Übersicht
I. Einführung
1. Verschiedene Modelle einer organisatorischen Zusammenfüh- rung von akademischer und nicht akademischer Polizeiaus- und ‑fortbildung
2. Organisationsreform als Hochschulverfassungsproblem
II. Allgemeine verfassungsrechtliche Leitlinien für die Auflösung einer Hochschule nebst Neuorganisation
III. Wissenschaftsadäquanz der Akademie-Konstruktion
1. Weiter, aber keineswegs grenzenloser Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
2. Fehlende organisatorische Selbstständigkeit des Fachhoch- schulbereichs gegenüber der Akademie
3. Reichweite des Parlamentsvorbehalts
IV. Einzelfragen unter besonderer Berücksichtigung des Ham- burger Modells
1. Bestimmung der Leitung
a) Auswahl der Leiterin oder des Leiters der Akademie der Poli- zei
b) Abwahlmöglichkeiten u.Ä.
c) Stellvertretung beim Dekan
2. Mitwirkung Externer in Gremien
a) Beratende Mitwirkung eines Vertreters der Polizeiakademie sowie eines Vertreters der Aufsichtsbehörde im Fachbereichsrat
b) Mitwirkung von Polizeivertretern bei der Entwicklung des Curriculums in einer Gemeinsamen Kommission
3. Ressourcenausstattung des Studien- bzw. Fachhochschulbe- reichs
4. Aushilfsverpflichtung der Professoren im außerakademischen Bereich
5. Entscheidungsbefugnisse des Akademieleiters bzw. Direktors über die Gewährung von Leistungszulagen
V. Abschließende Gesamtwürdigung
I. Einführung
In mehreren Bundesländern ist es in den vergangenen Jahren zu einer Organisationsreform der Aus- und Fort- bildung der Polizei gekommen. Man erhofft sich Syner- gieeffekte durch eine mehr oder minder weitreichende Verklammerung der akademischen (Fachhochschul-)
* Aktualisierte und um Ausführungen zu anderen Bundesländern erweiterte Fassung eines Rechtsgutachtens des Verfassers für Professoren der Hochschule der Polizei Hamburg.
Bildung des gehobenen und der berufspraktischen Aus- bildung des mittleren Polizeidienstes. Zugleich zeugt die Reform von einer gewissen Unzufriedenheit der Politik mit einem vermeintlich zu abgehobenen, polizeiprakti- sche Fähigkeiten tendenziell zu gering schätzenden Fachhochschulstudium. Im besten Falle könnte nun die akademische Ausbildung polizeipraktisch besser unter- füttert und die berufpraktische Aus- und Fortbildung partiell akademisch befruchtet werden. Schlimmsten- falls drohte dagegen mit der Zurückdrängung akademi- scher Strukturen ein Verlust kritischer Reflexion zuguns- ten von problematischem Chorgeist.
Juristisch geht es um die Reichweite und den Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre in den neu ge- schaffenen hybriden Organisationsstrukturen.
1. Verschiedene Modelle einer organisatorischen Zusammenführung von akademischer und nicht akade- mischer Polizeiaus- und ‑fortbildung
Für eine Verknüpfung von verschiedenen Stufen und Arten der Polizeiaus- und ‑fortbildung finden sich unter- schiedliche Modelle. Zur Illustration seien drei Bundes- länder beispielhaft herausgegriffen.
Den Anfang machte Niedersachsen mit seinem „Ge- setz über die Polizeiakademie Niedersachsen“ (PolAkG Nds.) vom 13. September 2007.1 Die frühere Niedersäch- sische Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege wurde aufgelöst und die Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst unter Überleitung der Professoren und Dozenten in eine neu geschaffene Polizeiakademie als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts integ- riert. Für die akademische Ausbildung (Bachelor-Studi- engang sowie die Beteiligung am Master-Studiengang der Deutschen Hochschule für Polizei, § 2 Abs. 1 Nr.1 u. 3 PolAkG Nds) gibt es einige Sonderstrukturen, nament- lich eine dem Fachbereichsrat nachempfundene Konfe- renz (§ 7 PolAkG Nds.) und eine Studierendenvertre- tung (§ 8 Abs. 2 PolAkG Nds). Für Professoren bedarf es eines Berufungsverfahrens (§ 10 Abs. 4 PolAkG Nds.). Für Angelegenheiten der akademischen Lehre und Forschung gilt statt der Fach- nur eine Rechtsaufsicht (vgl. § 3 PolAkG Nds.). Doch besitzt der akademische Teil innerhalb der
1 Art 2 des „Gesetzes zur Neuordnung der Ausbildung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in Niedersachsen“, Nds GVBl Nr 28 v 20.9.2007, S 444.
Michael Fehling
Neuorganisation der Polizeihochschulen und Wissenschaftsfreiheit*
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
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Akademie keinerlei institutionelle Selbständigkeit; der Di- rektor leitet die Akademie im Ganzen (vgl. § 6 PolAkG Nds.) und daneben gibt es keinen Dekan o.ä. Es handelt sich also um ein Akademie-Einheitsmodell mit eingeglie- dertem akademischen Ausbildungsteil und wenigen dar- auf bezogenen Sonderstrukturen. Die Wissenschaftsfrei- heit findet im Gesetz nirgendwo Erwähnung. Vor die- sem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht Göttingen sogar geurteilt, die Polizeiakademie Niedersachsen ent- halte keinen Hochschulteil und die dortigen Professoren seien deshalb gar keine Hochschullehrer.2 Darauf ist zu- rückzukommen.3
Baden-Württemberg hat zumindest formal den um- gekehrten Weg beschritten. Dort wurden im Rahmen ei- ner größeren Polizeistrukturreform4 der (Fach-)Hoch- schule Villingen-Schwenningen auf Grundlage von § 2 Abs. 6 S. 1 LHG BW durch Rechtsverordnung zusätzliche nichtakademische „Aufgaben eines Präsidiums Bildung“ als staatliche Weisungsaufgaben überantwortet (§ 2 Abs. 4 Satz 2 der geänderten ErrichtungsVO). Der Präsident der Hochschule, der vom Innenministerium ernannt wird, aber der Bestätigung des Hochschulsenats bedarf (§ 6 Abs. 1 ErrichtungsVO), steht mit seiner Verwaltung dem akademischen Bereich und dem Präsidium Bildung (§ 2 Abs. 4 Satz 5 ErrichtungsVO) zusammen vor; er wird im Präsidium Bildung durch einen vom Innenmi- nisterium bestellten Institutsleiter (§ 2 Abs. 4 Satz 6 der geänderten ErrichtungsVO) und im akademischen Be- reich durch einen Prorektor (§ 6 Abs. 2 ErrichtungsVO) vertreten. Im Hochschulbereich gibt es zusätzlich den Senat (§ 7 ErrichtungsVO) und darunter Fakultätsstruk- turen (§ 4 Abs. 2, §§ 9, 10 ErrichtungsVO). Dieses Mo- dell lässt sich als Polizeihochschule mit nichtakademi- schem Ausbildungsannex charakterisieren.
Eine organisatorisch komplexere Ausformung hat das Konzept einer integrierten Polizeiausbildung in Hamburg erfahren. Im Hamburgischen Polizeiakade- miegesetz (HmbPolAG) vom 17. September 20135 wurde die bisherige Hochschule der Polizei aufgelöst und als teilrechtsfähiger Fachhochschulbereich (§ 9 HmbPo- lAG) mit akademischer Selbstverwaltung (§ 11 HmbPo- lAG) in eine neu geschaffene Akademie der Polizei Ham- burg (§ 1 HmbPolAG) integriert. Der Fachhochschulbe- reich verfügt über die klassischen akademischen Organe
2 VG Göttingen 6.11.2013 – 1 A 190/13 – Rn 16 ff (juris), gestützt vor allem auf Andeutungen in den Gesetzesmaterialien Nds LT- Drs 15/3595, zu § 4 (S 14) und insbes zu § 9 (S 21 f), sowie bei den Ausschussberatungen, Nds LT-Drs 15/4054, S 2 ff; Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
Dekan und Fachbereichsrat (§ 14 HmbPolAG), die ab- schließend in Angelegenheiten von Forschung und Leh- re entscheiden (§ 18 HmbPolAG). Es finden sich jedoch auch vielfältige Verzahnungen zwischen dem behördlich- hierarchisch strukturierten Akademieüberbau (zum Vor- gesetztenverhältnis § 4 HmbPolAG) und dem Fachhoch- schulbereich. Der Leiter der Akademie wird durch die zu- ständige Behörde bestellt; der Dekan des Fachhoch- schulbereichs fungiert als dessen Vertreter (§ 3 HmbPolAG). Eine paritätisch besetzte gemeinsame Kommission erarbeitet Vorschläge und Empfehlungen für das Curriculum des Studiengangs (§ 6 HmbPolAG). An den Sitzungen des Fachbereichsrats können ein Ver- treter der praktischen Ausbildung in der Akademie so- wie ein Vertreter der Rechtsaufsicht mit beratender Stimme teilnehmen (§ 17 Abs. 2 HmbPolAG). Die Pro- fessoren und Dozenten des Fachhochschulbereichs ha- ben auch die Aufgabe, kurzzeitig und im Einzelfall die Akademie bei der Erfüllung ihrer sonstigen Aufgaben zu unterstützen (§ 26 Abs. 1 HmbPolAG). Dabei wird die Freiheit von Lehre und Forschung ausdrücklich allge- mein (§ 12 HmbPolAG) und an verschiedenen weiteren Stellen im Gesetz betont. Schlagwortartig kann man in Hamburg von einer Hochschule in einer nichtakademi- schen Akademie sprechen.
2. Organisationsreform als Hochschulverfassungspro- blem
Im demokratischen Rechtsstaat ist die Polizeiausbildung notwendig ein Politikum. Ihre Organisation muss zumin- dest im akademischen Bereich aber auch (hochschul-) verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Des- halb wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob die Reformen den Anforderungen der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) genügen, ob namentlich die akademi- sche Selbstverwaltung des Fachhochschulbereichs hin- reichend gesichert und die individuelle Freiheit der Pro- fessorinnen und Professoren in Forschung und Lehre strukturell gewährleistet ist. Dabei geht es keineswegs allein um die Wahrung akademischer Besitzstände der Betroffenen (vor allem der Professoren) und auch nicht um Wissenschaftsideale als Selbstzweck, wie sie für die Fachhochschulausbildung ohnehin nur eingeschränkt taugen. Vielmehr muss das Organisationsrecht als Steue-
3 Siehe unten II.
4 Polizeistrukturreformgesetz (PolRG) vom 23.07.2013, BW GBl
2013 S 233 ff.
5 Art 1 des „Gesetzes zur Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung
der Polizei Hamburg“, HmbGVBl Nr 38 v 24.9.2013, S 389.
Fehling · Polizeihochschulen und Wissenschaftsfreiheit 1 1 5
rungsressource6 ernst genommen werden. Damit liegt die Vermutung nahe, dass dortige einschneidende Ände- rungen mittelbar auch die Ausbildung selbst beeinflus- sen und die „Sozialisation“ sowie das Selbstverständnis unseres Polizeinachwuchses indirekt mit prägen.
Grundrechtliche Bedenken werden sowohl gegen die gewählte Grundstruktur einer Integration der Fach- hochschule in eine Polizeiakademie als auch gegen zahl- reiche Einzelregelungen geltend gemacht. Verfassungs- rechtlich greifen beide Ebenen ineinander. Art. 5 Abs. 3 GG fordert in der Summe eine wissenschaftsadäquate Organisationsstruktur. Strukturelle Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit müssen ausgeschlossen und ein adäquates Niveau der Partizipation muss gewährleistet sein,7 eine „nur hypothetische Gefährdung“ bleibt dage- gen unschädlich.8 Dies lässt sich jedoch nicht allein an- hand der abstrakten Organisationsstruktur beurteilen, sondern muss anhand der Einzelregelungen, die dieser Struktur Gestalt geben, überprüft werden. Einzelne Vor- schriften, die für sich genommen noch der verfassungs- konformen Auslegung und Handhabung zugänglich sein mögen, können sich dennoch gehäuft zu einer struktu- rellen Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit summie- ren.9 Umgekehrt schaffen einzelne Bestimmungen, die isoliert betrachtet verfassungsrechtlich bedenklich er- scheinen, in der übergreifenden Gesamtperspektive wo- möglich bloße Missbrauchsmöglichkeiten, welche auf- grund anderweitiger Sicherungen die Wissenschaftsfrei- heit nicht strukturell tangieren. Vor diesem Hintergrund gilt es im Folgenden nach Vorbemerkungen zur Reorga-
- 6 Grundlegend und begriffsprägend Schmidt-Aßmann/Hoffmann- Riem (Hrsg), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsres- source, 1997; ferner etwa Schuppert, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsfaktoren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg), Grundla- gen des Verwaltungsrechts, Bd 1, 2. Aufl 2012, § 16, insbes Rn 8 ff; speziell für das Hochschulorganisationsrecht Gärditz, Hoch- schulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S 307, der allgemein dem Konzept aber kritisch gegenüber- steht (vgl S 163 ff).
