­mei­nen Tech­no­lo­gie­kon­trol­len eine erheb- lich gerin­ge­re Belas­tung für die For­schen­den. Zudem wird die Geneh­mi­gungs­pflicht nur bei Unter­rich­tung durch das BAFA aus­ge­löst. Beach­tet man, dass Umfang und Zahl der Unter­rich­tun­gen durch das BAFA gesteu- ert und damit auf einem ange­mes­se­nen Maß gehal­ten wer­den kön­nen, ist eine Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Geneh- migungs­pflicht gewährleistet.

Damit ist die nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on in Form tech­ni­scher Unter­stüt­zung nach Unter­rich­tung durch das BAFA in den Fäl­len der §§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1, 2 AWV genehmigungspflichtig.

3. Zwi­schen­er­geb­nis: Restrik­tiv zu hand­ha­ben­de Beschrän­kun­gen der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Ausland

F muss bei jeder nicht öffent­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Aus­land betref­fend der Her­stel­lung und Ent­wick- lung gelis­te­ter Agen­zi­en sich die­se geneh­mi­gen las­sen. Die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Geneh­mi­gungs­pflich­ten ist zwar frag­wür­dig, kann aber durch enge Aus­le­gung und durch eine ange­mes­se­ne Durch­füh­rung der Geneh­mi- gungs­ver­fah­ren noch gewähr­leis­tet wer­den. F muss sich auch Kom­mu­ni­ka­ti­on in Dritt­län­dern oder mit Aus­län- dern geneh­mi­gen las­sen, bei der sie durch das BAFA unter­rich­tet wur­de, dass die­se im Zusam­men­hang mit der Ver­wen­dung für bio­lo­gi­sche Waf­fen oder mit einer mili­tä­ri­schen End­ver­wen­dung in Embar­go­län­dern steht. Zumin­dest dabei ist von einer Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Vor­schrif­ten auszugehen.

IV. Inter­na­tio­na­le Kooperation

Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­schrän­kun­gen belas­ten inter­na­tio- nale For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen. Die Bio­waf­fen­kon­ven­ti- on kann man­gels unmit­tel­ba­rer Wir­kung für For­sche­rin F in der Fra­ge, wie inter­na­tio­na­le For­schungs­ko­ope­ra­ti- onen im Ange­sicht des Miss­brauchs­ri­si­kos zu bewer­ten sind, eigent­lich außen vor blei­ben. Den­noch ist Deutsch- land an die Kon­ven­ti­on gebun­den und auch die EG- Dual-Use-Ver­ord­nung ver­weist in Erwä­gungs­grund 3 auf die inter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen der Mitglied-

34 § 51 Abs. 2 AWV ver­weist hier auf Art. 4 Abs. 2 EG-Dual-Use- Verordnung.

96 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2015), 89–98

staa­ten. Daher soll­te hier noch dar­auf ver­wie­sen wer­den, dass die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­schrän­kun­gen mit dem beson­de­ren Schutz inter­na­tio­na­ler For­schungs­ko­ope­ra- tio­nen in der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on kol­li­die­ren. Art. X Abs. 1 Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on ver­pflich­tet zur Erleich­te- rung inter­na­tio­na­ler Koope­ra­ti­on und Abs. 2 schützt die­se vor einer sie behin­dern­den Durch­füh­rung des Bio- waffenverbots.35

Absatz 1 begrün­det eine Rechtspflicht36 zur Erleich­te- rung des Aus­tauschs von wis­sen­schaft­li­chen und tech- nolo­gi­schen Infor­ma­tio­nen zur Ver­wen­dung bak­te­rio­lo- gischer Agen­zi­en für fried­li­che Zwe­cke. Die Idee hin­ter die­ser Pflicht ist für die Miss­brauchs­dis­kus­si­on höchst relevant:

Inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on in der fried­li­chen For- schung soll ver­hin­dern, dass im Gehei­men nicht fried­li- che For­schung betrie­ben wer­den kann.37

Art. X kann man im Span­nungs­ver­hält­nis zu Art. III, dem Ver­bot der Ver­brei­tung von Bio­waf­fen, sehen. Die Ver­trags­staa­ten der Kon­ven­ti­on beto­nen jedoch, dass die­ser Arti­kel nicht Art. X, also der inter­na­tio­na­len For- schungs­ko­ope­ra­ti­on, ent­ge­gen­ge­stellt wer­den kann.38

