ÜBERSICHT
I. Einführung
1. Tatsächliche Hintergründe
2. Rechtliche und faktische Maßnahmen zur Förderung von Open Access
a) Verpflichtungen durch das Hochschulrecht
b) Maßnahmen der Hochschulen
c) Maßnahmen der öffentlichen Forschungsförderung d) Urheberrechtliche Maßnahmen
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben
1. Freiheit der Forschung, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
2. Verfassungsrechtlicher Schutz des Urheberpersönlichkeits- rechts durch Art. 2 Abs. 1 GG
3. Eigentumsgarantie, Art. 14 GG
III. Urheberrechtliche Grundlagen
1. Schutz von Forschungsergebnissen a) Schutz durch das Urheberrecht
b) Schutz durch Leistungsschutzrechte 2. Rechtsinhaberschaft
IV. Förderung von Open-Access-Publikationen durch das Urhe- berrecht
1. Vorschläge de lege ferenda
a) Bei wissenschaftlichen Werken nur Recht auf Anerkennung der Urheberschaft
b) Einführung einer Anbietungspflicht c) Weitere Vorschläge
2. Open Access und Verlagsverträge a) Der „goldene Weg“
b) Der „grüne Weg“: § 38 Abs. 1, 4 UrhG
c) Ergänzung durch hochschulrechtliche Publikations- oder An- bietungspflichten?
V. Fazit
I. Einführung
Der Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ist Grundvoraussetzung für jede Forschungstätigkeit. Auf
- 1 Vgl. z.B. Suber, Open Access, 2012, S. 4.
- 2 In den Jahren von 1975–1995 sind die Abonnement-Preise ummehr als 300 % über der Inflationsrate gestiegen, vgl. Europäische Kommission, Study on the Economic and Technical Evolution
oft he Scientific Publication Markets in Europe: Final Report – January 2006, http://ec.europa.eu/research/science-society/pdf/ scientific-publication-study_en.pdf (18.5.2015); s. auch BReg, Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urhe- berrechtsgesetzes, 05.04.2013, BT-Drs. 17/13423, S. 9. - 3 Budapest Open Access Initiative, www.budapestopenaccessinitia- tive.org (18.5.2015).
dieser Erkenntnis basiert die Open-Access-Bewegung, deren Ziel darin besteht, einen unmittelbaren, uneinge- schränkten und kostenlosen Zugang zu wissenschaftli- cher Literatur und anderen Forschungsergebnissen im Internet zu ermöglichen.1 Ein Katalysator für diese Ent- wicklung war die sog. „Journal Crisis“: In den letzten Jahrzehnten sind die Bezugspreise von Zeitschriften der internationalen Marktführer Elsevier, Wiley, Kluwer/ Springer und Blackwell in den MINT-Fächern stark angestiegen.2 Da die Bibliotheksetats mit dieser Ent- wicklung nicht Schritt hielten, waren die Bibliotheken gezwungen, Zeitschriften abzubestellen. Diese Einnah- meverluste kompensierten die Fachverlage durch weite- re Preiserhöhungen. Als Folge entwickelten sich zunächst private transnationale Initiativen wie die Budapest Open Access Initiative (2002),3 das Bethesda Statement of Open Access Publishing (2003)4 und die Berlin Declara- tion on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities (2003).5 Diesen Initiativen hat sich auch die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen angeschlossen.6 Mittlerweile hat sich die Förderung von Open Access als wissenschaftspolitisches Handlungsfeld national und international etabliert. So hat sich die Euro- päische Kommission zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2016 60 % der mithilfe öffentlicher Mittel geschaffenen wissenschaftlichen Beiträge EU-weit frei zugänglich sein sollen.7
1. Tatsächliche Hintergründe
Es ist zwischen zwei unterschiedlichen Arten von Open- Access-Publikationen zu unterscheiden: Der „goldene Weg“ (golden road) bezieht sich auf die Erstveröffentli- chung wissenschaftlicher Beiträge in Open-Access-Zeit- schriften oder durch andere frei zugängliche Dokumen- tenserver, während der „grüne Weg“ (green road) allein auf die zweite Zugänglichmachung einer Publikation abstellt, die in einem anderen Rahmen – in der Regel in
4 Bethesda Statement of Open Access Publishing, http://legacy. earlham.edu/~peters/fos/bethesda.htm (18.5.2015).
5 Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities, http://openaccess.mpg.de/67605/berlin_declara- tion_engl.pdf (18.5.2015).
6 http://www.allianzinitiative.de/en/core-activities/open-access.html (18.5.2015).
7 Mitteilung der Europäischen Kommission – Verbesserung des Zu- gangs zu wissenschaftlichen Informationen vom 7.7.2012 (COM (2012) 401 final), S. 13.
Horst-Peter Götting /Anne Lauber-Rönsberg
Open Access und Urheberrecht
Ordnung der Wissenschaft 2015, ISSN 2197–9197
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einem Nicht-Open-Access-Medium – schon einmal ver- öffentlicht wurde.
Die Verbreitung und Akzeptanz von Open-Access- Publikationen ist in den einzelnen Fachbereichen sehr unterschiedlich. Während z.B. in der Informatik Open- Access-Publikationen aufgrund der Internationalität des Fachgebiets und der Akzeptanz des Internets als Medi- um der Information und Kommunikation weit verbreitet sind, stellen sie in der eher von einer Buchkultur gepräg- ten Rechtswissenschaft, deren Publikationen in der Re- gel nur national wahrgenommen werden und nicht im gleichen Maße wie in den MINT-Fächern auf Aktualität angewiesen sind, die Ausnahme dar.
Vorteile der Veröffentlichung von Beiträgen im Wege des Open Access sind die in der Regel kurzen Bearbei- tungszeiten, die dadurch hohe Aktualität und die Mög- lichkeit zur Prioritätssicherung sowie die erhöhte – auch internationale – Sichtbarkeit und Zitierhäufigkeit. Dage- gen sind Open-Access-Publikationen entgegen verbrei- teter Annahme für die Verfasser nicht immer unentgelt- lich. Beiträge in Open-Access-Zeitschriften können zwar von den Nutzern kostenlos abgerufen werden, er- fordern aber häufig durchaus beträchtliche Kostenzu- schüsse durch die Autoren, zu deren Finanzierung die Hochschulen mithilfe der DFG zum Teil sog. Publikati- onsfonds eingerichtet haben.8
Nachteile von Open-Access-Publikationen sind – ne- ben den schon erwähnten Autorenzuschüssen – das (noch) fehlende Renommee vieler Open-Access-Zeit- schriften sowie die mangelnde Qualitätssicherung, falls kein oder kein ausreichender Peer-Review erfolgt. Zum Teil wird auch befürchtet, dass Open-Access-Publikatio- nen häufiger plagiiert würden. Dem ist allerdings entge- genzuhalten, dass Übereinstimmungen mit frei im Inter- net zugänglichen Veröffentlichungen durch Suchma- schinen leichter identifiziert werden können, so dass et- waige Plagiate zumindest schneller aufgedeckt werden können.9
Aus wissenschaftspolitischer Sicht wird zudem argu- mentiert, dass bei dem derzeitigen Publikationsmodell Wissenschaftler den Wissenschaftsverlagen urheber- rechtliche Ausschließlichkeitsrechte an mit öffentlichen Geldern geförderten Forschungsergebnissen einräumen, an denen dann wiederum steuerfinanzierte Bibliotheken
- 8 Dazu Fournier/Weihberg, Das Förderprogramm „Open-Access- Publizieren“ (OAP) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zum Aufbau von Publikationsfonds an wissenschaftlichen Hochschu- len in Deutschland, ZfBB 60 (2013), S. 236 ff.