- 7 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116 f – Hamburger Hochschulgesetz.
- 8 BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 355 – Brandenburg-Beschluss.
- 9 Vgl für die individuelle Wissenschaftsfreiheit Geis, Universitäten im Wettbewerb, VVDStRL 69 (2010), 364, 396: „Viele verschiede- ne Steuerungsimpulse, die nach Intensität und Zurechenbarkeit einen „Eingriff weder im klassischen noch im faktischen Sinne begründen, können jedoch in ihrer Synergie zu so massiven Len- kungswirkungen führen, dass die Schutzgehalte durch wachsende Abhängigkeiten vom System sukzessive ausgehöhlt werden.“ Entsprechend ist in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik mitt- lerweile auch die Möglichkeit „additiver Grundrechtseingriffe“ anerkannt, vgl BVerfG 10.11.204 – 2BvR 581/01 – E 112, 304, 319 f; BVerfG 10.6.2009 – 1 BvR706, 814, 819, 832, 837/08 – E 123, 186, 265 f.
- 10 BVerfG 13.4.2010 – 1 BvR 216/07 – E 126, 1, 19 ff – Hamburger
nisation (sogleich II.) zunächst die allgemeine Organisa- tionsstruktur zu untersuchen (III.), dann sollen die pro- blematischen Einzelfragen erörtert (IV.) und schließlich muss eine übergreifende Gesamtwürdigung (V.) vorge- nommen werden.
II. Allgemeine verfassungsrechtliche Leitlinien für die Auflösung einer Hochschule nebst Neuorganisation
Die Wissenschaftsfreiheit, auf die sich auch Fachhoch- schulen und deren Professoren berufen können,10 schützt weder die Hochschule noch ihre Angehörigen davor, dass die Hochschule im Zuge einer Strukturreform neu organisiert oder gar aufgelöst wird.11 Gleiches gilt für das Landesverfassungsrecht.12 Zwecks hinreichenden Grund- rechtsschutzes durch Verfahren muss freilich der Reform- prozess so ausgestaltet werden, dass die Betroffenen ihre Vorstellungen und gegebenenfalls Bedenken einbringen können.13 Vor allem müssen die Professorinnen und Pro- fessoren bei der Auflösung ihrer bisherigen Hochschule an einer anderen (neuen) Hochschule amtsangemessen, also mit freier Forschung und Lehre, beschäftigt werden. Das Recht eines beamteten Professors auf Beschäftigung entsprechend der Wertigkeit seines statusrechtlichen Amtes ergibt sich schon allgemein aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG);14 ergänzend und die beamtenrechtlichen Grundsät- ze überlagernd garantiert Art. 5 Abs. 3 GG zudem auch in dem neuen Amt hinreichende wissenschaftliche
Hochschulgesetz; dem folgend BVerwG 26.9.2012 – BVerwG 6
CN 1.11 – E 144, 195, Rn 12.
11 BVerfG 10.3.1992 – 1 BvR 454 ua/91 – E 85, 360, 382 u 384 f –
Akademie der Wissenschaften; BVerwG 18.11.2004 – 4 CN 11/03 – NVwZ-RR 2005, 442, 443; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl 2004, Rn 217; Britz, in: Dreier (Hrsg), GG-Kommentar, Bd I, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Wissenschaft) Rn 82; eine planungs- ähnliche Rechtfertigung fordert Geis, Autonomie der Universitä- ten, in: Merten/Papier (Hrsg), Handbuch der Grundrechte, Band IV, 2011, § 100 Rn 41 f.
12 Überblick bei Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährlei- stungsstaat, 2012, S 154 ff; vgl auch Gärditz, Hochschulorganisa- tion (Fn 6), S 380 ff Art 5 Abs 3 Abs 3 Satz 1 Nds LV garantiert über die Wissenschaftsfreiheit zwar auch die akademische Selbst- verwaltung, doch nur soweit es sich (noch) um eine Hochschule handelt. Die Bestandsgarantie des Art 85 LV BW bezieht sich ausdrücklich nur auf „Hochschulen mit Promotionsrecht“. In der HmbLV werden weder Wissenschaftsfreiheit noch Hochschul- selbstverwaltung erwähnt.
13 Zum Anhörungsrecht Geis, in: HGR IV (Fn 11), § 100 Rn 20; Starck, in: v Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg), GG-Kommentar, Bd 1, 6. Aufl 2010, Art 5 Abs 3 Rn 367 u 381.
14 Ständige Rspr seit BVerfG 2.12.1958, E 8, 332, 344 ff; die Position eines Instituts- und Klinikdirektors an einem Universitätsklini- kum betreffend BVerfG 8.2.1977 – 1 BvL 27/55 – E 43, 242, 282; zusammenfassend Jachmann, in: v Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg), GG-Kommentar, Bd 2, 6. Aufl 2010, Art 33 Abs 5 Rn 52.
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Unabhängigkeit.15 Schon dagegen würde das Niedersäch- sische Modell verstoßen, wenn es sich, wie das Verwal- tungsgericht Göttingen annimmt,16 bei der dortigen Polizeiakademie auch in ihrem mit der Bachelor-Ausbil- dung betrauten Zweig materiell nicht mehr um eine Hochschule handelte. Dass die betroffenen Hochschul- lehrer nur mit ihrer Zustimmung an die Berufsakademie versetzt werden konnten (§ 13 Abs. 1 PolAkG Nds.), ändert daran nichts. Denn die Betroffenen konnten – auch im Hinblick auf die Gesetzesmaterialien17 – wohl davon ausgehen, dass ihre neue Einrichtung zumindest partiell (auf den Bachelor-Studiengang bezogen) Hoch- schulstatus besitzen sollte. Überraschenderweise wird all dies vom Verwaltungsgericht Göttingen nicht einmal angesprochen. Richtigerweise hätte das Gericht erwägen müssen, ob eine verfassungskonforme Auslegung des Polizeiakademiegesetztes von Niedersachsen dahinge- hend möglich ist, dass es sich beim organisatorischen Rahmen der Bachelor-Ausbildung der Sache nach doch um einen Hochschulzweig handelt.
Die Wissenschaftsfreiheit garantiert ferner nicht, dass die Ausbildung bestimmter Polizeibeamter an einer Hochschule stattfindet. Unter diesem Aspekt wäre es also unbedenklich, wenn die neue niedersächsische Ba- chelor-Ausbildung nicht mehr als Hochschulausbildung zu qualifizieren wäre.18 Wenn sich jedoch der Gesetzge- ber für eine (Fach-) Hochschulausbildung entscheidet, wie dies in Baden-Württemberg und auch in Hamburg unstreitig weiterhin der Fall ist, muss er bei der Organi- sation dieser Hochschule in vollem Umfang den Anfor- derungen des Art. 5 Abs. 3 GG genügen. Das Schutzni- veau der Wissenschaftsfreiheit wird nicht dadurch redu- ziert, dass man auf Hochschulstrukturen und eine wis- senschaftlich fundierte Ausbildung verfassungsrechtlich auch ganz verzichten könnte.
- 15 Vgl BVerfG 8.2.1977– 1 BvL 27/55 – E 43, 242, 282 ff, dort freilich mehr zu den Grenzen dieses Rechts; Karpen, Schließung einer Hochschule wegen Studentenmangels, 1989, S 69; Fehling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art 5 Abs 3 GG (Wissenschaftsfreiheit), Rn 48, 110, 113; weniger klar Detmer, Das Recht der (Universitäts-)Professoren, in: Hartmer/Detmer (Hrsg), Hochschulrecht, 2. Aufl 2011, Kap IV Rn 217. Zum im Einzelnen umstrittenen Verhältnis zwischen Art 5 Abs 3 GG und Art 33 Abs 5 GG, vgl BVerfG 26.10.2008 – 1 BvR 462/06 – E 122, 89, 105 f; Bäcker, Wissenschaft als Amt: das verfassungsrechtliche Hochschullehrerbeamtenrecht aus Art 33 Abs 5 GG iVm Art 5 Abs 3 GG, AöR 135 (2010), 78 ff.
- 16 Siehe oben Fn 2.
- 17 Neben den vom VG Göttingen angeführten Passagen (oben Fn2), finden sich nämlich auch solche, die die bloße Rechtsaufsicht bei Lehre und Forschung (zu § 3, S 19) sowie die „akademische Strukturgebung“ und die dazu erforderliche „Unabhängigkeit des Organs Konferenz“ (zu § 5, S 20) betonen.
- 18 Insoweit weist VG Göttingen 6.11.2013 – 1 A 190/13 – Rn 38 (juris) zutreffend darauf hin, dass nach § 6a Nds Berufsaka- demieG vom 6.6.1994 (Nds GVBl S 233) iVm. dem Beschluss
Ebenso wenig rechtfertigt die Tatsache, dass es sich „nur“ um eine Fachhochschule handelt, ein Abweichen von allge- meinenhochschulverfassungsrechtlichenGrundsätzen.Der Unterschied von Fachhochschulen zu wissenschaftlichen Hochschulen erschöpft sich in einer bei den Fachhoch- schulen praxisnäheren Struktur von Lehre und Forschung und einem stärkeren Gewicht der Lehr- gegenüber den For- schungsaufgaben. Im Rahmen dieses etwas anderen Auf- trags, der sich zugleich im funktionalen Amt der Hoch- schullehrer niederschlägt, besteht jedoch individuelle Wissenschaftsfreiheit in gleichem Maße auch für Fach- hochschulprofessorinnen und ‑professoren;19 konse- quenterweise kann es dann auch keine grundsätzlichen Unterschiede in den Anforderungen an die grundrechts- konforme Organisationsstruktur geben.20
Schließlich vermögen auch die besonderen Anforde- rungen der Polizei kein Abweichen von den allgemeinen hochschulverfassungsrechtlichen Geboten zu rechtferti- gen.21 Wie noch darzulegen sein wird, sind die Anforde- rungen an eine wissenschaftsadäquate Organisations- struktur ihrerseits hinreichend offen für die Berücksich- tigung solcher spezifischer gesellschaftlicher und staatli- cher Gemeinwohlzwecke. Derartige Zwecke vermögen im verhältnismäßigen Rahmen gegebenenfalls staatliche Einwirkungsmöglichkeiten zu rechtfertigen, die mittel- bar auch die Bedingungen für Forschung und Lehre be- einflussen. Spezifische Erfordernisse der Polizeiausbil- dung können jedoch ebenso wenig wie andere Gemein- wohlbelange die verfassungsrechtliche Rechtfertigungs- last beseitigen, welche die Wissenschaftsfreiheit dem Gesetzgeber bei der Zurückdrängung der Selbstverwal- tunginderHochschulorganisation auferlegt.
Damit bleiben bei der Neuorganisation der akade- mischen Polizeiausbildung uneingeschränkt die allge- meinen Grundsätze maßgeblich, die das Bundesverfas-
der Kultusministerkonferenz vom 15.10.2004 ein Bachelor- Studiengang nicht zwingend an einer Hochschule angesiedelt sein muss, sondern auch an einer Berufsakademie stattfinden kann; einen gewissen Angleichungsprozess konstatiert insoweit Lynen, Typisierung von Hochschulen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg), Hochschulrecht, 2. Aufl 2011, Kap III Rn 27.
19 Siehe oben Fn 10.
20 Besonders deutlich Gärditz, Hochschulorganisation (Fn 6), S 614;
Lynen, in: Hartmer/Detmer (Fn 18), Kap III Rn 39; aA beiläufig
und ohne nähere Begründung Starck (Fn 13), Art 5 Abs 3 Rn 399. 21 Vgl Reinhardt, Rechtsfragen der Statusänderung von Verwal-
tungsfachhochschulen, NJ 2005, 489, 490, der eine Einschränkung oder gar Abschaffung der Selbstverwaltung an der Fachhoch- schule für Polizei Sachsen-Anhalts an der dortigen landesverfas- sungsrechtlichen Garantie der Hochschulselbstverwaltung misst. Zweifeld dagegen Gärditz, Hochschulorganisation (Fn 6), S 614, der die Wissenschaftlichkeit der Beamtenausbildung an speziali- sierten Fachhochschulen anzweifelt, ohne aber näher darzulegen, warum sich dies strukturell von der Ausbildung an allgemeinen Fachhochschulen unterscheide.
