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I. Anstoß und Ver­wirk­li­chung II. Grund­kri­te­ri­en eines erneu­er­ten Stu­di­en­sys­tems 1. Dienst der Ver­kün­di­gung 2. Kenn­zei­chen einer mis­sio­na­ri­schen Kir­che „im Auf­bruch“ a) Ein­füh­rung in das Keryg­ma b) Dia­log als Kul­tur der Begeg­nung c) Inter- und Trans­dis­zi­pli­na­ri­tät d) Bil­dung von Netz­wer­ken 3. Indis­pensabler Auf­trag der Kon­sti­tu­ti­on III. Kon­se­quen­zen für kirch­li­che Hoch­schu­len 1. Umset­zung zum aka­de­mi­schen Jahr 2018/2019 2. Fort­füh­rung der per­so­nel­len Öff­nung kirch­li­cher Hoch­schu­len 3. Ein­rich­tung neu­er Stu­di­en­gän­ge 4. Sons­ti­ge kirch­li­che Fakul­tä­ten 5. Fazit I. Anstoß und Ver­wirk­li­chung Die bekann­te „Regens­bur­ger Vor­le­sung“, die Papst Bene­dikt XVI. am 12.9.2006 an sei­ner ehe­ma­li­gen Wir­kungs­stät­te als Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor hielt, gehört ohne Zwei­fel zu den his­to­risch bedeut­sa­men Tex­ten heu­ti­ger Phi­lo­so­phie und Theologie.1 Sie hat im dop­pel­ten Sin­ne viel in Bewe­gung gebracht. Neben einer neu­en bedeut­sa­men Etap­pe im Dia­log zwi­schen Ver­tre­tern der Katho­li­schen Kir­che und Gelehr­ten der isla­mi­schen Welt ver­moch­te sie mit Blick auf die Bezie­hung von Glau­be, Ver­nunft und Uni­ver­si­tät einen Anstoß zu set­zen, der in der Apos­to­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Veri­ta­tis gau­di­um von Papst Fran­zis­kus über die kirch­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten vom 27.12.2017 eine erkenn­ba­re Auf­nah­me und Umset­zung erfah­ren hat.2 Der inzwi­schen eme­ri­tier­te Papst schloss damals sei­ne Über­le­gun­gen mit dem Auf­ruf: „Mut zur Wei­te der Ver­nunft, nicht Absa­ge an ihre Grö­ße – das ist das Pro­gramm, mit dem eine dem bibli­schen Glau­ben ver­pflich­te­te Theo­lo­gie in den Dis­put der Gegen­wart ein­tritt. ‚Nicht ver­nunft­ge­mäß, nicht mit dem Logos han­deln ist dem Wesen Got­tes zuwi­der‘, hat Manu­el II. von sei­nem christ­li­chen Got­tes­bild her zu sei­nem per­si­schen Gesprächs­part­ner gesagt. In die­sen gro­ßen Logos, in die­se Wei­te der Ver­nunft laden wir beim Dia­log der Kul­tu­ren unse­re Gesprächs­part­ner ein. Sie sel­ber immer wie­der zu fin­den, ist die gro­ße Auf­ga­be der Universität.“3 Damit ist so etwas wie das Grund­ge­setz einer ver­ant­wort­li­chen Theo­lo­gie im Kon­text der uni­ver­si­tä­ren und aka­de­mi­schen Welt for­mu­liert und in Erin­ne­rung geru­fen wor­den. Theo­lo­gie ver­steht sich als ver­nunft­ori­en­tier­te Erfor­schung und Ver­kün­di­gung des Glau­bens, der als sol­cher in den Dis­put mit ande­ren Wis­sen­schaf­ten tritt. Dabei ent­fal­tet sich die­se dis­pu­ta­ti­ve Begeg­nung in der Hal­tung eines Dia­logs, der auf indis­pensable Wei­se sowohl aus dem bereit­wil­li­gen Hören des ande­ren und sei­ner Posi­ti­on erwächst als auch auf der Erkennt­nis beruht, in einer ver­bin­den­den Wahr­heit zu kom­mu­ni­zie­ren: „Dia­log ohne die­ses inne­re Hören auf den gemein­sa­men Grund wür­de ein Dis­put von Tau­ben bleiben.“4 Papst Fran­zis­kus hat die­sen Leit­ge­dan­ken mit dem spe­zi­fi­schen Blick auf die „Neu­be­le­bung der kirch­li­chen Stu­di­en auf allen Ebenen“5 auf­ge­nom­men und ihn mit der ver­än­der­ten Situa­ti­on kirch­li­cher Ver­kün­di­gung ver­bun­den. In recht­li­cher Hin­sicht schließt er dabei mit Veri­ta­tis gau­di­um und den zuge­hö­ri­gen Ordi­na­tio­nes an die Apos­to­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Sapi­en­tia Chris­tia­na vom 29.4.1979 an, mit der Papst Johan­nes Paul II. das kirch­li­che Hoch­Chris­toph Ohly Mit über­leg­ter und pro­phe­ti­scher Ent­schlos­sen­heit. Aspek­te der Neu­aus­rich­tung kirch­li­cher Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten gemäß Veri­ta­tis gau­di­um 1 Papst Bene­dikt XVI., Glau­be, Ver­nunft und Uni­ver­si­tät. Erin­ne­run­gen und Refle­xio­nen. Regens­bur­ger Vor­le­sung vom 12.09.2006, in: Ver­laut­ba­run­gen des Apos­to­li­schen Stuhls 174, Bonn 2006, 72–84. 2 Papst Fran­zis­kus, Apos­to­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Veri­ta­tis gau­di­um über die kirch­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten vom 27.12.2017, in: Ver­laut­ba­run­gen des Apos­to­li­schen Stuhls 211, Bonn 2018. Im Fol­gen­den: VG. Dazu auch ders., Nach­syn­oda­les Schrei­ben Evan­ge­lii gau­di­um, in: Ver­laut­ba­run­gen des Apos­to­li­schen Stuhls 194, Bonn 2013, 132–134. 3 Bene­dikt XVI., Vor­le­sung (Anm. 1), 84. 4 Joseph Ratz­in­ger, Vom Wesen des Aka­de­mi­schen und sei­ner Frei­heit, in: ders., Wesen und Auf­trag der Theo­lo­gie. Ver­su­che zu ihrer Orts­be­stim­mung im Dis­put der Gegen­wart, Ein­sie­deln 1993, 26–35, hier 28. 