Letzt­lich for­mu­liert der Art. X Abs. 2 einen Vor­rang fried­li­cher For­schungs­ko­ope­ra­ti­on vor einer Prä­ven­ti­on durch Iso­la­ti­on. Dort heißt es, die Kon­ven­ti­on sei so durch­zu­füh­ren, dass die wirt­schaft­li­che und tech­no­lo­gi- sche Ent­wick­lung und die inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on im Bereich fried­li­cher bak­te­rio­lo­gi­scher Tätig­kei­ten nicht behin­dert wer­de. Es muss nur nach­ge­wie­sen wer- den, dass fried­li­che Zwe­cke ver­folgt wer­den. Gelingt ein- mal die­ser Nach­weis, kann ein abs­trak­tes Miss­brauchs­ri- siko nicht zur Beschrän­kung der Koope­ra­ti­on genü­gen. Eine Gren­ze dürf­te jedoch gege­ben sein, wenn kon­kre­te Anhalts­punk­te dafür bestehen, dass Koope­ra­ti­on miss-

35 Art. X Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on
„1. Die Ver­trags­staa­ten die­ses Über­ein­kom­mens ver­pflich­ten sich, den wei­test­mög­li­chen Aus­tausch von Aus­rüs­tun­gen, Mate­ri­al und wis­sen­schaft­li­chen und tech­no­lo­gi­schen Infor­ma­tio­nen zur Ver­wen­dung bak­te­rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Agen­zi­en und von Toxi­nen für fried­li­che Zwe­cke zu erleich­tern, und sind berech­tigt, dar­an teil­zu­neh­men. Ver­trags­par­tei­en, die hier­zu in der Lage sind, arbei­ten fer­ner zusam­men, um allein oder gemein­sam mit ande­ren Staa­ten oder inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen zur Wei­ter- ent­wick­lung und Anwen­dung wis­sen­schaft­li­cher Ent­de­ckun­gen auf dem Gebiet der Bak­te­rio­lo­gie (Bio­lo­gie) zur Krank­heits­ver- hütung oder zu ande­ren fried­li­chen Zwe­cken beizutragen.

2. Die­ses Über­ein­kom­men ist so durch­zu­füh­ren, dass es kei­ne Behin­de­rung für die wirt­schaft­li­che und tech­no­lo­gi­sche Ent- wick­lung der Ver­trags­staa­ten des Über­ein­kom­mens oder für die inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit auf dem Gebiet fried­li­cher bak­te- rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Tätig­kei­ten dar­stellt, ein­schließ­lich des inter­na­tio­na­len Aus­tau­sches von bak­te­rio­lo­gi­schen (bio­lo­gi- schen) Agen­zi­en und Toxi­nen sowie von Aus­rüs­tun­gen für die Ver­ar­bei­tung, Ver­wen­dung oder Her­stel­lung bakteriologischer

braucht wird. Dann kön­nen begrün­de­te Zwei­fel an der Fried­lich­keit der Zwe­cke erho­ben werden.

Geneh­mi­gungs­pflich­ten, die auf sol­chen begrün­de- ten Zwei­feln auf­bau­en, sind die §§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1, 2 AWV. Sie knüp­fen an kon­kre­te Ver­wen­dungs­zu­sam- men­hän­ge an und kol­li­die­ren daher nicht mit Art. X Abs. 2 Biowaffenkonvention.

Die Geneh­mi­gungs­pflich­ten der Art. 3 Abs. 1 EG-Dual- Use-Ver­ord­nung und des § 8 Abs. 1 AWV berück­sich­ti­gen hin­ge­gen nicht, ob fried­li­che Zwe­cke ver­folgt wer­den und ob kon­kre­te Anhalts­punk­te für Miss­brauchs­ab­sich­ten be- ste­hen. Der blo­ße Umgang mit Agen­zi­en kann noch kei­nen sol­chen kon­kre­ten Anhalts­punkt bil­den, da sonst immer Zwei­fel an der Fried­lich­keit begrün­det wären.