Fehling · Polizeihochschulen und Wissenschaftsfreiheit 1 1 7
sungsgericht in den Beschlüssen zum Hamburger Hoch- schulgesetz22 und zum Brandenburger Hochschulgesetz23 entwickelt hat. Gewisse Anhaltspunkte zur verfassungsrecht- lichen Einschätzung der Akademie-Konstruktion lassen sich ferner der älteren Entscheidung zur Hochschulmedi- zin24 entnehmen.
III. Wissenschaftsadäquanz der Akademie-Konstruk- tion
1. Weiter, aber keineswegs grenzenloser Gestaltungs- spielraum des Gesetzgebers
Mit der Einbindung der Fachhochschule in eine Polizei- akademie hat Hamburg – bei an Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m Art. 5 Abs. 3 GG orientierter Auslegung des dortigen Akademiemodells25 womöglich zuvor aber auch schon Niedersachsen – Neuland betreten. Dies allein ist jedoch verfassungsrechtlich unschädlich; der Landesgesetzge- ber hat einen großen hochschulorganisatorischen Spiel- raum:
„Solange der Gesetzgeber ein […] hinreichendes Maß an organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechts- träger sicherstellt, ist er frei, den Wissenschaftsbetrieb nach seinem Ermessen zu regeln, um die unterschiedli- chen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und die Interessen aller daran Beteiligten in Wahrnehmung sei- ner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in ange- messenen Ausgleich zu bringen [Zitat ausgelassen]. Er ist dabei nicht an überkommene hochschulorganisatori- sche Strukturen gebunden. Er darf neue Modelle und Steuerungstechniken entwickeln und erproben und ist sogar verpflichtet, bisherige Organisationsformen zu beobachten und zeitgemäß zu reformieren [Zitat ausge- lassen]. Ihm stehen dabei gerade hinsichtlich der Eig- nung neuer Organisationsformen ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu [Zitat ausgelassen].“26
- 22 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 114 ff.
- 23 BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 353, ff.
- 24 BVerfG 8.4.1981 – 1 BvR 608/79 – E 57, 70, 94 ff.
- 25 Siehe oben I. 1.
- 26 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116 mwN.
- 27 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 114. Die Direkti-onskraft dieses Ansatzes unterschätzt m.E. Krausnick, Staat undHochschule (Fn 12), S 129 ff.
- 28 Fehling, Hochschule, in: Fehling/Ruffert (Hrsg), Regulierungs-recht, § 17 Rn 30; Britz (Fn 11), Art 5 III (Wissenschaft) Rn 72; zurückhaltend Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), insbes 47 ff, weil er darin eine Minderung der staatlichen Verantwortung erblickt.
- 29 Vgl besonders deutlich Schulte, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2005]), 110, 124; Gärditz,
Diese Flexibilität rechtfertigt sich aus der demokrati- schen Legitimation des Gesetzgebers, der über seine Budgetverantwortung hinaus wissenschaftsexterne Ge- meinwohlbelange – im Hochschulsystem in einer sich wandelnden Gesellschaft politisch immer wieder neu zu definieren und über Organisations – und Verfahrensre- gelungen abwägend zur Geltung zu bringen hat. Hierbei trifft den Staat indes eine weitreichende Schutzpflicht27 oder auch Gewährleistungsverantwortung28 für die freie wissenschaftliche Entfaltung der einzelnen Grundrechts- träger; er muss dazu eine wissenschaftsadäquate Hoch- schulorganisation schaffen. Insoweit gilt ein weitreichen- der Parlamentsvorbehalt, da die Organisationsentschei- dungen äußerst grundrechtswesentlich sind.29 Wenn die Rechtsprechung vom Staat geeignete organisatorische Regelungen zur Verhinderung einer strukturellen Ge- fährdung der Wissenschaftsfreiheit verlangt, so ist damit mehr oder minder deutlich stets der parlamentarische Gesetzgeber gemeint.30 Die Schwelle zur Verfassungs- widrigkeit ist überschritten, wo die maßgeblichen Nor- men die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufga- benerfüllung strukturell gefährden. Dabei muss man das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge mit seinen unterschiedlichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten in den Blick nehmen.31
„Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch organi- satorische Regelungen verlangt […], dass die Träger der Wissenschaftsfreiheit durch ihre Vertreter in Hochschul- organen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit ab- wehren und ihre fachliche Kompetenz zur Verwirkli- chung der Wissenschaftsfreiheit in die Universität ein- bringen können. Der Gesetzgeber muss daher ein hinrei- chendes Niveau der Partizipation der Grundrechtsträger gewährleisten.“32
Hochschulorganisation (Fn 6), S 425 ff.
30 Ausdrücklich in BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E
111, 333, 355 f; siehe ferner das folgende wörtliche Zitat.
31 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116.
32 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 117; zur Notwen-
digkeit eines hinreichenden Partizipationsniveaus im Anschluss an Fehling, Neue Herausforderungen an die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, Die Verwaltung 35 (2002), 399, 403 f; ders in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 193; vgl auch Schulte (Fn 29), VVDStRL 65 (2006), 110, 128; Hendler, Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung, VVDStRL 65 (2006), 238, 250; Bumke, Universitäten im Wettbe- werb, VVDStRL 69 (2010), 407, 445; Geis, in: HGR IV (Fn 11), § 100 Rn 47, 59.
118 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128
In der Zusammenschau von Schutzpflichtansatz, Ge- bot wissenschaftsadäquater Organisationsstruktur, hin- reichendem Partizipationsniveau und Gesetzesvorbehalt zeigt sich, dass das Bundesverfassungsgericht dem Ge- setzgeber bei der Hochschulorganisation entgegen ver- breiteter Auffassung33 keineswegs einen Freibrief bis hin zur Willkürgrenze ausgestellt hat. So sehr das Gericht strukturkonservative Festlegungen vermeidet, so klar sucht es doch dem Hochschulgesetzgeber mit Zielvorga- ben die Richtung zu weisen.34 Spätestens im Zusammen- spiel gewinnen diese auch für die Selbstverwaltung durchaus Konturen.
Die Eingliederung des Fachhochschulbereichs in eine berufsschulisch geprägte Polizeiakademie lässt sich im Ansatz durchaus durch politisch neu definierte Ge- meinwohlanforderungen an eine zeitgemäße Polizeiaus- bildung rechtfertigen. Doch birgt diese Organisationsre- form auf den ersten Blick die Gefahr, dass wissenschafts- fremde hierarchische Strukturen aus der Akademie in den Fachhochschulbereich direkt oder indirekt hinüber- wirken. Darauf scheinen in Hamburg §§ 3, 4 HmbPolAG hinzudeuten, wonach der Fachhochschulbereich der Leitung der Polizeiakademie unterstellt wird. Allerdings schreibt § 4 S. 2 HmbPolAG ausdrücklich vor, dass die Wissenschaftsfreiheit bei der Wahrnehmung dieser Vor- gesetztenfunktion zu gewährleisten ist. Dem Fachhoch- schulbereich wird nach § 9 HmbPolAG zwar keine volle Rechtsfähigkeit, aber immerhin Teilrechtsfähigkeit zu- geschrieben, soweit ihm das Gesetz Selbstverwaltungs- rechte in Forschung und Lehre (§ 11 HmbPolAG) ein- räumt. Die bloße gesetzliche Betonung von Wissenschafts- freiheit und Selbstverwaltung durch den Gesetzgeber ist al- lerdings zum Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren noch nicht ausreichend; es müssen Strukturen geschaffen werden, die die Durchsetzung dieser Grundsät- ze in der alltäglichen Arbeit hinreichend ermöglichen und sicherstellen.
In Niedersachsen fehlt es schon an jeglicher aus- drücklicher Erwähnung von Wissenschaftsfreiheit und Selbstverwaltung im dortigen Polizeiakademiegesetz. Hier bedürfte es schon einer sehr weitreichenden Geset- zesauslegung, um aus den Einzelbestimmungen zur blo- ßen Rechtsaufsicht, zur fachbereichsratsähnlichen Kon-
- 33 Besonders deutlich Gärditz, Hochschulmanagement und Wis- senschaftsadäquanz, NVwZ 2005, 407, 409; Mager, Freiheit von Forschung und Lehre, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg), Handbuch des Staatsrechts, Bd 7, 3. Aufl 2009, § 166 Rn 40; zusammenfassend mwN Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), S 108 ff.
- 34 Ähnlich Bumke (Fn 32), VVDStRL 69 (2010), 407, 444 f.
- 35 In Anlehnung an die von K. Schmidt entwickelte Lehre von einervirtuellen juristischen Person, zB „Ersatzformen“ der Stiftung – Unselbständige Stiftung, Treuhand und Stiftungskörperschaft, in: Hopt/Reuter (Hrsg), Stiftungsrecht in Europa, 2001, S 175, 178 ff;
ferenz und zu Status und Berufung von Professoren so- wie zum Bachelor-Studium eine gleichsam virtuelle Hochschule35 innerhalb der Akademie zu konstruieren.
Auf allgemeiner Ebene lassen sich zwei Fragenkreise unterscheiden: Führt die Unterordnung des Fachhoch- schulbereichs unter eine solche Polizeiakademie schon von vornherein dazu, dass trotz verbaler Betonung von Wissenschaftsfreiheit und Selbstverwaltung strukturell Gefahren für die wissenschaftliche Entfaltung der Ange- hörigen des Fachhochschulbereichs entstehen? Hat der Gesetzgeber hinreichende Organisations- und Verfah- rensregelungen geschaffen, um das Selbstverwaltungs- recht und die individuelle Freiheit in Forschung und Lehre innerhalb der Akademie abzusichern?
2. Fehlende organisatorische Selbstständigkeit des Fach- hochschulbereichs gegenüber der Akademie
Die Einordnung des Wissenschaftsbetriebes in eine auß- erwissenschaftliche Struktur ist nicht gänzlich ohne Vor- bild. In Universitätskliniken sind wissenschaftliche For- schung und Lehre in der Medizin eng und vielfach untrennbar mit der Krankenversorgung verzahnt.36 Dies rechtfertigt für die Krankenversorgung im Gegensatz zu rein wissenschaftlichen Angelegenheiten straffere, hier- archisch statt kollegial strukturierter Leitungsstrukturen mit Weisungsrechten auch gegenüber Hochschullehrern (etwa in der Stellung von Oberärzten). Insgesamt muss der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen der Wissen- schaftsfreiheit und dem Anspruch der Kranken auf best- mögliche medizinische Versorgung herstellen.37 Dies lässt sich womöglich auf das Verhältnis von Forschung und Lehre in der Fachhochschule zum sonstigen polizei- lichen Ausbildungsbereich in der Akademie übertragen.
Allerdings waren und sind die Universitätskliniken der medizinischen Fakultät und erst recht der Universi- tät in der Organisationsstruktur nicht hierarchisch über- geordnet. Traditionell waren die Kliniken vielmehr gera- de umgekehrt Anstalten der Universität und damit dieser nachgeordnet. Allerdings hat das Bundesverfassungsge- richt eine komplette Herauslösung des Universitätsklini- kums aus der Universität und dessen Reorganisation als ausschließlich staatliche Anstalt verfassungsrechtlich als noch hinnehmbar erachtet, wenn Kooperationsregelun-
auf – allerdings private – Hochschulen bezogen ders., Hochschu- len in Rechtsformen des privaten Rechts, in: Kämmerer/Rawert (Hrsg), Hochschulstandort Deutschland, 2003, S 105, 116.
36 Hierzu und zum Folgenden Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 214; näher Sandberger, Das Recht der Hochschulmedizin, in: Hartmer/Detmer (Hrsg), Hochschulrecht, 2. Aufl 2011, Kap IX Rn 34 ff.
37 Grundlegend BVerfG 8.4.1981 – 1 BvR 608/79 – E 57, 70, 94 ff, im Anschluss an StGH BW 24.11.1973 – Gesch Reg 1/73 – ESVGH 24, 12 ff.
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gen einen hinreichenden Schutz der Wissenschaftsfrei- heit im Klinikum durch Organisation und Verfahren si- cherstellen.38 Auch diese rechtliche Konstruktion führt jedoch nur zu einem verzahnten Nebeneinander39 der staatlichen Institution (Klinikum) und der Hochschule (medizinischen Fakultät), nicht zu einer Überordnung des Ersteren über die Letztere.