5 VG, 1. Ord­nung der Wis­sen­schaft 2019, ISSN 2197–9197 2 8 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 27–34 6 Papst Johan­nes Paul II., Apos­to­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Sapi­en­tia Chris­tia­na über die kirch­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten vom 29.04.1979, in: Ver­laut­ba­run­gen des Apos­to­li­schen Stuhls 9, Bonn 1979. Im Fol­gen­den: Sap­Chr. Sie­he dazu Ulrich Rho­de, Die Hoch­schu­len, in: HdbkathKR3, Regens­burg 2015, 1048–1085; Ste­phan Haer­ing, Katho­li­sche Theo­lo­gie an wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len. Kano­nis­ti­sche und staats­kir­chen­recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für Bay­ern und Deutsch­land, in: Ste­pha­nie von Lut­titz / Lud­wig Mödl (Hrsg.), Theo­lo­gie. Und wie es wei­ter­geht, Würz­burg 2018, 11–27. 7 VG, 1. 8 Mat­thi­as Pul­te / Anna-Chris­ti­na Schmees, Was ist neu in der Apos­to­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Veri­ta­tis gau­di­um über das katho­li­sche Hoch­schul­we­sen?, in: Ans­gar Hen­se / Mat­thi­as Pul­te (Hg.), Kirch­li­che Hoch­schu­len und kon­fes­sio­nel­le aka­de­mi­sche Insti­tu­tio­nen im Lich­te staat­li­cher und kirch­li­cher Wis­sen­schafts­frei­heit (Main­zer Bei­trä­ge zu Kir­chen- und Reli­gi­ons­recht 4), Würz­burg 2018, 241–271, hier 242. 9 Zu den­ken ist hier vor­nehm­lich an die Enzy­kli­ken Evan­ge­lii nun­ti­an­di und Popul­orum pro­gres­sio (Paul VI.), Redemp­tor homi­nis, Fides et ratio, Labo­rem exer­cens, Sol­li­ci­tu­do rei socia­lis und Cen­te­si­mus annus (Johan­nes Paul II.) sowie Cari­tas in veri­ta­te (Bene­dikt XVI.) und Lau­da­to si (Fran­zis­kus). 10 Vgl. dazu Mat­thi­as Ambros, Sen­dung nach innen wie nach außen. Die Zukunft der Theo­lo­gie und der Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten im Licht der Apos­to­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Veri­ta­tis gau­di­um, in: Ste­pha­nie von Lut­titz / Lud­wig Mödl (Hg.), Theo­lo­gie. Und wie es wei­ter­geht, Würz­burg 2018, 43–69, hier 45–46. 11 VG, 1. 12 Win­fried Aymans / Klaus Mörs­dorf, Kano­ni­sches Recht III, Pader­born 2007, 146. Dazu cc. 815–821 CIC. 13 Vgl. Sap­Chr, Art. 1 und 2. Gemäß VG, Art. 2 § 2 zäh­len dazu auch die theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten in staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und in den katho­li­schen Uni­ver­si­tä­ten (gemäß Art. 1 § 2 der Apos­to­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Ex cor­de Eccle­siae vom 15.08.1990, in: AAS [1990] 1475–1509). In die nach­fol­gen­den Über­le­gun­gen wer­den die­se jedoch nicht eigens ein­be­zo­gen. 14 VG, 3. schul­we­sen gemäß den Vor­ga­ben des II. Vati­ka­ni­schen Kon­zils neu geord­net hatte.6 Nicht nur die „neue Pha­se der Sen­dung der Kirche“7 in Form ver­än­der­ter ekkle­sia­ler Rah­men­be­din­gun­gen, son­dern auch die seit 1979 erfolg­ten Rechts­fort­schrei­bun­gen machen nach Auf­fas­sung des Paps­tes eine aktua­li­sier­te Anpas­sung („aggior­na­men­to“) not­wen­dig, ohne damit Sapi­en­tia Chris­tia­na die blei­ben­de recht­li­che Gül­tig­keit zu ent­zie­hen. Viel­mehr geht es um eine Art „Update“8 der Bestim­mun­gen, die sowohl durch die inner­kirch­li­chen Dero­ga­tio­nen der Kon­sti­tu­ti­on (z.B. in Bezug auf die kano­nis­ti­schen Fakul­tä­ten und die kirch­li­chen Stu­di­en der Phi­lo­so­phie) und ein­schlä­gi­gen päpst­li­chen Lehrdokumente9 als auch durch die Refor­men im Rah­men des sog. Bolo­gna-Pro­zes­ses not­wen­dig gewor­den sind.10 Die inhalt­li­chen und recht­li­chen Koor­di­na­ten wer­tet Papst Fran­zis­kus als güns­ti­ges Zeit­fens­ter, um den kirch­li­chen Stu­di­en „mit über­leg­ter und pro­phe­ti­scher Entschlossenheit“11 eine erneu­er­te Aus­rich­tung zu ver­mit­teln. Die nach­fol­gen­den Über­le­gun­gen unter­neh­men den Ver­such, die inhalt­li­chen Maß­ga­ben der päpst­li­chen Aus­füh­run­gen für die kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen zu bestim­men und eini­ge zen­tra­le recht­li­che Kon­se­quen­zen zu benen­nen. II. Grund­kri­te­ri­en eines erneu­er­ten Stu­di­en­sys­tems 1. Dienst der Ver­kün­di­gung Gemäß c. 815 CIC kommt den kirch­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten der Auf­trag der Kir­che zu, „die geof­fen­bar­te Wahr­heit zu ver­kün­di­gen“. Die wis­sen­schaft­li­che Befas­sung mit der Offen­ba­rung Got­tes wird dem­zu­fol­ge „nicht als eine blo­ße Mög­lich­keit, son­dern gleich­sam als eine natur­not­wen­di­ge Fol­ge aus dem Ver­kün­di­gungs­auf­trag der Kir­che verstanden.