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Über­sicht

I. Ein­füh­rung

1. Ver­schie­de­ne Model­le einer orga­ni­sa­to­ri­schen Zusam­men­füh- rung von aka­de­mi­scher und nicht aka­de­mi­scher Poli­zei­aus- und ‑fort­bil­dung

2. Orga­ni­sa­ti­ons­re­form als Hochschulverfassungsproblem

II. All­ge­mei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Leit­li­ni­en für die Auf­lö­sung einer Hoch­schu­le nebst Neuorganisation

III. Wis­sen­schafts­ad­äquanz der Akademie-Konstruktion

1. Wei­ter, aber kei­nes­wegs gren­zen­lo­ser Gestal­tungs­spiel­raum des Gesetzgebers

2. Feh­len­de orga­ni­sa­to­ri­sche Selbst­stän­dig­keit des Fach­hoch- schul­be­reichs gegen­über der Akademie

3. Reich­wei­te des Parlamentsvorbehalts

IV. Ein­zel­fra­gen unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung des Ham- bur­ger Modells

1. Bestim­mung der Leitung

a) Aus­wahl der Lei­te­rin oder des Lei­ters der Aka­de­mie der Poli- zei

b) Abwahl­mög­lich­kei­ten u.Ä.

c) Stell­ver­tre­tung beim Dekan

2. Mit­wir­kung Exter­ner in Gremien

a) Bera­ten­de Mit­wir­kung eines Ver­tre­ters der Poli­zei­aka­de­mie sowie eines Ver­tre­ters der Auf­sichts­be­hör­de im Fachbereichsrat

b) Mit­wir­kung von Poli­zei­ver­tre­tern bei der Ent­wick­lung des Cur­ri­cu­lums in einer Gemein­sa­men Kommission

3. Res­sour­cen­aus­stat­tung des Stu­di­en- bzw. Fach­hoch­schul­be- reichs

4. Aus­hilfs­ver­pflich­tung der Pro­fes­so­ren im außer­aka­de­mi­schen Bereich

5. Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se des Aka­de­mie­lei­ters bzw. Direk­tors über die Gewäh­rung von Leistungszulagen

V. Abschlie­ßen­de Gesamtwürdigung

I. Ein­füh­rung

In meh­re­ren Bun­des­län­dern ist es in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu einer Orga­ni­sa­ti­ons­re­form der Aus- und Fort- bil­dung der Poli­zei gekom­men. Man erhofft sich Syner- gie­ef­fek­te durch eine mehr oder min­der weit­rei­chen­de Ver­klam­me­rung der aka­de­mi­schen (Fach­hoch­schul-)

* Aktua­li­sier­te und um Aus­füh­run­gen zu ande­ren Bun­des­län­dern erwei­ter­te Fas­sung eines Rechts­gut­ach­tens des Ver­fas­sers für Pro­fes­so­ren der Hoch­schu­le der Poli­zei Hamburg.

Bil­dung des geho­be­nen und der berufs­prak­ti­schen Aus- bil­dung des mitt­le­ren Poli­zei­diens­tes. Zugleich zeugt die Reform von einer gewis­sen Unzu­frie­den­heit der Poli­tik mit einem ver­meint­lich zu abge­ho­be­nen, poli­zei­prak­ti- sche Fähig­kei­ten ten­den­zi­ell zu gering schät­zen­den Fach­hoch­schul­stu­di­um. Im bes­ten Fal­le könn­te nun die aka­de­mi­sche Aus­bil­dung poli­zei­prak­tisch bes­ser unter- füt­tert und die beruf­prak­ti­sche Aus- und Fort­bil­dung par­ti­ell aka­de­misch befruch­tet wer­den. Schlimms­ten- falls droh­te dage­gen mit der Zurück­drän­gung aka­de­mi- scher Struk­tu­ren ein Ver­lust kri­ti­scher Refle­xi­on zuguns- ten von pro­ble­ma­ti­schem Chorgeist.

Juris­tisch geht es um die Reich­wei­te und den Schutz der Frei­heit von For­schung und Leh­re in den neu ge- schaf­fe­nen hybri­den Organisationsstrukturen.

1. Ver­schie­de­ne Model­le einer orga­ni­sa­to­ri­schen Zusam­men­füh­rung von aka­de­mi­scher und nicht aka­de- mischer Poli­zei­aus- und ‑fort­bil­dung

Für eine Ver­knüp­fung von ver­schie­de­nen Stu­fen und Arten der Poli­zei­aus- und ‑fort­bil­dung fin­den sich unter- schied­li­che Model­le. Zur Illus­tra­ti­on sei­en drei Bun­des- län­der bei­spiel­haft herausgegriffen.

Den Anfang mach­te Nie­der­sach­sen mit sei­nem „Ge- setz über die Poli­zei­aka­de­mie Nie­der­sach­sen“ (PolAkG Nds.) vom 13. Sep­tem­ber 2007.1 Die frü­he­re Nie­der­säch- sische Fach­hoch­schu­le für Ver­wal­tung und Rechts­pfle­ge wur­de auf­ge­löst und die Aus­bil­dung für den geho­be­nen Poli­zei­voll­zugs­dienst unter Über­lei­tung der Pro­fes­so­ren und Dozen­ten in eine neu geschaf­fe­ne Poli­zei­aka­de­mie als teil­rechts­fä­hi­ge Anstalt des öffent­li­chen Rechts integ- riert. Für die aka­de­mi­sche Aus­bil­dung (Bache­lor-Stu­di- engang sowie die Betei­li­gung am Mas­ter-Stu­di­en­gang der Deut­schen Hoch­schu­le für Poli­zei, § 2 Abs. 1 Nr.1 u. 3 PolAkG Nds) gibt es eini­ge Son­der­struk­tu­ren, nament- lich eine dem Fach­be­reichs­rat nach­emp­fun­de­ne Kon­fe- renz (§ 7 PolAkG Nds.) und eine Stu­die­ren­den­vert­re- tung (§ 8 Abs. 2 PolAkG Nds). Für Pro­fes­so­ren bedarf es eines Beru­fungs­ver­fah­rens (§ 10 Abs. 4 PolAkG Nds.). Für Ange­le­gen­hei­ten der aka­de­mi­schen Leh­re und For­schung gilt statt der Fach- nur eine Rechts­auf­sicht (vgl. § 3 PolAkG Nds.). Doch besitzt der aka­de­mi­sche Teil inner­halb der

1 Art 2 des „Geset­zes zur Neu­ord­nung der Aus­bil­dung für den geho­be­nen nicht­tech­ni­schen Ver­wal­tungs­dienst in Nie­der­sach­sen“, Nds GVBl Nr 28 v 20.9.2007, S 444.

Micha­el Fehling

Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Poli­zei­hoch­schu­len und Wissenschaftsfreiheit*

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2014, ISSN 2197–9197

114 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128

Aka­de­mie kei­ner­lei insti­tu­tio­nel­le Selb­stän­dig­keit; der Di- rek­tor lei­tet die Aka­de­mie im Gan­zen (vgl. § 6 PolAkG Nds.) und dane­ben gibt es kei­nen Dekan o.ä. Es han­delt sich also um ein Aka­de­mie-Ein­heits­mo­dell mit ein­ge­g­lie- der­tem aka­de­mi­schen Aus­bil­dungs­teil und weni­gen dar- auf bezo­ge­nen Son­der­struk­tu­ren. Die Wis­sen­schafts­frei- heit fin­det im Gesetz nir­gend­wo Erwäh­nung. Vor die- sem Hin­ter­grund hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Göt­tin­gen sogar geur­teilt, die Poli­zei­aka­de­mie Nie­der­sach­sen ent- hal­te kei­nen Hoch­schul­teil und die dor­ti­gen Pro­fes­so­ren sei­en des­halb gar kei­ne Hochschullehrer.2 Dar­auf ist zu- rückzukommen.3

Baden-Würt­tem­berg hat zumin­dest for­mal den um- gekehr­ten Weg beschrit­ten. Dort wur­den im Rah­men ei- ner grö­ße­ren Polizeistrukturreform4 der (Fach-)Hoch- schu­le Vil­lin­gen-Schwen­nin­gen auf Grund­la­ge von § 2 Abs. 6 S. 1 LHG BW durch Rechts­ver­ord­nung zusätz­li­che nicht­aka­de­mi­sche „Auf­ga­ben eines Prä­si­di­ums Bil­dung“ als staat­li­che Wei­sungs­auf­ga­ben über­ant­wor­tet (§ 2 Abs. 4 Satz 2 der geän­der­ten Errich­tungs­VO). Der Prä­si­dent der Hoch­schu­le, der vom Innen­mi­nis­te­ri­um ernannt wird, aber der Bestä­ti­gung des Hoch­schul­se­nats bedarf (§ 6 Abs. 1 Errich­tungs­VO), steht mit sei­ner Ver­wal­tung dem aka­de­mi­schen Bereich und dem Prä­si­di­um Bil­dung (§ 2 Abs. 4 Satz 5 Errich­tungs­VO) zusam­men vor; er wird im Prä­si­di­um Bil­dung durch einen vom Innen­mi- nis­te­ri­um bestell­ten Insti­tuts­lei­ter (§ 2 Abs. 4 Satz 6 der geän­der­ten Errich­tungs­VO) und im aka­de­mi­schen Be- reich durch einen Pro­rek­tor (§ 6 Abs. 2 Errich­tungs­VO) ver­tre­ten. Im Hoch­schul­be­reich gibt es zusätz­lich den Senat (§ 7 Errich­tungs­VO) und dar­un­ter Fakul­täts­struk- turen (§ 4 Abs. 2, §§ 9, 10 Errich­tungs­VO). Die­ses Mo- dell lässt sich als Poli­zei­hoch­schu­le mit nicht­aka­de­mi- schem Aus­bil­dungs­an­nex cha­rak­te­ri­sie­ren.

Eine orga­ni­sa­to­risch kom­ple­xe­re Aus­for­mung hat das Kon­zept einer inte­grier­ten Poli­zei­aus­bil­dung in Ham­burg erfah­ren. Im Ham­bur­gi­schen Poli­zei­aka­de- mie­ge­setz (Hmb­Po­lAG) vom 17. Sep­tem­ber 20135 wur­de die bis­he­ri­ge Hoch­schu­le der Poli­zei auf­ge­löst und als teil­rechts­fä­hi­ger Fach­hoch­schul­be­reich (§ 9 Hmb­Po- lAG) mit aka­de­mi­scher Selbst­ver­wal­tung (§ 11 Hmb­Po- lAG) in eine neu geschaf­fe­ne Aka­de­mie der Poli­zei Ham- burg (§ 1 Hmb­Po­lAG) inte­griert. Der Fach­hoch­schul­be- reich ver­fügt über die klas­si­schen aka­de­mi­schen Organe

2 VG Göt­tin­gen 6.11.2013 – 1 A 190/13 – Rn 16 ff (juris), gestützt vor allem auf Andeu­tun­gen in den Geset­zes­ma­te­ria­li­en Nds LT- Drs 15/3595, zu § 4 (S 14) und ins­bes zu § 9 (S 21 f), sowie bei den Aus­schuss­be­ra­tun­gen, Nds LT-Drs 15/4054, S 2 ff; Das Urteil ist mitt­ler­wei­le rechtskräftig.

Dekan und Fach­be­reichs­rat (§ 14 Hmb­Po­lAG), die ab- schlie­ßend in Ange­le­gen­hei­ten von For­schung und Leh- re ent­schei­den (§ 18 Hmb­Po­lAG). Es fin­den sich jedoch auch viel­fäl­ti­ge Ver­zah­nun­gen zwi­schen dem behörd­lich- hier­ar­chisch struk­tu­rier­ten Aka­de­mie­über­bau (zum Vor- gesetz­ten­ver­hält­nis § 4 Hmb­Po­lAG) und dem Fach­hoch- schul­be­reich. Der Lei­ter der Aka­de­mie wird durch die zu- stän­di­ge Behör­de bestellt; der Dekan des Fach­hoch- schul­be­reichs fun­giert als des­sen Ver­tre­ter (§ 3 Hmb­Po­lAG). Eine pari­tä­tisch besetz­te gemein­sa­me Kom­mis­si­on erar­bei­tet Vor­schlä­ge und Emp­feh­lun­gen für das Cur­ri­cu­lum des Stu­di­en­gangs (§ 6 Hmb­Po­lAG). An den Sit­zun­gen des Fach­be­reichs­rats kön­nen ein Ver- tre­ter der prak­ti­schen Aus­bil­dung in der Aka­de­mie so- wie ein Ver­tre­ter der Rechts­auf­sicht mit bera­ten­der Stim­me teil­neh­men (§ 17 Abs. 2 Hmb­Po­lAG). Die Pro- fes­so­ren und Dozen­ten des Fach­hoch­schul­be­reichs ha- ben auch die Auf­ga­be, kurz­zei­tig und im Ein­zel­fall die Aka­de­mie bei der Erfül­lung ihrer sons­ti­gen Auf­ga­ben zu unter­stüt­zen (§ 26 Abs. 1 Hmb­Po­lAG). Dabei wird die Frei­heit von Leh­re und For­schung aus­drück­lich all­ge- mein (§ 12 Hmb­Po­lAG) und an ver­schie­de­nen wei­te­ren Stel­len im Gesetz betont. Schlag­wort­ar­tig kann man in Ham­burg von einer Hoch­schu­le in einer nicht­aka­de­mi- schen Aka­de­mie spre­chen.

2. Orga­ni­sa­ti­ons­re­form als Hoch­schul­ver­fas­sungs­pro- blem

Im demo­kra­ti­schen Rechts­staat ist die Poli­zei­aus­bil­dung not­wen­dig ein Poli­ti­kum. Ihre Orga­ni­sa­ti­on muss zumin- dest im aka­de­mi­schen Bereich aber auch (hoch­schul-) ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen genü­gen. Des- halb wird im Fol­gen­den der Fra­ge nach­ge­gan­gen, ob die Refor­men den Anfor­de­run­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit (Art. 5 Abs. 3 GG) genü­gen, ob nament­lich die aka­de­mi- sche Selbst­ver­wal­tung des Fach­hoch­schul­be­reichs hin- rei­chend gesi­chert und die indi­vi­du­el­le Frei­heit der Pro- fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren in For­schung und Leh­re struk­tu­rell gewähr­leis­tet ist. Dabei geht es kei­nes­wegs allein um die Wah­rung aka­de­mi­scher Besitz­stän­de der Betrof­fe­nen (vor allem der Pro­fes­so­ren) und auch nicht um Wis­sen­schafts­idea­le als Selbst­zweck, wie sie für die Fach­hoch­schul­aus­bil­dung ohne­hin nur ein­ge­schränkt tau­gen. Viel­mehr muss das Orga­ni­sa­ti­ons­recht als Steue-

3 Sie­he unten II.
4 Poli­zei­struk­tur­re­form­ge­setz (PolRG) vom 23.07.2013, BW GBl

2013 S 233 ff.
5 Art 1 des „Geset­zes zur Neu­aus­rich­tung der Aus- und Fortbildung

der Poli­zei Ham­burg“, HmbGVBl Nr 38 v 24.9.2013, S 389.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 1 5

rungsressource6 ernst genom­men wer­den. Damit liegt die Ver­mu­tung nahe, dass dor­ti­ge ein­schnei­den­de Ände- run­gen mit­tel­bar auch die Aus­bil­dung selbst beein­flus- sen und die „Sozia­li­sa­ti­on“ sowie das Selbst­ver­ständ­nis unse­res Poli­zei­nach­wuch­ses indi­rekt mit prägen.