Vor diesem Hintergrund weckt bereits die in Ham- burg gewählte Überordnung der Akademie über den – im Übrigen nur teilrechtsfähigen – Fachhochschulbe- reich verfassungsrechtliche Zweifel. Erst recht gilt dies für Niedersachsen. Als evident verfassungswidrig kann diese Lösung für sich genommen angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Hoch- schulorganisation aber wohl noch nicht eingestuft wer- den.40 Insbesondere verdeutlicht die Verfassungsrecht- sprechung, dass eine hierarchische Organisation mit Vorgesetztenfunktion auch dann nicht von vornherein verfassungswidrig ist, wenn sie Wissenschaftler mit ein- bezieht, solange nur deren wissenschaftliche Betätigung davon nicht mit erfasst wird.
In Baden-Württemberg bleiben die Hochschulstruk- turen durch die Ergänzung einer zweiten Säule in Form des Präsidiums Bildung scheinbar unangetastet. Jeden- falls der Form nach werden der Fachhochschule zusätzli- che Aufgaben zugewiesen; sie wird nicht einer außerwis- senschaftlichen Organisationseinheit unterstellt. Doch dür- fen den Hochschulen nicht in so großem Umfang zusätzli- che wissenschaftsferne Aufgaben übertragen werden, dass dadurch die individuelle Wissenschaftsfreiheit gleichsam durch institutionelle Überforderung ausge- höhlt wird.41 Dies muss erst recht gelten, wenn die neuen Aufgaben in einer wissenschaftsfremden Einheit hierar- chisch organisiert, aber auf der Leitungsebene mit den eigentlichen Hochschulaufgaben in Lehre und For- schung verklammert werden. Dadurch nähert sich das Baden-Württembergische Modell doch ein Stück weit demjenigen in Hamburg an.
3. Reichweite des Parlamentsvorbehalts
Darüber hinaus macht die Rechtsprechung deutlich, dass es gesetzlicher Regelungen für das Kooperations- verhältnis zwischen wissenschaftlichem und sonstigem (Klinikums- bzw. Polizeiakademie-)Bereich bedarf, um
- 38 Vgl BVerfG 11.11.2002 – 1 BvR 2145/01 – NWVBl 2003, 135, 137; kritisch dazu Sachs, Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 11.11.2002, NWVBl 2003, 138 f.
- 39 Von einem „hochschulmedizinische[n] Kooperationsprinzip“ spricht Gärditz, Hochschulorganisation (Fn 6), S 593 ff.
- 40 Grundsätzlich wohl anders, aber nicht mit Blick auf die hier un- tersuchten Strukturen, Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), S 386 f, wenn er die Rechtsform der Anstalt mangels mitglied-
den Schutz der Wissenschaftsfreiheit durch Organisati- on und Verfahren sicherzustellen. Die Anforderungen an Umfang und Bestimmtheit solcher Kooperationsre- gelungen werden noch höher zu schrauben sein, wenn, wie im vorliegenden Fall, sogar eine hierarchische Über- ordnung in der Organisationsstruktur vorgesehen ist.
Anders als das Niedersächsische Gesetz enthält das Hamburger Polizeiakademiegesetz umfangreiche Rege- lungen zur Selbstverwaltung des Fachhochschulbe- reichs. Demgegenüber finden sich selbst in Hamburg nur wenige Vorschriften, welche die Kooperation von Fachhochschulbereich und sonstigem Akademiebetrieb betreffen. Diese beschränken sich im Wesentlichen auf den Beirat (§ 5 HmbPolAG), die gemeinsame Kommissi- on (§ 6 HmbPolAG) sowie die noch gesondert zu be- trachtende Unterstützungspflicht der Professorinnen und Professoren bei Aufgaben der Akademie gemäß § 26 HmbPolAG. Die Aufgaben des sonstigen Akademiebe- reichs sind in § 2 HmbPolAG nur sehr global beschrie- ben; dessen innere Organisation ist gesetzlich überhaupt nicht geregelt und sollte dies nach der Entwurfsbegrün- dung42 ausdrücklich auch gar nicht werden. Mit der Aka- demie als gleichsam „Black Box“ bleibt aber auch die Reichweite des Vorgesetztenverhältnisses der Akade- mieleitung gegenüber dem Fachhochschulbereich (§ 4 HmbPolAG) im Dunkeln. Eine bloße Negativabgren- zung, wie sie das Gesetz mit der Ausklammerung der Aufgaben in Forschung und Lehre aus der Vorgesetzten- struktur vornimmt, erscheint im Hinblick auf die Grund- rechtswesentlichkeit dieser Organisations- und Verfah- rensregelungen verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Das Hamburger Polizeiakademiegesetz – und weit mehr noch das Niedersächsische Modell – vernachlässigen hier die Bedeutung der Kooperation und Verzahnung beider Akademiesäulen für eine wissenschaftsadäquate Organisationsstruktur und zur Vermeidung strukturel- ler Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit. Im Wissen- schaftsverfassungsrecht ist allgemein anerkannt, dass sich nicht einfach ein Bereich wissenschaftlicher Selbst- verwaltung und ein staatlicher Aufgabenbereich gegen- überstehen, sondern dazwischen ein breiter Kooperati- onsbereich existiert, in dem wissenschaftliche Belange und externe Gemeinwohlbelange so verzahnt sind, dass es Regeln zur wechselseitigen Abstimmung und Koope-
schaftlicher Struktur für durchweg unzulässig erklärt.
41 Vgl VGH Mannheim 12.01.1995 – 4 S 1016/92 – WissR 32
(1996), 196 ff; BVerwG 31.10.1995 – 2 NB 1/95 – NVwZ-RR 1996, 337 ff; besonders deutlich Fehling (Fn 32), Die Verwaltung 35 (2002), 399, 418; Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), S 159.
42 Bürgerschafts-Drs 20/8279, Allgemeines, S 24.
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ration unter Gewährleistung wissenschaftsfreundlichen Verhaltens bedarf.43 Dies muss erst recht gelten, wenn wie hier die Kooperationsstrukturen nicht in erster Linie zwischen zwei selbstständigen Rechtsträgern – Hoch- schule und Staat – bestehen, sondern in der Akademie gleichsam internalisiert werden. Gerade hier gilt: Nur das abstrakt-generelle Gesetz vermag hinreichende Dis- tanz zu fallbezogenen Einzelinteressen zu schaffen und die staatliche Unparteilichkeit in Wissenschaftsfragen zu gewährleisten.44 Eine weitreichende Delegation auf den Verordnungsgeber, gar mit Weiterübertragungsermäch- tigung (§ 32 HmbPolAG), wird dem insoweit bestehen- den weitreichenden Parlamentsvorbehalt kaum gerecht. Weitere Einzelheiten aus dem Hamburger Gesetz und der Entwurfsbegründung, namentlich die avisierte Unterstellung der Polizeiakademie unter das Polizeiprä- sidium45 sowie die in der Reichweite wenig klare bloße Teilrechtsfähigkeit des Fachhochschulbereichs, stützen diese Bedenken. Je größer die strukturellen Risiken einer gewählten Organisation für die Wissenschaftsfreiheit, umso elaborierter müssen kompensierend die gesetzli- chen Freiheitssicherungen ausfallen. Daran fehlt es für die Akademie-Konstruktion im Ganzen. Zu prüfen bleibt, ob die einzelnen Regelungen dies kompensieren können.
IV. Einzelfragen unter besonderer Berücksichtigung des Hamburger Modells
1. Bestimmung der Leitung
a) Auswahl der Leiterin oder des Leiters der Akademie der Polizei
In Baden-Württemberg werden Dekan und Rektor der Polizeihochschule zwar vom Innenministerium bestellt, doch bedarf er oder sie nunmehr46 der Bestätigung durch die Hochschule (§ 6 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 1 der geänder- ten ErrichtungsVO), die somit an der Personalauswahl
- 43 So schon Scholz, in: Maunz/Dürig ua (Hrsg), GG-Kommentar, Art 5 Abs 3 (Stand 1977) Rn 137; Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 215; zur Notwendigkeit „handhabbare[r]“ gesetzliche „Maßstäbe für den jeweiligen staatlichen Mitwirkungsakt“ Rn 216; vgl zuletzt Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), S 175 ff.
- 44 Vgl Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 227; mwN; Gärditz, Hochschulorganisation (Fn 6), S 426, 430.
- 45 Bürgerschafts-Drs 20/8279, Allgemeines, S 24; die Problematik einer solchen Verlagerung der Rechtsaufsicht wird näher erläutert in einem Positionspapier von Vogt/Kramer, Villingen-Schwen- ningen (unveröffentlicht). Immerhin kann sich die Unterstellung unter das Polizeipräsidium hier wegen § 11 Satz 3 HmbPoLAG nicht auf die Rechtsaufsicht in Forschung und Lehre beziehen.
- 46 Hier hat die Reform eine Verbesserung gegenüber der früheren bloßen Benehmensregelung gebracht, vgl dazu die Begründung in BW LT-Drs 15/3496, S 58 (zu Art 18).
mit Vetoposition beteiligt ist. Anders in Hamburg. Dort erfolgt, von Übergangsregelungen abgesehen,47 nach § 3 Abs. 3 HmbPolAG die Auswahl des Leiters oder der Lei- terin durch den Staat nur im Benehmen mit dem Fach- hochschulbereich. Die Frage ist, ob diese eingeschränkte Mitwirkungsbefugnis der Fachhochschule – was in Nie- dersachsen für die dortige Konferenz bei der Bestellung des Direktors sogar gänzlich fehlt (vgl. §§ 6, 7 PolAkG Nds.) – ausreicht, um eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit im Hinblick auf die Vorgesetzten- stellung der Leitung zu verhindern.
Die im Brandenburg-Beschluss und in der Entschei- dung zum Hamburger Hochschulgesetz aufgestellten Grundsätze, die das Hochschulpräsidium und mehr noch das Dekanat betrafen, lassen sich für unsere Frage nur eingeschränkt nutzbar machen. Denn die Leitung der Akademie ist – im Gegensatz zu Baden-Württem- berg, wo der Rektor der Polizeihochschule „nur“ zusätz- liche Funktionen erhält – gerade nicht als Hochschulor- gan konzipiert, sondern als Klammer zwischen dem Fachhochschulbereich und den sonstigen Abteilungen der Polizeiakademie. Ein hinreichendes Niveau der Par- tizipation der Fachhochschulangehörigen an der Be- stimmung der Leitung kann daher nur insoweit gefor- dert werden, wie die Leitung auch tatsächlich Kompe- tenzen im Fachhochschulbereich besitzt. Selbst wo dies der Fall ist, sind die Gestaltungsmöglichkeiten des Ge- setzgebers für die wissenschaftsfernere Gesamtleitungs- ebene tendenziell größer als für die wissenschaftsnähere Fachbereichsebene in Gestalt des Dekans oder der Deka- nin.48 Für die Wahl des Hochschulpräsidiums war es der Bayerische Verfassungsgerichtshof, der die weitrei- chendste Zurückdrängung des Selbstverwaltungsorgans gebilligt hat. Auch die bloße Wahl durch den Hochschul- rat ohne Beteiligung des Hochschulsenats sei verfas- sungskonform, weil das Präsidium nur strategische, aber keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Entscheidun- gen zu treffen habe. Im paritätisch besetzten Hochschul-
47 Nach § 33 Abs 1 Satz 1 HmbPolAG ist der Staat in Gestalt der zuständigen Behörde befugt, anscheinend ohne jede Mitwirkung des Fachbereichs einen Gründungsleiter für die Akademie (Nr. 1) und einen Gründungsdekan für den Fachbereich (Nr. 2) zu be- stellen. Auch dies tangiert das Selbstverwaltungsrecht, besonders beim wissenschaftsnahen Dekan, abgeschwächt jedoch auch beim Leiter der Akademie aufgrund seiner teilweisen Vorgesetzten- stellung; vgl zu dieser Abstufung nach der Wissenschaftsnähe der Leitungsebene Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 204. Zwar müssen bei Übergangsbestimmungen stets Sonderregelungen greifen, weil ja die neue Hochschulstruktur erst aufgebaut werden muss. Doch rechtfertigt dies ein Abweichen von allgemeinen Selbstverwaltungsgeboten nur insoweit, wie es zur effizienten Bewältigung der Übergangssituation erforderlich ist. Dies soll hier nicht weiter erörtert werden.
48 Vgl Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 204.
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rat konnten aber die Vertreter der Hochschule nicht überstimmt werden, worauf das Gericht in diesem Zu- sammenhang ausdrücklich hingewiesen hat.49 Von da- her erscheint es vor Art. 5 Abs. 3 GG problematisch, al- lerdings noch nicht evident verfassungswidrig, wenn in § 3 Abs. 3 HmbPolAG dem Fachbereichsrat nur eine Be- nehmensregelung zugestanden wird.