- 9 Suber, Open Access (Fn.. 2), S. 24.
- 10 RegE (Fn.. 2), BT-Drs. 17/13423, S. 9.
Lizenzen erwerben müssen, damit die Forschungsergeb- nisse für die Öffentlichkeit zugänglich sind.10 Diese „Doppelfinanzierung“ durch die öffentliche Hand (sog. double-dipping) könne durch Open-Access-Publikati- onsmodelle vermieden werden. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass Wissenschaftsverlagen neben der reinen Distributorentätigkeit häufig weitere Funktio- nen z.B. im Rahmen des Lektorats und Korrektorats, bei der Selektion, Aufbereitung und der Verbreitung zu- kommen; diese werden jedenfalls durch solche Open- Access-Modelle, die umfangreiche Parallelstrukturen zu den wissenschaftlichen Fachverlagen aufbauen, in Frage gestellt.11
2. Rechtliche und faktische Maßnahmen zur Förderung von Open Access
Die Förderung von Open-Access-Publikationsmodellen ist grundsätzlich durch verschiedene Instrumente denkbar.
a) Verpflichtungen durch das Hochschulrecht
Diskutiert wird zum einen, Wissenschaftlern die gesetz- liche Verpflichtung aufzuerlegen, steuerfinanzierte wis- senschaftliche Werke im Wege des Open Access zu ver- öffentlichen. Ein Beispiel hierfür ist die im Jahr 2014 ein- geführte Regelung des § 44 Abs. 6 LHG B‑W, die den Hochschulen aufgibt, ihr wissenschaftliches Personal durch Satzung dazu zu verpflichten, das Recht auf nicht- kommerzielle Zweitveröffentlichung für im Rahmen der Dienstaufgaben entstandene wissenschaftliche Beiträge nach Ablauf einer Embargofrist von einem Jahr wahrzu- nehmen.12
b) Maßnahmen der Hochschulen
Zu beobachten ist des Weiteren, dass viele Hochschulen die Forderung nach offenem Zugang zu wissenschaftli- chen Publikationen nicht nur durch „Open Access Poli- cies“, sondern auch durch institutionelle Selbstverpflich- tungen, sog. Open Access Mandates unterstützen. So lässt sich z. B. die Harvard University von ihren Wissen- schaftlern nicht-ausschließliche Rechte zur Veröffentli- chung der wissenschaftlichen Beiträge auf einem Open Access-Repositorien einräumen; sofern ein Wissen- schaftler nur eine traditionelle Verlagspublikation plant, muss er eine Ausnahme („waiver“) beantragen.13 Auch
11 Siehe ausführlich zu Argumenten pro und contra Open Access Lutz, Zugang zu wissenschaftlichen Informationen in der digi- talen Welt, 2012, S. 182 ff.; zu den die Autoren beeinflussenden Entscheidungsfaktoren Eger/Scheufen/Meierrieks, Determinants of Open Access Publishing, 2013.
12 Dazu siehe unten IV. 2. c).
Götting/Lauber-Rönsberg · Open Access und Urheberrecht 1 3 9
verschiedene deutsche Hochschulen haben „Open Access Mandates“ verabschiedet; diesen kommt jedoch lediglich ein unverbindlicher Appellcharakter zu.
Denkbar ist des Weiteren eine Förderung von Open Access durch finanzielle und andere faktische Anreizsys- teme, z. B. durch entsprechende Zielvereinbarungen. Auch die Europäische Kommission forderte in einer Empfehlung vom Juli 2012 die Mitgliedstaaten sowie die nationalen akademischen Institutionen zu einer Anpas- sung des Einstellungs- und Laufbahnbewertungssystems für Forscher und des Beurteilungssystems für die Verga- be von Forschungsstipendien unter dem Gesichtspunkt des Open Access auf.14
c) Maßnahmen der öffentlichen Forschungsförderung
Die Institutionen der öffentlichen Forschungsförderung haben die Open Access-Bewegung von Beginn an unter- stützt. So hat zum Beispiel die DFG bereits 2003 die „Berliner Erklärung“ unterzeichnet. Zunehmend setzt die Forschungsförderung durch öffentliche Drittmittel- geber eine anschließende Publikation der Forschungser- gebnisse im Wege des Open Access voraus.15 Nachdem bereits das 7. Forschungsrahmenprogramm eine Reihe von Pilotinitiativen enthielt, hat die Europäische Kom- mission den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröf- fentlichungen nunmehr als allgemeinen Grundsatz in dem seit dem 1.1.2014 geltenden EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon 2020“ veran- kert. Seit 2014 sollen demnach alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die mit Hilfe von EU-Fördergeldern entstanden sind, als Open-Access-Publikationen zugänglich gemacht werden.16 Eine vergleichbare Ver- pflichtung enthält die Open-Access-Richtlinie der Helm- holtz-Gemeinschaft. Die DFG beschränkt sich bislang auf die dringende Empfehlung einer Open-Access-Ver- öffentlichung.
Des Weiteren unterstützen die öffentlichen Drittmit- telgeber den Aufbau der technischen Infrastruktur, die für Open-Access-Publikationen erforderlich ist. Zum Beispiel fördert die DFG die Einrichtung institutioneller Open-Access-Repositorien und universitärer Publikati-
- 13 „By means of Harvard’s Open Access Policy, faculty authors
in participating schools grant the university a nonexclusive, irrevocable right to distribute their scholarly articles for any non- commercial purpose. Scholarly articles provided to the university are stored, preserved, and made freely accessible in digital form in DASH, Harvard University Library’s open access repository.“ (https://osc.hul.harvard.edu/policies (18.5.2015)). - 14 Empfehlung der Europäischen Kommission vom 17.7.2012 über den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und deren Bewahrung, C (2012) 4890 final, S. 6.