Grund­recht­li­che Beden­ken wer­den sowohl gegen die gewähl­te Grund­struk­tur einer Inte­gra­ti­on der Fach- hoch­schu­le in eine Poli­zei­aka­de­mie als auch gegen zahl- rei­che Ein­zel­re­ge­lun­gen gel­tend gemacht. Ver­fas­sungs- recht­lich grei­fen bei­de Ebe­nen inein­an­der. Art. 5 Abs. 3 GG for­dert in der Sum­me eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur. Struk­tu­rel­le Gefähr­dun­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit müs­sen aus­ge­schlos­sen und ein adäqua­tes Niveau der Par­ti­zi­pa­ti­on muss gewähr­leis­tet sein,7 eine „nur hypo­the­ti­sche Gefähr­dung“ bleibt dage- gen unschädlich.8 Dies lässt sich jedoch nicht allein an- hand der abs­trak­ten Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur beur­tei­len, son­dern muss anhand der Ein­zel­re­ge­lun­gen, die die­ser Struk­tur Gestalt geben, über­prüft wer­den. Ein­zel­ne Vor- schrif­ten, die für sich genom­men noch der ver­fas­sungs- kon­for­men Aus­le­gung und Hand­ha­bung zugäng­lich sein mögen, kön­nen sich den­noch gehäuft zu einer struk­tu- rel­len Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit sum­mie- ren.9 Umge­kehrt schaf­fen ein­zel­ne Bestim­mun­gen, die iso­liert betrach­tet ver­fas­sungs­recht­lich bedenk­lich er- schei­nen, in der über­grei­fen­den Gesamt­per­spek­ti­ve wo- mög­lich blo­ße Miss­brauchs­mög­lich­kei­ten, wel­che auf- grund ander­wei­ti­ger Siche­run­gen die Wis­sen­schafts­frei- heit nicht struk­tu­rell tan­gie­ren. Vor die­sem Hin­ter­grund gilt es im Fol­gen­den nach Vor­be­mer­kun­gen zur Reorga-

  1. 6  Grund­le­gend und begriffs­prä­gend Schmidt-Aßman­n/Hoff­mann- Riem (Hrsg), Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­ons­recht als Steue­rungs­res- source, 1997; fer­ner etwa Schup­pert, Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on und Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­ons­recht als Steue­rungs­fak­to­ren, in: Hoff­mann-Rie­m/­Schmidt-Aßman­n/­Voß­kuh­le (Hrsg), Grund­la- gen des Ver­wal­tungs­rechts, Bd 1, 2. Aufl 2012, § 16, ins­bes Rn 8 ff; spe­zi­ell für das Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­recht Gär­ditz, Hoch- schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung, 2009, S 307, der all­ge­mein dem Kon­zept aber kri­tisch gegen­über- steht (vgl S 163 ff).
  2. 7  BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116 f – Ham­bur­ger Hochschulgesetz.
  3. 8  BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 355 – Brandenburg-Beschluss.
  4. 9  Vgl für die indi­vi­du­el­le Wis­sen­schafts­frei­heit Geis, Uni­ver­si­tä­ten im Wett­be­werb, VVDStRL 69 (2010), 364, 396: „Vie­le ver­schie­de- ne Steue­rungs­im­pul­se, die nach Inten­si­tät und Zure­chen­bar­keit einen „Ein­griff weder im klas­si­schen noch im fak­ti­schen Sin­ne begrün­den, kön­nen jedoch in ihrer Syn­er­gie zu so mas­si­ven Len- kungs­wir­kun­gen füh­ren, dass die Schutz­ge­hal­te durch wach­sen­de Abhän­gig­kei­ten vom Sys­tem suk­zes­si­ve aus­ge­höhlt wer­den.“ Ent­spre­chend ist in der all­ge­mei­nen Grund­rechts­dog­ma­tik mitt- ler­wei­le auch die Mög­lich­keit „addi­ti­ver Grund­rechts­ein­grif­fe“ aner­kannt, vgl BVerfG 10.11.204 – 2BvR 581/01 – E 112, 304, 319 f; BVerfG 10.6.2009 – 1 BvR706, 814, 819, 832, 837/08 – E 123, 186, 265 f.
  5. 10  BVerfG 13.4.2010 – 1 BvR 216/07 – E 126, 1, 19 ff – Hamburger

nisa­ti­on (sogleich II.) zunächst die all­ge­mei­ne Orga­ni­sa- tions­struk­tur zu unter­su­chen (III.), dann sol­len die pro- ble­ma­ti­schen Ein­zel­fra­gen erör­tert (IV.) und schließ­lich muss eine über­grei­fen­de Gesamt­wür­di­gung (V.) vor­ge- nom­men werden.

II. All­ge­mei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Leit­li­ni­en für die Auf­lö­sung einer Hoch­schu­le nebst Neuorganisation

Die Wis­sen­schafts­frei­heit, auf die sich auch Fach­hoch- schu­len und deren Pro­fes­so­ren beru­fen können,10 schützt weder die Hoch­schu­le noch ihre Ange­hö­ri­gen davor, dass die Hoch­schu­le im Zuge einer Struk­tur­re­form neu orga­ni­siert oder gar auf­ge­löst wird.11 Glei­ches gilt für das Landesverfassungsrecht.12 Zwecks hin­rei­chen­den Grund- rechts­schut­zes durch Ver­fah­ren muss frei­lich der Reform- pro­zess so aus­ge­stal­tet wer­den, dass die Betrof­fe­nen ihre Vor­stel­lun­gen und gege­be­nen­falls Beden­ken ein­brin­gen können.13 Vor allem müs­sen die Pro­fes­so­rin­nen und Pro- fes­so­ren bei der Auf­lö­sung ihrer bis­he­ri­gen Hoch­schu­le an einer ande­ren (neu­en) Hoch­schu­le amts­an­ge­mes­sen, also mit frei­er For­schung und Leh­re, beschäf­tigt wer­den. Das Recht eines beam­te­ten Pro­fes­sors auf Beschäf­ti­gung ent­spre­chend der Wer­tig­keit sei­nes sta­tus­recht­li­chen Amtes ergibt sich schon all­ge­mein aus den her­ge­brach­ten Grund­sät­zen des Berufs­be­am­ten­tums (Art. 33 Abs. 5 GG);14 ergän­zend und die beam­ten­recht­li­chen Grund­sät- ze über­la­gernd garan­tiert Art. 5 Abs. 3 GG zudem auch in dem neu­en Amt hin­rei­chen­de wissenschaftliche

Hoch­schul­ge­setz; dem fol­gend BVerwG 26.9.2012 – BVerwG 6

CN 1.11 – E 144, 195, Rn 12.
11 BVerfG 10.3.1992 – 1 BvR 454 ua/91 – E 85, 360, 382 u 384 f –

Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten; BVerwG 18.11.2004 – 4 CN 11/03 – NVwZ-RR 2005, 442, 443; Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl 2004, Rn 217; Britz, in: Drei­er (Hrsg), GG-Kom­men­tar, Bd I, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Wis­sen­schaft) Rn 82; eine pla­nungs- ähn­li­che Recht­fer­ti­gung for­dert Geis, Auto­no­mie der Uni­ver­si­tä- ten, in: Merten/Papier (Hrsg), Hand­buch der Grund­rech­te, Band IV, 2011, § 100 Rn 41 f.

12 Über­blick bei Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le im Gewähr­lei- stungs­staat, 2012, S 154 ff; vgl auch Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa- tion (Fn 6), S 380 ff Art 5 Abs 3 Abs 3 Satz 1 Nds LV garan­tiert über die Wis­sen­schafts­frei­heit zwar auch die aka­de­mi­sche Selbst- ver­wal­tung, doch nur soweit es sich (noch) um eine Hoch­schu­le han­delt. Die Bestands­ga­ran­tie des Art 85 LV BW bezieht sich aus­drück­lich nur auf „Hoch­schu­len mit Pro­mo­ti­ons­recht“. In der HmbLV wer­den weder Wis­sen­schafts­frei­heit noch Hoch­schul- selbst­ver­wal­tung erwähnt.

13 Zum Anhö­rungs­recht Geis, in: HGR IV (Fn 11), § 100 Rn 20; Starck, in: v Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg), GG-Kom­men­tar, Bd 1, 6. Aufl 2010, Art 5 Abs 3 Rn 367 u 381.

14 Stän­di­ge Rspr seit BVerfG 2.12.1958, E 8, 332, 344 ff; die Posi­ti­on eines Insti­tuts- und Kli­nik­di­rek­tors an einem Uni­ver­si­täts­kli­ni- kum betref­fend BVerfG 8.2.1977 – 1 BvL 27/55 – E 43, 242, 282; zusam­men­fas­send Jach­mann, in: v Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg), GG-Kom­men­tar, Bd 2, 6. Aufl 2010, Art 33 Abs 5 Rn 52.

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Unabhängigkeit.15 Schon dage­gen wür­de das Nie­der­säch- sische Modell ver­sto­ßen, wenn es sich, wie das Ver­wal- tungs­ge­richt Göt­tin­gen annimmt,16 bei der dor­ti­gen Poli­zei­aka­de­mie auch in ihrem mit der Bache­lor-Aus­bil- dung betrau­ten Zweig mate­ri­ell nicht mehr um eine Hoch­schu­le han­del­te. Dass die betrof­fe­nen Hoch­schul- leh­rer nur mit ihrer Zustim­mung an die Berufs­aka­de­mie ver­setzt wer­den konn­ten (§ 13 Abs. 1 PolAkG Nds.), ändert dar­an nichts. Denn die Betrof­fe­nen konn­ten – auch im Hin­blick auf die Gesetzesmaterialien17 – wohl davon aus­ge­hen, dass ihre neue Ein­rich­tung zumin­dest par­ti­ell (auf den Bache­lor-Stu­di­en­gang bezo­gen) Hoch- schul­sta­tus besit­zen soll­te. Über­ra­schen­der­wei­se wird all dies vom Ver­wal­tungs­ge­richt Göt­tin­gen nicht ein­mal ange­spro­chen. Rich­ti­ger­wei­se hät­te das Gericht erwä­gen müs­sen, ob eine ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung des Poli­zei­aka­de­mie­ge­setz­tes von Nie­der­sach­sen dahin­ge- hend mög­lich ist, dass es sich beim orga­ni­sa­to­ri­schen Rah­men der Bache­lor-Aus­bil­dung der Sache nach doch um einen Hoch­schul­zweig handelt.

Die Wis­sen­schafts­frei­heit garan­tiert fer­ner nicht, dass die Aus­bil­dung bestimm­ter Poli­zei­be­am­ter an einer Hoch­schu­le statt­fin­det. Unter die­sem Aspekt wäre es also unbe­denk­lich, wenn die neue nie­der­säch­si­sche Ba- che­lor-Aus­bil­dung nicht mehr als Hoch­schul­aus­bil­dung zu qua­li­fi­zie­ren wäre.18 Wenn sich jedoch der Gesetz­ge- ber für eine (Fach-) Hoch­schul­aus­bil­dung ent­schei­det, wie dies in Baden-Würt­tem­berg und auch in Ham­burg unstrei­tig wei­ter­hin der Fall ist, muss er bei der Orga­ni- sati­on die­ser Hoch­schu­le in vol­lem Umfang den Anfor- derun­gen des Art. 5 Abs. 3 GG genü­gen. Das Schutz­ni- veau der Wis­sen­schafts­frei­heit wird nicht dadurch redu- ziert, dass man auf Hoch­schul­struk­tu­ren und eine wis- sen­schaft­lich fun­dier­te Aus­bil­dung ver­fas­sungs­recht­lich auch ganz ver­zich­ten könnte.

  1. 15  Vgl BVerfG 8.2.1977– 1 BvL 27/55 – E 43, 242, 282 ff, dort frei­lich mehr zu den Gren­zen die­ses Rechts; Kar­pen, Schlie­ßung einer Hoch­schu­le wegen Stu­den­ten­man­gels, 1989, S 69; Feh­ling, in: Bon­ner Kom­men­tar zum Grund­ge­setz, Art 5 Abs 3 GG (Wis­sen­schafts­frei­heit), Rn 48, 110, 113; weni­ger klar Det­mer, Das Recht der (Universitäts-)Professoren, in: Hartmer/Detmer (Hrsg), Hoch­schul­recht, 2. Aufl 2011, Kap IV Rn 217. Zum im Ein­zel­nen umstrit­te­nen Ver­hält­nis zwi­schen Art 5 Abs 3 GG und Art 33 Abs 5 GG, vgl BVerfG 26.10.2008 – 1 BvR 462/06 – E 122, 89, 105 f; Bäcker, Wis­sen­schaft als Amt: das ver­fas­sungs­recht­li­che Hoch­schul­leh­rer­be­am­ten­recht aus Art 33 Abs 5 GG iVm Art 5 Abs 3 GG, AöR 135 (2010), 78 ff.
  2. 16  Sie­he oben Fn 2.
  3. 17  Neben den vom VG Göt­tin­gen ange­führ­ten Pas­sa­gen (oben Fn2), fin­den sich näm­lich auch sol­che, die die blo­ße Rechts­auf­sicht bei Leh­re und For­schung (zu § 3, S 19) sowie die „aka­de­mi­sche Struk­tur­ge­bung“ und die dazu erfor­der­li­che „Unab­hän­gig­keit des Organs Kon­fe­renz“ (zu § 5, S 20) betonen.
  4. 18  Inso­weit weist VG Göt­tin­gen 6.11.2013 – 1 A 190/13 – Rn 38 (juris) zutref­fend dar­auf hin, dass nach § 6a Nds Berufs­a­ka- demieG vom 6.6.1994 (Nds GVBl S 233) iVm. dem Beschluss

Eben­so wenig recht­fer­tigt die Tat­sa­che, dass es sich „nur“ um eine Fach­hoch­schu­le han­delt, ein Abwei­chen von all­ge- meinenhochschulverfassungsrechtlichenGrundsätzen.Der Unter­schied von Fach­hoch­schu­len zu wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len erschöpft sich in einer bei den Fach­hoch- schu­len pra­xis­nä­he­ren Struk­tur von Leh­re und For­schung und einem stär­ke­ren Gewicht der Lehr- gegen­über den For- schungs­auf­ga­ben. Im Rah­men die­ses etwas ande­ren Auf- trags, der sich zugleich im funk­tio­na­len Amt der Hoch- schul­leh­rer nie­der­schlägt, besteht jedoch indi­vi­du­el­le Wis­sen­schafts­frei­heit in glei­chem Maße auch für Fach- hoch­schul­pro­fes­so­rin­nen und ‑professoren;19 kon­se- quen­ter­wei­se kann es dann auch kei­ne grund­sätz­li­chen Unter­schie­de in den Anfor­de­run­gen an die grund­rechts- kon­for­me Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur geben.20

Schließ­lich ver­mö­gen auch die beson­de­ren Anfor­de- run­gen der Poli­zei kein Abwei­chen von den all­ge­mei­nen hoch­schul­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gebo­ten zu recht­fer­ti- gen.21 Wie noch dar­zu­le­gen sein wird, sind die Anfor­de- run­gen an eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Orga­ni­sa­ti­ons- struk­tur ihrer­seits hin­rei­chend offen für die Berück­sich- tigung sol­cher spe­zi­fi­scher gesell­schaft­li­cher und staat­li- cher Gemein­wohl­zwe­cke. Der­ar­ti­ge Zwe­cke ver­mö­gen im ver­hält­nis­mä­ßi­gen Rah­men gege­be­nen­falls staat­li­che Ein­wir­kungs­mög­lich­kei­ten zu recht­fer­ti­gen, die mit­tel- bar auch die Bedin­gun­gen für For­schung und Leh­re be- ein­flus­sen. Spe­zi­fi­sche Erfor­der­nis­se der Poli­zei­aus­bil- dung kön­nen jedoch eben­so wenig wie ande­re Gemein- wohl­be­lan­ge die ver­fas­sungs­recht­li­che Recht­fer­ti­gungs- last besei­ti­gen, wel­che die Wis­sen­schafts­frei­heit dem Gesetz­ge­ber bei der Zurück­drän­gung der Selbst­ver­wal- tung­in­der­Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on auferlegt.

Damit blei­ben bei der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der aka­de- mischen Poli­zei­aus­bil­dung unein­ge­schränkt die all­ge- mei­nen Grund­sät­ze maß­geb­lich, die das Bundesverfas-

der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz vom 15.10.2004 ein Bache­lor- Stu­di­en­gang nicht zwin­gend an einer Hoch­schu­le ange­sie­delt sein muss, son­dern auch an einer Berufs­aka­de­mie statt­fin­den kann; einen gewis­sen Anglei­chungs­pro­zess kon­sta­tiert inso­weit Lynen, Typi­sie­rung von Hoch­schu­len, in: Hartmer/Detmer (Hrsg), Hoch­schul­recht, 2. Aufl 2011, Kap III Rn 27.

19 Sie­he oben Fn 10.
20 Beson­ders deut­lich Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 614;

Lynen, in: Hartmer/Detmer (Fn 18), Kap III Rn 39; aA beiläufig

und ohne nähe­re Begrün­dung Starck (Fn 13), Art 5 Abs 3 Rn 399. 21 Vgl Rein­hardt, Rechts­fra­gen der Sta­tus­än­de­rung von Verwal-

tungs­fach­hoch­schu­len, NJ 2005, 489, 490, der eine Ein­schrän­kung oder gar Abschaf­fung der Selbst­ver­wal­tung an der Fach­hoch- schu­le für Poli­zei Sach­sen-Anhalts an der dor­ti­gen lan­des­ver­fas- sungs­recht­li­chen Garan­tie der Hoch­schul­selbst­ver­wal­tung misst. Zwei­feld dage­gen Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 614, der die Wis­sen­schaft­lich­keit der Beam­ten­aus­bil­dung an spe­zia­li- sier­ten Fach­hoch­schu­len anzwei­felt, ohne aber näher dar­zu­le­gen, war­um sich dies struk­tu­rell von der Aus­bil­dung an all­ge­mei­nen Fach­hoch­schu­len unterscheide.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 1 7

sungs­ge­richt in den Beschlüs­sen zum Ham­bur­ger Hoch- schulgesetz22 und zum Bran­den­bur­ger Hochschulgesetz23 ent­wi­ckelt hat. Gewis­se Anhalts­punk­te zur ver­fas­sungs­recht- lichen Ein­schät­zung der Aka­de­mie-Kon­struk­ti­on las­sen sich fer­ner der älte­ren Ent­schei­dung zur Hoch­schul­me­di- zin24 entnehmen.