“12 Die Hoch­schul­ein­rich­tun­gen ste­hen folg­lich im Dienst der kirch­li­chen Ver­kün­di­gung, die ihnen eine Art para­dig­ma­ti­sches Sie­gel auf­drückt. Sie wid­men sich – anders als die Katho­li­schen Uni­ver­si­tä­ten nach c. 807 CIC – vor­nehm­lich der theo­lo­gi­schen Wis­sen­schaft und den mit ihr ver­bun­de­nen Dis­zi­pli­nen und sind als sol­che vom Apos­to­li­schen Stuhl mit allen aka­de­mi­schen Rech­ten und Pflich­ten errichtet.13 Das Wesen der kirch­li­chen For­schungs- und Lehr­in­sti­tu­tio­nen macht damit zugleich ihre Abhän­gig­keit von den jewei­li­gen Erfor­der­nis­sen der kirch­li­chen Ver­kün­di­gung deut­lich. Wenn Papst Fran­zis­kus die aktu­el­le, mit tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen ver­bun­de­ne Pha­se der Kir­che als eine „neue Etap­pe der Evan­ge­li­sie­rung“ kenn­zeich­net, die zu einer ange­mes­se­nen „Erneue­rung des kirch­li­chen Stu­di­en­sys­tems“ füh­ren muss, in dem sich die phi­lo­so­phisch-theo­lo­gi­schen Stu­di­en als „eine Art güns­ti­ges kul­tu­rel­les Labo­ra­to­ri­um“ ver­ste­hen, das fähig ist, eine „per­for­ma­ti­ve Inter­pre­ta­ti­on der Wirk­lich­keit“ zu leis­ten, „die dem Chris­tus­ereig­nis ent­springt und sich aus den Gaben der Weis­heit und der Wis­sen­schaft speist“, dann wird dar­in unaus­weich­lich die neue Akzent­set­zung durch Veri­ta­tis gau­di­um erkennbar.14 Die Theo­lo­gie lebt nicht allein aus einem inne­ren Bezug zur gött­li­chen Offen­ba­rung und ihrer bestän­di­gen Durch­drin­gung. Sie ist als Selbst­mit­tei­lung Got­tes immer nach außen, und das heißt auf den Men­schen, gerich­tet. So kann auch ihre Erschlie­ßung und Ver­kün­di­gung nicht von den kon­tex­tu­el­len Gege­ben­hei­ten des Hier und Jetzt abse­hen. Viel­mehr müs­sen die aktu­el­len Gege­ben­hei­ten mensch­li­cher und gesell­schaft­li­cher Exis­tenz stär­ker in die Aus­rich­tung und Ziel­set­zung der Stu­di­en mit ein­flie­ßen. Der Papst geht in die­ser Hin­sicht sogar noch wei­ter. Er ver­langt einen „radi­ka­len Para­dig­men­wech­sel“, oder pro­vo­zie­ren­der for­mu­liert, eine „mutige(n) kulturelle(n) Revo­lu­ti­on“, inner­halb derer die kirch­li­chen Uni­ver­si­tä- Ohly · Aspek­te der Neu­aus­rich­tung kirch­li­cher Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten 2 9 15 VG, 3. 16 Vgl. II. Vati­ka­ni­sches Kon­zil, Dekret Opt­a­tam toti­us über die Aus­bil­dung der Pries­ter, Art. 16. 17 VG, 3. 18 II. Vati­ka­ni­sches Kon­zil, Pas­to­ral­kon­sti­tu­ti­on Gau­di­um et spes über die Kir­che in der Welt von heu­te, Art. 22. Vgl. VG, 1. 19 VG, 3. 20 VG, 3. 21 VG, 4a. 22 Dazu auch Evan­ge­lii gau­di­um (Anm. 2), 272. ten und Fakul­tä­ten einen ent­schei­den­den Bei­trag als Sau­er­teig inner­halb von Kul­tur und Gesell­schaft zur Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums zu leis­ten befä­higt werden.15 Mit ande­ren Wor­ten: Eine kirch­li­che Hoch­schu­le steht in einem unauf­geb­ba­ren Zusam­men­hang mit dem Auf­trag der Evan­ge­li­sie­rung, die zugleich bereit ist, bestän­dig den Adres­sa­ten­raum mit sei­nen spe­zi­fi­schen Gege­ben­hei­ten zu erfor­schen und, das wird ohne Zwei­fel kon­sta­tiert, aus ihm zu ler­nen. Für bestehen­de und künf­ti­ge kirch­li­che Hoch­schul­ein­rich­tun­gen bringt dies das Desi­de­rat eines erneu­er­ten Zuein­an­ders von hoher wis­sen­schaft­li­cher Qua­li­tät in Leh­re und For­schung einer­seits und einer der Tri­as „Wort Got­tes – Kirch­li­che Tra­di­ti­on – Kirch­li­ches Lehramt“16 ver­pflich­te­ten Theo­lo­gie ande­rer­seits mit sich, die befä­higt ist, eine qua­li­fi­zier­te Aus­bil­dung zu sichern und dabei in eben jenen not­wen­di­gen Dia­log ein­zu­tre­ten, der den Kon­text des Men­schen von heu­te in Gesell­schaft, Kul­tur, Wis­sen­schaft und Arbeits­welt prä­gen muss. 2. Kenn­zei­chen einer mis­sio­na­ri­schen Kir­che „im Auf­bruch“ Für eine inhalt­li­che Ent­fal­tung die­ser Her­aus­for­de­rung gibt Veri­ta­tis gau­di­um exem­pla­risch und doch maß­ge­bend vier Kri­te­ri­en vor, die für die Kon­sti­tu­ie­rung der kirch­li­chen Hoch­schu­len als Werk­zeu­ge einer mis­sio­na­ri­schen Kir­che „im Aufbruch“17 ent­schei­dend sind. Sie fin­den ihr Fun­da­ment in der Über­zeu­gung, dass im Chris­tus­ereig­nis nicht nur der Weg Got­tes zum Men­schen, son­dern auch umge­kehrt, der Weg des Men­schen zu Gott eröff­net ist. Als Wahr­heit in Per­son, nicht als abs­trak­te Idee, macht Chris­tus „in der Offen­ba­rung des Geheim­nis­ses des Vaters und sei­ner Lie­be dem Men­schen den Men­schen selbst voll kund und erschließt ihm sei­ne höchs­te Berufung.“18 Folg­lich kann als Kern kirch­li­cher Ver­kün­di­gung das Bezeu­gen die­ses Wahr­heits­er­eig­nis­ses und die ihm inne­woh­nen­de Fähig­keit benannt wer­den, den Men­schen und die Welt im Licht die­ser Wahr­heit zu erschlie­ßen. Auf­ga­be der kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen ist es daher, eine „geis­ti­ge Atmo­sphä­re der Suche und der Gewiss­heit, gegrün­det auf die Wahr­hei­ten der Ver­nunft und des Glau­bens“ zu schaf­fen, die es erlau­ben, „Über­zeu­gun­gen zu erwer­ben, die die Intel­li­genz struk­tu­rie­ren und stär­ken sowie den Wil­len erhellen.