- 15 Zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen förde- rungsrechtliche Open-Access-Verpflichtungen siehe ausführlich
onsfonds, die für Autoren die Kosten von Open-Access- Publikationen übernehmen.17
d) Urheberrechtliche Maßnahmen
Als viertes Handlungsfeld für eine Förderung von Open- Access-Publikationssystemen kommt das Urheberrecht in Betracht. Am weitesten gehen Vorschläge, die darauf abzielen, de lege ferenda steuerfinanzierte wissenschaft- liche Werke entweder ganz vom urheberrechtlichen Schutz auszunehmen oder spezielle Schrankenregelun- gen bzw. Zwangslizenzen für diese Werke einzuführen.18 Diskutiert wurde des weiteren – in Anlehnung an die für Arbeitnehmererfindungen geltende Rechtslage – die Einführung einer urheberrechtlichen Anbietungspflicht für im Rahmen der Lehr- und Forschungstätigkeit ent- standene Beiträge, um Hochschulen in die Lage zu ver- setzen, diese z.B. in Universitätsverlagen oder auf hoch- schuleigenen Open-Access-Repositorien zu veröffentli- chen.19 Diese Vorschläge konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Nunmehr hat der Gesetzgeber mit Wir- kung vom 1.1.2014 für wissenschaftliche Autoren ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht eingeführt, das unter bestimmten Voraussetzungen eine Open-Access- Zweitverwertung „auf dem grünen Weg“ trotz Einräu- mung ausschließlicher Nutzungsrechte an einen Verlag ermöglicht.20
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Bevor im Einzelnen auf diese urheberrechtlichen Rege- lungsoptionen eingegangen wird, sollen zunächst kurz die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für entsprechende Maßnahmen umrissen werden. Da gesetzgeberische Maßnahmen bislang nur im Rahmen des nationalen Urheberrechts diskutiert wurden, beschränkt sich die folgende Darstellung auf die ein- schlägigen nationalen Grundrechte. Wäre dagegen die Zulässigkeit unionsrechtlicher Maßnahmen zu bewer- ten, so wären diese primär an Art. 13 GrR-Charta zu messen.
Fehling, Verfassungskonforme Ausgestaltung von DFG-Förderbe-
dingungen zur Open-Access-Publikation, OdW 4 (2014), 179.
16 Vgl. Art. 29.2 des Model Grant Agreement, abrufbar unter: http://
ec.europa.eu/research/participants/data/ref/h2020/grants_manu-
al/amga/h2020-amga_en.pdf (18.5.2015).
17 Hierzu aus Wettbewerbs- und kartellrechtliche Perspektive Gold-
berg, Open Access im Wettbewerbsrecht, 2010, S. 19 ff.
18 Dazu s.unten IV. 1. a) und IV. 1. c).
19 Pflüger/Ertmann, E‑Publishing und Open Access – Konsequen-
zen für das Urheberrecht im Hochschulbereich, ZUM 2004, 436,
441 f. Dazu siehe unten IV. 1. b). 20 Dazu s.unten IV. 2. b).
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1. Freiheit der Forschung, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
Von besonderer Bedeutung ist hier der Schutz der For- schungsfreiheit im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Sie umfasst neben der freien Wahl von Forschungsgegen- stand und Methodik sowie der gesamten praktischen Durchführung des Forschungsprojekts auch die freie Entscheidung über die Verbreitung von Forschungser- gebnissen.21 Damit steht die Entscheidung über Ort, Zeitpunkt und Modalitäten der Publikation von For- schungsergebnissen den Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftlern selbst zu. Streitig ist jedoch, inwieweit die Forschungsfreiheit auch die Entscheidung über das „ob“ der Publikation schützt (sog. negative Publikationsfrei- heit). Zum Teil wird vor dem Hintergrund der Wissen- schaft als kommunikativem Prozess im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nur die auf Publizität angelegte Wissenschaft schützt.22 Die prakti- sche Bedeutung dieses Meinungsstreits wird jedoch dadurch relativiert, dass dem Wissenschaftler nach wohl einhelliger Ansicht jedenfalls die Freiheit zukommt, ein Forschungsergebnis als publikationswürdig und publi- kationsreif zu bewerten.23
Würde z.B. eine gesetzliche Verpflichtung von Wis- senschaftlern eingeführt, eine Erstveröffentlichung im Wege des Open Access vorzunehmen oder den Hoch- schulen – einfache oder ausschließliche – Nutzungsrech- te zur Veröffentlichung ihrer wissenschaftlichen Beiträge anzubieten,24 so würde dies das Recht auf freie Auswahl des Publikationsmediums einschränken, das für die wis- senschaftliche Sichtbarkeit und das Renommee des For- schers von grundlegender Bedeutung ist. Entsprechende Regelungen zur Anpassung des wissenschaftlichen Kom- munikationssystems an Open-Access-Prinzipien wür-
- 21 BVerfGE 111, 333, 354 – Brandenburgisches Hochschulgesetz; BVerfGE 90, 1 = NJW 1994, 1781 – Jugendgefährdende Schriften; BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 – Hochschulurteil; BeckOK GG/Kempen, Art. 5 Rn. 182; Fehling, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 110. Lfg. März 2004, Bd. 2, Art. 5 Abs. 3 Rn. 74; ders., OdW 4 (2014), 179, 190.
- 22 S. z.B. H. Dreier/Pernice, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn. 28: die negative Publikationsfreiheit unterliege nur Art. 12 Abs. 1 GG, nicht Art. 5 Abs. 3 GG.
- 23 Schmidt-Aßmann, Wissenschaft – Öffentlichkeit – Recht, in: H. Dreier, Rechts- und staatstheoretische Schlüsselbegriffe – FS Hofmann, 2005, S. 67, 82.
- 24 Dazu siehe unten IV. 1. b).
- 25 Fehling (Fn. 15), OdW 4 (2014), 179, 190; Hansen, Zugang zuwissenschaftlicher Information – alternative urheberrechtliche Ansätze, GRUR Int. 2005, 378, 379 mwN.; aA Pflüger/Ertmann (Fn. 19), ZUM 2004, 436, 441 (nur Art. 2 Abs. 1 GG betroffen).
- 26 Dies bejaht z.B. Bäuerle, Open Access zu hochschulischen For- schungsergebnissen? Wissenschaftsfreiheit in der Informations- gesellschaft, in: Britz, Forschung in Freiheit und Risiko, 2012, S.
den daher in die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit eingreifen.25 Offen ist jedoch, in- wieweit ein solcher Eingriff in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zur Förderung der Teilhabe an und des Zugangs zu wissen- schaftlichen Erkenntnissen verfassungsrechtlich ge- rechtfertigt werden könnte.26
2. Verfassungsrechtlicher Schutz des Urheber- persönlichkeitsrechts durch Art. 2 Abs. 1 GG
Das Recht des Urhebers, darüber zu bestimmen, ob und in welcher Form ein Werk veröffentlicht wird, wird zudem durch § 12 UrhG einfachgesetzlich gewährleistet. Diese persönlichkeitsrechtlichen Bestandteile des Urhe- berrechts werden verfassungsrechtlich über Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.27
3. Eigentumsgarantie, Art. 14 GG
Darüber hinaus sind urheberrechtliche Maßnahmen zur Förderung von Open-Access-Publikationsmodellen auch auf ihre Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu prüfen. Sowohl die urheberrechtlichen Verwertungsrechte gemäß §§ 15 ff. UrhG als auch daraus abgeleitete Nutzungsrechte z. B. der Verlage gemäß § 31 UrhG fallen nach ständiger Rspr. des BVerfG in den Schutzbereich des Art. 14 GG.28 Die Bestimmung des Schutzbereichs wird allerdings dadurch erschwert, dass der Gegenstand des Urheberrechts – anders als beim Sacheigentum – nicht fassbar und damit weniger vorge- geben ist.29 Das Rechtsinstitut des Privateigentums wird grundsätzlich durch die Privatnützigkeit des Eigentums und die Verfügungsfähigkeit über das Eigentumsobjekt gekennzeichnet. Aus diesen Strukturmerkmalen des Eigentums leitet das BVerfG ab, dass das vermögenswer- te Ergebnis der schöpferischen Leistung dem Urheber
1, 11 f., 14; ähnlich Peukert, Ein wissenschaftliches Kommunika- tionssystem ohne Verlage – zur rechtlichen Implementierung von Open Access als Goldstandard wissenschaftlichen Publizierens, Arbeitspapier 6/2013, Fachbereich Rechtswissenschaft, Goethe Universität Frankfurt/Main, S. 20 ff., allerdings unter dem Vor- behalt, dass das neue Publikationssystem wissenschaftsadäquat ausgestaltet sein muss, was derzeit z.B. aufgrund von infrastruk- turellen Defiziten wie fehlenden Fachrepositorien noch nicht gewährleistet sei; aA Rojahn in: Schricker/Loewenheim, UrhG,
4. Aufl. 2010, § 43 Rn. 131; Hansen (Fn. 25), GRUR Int. 2005, 378, 380; Sandberger, Behindert das Urheberrecht den Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen?, ZUM 2006, 818, 820; s. dazu auch Krujatz, Open Access, 2012, S. 324.