Noch bedenklicher ist es, dass sich das Hamburger Gesetz zum Verfahren als solches über die öffentliche Ausschreibung hinaus ausschweigt. Insbesondere findet sich keine sonst im Hochschulbereich übliche Trennung in Vorschlag und Auswahlentscheidung. So bleibt offen, wie das Benehmen in der Praxis tatsächlich hergestellt wird, insbesondere auch, zu welchem Zeitpunkt die Hochschulorgane eingeschaltet werden, ob sie etwa be- reits bei der Formulierung der Ausschreibung mitwir- ken, Kandidaten von sich aus zur Bewerbung auffordern und aufgrund der vorliegenden Bewerbungen einen ei- genständigen Auswahlvorschlag unterbreiten können sowie gegebenenfalls in verschiedene Stufen des Aus- wahlprozesses (z.B. Anhörungen) eingebunden sind.
Wie schwer die daran anknüpfenden verfassungs- rechtlichen Bedenken wiegen, hängt grundsätzlich da- von ab, wie weit die Kompetenzen der Leitung tatsäch- lich in den Wissenschaftsbereich hinüber wirken kön- nen. Doch dies bleibt, wie oben festgestellt, mangels nä- herer gesetzlicher Regelung gerade unklar.
b) Abwahlmöglichkeiten u.Ä.
Ist ein Leiter oder eine Leiterin erst einmal im Amt, sieht das Hamburger Gesetz – und erst recht dasjenige Nie- dersachsens in Bezug auf den Akademiedirektor – für den Fachbereichsrat keinerlei Möglichkeiten eines Miss- trauensantrags oder ähnlicher nachträglicher Interventi- onsmöglichkeiten vor. Dies ist zwar einerseits konse- quent: Wenn der Fachbereich schon bei der Bestellung der Akademieleitung keine Vetoposition besitzt, so kann ihm eine solche, so könnte man meinen, auch mittels Absetzungsmöglichkeit kaum sinnvoll eingeräumt wer- den. Dies umso mehr, als die Leitung ja nicht nur den Fachhochschulbereich, sondern auch den nicht wissen- schaftlichen Akademiebereich umfasst. Andererseits hat
- 49 BayVerfGH 7. 5. 2008 – Vf. 19-VII-06 – NVwZ 2009, 177, 178; Burgi/Gräf, Das (Verwaltungs-)Organisationsrecht der Hochschu- len im Spiegel der neueren Gesetzgebung und Verfassungsrecht- sprechung, DVBl 2010, 1125 ff.
- 50 Vgl BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 364; Britz, Art 5 III (Wissenschaft) Rn 103; grundlegend zur Be- deutung der Abwahlmöglichkeiten für das Partizipationsniveau Fehling (Fn 32), Die Verwaltung 35 (2002), 399, 419.
- 51 Vgl für den Dekan BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127,
aber das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, wie wichtig nachträgliche Abwahlmöglichkeiten als Gegengewicht gegenüber weit reichenden Leitungsbe- fugnissen eines Hochschulpräsidiums sind, um insge- samt ein hinreichendes Niveau der Kontrolle sicherzu- stellen.50 Dies lässt sich eingeschränkt auf die Akade- mieleitung übertragen, die zwar nicht ausschließlich, aber eben auch gegenüber dem Fachbereich – in freilich unklarem Umfang (siehe oben) – Leitungs- und Vorge- setztenfunktionen (vgl. § 4 HmbPolAG) besitzen soll. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass es inso- weit eines verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen staatli- cher Gemeinwohlverantwortung und aus der Wissen- schaftsfreiheit herleitbaren Kontrollmöglichkeiten bedarf. Geeignete Zwischenlösungen wären durchaus denkbar: Erstens könnte ein Misstrauensvotum des Fachbereichsrats an eine hohe qualifizierte Mehrheit gebunden werden, wie dies für Baden-Württemberg nach § 6 Abs. 2 der Errich- tungsVO (3/4 seiner Mitglieder) der Fall ist; ein so hohes Quorum ließe sich hier, anders als bei einer „reinen“ Hochschulleitung,51 wohl durch die Doppelfunktion der Akademieleitung bzw. des Präsidenten rechtfertigen. Zweitens müsste ein solcher Misstrauensantrag nicht automatisch zur Absetzung der Akademieleitung füh- ren, sondern könnte ein näher zu regelndes Abberu- fungsverfahren auf staatlicher Seite einleiten; erneut kann § 6 Abs. 2 S. 3 der ErrichtungsVO in Baden-Würt- temberg wenigstens teilweise (es fehlen weitere Verfah- rensregelungen) als Vorbild dienen. Die Funktionsfähig- keit der Akademie bliebe dabei ohne weiteres gewahrt, wenn der Leiter oder die Leiterin während eines solchen Verfahrens weiter amtierte. Im Übrigen böte die Rechts- aufsicht bei einer unerträglichen Blockadesituation nach allgemeinen Grundsätzen52 immer noch die Möglich- keit, eine kommissarische Leitung einzusetzen.
Bei der Ausgestaltung eines solchen Misstrauensvo- tums und dessen Folgen besäße der Gesetzgeber weite Gestaltungsspielräume. Der gänzliche Verzicht auf eine solche Regelung wie in Hamburg wird jedoch den An- forderungen an den Schutz der Wissenschaftsfreiheit durch Organisation und Verfahren mit hoher Wahr- scheinlichkeit nicht gerecht.
87, 130 f; Die zuvor vom Brandenburg-Beschluss geforderte Abwahlmöglichkeit mit Zweidrittelmehrheit als immer noch zu restriktiv einstufend Fehling, in: Regulierungsrecht (Fn 28), § 17 Rn 79; kritisch zu den typischerweise hohen Abwahl-Hürden auch Löwer, „Starke Männer“ oder „starke Frauen“ an die Spitze der Universität? Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Leitungs- strukturen, in: Ruffert (Hrsg), Recht und Organisation 2003, S 25, 35; Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), S 445 ff.
52 Zur Bestellung eines „Staatskommissars“ Thieme (Fn 11), Rn 216.
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c) Stellvertretung beim Dekan
In Baden-Württemberg ist die Hochschule durch ihren Bestätigungsvorbehalt (§ 6 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 1 der geändertenErrichtungsVO)anderAuswahlvonProde- kan und Prorektor mit Vetoposition beteiligt. Für Ham- burg enthält dagegen § 16 Abs. 2 HmbPolAG eine zwin- gende Vertretungsregelung und nimmt dadurch im Umkehrschluss dem Fachbereichsrat die Möglichkeit, selbst einen Stellvertreter für den Dekan oder die Deka- nin zu wählen. Die (zumindest) Beteiligung der Hoch- schulorgane an der Auswahl des jeweiligen Leitungsper- sonals ist ein zentraler Aspekt der Hochschulautonomie53 und damit dem Grunde nach von der Wissenschaftsfreiheit selbst dann geschützt, wenn man Einzelheiten der Hoch- schulselbstverwaltung nicht mehr von Schutzbereich umfasst54 ansieht. Gewiss wiegt die Stellvertreterfrage weit weniger schwer als die Auswahl des Leiters oder Dekans, doch kann die Entscheidung über einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin auch nicht als bloße Marginalie abqualifiziert werden. Dem Fachbereichsart hier jegliche Auswahlmöglichkeit zu nehmen, wäre wegen Art. 5 Abs. 3 GG nur zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Hochschularbeit oder zum Schutz hinreichend gewichti- ger externer Gemeinwohlbelange zulässig.
Die Entwurfsbegründung zu § 16 Abs. 2 HmbPolAG55 lässt solche Gründe nicht erkennen. Dort wird nur erläu- tert, warum kein Prodekan, sondern nur eine Vertre- tungsregelung vorgesehen ist. Daraus ergibt sich jedoch nichts für die Frage, warum der Fachbereichsrat einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin nicht selbst soll wählen dürfen. Ein Rechtfertigungsgrund könnte allen- falls darin liegen, dass man zur Sicherung der Funkti- onsfähigkeit der Fachbereichsarbeit eine Situation ver- meiden möchte, in der kein Stellvertreter vorhanden ist, weil sich im Fachbereichsrat für niemanden eine Mehr-
- 53 Besonders betont von Gärditz, Hochschulorganisation (Fn 6), S 498 f.
- 54 So versteht Krausnick, Hochschule und Staat (Fn 12), S 109 ff mwN die BVerfG- Entscheidungen zu Brandenburg und Ham- burg, unterschätzt dabei jedoch die Direktionskraft der dortigen Leitlinien, insbesondere des geforderten Partizipationsniveaus (siehe oben III.1.).
- 55 Bürgerschafts-Drs 20/8279, S 30.
- 56 Insbesondere findet sich für Baden-Württemberg nichts Ver-gleichbares in §§ 3, 7, 9 der ErrichtungsVO iVm. §§ 10, 68 LHG BW. Die Konferenz gemäß § 7 PolAG Nds ist von vornherein nicht als echtes Selbstverwaltungsorgan (wenngleich mit „Unab- hängigkeit“) konzipiert (vgl oben I. 1.); dennoch finden sich darin keine explizit Außenstehenden, wenn man davon absieht, dass der Direktor oder die Direktorin als geborener Gremiumsvor- sitzender der Akademie insgesamt und nicht nur dem Studien- gang vorsteht (zum Versuch der Rechtfertigung vgl Nds LT-Drs 15/3595, zu § 5, S 20).
heit findet. Dazu würde es jedoch genügen, dass eine ge- setzliche Vertretungsregelung greift, sofern und solange kein gewählter Stellvertreter existiert. Somit spricht viel dafür, dass die vorgesehene Regelung mangels Erforder- lichkeit gegen die Selbstverwaltungsgarantie aus der Wissenschaftsfreiheit verstößt.
2. Mitwirkung Externer in Gremien
a) Beratende Mitwirkung eines Vertreters der Polizei- akademie sowie eines Vertreters der Aufsichtsbehörde im Fachbereichsrat
Gemäß § 17 Abs. 2 HmbPolAG nehmen an Sitzungen des Hochschul-Fachbereichsrats je ein Vertreter der Polizei- akademie und der Aufsichtsbehörde beratend teil. Eine solche Mitwirkung Außenstehender in einem Selbstver- waltungsgremium, wie im vorliegenden Zusammenhang nur in Hamburg zu finden,56 stellt grundsätzlich einen Fremdkörper dar. Dies wird auch nicht automatisch dadurch unbedenklich, dass diese Externen kein Stimm- recht besitzen. Denn schon die bloße Beteiligung an der Diskussion kann – und soll hier wohl auch, da sonst die Regelung ja sinnlos wäre – Entscheidungsprozesse beein- flussen. Die potentielle Kausalität bloß beratender Mit- wirkung ist in anderen Rechtsbereichen einhellig aner- kannt: So müssen etwa nach den Gemeindeordnungen aller Bundesländer befangene Gemeinderäte die Sitzung komplett verlassen, dürfen also auch in der Beratung nicht mehr mitwirken.57 Ferner ist aus der Grundrechtsdogma- tik bekannt, dass auch rechtlich unverbindliches beraten- des Staatshandeln Eingriffsqualität besitzen kann.58 Aller- dings ist die Mitwirkung von Externen in Selbstverwal- tungsgremien nicht gänzlich ohne Vorbild.59 Dafür wird man jedoch zumindest einen hinreichend gewichtigen sachlichen Grund fordern müssen. Hier lässt sich die Teilnahme des sonstigen Akademiemitglieds nicht mit
57 Statt aller Ehlers, Die Gemeindevertretung, in: Mann/Püttner (Hrsg), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Band I, 3. Aufl 2007, § 21 Rn 22 mwN.
58 Für die öffentliche Kritik einer Universitätskommission an ver- meintlich fehlerhaften Arbeiten eines Hochschulmitglieds BVer- wG 11.12.1996 – BVerwG 6 C 5.95 – E 102, 304 ff; auf faktische Beeinträchtigungen allgemeiner bezogen Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 155.
59 So finden sich zB bei der DFG, die als Selbstverwaltungsinsti- tution der Wissenschaft konzipiert ist, Staatsvertreter sogar mit Stimmrecht in verschiedenen Gremien, insbesondere dem Haupt- ausschuss; allerdings ist die finanzielle Forschungsförderung kei- ne reine Selbstverwaltungsaufgabe; zum Ganzen zB Salaw-Hansl- maier, Die Rechtsnatur der deutschen Forschungsgemeinschaft, 2003, insbes S 150 ff ;Von vornherein kein passendes Beispiel sind dagegen die Hochschulräte, weil diese keine Selbstverwaltungs- aufgaben wahrnehmen, sondern als institutionelle Kooperation zwischen Hochschule, Staat und Gesellschaft ausgestaltet sind.