“19 Dies zu ermög­li­chen, weist den Phi­lo­so­phen und Theo­lo­gen in sei­ner Qua­li­tät als Leh­rer und Zeu­ge aus, wenn er „immer offen für das ‚mai­us‘ Got­tes und der Wahrheit“20 und damit in Ent­wick­lung begrif­fen ver­bleibt. a) Ein­füh­rung in das Keryg­ma Dem ers­ten Kri­te­ri­um geht es um eine geist­li­che, intel­lek­tu­el­le und exis­ten­ti­el­le Erschlie­ßung des Evan­ge­li­ums Jesu Chris­ti (Keryg­ma) sowie um eine dar­aus fol­gen­de kirch­li­che „Mys­tik des Wir“.21 Die kirch­li­che Hoch­schu­le muss in ihrem Inne­ren dar­auf aus­ge­rich­tet sein, durch das theo­lo­gi­sche Stu­di­um eine intel­lek­tu­ell aus­ge­rich­te­te Hin­wen­dung zur gött­li­chen Offen­ba­rung in Jesus Chris­tus zu ermög­li­chen, deren Bedeu­tung und Aus­wir­kung im Leben der Kir­che nicht nur erfahr­bar wird, son­dern auch als Zeug­nis für die „uni­ver­sa­len Brü­der­lich­keit“ her­an­reift, „die die hei­li­ge Grö­ße des Nächs­ten zu sehen weiß“.22 Das betrifft daher alle phi­lo­so­phi­schen und theo­lo­gi­schen Dis­zi­pli­nen in den klas­si­schen Fächer­grup­pen der his­to­ri­schen, exege­ti­schen, sys­te­ma­ti­schen und prak­ti­schen Theo­lo­gie. Ziel die­ses Kri­te­ri­ums ist es, in der theo­lo­gi­schen Aus­bil­dung Ein­sei­tig­kei­ten zu ver­mei­den, die auf Dau­er den inne­ren Zusam­men­hang von Glau­be, Ver­nunft und Exis­tenz auf­lö­sen. Es muss ersicht­lich wer­den, dass der Glau­be an Gott ver­nünf­tig ist und nur so durch­drun­gen sowie auf dem Weg des Argu­ments ver­ant­wort­lich bezeugt wer­den kann. Das wie­der­um schließt eine geist­li­che und zugleich exis­ten­ti­el­le Prä­gung nicht aus. Im Gegen­teil, das Argu­ment bedarf ihrer, um zu einer das Leben prä­gen­den Wirk­lich­keit zu wer­den, die zum Zeug­nis erwächst. Dabei erweist sich das theo­lo­gi­sche Stu­di­um nicht als ein in sich geschlos­se­nes Sys­tem, son­dern als ein Pro­zess, der im Licht des tri­ni­ta­ri­schen Got­tes­glau­bens den Men­schen in sei­ner heu­te ver­än­der­ten natür­li­chen und kul­tu­rel­len Umge­bung in den Blick nimmt und die Her­aus­for­de­run­gen geleb­ter Soli­da­ri­tät zwi­schen den Men­schen als Geschöp­fe Got­tes zu benen­nen weiß. b) Dia­log als Kul­tur der Begeg­nung Aus der Anfor­de­rung einer umfas­sen­den Ein­füh­rung in das Keryg­ma geht das zwei­te Kri­te­ri­um des Dia­logs her­vor. Es han­delt sich hier­bei nach Veri­ta­tis gau­di­um nicht um eine „rein tak­ti­sche Vor­ge­hens­wei­se“, son­dern um das fun­da­men­ta­le Bedürf­nis, „gemein­sam die Erfah­rung der Freu­de der Wahr­heit zu machen und ihre Bedeu­tung 3 0 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 27–34 23 VG, 4b. 24 VG, 4b mit Ver­weis auf Sap­Chr, Ein­lei­tung, III sowie Gau­di­um et spes, Art. 62. 25 VG, 4c. 26 VG, 4c. 27 Vgl. dazu Papst Bene­dikt XVI., Anspra­che im Deut­schen Bun­des­tag vom 22.09.2011, in: Ver­laut­ba­run­gen des Apos­to­li­schen Stuhls 189, Bonn 2011, 30–38. Sie­he auch Jür­gen Haber­mas / Joseph Ratz­in­ger, Dia­lek­tik der Säku­la­ri­sie­rung, Frei­burg i. Br. 2005. 28 VG, 4c. 29 VG, 4d. 30 Vgl. dazu die Grund­for­mel katho­li­scher Ekkle­sio­lo­gie. II. Vati­ka­ni­sches Kon­zil, Dog­ma­ti­sche Kon­sti­tu­ti­on Lumen Gen­ti­um über die Kir­che, Art. 23.1: „Epis­co­pi autem sin­gu­li visi­bi­le prin­ci­pi­um et fun­da­men­tum sunt unita­tis in suis Eccle­si­is par­ti­cu­la­ri­bus, ad ima­gi­nem Eccle­siae uni­ver­sa­lis for­ma­tis in qui­bus et ex qui­bus una et uni­ca Eccle­sia catho­li­ca exsis­tit“. sowie die prak­ti­schen Aus­wir­kun­gen gründ­lich zu untersuchen.“23 Dia­log bezeich­net folg­lich kein unver­bind­li­ches Reden, son­dern als día-logos jenen Aus­tausch bzw. die Gemein­schaft, wel­che die Wahr­heit, der lógos, zu schaf­fen ver­mag. Wah­rer Dia­log redet nicht recht­ha­be­risch anein­an­der vor­bei, son­dern schafft ein ver­ant­wort­li­ches Han­deln in der Über­zeu­gung, von der Wahr­heit gemein­sam ergrif­fen zu sein. Daher for­dert der Papst für die­sen Dia­log als „Kul­tur der Begeg­nung“ das Gespräch mit den Chris­ten der ande­ren Kir­chen und kirch­li­chen Gemein­schaf­ten eben­so wie den Ange­hö­ri­gen ande­ren Reli­gio­nen und Welt­an­schau­un­gen, um ent­ge­gen­ste­hen­de Posi­tio­nen im Licht der Offen­ba­rung zu betrachten.24 Die kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen müs­sen somit auf Dau­er die Anfor­de­rung des dia­lo­gi­schen Prin­zips stär­ker als bis­her in den Blick neh­men und im theo­lo­gi­schen Stu­di­en­pro­gramm nach­hal­tig – das heißt als kenn­zeich­nen­des Pro­fil, nicht als instru­men­tel­len Zusatz – ver­an­kern. Gera­de hier eröff­net sich für die Zukunft der Ein­rich­tun­gen ein gro­ßer Hori­zont rei­cher Mög­lich­kei­ten, die zu einer Ver­tie­fung ihrer evan­ge­li­sie­ren­den Ziel­set­zung eben­so führt wie zu einer hilf­rei­chen Spe­zia­li­sie­rung dia­lo­gi­scher Arbeits­fel­der, wel­che die ein­zel­ne Hoch­schu­le als pro­fi­lier­te Lehr- und For­schungs­ein­rich­tung aus­weist. Zu den­ken ist hier an eine gan­ze Rei­he von spe­zi­fi­schen Dia­log­fel­dern, wie bei­spiels­wei­se der inter­re­li­giö­se und ‑kul­tu­rel­le