27 T. Dreier, in: T. Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, Einleitung, Rn. 39.
28 BVerfGE 31, 229, 238 ff. – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik; BVerfG GRUR 1990, 183, 184 – Vermietungsvorbehalt; BVerfG GRUR 2010, 56, 57.
29 Loewenheim/Götting, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 3.
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zuzuordnen sei sowie seine Freiheit zu gewährleisten sei, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu kön- nen.30 Dies wirft die Frage nach den Grenzen der ein- fachgesetzlichen Ausgestaltung dieses normgeprägten Grundrechts angesichts seiner Sozialbindung sowohl aus Sicht der Wissenschaftler als auch aus Sicht der wissen- schaftlichen Fachverlage auf.
Darüber hinaus ist Art. 14 GG auch insoweit zu be- achten, als die Entscheidung über eine kommerzielle Verwertung von Forschungsergebnissen nach überwiegen- der Ansicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG, jedoch nicht in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit fällt.31 Dieses Interesse dürfte bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge, die im Rahmen einer vergüteten Forschungstätigkeit entstan- den sind, jedoch in der Regel schwach ausgeprägt sein.32
III. Urheberrechtliche Grundlagen
Im Folgenden wird zunächst kurz dargestellt, inwieweit Forschungsergebnisse urheberrechtlichen Schutz genie- ßen und wem eventuelle Schutzrechte einschließlich der Entscheidungsbefugnis über Ort und Modalitäten der Veröffentlichung zugeordnet sind, um dann im nächsten Abschnitt auf spezielle Regelungen zur Förderung von Open-Access-Publikationsmodellen einzugehen.
1. Schutz von Forschungsergebnissen
a) Schutz durch das Urheberrecht
Das Urheberrecht schützt wissenschaftliche Sprachwer- ke (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) unter der Voraussetzung, dass sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen (§ 2 Abs. 2 UrhG), also ein Mindestmaß an Individualität aufweisen. Jedoch ist der urheberrechtliche Schutz wis- senschaftlicher Werke aus zweierlei Gründen begrenzt.
aa) Um die Monopolisierung von Informationen zu verhindern, wird der Schutz durch das Urheberrecht zum einen grundsätzlich nicht für den Inhalt eines
- 30 BVerfGE 31, 229, 243 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 31, 270, 274 – Schulfunksendungen; BVerfGE 79, 1, 25 – Leer- kassette; BVerfGE 79, 29, 49 – Justizvollzugsanstalten; BVerfGE GRUR 1997, 123 – Kopierladen I.
- 31 Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Bd. I, Art. 5 III Rn. 84; Lutz, Zugang zu wissenschaftlichen Informationen in der digita- len Welt (Fn. 11), S. 41 mwN.
- 32 Vgl. auch Krujatz, Open Access (Fn. 26), S. 318. Für einen Aus- gleich etwaiger finanzieller Verluste als Gebot der Publikations- freiheit aber Fehling (Fn. 15), OdW 4 (2014), 179, 206.
- 33 BGH GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; OLG Frank- furt GRUR 1990, 124, 126 – Unternehmen Tannenberg; Götting, Der Schutz wissenschaftlicher Werke, in: FS Nordemann, 2004, S. 7, 9 ff. mwN.; vgl. auch § 69 a Abs. 2 S. 2 UrhG, Art. 9 Abs. 2 des TRIPS-Abkommens.
Werks, sondern nur für die Darstellungsweise wie z.B. Formulierungen gewährt. Somit ist zwischen Inhalt und Darstellungsweise zu differenzieren: Das, was den ei- gentlichen Wert einer wissenschaftlichen Publikation ausmacht, nämlich ihr Inhalt, beispielsweise wissen- schaftliche Theorien, Lehrmeinungen und Daten, ist grundsätzlich urheberrechtsfrei. Begründet wird dieser Grundsatz damit, dass Informationen als solche nicht geschützt sind und insbesondere Gedanken und Lehren in ihrem Kerngehalt Gegenstand der freien geistigen Auseinandersetzung bleiben müssen.33 Das Erfordernis einer Autorenattribution bei dem Zitat gemeinfreier Thesen oder Lehrmeinungen ergibt sich damit nicht aus dem Urheberrecht, sondern lediglich aus dienst- oder prüfungsrechtlichen Vorgaben sowie aus den Grundsät- zen des redlichen wissenschaftlichen Arbeitens.
Allerdings bringt die praktische Umsetzung dieser Dichotomie zwischen Form und Inhalt Abgrenzungs- schwierigkeiten mit sich. Mittlerweile hat sich die An- sicht durchgesetzt, dass an Stelle einer formalistischen Unterscheidung zwischen Form und Inhalt eine werten- de Differenzierung zu erfolgen hat, die Forschungser- gebnisse vom urheberrechtlichen Schutz ausnimmt, so- weit ein Freihalteinteresse der Allgemeinheit besteht. Damit können bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht wissenschaftliche Lehren als solche, sondern lediglich die konkrete Gliederung, Gestaltung und Darstellung urheberrechtlich geschützt sein.34
bb) Auch diese schutzfähigen Elemente sind zur Wahrung der Freiheit der wissenschaftlichen Lehre je- doch nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn im Einzelfall ein Gestaltungsspielraum bestand, die Gestal- tung oder Gliederung also nicht durch Sachzwänge oder fachliche Gepflogenheiten vorgegeben war. Deshalb sind wissenschaftliche Darstellungen, die in der üblichen Fachsprache, z.B. nach den Vorgaben des Gutachtenstils, formuliert worden sind, ungeachtet ihrer inhaltlichen Qualität häufig weitgehend ungeschützt.35 Diese Ein- schränkungen können zu einem Schutzdefizit für wis-