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der Erwägung rechtfertigen, der Fachhochschulbereich gehöre zur Akademie. Damit erläge man einem Zirkel- schluss. Denn die Akademie-Konstruktion ist ja, wie oben dargestellt, selbst verfassungsrechtlich problema- tisch und rechtfertigungsbedürftig.
Die Mitwirkung des Vertreters der Aufsichtsbehörde findet ihre Rechtfertigung nicht ohne weiteres in deren – als solche gegenüber Hochschulen verfassungsrechtlich unbedenklichen und sogar gebotenen60 – Rechtsauf- sichtsfunktion. Denn die Rechtsaufsicht ist besonders im Hochschulbereich mit gutem Grund als regelmäßig nachgelagerte Aufsicht konzipiert; sie gibt die Möglich- keit, als rechtswidrig angesehene Maßnahmen zu bean- standen und gegebenenfalls die Beseitigung von Rechts- verstößen anzuordnen, nicht aber schon im Vorfeld die Entscheidungsfindung des Selbstverwaltungsorgans zu beeinflussen. Zwar finden sich auch Anzeige- und Ge- nehmigungsvorbehalte, die es der Rechtsaufsicht ermög- lichen, rechtswidrige Maßnahmen ex ante zu stoppen. Doch bleiben auch dann Entscheidungsfindung des Selbstverwaltungsgremiums und Rechtsaufsicht streng getrennt und hintereinander geschaltet. Gewiss sind im Vorfeld besonders weitreichender Entscheidungen der Hochschulen wechselseitige Information und informelle Beratung durchaus typische Ausprägungen eines zuneh- mend kooperativen Rechtsaufsichtsverhältnisses,61 je- doch nur punktuell62 und von staatlicher Seite aus regel- mäßig nicht erzwingbar. Ist dagegen im Selbstverwal- tungsgremium der Vertreter der Rechtsaufsicht stets präsent, so kann dessen Drohung mit nachgelagerten Rechtsaufsichtsmaßnahmen für den Fall, dass gegen sei- nen Rat entschieden wird, einen nicht zu unterschätzen- den Einschüchterungseffekt auslösen.
Ob dies bereits zu einer strukturellen Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit und damit zur Verfassungs- widrigkeit der Regelung führt, ist offen. Das Verwal- tungsgericht Hamburg hat es schon vor längerer Zeit im Eilrechtsschutz dahinstehen lassen, inwieweit solch ein Teilnahmerecht dann verfassungsgemäß ist, wenn dafür
- 60 Zur Notwendigkeit einer wirkungsvollen staatlichen Rechtsauf- sicht über seine Hochschulen siehe BVerwG 26.11.2009 – BVer- wG 2 C 15.08 – E 135, 286, Rn 43 – Stiftungsuniversität; dazu näher Gärditz, Die niedersächsische Stiftungshochschule vor dem Bundesverwaltungsgericht, WissR 43 (2010), 220, 228 ff.
- 61 Dazu allgemein grundlegend Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, insbes S, 507 ff; speziell für die Hochschulen vgl schon Roellecke, Rechtsaufsicht und informelle Steuerung am Beispiel der Univer- sitäten, DÖV 1985, 854 ff.
- 62 Vgl Kahl, Hochschule und Staat, 2004, S 85: „nur anlassbezogen, nicht aber begleitend als ständige Aufsicht“.
- 63 Siehe VG Hamburg, 20.1.1994 – Bs III 420/93 – NVwZ-RR 1994, 587, 588, wo eine solche gesetzliche Ermächtigung fehlte; allgemein bereits Salzwedel, Staatsaufsicht in Verwaltung und Wirtschaft, VVDStRL 22 (1965), 206, 250 mit dortiger Fn 118;
eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage existiert.63 Mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig wäre es je- doch, wenn den Fachbereichsvertretern rechtlich gar keine Möglichkeit verbliebe, ohne „Beobachtung“ zu be- raten.64 Möglicherweise lässt sich freilich das Gesetz ver- fassungskonform dahingehend verstehen, dass jedenfalls informelle Besprechungen der Fachbereichsvertretung, außerhalb einer förmlichen Fachbereichssitzung, ohne die in § 17 Abs. 2 HmbPolAG genannten Außenstehen- den stattfinden dürfen. Dies würde bedeuten, dass eine förmliche Sitzung, an der auch die genannten anderen Personen beratend teilnehmen können, nur anberaumt werden müsste, wenn rechtsverbindliche Beschlüsse ge- fasst werden sollen. Einmal mehr bleiben jedoch Mög- lichkeiten und Grenzen einer solchen autonomiestär- kenden Auslegung unklar. Damit verbleiben auch in die- sem Punkt erhebliche Zweifel, ob der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zu grundrechtsschützenden organisatori- schen Regelungen hinreichend nachgekommen ist.
b) Mitwirkung von Polizeivertretern bei der Entwick- lung des Curriculums in einer Gemeinsamen Kommis- sion
§ 6 HmbPolAG enthält eine besondere Zuständigkeits- und Verfahrensregelung für die Fortschreibung des Cur- riculums. Dafür wird eine aus Vertretern des Fachbe- reichsrats und der Polizei paritätisch zusammengesetzte Gemeinsame Kommission gebildet, die ihre Vorschläge und Empfehlungen dem Fachbereichsrat zur Beschluss- fassung unterbreitet. Nur entfernte Ähnlichkeit besitzt in Baden-Württemberg § 10a Abs. 5 der geänderten Errich- tungsVO, die dortige Bildungskommission betreffend, zusammengesetzt aus den Mitgliedern der Studienkom- mission des Fachhochschulbereichs und dem Instituts- leiter des Präsidiums Bildung. Dieses Kommission oblie- gen nämlich keine Vorschläge für das Curriculum des Studiengangs, sondern die Abstimmung der verschiede- nen Hochschulaufgaben (von Fachhochschulstudium einerseits und Präsidium Ausbildung andererseits).
wohl aA ohne Begründung Knemeyer, Die Staatsaufsicht über die Gemeinden und Kreise (Kommunalaufsicht), in: Mann/Püttner (Hrsg), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd 1, 3. Aufl 2007, § 12 Rn 49.
64 VG Hamburg, 20.1.1994 – Bs III 420/93 – NVwZ-RR 1994, 587, 588: „Zur Selbstverwaltung gehört ein eigener Bereich interner, dem Einblick Dritter entzogener, von Rücksichtnahmen auf Re- aktionen der Aufsichtsbehörde freier Beratung und unbefangener Entscheidungsfindung“; so auch Schröder, Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Staatsaufsicht über die wissenschaftlichen Hoch- schulen, WissR 1985, 199, 209; Reich, HRG-Kommentar, 11. Aufl 2012, § 59 Rn 2; Lüthje, in: Denninger (Hrsg), HRG-Kommentar, 1984, § 59 Rn 26; aA Hailbronner, in: Hailbronner/Geis (Hrsg), Hochschulrecht in Bund und Ländern, Stand Nov 2013, § 59 HRG Rn 7.
124 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128
Die Entwicklung des Curriculums eines (Fach-) Hochschulstudiengangs unterfällt der Freiheit der Lehre und ist in hohem Maße wissenschaftsrelevant. Doch be- rührt die Ausbildungsaufgabe einer Hochschule auch wissenschaftsexterne Gemeinwohlbelange. Nach der Verfassungsrechtsprechung gewährt die Wissenschafts- freiheit den Hochschulen und ihren Fachbereichen des- halb kein Recht, ausschließlich über Umfang und Inhalt des Lehrangebotes zu bestimmen.65 Vielmehr ist die Stu- dienordnung im Kooperationsbereich von Staat und Hochschule angesiedelt, freilich mit klarem Überge- wicht der Hochschulseite.
Bei der Polizei stellt deren praktische Einsatzfähig- keit einen hochrangigen Gemeinwohlbelang dar. Daher ist eine beschränkte Mitwirkung des Staates, wie hier in Gestalt von Polizeivertretern, grundsätzlich nicht zu be- anstanden. Eine paritätische Beteiligung in einer Kom- mission, die nur Vorschläge unterbreitet und keine eige- nen Entscheidungsbefugnisse besitzt, erscheint als sol- che mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar. Allerdings muss der Fachbereichsrat beim Curriculum die Befugnis behalten, entsprechende Vorschläge und Empfehlungen der ge- meinsamen Kommission nicht nur rundum zu verwer- fen, sondern auch abzuändern. § 6 Abs. 1 S. 3 HmbPo- lAG, der unspezifisch von einer Vorlage an den Fachbe- reichsrat „zur Beschlussfassung“ spricht, kann und muss entsprechend verfassungskonform ausgelegt werden. Ein Verfassungsverstoß liegt dann nicht vor.
3. Ressourcenausstattung des Studien- bzw. Fachhoch- schulbereichs
Zur Ausstattung des Fachbereichs mit Sachmitteln und nichtwissenschaftlichem Personal schweigt sich selbst das Hamburger Gesetz weitgehend aus; erst recht gilt dies für sein Pendant in Niedersachsen bezüglich des dortigen Bachelor-Studiengangs. § 7 Abs. 1 Nr. 6 PolAk- dG Nds. nennt zwar „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung und Technik“ als Mitglieder der Konfe- renz ohne Stimmrecht, doch mangels organisatorischer Verselbstständigung eines Fachhochschulbereichs kann es sich dort von vornherein nur um Mitarbeiter der Polizei- akademie insgesamt und nicht speziell für den Studienbe- trieb handeln. Im Hamburg werden immerhin in § 15 Nr. 5 HmbPolAG sowie in § 17 Abs. 1 Nr. 5 HmbPolAG „sons- tige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ erwähnt. In der Entwurfsbegründung zu § 15 HmbPolAG66 heißt es dage-
- 65 BVerfG 11.7.1984 – 1 BvL 10/83 – E 67, 202, 207 – Bremisches Hochschulgesetz; vgl auch BVerfG 13.4.2010 – 1 BvR 216/07 – E 126, 1, 25 f – Fachhochschullehrer; Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 210 mwN; Britz, Art 5 III (Wissenschaft) Rn 52.
- 66 Bürgerschafts-Drs 20/8279, S 29.
- 67 BVerwG 22.4.1977 – BVerwG VII C 49.74 – E 52, 339, insbes 342
gen, dass „im Fachhochschulbereich grundsätzlich keine sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind“. Die Verwirklichung der Freiheit von Forschung und Lehre setzt jedoch ein Mindestmaß an Personalaus- stattung auch unterhalb der Dozenten- und Wissen- schaftlerebene voraus. Nach allgemeiner Auffassung gibt Art. 5 Abs. 3 GG den Wissenschaftlern im Rahmen des Verfügbaren einen Teilhabeanspruch auf ein Minimum von Ressourcen auch im administrativen Bereich.67 Die- se verfassungsrechtlichen Leitlinien beziehen sich zwar in erster Linie auf die wissenschaftlichen Hochschulen mit ihren besonders ressourcenintensiven Forschungs- aufgaben, doch auch die Fachhochschulen sind vor allen zur administrativen Abwicklung von Prüfungen und für die interne (Selbst-)Verwaltung auf gewisse administra- tive Sach- und Personalmittel angewiesen. Dies erkennt immerhin die Entwurfsbegründung zu § 11 HmbPolAG im Grundsatz an und will dem dadurch Rechnung tra- gen, „dass die selbstverwalteten Angelegenheiten der Forschung und Lehre prioritär von der Akademiever- waltung abgearbeitet werden“.68 Sachmittel erwähnen Gesetz und Entwurfsbegründung gar nicht, so dass man versucht sein könnte, auch insoweit den Fachhochschul- bereich auf die Mitnutzung der Ausstattung der Polizei- akademie zu verweisen.
Die Entwurfsbegründung ist jedoch nicht verbind- lich. Sie kann allenfalls im Wege der historisch-geneti- schen Auslegung für das Verständnis des Gesetzestextes fruchtbar gemacht werden. Die Reichweite dieser Ausle- gungsmethode bleibt zudem beschränkt; das Bundesver- fassungsgericht hat mehrfach deutlich gemacht, dass die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes nur insoweit für dessen Auslegung herangezogen werden kann, wie sich für die entsprechende Auslegung zumindest gewisse An- haltspunkte auch im Wortlaut finden lassen.69 Insoweit könnte man sich hier wohl allenfalls auf § 1 HmbPolAG stützen, wonach der Fachhochschulbereich zur Polizei- akademie gehört und – so könnte man folgern – damit auch das Personal der Akademie im Fachhochschulbe- reich Verwendung finden kann. Einen Anspruch des Fachhochschulbereichs gegenüber der Gesamt-Akade- mie auf Überlassung der erforderlichen personellen und sachlichen Ressourcen ist daraus jedoch nicht ohne wei- teres abzuleiten.