III. Wis­sen­schafts­ad­äquanz der Aka­de­mie-Kon­struk- tion

1. Wei­ter, aber kei­nes­wegs gren­zen­lo­ser Gestal­tungs- spiel­raum des Gesetzgebers

Mit der Ein­bin­dung der Fach­hoch­schu­le in eine Poli­zei- aka­de­mie hat Ham­burg – bei an Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m Art. 5 Abs. 3 GG ori­en­tier­ter Aus­le­gung des dor­ti­gen Akademiemodells25 womög­lich zuvor aber auch schon Nie­der­sach­sen – Neu­land betre­ten. Dies allein ist jedoch ver­fas­sungs­recht­lich unschäd­lich; der Lan­des­ge­setz­ge- ber hat einen gro­ßen hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Spiel- raum:

„Solan­ge der Gesetz­ge­ber ein […] hin­rei­chen­des Maß an orga­ni­sa­to­ri­scher Selbst­be­stim­mung der Grund­rechts- trä­ger sicher­stellt, ist er frei, den Wis­sen­schafts­be­trieb nach sei­nem Ermes­sen zu regeln, um die unter­schied­li- chen Auf­ga­ben der Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen und die Inter­es­sen aller dar­an Betei­lig­ten in Wahr­neh­mung sei- ner gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung in ange- mes­se­nen Aus­gleich zu brin­gen [Zitat aus­ge­las­sen]. Er ist dabei nicht an über­kom­me­ne hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri- sche Struk­tu­ren gebun­den. Er darf neue Model­le und Steue­rungs­tech­ni­ken ent­wi­ckeln und erpro­ben und ist sogar ver­pflich­tet, bis­he­ri­ge Orga­ni­sa­ti­ons­for­men zu beob­ach­ten und zeit­ge­mäß zu refor­mie­ren [Zitat aus­ge- las­sen]. Ihm ste­hen dabei gera­de hin­sicht­lich der Eig- nung neu­er Orga­ni­sa­ti­ons­for­men ein Ein­schät­zungs- und Pro­gno­se­spiel­raum zu [Zitat ausgelassen].“26

  1. 22  BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 114 ff.
  2. 23  BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 353, ff.
  3. 24  BVerfG 8.4.1981 – 1 BvR 608/79 – E 57, 70, 94 ff.
  4. 25  Sie­he oben I. 1.
  5. 26  BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116 mwN.
  6. 27  BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 114. Die Direk­ti-ons­kraft die­ses Ansat­zes unter­schätzt m.E. Kraus­nick, Staat und­Hoch­schu­le (Fn 12), S 129 ff.
  7. 28  Feh­ling, Hoch­schu­le, in: Fehling/Ruffert (Hrsg), Regu­lie­rungs-recht, § 17 Rn 30; Britz (Fn 11), Art 5 III (Wis­sen­schaft) Rn 72; zurück­hal­tend Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), ins­bes 47 ff, weil er dar­in eine Min­de­rung der staat­li­chen Ver­ant­wor­tung erblickt.
  8. 29  Vgl beson­ders deut­lich Schul­te, Grund und Gren­zen der Wis­sen­schafts­frei­heit, VVDStRL 65 (2005]), 110, 124; Gär­ditz,

Die­se Fle­xi­bi­li­tät recht­fer­tigt sich aus der demo­kra­ti- schen Legi­ti­ma­ti­on des Gesetz­ge­bers, der über sei­ne Bud­get­ver­ant­wor­tung hin­aus wis­sen­schafts­exter­ne Ge- mein­wohl­be­lan­ge – im Hoch­schul­sys­tem in einer sich wan­deln­den Gesell­schaft poli­tisch immer wie­der neu zu defi­nie­ren und über Orga­ni­sa­ti­ons – und Ver­fah­rens­re- gelun­gen abwä­gend zur Gel­tung zu brin­gen hat. Hier­bei trifft den Staat indes eine weit­rei­chen­de Schutzpflicht27 oder auch Gewährleistungsverantwortung28 für die freie wis­sen­schaft­li­che Ent­fal­tung der ein­zel­nen Grund­rechts- trä­ger; er muss dazu eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Hoch- schul­or­ga­ni­sa­ti­on schaf­fen. Inso­weit gilt ein weit­rei­chen- der Par­la­ments­vor­be­halt, da die Orga­ni­sa­ti­ons­entsch­ei- dun­gen äußerst grund­rechts­we­sent­lich sind.29 Wenn die Recht­spre­chung vom Staat geeig­ne­te orga­ni­sa­to­ri­sche Rege­lun­gen zur Ver­hin­de­rung einer struk­tu­rel­len Ge- fähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit ver­langt, so ist damit mehr oder min­der deut­lich stets der par­la­men­ta­ri­sche Gesetz­ge­ber gemeint.30 Die Schwel­le zur Ver­fas­sungs- wid­rig­keit ist über­schrit­ten, wo die maß­geb­li­chen Nor- men die freie wis­sen­schaft­li­che Betä­ti­gung und Auf­ga- ben­er­fül­lung struk­tu­rell gefähr­den. Dabei muss man das hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­sche Gesamt­ge­fü­ge mit sei­nen unter­schied­li­chen Ein­fluss- und Kon­troll­mög­lich­kei­ten in den Blick nehmen.31

„Die Siche­rung der Wis­sen­schafts­frei­heit durch orga­ni- sato­ri­sche Rege­lun­gen ver­langt […], dass die Trä­ger der Wis­sen­schafts­frei­heit durch ihre Ver­tre­ter in Hoch­schul- orga­nen Gefähr­dun­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit ab- weh­ren und ihre fach­li­che Kom­pe­tenz zur Ver­wirk­li- chung der Wis­sen­schafts­frei­heit in die Uni­ver­si­tät ein- brin­gen kön­nen. Der Gesetz­ge­ber muss daher ein hin­rei- chen­des Niveau der Par­ti­zi­pa­ti­on der Grund­rechts­trä­ger gewährleisten.“32

Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 425 ff.
30 Aus­drück­lich in BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E

111, 333, 355 f; sie­he fer­ner das fol­gen­de wört­li­che Zitat.
31 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116.
32 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 117; zur Notwen-

dig­keit eines hin­rei­chen­den Par­ti­zi­pa­ti­ons­ni­veaus im Anschluss an Feh­ling, Neue Her­aus­for­de­run­gen an die Selbst­ver­wal­tung in Hoch­schu­le und Wis­sen­schaft, Die Ver­wal­tung 35 (2002), 399, 403 f; ders in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 193; vgl auch Schul­te (Fn 29), VVDStRL 65 (2006), 110, 128; Hend­ler, Die Uni­ver­si­tät im Zei­chen von Öko­no­mi­sie­rung und Inter­na­tio­na­li­sie­rung, VVDStRL 65 (2006), 238, 250; Bum­ke, Uni­ver­si­tä­ten im Wett­be- werb, VVDStRL 69 (2010), 407, 445; Geis, in: HGR IV (Fn 11), § 100 Rn 47, 59.

118 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128

In der Zusam­men­schau von Schutz­pflicht­an­satz, Ge- bot wis­sen­schafts­ad­äqua­ter Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur, hin- rei­chen­dem Par­ti­zi­pa­ti­ons­ni­veau und Geset­zes­vor­be­halt zeigt sich, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt dem Ge- setz­ge­ber bei der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on ent­ge­gen ver- brei­te­ter Auffassung33 kei­nes­wegs einen Frei­brief bis hin zur Will­kür­gren­ze aus­ge­stellt hat. So sehr das Gericht struk­tur­kon­ser­va­ti­ve Fest­le­gun­gen ver­mei­det, so klar sucht es doch dem Hoch­schul­ge­setz­ge­ber mit Ziel­vor­ga- ben die Rich­tung zu weisen.34 Spä­tes­tens im Zusam­men- spiel gewin­nen die­se auch für die Selbst­ver­wal­tung durch­aus Konturen.

Die Ein­glie­de­rung des Fach­hoch­schul­be­reichs in eine berufs­schu­lisch gepräg­te Poli­zei­aka­de­mie lässt sich im Ansatz durch­aus durch poli­tisch neu defi­nier­te Ge- mein­wohl­an­for­de­run­gen an eine zeit­ge­mä­ße Poli­zei­aus- bil­dung recht­fer­ti­gen. Doch birgt die­se Orga­ni­sa­ti­ons­re- form auf den ers­ten Blick die Gefahr, dass wis­sen­schafts- frem­de hier­ar­chi­sche Struk­tu­ren aus der Aka­de­mie in den Fach­hoch­schul­be­reich direkt oder indi­rekt hin­über- wir­ken. Dar­auf schei­nen in Ham­burg §§ 3, 4 Hmb­Po­lAG hin­zu­deu­ten, wonach der Fach­hoch­schul­be­reich der Lei­tung der Poli­zei­aka­de­mie unter­stellt wird. Aller­dings schreibt § 4 S. 2 Hmb­Po­lAG aus­drück­lich vor, dass die Wis­sen­schafts­frei­heit bei der Wahr­neh­mung die­ser Vor- gesetz­ten­funk­ti­on zu gewähr­leis­ten ist. Dem Fach­hoch- schul­be­reich wird nach § 9 Hmb­Po­lAG zwar kei­ne vol­le Rechts­fä­hig­keit, aber immer­hin Teil­rechts­fä­hig­keit zu- geschrie­ben, soweit ihm das Gesetz Selbst­ver­wal­tungs- rech­te in For­schung und Leh­re (§ 11 Hmb­Po­lAG) ein- räumt. Die blo­ße gesetz­li­che Beto­nung von Wis­sen­schafts- frei­heit und Selbst­ver­wal­tung durch den Gesetz­ge­ber ist al- ler­dings zum Grund­rechts­schutz durch Orga­ni­sa­ti­on und Ver­fah­ren noch nicht aus­rei­chend; es müs­sen Struk­tu­ren geschaf­fen wer­den, die die Durch­set­zung die­ser Grund­sät- ze in der all­täg­li­chen Arbeit hin­rei­chend ermög­li­chen und sicherstellen.

In Nie­der­sach­sen fehlt es schon an jeg­li­cher aus- drück­li­cher Erwäh­nung von Wis­sen­schafts­frei­heit und Selbst­ver­wal­tung im dor­ti­gen Poli­zei­aka­de­mie­ge­setz. Hier bedürf­te es schon einer sehr weit­rei­chen­den Geset- zes­aus­le­gung, um aus den Ein­zel­be­stim­mun­gen zur blo- ßen Rechts­auf­sicht, zur fach­be­reichs­rats­ähn­li­chen Kon-

  1. 33  Beson­ders deut­lich Gär­ditz, Hoch­schul­ma­nage­ment und Wis- sen­schafts­ad­äquanz, NVwZ 2005, 407, 409; Mager, Frei­heit von For­schung und Leh­re, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg), Hand­buch des Staats­rechts, Bd 7, 3. Aufl 2009, § 166 Rn 40; zusam­men­fas­send mwN Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), S 108 ff.
  2. 34  Ähn­lich Bum­ke (Fn 32), VVDStRL 69 (2010), 407, 444 f.
  3. 35  In Anleh­nung an die von K. Schmidt ent­wi­ckel­te Leh­re von einer­vir­tu­el­len juris­ti­schen Per­son, zB „Ersatz­for­men“ der Stif­tung – Unselb­stän­di­ge Stif­tung, Treu­hand und Stif­tungs­kör­per­schaft, in: Hopt/Reuter (Hrsg), Stif­tungs­recht in Euro­pa, 2001, S 175, 178 ff;

ferenz und zu Sta­tus und Beru­fung von Pro­fes­so­ren so- wie zum Bache­lor-Stu­di­um eine gleich­sam vir­tu­el­le Hochschule35 inner­halb der Aka­de­mie zu konstruieren.

Auf all­ge­mei­ner Ebe­ne las­sen sich zwei Fra­gen­krei­se unter­schei­den: Führt die Unter­ord­nung des Fach­hoch- schul­be­reichs unter eine sol­che Poli­zei­aka­de­mie schon von vorn­her­ein dazu, dass trotz ver­ba­ler Beto­nung von Wis­sen­schafts­frei­heit und Selbst­ver­wal­tung struk­tu­rell Gefah­ren für die wis­sen­schaft­li­che Ent­fal­tung der Ange- höri­gen des Fach­hoch­schul­be­reichs ent­ste­hen? Hat der Gesetz­ge­ber hin­rei­chen­de Orga­ni­sa­ti­ons- und Ver­fah- rens­re­ge­lun­gen geschaf­fen, um das Selbst­ver­wal­tungs- recht und die indi­vi­du­el­le Frei­heit in For­schung und Leh­re inner­halb der Aka­de­mie abzusichern?

2. Feh­len­de orga­ni­sa­to­ri­sche Selbst­stän­dig­keit des Fach- hoch­schul­be­reichs gegen­über der Akademie

Die Ein­ord­nung des Wis­sen­schafts­be­trie­bes in eine auß- erwis­sen­schaft­li­che Struk­tur ist nicht gänz­lich ohne Vor- bild. In Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken sind wis­sen­schaft­li­che For- schung und Leh­re in der Medi­zin eng und viel­fach untrenn­bar mit der Kran­ken­ver­sor­gung verzahnt.36 Dies recht­fer­tigt für die Kran­ken­ver­sor­gung im Gegen­satz zu rein wis­sen­schaft­li­chen Ange­le­gen­hei­ten straf­fe­re, hier- archisch statt kol­le­gi­al struk­tu­rier­ter Lei­tungs­struk­tu­ren mit Wei­sungs­rech­ten auch gegen­über Hoch­schul­leh­rern (etwa in der Stel­lung von Ober­ärz­ten). Ins­ge­samt muss der Gesetz­ge­ber einen Aus­gleich zwi­schen der Wis­sen- schafts­frei­heit und dem Anspruch der Kran­ken auf best- mög­li­che medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung herstellen.37 Dies lässt sich womög­lich auf das Ver­hält­nis von For­schung und Leh­re in der Fach­hoch­schu­le zum sons­ti­gen poli­zei- lichen Aus­bil­dungs­be­reich in der Aka­de­mie übertragen.

Aller­dings waren und sind die Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken der medi­zi­ni­schen Fakul­tät und erst recht der Uni­ver­si- tät in der Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur nicht hier­ar­chisch über- geord­net. Tra­di­tio­nell waren die Kli­ni­ken viel­mehr gera- de umge­kehrt Anstal­ten der Uni­ver­si­tät und damit die­ser nach­ge­ord­net. Aller­dings hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge- richt eine kom­plet­te Her­aus­lö­sung des Uni­ver­si­täts­kli­ni- kums aus der Uni­ver­si­tät und des­sen Reor­ga­ni­sa­ti­on als aus­schließ­lich staat­li­che Anstalt ver­fas­sungs­recht­lich als noch hin­nehm­bar erach­tet, wenn Kooperationsregelun-

auf – aller­dings pri­va­te – Hoch­schu­len bezo­gen ders., Hoch­schu- len in Rechts­for­men des pri­va­ten Rechts, in: Kämmerer/Rawert (Hrsg), Hoch­schul­stand­ort Deutsch­land, 2003, S 105, 116.

36 Hier­zu und zum Fol­gen­den Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 214; näher Sand­ber­ger, Das Recht der Hoch­schul­me­di­zin, in: Hartmer/Detmer (Hrsg), Hoch­schul­recht, 2. Aufl 2011, Kap IX Rn 34 ff.

37 Grund­le­gend BVerfG 8.4.1981 – 1 BvR 608/79 – E 57, 70, 94 ff, im Anschluss an StGH BW 24.11.1973 – Gesch Reg 1/73 – ESVGH 24, 12 ff.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 1 9

gen einen hin­rei­chen­den Schutz der Wis­sen­schafts­frei- heit im Kli­ni­kum durch Orga­ni­sa­ti­on und Ver­fah­ren si- cherstellen.38 Auch die­se recht­li­che Kon­struk­ti­on führt jedoch nur zu einem ver­zahn­ten Nebeneinander39 der staat­li­chen Insti­tu­ti­on (Kli­ni­kum) und der Hoch­schu­le (medi­zi­ni­schen Fakul­tät), nicht zu einer Über­ord­nung des Ers­te­ren über die Letztere.