34 BGH GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit mwN.
35 BGH GRUR 1981, 352, 355 – Staatsexamensarbeit: es sei „davon
auszugehen, daß der im fraglichen wissenschaftlichen Fachbe- reich üblichen Ausdrucksweise regelmäßig urheberrechtsschutz- fähige eigenschöpferische Prägung fehlen wird; dasselbe gilt für einen Aufbau und eine Darstellungsart, die aus wissenschaftlichen Gründen geboten oder in Fragen des behandelten Gebiets weitge- hend üblich sind und deren Anwendung deshalb nicht als eine ei- gentümliche geistige Leistung angesehen werden kann.“ Vgl. auch OLG Frankfurt GRUR 1990, 124, 126 – Unternehmen Tannen- berg. Dagegen wurde eine Multiple-Choice-Klausur als schutzfähig bewertet, insbesondere aufgrund der bei der Formulierung der falschen Antwortalternativen bestehenden Gestaltungsspielräume, LG Köln NJW-RR 2000, 1794. S. zu weiteren Beispielen aus der Rspr Schulze in: T. Dreier/Schulze, UrhG (Fn. 27), § 2 Rn. 93 ff.
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senschaftliche Werke führen. Hier zeigt sich, dass die Gewährleistung eines ausreichenden Schutzniveaus bei gleichzeitiger Vermeidung von Informationsmonopolen ein wohl nicht endgültig auflösbares Dilemma darstellt.
b) Schutz durch Leistungsschutzrechte
Neben den urheberrechtlich schutzfähigen Sprachwer- ken können grds. auch andere Forschungsergebnisse immaterialgüterrechtlich geschützt sein, da das Urhe- berrechtsgesetz u.a. wissenschaftliche oder organisatori- sche Leistungen durch sog. Leistungsschutzrechte hono- riert. Geschützt sein können z.B. Aufnahmen mittels Röntgen‑, Kernspin- und Computertomographie, Filme oder Fotos zu Dokumentationszwecken und Digitalisate, soweit sie ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung aufweisen,36 durch Leistungsschutzrechte gem. §§ 72, 95 UrhG oder Datenbanken gemäß §§ 87a ff., so dass insbesondere bei biomedizinischen und naturwis- senschaftlichen Forschungsvorhaben regelmäßig ein Konglomerat aus nicht geschützten und aufgrund ver- schiedener Leistungsschutzrechte geschützten Daten vorliegen wird.
2. Rechtsinhaberschaft
Das Urheberrecht an einem wissenschaftlichen Werk steht gemäß § 7 UrhG dem Wissenschaftler selbst zu. Jedoch werden an Werken, die in Erfüllung arbeits- bzw. dienstvertraglicher Verpflichtungen erschaffen wurden, nach §§ 43, 69 b UrhG grundsätzlich dem Dienstherrn – ggf. stillschweigend und vom Umfang her durch § 31 Abs. 5 UrhG begrenzt – die zur Verwertung erforderli- chen Nutzungsrechte eingeräumt, so dass dem Urheber in der Regel nur die Urheberpersönlichkeitsrechte ver- bleiben, insbesondere das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft gemäß § 13 UrhG. §§ 43, 69 b UrhG gelten jedoch nach allgemeiner Ansicht nicht für die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten, weisungsfreien Tätigkeiten in Forschung und Lehre von Hochschullehrern und wis- senschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen, da sie aufgrund der Wissenschaftsfreiheit dienstrechtlich nicht zur Publikation ihrer Forschungsergebnisse verpflichtet sind.37 Bei an den Hochschulen selbständig tätigen Wis- senschaftlern werden daher nicht nur die Urheberper-
- 36 Lauber-Rönsberg, in: Ahlberg/Götting, BeckOK UrhG, Ed. 8, Stand: 1.4.2015, § 72 Rn. 12 ff.
- 37 BGH GRUR 1991, 523, 527 – Grabungsmaterialien; OLG Karls- ruhe GRUR 1988, 536, 537 ff. – Hochschulprofessor; BGH GRUR 1985, 529, 530 – Happening; Götting/Leuze, Kap. XIII – Das Ur- heberrecht des wissenschaftlichen Personals, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 99 mwN.
- 38 Leuze, in: Götting/Ahlberg, BeckOK UrhR (Fn. 36), Urheberrecht im Bereich der Wissenschaft, Rn. 37 f.
- 39 BGH GRUR 1991, 523, 525 – Grabungsmaterialien; KG ZUM-
sönlichkeits‑, sondern auch die Verwertungsrechte allein dem Urheber zugeordnet. Demgegenüber sind die urhe- berrechtlichen Befugnisse von an außeruniversitären Forschungseinrichtungen tätigen Wissenschaftlern auf- grund ihrer Bindung an den Zweck der Forschungsein- richtung eingeschränkt.38
Allerdings hat der BGH in seiner Grabungsmateriali- en-Entscheidung eine Pflicht der Erben eines Hoch- schullehrers angenommen, der Hochschule den Besitz an archäologischen Grabungsmaterialien und urheber- rechtliche Nutzungsrechte z.B. an Plänen aus dem wis- senschaftlichen Nachlass des durch die DFG und aus universitären Mitteln geförderten Erblassers zur wissen- schaftlichen Auswertung einzuräumen. Als rechtliche Grundlage führte der BGH eine nachwirkende Treue- pflicht aus dem Dienstverhältnis an, die auch nach dem Tode fortbestehe. Jenseits dieser Konstellation besteht aber nach ganz h.M. keine Pflicht zur Anbietung urhe- berrechtlicher Nutzungsrechte.39 Diese Entscheidung wird im Schrifttum jedoch als Argument für die verfas- sungsrechtliche Zulässigkeit einer urheberrechtlichen Anbietungspflicht von Wissenschaftlern angeführt.40 Diese Übertragung verkennt aber, dass die Entscheidung einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sachverhalt be- traf, da der Wissenschaftler bereits verstorbenen und da- mit zu einer eigenen Auswertung seiner wissenschaftli- chen Erkenntnis nicht mehr in der Lage war.
Aus rechtsvergleichender Perspektive nimmt das deutsche Urheberrecht mit der Zuordnung des Urheber- rechts zu den jeweiligen Wissenschaftlern eine Sonder- stellung ein. So steht das Urheberrecht an wissenschaftli- chen Werken in Ländern mit so unterschiedlichen Urhe- berrechtsregimen wie Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich der Universität zu. Allerdings nimmt die- se das Urheberrecht in der Regel nicht wahr, sondern überlässt die Entscheidung über die Veröffentlichung dem Wissenschaftler.41 Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, inwieweit die Ausnahme des wissenschaftli- chen Bereichs von den Regelungen der §§ 43, 69b UrhG angesichts der Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 GG zwingend ist oder ob dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht legislati- ve Gestaltungsspielräume zustehen.
RD 1997, 175, 179 – POLDOK; Wündisch, in: Berger/Wündisch, Urhebervertragsrecht, 2008, § 15 Rn. 54; T. Dreier, in: T. Dreier/ Schulze, UrhG (Fn. 27), § 43 Rn. 12; Loewenheim/A. Nordemann, Handbuch des Urheberrechts (Fn. 29), § 63 Rn. 20; Wandtke, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 43; Krujatz, Open Access (Fn. 26), S. 271.