Dia­log durch ört­lich gege­be­ne Spe­zi­fi­ka, der insti­tu­tio­nel­le Dia­log durch die Aus­wir­kun­gen von Glo­ba­li­sie­rung und der Erfah­rung katho­li­scher Welt­kir­che, oder der Dia­log mit der Welt der Medi­en, die den Men­schen von heu­te wie zu kei­ner ande­ren Zeit prä­gen und beglei­ten. c) Inter- und Trans­dis­zi­pli­na­ri­tät Eben­falls als logi­sche Wei­ter­füh­rung der bei­den ers­ten Kri­te­ri­en benennt Veri­ta­tis gau­di­um als drit­ten Maß­stab der künf­ti­gen kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tung „eine im Licht der Offen­ba­rung mit Weis­heit und Krea­ti­vi­tät aus­ge­üb­te Inter- und Transdisziplinarität,“25 die nicht ledig­lich ver­schie­de­ne Ansät­ze in den Ver­gleich zuein­an­der stellt, son­dern vom Ziel moti­viert ist, alles im Licht der einen Offen­ba­rung Got­tes zu durch­drin­gen und zu ver­ste­hen. Das gilt für die phi­lo­so­phisch-theo­lo­gi­schen Dis­zi­pli­nen eben­so wie für den Dia­log mit nicht­theo­lo­gi­schen Wis­sen­schaf­ten. Das Stu­di­en­sys­tem soll daher eine gro­ße Ein­heit bie­ten, die von einer erkenn­ba­ren dyna­mi­schen Sys­te­ma­tik gekenn­zeich­net ist und zugleich im „heu­te bruch­stück­haf­ten und nicht sel­ten zer­split­ter­ten Pan­ora­ma der Uni­ver­si­täts­stu­di­en und mit einem unsi­che­ren, kon­flikt­rei­chen oder rela­ti­vis­ti­schen Plu­ra­lis­mus der Mei­nun­gen und kul­tu­rel­len Angebote“26 kon­zen­trie­ren­de Ori­en­tie­rung zu ver­mit­teln ver­mag. Neben der Fähig­keit, sich reflek­tiert an den Ent­wick­lungs­pro­zes­sen in Wis­sen­schaft, Poli­tik und Kul­tur zu betei­li­gen, wird damit nicht zuletzt die Mög­lich­keit eröff­net, auf Über­zeu­gun­gen hin­zu­füh­ren, die von der gesam­ten Mensch­heits­fa­mi­lie als maß­ge­ben­de und unver­rück­ba­re Grund­ein­sich­ten geteilt wer­den kön­nen (z.B. die Menschenrechte).27 Mit John Hen­ry New­man und Anto­nio Ros­mi­ni erin­nert die Kon­sti­tu­ti­on fol­ge­rich­tig an die vier Säu­len eines inte­gra­ti­ven christ­li­chen Erzie­hungs- bzw. Bil­dungs­we­sens im Rah­men einer kirch­li­chen Stu­di­en­ein­rich­tung: „Die Ein­heit des Wis­sens, die Ver­mitt­lung von Hei­lig­keit, das gemein­sa­me Leben, die wech­sel­sei­ti­ge Liebe.“28 Die kirch­li­che Hoch­schu­le der Zukunft wird sich im Dienst an die­ser Ein­heit ver­ste­hen, aber auch mes­sen las­sen müs­sen – eine inter- und trans­dis­zi­pli­när her­aus­ge­for­der­te und zugleich berei­cher­te Ein­heit, die den Men­schen im Gan­zen der Schöp­fung und der Mensch­heit zu ver­or­ten weiß. d) Bil­dung von Netz­wer­ken Schließ­lich geht es dem vier­ten Kri­te­ri­um der Kon­sti­tu­ti­on um den Auf­bau von Netz­wer­ken kirch­li­cher Stu­di­en­ein­rich­tun­gen sowie um die Her­aus­bil­dung von For­schungs­schwer­punk­ten, die sich im Licht des Glau­bens und als Aus­druck des kirch­li­chen Ver­kün­di­gungs­auf­tra­ges dem „Stu­di­um der epo­cha­len Pro­ble­me“ der Mensch­heit widmen.29 Die­ses Erfor­der­nis kor­re­liert mit der ver­fas­sungs­recht­li­chen Struk­tur der Katho­li­schen Kir­che, deren ekkle­sio­lo­gi­sche Koor­di­na­ten von der Viel­falt der Rea­li­tä­ten in der Ein­heit des Glau­bens bestimmt werden.30 Ent­ge­gen einer läh­men­den Uni­for­mie­rung und einer zer­stö­ren­den Plu­ra­li­sie­rung, so for­mu­liert es Johan­nes Paul II., „ver­fügt das Chris­ten­tum (…) nicht Ohly · Aspek­te der Neu­aus­rich­tung kirch­li­cher Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten 3 1 31 So Papst Johan­nes Paul II., Apos­to­li­sches Schrei­ben Novo Mil­le­nio inen­ute vom 06.01.2001, in: Ver­laut­ba­run­gen des Apos­to­li­schen Stuhls 150, Bonn 2001, hier Nr. 40. 32 VG, 4b. 33 VG, 5. 34 Vgl. dazu Simo­ne d’Agostino, Veri­ta­tis Gau­di­um. Un rischi­o­so pro­ces­so di aper­tu­ra e dia­lo­go, in: La Gre­go­ria­na XXIII.5 (2018) 8–10. 35 So Pul­te / Schmees, Kon­sti­tu­ti­on Veri­ta­tis gau­di­um (Anm. 8), 270, hier mit einem spe­zi­fi­schen Blick auf die Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten in staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten. über ein ein­zi­ges kul­tu­rel­les Modell, son­dern ‚es bewahrt voll sei­ne eige­ne Iden­ti­tät in tota­ler Treue zur Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums und zur Tra­di­ti­on der Kir­che und trägt auch das Ange­sicht der vie­len Kul­tu­ren und Völ­ker, in die es hin­ein­ge­ge­ben und ver­wur­zelt wird!