Vor die­sem Hin­ter­grund weckt bereits die in Ham- burg gewähl­te Über­ord­nung der Aka­de­mie über den – im Übri­gen nur teil­rechts­fä­hi­gen – Fach­hoch­schul­be- reich ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel. Erst recht gilt dies für Nie­der­sach­sen. Als evi­dent ver­fas­sungs­wid­rig kann die­se Lösung für sich genom­men ange­sichts des wei­ten Gestal­tungs­spiel­raums des Gesetz­ge­bers bei der Hoch- schul­or­ga­ni­sa­ti­on aber wohl noch nicht ein­ge­stuft wer- den.40 Ins­be­son­de­re ver­deut­licht die Ver­fas­sungs­recht- spre­chung, dass eine hier­ar­chi­sche Orga­ni­sa­ti­on mit Vor­ge­setz­ten­funk­ti­on auch dann nicht von vorn­her­ein ver­fas­sungs­wid­rig ist, wenn sie Wis­sen­schaft­ler mit ein- bezieht, solan­ge nur deren wis­sen­schaft­li­che Betä­ti­gung davon nicht mit erfasst wird.

In Baden-Würt­tem­berg blei­ben die Hoch­schul­struk- turen durch die Ergän­zung einer zwei­ten Säu­le in Form des Prä­si­di­ums Bil­dung schein­bar unan­ge­tas­tet. Jeden- falls der Form nach wer­den der Fach­hoch­schu­le zusätz­li- che Auf­ga­ben zuge­wie­sen; sie wird nicht einer außer­wis- sen­schaft­li­chen Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit unter­stellt. Doch dür- fen den Hoch­schu­len nicht in so gro­ßem Umfang zusätz­li- che wis­sen­schafts­fer­ne Auf­ga­ben über­tra­gen wer­den, dass dadurch die indi­vi­du­el­le Wis­sen­schafts­frei­heit gleich­sam durch insti­tu­tio­nel­le Über­for­de­rung aus­ge- höhlt wird.41 Dies muss erst recht gel­ten, wenn die neu­en Auf­ga­ben in einer wis­sen­schafts­frem­den Ein­heit hierar- chisch orga­ni­siert, aber auf der Lei­tungs­ebe­ne mit den eigent­li­chen Hoch­schul­auf­ga­ben in Leh­re und For- schung ver­klam­mert wer­den. Dadurch nähert sich das Baden-Würt­tem­ber­gi­sche Modell doch ein Stück weit dem­je­ni­gen in Ham­burg an.

3. Reich­wei­te des Parlamentsvorbehalts

Dar­über hin­aus macht die Recht­spre­chung deut­lich, dass es gesetz­li­cher Rege­lun­gen für das Koope­ra­ti­ons- ver­hält­nis zwi­schen wis­sen­schaft­li­chem und sons­ti­gem (Kli­ni­kums- bzw. Polizeiakademie-)Bereich bedarf, um

  1. 38  Vgl BVerfG 11.11.2002 – 1 BvR 2145/01 – NWVBl 2003, 135, 137; kri­tisch dazu Sachs, Anmer­kung zu BVerfG, Beschluss vom 11.11.2002, NWVBl 2003, 138 f.
  2. 39  Von einem „hochschulmedizinische[n] Koope­ra­ti­ons­prin­zip“ spricht Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 593 ff.
  3. 40  Grund­sätz­lich wohl anders, aber nicht mit Blick auf die hier un- ter­such­ten Struk­tu­ren, Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), S 386 f, wenn er die Rechts­form der Anstalt man­gels mitglied-

den Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit durch Orga­ni­sa­ti- on und Ver­fah­ren sicher­zu­stel­len. Die Anfor­de­run­gen an Umfang und Bestimmt­heit sol­cher Koope­ra­ti­ons­re- gelun­gen wer­den noch höher zu schrau­ben sein, wenn, wie im vor­lie­gen­den Fall, sogar eine hier­ar­chi­sche Über- ord­nung in der Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur vor­ge­se­hen ist.

Anders als das Nie­der­säch­si­sche Gesetz ent­hält das Ham­bur­ger Poli­zei­aka­de­mie­ge­setz umfang­rei­che Rege- lun­gen zur Selbst­ver­wal­tung des Fach­hoch­schul­be- reichs. Dem­ge­gen­über fin­den sich selbst in Ham­burg nur weni­ge Vor­schrif­ten, wel­che die Koope­ra­ti­on von Fach­hoch­schul­be­reich und sons­ti­gem Aka­de­mie­be­trieb betref­fen. Die­se beschrän­ken sich im Wesent­li­chen auf den Bei­rat (§ 5 Hmb­Po­lAG), die gemein­sa­me Kom­mis­si- on (§ 6 Hmb­Po­lAG) sowie die noch geson­dert zu be- trach­ten­de Unter­stüt­zungs­pflicht der Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren bei Auf­ga­ben der Aka­de­mie gemäß § 26 Hmb­Po­lAG. Die Auf­ga­ben des sons­ti­gen Aka­de­mie­be- reichs sind in § 2 Hmb­Po­lAG nur sehr glo­bal beschrie- ben; des­sen inne­re Orga­ni­sa­ti­on ist gesetz­lich über­haupt nicht gere­gelt und soll­te dies nach der Ent­wurfs­be­grün- dung42 aus­drück­lich auch gar nicht wer­den. Mit der Aka- demie als gleich­sam „Black Box“ bleibt aber auch die Reich­wei­te des Vor­ge­setz­ten­ver­hält­nis­ses der Aka­de- mie­lei­tung gegen­über dem Fach­hoch­schul­be­reich (§ 4 Hmb­Po­lAG) im Dun­keln. Eine blo­ße Nega­tiv­ab­gren- zung, wie sie das Gesetz mit der Aus­klam­me­rung der Auf­ga­ben in For­schung und Leh­re aus der Vor­ge­setz­ten- struk­tur vor­nimmt, erscheint im Hin­blick auf die Grund- rechts­we­sent­lich­keit die­ser Orga­ni­sa­ti­ons- und Ver­fah- rens­re­ge­lun­gen ver­fas­sungs­recht­lich äußerst bedenk­lich. Das Ham­bur­ger Poli­zei­aka­de­mie­ge­setz – und weit mehr noch das Nie­der­säch­si­sche Modell – ver­nach­läs­si­gen hier die Bedeu­tung der Koope­ra­ti­on und Ver­zah­nung bei­der Aka­de­mie­säu­len für eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur und zur Ver­mei­dung struk­tu­rel- ler Gefähr­dun­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit. Im Wis­sen- schafts­ver­fas­sungs­recht ist all­ge­mein aner­kannt, dass sich nicht ein­fach ein Bereich wis­sen­schaft­li­cher Selbst- ver­wal­tung und ein staat­li­cher Auf­ga­ben­be­reich gegen- über­ste­hen, son­dern dazwi­schen ein brei­ter Koope­ra­ti- ons­be­reich exis­tiert, in dem wis­sen­schaft­li­che Belan­ge und exter­ne Gemein­wohl­be­lan­ge so ver­zahnt sind, dass es Regeln zur wech­sel­sei­ti­gen Abstim­mung und Koope-

schaft­li­cher Struk­tur für durch­weg unzu­läs­sig erklärt.
41 Vgl VGH Mann­heim 12.01.1995 – 4 S 1016/92 – WissR 32

(1996), 196 ff; BVerwG 31.10.1995 – 2 NB 1/95 – NVwZ-RR 1996, 337 ff; beson­ders deut­lich Feh­ling (Fn 32), Die Ver­wal­tung 35 (2002), 399, 418; Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), S 159.

42 Bür­ger­schafts-Drs 20/8279, All­ge­mei­nes, S 24.

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rati­on unter Gewähr­leis­tung wis­sen­schafts­freund­li­chen Ver­hal­tens bedarf.43 Dies muss erst recht gel­ten, wenn wie hier die Koope­ra­ti­ons­struk­tu­ren nicht in ers­ter Linie zwi­schen zwei selbst­stän­di­gen Rechts­trä­gern – Hoch- schu­le und Staat – bestehen, son­dern in der Aka­de­mie gleich­sam inter­na­li­siert wer­den. Gera­de hier gilt: Nur das abs­trakt-gene­rel­le Gesetz ver­mag hin­rei­chen­de Dis- tanz zu fall­be­zo­ge­nen Ein­zel­in­ter­es­sen zu schaf­fen und die staat­li­che Unpar­tei­lich­keit in Wis­sen­schafts­fra­gen zu gewährleisten.44 Eine weit­rei­chen­de Dele­ga­ti­on auf den Ver­ord­nungs­ge­ber, gar mit Wei­ter­über­tra­gungs­er­mäch- tigung (§ 32 Hmb­Po­lAG), wird dem inso­weit bestehen- den weit­rei­chen­den Par­la­ments­vor­be­halt kaum gerecht. Wei­te­re Ein­zel­hei­ten aus dem Ham­bur­ger Gesetz und der Ent­wurfs­be­grün­dung, nament­lich die avi­sier­te Unter­stel­lung der Poli­zei­aka­de­mie unter das Poli­zei­prä- sidium45 sowie die in der Reich­wei­te wenig kla­re blo­ße Teil­rechts­fä­hig­keit des Fach­hoch­schul­be­reichs, stüt­zen die­se Beden­ken. Je grö­ßer die struk­tu­rel­len Risi­ken einer gewähl­ten Orga­ni­sa­ti­on für die Wis­sen­schafts­frei­heit, umso ela­bo­rier­ter müs­sen kom­pen­sie­rend die gesetz­li- chen Frei­heits­si­che­run­gen aus­fal­len. Dar­an fehlt es für die Aka­de­mie-Kon­struk­ti­on im Gan­zen. Zu prü­fen bleibt, ob die ein­zel­nen Rege­lun­gen dies kom­pen­sie­ren können.

IV. Ein­zel­fra­gen unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung des Ham­bur­ger Modells

1. Bestim­mung der Leitung

a) Aus­wahl der Lei­te­rin oder des Lei­ters der Aka­de­mie der Polizei

In Baden-Würt­tem­berg wer­den Dekan und Rek­tor der Poli­zei­hoch­schu­le zwar vom Innen­mi­nis­te­ri­um bestellt, doch bedarf er oder sie nunmehr46 der Bestä­ti­gung durch die Hoch­schu­le (§ 6 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 1 der geän­der- ten Errich­tungs­VO), die somit an der Personalauswahl

  1. 43  So schon Scholz, in: Maunz/Dürig ua (Hrsg), GG-Kom­men­tar, Art 5 Abs 3 (Stand 1977) Rn 137; Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 215; zur Not­wen­dig­keit „handhabbare[r]“ gesetz­li­che „Maß­stä­be für den jewei­li­gen staat­li­chen Mit­wir­kungs­akt“ Rn 216; vgl zuletzt Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), S 175 ff.
  2. 44  Vgl Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 227; mwN; Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 426, 430.
  3. 45  Bür­ger­schafts-Drs 20/8279, All­ge­mei­nes, S 24; die Pro­ble­ma­tik einer sol­chen Ver­la­ge­rung der Rechts­auf­sicht wird näher erläu­tert in einem Posi­ti­ons­pa­pier von Vogt/Kramer, Vil­lin­gen-Schwen- nin­gen (unver­öf­fent­licht). Immer­hin kann sich die Unter­stel­lung unter das Poli­zei­prä­si­di­um hier wegen § 11 Satz 3 Hmb­Po­LAG nicht auf die Rechts­auf­sicht in For­schung und Leh­re beziehen.
  4. 46  Hier hat die Reform eine Ver­bes­se­rung gegen­über der frü­he­ren blo­ßen Beneh­mens­re­ge­lung gebracht, vgl dazu die Begrün­dung in BW LT-Drs 15/3496, S 58 (zu Art 18).

mit Veto­po­si­ti­on betei­ligt ist. Anders in Ham­burg. Dort erfolgt, von Über­gangs­re­ge­lun­gen abgesehen,47 nach § 3 Abs. 3 Hmb­Po­lAG die Aus­wahl des Lei­ters oder der Lei- terin durch den Staat nur im Beneh­men mit dem Fach- hoch­schul­be­reich. Die Fra­ge ist, ob die­se ein­ge­schränk­te Mit­wir­kungs­be­fug­nis der Fach­hoch­schu­le – was in Nie- der­sach­sen für die dor­ti­ge Kon­fe­renz bei der Bestel­lung des Direk­tors sogar gänz­lich fehlt (vgl. §§ 6, 7 PolAkG Nds.) – aus­reicht, um eine struk­tu­rel­le Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit im Hin­blick auf die Vor­ge­setz­ten- stel­lung der Lei­tung zu verhindern.

Die im Bran­den­burg-Beschluss und in der Entsch­ei- dung zum Ham­bur­ger Hoch­schul­ge­setz auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze, die das Hoch­schul­prä­si­di­um und mehr noch das Deka­nat betra­fen, las­sen sich für unse­re Fra­ge nur ein­ge­schränkt nutz­bar machen. Denn die Lei­tung der Aka­de­mie ist – im Gegen­satz zu Baden-Würt­tem- berg, wo der Rek­tor der Poli­zei­hoch­schu­le „nur“ zusätz- liche Funk­tio­nen erhält – gera­de nicht als Hoch­schul­or- gan kon­zi­piert, son­dern als Klam­mer zwi­schen dem Fach­hoch­schul­be­reich und den sons­ti­gen Abtei­lun­gen der Poli­zei­aka­de­mie. Ein hin­rei­chen­des Niveau der Par- tizi­pa­ti­on der Fach­hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen an der Be- stim­mung der Lei­tung kann daher nur inso­weit gefor- dert wer­den, wie die Lei­tung auch tat­säch­lich Kom­pe- ten­zen im Fach­hoch­schul­be­reich besitzt. Selbst wo dies der Fall ist, sind die Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten des Ge- setz­ge­bers für die wis­sen­schafts­fer­ne­re Gesamt­lei­tungs- ebe­ne ten­den­zi­ell grö­ßer als für die wis­sen­schafts­nä­he­re Fach­be­reichs­ebe­ne in Gestalt des Dekans oder der Deka- nin.48 Für die Wahl des Hoch­schul­prä­si­di­ums war es der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof, der die wei­trei- chends­te Zurück­drän­gung des Selbst­ver­wal­tungs­or­gans gebil­ligt hat. Auch die blo­ße Wahl durch den Hoch­schul- rat ohne Betei­li­gung des Hoch­schul­se­nats sei ver­fas- sungs­kon­form, weil das Prä­si­di­um nur stra­te­gi­sche, aber kei­ne unmit­tel­bar wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ent­schei­dun- gen zu tref­fen habe. Im pari­tä­tisch besetz­ten Hochschul-

47 Nach § 33 Abs 1 Satz 1 Hmb­Po­lAG ist der Staat in Gestalt der zustän­di­gen Behör­de befugt, anschei­nend ohne jede Mit­wir­kung des Fach­be­reichs einen Grün­dungs­lei­ter für die Aka­de­mie (Nr. 1) und einen Grün­dungs­de­kan für den Fach­be­reich (Nr. 2) zu be- stel­len. Auch dies tan­giert das Selbst­ver­wal­tungs­recht, beson­ders beim wis­sen­schafts­na­hen Dekan, abge­schwächt jedoch auch beim Lei­ter der Aka­de­mie auf­grund sei­ner teil­wei­sen Vor­ge­setz­ten- stel­lung; vgl zu die­ser Abstu­fung nach der Wis­sen­schafts­nä­he der Lei­tungs­ebe­ne Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 204. Zwar müs­sen bei Über­gangs­be­stim­mun­gen stets Son­der­re­ge­lun­gen grei­fen, weil ja die neue Hoch­schul­struk­tur erst auf­ge­baut wer­den muss. Doch recht­fer­tigt dies ein Abwei­chen von all­ge­mei­nen Selbst­ver­wal­tungs­ge­bo­ten nur inso­weit, wie es zur effi­zi­en­ten Bewäl­ti­gung der Über­gangs­si­tua­ti­on erfor­der­lich ist. Dies soll hier nicht wei­ter erör­tert werden.

48 Vgl Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 204.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 2 1

rat konn­ten aber die Ver­tre­ter der Hoch­schu­le nicht über­stimmt wer­den, wor­auf das Gericht in die­sem Zu- sam­men­hang aus­drück­lich hin­ge­wie­sen hat.49 Von da- her erscheint es vor Art. 5 Abs. 3 GG pro­ble­ma­tisch, al- ler­dings noch nicht evi­dent ver­fas­sungs­wid­rig, wenn in § 3 Abs. 3 Hmb­Po­lAG dem Fach­be­reichs­rat nur eine Be- neh­mens­re­ge­lung zuge­stan­den wird.

