I. Einleitung
Im Zuge der Präventionsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie wurde auch der Studienbetrieb im Sommersemester 2020 durch die sog. Corona-Verordnungen der Bundesländer ausgesetzt, durch einen digitalen Lehrbetrieb ersetzt und der Zugang zu den Hochschulen und ihren Einrichtungen beschränkt.1 Davon ist deren gesamter Aufgabenbereich, vor allem aber der Lehrbetrieb in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß betroffen. Die Wissenschaftsminister haben bei der Bekanntgabe der Regelungen die damit verbundenen Belastungen für die Lehrenden und Studierenden, für die Arbeitsfähigkeit der Organe und Gremien, für die Beschäftigten in der Verwaltung und den Einrichtungen anerkannt, dies aber mit der Zuversicht verbunden, dass diese Herausforderung mit dem Fortschritt der Digitalisierung in den Hochschulen bewältigt werden kann.2
Diese Erwartung erwies sich allerdings schon in den ersten Tagen als zu optimistisch. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur hat zwar die Rahmenbedingungen für die Aufgaben der Hochschulen nachhaltig verbessert. Neben ihren vielfältigen, fachspezifischen Anwendungen im Bereich der Forschung gilt dies vor allem für den umfassenden Zugang zu Online- Datenbanken, die Informationserschließung, für den elektronischen Kopienversand und die elektronischen Verwaltungssysteme.
Dem gegenüber blieb die Digitalisierung in der Lehre in den meisten Hochschulen gegenüber den
Präsenzangeboten an Vorlesungen, Seminaren, Übungen und Praktika auf unterstützende Maßnahmen wie Lehrplattformen, Unterrichts- und Lehrmedien oder elektronische Präsentationen beschränkt. Weiterreichende Erfahrungen mit digitaler Lehre gibt es, von der Fernuniversität Hagen abgesehen, bei den zu virtuellen Hochschulen verbundenen Einrichtungen3 sowohl in grundständigen Studiengängen als auch im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung. In grundständigen Studiengängen der meisten Hochschulen kamen digitale Lehrformate demgegenüber nur in Einzelfällen zum Einsatz.
Noch geringer waren und sind Erfahrungen mit digitalen Prüfungen. Selbst die Fernuniversität Hagen führt die schriftlichen und mündlichen Prüfungen überwiegend im Präsenzbetrieb an ihren Außenstellen durch.
Damit sind Lehrende, Studierende, die Hochschulleitungen, Fakultätsleitungen, wissenschaftlichen Einrichtungen und Prüfungsämter durch die Corona- Verordnungen mit Anforderungen konfrontiert, für die es überwiegend keine Vorbilder gibt. In gleicher Weise sind die Rechenzentren und Bibliotheken gefordert, die für digitale Lehre verfügbaren Formate synchroner oder asynchroner Kommunikationsplattformen bereitzustellen und die notwendige Hilfestellung für deren Angebote zu geben.
Die organisatorische und konzeptionelle Bewältigung im laufenden Betrieb steht gegenwärtig im Vordergrund notwendigen Handelns.
Im Zuge der getroffenen Maßnahmen erwies sich aber, dass das bestehende rechtliche Regelwerk ebenso wenig auf die Umstellung auf digitale Lehrveranstaltungen, digitale Prüfungen oder auch virtuelle Gremiensitzungen vorbereitet war. Nur vereinzelt sehen Landeshochschulgesetze digitale Lehrangebote vor, ohne die daran zu stellenden Anforderungen näher zu definieren.4
Mit Ausnahme von Nordrhein- Westfalen haben die Bundesländer bislang keinen situationsgerechten Rechtsrahmen geschaffen.5
Georg Sandberger
Rechtsfragen des digitalen Unterrichts, digitaler Prüfungen und virtueller Gremiensitzungen an Hochschulen
1 Vgl. dazu § 2 der Verordnung der Landesregierung des Landes Baden- Württemberg über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov‑2 (Corona-Verordnung – Corona- VO BW). Zu vergleichbaren Regelungen in den anderen Bundesländern vgl. die Zusammenstellung bei Beck- Online, abrufbar unter https://beck-online.beck.de/Normen/29337/I?pagenr=5&sortField=1.
2 Exemplarisch Schreiben der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer vom 15.4.2020.
3 Z. B. die Virtuelle Hochschule Bayern. Diese wird von den bayrischen Hochschulen seit dem Sommersemester 2020 als Plattform für ein umfassendes Angebot digitaler Lehrveranstaltungen genutzt, abrufbar unter: https://kurse.vhb.org/VHBPORTAL/kursprogramm/kursprogramm.jsp
4 Z.B. Art. 63 Abs. 1 BayHG, § 58 HambHG, § 40 HG MVP, § 64 Abs. 2 S. 2 HG NRW (Online- Prüfungen).
5 Artikel 10 des Gesetzes vom 14.4.2020, GV. NRW. S. 217; Verordnung zur Bewältigung der durch die Corona Virus SARS-CoV-2-Epidemie an den Hochschulbetrieb gestellten Herausforderungen (Corona-Epidemie-Hochschulverordnung) vom 15.4.2020, GV. NRW. S. 298.
