Zunächst geleiteten die Universitätsmitglieder und die Gäste den Doktoranden auf feierliche Weise in einem sogenannten „Conductus doctoralis“ zum Ort der Gra- duierung ins Freiburger Münster. Den Anfang dieses Doktorzuges bildeten drei oder vier Trompeter, denen drei Schauspieler folgten. Nach den Pedellen mit ihren Zeptern schritten zwei Hochschüler mit Leuchtern und danach zwei mit den Doktorgeschenken. Ihnen folgte der Doktorand mit seinem aus der Mitte der Fakultät erwählten Promotor.
Mehrere Hochschüler trugen dann die verschiede- nen Doktorinsignien; zunächst zwei mit dem Doktorhut und der goldenen Kette, dahinter drei, die den Siegelring und die Bücher mit sich führten. Vor zwei weiteren Hochschülern mit Leuchtern gingen Dekan und Prode- kan der Juristischen Fakultät. Den Abschluß des Zuges bildete der Universitätsrektor mit den geladenen Gästen.
Der eigentliche feierliche Promotionsakt begann mit dem Einzug des Conductus doctoralis in das Münster unter Glockengeläut und Orgelspiel. Prompeter und Schauspieler begleiteten die Eintretenden zu ihren Sitz- plätzen, wo alle auf ihren vorbestimmten Sitzen Platz nahmen. Nunmehr überreichte einer der Hochschüler dem Pedellen die Doktorinsignien, die dieser auf den da- für vorbereiteten Tisch legte. Diese Handlung wurde von Orchestermusik untermalt. Dann betrat der Kandidat das Podium und bat den Promotor, ihm die Würde eines Lizentiaten zu verleihen, worauf er sich zu seinem Sitz- platz zurückbegab. Nach einer neuerlichen musikali- schen Einlage hielt der Promotor eine Schlussrede. Im Anschluss daran legte der Doktorand den Eid auf die Universität und die Juristische Fakultät ab, der ihm vom Universitätsnotar vorgelesen wurde. Diese Eidesformel ist nicht mehr im Wortlaut erhalten; ihrem Inhalt nach dürfte sie aber jener anderer Fakultäten und Universitä- ten entsprochen haben. Der Lizentiand musste schwö- ren, dass er das Wohl der Universität und Fakultät und die Eintracht zwischen den Fakultäten nach Kräften för- dern, sich des Grades würdig erweisen, weder die Lizen- tiatenwürde an einer anderen Universität wiederholen, noch dort den Doktorgrad erlangen und eine bestimmte Zeit an der Universität lehren werde. Danach überreich-
1 Aus Merkel, Die Doktorpromotionen der juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Freiburg 1976,
S. 17 ff. Die Schilderung beruht auf einer von Merkel im Freiburger
te man ihm das Fakultätszepter, und er empfing mit ge- beugtem Knie die Lizentiatenwürde.
Nach einem musikalischen Zwischenspiel des Or- chesters oder einer unterhaltenden Einlage durch die Schauspieler bat der neu kreierte Lizentiat um die Verlei- hung der Doktorwürde. Dabei hatte der Doktorand aufs Neue die vom Notar vorgelesene Eidesformel zu be- schwören. Spätestens seit dem 5. August 1660 musste der Graduand zusätzlich das Glaubensbekenntnis und den Eid betr. die unbefleckte Empfängnis Mariens ablegen. Dann wurde dem sich niederknienden Promovenden die Doktorwürde verliehen. Nach einem unterhaltenden Zwischenspiel der Schauspieler und Trompeter rief der Promotor den neu kreierten Doktor zum oberen Kathe- der und überreichte ihm mit aufklärenden Worten über die Bedeutung der einzelnen Symbole den Dokorhut, häufig mit der Krone oder dem Lorbeerkranz verglichen oder als Symbol der Kirche gedeutet, den Dokorring als Symbol der Zugehörigkeit zu einem höheren Stande bzw. als Symbol der Verlobung mit Justitia, das geschlos- sene und geöffnete Buch als Ermahnung zum fortdau- ernden Studium und Nachdenken. Kuss und Segnung folgten als Zeichen kollektiver Eintracht. Den Schluss dieses Aktes bildete das Umhängen der goldenen Kette zum Zeichen der erlangten Freiheit und Würde. In un- mittelbarem Anschluss daran gab der neu kreierte Dok- tor eine Probe seines Könnens ab, vermutlich in Form ei- nes Lehrvortrages.
Beim Ausklang der Feierstunde erfolgten die Ge- schenkverteilung an die Gäste. Ende des 17. Jahrhunderts waren dies vor allem Handschuhe, die zumindest dem Rektor und jenen Mitgliedern der Fakultät überreicht wurde, unter denen der neue Doktor promoviert hatte. Möglicherweise verteilte man noch weitere Geschenke an die die geladenen Gäste, z.B. Birette, wie im 15. und 16. Jahrhundert üblich. Zum Abschluss dankte ein Zeuge, und nach dem Anzünden der Altarkerzen wurde das Te Deum angestimmt. Nach dem feierlichen Auszug aus dem Münster fanden sich die geladenen Gäste zum Dok- tormahl ein. Das Statut der Juristischen Fakultät von 1471 zählte im Detail auf, welche Universitätsmitglieder einzuladen waren: alle Doktoren der drei höheren Fakul- täten, der Dekan der Artistischen Fakultät und zwei oder
Universitätsarchiv (Jur. Fak., Abt. VII/Nr. 6) aufgefundenen Auf- zeichnung aus den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts.
Mit Trompeten und Doktorschmaus – Promotionsfeiern in alter Zeit1–
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
72 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2016), 71–72
drei der Senioren jeder Fakultät. Daneben nahmen unter anderem die Spitzen des städtischen Adels und der Geistlichkeit daran teil.
Einen genauen Eindruck von dem Umfang eines Doktorschmauses vermittelt das bei Schreiber dargelegte, zu jener Zeit übliche Festmahl, welches am 6. Mai 1574 im Gasthaus zum wilden Mann abgehalten worden
war:
„Die Speisen wurden in drei Gängen aufgetragen: 1. Junge Tauben in Pasteten
2. Suppe und (Ochsen-) Fleisch, samt gesottenen Hennen
3. Kleine Fische, Grundeln, Groppen, Neunaugen
4. Grünes Kraut mit getröcknetem Fleisch und gebacke- nen Kalbsfüßen
5. Braten: Kitzlein (Ziege), Kalbsbraten, Geflügel
6. Salmen oder Krebse
7. Confect (Bellaria), Käse, Mai-Anken (Butter), Obst, Nüs-
se usw. Frisches Brod erster Sorte, nebst altem, rothen und weißen Wein zur Genüge, bis die Gäste sich von selbst (sua sponte) erheben.“2
In Einzelfällen erlaubte die Fakultät, das Dokormahl im Hause des neu kreierten Doktors und nicht in einem Gasthaus abzuhalten. Zu weit ging ihr allerdings der An- trag des Kandidaten Grais, der im Jahre 1536 die Doktor- feierlichkeiten mit seiner Hochzeitsfeier verbinden woll- te. Sie beschloss daher: „ … facultas non voluit aut vult in futurum Doctorali dignitati, matrimoniales nuptias adi- ungi, sed separatim fieri.“
Im Laufe der Zeit ermöglichte es die Fakultät, den Doktorschmaus durch Zahlung eines gewissen Geldbe- trages an die davon betroffenen Universitätsmitglieder zu ersetzen (Präsenzgelder). Der Doktorschmaus scheint aber auch noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hin und wieder abgehalten worden zu sein.
2 Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, Bd. 1, S. 173 f.