40 Pflüger/Ertmann (Fn. 19), ZUM 2004, 436 ff.
41 Siehe zum französischen, britischen und niederländischen Recht
Guibault, in: dies./Angelopoulos, Open Content Licensing – From Theory to Practice, 2011, S. 137, 140 ff.
Götting/Lauber-Rönsberg · Open Access und Urheberrecht 1 4 3
IV. Förderung von Open-Access-Publikationen durch das Urheberrecht
Bereits seit der Diskussion um den sog. „Zweiten Korb“, dem am 1.1.2008 in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesell- schaft,42 steht die wissenschaftliche Informationsversor- gung im Mittelpunkt der rechtspolitischen Diskussion.
1. Vorschläge de lege ferenda
a) Bei wissenschaftlichen Werken nur Recht auf Anerkennung der Urheberschaft
NichtunerwähntbleibensollhierderradikaleVor- schlag von Steven Shavell, Professor an der Harvard Law School und Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts, das Urheberrecht an wissenschaftlichen Werken nur auf das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft zu beschränken, da die allgemeine Ratio des Urheber- rechts, kreatives Schaffen durch die Zuerkennung von Ausschließlichkeitsrechten zu stimulieren, für den wis- senschaftlichen Bereich nicht gelte.43 Eine Umsetzung dieser Option wäre jedoch im Hinblick auf die Verpflich- tungen, denen die Mehrzahl der Staaten aufgrund internationaler urheberrechtlicher Abkommen wie der Revidierten Berner Übereinkunft, dem TRIPS-Überein- kommen und den WIPO Copyright Treaty unterliegen, nicht realistisch.
b) Einführung einer Anbietungspflicht
Im Rahmen der Diskussion um einen Zweiten Korb empfahlen Pflüger und Ertmann die Einführung einer zeitlich befristeten Option der Hochschulen, sich an den wissenschaftlichen Werken ihrer Beschäftigten Nutzungs- rechte einräumen zu lassen, um diese dann durch einen Hochschulverlag oder auf einem Open-Access-Repositori- um zu veröffentlichen.44 Eine entsprechende Regelung für Hochschulerfindungen enthält § 42 AbnErfG.45 Die Auto- ren erhofften sich hierdurch eine Förderung des Open-
- 42 Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informati- onsgesellschaft vom 26.10.2007, BGBl. I, S. 2513.
- 43 Shavell, Should Copyright of Academic Works Be Abolished?, Harvard Law School, Public Law & Legal Theory Working Paper Series, Paper No. 10–10, 2010, http://papers.ssrn.com/sol3/papers. cfm?abstract_id= 1525667 (18.5.2015).
- 44 Pflüger/Ertmann (Fn. 19), ZUM 2004, 436 ff.
- 45 Zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 5 Abs. 3 GG sieheBGH GRUR 2008, 150, 151 ff. – selbststabilisierendes Kniegelenk.
- 46 Pflüger/Ertmann (Fn. 19), ZUM 2004, 436, 442.
- 47 Hansen (Fn. 25), GRUR Int. 2005, 378, 380; Peifer, RegulatoryAspects of Open Access, JIPITEC 1 (2010), 131, 132; Sandberger (Fn. 26), ZUM 2006, 818, 820 und oben die bei Fn. 46 Genann-
Access-Prinzips sowie eine Stimulierung des Wettbe- werbs auf dem Zeitschriftenmarkt.46 Gegen diesen Vor- schlag sprechen zum einen verfassungsrechtliche Bedenken, da der Wissenschaftler im Falle der Inan- spruchnahme nicht mehr über Ort und Modalitäten der Publikation seiner Forschungsergebnisse ent- scheiden könnte. Diese sind aber für sein wissen- schaftliches Renommee von entscheidender Bedeu- tung, so dass diese Entscheidungsbefugnis ein wesentliches Element der positiven Publikationsfrei- heit ausmacht.47 Zum zweiten ist höchst zweifelhaft, ob die Hochschulen die Funktionen der Fachverlage übernehmen und z.B. die notwendigen Selektions- und Begutachtungsprozesse durchführen könnten. Und schließlich würde ein solches Hochschulverlagswesen langfristig den Fortbestand einer ausdifferenzierten Fachverlagslandschaft bedrohen.48
c) Weitere Vorschläge
Auch weitere Vorschläge wie die Einführung einer Zwangslizenzregelung49 oder einer Schrankenregelung50 konnten sich u.a. aufgrund verfassungsrechtlicher Beden- ken sowie von Zweifeln an der Vereinbarkeit mit der maß- geblichenRichtliniezurRegelungdesUrheberrechtsinder Informationsgesellschaft51 nicht durchsetzen.
2. Open Access und Verlagsverträge
Für eine Förderung von Open-Access-Publikationsmo- dellen ist damit das Urhebervertragsrecht der geeignete Rahmen.
a) Der „goldene Weg“
Keinerlei rechtliche Schwierigkeiten stellen sich, wenn sich ein Autor für eine Erstveröffentlichung im Wege des Open Access entscheidet (sog. goldener Weg), soweit ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis über Ort und Modalitäten der Veröffentlichung zusteht, was bei an Hochschulen eigenverantwortlich tätigen Wissenschaft- lern grundsätzlich der Fall ist.52
ten.
48 Siehe zur Kritik im Einzelnen mwN. Lutz, Zugang zu wissen-
schaftlichen Informationen in der digitalen Welt (Fn. 11), S. 211
ff.; Krujatz, Open Access (Fn. 26), S. 271 ff.
49 Krujatz, Open Access (Fn. 26), S. 279 ff.; Hilty, Ungereimtheiten
auf der urheberrechtlichen Wertschöpfungskette. Der Wissen- schaftsmarkt als Prüfstein für die urheberrechtliche Zwangslizenz, in: ders./Drexl/Nordemann (Hrsg.), FS Loewenheim, 2009, S. 119, 127 ff.
50 Diskutiert und verworfen von Hansen (Fn. 25), GRUR Int. 2005, 378, 383 ff.
51 RL 2001/29/EG vom 22.5.2001, ABl. L 167 vom 22.06. 2001. 52 Dazu s. oben III. 2.
144 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2015), 137–146
b) Der „grüne Weg“: § 38 Abs. 1, 4 UrhG
Problematischer ist dagegen eine Zweitveröffentlichung im Wege des Open Access, die zeitgleich mit oder im Nachgang zu einer Verlagspublikation erfolgt (sog. grü- ner Weg). Wirtschaftlich stehen hier die Open-Access- und die Verlagspublikation in einem Konkurrenzver- hältnis. Aus rechtlicher Sicht wirft der „grüne Weg“ Fra- gen auf, da der Autor dem Verlag in dem Verlagsvertrag in der Regel ausschließliche Nutzungsrechte zur Verviel- fältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichma- chung des Werkes im Internet einräumt, die grds. auch den Autor von weiteren eigenen Werknutzungen aus- schließen (§ 2 Abs. 1 VerlG).
aa) Jedoch ist es dem Urheber nach der Auslegungs- regel des § 38 Abs. 1 UrhG gestattet, einen Zeitschriften- beitrag nach Ablauf eines Jahres seit seinem Erscheinen im Internet öffentlich zugänglich zu machen, wenn mit dem Verlag nichts anderes vereinbart ist. Wie der Wort- laut zeigt, ist die Regelung jedoch abdingbar.
bb) Darüber hinaus gewährt nunmehr der zum 1.1.2014 in Kraft getretene § 38 Abs. 4 UrhG wissenschaft- lichen Autoren auch dann, wenn sie einem Verlag ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt haben, ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für Beiträge, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erschei- nenden Sammlung erschienen sind. Diese Beiträge dür- fen nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröf- fentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient; die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben.