Möglicherweise lässt sich diese Lücke in Hamburg durch verfassungskonforme Gesetzesauslegung schlie-
ff u 348 ff; zusammenfassend mwN Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5
Abs 3 Rn 41.
68 Bürgerschafts-Drs 20/8279, S 28.
69 BVerfG 16.2.1983 – 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 – E 62, 1, 45 mwN – Bun-
destagsauflösung.
Fehling · Polizeihochschulen und Wissenschaftsfreiheit 1 2 5
ßen. Selbst dann bleibt aber in der täglichen Praxis ein erhebliches Unsicherheits- und Konfliktpotenzial, wel- che Ressourcen der Fachhochschulbereich konkret be- anspruchen kann. Im schlimmsten Fall könnte die Aka- demie ihre Personalhoheit dazu missbrauchen, Ent- scheidungen des Fachhochschulbereichs in Forschung und Lehre in der Umsetzung „auszubremsen“, ja die Ver- fügungsgewalt über sonstige Mitarbeiter und Sachmit- teln sogar als Disziplinierungsmaßnahme zu nutzen. Man wird die Wahrscheinlichkeit solcher Strategien als gering einschätzen können. Doch fordert die Wissen- schaftsfreiheit, dass auch gegen solche keineswegs gänz- lich abwegigen Missbrauchsmöglichkeiten organisatori- sche Vorsorge getroffen wird, wo, wie hier, Rechtsschutz- möglichkeiten im Einzelfall nicht hinreichend effektiv wären:
„Entscheidungen, die im Einzelfall die Wissenschaftsfrei- heit verletzen, lassen sich durch Organisationsnormen allerdings nie völlig ausschließen. Dagegen ist der jewei- lige Grundrechtsträger durch die Möglichkeit rechtlicher Gegenmaßnahmen geschützt.“ Der Gesetzgeber darf aber keine „Strukturen schaff[en], die sich gefährdend auswirken können […]“.70
Zum Teil lässt sich der Grundausstattungsanspruch bereits durch das Recht auf Mitbenutzung und Mitverfü- gung über Ressourcen einlösen, doch bedarf es darüber hinaus zur Gewährleistung einer freien Wissenschaft auch eines absoluten Minimums an Mitteln, über deren Einsatz der einzelne Wissenschaftler allein entscheiden kann.71 Dies erscheint von Forschungsmitteln des einzel- nen Wissenschaftlers auf die Ausstattung des Fachbe- reichs übertragbar. Viel spricht dafür, dass eine Organi- sationsstruktur, die ständig das Damoklesschwert des – wiederum für Forschung und Lehre benötigte Energien verzehrenden – Streits um notwendige personelle und sachliche Ressourcen über dem Fachhochschulbereich schweben lässt, als strukturelle, nicht nur theoretische und im Einzelfall nicht effektiv abzuwehrende Gefähr- dung der Wissenschaftsfreiheit einzustufen ist.
Ein letzter Ausweg bestünde darin, aus der Erwäh- nung der sonstigen Mitarbeiter in § 15 Nr. 5 HmbPolAG sowie in § 17 Abs. 1 Nr. 5 HmbPolAG ungeachtet der Ent- wurfsbegründung doch herzuleiten, dass der Fachhoch- schulbereich einen Anspruch auf nichtwissenschaftli-
- 70 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116.
- 71 So auf die Forschung des individuellen Wissenschaftlers bezogen BVerfG 8.2.1977 – 1 BvR 79, 278, 282/70 – E 43, 242, 282 – Ham-burgisches Universitätsgesetz; zusammenfassend mwN Fehling,
ches Personal besitzt, das ausschließlich ihm zugeordnet ist. Ob dies im Wege verfassungskonformer Auslegung noch möglich ist, erscheint jedoch alles andere als gesi- chert.
Selbst in Baden-Württemberg bleibt der Zugriff auf die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter in der Konkur- renz von Lehre und Forschung einerseits und neuen wei- teren nichtakademischen Ausbildungsaufgaben anderer- seits prekär. Denn die ErrichtungsVO spart das nichtwis- senschaftliche Personal der Hochschule weitgehend aus und nennt insoweit nur den Verwaltungsdirektor (§ 13c Er- richtungsVO); die „Personalangelegenheiten“ des integrier- ten Präsidiums Bildung regelt dagegen das Innenministeri- um (§ 2 Abs. 4 S. 4 ErrichtungsVO) als vorgesetzte Be- hörde. Immerhin bestanden aber zum Zeitpunkt der Re- form bereits entsprechende Hochschulstrukturen, so dass davon auszugehen sein dürfte, dass die vorhande- nen Mitarbeiter weiterhin auch für die administrative Unterstützung von Forschung und Lehre zur Verfügung stehen und nicht dem neu hinzugekommenen Präsidi- um Bildung zugeordnet werden.
4. Aushilfsverpflichtung der Professoren im außeraka- demischen Bereich
§ 26 Abs. 2 HmbPolAG normiert eine Pflicht der Profes- soren, im Berufsausbildungszweig der Akademie kurz- zeitig und im Einzelfall unterstützend tätig zu werden. Eine ähnliche Mitwirkungspflicht sogar ohne die genann- ten Einschränkungen findet sich in § 10 Abs. 1 PolAkdG Nds.
Selbst die Hamburger Regelung ist noch recht unbe- stimmt formuliert. Nach der Entwurfsbegründung zu § 26 HmbPolAG soll es sich um Vorträge und ähnliche Lehran- gebote handeln, welche über die Studierenden hinaus auch für sonstige Polizeibeamte von besonderem Interesse sind.72 Manches spricht dafür, dass zumindest eine präzi- sere gesetzliche Fassung geboten wäre, doch ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass man eine genauere ab- schließende Umschreibung für nicht möglich und die Beifügung von Beispielen für nicht zielführend erachtet.
In der Sache ist ein beamteter Hochschullehrer grundsätzlich nicht ohne weiteres verpflichtet, außer- halb seiner Hochschule zu lehren. Dies folgt über die Wissenschaftsfreiheit hinaus aus seinem Recht auf das konkret-funktionelle Amt, das ihm durch seine Beru- fung und die Beschreibung seiner Professur zugewiesen
in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 41; Löwer, Freiheit wissenschaft- licher Forschung und Lehre, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd 4, 2011, § 99 Rn 44.
72 Bürgerschafts-Drs 20/8279, S 37.
126 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128
ist.73 Allerdings ist die Beteiligung von Hochschullehrern an nichtakademischer Ausbildung nicht ohne Vorbil- der,74 außerdem gehören die Weiterbildung und der Transfer akademischer Erkenntnisse in die Praxis nach den Hochschulgesetzen typischerweise zu den Hoch- schulaufgaben;75 dann zählt dies abstrakt auch zum Auf- gabenbereich der Professoren. Eine konkrete Lehr- und Vortragsverpflichtung ist damit freilich nicht verbunden, schon gar nicht unter der Verantwortung einer nichtaka- demischen Institution. Wollte man § 26 Abs. 2 HmbPo- lAG als eine solche konkrete Pflicht des einzelnen Pro- fessors und der einzelnen Professorin verstehen, was nach dem Wortlaut naheliegt, stieße dies auf verfas- sungsrechtliche Bedenken. Außerdem darf die Übertra- gung zusätzlicher Aufgaben im Bereich von Weiterbil- dung u.Ä. nicht zu einer sukzessiven „Auszehrung der Forschungs- und Lehrkapazität durch permanente Überlastung“ führen.76
Dass bei solchen Verpflichtungen im Hamburger Ge- setz (nicht dagegen in Niedersachsen) eine „Berücksich- tigung der Wissenschaftsfreiheit“ ausdrücklich garan- tiert wird, vermag die verfassungsrechtlichen Bedenken schon deshalb nicht komplett zu zerstreuen, weil „Be- rücksichtigung“ nach dem Wortlaut weniger ist als die gebotene „Wahrung“. Man hat freilich auch hier eine ver- fassungskonforme Auslegung in Betracht zu ziehen. Dann wäre § 26 Abs. 2 HmbPolAG als bloße Aufgaben- zuweisung zu lesen und dem einzelnen Professor und der einzelnen Professorin wäre ein Weigerungsrecht zu- zubilligen, wenn ihm oder ihr im konkreten Fall mit ver- tretbaren Gründen Aufgaben in Lehre und Forschung vorrangig erscheinen. Außerdem müsste die Heranzie- hung des einzelnen Professors streng auf Vorträge u.Ä. aus dem eigenen Fach beschränkt werden.
Doch bleibt es einmal mehr zweifelhaft, ob die rudi- mentäre Normierung in § 26 Abs. 2 HmbPolAG eine sol- che verfassungskonforme Auslegung und Ergänzung zu- lässt und ob der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen wäre, zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch Or- ganisation und Verfahren eine präzisere Regelung zu
- 73 Vgl BVerfG 13.4.2010 – 1 BvR 216/07 – E 126, 1, 26 f.: „Eine unbeschränkte Möglichkeit für die Hochschulorgane, dem Hochschullehrer fachfremden Unterricht abzuverlangen, würde nicht nur dessen durch die Lehre des eigenen Fachs bestimmten Lehrfreiheit nicht gerecht, sondern könnte auch zur Sanktionie- rung missliebiger Lehre im eigenen Fach benutzt werden“.
- 74 Thieme (Fn 11), Rn 518, nennt Kurse „Deutsch für Ausländer“ und im medizinischen Bereich Veranstaltungen an den Klinika angegliederten Schulen für medizinische Hilfsberufe, ferner Fortbildungen für Bibliothekare.
- 75 ZB § 3 Abs 1 Satz 3 HmbHG; zum Wissens- und Technologie- transfer Thieme (Fn 11), Rn 309.
- 76 Geis/Madeja, Hochschule und Wissenschaft, in: Ehlers/Fehling/ Pünder (Hrsg), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd 3, 3. Aufl 2013,
treffen. Dies gilt erst recht für § 10 Abs. 1 PolAkdG Nds, wenn man die dortigen Professoren entgegen dem Ver- waltungsgericht Göttingen77 weiterhin als Hochschulleh- rer im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG einstuft.
5. Entscheidungsbefugnisse des Akademieleiters bzw. Direktors über die Gewährung von Leistungszulagen
Nach § 40 Nr. 6 HmbBesG in der durch Art. 3 Hmb. Aus- und FortbildungsneuausrichtungsG geänderten Fassung soll anscheinend der Akademieleiter über die Gewäh- rung von Leistungszulagen der Professoren ohne Beteili- gung der Selbstverwaltung des Fachbereichs entschei- den. Gleiches gilt für § 2b Abs. 2 NdsBesG in der Fassung von Art. 5 des dortigen AusbildungsneuordnungsG, wonach die Zuständigkeit allein beim Direktor der Aka- demie liegt.
Die Gewährung solcher Zulagen ist jedoch insoweit grundrechtsrelevant, als die damit oftmals – soweit es sich nicht um bloße Funktionszulagen handelt – verbun- dene Bewertung wissenschaftlicher Leistungen zur in- haltlichen Steuerung der Wissenschaft missbraucht wer- den könnte.78 Deshalb spricht viel dafür, dass der Fach- bereichsrat dabei substantielle Mitwirkungsrechte behal- ten muss, etwa mit der Befugnis, Leitlinien festzulegen.79 Rechtsprechung direkt dazu liegt freilich noch nicht vor. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zum Hamburger Hochschulgesetz die Entscheidungsmacht des Präsidi- ums über die Gewährung von Leistungszulagen u.Ä. nebst Vorschlagsrecht des Dekans mit der Erwägung ge- rechtfertigt, das HmbBesG enthalte dafür inhaltlich hin- reichend konkrete Vorgaben.80 Doch erstens bedarf das Präsidium der Universität Hamburg, anders als der Lei- ter der Polizeiakademie (siehe oben), gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 HmbHG der Bestätigung des Hochschulsenats als Selbstverwaltungsgremium und ist ein echtes Selbstver- waltungsorgan der Universität. Zweitens war dort der Fachbereich immerhin mit dem Dekan beteiligt, wäh- rend bei der Hamburger Polizeiakademie anscheinend nicht einmal dieser oder diese ein Vorschlagsrecht be- sitzt.
§ 85 Rn 10.