Noch bedenk­li­cher ist es, dass sich das Ham­bur­ger Gesetz zum Ver­fah­ren als sol­ches über die öffent­li­che Aus­schrei­bung hin­aus aus­schweigt. Ins­be­son­de­re fin­det sich kei­ne sonst im Hoch­schul­be­reich übli­che Tren­nung in Vor­schlag und Aus­wahl­ent­schei­dung. So bleibt offen, wie das Beneh­men in der Pra­xis tat­säch­lich her­ge­stellt wird, ins­be­son­de­re auch, zu wel­chem Zeit­punkt die Hoch­schul­or­ga­ne ein­ge­schal­tet wer­den, ob sie etwa be- reits bei der For­mu­lie­rung der Aus­schrei­bung mit­wir- ken, Kan­di­da­ten von sich aus zur Bewer­bung auf­for­dern und auf­grund der vor­lie­gen­den Bewer­bun­gen einen ei- gen­stän­di­gen Aus­wahl­vor­schlag unter­brei­ten kön­nen sowie gege­be­nen­falls in ver­schie­de­ne Stu­fen des Aus- wahl­pro­zes­ses (z.B. Anhö­run­gen) ein­ge­bun­den sind.

Wie schwer die dar­an anknüp­fen­den ver­fas­sungs- recht­li­chen Beden­ken wie­gen, hängt grund­sätz­lich da- von ab, wie weit die Kom­pe­ten­zen der Lei­tung tat­säch- lich in den Wis­sen­schafts­be­reich hin­über wir­ken kön- nen. Doch dies bleibt, wie oben fest­ge­stellt, man­gels nä- herer gesetz­li­cher Rege­lung gera­de unklar.

b) Abwahl­mög­lich­kei­ten u.Ä.

Ist ein Lei­ter oder eine Lei­te­rin erst ein­mal im Amt, sieht das Ham­bur­ger Gesetz – und erst recht das­je­ni­ge Nie- der­sach­sens in Bezug auf den Aka­de­mie­di­rek­tor – für den Fach­be­reichs­rat kei­ner­lei Mög­lich­kei­ten eines Miss- trau­ens­an­trags oder ähn­li­cher nach­träg­li­cher Inter­ven­ti- ons­mög­lich­kei­ten vor. Dies ist zwar einer­seits kon­se- quent: Wenn der Fach­be­reich schon bei der Bestel­lung der Aka­de­mie­lei­tung kei­ne Veto­po­si­ti­on besitzt, so kann ihm eine sol­che, so könn­te man mei­nen, auch mit­tels Abset­zungs­mög­lich­keit kaum sinn­voll ein­ge­räumt wer- den. Dies umso mehr, als die Lei­tung ja nicht nur den Fach­hoch­schul­be­reich, son­dern auch den nicht wis­sen- schaft­li­chen Aka­de­mie­be­reich umfasst. Ande­rer­seits hat

  1. 49  Bay­VerfGH 7. 5. 2008 – Vf. 19-VII-06 – NVwZ 2009, 177, 178; Burgi/Gräf, Das (Verwaltungs-)Organisationsrecht der Hoch­schu- len im Spie­gel der neue­ren Gesetz­ge­bung und Ver­fas­sungs­recht- spre­chung, DVBl 2010, 1125 ff.
  2. 50  Vgl BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 364; Britz, Art 5 III (Wis­sen­schaft) Rn 103; grund­le­gend zur Be- deu­tung der Abwahl­mög­lich­kei­ten für das Par­ti­zi­pa­ti­ons­ni­veau Feh­ling (Fn 32), Die Ver­wal­tung 35 (2002), 399, 419.
  3. 51  Vgl für den Dekan BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127,

aber das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt deut­lich gemacht, wie wich­tig nach­träg­li­che Abwahl­mög­lich­kei­ten als Gegen­ge­wicht gegen­über weit rei­chen­den Lei­tungs­be- fug­nis­sen eines Hoch­schul­prä­si­di­ums sind, um ins­ge- samt ein hin­rei­chen­des Niveau der Kon­trol­le sicher­zu- stellen.50 Dies lässt sich ein­ge­schränkt auf die Aka­de- mie­lei­tung über­tra­gen, die zwar nicht aus­schließ­lich, aber eben auch gegen­über dem Fach­be­reich – in frei­lich unkla­rem Umfang (sie­he oben) – Lei­tungs- und Vor­ge- setz­ten­funk­tio­nen (vgl. § 4 Hmb­Po­lAG) besit­zen soll. Vor die­sem Hin­ter­grund spricht viel dafür, dass es inso- weit eines ver­hält­nis­mä­ßi­gen Aus­gleichs zwi­schen staat­li- cher Gemein­wohl­ver­ant­wor­tung und aus der Wis­sen- schafts­frei­heit her­leit­ba­ren Kon­troll­mög­lich­kei­ten bedarf. Geeig­ne­te Zwi­schen­lö­sun­gen wären durch­aus denk­bar: Ers­tens könn­te ein Miss­trau­ens­vo­tum des Fach­be­reichs­rats an eine hohe qua­li­fi­zier­te Mehr­heit gebun­den wer­den, wie dies für Baden-Würt­tem­berg nach § 6 Abs. 2 der Errich- tungs­VO (3/4 sei­ner Mit­glie­der) der Fall ist; ein so hohes Quo­rum lie­ße sich hier, anders als bei einer „rei­nen“ Hochschulleitung,51 wohl durch die Dop­pel­funk­ti­on der Aka­de­mie­lei­tung bzw. des Prä­si­den­ten recht­fer­ti­gen. Zwei­tens müss­te ein sol­cher Miss­trau­ens­an­trag nicht auto­ma­tisch zur Abset­zung der Aka­de­mie­lei­tung füh- ren, son­dern könn­te ein näher zu regeln­des Abbe­ru- fungs­ver­fah­ren auf staat­li­cher Sei­te ein­lei­ten; erneut kann § 6 Abs. 2 S. 3 der Errich­tungs­VO in Baden-Würt- tem­berg wenigs­tens teil­wei­se (es feh­len wei­te­re Ver­fah- rens­re­ge­lun­gen) als Vor­bild die­nen. Die Funk­ti­ons­fä­hig- keit der Aka­de­mie blie­be dabei ohne wei­te­res gewahrt, wenn der Lei­ter oder die Lei­te­rin wäh­rend eines sol­chen Ver­fah­rens wei­ter amtier­te. Im Übri­gen böte die Rechts- auf­sicht bei einer uner­träg­li­chen Blo­cka­de­si­tua­ti­on nach all­ge­mei­nen Grundsätzen52 immer noch die Mög­lich- keit, eine kom­mis­sa­ri­sche Lei­tung einzusetzen.

Bei der Aus­ge­stal­tung eines sol­chen Miss­trau­ens­vo- tums und des­sen Fol­gen besä­ße der Gesetz­ge­ber wei­te Gestal­tungs­spiel­räu­me. Der gänz­li­che Ver­zicht auf eine sol­che Rege­lung wie in Ham­burg wird jedoch den An- for­de­run­gen an den Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit durch Orga­ni­sa­ti­on und Ver­fah­ren mit hoher Wahr- schein­lich­keit nicht gerecht.

87, 130 f; Die zuvor vom Bran­den­burg-Beschluss gefor­der­te Abwahl­mög­lich­keit mit Zwei­drit­tel­mehr­heit als immer noch zu restrik­tiv ein­stu­fend Feh­ling, in: Regu­lie­rungs­recht (Fn 28), § 17 Rn 79; kri­tisch zu den typi­scher­wei­se hohen Abwahl-Hür­den auch Löwer, „Star­ke Män­ner“ oder „star­ke Frau­en“ an die Spit­ze der Uni­ver­si­tät? Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der neu­en Lei­tungs- struk­tu­ren, in: Ruf­fert (Hrsg), Recht und Orga­ni­sa­ti­on 2003, S 25, 35; Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), S 445 ff.

52 Zur Bestel­lung eines „Staats­kom­mis­sars“ Thie­me (Fn 11), Rn 216.

122 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128

c) Stell­ver­tre­tung beim Dekan

In Baden-Würt­tem­berg ist die Hoch­schu­le durch ihren Bestä­ti­gungs­vor­be­halt (§ 6 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 1 der geändertenErrichtungsVO)anderAuswahlvonProde- kan und Pro­rek­tor mit Veto­po­si­ti­on betei­ligt. Für Ham- burg ent­hält dage­gen § 16 Abs. 2 Hmb­Po­lAG eine zwin- gen­de Ver­tre­tungs­re­ge­lung und nimmt dadurch im Umkehr­schluss dem Fach­be­reichs­rat die Mög­lich­keit, selbst einen Stell­ver­tre­ter für den Dekan oder die Deka- nin zu wäh­len. Die (zumin­dest) Betei­li­gung der Hoch- schul­or­ga­ne an der Aus­wahl des jewei­li­gen Lei­tungs­per- sonals ist ein zen­tra­ler Aspekt der Hochschulautonomie53 und damit dem Grun­de nach von der Wis­sen­schafts­frei­heit selbst dann geschützt, wenn man Ein­zel­hei­ten der Hoch- schul­selbst­ver­wal­tung nicht mehr von Schutz­be­reich umfasst54 ansieht. Gewiss wiegt die Stell­ver­tre­ter­fra­ge weit weni­ger schwer als die Aus­wahl des Lei­ters oder Dekans, doch kann die Ent­schei­dung über einen Stell­ver­tre­ter oder eine Stell­ver­tre­te­rin auch nicht als blo­ße Mar­gi­na­lie abqua­li­fi­ziert wer­den. Dem Fach­be­reichs­art hier jeg­li­che Aus­wahl­mög­lich­keit zu neh­men, wäre wegen Art. 5 Abs. 3 GG nur zur Siche­rung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Hoch­schul­ar­beit oder zum Schutz hin­rei­chend gewich­ti- ger exter­ner Gemein­wohl­be­lan­ge zulässig.

Die Ent­wurfs­be­grün­dung zu § 16 Abs. 2 HmbPolAG55 lässt sol­che Grün­de nicht erken­nen. Dort wird nur erläu- tert, war­um kein Pro­de­kan, son­dern nur eine Vert­re- tungs­re­ge­lung vor­ge­se­hen ist. Dar­aus ergibt sich jedoch nichts für die Fra­ge, war­um der Fach­be­reichs­rat einen Stell­ver­tre­ter oder eine Stell­ver­tre­te­rin nicht selbst soll wäh­len dür­fen. Ein Recht­fer­ti­gungs­grund könn­te allen- falls dar­in lie­gen, dass man zur Siche­rung der Funk­ti- ons­fä­hig­keit der Fach­be­reichs­ar­beit eine Situa­ti­on ver- mei­den möch­te, in der kein Stell­ver­tre­ter vor­han­den ist, weil sich im Fach­be­reichs­rat für nie­man­den eine Mehr-

  1. 53  Beson­ders betont von Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 498 f.
  2. 54  So ver­steht Kraus­nick, Hoch­schu­le und Staat (Fn 12), S 109 ff mwN die BVerfG- Ent­schei­dun­gen zu Bran­den­burg und Ham- burg, unter­schätzt dabei jedoch die Direk­ti­ons­kraft der dor­ti­gen Leit­li­ni­en, ins­be­son­de­re des gefor­der­ten Par­ti­zi­pa­ti­ons­ni­veaus (sie­he oben III.1.).
  3. 55  Bür­ger­schafts-Drs 20/8279, S 30.
  4. 56  Ins­be­son­de­re fin­det sich für Baden-Würt­tem­berg nichts Ver-gleich­ba­res in §§ 3, 7, 9 der Errich­tungs­VO iVm. §§ 10, 68 LHG BW. Die Kon­fe­renz gemäß § 7 PolAG Nds ist von vorn­her­ein nicht als ech­tes Selbst­ver­wal­tungs­or­gan (wenn­gleich mit „Unab- hän­gig­keit“) kon­zi­piert (vgl oben I. 1.); den­noch fin­den sich dar­in kei­ne expli­zit Außen­ste­hen­den, wenn man davon absieht, dass der Direk­tor oder die Direk­to­rin als gebo­re­ner Gre­mi­ums­vor- sit­zen­der der Aka­de­mie ins­ge­samt und nicht nur dem Stu­di­en- gang vor­steht (zum Ver­such der Recht­fer­ti­gung vgl Nds LT-Drs 15/3595, zu § 5, S 20).

heit fin­det. Dazu wür­de es jedoch genü­gen, dass eine ge- setz­li­che Ver­tre­tungs­re­ge­lung greift, sofern und solan­ge kein gewähl­ter Stell­ver­tre­ter exis­tiert. Somit spricht viel dafür, dass die vor­ge­se­he­ne Rege­lung man­gels Erfor­der- lich­keit gegen die Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie aus der Wis­sen­schafts­frei­heit verstößt.

2. Mit­wir­kung Exter­ner in Gremien

a) Bera­ten­de Mit­wir­kung eines Ver­tre­ters der Poli­zei- aka­de­mie sowie eines Ver­tre­ters der Auf­sichts­be­hör­de im Fachbereichsrat

Gemäß § 17 Abs. 2 Hmb­Po­lAG neh­men an Sit­zun­gen des Hoch­schul-Fach­be­reichs­rats je ein Ver­tre­ter der Poli­zei- aka­de­mie und der Auf­sichts­be­hör­de bera­tend teil. Eine sol­che Mit­wir­kung Außen­ste­hen­der in einem Selbst­ver- wal­tungs­gre­mi­um, wie im vor­lie­gen­den Zusam­men­hang nur in Ham­burg zu finden,56 stellt grund­sätz­lich einen Fremd­kör­per dar. Dies wird auch nicht auto­ma­tisch dadurch unbe­denk­lich, dass die­se Exter­nen kein Stimm- recht besit­zen. Denn schon die blo­ße Betei­li­gung an der Dis­kus­si­on kann – und soll hier wohl auch, da sonst die Rege­lung ja sinn­los wäre – Ent­schei­dungs­pro­zes­se beein- fluss­en. Die poten­ti­el­le Kau­sa­li­tät bloß bera­ten­der Mit- wir­kung ist in ande­ren Rechts­be­rei­chen ein­hel­lig aner- kannt: So müs­sen etwa nach den Gemein­de­ord­nun­gen aller Bun­des­län­der befan­ge­ne Gemein­de­rä­te die Sit­zung kom­plett ver­las­sen, dür­fen also auch in der Bera­tung nicht mehr mitwirken.57 Fer­ner ist aus der Grund­rechts­dog­ma- tik bekannt, dass auch recht­lich unver­bind­li­ches bera­ten- des Staats­han­deln Ein­griffs­qua­li­tät besit­zen kann.58 Aller- dings ist die Mit­wir­kung von Exter­nen in Selbst­ver­wal- tungs­gre­mi­en nicht gänz­lich ohne Vorbild.59 Dafür wird man jedoch zumin­dest einen hin­rei­chend gewich­ti­gen sach­li­chen Grund for­dern müs­sen. Hier lässt sich die Teil­nah­me des sons­ti­gen Aka­de­mie­mit­glieds nicht mit

57 Statt aller Ehlers, Die Gemein­de­ver­tre­tung, in: Mann/Püttner (Hrsg), Hand­buch der kom­mu­na­len Wis­sen­schaft und Pra­xis, Band I, 3. Aufl 2007, § 21 Rn 22 mwN.

58 Für die öffent­li­che Kri­tik einer Uni­ver­si­täts­kom­mis­si­on an ver- meint­lich feh­ler­haf­ten Arbei­ten eines Hoch­schul­mit­glieds BVer- wG 11.12.1996 – BVerwG 6 C 5.95 – E 102, 304 ff; auf fak­ti­sche Beein­träch­ti­gun­gen all­ge­mei­ner bezo­gen Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 155.

59 So fin­den sich zB bei der DFG, die als Selbst­ver­wal­tungs­in­s­ti- tuti­on der Wis­sen­schaft kon­zi­piert ist, Staats­ver­tre­ter sogar mit Stimm­recht in ver­schie­de­nen Gre­mi­en, ins­be­son­de­re dem Haupt- aus­schuss; aller­dings ist die finan­zi­el­le For­schungs­för­de­rung kei- ne rei­ne Selbst­ver­wal­tungs­auf­ga­be; zum Gan­zen zB Salaw-Hansl- mai­er, Die Rechts­na­tur der deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft, 2003, ins­bes S 150 ff ;Von vorn­her­ein kein pas­sen­des Bei­spiel sind dage­gen die Hoch­schul­rä­te, weil die­se kei­ne Selbst­ver­wal­tungs- auf­ga­ben wahr­neh­men, son­dern als insti­tu­tio­nel­le Koope­ra­ti­on zwi­schen Hoch­schu­le, Staat und Gesell­schaft aus­ge­stal­tet sind.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 2 3

der Erwä­gung recht­fer­ti­gen, der Fach­hoch­schul­be­reich gehö­re zur Aka­de­mie. Damit erlä­ge man einem Zir­kel- schluss. Denn die Aka­de­mie-Kon­struk­ti­on ist ja, wie oben dar­ge­stellt, selbst ver­fas­sungs­recht­lich pro­ble­ma- tisch und rechtfertigungsbedürftig.