Frag­lich ist nur, ob Geneh­mi­gungs­pflich­ten schon als Behin­de­rung inter­na­tio­na­ler For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen zu bewer­ten sind. Der Wort­laut spricht dafür: Im Fran- zösi­schen heißt es, dass jede Behinderung39 ver­mie­den wer­den soll. Die Staa­ten­pra­xis ist in der Fra­ge der Ex- port­kon­trol­len jedoch gespal­ten. Einer­seits sind die Staa­ten des Was­sen­aar Arran­ge­ments auch Ver­trags­par- tei­en der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on, ande­rer­seits kri­ti­sie­ren die block­frei­en Staa­ten Export­kon­trol­len als unge­recht- fer­tig­te Behinderung.40 In der Situa­ti­on einer sich so wi- der­spre­chen­den Staa­ten­pra­xis ist dem Wort­laut der Kon- ven­ti­on grund­sätz­lich Vor­zug zu geben.41

Füh­ren Geneh­mi­gungs­pflich­ten ohne Anhalts­punk­te für Miss­brauchs­ab­sich­ten zu tat­säch­li­chen Behin­de­run- gen inter­na­tio­na­ler For­schungs­ko­ope­ra­ti­on sind sie also mit Art. X Abs. 2 Bio­waf­fen­kon­ven­tio­nen nicht ver­ein- bar. Jede For­schungs­ko­ope­ra­ti­on im Rah­men von Art. I Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on muss jedoch mit fried­li­chen Zwe- cken gerecht­fer­tigt wer­den. Es kann nicht im Rah­men von Art. X Abs. 2 Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on gewollt sein, den

(bio­lo­gi­scher) Agen­zi­en und von Toxi­nen für fried­li­che Zwecke

im Ein­klang mit den Bestim­mun­gen die­ses Über­ein­kom­mens.“ 36 Seventh BTWC Review Con­fe­rence, Final Decla­ra­ti­on, in: Final

Docu­ment of the Seventh Review Con­fe­rence, 2012, UN Doc.

BWC/CONF.VII/7, S. 9, Rn. 50.
37 United Sta­tes of America/Leder­berg, State­ment made at the

infor­mal mee­ting held on 5.8.1970, in: United Nati­ons Dis­ar­ma- ment Com­mis­si­on, Offi­ci­al Records, 1973, UN Doc. DC/234,
S. 54 (56).

38 Seventh BTWC Review Con­fe­rence (Fn. 36), Rn. 10.
39 „à évi­ter tou­te ent­ra­ve“.
40 BTWC Mee­ting of the Sta­tes Par­ties, Mea­su­res for full, effective

and non-dis­cri­mi­na­to­ry Imple­men­ta­ti­on of the Artic­le X, 13.8.2013, UN Doc. BWC/MSP/2013/MX/WP.17, Rn. 3, 5; Seventh BTWC Review Con­fe­rence, Imple­men­ta­ti­on of Artic­le X of the Con­ven­ti­on: Back­ground infor­ma­ti­on docu­ment sub­mit­ted by the Imple­men­ta­ti­on Sup­port Unit, 23.11.2011, UN Doc. BWC/ CONF.VII/INF.8, Rn. 177.

41 A.A. Joy­ner, Inter­na­tio­nal law and the pro­li­fe­ra­ti­on of wea­pons of mass des­truc­tion, 2009, S. 92, 118.

Tee­tz­mann · Beschrän­kun­gen der For­schung in den Bio­wis­sen­schaf­ten 9 7

Behör­den die Gele­gen­heit zu ver­weh­ren, zu kon­trol­lie- ren, ob fried­li­che Zwe­cke gewollt sind. Zudem kann eine Unter­schei­dung zwi­schen Behin­de­run­gen und blo­ßen Beläs­ti­gun­gen getrof­fen wer­den. Es dürf­te auch über das Ziel des Schut­zes inter­na­tio­na­ler For­schungs­ko­ope­ra­ti- on hin­aus­ge­hen, wenn Kon­trol­len ver­bo­ten wären, die Schutz vor Pro­li­fe­ra­ti­on gewähr­leis­ten und nicht mit ei- nem Scha­den für die For­schungs­ko­ope­ra­ti­on ver­bun­den sind. Um sol­che Schä­den zu ver­mei­den, bedarf es, wie schon im Ange­sicht der Wis­sen­schafts­frei­heit, schnel­ler und unkom­pli­zier­ter Genehmigungsverfahren.

Die Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on schützt die inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on fried­li­cher For­schung, solan­ge kei­ne kon- kre­ten Anhalts­punk­te für einen Miss­brauch gege­ben sind. Daher ist erfor­der­lich, dass, wenn F sich trotz Feh- lens sol­cher Anhalts­punk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Aus­land geneh­mi­gen las­sen muss, die Ver­fah­ren so durch­ge­führt wer­den, dass sie kei­ne tat­säch­li­che Behin- derung im inter­na­tio­na­len For­schungs­aus­tausch dar­s­tel- len. Allein: F kann sich auf die­sen Schutz nicht beru­fen, da die Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on nur zwi­schen den Ver­trags- staa­ten, nicht deren Bür­gern, gilt.