“‘31 Die Viel­falt for­dert die Ein­heit eben­so her­aus, wie umge­kehrt die Ein­heit zur maß­ge­ben­den Ori­en­tie­rung für die viel­fäl­ti­gen Wirk­lich­kei­ten wird. Das Erfor­der­nis von netz­werk­ar­ti­gen Koope­ra­tio­nen kann dabei sowohl inhalt­lich als Kon­se­quenz aus der Ein­heit des Glau­bens im Sin­ne ekkle­sia­ler Pro­prie­tät als auch for­mal durch die sinn­vol­le Bün­de­lung von Kräf­ten und Kom­pe­ten­zen begrün­det wer­den. Dafür muss sich die kirch­li­che Hoch­schu­le der Zukunft auf natio­na­le, ins­be­son­de­re aber auch auf inter­na­tio­na­le Ver­bin­dun­gen hin ori­en­tie­ren, die den Mikro­kon­text des jewei­li­gen Ortes zuguns­ten des Makro­kos­mos der uni­ver­sa­len Kir­che und ihrer viel­fäl­ti­gen Rea­li­tä­ten zu wei­ten ver­steht. Insti­tu­tio­na­li­sier­te For­men der Koope­ra­ti­on wer­den sei­tens der kirch­li­chen Hoch­schu­len bereits heu­te umge­setzt, bezie­hen sich aber nicht sel­ten aus­schließ­lich auf die Grup­pe der Stu­die­ren­den (z.B. Eras­mus-Stu­di­en als För­der­pro­gramm der Euro­päi­schen Uni­on). Zu den­ken ist daher an umfas­sen­de, recht­lich begrün­de­te For­men der Koope­ra­ti­on zwi­schen Ein­rich­tun­gen der kirch­li­chen Hoch­schu­len, die fähig sind, im Bereich von For­schung und Leh­re zu syn­er­ge­ti­schen Effek­ten, aber eben­so zu neu initi­ie­ren­den Erkennt­nis­sen zu füh­ren. 3. Indis­pensabler Auf­trag der Kon­sti­tu­ti­on Den Über­le­gun­gen des Pro­ömi­ums der Kon­sti­tu­ti­on, die den recht­li­chen Bestim­mun­gen vor­an­ge­stellt sind, eig­net kei­ne Unver­bind­lich­keit. Im Gegen­teil! Sie machen als theo­lo­gisch-ekkle­sio­lo­gi­scher Leit­fa­den offen­kun­dig, dass Papst Fran­zis­kus die kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen der Zukunft zwar in ihrem Grund­be­stand als Aus­bil­dungs­stät­ten für kirch­li­che Beru­fe bewah­ren, doch zugleich auf die Her­aus­for­de­run­gen heu­ti­ger Ent­wick­lun­gen inhalt­lich und struk­tu­rell aus­rich­ten will. Dabei ver­folgt er das Ziel, die For­schungs- und Lehr­in­sti­tu­tio­nen der Kir­che in ihrem instru­men­tel­len Cha­rak­ter inner­halb der Heils­sen­dung der Kir­che zu bestär­ken, ohne dadurch jedoch den Anspruch auf höchs­te wis­sen­schaft­li­che und metho­di­sche Qua­li­tät in Zwei­fel zu stel­len. So ergibt sich für die kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen a lon­ge das unver­zicht­ba­re inhalt­li­che und for­ma­le Erfor­der­nis, „den Auf­bau und die metho­di­sche Dyna­mik der vom kirch­li­chen Stu­di­en­sys­tem vor­ge­schla­ge­nen Lehr­plä­ne im Hin­blick auf ihre theo­lo­gi­sche Fra­ge­stel­lung, auf ihre Leit­prin­zi­pi­en und ihre unter­schied­li­chen Ebe­nen der fach­li­chen, päd­ago­gi­schen und didak­ti­schen Glie­de­rung neu zu prüfen.“32 Dem­entspre­chend sind Ziel­set­zung und Glie­de­rung der theo­lo­gi­schen Dis­zi­pli­nen zu über­den­ken und zu aktua­li­sie­ren. Damit ist das Ziel ver­bun­den, „intel­lek­tu­el­le Instru­men­te zu ent­wi­ckeln, die sich als Para­dig­men eines Han­delns und Den­kens erwei­sen, die für die Ver­kün­di­gung in einer Welt, die von einem ethisch-reli­giö­sen Plu­ra­lis­mus geprägt ist, nütz­lich sind.“33 Neben einer fun­dier­ten theo­lo­gi­schen Kennt­nis und einem damit ver­bun­de­nen evan­ge­li­sie­ren­den Bewusst­sein erfor­dert dies ohne Zwei­fel den Pro­zess einer ver­stärk­ten Öff­nung und dia­log­alen Struk­tur der kirch­li­chen Hoch­schu­le, um sich den ver­än­dern­den kul­tu­rel­len Kon­tex­ten zu stel­len, die­se ler­nend zu erken­nen und in sie hin­ein­zu­wir­ken. Neben der gro­ßen Chan­ce, die damit für die Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums ver­bun­den ist, bringt das nicht weni­ge Risi­ken mit sich, vor allem das Wag­nis, theo­lo­gi­sche Fra­ge­stel­lun­gen und Ant­wor­ten ver­stärk­ter in das wis­sen­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Gespräch ein­zu­brin­gen, das sich nicht sel­ten schon von der kirch­li­chen Rea­li­tät ent­fernt hat.34 III. Kon­se­quen­zen für kirch­li­che Hoch­schu­len Die bis­he­ri­gen Reak­tio­nen auf Ver­ti­ta­tis gau­di­um aus dem Bereich der Kano­nis­tik bele­gen nach­weis­lich, dass die Kon­sti­tu­ti­on das Recht für die kirch­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten nicht neu erfin­det, son­dern sich bewusst in die bis­he­ri­ge Gesetz­ge­bung einreiht.35 Die syn­op­ti­sche Gegen­über­stel­lung der bei­den Rechts­tex­te ver­deut­licht dies augen­schein­lich. Gleich­zei­tig kann eine Rei­he von ver­än­der­ten Bestim­mun­gen benannt wer­den, die sich einer­seits der Auf­nah­me der bis­he­ri­gen Rechts­fort­schrei­bung, ande­rer­seits der Kon­sti­tu­ti­on und ihrer inhalt­li­che Per­spek­ti­ve ver­dan­ken. Dazu gehö­ren u.a. die Unter­schei­dung von Sta­tu­ten, Stu­di­en­ord­nung und Ord­nun­gen, die Min­dest­zahl von fest­an­ge­stell­ten Dozen­ten, Nor­men zur Errich­tung einer kirch­li­chen Fakul­tät, Bestim­mun­gen zur Qua­li­täts­si- 3 2 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 27–34 36 Vgl. dazu Ulrich Rho­de, Recht­li­che Ände­run­gen, die sich aus der Apos­to­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Veri­ta­tis gau­di­um und den zuge­hö­ri­gen Ordi­na­tio­nes erge­ben, in: edu­ca­tio catho­li­ca 4 (2018) 57–68. 37 Für die Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten in staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten wer­den gemäß Art. 92 VG län­ge­re Zeit­räu­me ermög­licht. 