77 Siehe oben I. 1. mit dortiger Fn 2.
78 Vgl zu den Kompetenzen der Leitungsorgane bei der Evaluation
von Forschung und Lehre mit Auswirkungen auch auf die Res- sourcenausgestaltung (nicht die Besoldung), BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 358: Der davon mögli- cherweise ausgelöste Druck zur Orientierung an extern gesetzten Bewertungskriterien kann zu Fehlentwicklungen führen.
79 Vgl für die leistungsgerechte Mittelvergabe in der Universität Fehling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 237; Sterzel/Perels, Freiheit der Wissenschaft und Hochschulmodernisierung, 2003, S 218 ff; Schulte (Fn 29), VVDStRL 65 (2006), 110, 128 f.
80 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 118 f.
Fehling · Polizeihochschulen und Wissenschaftsfreiheit 1 2 7
Im Übrigen muss die Leistungsbeurteilung in For- schung und Lehre wesentlich auf Evaluationen beruhen (vgl. auch § 34 Abs. 3 Nr. 1 u. Abs. 4 Nr. 1 HmbBesG). Dazu enthält § 31 HmbPolAG nur eine äußerst rudimen- täre Regelung, eher noch unspezifischer (von der Erwäh- nung auswärtiger Gutachten abgesehen) bleibt § 2b Abs. 3 S. 2 NdsBesG. Insoweit hat aber das Bundesverfas- sungsgericht im Brandenburg-Beschluss die dortigen ebenfalls unbestimmten Regelungen zur Evaluation nebst darauf gestützter Ressourcenverteilung nicht zu- letzt deshalb für noch verfassungsgemäß befunden, weil Fachbereichsrat und Hochschulsenat in diesen zweistu- figen Prozess hinreichend eingeschaltet waren.81 Es spricht einiges dafür, dass gleiche Anforderungen auch für Leistungsbewertungen als Grundlage von Besol- dungszulagen gelten, die zwar nicht direkt die Lehr- und Forschungsressourcen betreffen, aber mit ihrer Anreiz- funktionindirektsteuerndwirkenkönnen.82DieOrganisa- tion und Ausgestaltung vorgelagerter Evaluationen liegt in Hamburg nach § 31 HmbPolAG in der Hand des Fachbe- reichs, in Niedersachsen wirkt nach § 7 Abs. 2 Nr.2 PolAkG Nds. die Konferenz (die freilich nicht als echtes Selbstver- waltungsorgan konzipiert ist) in nicht näher bezeichneter Form mit.
Die Evaluationsregelungen mögen somit gerade noch ausreichen. Verfassungsrechtlich bedenklich bleiben je- doch in beiden Bundesländern die alleinige Zuständig- keit des Akademieleiters bzw. Direktors (der ohne Zu- stimmung des Fachhochschulbereichs ins Amt kommen soll) für die Gewährung der Leistungsbezüge sowie das Fehlen jeglicher Beteiligung des Hochschulsektors (etwa mittels eines Vorschlagsrechts des Dekans oder der De- kanin – den es in Niedersachsen mangels eigenständigen Fachhochschulbereichs ja nicht einmal gibt).
V. Abschließende Gesamtwürdigung
Die organisatorische Verklammerung von Studium und berufspraktischer Polizeiausbildung ist ein verfassungs-
- 81 Vgl BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 360 ff.
- 82 Hendler (Fn 32), VVDStRL 65 (2006), 238, 257; J. Koch, Lei- stungsorientierte Professorenbesoldung, 2010, S 149 f; vgl auch Ruffert, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2006), 146, 182 f: Art 5 Abs 3 GG, „steht der wissenschaftsex- ternen Institutionalisierung und Ausgestaltung von Kontroll- mechanismen wie […] Vergütungssystemen […] entgegen.Dieses Verbot reicht schon wegen der naheliegenden Gefahr kaschierender Ausweichargumente über die organisatorisch nicht abgesicherte Toleranz von Lehrmeinungen hinaus“.
- 83 Zur durch Organisationsinteressen geleiteten Problemwahrneh- mung allgemein Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, 2001, S 270 ff mwN.; für eine breitere Diskussion verschiedener politikwissenschaftlicher Modelle zum
rechtlich legitimes Gemeinwohlziel, birgt aber abstrakt betrachtet das Risiko, dass nichtakademische (Polizei-) Hierarchien direkt oder indirekt in den (Fachhoch- schul-)Bereich von Forschung und Lehre hinüberwirken und die dortige Selbstverwaltung sowie mittelbar mögli- cherweise sogar die Freiheit der akademischen Ausbil- dung selbst beeinträchtigen. Wie relevant dieses Risiko tatsächlich ist und inwieweit gesetzliche Sicherungen dem entgegenwirken können und müssen, hängt von der konkreten Organisationsstruktur ab.
Relativ gering bleiben die Risiken für die Wissen- schaftsfreiheit, wenn – wie in Baden-Württemberg – die Polizeihochschule als solche unangetastet bleibt und un- ter ihrem Dach „nur“ zusätzliche nichtakademische Ausbildungsaufgaben in einer anderen Abteilung ange- siedelt werden. Problematische Wirkungen kann eine solche Organisationsreform womöglich aber auf einer organisationspsychologischen Ebene zeigen. Da das Selbstverständnis einer Einrichtung nicht zuletzt durch deren Aufgaben geprägt wird,83 liegt die Vermutung nahe, dass sich – wie wohl politisch durchaus beabsich- tigt84 – mit der angegliederten polizeipraktischen Ausbil- dung das „intellektuelle Klima“ der Hochschule insge- samt zugunsten stärkerer Praxisorientierung wandelt, vermittelt über die nunmehr für beide Bereiche zustän- dige einheitliche Leitung und deren Verwaltungsstab. Zum Verfassungsproblem würde dies freilich erst dann, wenn geänderte Prioritäten sich in der Konkurrenz um knappe personelle und finanzielle Ressourcen auch in mangelnder administrativer Unterstützung des Studien- betriebs und/oder in überbordenden nichtakademi- schen Zusatzaufgaben der Professoren niederschlügen. Den Gesetzgeber trifft insoweit eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht;85 bei sich ab- zeichnenden Fehlentwicklungen müsste zumindest der Anspruch des Hochschulbereichs auf adäquate Ressour- cenausstattung gesetzlich konkretisiert werden.
Geht dagegen die bisherige Hochschulausbildung ganz in einer außerwissenschaftlichen Akademiestruk-
Zusammenhang von institutionellen Rahmenbedingungen und einer bestimmten Art von Politik siehe Schuppert, Verwaltungs- wissenschaft, 2000, S 563 ff.
84 Zum Wunsch nach stärkerer Praxisorientierung des Studiums für den gehobenen Polizeidienst als wichtigem Grund für die Neuorganisation siehe einführend oben I.
85 Vgl, dort auf wissenschaftsadäquate Evaluationskriterien bezo- gen, BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 360; allgemein zur Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht zB BVerfG 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – E 95, 267, 314 f; Dem hält Gärditz, Hochschulorganisation (Fn 6), S 362 f, ein Gebot der Bewältigung gegenwärtig erkennbarer Konfliktlagen entgegen, weil er ansonsten die Flucht des Gesetzgebers in eine bloße Nachsteuerung fürchtet.
128 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128
tur auf, wie in Niedersachsen der Fall, so kann mangels substantieller Selbstverwaltung von organisatorischer Absicherung freier Lehre und Forschung keine Rede mehr sein. Vor Art. 5 Abs. 3 GG hat dies nur Bestand, wenn konsequenterweise mit der notwendigen Klarheit – woran es in Niedersachsen fehlt – ganz auf eine Hoch- schulausbildung für den gehobenen Polizeidienst ver- zichtet wird. Ein Bachelor-Studiengang bleibt trotzdem weiter möglich, denn dieser ist im Bologna-Rahmen nicht mehr notwendig an eine Hochschule gekoppelt, sondern kann auch von einer Berufsakademie angebo- ten werden. Doch haben die bisherigen Professoren der Hochschule für Polizei weiterhin aus Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG einen Anspruch auf wissen- schaftsadäquate Verwendung, was (anders als in Nieder- sachsen geschehen) zumindest komplizierte Übergangs- regelungen notwendig machen würde.
Die Hamburger Reorganisation einer bisherigen Hochschule der Polizei als Fachbereich in einer überge- ordneten Polizeiakademie stellt einen Grenzfall dar. Die damit verbundene abstrakte Gefahr für die Wissen- schaftsfreiheit der im Fachhochschulbereich Tätigen und die ihnen gewährte Selbstverwaltung macht die neue rechtliche Konstruktion zwar nicht von vornherein verfassungswidrig, erhöht jedoch die Anforderungen an organisatorische und verfahrensmäßige Sicherungen zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit beträchtlich. Mus- tert man daraufhin die einzelnen Bestimmungen des HmbPolAG, so weisen diese an vielen Stellen zumindest Lücken und Unklarheiten auf. Für sich betrachtet mögen eine Reihe von Regelungen noch verfassungskonform auslegbar und ergänzbar sein. Sie müssen aber mehr leis- ten, nämlich eine wissenschaftsadäquate Struktur errich- ten, welche Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit, die aus der Akademiekonstruktion resultieren, strukturell –
- 86 Programmatisch Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, 1999.
- 87 Klassisch zur Kontraproduktivität einer zu weitreichenden Ver-gesetzlichung Wagner, Der öffentliche Dienst im Staat der Gegen- wart, VVDStRL 37 (1979), 214, 244 ff; Hufen, Die Grundrechte und der Vorbehalt des Gesetzes, in: Grimm (Hrsg), Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, 273, 281.
- 88 Zum Verständnis der Wesentlichkeitstheorie als Qualitätssi- cherung vgl Hoffmann-Riem, Gesetz und Gesetzesvorbehalt im Umbruch. Zur Qualitätsgewährleistung durch Normen, AöR 130 (2005), 5, 45 ff; in anderem Zusammenhang zuvor schon Scherzberg, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), 214, 257; skeptisch Reimer, Das Parlamentsgesetz als
von unvermeidbaren Missbrauchsmöglichkeiten im Ein- zelfallabgesehen–ausschließt.DiesistineinerGesamt- betrachtung kaum der Fall. Die bloße mehrfache Beto- nung der Wissenschaftsfreiheit reicht dazu nicht aus.
Gewiss ist der Ruf nach immer detaillierterer Gesetz- gebung kein Allheilmittel; eine Überdehnung der We- sentlichkeitslehre kann statt zur Freiheitssicherung86 auch zu Überregulierung und bloßem Bürokratiezu- wachs führen.87 Doch geht es hier nicht primär um Quantität, sondern um die Qualität88 der Regelungen zu Organisation und Verfahren an den wissenschaftssen- siblen Nahtstellen zwischen berufspraktischem Akade- mie- und Hochschulbereich, zwischen Hierarchie, Kol- legialprinzip und individueller Freiheit in Lehre und Forschung.89
Der Kern der Problematik liegt bei allen drei Model- len in dem Konsequenzgebot, das sich Art. 5 Abs. 3 GG entnehmen lässt:90 Will der Gesetzgeber weiterhin ein Hochschulstudium für den gehobenen Polizeidienst, so muss er auch die dafür grundrechtlich gewährleistete Selbstverwaltung einräumen und organisatorisch schüt- zen. Ein „bisschen Wissenschaftsfreiheit“ gibt es inso- weit ebenso wenig wie „ein bisschen schwanger“. Ohne wissenschaftsadäquate Hochschulstrukturen muss die Politik offen auf eine Hochschulausbildung verzichten und sich dann – von dem Probleme der adäquaten Wei- terbeschäftigung der Professoren ganz abgesehen – auch der unbequemen Kritik stellen, der gehobenen Polizei- ausbildung fehle es nunmehr an dem im demokratischen Rechtsstaat angezeigten Reflexionsniveau.
Der Autor ist Professor an der Bucerius Law School Hamburg und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht, Abteilung 3: Öffentliches Recht mit Rechtsver- gleichung.
Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg), Grundlagen des Verwal- tungsrechts, Bd 1, 2. Aufl 2012, § 9 Rn 54.
89 Eingehend zur freiheitssichernden Bedeutung des Vorbehalts des Gesetzes bei der Hochschulorganisation Gärditz, Hochschulor- ganisation (Fn 6), S 425 ff, der ein „geschlossenes und effektiven Grundrechtsschutz gewährleistendes Regelungskonzept“ fordert.
90 Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S 289 ff; Starck (Fn 13), Art 5 Abs 3 Rn 296 f, 387; Britz (Fn 11), Art 5 III (Wissenschaft) Rn 83; skeptisch im Hinblick auf den möglichen Anwendungsbereich Krausnick, Staat und Hochschule (Fn 12), S 183 f.