§ 38 Abs. 4 UrhG regelt damit das Spannungsverhält- nis zwischen dem wirtschaftlichen Interesse der Verlage und dem Interesse der wissenschaftlichen Autoren an größtmöglicher „Sichtbarkeit“, die je nach Disziplin in Open-Access- oder Closed-Access-Journals besser ge- währleistet sein kann, indem die neu eingeführte Rege- lung die Entscheidungsbefugnis der Autoren über nicht- kommerzielle Zweitverwertungen als unveräußerlich ausgestaltet. Zugleich hat der Gesetzgeber sich damit für eine Förderung von Open Access in der „grünen Varian-
- 53 Hilty/Köklü/u.a., Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht zur Anfrage des Bundes- ministeriums der Justiz vom 20.2.2013, S. 6 f.
- 54 Horstmann, Finch und die Folgen – Open Access in Großbritan- nien, ZfBB 60 (2013) 5.
- 55 Guibault, in: dies./Angelopoulos, Open Content Licensing – From Theory to Practice, 2011, S. 137, 161.
- 56 Dazu siehe Sprang, ZUM 2013, 461, 465.
- 57 Dazu ausf. Fehling (Fn. 15), OdW 4 (2014), 179, 183 ff.; Lewinski/
te“ entschieden. Kritiker monieren zu Recht, dass der „grüner Weg“ für die öffentliche Hand potentiell noch teurer werden könnte als das herkömmliche Publikati- onssystem, da neben den wohl auf absehbare Zeit nicht sinkenden Bezugspreisen der Zeitschriften auch noch der Aufbau der Infrastruktur, z.B. die Schaffung von Re- positorien, und ggf. die Subventionierung von Autoren- gebühren für Zweitveröffentlichungen finanziert werden müssen.53 Für diese Vorgehensweise spricht jedoch, dass sie ein Nebeneinander des herkömmlichen und des Open-Access-Publikationsmodells ermöglicht. Dagegen setzt z.B. Großbritannien auf die staatliche Förderung von Erstveröffentlichungen im Wege des Open Access unter Einbeziehung der Fachverlage.54 Der Entschei- dung des deutschen Gesetzgebers, Open-Access-Publi- kationsmodelle durch zwingende urhebervertragsrecht- liche Regelungen zu fördern, stehen bislang, soweit er- sichtlich, keine parallelen gesetzlichen Entwicklungen in anderen Mitgliedstaaten gegenüber. Z.B. in Großbritan- nien und den Niederlanden wurden lediglich Muster- verlagsverträge entwickelt.55
Nachdem zunächst von Verlagsseite verfassungs- rechtliche Bedenken gegen die neue Regelung geäußert wurden,56 steht nunmehr die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale im Mittelpunkt der Diskussion. Unklar ist zudem die kollisionsrechtliche Anwendbar- keit der Regelung, wenn der Verlagsvertrag ausländi- schem Recht unterliegt.57
So gilt das Zweitverwertungsrecht nach der Gesetzes- begründung nur für Publikationen, die im Rahmen öf- fentlicher Projektförderung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung entstanden sind, hingegen nicht für die staatlich finan- zierte, rein universitäre Forschung.58 Diese Einschrän- kung wird im Regierungsentwurf damit begründet, dass in diesen Bereichen das staatliche Interesse an einer Ver- breitung der Forschungsergebnisse besonders hoch sei und es hier, anders als bei der rein universitären For- schung, üblich sei, dass der Staat bei der staatlichen För- derung Vorgaben hinsichtlich der Ziele und der Verwer- tung der Forschung mache. Sowohl die Projektförderung als auch die Tätigkeit an außeruniversitären Forschungs- einrichtungen beruhe auf programmatischen Vorgaben und Förderrichtlinien der Zuwendungsgeber, die damit
Thum, Spezifische Fragen zum Auslandsbezug des geplanten Zweitveröffentlichungsrechts nach § 38 Abs. 1 S. 3 und 4 UrhG neu, 2011, abrufbar unter: http://www.iuwis.de/sites/default/files/ iuwis-gutachten-lewinski.pdf (2.6.2015) ; Sprang, Zweitveröffent- lichungsrecht – ein Plädoyer gegen § 38 Abs. 4 UrhG‑E, ZUM 2013, 461, 463 f.; Sandberger, Zweitverwertungsrecht, ZUM 2013, 466, 471.
58 BT-Drs. 17/13423, S. 14; Soppe, in: Ahlberg/Götting, BeckOK UrhG (Fn. 36), § 38 Rn. 59 f.
Götting/Lauber-Rönsberg · Open Access und Urheberrecht 1 4 5
den Erkenntnisgewinn in zuvor festgelegten Themenbe- reichen fördern wollten. Zu den Rahmenbedingungen dieser Förderbereiche gehörten seit jeher Förderbestim- mungen, die z. B. auch die Verwertung und Verbreitung der Ergebnisse regelten.59
Diese Einschränkung wird angesichts des Schutzes der Forschungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 3 GG für be- denklich und mit dem Ziel der Regelung, den Zugang zu Forschungsergebnissen zu verbessern, nicht vereinbar gehalten.60 Auch der Bundesrat hat im Gesetzgebungs- verfahren die Ansicht vertreten, dass sich der Anwen- dungsbereich des § 38 Abs. 4 UrhG im Wege einer ver- fassungskonformen Auslegung auch auf das gesamte, an den Hochschulen beschäftigte wissenschaftliche Perso- nal erstrecken müsse.61
Ein sachlicher Differenzierungsgrund für diese Schlechterstellung der universitären Forschung ist auf den ersten Blick tatsächlich nicht ersichtlich. Allenfalls kann gemutmaßt werden, dass der Gesetzgeber die Ein- führung von hochschulrechtlichen Zweitverwertungs- pflichten als flankierende Maßnahmen zu dem urheber- rechtlichen Zweitverwertungsrecht antizipierte und den Weg für eine solche Inanspruchnahme nur in Bezug auf Mitarbeiter außeruniversitärer Forschungseinrichtun- gen ebnen wollte, deren Forschungstätigkeit intensiver durch Vorgaben der Forschungseinrichtung reguliert werden kann, als dies bei der rein universitären, zweckfrei- en Forschung der Fall ist, wie letztlich auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Ausdruck bringt.