38 Mit Blick auf ehe­recht­li­che Fort­bil­dun­gen für kirch­li­che Bediens­te­te vgl. Ambros, Sen­dung (Anm. 10), 55. 39 VG, 3. che­rung, die Auf­ga­be der Kon­gre­ga­ti­on für das Katho­li­sche Bil­dungs­we­sen als bevoll­mäch­tig­ter Ansprech­part­ner auf uni­ver­sal­kirch­li­cher Ebe­ne für die Aus­bil­dungs­fra­gen im Rah­men des Bolo­gna-Pro­zes­ses und der Lis­sa­bon-Kon­ven­ti­on, die Fra­ge der Pries­ter­quo­te im Pro­fes­so­ri­um und ande­res mehr.36 Die Fra­ge dabei bleibt, wel­che unmit­tel­ba­ren Kon­se­quen­zen sich aus der inhalt­li­chen Neu­aus­rich­tung der kirch­li­chen Hoch­schu­len für die Zukunft erge­ben oder erge­ben kön­nen. 1. Umset­zung zum aka­de­mi­schen Jahr 2018/2019 Gemäß Art. 88 VG fin­det die Kon­sti­tu­ti­on Anwen­dung mit Beginn des aka­de­mi­schen Jah­res 2018/2019. Die betref­fen­den Sta­tu­ten und Stu­di­en­ord­nun­gen der kirch­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten sind im Sin­ne der vor­ge­leg­ten Nor­men zu über­ar­bei­ten und bis zum 8.12.2019 der Kon­gre­ga­ti­on zur Appro­ba­ti­on vorzulegen.37 Hier­bei wird es ins­be­son­de­re dar­um gehen, die inhalt­li­che Aus­rich­tung mit Hil­fe der vier in Veri­ta­tis gau­di­um genann­ten Kri­te­ri­en zu ver­an­kern. Wie weit die Ände­run­gen rei­chen, hängt sicher immer von den jewei­li­gen Sta­tu­ten und Stu­di­en­ord­nun­gen im Ein­zel­nen ab. Doch ins­be­son­de­re da, wo zukünf­tig eine kirch­li­che Hoch­schu­le neu errich­tet oder eine bestehen­de umge­wid­met wür­de, ist an eine grund­sätz­li­che Neu­fas­sung der ent­spre­chen­den Rechts­tex­te im Geist von Veri­ta­tis gau­di­um zu den­ken. 2. Fort­füh­rung der per­so­nel­len Öff­nung kirch­li­cher Hoch­schu­len Unter beson­de­rer Beach­tung des ers­ten Kri­te­ri­ums (Ein­füh­rung in das Keryg­ma) wird dar­auf Wert zu legen sein, dass sich die kirch­li­chen Hoch­schu­len ver­stärkt einer brei­te­ren Grup­pe von Stu­die­ren­den öff­nen. Sie sind zwar auch heu­te ins­be­son­de­re als Theo­lo­gi­sche Fakul­tä­ten vor­ran­gig auf die aka­de­mi­sche Pries­ter­aus­bil­dung aus­ge­rich­tet. Doch gemäß Art. 3 und 68–87 VG die­nen sie in umfas­sen­der Wei­se allen Gläu­bi­gen – Män­nern und Frau­en – zur Aus- bzw. Wei­ter­bil­dung hin­sicht­lich der ver­schie­de­nen kirch­li­chen Diens­te, Ämter und Beru­fe oder grund­sätz­lich der theo­lo­gi­schen Bil­dung, auf die jeder Gläu­bi­ge gemäß c. 229 § 2 CIC ein Anrecht besitzt. Gera­de hier kön­nen die mit dem vier­ten Kri­te­ri­um ein­ge­for­der­ten Koope­ra­tio­nen mit ande­ren kirch­li­chen und gesell­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen grei­fen, wenn die­se auf die Fort- und Wei­ter­bil­dung von Mit­ar­bei­ten­den mit Hil­fe von Zer­ti­fi­kats­stu­di­en aus­ge­rich­tet sind.38 Die kirch­li­chen Hoch­schu­len erwei­sen sich dadurch als Orte jener „performative(n) Inter­pre­ta­ti­on der Wirk­lich­keit“, die auf dia­lo­gi­sche Wei­se die Wirk­lich­kei­ten mensch­li­cher und gesell­schaft­li­cher Exis­tenz durch­drin­gen und zugleich jene Hil­fen des Evan­ge­li­ums bereit­stel­len, die mit den „Gaben der Weis­heit und der Wis­sen­schaft“ ver­mit­telt werden.39 3. Ein­rich­tung neu­er Stu­di­en­gän­ge In den kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen – hier vor allem den Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten – sind die grund­stän­di­gen und kano­ni­schen (vom Apos­to­li­schen Stuhl errich­te­ten) Stu­di­en­gän­ge eta­bliert, die der Aus­bil­dung zu den kirch­li­chen Beru­fen mit der Ver­lei­hung der ent­spre­chen­den aka­de­mi­schen Gra­de gemäß Art. 8 § 1 und 35 OrdVG die­nen. Dazu gehö­ren uni­ver­sal­kirch­lich das Bak­ka­lau­re­at mit einem nach­fol­gen­den Lizen­ti­at (sowie gege­be­nen­falls einem Dok­to­rats­stu­di­um) sowie in den deutsch­spra­chi­gen Gebie­ten der Magis­ter Theo­lo­giae. Dazu gibt es in staat­li­cher Koope­ra­ti­on ein­ge­rich­te­te und eigens akkre­di­tier­te Lehr­amts­stu­di­en­gän­ge (Bache­lor und Mas­ter of Edu­ca­ti­on), die auf die Aus­bil­dung künf­ti­ger Reli­gi­ons­leh­rer aus­ge­rich­tet sind. Wenn Art. 52 VG dar­über hin­aus die Mög­lich­keit eröff­net, neben den bekann­ten aka­de­mi­schen Gra­den auch „ande­re Titel“ ent­spre­chend der ver­schie­de­nen Fakul­tä­ten und Stu­di­en­ord­nun­gen zu ver­lei­hen, ist dar­an zu den­ken, im Rah­men der durch das vier­te Kri­te­ri­um benann­ten Netz­werk­for­de­rung wei­te­re und an den Erfor­der­nis­sen der Stu­die­ren­den ori­en­tier­te Stu­di­en­gän­ge zu ermög­li­chen. Das kön­nen theo­lo­gi­sche und /oder inter­dis­zi­pli­när ange­leg­te Bache­lor- und Mas­ter­stu­di­en­gän­ge sein, die ins­be­son­de­re den Erfor­der­nis­sen des Dia­logs als Kul­tur der Begeg­nung die­nen. Zu nen­nen sind hier bei­spiels­wei­se die Not­wen­dig­kei­ten spe­zi­fi­scher inter­re­li­giö­ser und