Die Mit­wir­kung des Ver­tre­ters der Auf­sichts­be­hör­de fin­det ihre Recht­fer­ti­gung nicht ohne wei­te­res in deren – als sol­che gegen­über Hoch­schu­len ver­fas­sungs­recht­lich unbe­denk­li­chen und sogar gebotenen60 – Rechts­auf- sichts­funk­ti­on. Denn die Rechts­auf­sicht ist beson­ders im Hoch­schul­be­reich mit gutem Grund als regel­mä­ßig nach­ge­la­ger­te Auf­sicht kon­zi­piert; sie gibt die Mög­lich- keit, als rechts­wid­rig ange­se­he­ne Maß­nah­men zu bean- stan­den und gege­be­nen­falls die Besei­ti­gung von Rechts- ver­stö­ßen anzu­ord­nen, nicht aber schon im Vor­feld die Ent­schei­dungs­fin­dung des Selbst­ver­wal­tungs­or­gans zu beein­flus­sen. Zwar fin­den sich auch Anzei­ge- und Ge- neh­mi­gungs­vor­be­hal­te, die es der Rechts­auf­sicht ermög- lichen, rechts­wid­ri­ge Maß­nah­men ex ante zu stop­pen. Doch blei­ben auch dann Ent­schei­dungs­fin­dung des Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­ums und Rechts­auf­sicht streng getrennt und hin­ter­ein­an­der geschal­tet. Gewiss sind im Vor­feld beson­ders weit­rei­chen­der Ent­schei­dun­gen der Hoch­schu­len wech­sel­sei­ti­ge Infor­ma­ti­on und infor­mel­le Bera­tung durch­aus typi­sche Aus­prä­gun­gen eines zuneh- mend koope­ra­ti­ven Rechtsaufsichtsverhältnisses,61 je- doch nur punktuell62 und von staat­li­cher Sei­te aus regel- mäßig nicht erzwing­bar. Ist dage­gen im Selbst­ver­wal- tungs­gre­mi­um der Ver­tre­ter der Rechts­auf­sicht stets prä­sent, so kann des­sen Dro­hung mit nach­ge­la­ger­ten Rechts­auf­sichts­maß­nah­men für den Fall, dass gegen sei- nen Rat ent­schie­den wird, einen nicht zu unter­schät­zen- den Ein­schüch­te­rungs­ef­fekt auslösen.

Ob dies bereits zu einer struk­tu­rel­len Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit und damit zur Ver­fas­sungs- wid­rig­keit der Rege­lung führt, ist offen. Das Ver­wal- tungs­ge­richt Ham­burg hat es schon vor län­ge­rer Zeit im Eil­rechts­schutz dahin­ste­hen las­sen, inwie­weit solch ein Teil­nah­me­recht dann ver­fas­sungs­ge­mäß ist, wenn dafür

  1. 60  Zur Not­wen­dig­keit einer wir­kungs­vol­len staat­li­chen Rechts­auf- sicht über sei­ne Hoch­schu­len sie­he BVerwG 26.11.2009 – BVer- wG 2 C 15.08 – E 135, 286, Rn 43 – Stif­tungs­uni­ver­si­tät; dazu näher Gär­ditz, Die nie­der­säch­si­sche Stif­tungs­hoch­schu­le vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, WissR 43 (2010), 220, 228 ff.
  2. 61  Dazu all­ge­mein grund­le­gend Kahl, Die Staats­auf­sicht, 2000, ins­bes S, 507 ff; spe­zi­ell für die Hoch­schu­len vgl schon Roel­le­cke, Rechts­auf­sicht und infor­mel­le Steue­rung am Bei­spiel der Uni­ver- sitä­ten, DÖV 1985, 854 ff.
  3. 62  Vgl Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, S 85: „nur anlass­be­zo­gen, nicht aber beglei­tend als stän­di­ge Aufsicht“.
  4. 63  Sie­he VG Ham­burg, 20.1.1994 – Bs III 420/93 – NVwZ-RR 1994, 587, 588, wo eine sol­che gesetz­li­che Ermäch­ti­gung fehl­te; all­ge­mein bereits Salz­we­del, Staats­auf­sicht in Ver­wal­tung und Wirt­schaft, VVDStRL 22 (1965), 206, 250 mit dor­ti­ger Fn 118;

eine aus­drück­li­che gesetz­li­che Grund­la­ge existiert.63 Mit hoher Wahr­schein­lich­keit ver­fas­sungs­wid­rig wäre es je- doch, wenn den Fach­be­reichs­ver­tre­tern recht­lich gar kei­ne Mög­lich­keit ver­blie­be, ohne „Beob­ach­tung“ zu be- raten.64 Mög­li­cher­wei­se lässt sich frei­lich das Gesetz ver- fas­sungs­kon­form dahin­ge­hend ver­ste­hen, dass jeden­falls infor­mel­le Bespre­chun­gen der Fach­be­reichs­ver­tre­tung, außer­halb einer förm­li­chen Fach­be­reichs­sit­zung, ohne die in § 17 Abs. 2 Hmb­Po­lAG genann­ten Außen­ste­hen- den statt­fin­den dür­fen. Dies wür­de bedeu­ten, dass eine förm­li­che Sit­zung, an der auch die genann­ten ande­ren Per­so­nen bera­tend teil­neh­men kön­nen, nur anbe­raumt wer­den müss­te, wenn rechts­ver­bind­li­che Beschlüs­se ge- fasst wer­den sol­len. Ein­mal mehr blei­ben jedoch Mög- lich­kei­ten und Gren­zen einer sol­chen auto­no­mie­stär- ken­den Aus­le­gung unklar. Damit ver­blei­ben auch in die- sem Punkt erheb­li­che Zwei­fel, ob der Gesetz­ge­ber sei­ner Ver­pflich­tung zu grund­rechts­schüt­zen­den orga­ni­sa­to­ri- schen Rege­lun­gen hin­rei­chend nach­ge­kom­men ist.

b) Mit­wir­kung von Poli­zei­ver­tre­tern bei der Ent­wick- lung des Cur­ri­cu­lums in einer Gemein­sa­men Kom­mis- sion

§ 6 Hmb­Po­lAG ent­hält eine beson­de­re Zustän­dig­keits- und Ver­fah­rens­re­ge­lung für die Fort­schrei­bung des Cur- ricu­lums. Dafür wird eine aus Ver­tre­tern des Fach­be- reichs­rats und der Poli­zei pari­tä­tisch zusam­men­ge­setz­te Gemein­sa­me Kom­mis­si­on gebil­det, die ihre Vor­schlä­ge und Emp­feh­lun­gen dem Fach­be­reichs­rat zur Beschluss- fas­sung unter­brei­tet. Nur ent­fern­te Ähn­lich­keit besitzt in Baden-Würt­tem­berg § 10a Abs. 5 der geän­der­ten Errich- tungs­VO, die dor­ti­ge Bil­dungs­kom­mis­si­on betref­fend, zusam­men­ge­setzt aus den Mit­glie­dern der Stu­di­en­kom- mis­si­on des Fach­hoch­schul­be­reichs und dem Insti­tuts- lei­ter des Prä­si­di­ums Bil­dung. Die­ses Kom­mis­si­on oblie- gen näm­lich kei­ne Vor­schlä­ge für das Cur­ri­cu­lum des Stu­di­en­gangs, son­dern die Abstim­mung der ver­schie­de- nen Hoch­schul­auf­ga­ben (von Fach­hoch­schul­stu­di­um einer­seits und Prä­si­di­um Aus­bil­dung andererseits).

wohl aA ohne Begrün­dung Kne­mey­er, Die Staats­auf­sicht über die Gemein­den und Krei­se (Kom­mu­nal­auf­sicht), in: Mann/Püttner (Hrsg), Hand­buch der Kom­mu­na­len Wis­sen­schaft und Pra­xis, Bd 1, 3. Aufl 2007, § 12 Rn 49.

64 VG Ham­burg, 20.1.1994 – Bs III 420/93 – NVwZ-RR 1994, 587, 588: „Zur Selbst­ver­wal­tung gehört ein eige­ner Bereich inter­ner, dem Ein­blick Drit­ter ent­zo­ge­ner, von Rück­sicht­nah­men auf Re- aktio­nen der Auf­sichts­be­hör­de frei­er Bera­tung und unbe­fan­ge­ner Ent­schei­dungs­fin­dung“; so auch Schrö­der, Ver­fas­sungs­recht­li­che Maß­stä­be der Staats­auf­sicht über die wis­sen­schaft­li­chen Hoch- schu­len, WissR 1985, 199, 209; Reich, HRG-Kom­men­tar, 11. Aufl 2012, § 59 Rn 2; Lüt­h­je, in: Den­nin­ger (Hrsg), HRG-Kom­men­tar, 1984, § 59 Rn 26; aA Hail­bron­ner, in: Hailbronner/Geis (Hrsg), Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern, Stand Nov 2013, § 59 HRG Rn 7.

124 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128

Die Ent­wick­lung des Cur­ri­cu­lums eines (Fach-) Hoch­schul­stu­di­en­gangs unter­fällt der Frei­heit der Leh­re und ist in hohem Maße wis­sen­schafts­re­le­vant. Doch be- rührt die Aus­bil­dungs­auf­ga­be einer Hoch­schu­le auch wis­sen­schafts­exter­ne Gemein­wohl­be­lan­ge. Nach der Ver­fas­sungs­recht­spre­chung gewährt die Wis­sen­schafts- frei­heit den Hoch­schu­len und ihren Fach­be­rei­chen des- halb kein Recht, aus­schließ­lich über Umfang und Inhalt des Lehr­an­ge­bo­tes zu bestimmen.65 Viel­mehr ist die Stu- dien­ord­nung im Koope­ra­ti­ons­be­reich von Staat und Hoch­schu­le ange­sie­delt, frei­lich mit kla­rem Über­ge- wicht der Hochschulseite.

Bei der Poli­zei stellt deren prak­ti­sche Ein­satz­fä­hig- keit einen hoch­ran­gi­gen Gemein­wohl­be­lang dar. Daher ist eine beschränk­te Mit­wir­kung des Staa­tes, wie hier in Gestalt von Poli­zei­ver­tre­tern, grund­sätz­lich nicht zu be- anstan­den. Eine pari­tä­ti­sche Betei­li­gung in einer Kom- mis­si­on, die nur Vor­schlä­ge unter­brei­tet und kei­ne eige- nen Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se besitzt, erscheint als sol- che mit Art. 5 Abs. 3 GG ver­ein­bar. Aller­dings muss der Fach­be­reichs­rat beim Cur­ri­cu­lum die Befug­nis behal­ten, ent­spre­chen­de Vor­schlä­ge und Emp­feh­lun­gen der ge- mein­sa­men Kom­mis­si­on nicht nur rund­um zu ver­wer- fen, son­dern auch abzu­än­dern. § 6 Abs. 1 S. 3 Hmb­Po- lAG, der unspe­zi­fisch von einer Vor­la­ge an den Fach­be- reichs­rat „zur Beschluss­fas­sung“ spricht, kann und muss ent­spre­chend ver­fas­sungs­kon­form aus­ge­legt wer­den. Ein Ver­fas­sungs­ver­stoß liegt dann nicht vor.

3. Res­sour­cen­aus­stat­tung des Stu­di­en- bzw. Fach­hoch- schulbereichs

Zur Aus­stat­tung des Fach­be­reichs mit Sach­mit­teln und nicht­wis­sen­schaft­li­chem Per­so­nal schweigt sich selbst das Ham­bur­ger Gesetz weit­ge­hend aus; erst recht gilt dies für sein Pen­dant in Nie­der­sach­sen bezüg­lich des dor­ti­gen Bache­lor-Stu­di­en­gangs. § 7 Abs. 1 Nr. 6 PolAk- dG Nds. nennt zwar „Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter in Ver­wal­tung und Tech­nik“ als Mit­glie­der der Kon­fe- renz ohne Stimm­recht, doch man­gels orga­ni­sa­to­ri­scher Ver­selbst­stän­di­gung eines Fach­hoch­schul­be­reichs kann es sich dort von vorn­her­ein nur um Mit­ar­bei­ter der Poli­zei- aka­de­mie ins­ge­samt und nicht spe­zi­ell für den Stu­di­en­be- trieb han­deln. Im Ham­burg wer­den immer­hin in § 15 Nr. 5 Hmb­Po­lAG sowie in § 17 Abs. 1 Nr. 5 Hmb­Po­lAG „sons- tige Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter“ erwähnt. In der Ent­wurfs­be­grün­dung zu § 15 HmbPolAG66 heißt es dage-

  1. 65  BVerfG 11.7.1984 – 1 BvL 10/83 – E 67, 202, 207 – Bre­mi­sches Hoch­schul­ge­setz; vgl auch BVerfG 13.4.2010 – 1 BvR 216/07 – E 126, 1, 25 f – Fach­hoch­schul­leh­rer; Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 210 mwN; Britz, Art 5 III (Wis­sen­schaft) Rn 52.
  2. 66  Bür­ger­schafts-Drs 20/8279, S 29.
  3. 67  BVerwG 22.4.1977 – BVerwG VII C 49.74 – E 52, 339, ins­bes 342

gen, dass „im Fach­hoch­schul­be­reich grund­sätz­lich kei­ne sons­ti­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt sind“. Die Ver­wirk­li­chung der Frei­heit von For­schung und Leh­re setzt jedoch ein Min­dest­maß an Per­so­nalaus- stat­tung auch unter­halb der Dozen­ten- und Wis­sen- schaft­ler­ebe­ne vor­aus. Nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung gibt Art. 5 Abs. 3 GG den Wis­sen­schaft­lern im Rah­men des Ver­füg­ba­ren einen Teil­ha­be­an­spruch auf ein Mini­mum von Res­sour­cen auch im admi­nis­tra­ti­ven Bereich.67 Die- se ver­fas­sungs­recht­li­chen Leit­li­ni­en bezie­hen sich zwar in ers­ter Linie auf die wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len mit ihren beson­ders res­sour­cen­in­ten­si­ven For­schungs- auf­ga­ben, doch auch die Fach­hoch­schu­len sind vor allen zur admi­nis­tra­ti­ven Abwick­lung von Prü­fun­gen und für die inter­ne (Selbst-)Verwaltung auf gewis­se admi­nis­tra- tive Sach- und Per­so­nal­mit­tel ange­wie­sen. Dies erkennt immer­hin die Ent­wurfs­be­grün­dung zu § 11 Hmb­Po­lAG im Grund­satz an und will dem dadurch Rech­nung tra- gen, „dass die selbst­ver­wal­te­ten Ange­le­gen­hei­ten der For­schung und Leh­re prio­ri­tär von der Aka­de­mie­ver- wal­tung abge­ar­bei­tet werden“.68 Sach­mit­tel erwäh­nen Gesetz und Ent­wurfs­be­grün­dung gar nicht, so dass man ver­sucht sein könn­te, auch inso­weit den Fach­hoch­schul- bereich auf die Mit­nut­zung der Aus­stat­tung der Poli­zei- aka­de­mie zu verweisen.

Die Ent­wurfs­be­grün­dung ist jedoch nicht ver­bind- lich. Sie kann allen­falls im Wege der his­to­risch-gene­ti- schen Aus­le­gung für das Ver­ständ­nis des Geset­zes­tex­tes frucht­bar gemacht wer­den. Die Reich­wei­te die­ser Aus­le- gungs­me­tho­de bleibt zudem beschränkt; das Bun­des­ver- fas­sungs­ge­richt hat mehr­fach deut­lich gemacht, dass die Ent­ste­hungs­ge­schich­te eines Geset­zes nur inso­weit für des­sen Aus­le­gung her­an­ge­zo­gen wer­den kann, wie sich für die ent­spre­chen­de Aus­le­gung zumin­dest gewis­se An- halts­punk­te auch im Wort­laut fin­den lassen.69 Inso­weit könn­te man sich hier wohl allen­falls auf § 1 Hmb­Po­lAG stüt­zen, wonach der Fach­hoch­schul­be­reich zur Poli­zei- aka­de­mie gehört und – so könn­te man fol­gern – damit auch das Per­so­nal der Aka­de­mie im Fach­hoch­schul­be- reich Ver­wen­dung fin­den kann. Einen Anspruch des Fach­hoch­schul­be­reichs gegen­über der Gesamt-Aka­de- mie auf Über­las­sung der erfor­der­li­chen per­so­nel­len und sach­li­chen Res­sour­cen ist dar­aus jedoch nicht ohne wei- teres abzuleiten.