V. Schluss: Kei­ne Beschrän­kun­gen im Inland, begrenz­te Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Ausland

Es ergibt sich also, dass F, wäh­rend sie im Inland recht- lich unbe­schränkt for­schen kann, bei der Kom­mu­ni­ka­ti- on mit dem Aus­land trotz des Schut­zes inter­na­tio­na­ler For­schungs­ko­ope­ra­ti­on in der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on eini­ge Beschrän­kun­gen beach­ten muss.

Die Durch­füh­rung von For­schungs­vor­ha­ben in den Bio­wis­sen­schaf­ten wird nicht wegen Miss­brauchs­ri­si­ken beschränkt. Beden­ken bestehen höchs­tens bei nicht er- for­der­li­chem offen­si­vem Potential.

Die Publi­ka­ti­on von Infor­ma­tio­nen über die Hers­tel- lung von Agen­zi­en im Aus­land ist hin­ge­gen geneh­mi- gungs­pflich­tig. Davon sind all­ge­mein zugäng­li­che Infor- matio­nen und die Grund­la­gen­for­schung aus­ge­nom­men. Nicht aus­ge­nom­men ist die Ver­öf­fent­li­chung von Infor- matio­nen. Die Aus­nah­me für all­ge­mein zugäng­li­che In-

for­ma­tio­nen soll­te jedoch auf Aus­fuh­ren zum Zweck der Ver­öf­fent­li­chung aus­ge­wei­tet wer­den. Die Geneh­mi- gungs­pflich­ten sind vor allem unter grund­recht­li­chen Gesichts­punk­ten frag­wür­dig. Die der­zei­ti­ge Aus­ge­s­tal- tung der Geneh­mi­gungs­pflicht aus der EG-Dual-Use- Ver­ord­nung ver­stößt gegen die Wis­sen­schafts­frei­heit, die Geneh­mi­gungs­pflicht aus der Außen­wirt­schafts­ord- nung bedarf einer restrik­ti­ven Auslegung.

Zwar wird die nicht öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on wie die Publi­ka­ti­on im Aus­land beschränkt, die Beschrän- kun­gen sind jedoch nicht im glei­chen Maße Zwei­feln aus­ge­setzt. Die punk­tu­el­len Geneh­mi­gungs­pflich­ten der §§ 49 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AWV nach Un- ter­rich­tung über einen kon­kre­ten Ver­wen­dungs­zu­sam- men­hang sind ver­hält­nis­mä­ßig, die Aus­fuhr­kon­trol­len müs­sen hin­ge­gen so aus­ge­legt und ange­wandt wer­den, dass es nicht zu über­mä­ßi­gen Belas­tun­gen der For­schen- den kommt.

Die Beschrän­kung grenz­über­schrei­ten­der Kom­mu- nika­ti­on belas­tet auch die inter­na­tio­na­le For­schungs- koope­ra­ti­on. Inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on fried­li­cher For­schung wird aber in der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on gegen die Argu­men­ta­ti­on mit der Prä­ven­ti­on einer Bio­waf­fen- auf­rüs­tung geschützt. Behin­de­run­gen las­sen sich nur bei kon­kre­ten Anhalts­punk­ten recht­fer­ti­gen und anlass­lo­se Kon­trol­len müs­sen so durch­ge­führt wer­den, dass sie noch kei­ne tat­säch­li­che Behin­de­rung für die For­schung dar­stel­len. F jedoch kann sich wegen der rein zwi­schen- staat­li­chen Wir­kung der Kon­ven­ti­on nicht dar­auf berufen.

Bio­wis­sen­schaft­le­rin F muss also im der­zei­ti­gen Recht nicht befürch­ten, dass die Durch­füh­rung ihrer For­schung wegen Miss­brauchs­ri­si­ken ein­ge­schränkt wird. Sie muss aber damit rech­nen, dass ihre Kom­mu­ni- kat­ion mit dem Aus­land, auch in Form von Publi­ka­tio- nen, geneh­mi­gungs­pflich­tig ist.

Der Autor ist aka­de­mi­scher Mit­ar­bei­ter am Insti­tut für öffent­li­ches Recht, Abtei­lung II (Völ­ker­recht und Rechts­ver­glei­chung) und am Kom­pe­tenz­netz­werk für das Recht der zivi­len Sicher­heit an der

Uni­ver­si­tät Freiburg.

98 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 2 (2015), 89–98