kul­tu­rel­ler Stu­di­en, aber auch jene, die sich mit den Anfor­de­run­gen der Glo­ba­li­sie­rung, der medi­zi­ni­schen Ethik und Gesund­heits­diens­te oder der Media­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung mensch­li­chen Lebens aus­ein­an­der­set­zen und mit den theo­lo­gi­schen Posi­tio­nen im Blick auf den Men­schen als Geschöpf Got­tes kon­fron­tie­ren. Als hilf­reich wür­de sich hier die Errich­tung ein­schlä­gi­ger Lehr­stüh­le Ohly · Aspek­te der Neu­aus­rich­tung kirch­li­cher Uni­ver­si­tä­ten und Fakul­tä­ten 3 3 im Bereich der Fakul­tät selbst oder in Form der Koope­ra­ti­on mit Lehr­stüh­len ande­rer Fakul­tä­ten oder Fach­be­rei­che erweisen.40 Der Aus­bau sol­cher Stu­di­en­gän­ge mit einer mög­li­chen Eta­blie­rung ein­schlä­gi­ger theo­lo­gi­scher Kom­pe­tenz­zen­tren ver­mag die kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen durch eine Balan­ce von wis­sen­schaft­li­cher, qua­li­ta­tiv anspruchs­vol­ler Theo­lo­gie und von inte­r­und trans­dis­zi­pli­nä­ren Stu­di­en sowohl nach innen als auch nach außen zu einem aus­kunfts­fä­hi­gen und her­aus­for­dern­den Gesprächs­part­ner zu entwickeln.41 4. Sons­ti­ge kirch­li­che Fakul­tä­ten Über die­se mög­li­chen neu­en Stu­di­en­gän­ge hin­aus, die in den (klas­si­schen) kirch­li­chen Hoch­schul­ein­rich­tun­gen (Theo­lo­gi­sche, Kir­chen­recht­li­che, Phi­lo­so­phi­sche Fakul­tä­ten) imple­men­tiert wer­den kön­nen, weist Art. 85 VG auf die Errich­tungs­mög­lich­keit „ande­rer kirch­li­cher Fakul­tä­ten“ hin. Die­se kön­nen in weit­rei­chen­de­rer Wei­se dem Anspruch der „kul­tu­rel­len Labo­ra­to­ri­en“ Genü­ge leis­ten, die Papst Fran­zis­kus in den Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen der Kir­che sehen möch­te. So wären dem­zu­fol­ge kirch­li­che Fakul­tä­ten oder Insti­tu­te denk­bar, die sich in spe­zi­fi­scher Wei­se spe­zi­el­len Berei­chen der Theo­lo­gie, des kirch­li­chen Rechts, der Phi­lo­so­phie oder der Kir­chen­ge­schich­te eben­so wid­men wie Stu­di­en- und For­schungs­in­sti­tu­tio­nen, die sich durch die Kon­zen­tra­ti­on auf und den Dia­log mit außer­kirch­li­chen Wis­sen­schafts­be­rei­chen aus­zeich­nen. Dazu gehö­ren bei­spiels­wei­se die Human- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten eben­so wie zahl­rei­che geis­tes- und kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Berei­che (wie Kunst und Musik), mit denen Gläu­bi­ge auf spe­zi­fi­sche apos­to­li­sche Auf­ga­ben ange­mes­sen vor­be­rei­tet wer­den kön­nen. 5. Fazit Mit den Bestim­mun­gen der Apos­to­li­schen Kon­sti­tu­ti­on wird das Bemü­hen um Inno­va­ti­on und Krea­ti­vi­tät im Blick auf die Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums im ver­än­der­ten Kon­text des aktu­el­len Zeit­fens­ters der Kir­che offen­kun­dig. Dahin­ter wird von neu­em jener Mut der apos­to­li­schen Urkir­che erkenn­bar, sich den Berei­chen der Welt als Ort des Evan­ge­li­ums nicht zu ver­schlie­ßen, son­dern mit der Heils­bot­schaft des Evan­ge­li­ums die Kul­tur der Begeg­nung zu pfle­gen. Die­ser Mut soll­te auch und gera­de die Begeg­nung im Licht wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Leh­re, aka­de­mi­scher Aus- und Fort­bil­dung sowie inter- und trans­dis­zi­pli­nä­ren Arbei­tens prä­gen. Veri­ta­tis gau­di­um ruft in Erin­ne­rung, dass die­se Begeg­nung zu den größ­ten kul­tu­rel­len und spi­ri­tu­el­len Her­aus­for­de­run­gen der kirch­li­chen Bil­dung und Ver­kün­di­gung im gegen­wär­ti­gen Moment der Kir­chen­ge­schich­te gehört.42 Sich ihnen zu ver­sa­gen, wäre ein Ein­ge­ständ­nis des Ver­za­gens. Sich ihnen hin­ge­gen mit der Freu­de der Wahr­heit zu stel­len, ist ein Pro­pri­um des Christ­li­chen. Chris­toph Ohly ist Inha­ber des Lehr­stuhls für Kir­chen­recht an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät Trier sowie Gast­pro­fes­sor an der Kano­nis­ti­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät San Dáma­so in Madrid. 40 Exem­pla­risch kann hier auf den in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein­zig­ar­ti­gen Koope­ra­ti­ons­ver­trag zwi­schen der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät Trier und der Uni­ver­si­tät Trier ver­wie­sen wer­den. Über die bestehen­den For­men der Ver­net­zung von Lehr­ver­an­stal­tun­gen unter­schied­li­cher Fach­be­rei­che mit dem theo­lo­gi­schen Stu­di­um wird der­zeit an einer mög­li­chen Eta­blie­rung von dia­lo­gisch kon­zi­pier­ten Mas­ter­stu­di­en­gän­gen gear­bei­tet. Sie­he dazu https://www.uni-trier.de/index.php?id=42448 (Zugriff: 02.11.2018). 41 Vgl. dazu VG, 5. Hier kann die Katho­li­sche Uni­ver­si­tät gemäß AK Ex cor­de Eccle­siae (Anm. 13) mit ihren ver­schie­de­nen Fakul­tä­ten und einer theo­lo­gi­schen Stu­di­en­ein­rich­tung als Vor­bild die­nen. Vgl. cc. 807–814 CIC. 42 Vgl. VG, 6. 3 4 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 27–34