Mög­li­cher­wei­se lässt sich die­se Lücke in Ham­burg durch ver­fas­sungs­kon­for­me Geset­zes­aus­le­gung schlie-

ff u 348 ff; zusam­men­fas­send mwN Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5

Abs 3 Rn 41.
68 Bür­ger­schafts-Drs 20/8279, S 28.
69 BVerfG 16.2.1983 – 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 – E 62, 1, 45 mwN – Bun-

des­tags­auf­lö­sung.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 2 5

ßen. Selbst dann bleibt aber in der täg­li­chen Pra­xis ein erheb­li­ches Unsi­cher­heits- und Kon­flikt­po­ten­zi­al, wel- che Res­sour­cen der Fach­hoch­schul­be­reich kon­kret be- anspru­chen kann. Im schlimms­ten Fall könn­te die Aka- demie ihre Per­so­nal­ho­heit dazu miss­brau­chen, Ent- schei­dun­gen des Fach­hoch­schul­be­reichs in For­schung und Leh­re in der Umset­zung „aus­zu­brem­sen“, ja die Ver- fügungs­ge­walt über sons­ti­ge Mit­ar­bei­ter und Sach­mit- teln sogar als Dis­zi­pli­nie­rungs­maß­nah­me zu nut­zen. Man wird die Wahr­schein­lich­keit sol­cher Stra­te­gien als gering ein­schät­zen kön­nen. Doch for­dert die Wis­sen- schafts­frei­heit, dass auch gegen sol­che kei­nes­wegs gänz- lich abwe­gi­gen Miss­brauchs­mög­lich­kei­ten orga­ni­sa­to­ri- sche Vor­sor­ge getrof­fen wird, wo, wie hier, Rechts­schutz- mög­lich­kei­ten im Ein­zel­fall nicht hin­rei­chend effek­tiv wären:

„Ent­schei­dun­gen, die im Ein­zel­fall die Wis­sen­schafts­frei- heit ver­let­zen, las­sen sich durch Orga­ni­sa­ti­ons­nor­men aller­dings nie völ­lig aus­schlie­ßen. Dage­gen ist der jewei- lige Grund­rechts­trä­ger durch die Mög­lich­keit recht­li­cher Gegen­maß­nah­men geschützt.“ Der Gesetz­ge­ber darf aber kei­ne „Struk­tu­ren schaff[en], die sich gefähr­dend aus­wir­ken kön­nen […]“.70

Zum Teil lässt sich der Grund­aus­stat­tungs­an­spruch bereits durch das Recht auf Mit­be­nut­zung und Mit­ver­fü- gung über Res­sour­cen ein­lö­sen, doch bedarf es dar­über hin­aus zur Gewähr­leis­tung einer frei­en Wis­sen­schaft auch eines abso­lu­ten Mini­mums an Mit­teln, über deren Ein­satz der ein­zel­ne Wis­sen­schaft­ler allein ent­schei­den kann.71 Dies erscheint von For­schungs­mit­teln des ein­zel- nen Wis­sen­schaft­lers auf die Aus­stat­tung des Fach­be- reichs über­trag­bar. Viel spricht dafür, dass eine Orga­ni- sati­ons­struk­tur, die stän­dig das Damo­kles­schwert des – wie­der­um für For­schung und Leh­re benö­tig­te Ener­gien ver­zeh­ren­den – Streits um not­wen­di­ge per­so­nel­le und sach­li­che Res­sour­cen über dem Fach­hoch­schul­be­reich schwe­ben lässt, als struk­tu­rel­le, nicht nur theo­re­ti­sche und im Ein­zel­fall nicht effek­tiv abzu­weh­ren­de Gefähr- dung der Wis­sen­schafts­frei­heit ein­zu­stu­fen ist.

Ein letz­ter Aus­weg bestün­de dar­in, aus der Erwäh- nung der sons­ti­gen Mit­ar­bei­ter in § 15 Nr. 5 Hmb­Po­lAG sowie in § 17 Abs. 1 Nr. 5 Hmb­Po­lAG unge­ach­tet der Ent- wurfs­be­grün­dung doch her­zu­lei­ten, dass der Fach­hoch- schul­be­reich einen Anspruch auf nichtwissenschaftli-

  1. 70  BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 116.
  2. 71  So auf die For­schung des indi­vi­du­el­len Wis­sen­schaft­lers bezo­gen BVerfG 8.2.1977 – 1 BvR 79, 278, 282/70 – E 43, 242, 282 – Ham-bur­gi­sches Uni­ver­si­täts­ge­setz; zusam­men­fas­send mwN Feh­ling,

ches Per­so­nal besitzt, das aus­schließ­lich ihm zuge­ord­net ist. Ob dies im Wege ver­fas­sungs­kon­for­mer Aus­le­gung noch mög­lich ist, erscheint jedoch alles ande­re als gesi- chert.

Selbst in Baden-Würt­tem­berg bleibt der Zugriff auf die nicht­wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter in der Kon­kur- renz von Leh­re und For­schung einer­seits und neu­en wei- teren nicht­aka­de­mi­schen Aus­bil­dungs­auf­ga­ben ande­rer- seits pre­kär. Denn die Errich­tungs­VO spart das nicht­wis- sen­schaft­li­che Per­so­nal der Hoch­schu­le weit­ge­hend aus und nennt inso­weit nur den Ver­wal­tungs­di­rek­tor (§ 13c Er- rich­tungs­VO); die „Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten“ des inte­grier- ten Prä­si­di­ums Bil­dung regelt dage­gen das Innen­mi­nis­te­ri- um (§ 2 Abs. 4 S. 4 Errich­tungs­VO) als vor­ge­setz­te Be- hör­de. Immer­hin bestan­den aber zum Zeit­punkt der Re- form bereits ent­spre­chen­de Hoch­schul­struk­tu­ren, so dass davon aus­zu­ge­hen sein dürf­te, dass die vor­han­de- nen Mit­ar­bei­ter wei­ter­hin auch für die admi­nis­tra­ti­ve Unter­stüt­zung von For­schung und Leh­re zur Ver­fü­gung ste­hen und nicht dem neu hin­zu­ge­kom­me­nen Prä­si­di- um Bil­dung zuge­ord­net werden.

4. Aus­hilfs­ver­pflich­tung der Pro­fes­so­ren im außer­a­ka- demi­schen Bereich

§ 26 Abs. 2 Hmb­Po­lAG nor­miert eine Pflicht der Pro­fes- soren, im Berufs­aus­bil­dungs­zweig der Aka­de­mie kurz- zei­tig und im Ein­zel­fall unter­stüt­zend tätig zu wer­den. Eine ähn­li­che Mit­wir­kungs­pflicht sogar ohne die genann- ten Ein­schrän­kun­gen fin­det sich in § 10 Abs. 1 PolAkdG Nds.

Selbst die Ham­bur­ger Rege­lung ist noch recht unbe- stimmt for­mu­liert. Nach der Ent­wurfs­be­grün­dung zu § 26 Hmb­Po­lAG soll es sich um Vor­trä­ge und ähn­li­che Lehr­an- gebo­te han­deln, wel­che über die Stu­die­ren­den hin­aus auch für sons­ti­ge Poli­zei­be­am­te von beson­de­rem Inter­es­se sind.72 Man­ches spricht dafür, dass zumin­dest eine prä­zi- sere gesetz­li­che Fas­sung gebo­ten wäre, doch ist es nicht gänz­lich aus­ge­schlos­sen, dass man eine genaue­re ab- schlie­ßen­de Umschrei­bung für nicht mög­lich und die Bei­fü­gung von Bei­spie­len für nicht ziel­füh­rend erachtet.

In der Sache ist ein beam­te­ter Hoch­schul­leh­rer grund­sätz­lich nicht ohne wei­te­res ver­pflich­tet, außer- halb sei­ner Hoch­schu­le zu leh­ren. Dies folgt über die Wis­sen­schafts­frei­heit hin­aus aus sei­nem Recht auf das kon­kret-funk­tio­nel­le Amt, das ihm durch sei­ne Beru- fung und die Beschrei­bung sei­ner Pro­fes­sur zugewiesen

in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 41; Löwer, Frei­heit wis­sen­schaft- licher For­schung und Leh­re, in: Merten/Papier, Hand­buch der Grund­rech­te, Bd 4, 2011, § 99 Rn 44.

72 Bür­ger­schafts-Drs 20/8279, S 37.

126 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128

ist.73 Aller­dings ist die Betei­li­gung von Hoch­schul­leh­rern an nicht­aka­de­mi­scher Aus­bil­dung nicht ohne Vor­bil- der,74 außer­dem gehö­ren die Wei­ter­bil­dung und der Trans­fer aka­de­mi­scher Erkennt­nis­se in die Pra­xis nach den Hoch­schul­ge­set­zen typi­scher­wei­se zu den Hoch- schulaufgaben;75 dann zählt dies abs­trakt auch zum Auf- gaben­be­reich der Pro­fes­so­ren. Eine kon­kre­te Lehr- und Vor­trags­ver­pflich­tung ist damit frei­lich nicht ver­bun­den, schon gar nicht unter der Ver­ant­wor­tung einer nichta­ka- demi­schen Insti­tu­ti­on. Woll­te man § 26 Abs. 2 Hmb­Po- lAG als eine sol­che kon­kre­te Pflicht des ein­zel­nen Pro- fes­sors und der ein­zel­nen Pro­fes­so­rin ver­ste­hen, was nach dem Wort­laut nahe­liegt, stie­ße dies auf ver­fas- sungs­recht­li­che Beden­ken. Außer­dem darf die Über­tra- gung zusätz­li­cher Auf­ga­ben im Bereich von Wei­ter­bil- dung u.Ä. nicht zu einer suk­zes­si­ven „Aus­zeh­rung der For­schungs- und Lehr­ka­pa­zi­tät durch per­ma­nen­te Über­las­tung“ führen.76

Dass bei sol­chen Ver­pflich­tun­gen im Ham­bur­ger Ge- setz (nicht dage­gen in Nie­der­sach­sen) eine „Berück­sich- tigung der Wis­sen­schafts­frei­heit“ aus­drück­lich garan- tiert wird, ver­mag die ver­fas­sungs­recht­li­chen Beden­ken schon des­halb nicht kom­plett zu zer­streu­en, weil „Be- rück­sich­ti­gung“ nach dem Wort­laut weni­ger ist als die gebo­te­ne „Wah­rung“. Man hat frei­lich auch hier eine ver- fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung in Betracht zu zie­hen. Dann wäre § 26 Abs. 2 Hmb­Po­lAG als blo­ße Auf­ga­ben- zuwei­sung zu lesen und dem ein­zel­nen Pro­fes­sor und der ein­zel­nen Pro­fes­so­rin wäre ein Wei­ge­rungs­recht zu- zubil­li­gen, wenn ihm oder ihr im kon­kre­ten Fall mit ver- tret­ba­ren Grün­den Auf­ga­ben in Leh­re und For­schung vor­ran­gig erschei­nen. Außer­dem müss­te die Her­an­zie- hung des ein­zel­nen Pro­fes­sors streng auf Vor­trä­ge u.Ä. aus dem eige­nen Fach beschränkt werden.

Doch bleibt es ein­mal mehr zwei­fel­haft, ob die rudi- men­tä­re Nor­mie­rung in § 26 Abs. 2 Hmb­Po­lAG eine sol- che ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung und Ergän­zung zu- lässt und ob der Gesetz­ge­ber nicht ver­pflich­tet gewe­sen wäre, zur Siche­rung der Wis­sen­schafts­frei­heit durch Or- gani­sa­ti­on und Ver­fah­ren eine prä­zi­se­re Rege­lung zu

  1. 73  Vgl BVerfG 13.4.2010 – 1 BvR 216/07 – E 126, 1, 26 f.: „Eine unbe­schränk­te Mög­lich­keit für die Hoch­schul­or­ga­ne, dem Hoch­schul­leh­rer fach­frem­den Unter­richt abzu­ver­lan­gen, wür­de nicht nur des­sen durch die Leh­re des eige­nen Fachs bestimm­ten Lehr­frei­heit nicht gerecht, son­dern könn­te auch zur Sank­tio­nie- rung miss­lie­bi­ger Leh­re im eige­nen Fach benutzt werden“.
  2. 74  Thie­me (Fn 11), Rn 518, nennt Kur­se „Deutsch für Aus­län­der“ und im medi­zi­ni­schen Bereich Ver­an­stal­tun­gen an den Kli­ni­ka ange­glie­der­ten Schu­len für medi­zi­ni­sche Hilfs­be­ru­fe, fer­ner Fort­bil­dun­gen für Bibliothekare.
  3. 75  ZB § 3 Abs 1 Satz 3 HmbHG; zum Wis­sens- und Tech­no­lo­gie- trans­fer Thie­me (Fn 11), Rn 309.
  4. 76  Geis/Madeja, Hoch­schu­le und Wis­sen­schaft, in: Ehlers/Fehling/ Pün­der (Hrsg), Beson­de­res Ver­wal­tungs­recht, Bd 3, 3. Aufl 2013,

tref­fen. Dies gilt erst recht für § 10 Abs. 1 PolAkdG Nds, wenn man die dor­ti­gen Pro­fes­so­ren ent­ge­gen dem Ver- wal­tungs­ge­richt Göttingen77 wei­ter­hin als Hoch­schul­leh- rer im Sin­ne von Art. 5 Abs. 3 GG einstuft.

5. Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se des Aka­de­mie­lei­ters bzw. Direk­tors über die Gewäh­rung von Leistungszulagen

Nach § 40 Nr. 6 Hmb­BesG in der durch Art. 3 Hmb. Aus- und Fort­bil­dungs­neu­aus­rich­tungsG geän­der­ten Fas­sung soll anschei­nend der Aka­de­mie­lei­ter über die Gewäh- rung von Leis­tungs­zu­la­gen der Pro­fes­so­ren ohne Betei­li- gung der Selbst­ver­wal­tung des Fach­be­reichs entsch­ei- den. Glei­ches gilt für § 2b Abs. 2 Nds­BesG in der Fas­sung von Art. 5 des dor­ti­gen Aus­bil­dungs­neu­ord­nungsG, wonach die Zustän­dig­keit allein beim Direk­tor der Aka- demie liegt.

Die Gewäh­rung sol­cher Zula­gen ist jedoch inso­weit grund­rechts­re­le­vant, als die damit oft­mals – soweit es sich nicht um blo­ße Funk­ti­ons­zu­la­gen han­delt – ver­bun- dene Bewer­tung wis­sen­schaft­li­cher Leis­tun­gen zur in- halt­li­chen Steue­rung der Wis­sen­schaft miss­braucht wer- den könnte.78 Des­halb spricht viel dafür, dass der Fach- bereichs­rat dabei sub­stan­ti­el­le Mit­wir­kungs­rech­te behal- ten muss, etwa mit der Befug­nis, Leit­li­ni­en festzulegen.79 Recht­spre­chung direkt dazu liegt frei­lich noch nicht vor. Zwar hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zum Ham­bur­ger Hoch­schul­ge­setz die Ent­schei­dungs­macht des Prä­si­di- ums über die Gewäh­rung von Leis­tungs­zu­la­gen u.Ä. nebst Vor­schlags­recht des Dekans mit der Erwä­gung ge- recht­fer­tigt, das Hmb­BesG ent­hal­te dafür inhalt­lich hin- rei­chend kon­kre­te Vorgaben.80 Doch ers­tens bedarf das Prä­si­di­um der Uni­ver­si­tät Ham­burg, anders als der Lei- ter der Poli­zei­aka­de­mie (sie­he oben), gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 HmbHG der Bestä­ti­gung des Hoch­schul­se­nats als Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­um und ist ein ech­tes Selbst­ver- wal­tungs­or­gan der Uni­ver­si­tät. Zwei­tens war dort der Fach­be­reich immer­hin mit dem Dekan betei­ligt, wäh- rend bei der Ham­bur­ger Poli­zei­aka­de­mie anschei­nend nicht ein­mal die­ser oder die­se ein Vor­schlags­recht be- sitzt.

§ 85 Rn 10.
77 Sie­he oben I. 1. mit dor­ti­ger Fn 2.
78 Vgl zu den Kom­pe­ten­zen der Lei­tungs­or­ga­ne bei der Evaluation

von For­schung und Leh­re mit Aus­wir­kun­gen auch auf die Res- sourcen­aus­ge­stal­tung (nicht die Besol­dung), BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 358: Der davon mög­li- cher­wei­se aus­ge­lös­te Druck zur Ori­en­tie­rung an extern gesetz­ten Bewer­tungs­kri­te­ri­en kann zu Fehl­ent­wick­lun­gen führen.

79 Vgl für die leis­tungs­ge­rech­te Mit­tel­ver­ga­be in der Uni­ver­si­tät Feh­ling, in: BK (Fn 15), Art 5 Abs 3 Rn 237; Sterzel/Perels, Frei­heit der Wis­sen­schaft und Hoch­schul­mo­der­ni­sie­rung, 2003, S 218 ff; Schul­te (Fn 29), VVDStRL 65 (2006), 110, 128 f.

80 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 87, 118 f.