Die Interessen der Verlage versucht § 38 Abs. 4 UrhG dadurch zu wahren, dass die Regelung nur für Beiträge in periodisch erscheinenden Sammlungen gilt, eine Zweitveröffentlichung lediglich in der vom Verlag zur Veröffentlichung akzeptierten Manuskriptversion, also nicht im Verlagslayout,62 und erst nach Ablauf einer 12monatigen Karenzfrist zulässig ist. Hierdurch soll „eine Amortisation verlegerischer Investition“ gewähr- leisten werden.63 Fraglich ist allerdings, ob diese pau- schale Karenzfrist allen Fachrichtungen gerecht wird. Während zwölf Monate in manchen geisteswissenschaft- lichen Bereichen durchaus angemessen oder gar zu kurz sind, ist der Zeitraum für Publikationen in einigen MINT-Wissenschaftsbereichen wohl häufig zu lang, weil die Erkenntnisse nach Ablauf einer 12-Monats-Frist übli- cherweise von geringem oder keinem Wert mehr sind.64
- 59 RegE BT-Drs. 17/13423, S. 9.
- 60 Sandberger (Fn. 57), ZUM 2013, 466, 470.
- 61 Beschluss des BR vom 20.9.2013, BR-Drs. 643/13.
- 62 Kritisch Peifer, Die gesetzliche Regelung über verwaiste undvergriffene Werke, NJW 2014, 6, 11: „verwirrende Mehrfachversi-onen“.
- 63 RegE BT-Drs. 17/13423, S. 12.
Eine nach Fachgebieten gestaffelte Karenzfrist hätte da- gegen Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich gebracht, so dass die vom Gesetzgeber gewählte Variante wohl als pragmatische Lösung darstellt.
c) Ergänzung durch hochschulrechtliche Publikations- oder Anbietungspflichten?
§ 38 Abs. 4 UrhG verleiht wissenschaftlichen Autoren ein Zweitverwertungsrecht und bewirkt somit eine Stärkung ihrer Rechtsposition. Zugleich eröffnet diese Regelung aber die Handlungsoption, flankierend eine hochschul- rechtliche Zweitverwertungspflicht einzuführen. Eine entsprechende Regelung trifft nun der am 9.4.2014 in Kraft getretene § 44 Abs. 6 des LHG Baden-Württem- berg. Danach sollen die Hochschulen ihr wissenschaftli- ches Personal durch Satzung grundsätzlich dazu ver- pflichten, das Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröf- fentlichung nach einer Frist von einem Jahr nach Erstveröffentlichung für wissenschaftliche Beiträge wahrzunehmen, die im Rahmen der Dienstaufgaben ent- standen und in einer periodisch mindestens zweimal jähr- lich erscheinenden Sammlung veröffentlicht wurden.
Aus rechtspolitischer Sicht ist diese Regelung höchst kritikwürdig, da sie die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschütz- te Freiheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- lern einschränkt, selbst über Ort und Modalitäten von Veröffentlichungen zu entscheiden. Auch wenn die Ein- beziehung von Open-Access-Prinzipien in das wissen- schaftliche Publizieren wissenschaftspolitisch für erstre- benswert gehalten wird, so sollte hierbei jedoch das Prinzip der Autonomie und Freiwilligkeit gewahrt werden.
Fraglich ist zudem, inwieweit wissenschaftliche Bei- träge tatsächlich im Rahmen von Dienstaufgaben erstellt werden, wie § 44 Abs. 6 LHG Baden-Württemberg vor- aussetzt. Denn nach der zumindest im urheberrechtli- chen Schrifttum h.M. trifft den Universitätsprofessor trotz seiner Verpflichtung, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten, keine Dienstpflicht zur Erschaffung urheberrechtlich geschützter Werke.65
Unter rechtstechnischen Gesichtspunkten ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzun- gen dieser Zweitverwertungspflicht nicht deckungs- gleich mit denjenigen des Zweitverwertungsrechts aus § 38 Abs. 4 UrhG sind, da sich die Regelung nicht nur auf solche Beiträge bezieht, die im Rahmen einer mindes-
64 Klass, Die deutsche Gesetzesnovelle zur „Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheber- rechtsgesetzes“ im Kontext der Retrodigitalisierung in Europa, GRUR Int. 2013, 881, 893; Sandberger (Fn. 57), ZUM 2013, 466, 472.
65 Götting/Leuze, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht (Fn. 37), Kap. XIII Rn. 124.
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tens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten For- schungstätigkeit entstanden sind. Zudem soll § 38 Abs. 4 UrhG zumindest nach der Begründung des Regierungs- entwurfs wie dargestellt nur für Publikationen gelten, die im Rahmen öffentlicher Projektförderung oder an einer in- stitutionell geförderten außeruniversitären Forschungsein- richtung entstanden. Daher müssten universitäre Satzungen ggf. entsprechend eingeschränkt werden.
V. Fazit
Die Einführung eines unabdingbaren, nicht-kommerzi- ellen Zweitverwertungsrechts durch § 38 Abs. 4 UrhG wird evtl. mehr Rechtssicherheit bewirken, aber voraus- sichtlich weder einen Durchbruch des Open-Access- Publizierens bewirken, noch ein effektives Heilmittel für die sog. Zeitschriftenkrise darstellen. Denn bereits nach der früheren Rechtslage stand es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frei, sich für eine Erstveröffentli- chung ihrer Werke im Wege des Open Access zu ent- scheiden. Zudem gestatten viele Verlage ihren Autoren nach Ablauf einer gewissen Karenzfrist eine Open- Access-Zweitverwertung z.B. auf einem institutionellen Repositorium. Dass diese Möglichkeiten bislang in vie- len Fachbereichen nicht intensiver genutzt werden, liegt
sicherlich auch daran, dass es in vielen Fachbereichen, wie z.B. der Rechtswissenschaft, bislang kaum etablierte und renommierte Open-Access-Journals gibt – oder diese zumindest häufig nicht als gleichwertig mit Verlagspublika- tionen anerkannt werden. Aus Sicht von Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftlern ist es daher unabdingbar, dass auch während solcher Umwandlungsprozesse den Fach- und Publikationskulturen der einzelnen scientific commu- nities Rechnung getragen wird und die Publikationsfreiheit gewahrt bleibt.
Es hat jeweils etwa 200 Jahre gedauert, bis sich die Gesellschaft auf das Alphabet bzw. den Buchdruck ein- gestellt hatte.66 Bei den gegenwärtigen Entwicklungen wird es nicht um vergleichbare zeitliche Dimensionen gehen, aber auch hier bedarf es einer allmählichen Wei- terentwicklung – ein Umbruch kann und sollte nicht er- zwungen werden.
Der Autor ist o. Professor und geschäftsführender Direktor des Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbe- werbs- und Medienrecht an der Juristischen Fakultät der TU Dresden.
Die Autorin ist Inhaberin einer Juniorprofessur für Bür- gerliches Recht, Immaterialgüter‑, Medien- und Daten- schutzrecht an der Juristischen Fakultät der TU Dres- den.
66 Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, 1990, S. 600.