Feh­ling · Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen­schafts­frei­heit 1 2 7

Im Übri­gen muss die Leis­tungs­be­ur­tei­lung in For- schung und Leh­re wesent­lich auf Eva­lua­tio­nen beru­hen (vgl. auch § 34 Abs. 3 Nr. 1 u. Abs. 4 Nr. 1 Hmb­BesG). Dazu ent­hält § 31 Hmb­Po­lAG nur eine äußerst rudi­men- täre Rege­lung, eher noch unspe­zi­fi­scher (von der Erwäh- nung aus­wär­ti­ger Gut­ach­ten abge­se­hen) bleibt § 2b Abs. 3 S. 2 Nds­BesG. Inso­weit hat aber das Bun­des­ver­fas- sungs­ge­richt im Bran­den­burg-Beschluss die dor­ti­gen eben­falls unbe­stimm­ten Rege­lun­gen zur Eva­lua­ti­on nebst dar­auf gestütz­ter Res­sour­cen­ver­tei­lung nicht zu- letzt des­halb für noch ver­fas­sungs­ge­mäß befun­den, weil Fach­be­reichs­rat und Hoch­schul­se­nat in die­sen zweis­tu- figen Pro­zess hin­rei­chend ein­ge­schal­tet waren.81 Es spricht eini­ges dafür, dass glei­che Anfor­de­run­gen auch für Leis­tungs­be­wer­tun­gen als Grund­la­ge von Besol- dungs­zu­la­gen gel­ten, die zwar nicht direkt die Lehr- und For­schungs­res­sour­cen betref­fen, aber mit ihrer Anreiz- funktionindirektsteuerndwirkenkönnen.82DieOrganisa- tion und Aus­ge­stal­tung vor­ge­la­ger­ter Eva­lua­tio­nen liegt in Ham­burg nach § 31 Hmb­Po­lAG in der Hand des Fach­be- reichs, in Nie­der­sach­sen wirkt nach § 7 Abs. 2 Nr.2 PolAkG Nds. die Kon­fe­renz (die frei­lich nicht als ech­tes Selbst­ver- wal­tungs­or­gan kon­zi­piert ist) in nicht näher bezeich­ne­ter Form mit.

Die Eva­lua­ti­ons­re­ge­lun­gen mögen somit gera­de noch aus­rei­chen. Ver­fas­sungs­recht­lich bedenk­lich blei­ben je- doch in bei­den Bun­des­län­dern die allei­ni­ge Zustän­dig- keit des Aka­de­mie­lei­ters bzw. Direk­tors (der ohne Zu- stim­mung des Fach­hoch­schul­be­reichs ins Amt kom­men soll) für die Gewäh­rung der Leis­tungs­be­zü­ge sowie das Feh­len jeg­li­cher Betei­li­gung des Hoch­schul­sek­tors (etwa mit­tels eines Vor­schlags­rechts des Dekans oder der De- kanin – den es in Nie­der­sach­sen man­gels eigen­stän­di­gen Fach­hoch­schul­be­reichs ja nicht ein­mal gibt).

V. Abschlie­ßen­de Gesamtwürdigung

Die orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­klam­me­rung von Stu­di­um und berufs­prak­ti­scher Poli­zei­aus­bil­dung ist ein verfassungs-

  1. 81  Vgl BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 360 ff.
  2. 82  Hend­ler (Fn 32), VVDStRL 65 (2006), 238, 257; J. Koch, Lei- stungs­ori­en­tier­te Pro­fes­so­ren­be­sol­dung, 2010, S 149 f; vgl auch Ruf­fert, Grund und Gren­zen der Wis­sen­schafts­frei­heit, VVDStRL 65 (2006), 146, 182 f: Art 5 Abs 3 GG, „steht der wis­sen­schaftsex- ter­nen Insti­tu­tio­na­li­sie­rung und Aus­ge­stal­tung von Kon­troll- mecha­nis­men wie […] Ver­gü­tungs­sys­te­men […] entgegen.Dieses Ver­bot reicht schon wegen der nahe­lie­gen­den Gefahr kaschie­ren­der Aus­weich­ar­gu­men­te über die orga­ni­sa­to­risch nicht abge­si­cher­te Tole­ranz von Lehr­mei­nun­gen hinaus“.
  3. 83  Zur durch Orga­ni­sa­ti­ons­in­ter­es­sen gelei­te­ten Pro­blem­wahr­neh- mung all­ge­mein Feh­ling, Ver­wal­tung zwi­schen Unpar­tei­lich­keit und Gestal­tungs­auf­ga­be, 2001, S 270 ff mwN.; für eine brei­te­re Dis­kus­si­on ver­schie­de­ner poli­tik­wis­sen­schaft­li­cher Model­le zum

recht­lich legi­ti­mes Gemein­wohl­ziel, birgt aber abs­trakt betrach­tet das Risi­ko, dass nicht­aka­de­mi­sche (Poli­zei-) Hier­ar­chien direkt oder indi­rekt in den (Fach­hoch- schul-)Bereich von For­schung und Leh­re hin­über­wir­ken und die dor­ti­ge Selbst­ver­wal­tung sowie mit­tel­bar mög­li- cher­wei­se sogar die Frei­heit der aka­de­mi­schen Aus­bil- dung selbst beein­träch­ti­gen. Wie rele­vant die­ses Risi­ko tat­säch­lich ist und inwie­weit gesetz­li­che Siche­run­gen dem ent­ge­gen­wir­ken kön­nen und müs­sen, hängt von der kon­kre­ten Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ab.

Rela­tiv gering blei­ben die Risi­ken für die Wis­sen- schafts­frei­heit, wenn – wie in Baden-Würt­tem­berg – die Poli­zei­hoch­schu­le als sol­che unan­ge­tas­tet bleibt und un- ter ihrem Dach „nur“ zusätz­li­che nicht­aka­de­mi­sche Aus­bil­dungs­auf­ga­ben in einer ande­ren Abtei­lung ange- sie­delt wer­den. Pro­ble­ma­ti­sche Wir­kun­gen kann eine sol­che Orga­ni­sa­ti­ons­re­form womög­lich aber auf einer orga­ni­sa­ti­ons­psy­cho­lo­gi­schen Ebe­ne zei­gen. Da das Selbst­ver­ständ­nis einer Ein­rich­tung nicht zuletzt durch deren Auf­ga­ben geprägt wird,83 liegt die Ver­mu­tung nahe, dass sich – wie wohl poli­tisch durch­aus beab­sich- tigt84 – mit der ange­glie­der­ten poli­zei­prak­ti­schen Aus­bil- dung das „intel­lek­tu­el­le Kli­ma“ der Hoch­schu­le ins­ge- samt zuguns­ten stär­ke­rer Pra­xis­ori­en­tie­rung wan­delt, ver­mit­telt über die nun­mehr für bei­de Berei­che zustän- dige ein­heit­li­che Lei­tung und deren Ver­wal­tungs­stab. Zum Ver­fas­sungs­pro­blem wür­de dies frei­lich erst dann, wenn geän­der­te Prio­ri­tä­ten sich in der Kon­kur­renz um knap­pe per­so­nel­le und finan­zi­el­le Res­sour­cen auch in man­geln­der admi­nis­tra­ti­ver Unter­stüt­zung des Stu­di­en- betriebs und/oder in über­bor­den­den nicht­aka­de­mi- schen Zusatz­auf­ga­ben der Pro­fes­so­ren nie­der­schlü­gen. Den Gesetz­ge­ber trifft inso­weit eine Beob­ach­tungs- und gege­be­nen­falls Nachbesserungspflicht;85 bei sich ab- zeich­nen­den Fehl­ent­wick­lun­gen müss­te zumin­dest der Anspruch des Hoch­schul­be­reichs auf adäqua­te Res­sour- cen­aus­stat­tung gesetz­lich kon­kre­ti­siert werden.

Geht dage­gen die bis­he­ri­ge Hoch­schul­aus­bil­dung ganz in einer außer­wis­sen­schaft­li­chen Akademiestruk-

Zusam­men­hang von insti­tu­tio­nel­len Rah­men­be­din­gun­gen und einer bestimm­ten Art von Poli­tik sie­he Schup­pert, Ver­wal­tungs- wis­sen­schaft, 2000, S 563 ff.

84 Zum Wunsch nach stär­ke­rer Pra­xis­ori­en­tie­rung des Stu­di­ums für den geho­be­nen Poli­zei­dienst als wich­ti­gem Grund für die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on sie­he ein­füh­rend oben I.

85 Vgl, dort auf wis­sen­schafts­ad­äqua­te Eva­lua­ti­ons­kri­te­ri­en bezo- gen, BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – E 111, 333, 360; all­ge­mein zur Beob­ach­tungs- und Nach­bes­se­rungs­pflicht zB BVerfG 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – E 95, 267, 314 f; Dem hält Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on (Fn 6), S 362 f, ein Gebot der Bewäl­ti­gung gegen­wär­tig erkenn­ba­rer Kon­flikt­la­gen ent­ge­gen, weil er ansons­ten die Flucht des Gesetz­ge­bers in eine blo­ße Nach­steue­rung fürchtet.

128 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2014), 113–128

tur auf, wie in Nie­der­sach­sen der Fall, so kann man­gels sub­stan­ti­el­ler Selbst­ver­wal­tung von orga­ni­sa­to­ri­scher Absi­che­rung frei­er Leh­re und For­schung kei­ne Rede mehr sein. Vor Art. 5 Abs. 3 GG hat dies nur Bestand, wenn kon­se­quen­ter­wei­se mit der not­wen­di­gen Klar­heit – wor­an es in Nie­der­sach­sen fehlt – ganz auf eine Hoch- schul­aus­bil­dung für den geho­be­nen Poli­zei­dienst ver- zich­tet wird. Ein Bache­lor-Stu­di­en­gang bleibt trotz­dem wei­ter mög­lich, denn die­ser ist im Bolo­gna-Rah­men nicht mehr not­wen­dig an eine Hoch­schu­le gekop­pelt, son­dern kann auch von einer Berufs­aka­de­mie ange­bo- ten wer­den. Doch haben die bis­he­ri­gen Pro­fes­so­ren der Hoch­schu­le für Poli­zei wei­ter­hin aus Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG einen Anspruch auf wis­sen- schafts­ad­äqua­te Ver­wen­dung, was (anders als in Nie­der- sach­sen gesche­hen) zumin­dest kom­pli­zier­te Über­gangs- rege­lun­gen not­wen­dig machen würde.

Die Ham­bur­ger Reor­ga­ni­sa­ti­on einer bis­he­ri­gen Hoch­schu­le der Poli­zei als Fach­be­reich in einer über­ge- ord­ne­ten Poli­zei­aka­de­mie stellt einen Grenz­fall dar. Die damit ver­bun­de­ne abs­trak­te Gefahr für die Wis­sen- schafts­frei­heit der im Fach­hoch­schul­be­reich Täti­gen und die ihnen gewähr­te Selbst­ver­wal­tung macht die neue recht­li­che Kon­struk­ti­on zwar nicht von vorn­her­ein ver­fas­sungs­wid­rig, erhöht jedoch die Anfor­de­run­gen an orga­ni­sa­to­ri­sche und ver­fah­rens­mä­ßi­ge Siche­run­gen zum Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit beträcht­lich. Mus- tert man dar­auf­hin die ein­zel­nen Bestim­mun­gen des Hmb­Po­lAG, so wei­sen die­se an vie­len Stel­len zumin­dest Lücken und Unklar­hei­ten auf. Für sich betrach­tet mögen eine Rei­he von Rege­lun­gen noch ver­fas­sungs­kon­form aus­leg­bar und ergänz­bar sein. Sie müs­sen aber mehr leis- ten, näm­lich eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Struk­tur errich- ten, wel­che Ver­let­zun­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit, die aus der Aka­de­mie­kon­struk­ti­on resul­tie­ren, strukturell –

  1. 86  Pro­gram­ma­tisch Mor­gen­tha­ler, Frei­heit durch Gesetz, 1999.
  2. 87  Klas­sisch zur Kon­tra­pro­duk­ti­vi­tät einer zu weit­rei­chen­den Ver-gesetz­li­chung Wag­ner, Der öffent­li­che Dienst im Staat der Gegen- wart, VVDStRL 37 (1979), 214, 244 ff; Hufen, Die Grund­rech­te und der Vor­be­halt des Geset­zes, in: Grimm (Hrsg), Wach­sen­de Staats­auf­ga­ben – Sin­ken­de Steue­rungs­fä­hig­keit des Rechts, 1990, 273, 281.
  3. 88  Zum Ver­ständ­nis der Wesent­lich­keits­theo­rie als Qua­li­täts­si- che­rung vgl Hoff­mann-Riem, Gesetz und Geset­zes­vor­be­halt im Umbruch. Zur Qua­li­täts­ge­währ­leis­tung durch Nor­men, AöR 130 (2005), 5, 45 ff; in ande­rem Zusam­men­hang zuvor schon Scherz­berg, Risi­ko­steue­rung durch Ver­wal­tungs­recht, VVDStRL 63 (2004), 214, 257; skep­tisch Rei­mer, Das Par­la­ments­ge­setz als

von unver­meid­ba­ren Miss­brauchs­mög­lich­kei­ten im Ein- zelfallabgesehen–ausschließt.DiesistineinerGesamt- betrach­tung kaum der Fall. Die blo­ße mehr­fa­che Beto- nung der Wis­sen­schafts­frei­heit reicht dazu nicht aus.

Gewiss ist der Ruf nach immer detail­lier­te­rer Gesetz- gebung kein All­heil­mit­tel; eine Über­deh­nung der We- sent­lich­keits­leh­re kann statt zur Freiheitssicherung86 auch zu Über­re­gu­lie­rung und blo­ßem Büro­kra­tie­zu- wachs führen.87 Doch geht es hier nicht pri­mär um Quan­ti­tät, son­dern um die Qualität88 der Rege­lun­gen zu Orga­ni­sa­ti­on und Ver­fah­ren an den wis­sen­schafts­sen- siblen Naht­stel­len zwi­schen berufs­prak­ti­schem Aka­de- mie- und Hoch­schul­be­reich, zwi­schen Hier­ar­chie, Kol- legi­al­prin­zip und indi­vi­du­el­ler Frei­heit in Leh­re und Forschung.89

Der Kern der Pro­ble­ma­tik liegt bei allen drei Model- len in dem Kon­se­quenz­ge­bot, das sich Art. 5 Abs. 3 GG ent­neh­men lässt:90 Will der Gesetz­ge­ber wei­ter­hin ein Hoch­schul­stu­di­um für den geho­be­nen Poli­zei­dienst, so muss er auch die dafür grund­recht­lich gewähr­leis­te­te Selbst­ver­wal­tung ein­räu­men und orga­ni­sa­to­risch schüt- zen. Ein „biss­chen Wis­sen­schafts­frei­heit“ gibt es inso- weit eben­so wenig wie „ein biss­chen schwan­ger“. Ohne wis­sen­schafts­ad­äqua­te Hoch­schul­struk­tu­ren muss die Poli­tik offen auf eine Hoch­schul­aus­bil­dung ver­zich­ten und sich dann – von dem Pro­ble­me der adäqua­ten Wei- ter­be­schäf­ti­gung der Pro­fes­so­ren ganz abge­se­hen – auch der unbe­que­men Kri­tik stel­len, der geho­be­nen Poli­zei- aus­bil­dung feh­le es nun­mehr an dem im demo­kra­ti­schen Rechts­staat ange­zeig­ten Reflexionsniveau.

Der Autor ist Pro­fes­sor an der Buce­ri­us Law School Ham­burg und Direk­tor des Insti­tuts für Öffent­li­ches Recht, Abtei­lung 3: Öffent­li­ches Recht mit Rechts­ver- gleichung.

Steue­rungs­mit­tel und Kon­troll­maß­stab, in: Hoff­mann-Rie­m/ Schmidt-Aßman­n/­Voß­kuh­le (Hrsg), Grund­la­gen des Ver­wal- tungs­rechts, Bd 1, 2. Aufl 2012, § 9 Rn 54.

89 Ein­ge­hend zur frei­heits­si­chern­den Bedeu­tung des Vor­be­halts des Geset­zes bei der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on Gär­ditz, Hoch­schul­or- gani­sa­ti­on (Fn 6), S 425 ff, der ein „geschlos­se­nes und effek­ti­ven Grund­rechts­schutz gewähr­leis­ten­des Rege­lungs­kon­zept“ fordert.

90 Tru­te, Die For­schung zwi­schen grund­recht­li­cher Frei­heit und staat­li­cher Insti­tu­tio­na­li­sie­rung, 1994, S 289 ff; Starck (Fn 13), Art 5 Abs 3 Rn 296 f, 387; Britz (Fn 11), Art 5 III (Wis­sen­schaft) Rn 83; skep­tisch im Hin­blick auf den mög­li­chen Anwen­dungs­be­reich Kraus­nick, Staat und Hoch­schu­le (Fn 12), S 183 f.