Ordnung der Wissenschaft 2020, ISSN 2197–9197
1 5 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
6 Vgl. vor allem VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 9. 4.
2020, 1 S 925/20, Rn. 37 ff.
7 BVerfGE 35, 79, 114 ff.; 43, 242, 267; 66, 155, 177 ff.; 67, 201, 207;
111, 333, 354 ff.; 136, 338 ff., Rn. 55 ff.; 139, 148 ff., Rn. 42 ff.
8 BVerfGE 35, 79, 115 f.
9 BVerfGE 35, 79, 113.
10 1BvR 755/20 v. 7. 4 .2020 — Art. 2 Abs.1 GG — Ausgangsbeschränkungen;
1 BvR 828/20 v. 15.4. 2020 — Versammlungsverbot Art. 8
GG.
11 BVerfG 1BvQ 44/20 v. 29 .4 .2020 – Art. 4 GG — Besuch von
Gottesdiensten.
12 KMK „Bildung in der digitalen Welt“ – Empfehlungen vom
8.12.2016; Empfehlungen zur Digitalisierung in der Hochschullehre
(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14.3.2019).
Auch der Wissenschaftsrat hat in seinem Positionspapier Strategien
für die Hochschullehre, 2017 auf die Bedeutung der Digitalisierung
für die Hochschullehre hingewiesen, vgl. insbesondere
S.22 ff.
Die Hochschulen sind deshalb gezwungen, bis zum
Handeln des Gesetzgebers die notwendigen Rechtsgrundlagen
durch eigene Satzungsregelungen zu schaffen.
Inzwischen liegen für eine Reihe von Hochschulen
entsprechende Satzungen vor.
Die Einschränkung des Hochschulbetriebs, die Umstellung
auf digitalen Unterricht, digitale Prüfungen und
virtuelle Gremiensitzungen werfen zahlreiche weitgehend
ungeklärte Rechtsfragen im Bereich des Hochschulverfassungsrechts,
Hochschulrechts, Prüfungsrechts,
Persönlichkeitsrechts und des Datenschutzrechts
auf.
Der folgende Beitrag kann allenfalls einen Einstieg in
deren mögliche Lösung leisten.
In drei Teilen soll die Thematik unter dem Aspekt der
Rechtsfragen digitaler Lehre und Prüfungen (II), virtueller
Gremiensitzungen (III), verfügbarer Formate und datenschutzrechtlicher
Fragen (IV) behandelt werden.
II. Rechtsfragen digitaler Lehre und Prüfungen
- Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Schließung der
Hochschulen: Lebensschutz vs. Wissenschaftsfreiheit
Die auf das Infektionsschutzgesetz gestützten Verordnungen
und Allgemeinverfügungen werfen wegen ihrer
Eingriffe in Grundrechte grundlegende Fragen an die
Wahrung des Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgrundsatzes
durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen
auf, die bisher in einstweiligen Anordnungsverfahren
nur vereinzelt thematisiert wurden.6
Soweit sie Beschränkungen des Hochschulbetriebs
betreffen, greifen sie in vielfältiger Weise in den Schutzbereich
des Art.5 Abs. 3 GG ein.
Betroffen ist der institutionelle Aspekt: die Verpflichtung
des Staates, funktionsfähige Institutionen für einen
freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen,7
die Gewährleistung der Autonomie im Kernbereich von
Forschung und Lehre,8 der individualrechtliche Aspekt
des Schutzes der Freiheit von Forschung und Lehre9 und
die aus Art. 12 GG abgeleitete Freiheit des Studiums. Gerechtfertigt
wird der Eingriff mit dem Schutz des
Lebens.
In bisher vorliegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
zu den Corona- bedingten Schließungs-
oder Beschränkungsmaßnahmen hat das Bundesverfassungsgericht,
gestützt auf die Gefahrenbeurteilung
des Robert-Koch-Instituts und den daraus folgenden
epidemiologischen Maßnahmen, dem Schutz des
Lebens den Vorrang vor anderen betroffenen Grundrechten
eingeräumt,10 diesen aber unter Vorbehalt der
laufenden Überprüfung auf Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit
gestellt.11 Dem liegt eine Abwägung der
Grundrechte zugrunde; dabei wird dem Grundrecht der
Vorrang eingeräumt, dessen Gefährdung gegenüber dem
kollidierenden Grundrecht den höheren Gefährdungsgrad
aufweist.
Entscheidungen zur Einschränkung des Wissenschaftsbetriebs
liegen bisher nicht vor. Auch die Wissenschaftsfreiheit
unterliegt aber bei der Grundrechtskollision
immanenten Schranken, die nach den Grundsätzen
der Grundrechtskonkordanz zu bestimmen sind. Der
Vorrang des Lebensschutzes gegenüber dem Schutz der
Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG ist gerechtfertigt,
solange der hohe Bedrohungsgrad anhält und
sich die Beschränkungen des Hochschulbetriebes und
auch der individuellen Lehrfreiheit auf der jeweiligen
Gefahrenlage angepasste, notwendige und verhältnismäßige
Maßnahmen beziehen.
Deshalb sind die jeweiligen Maßnahmen entsprechend
der Beurteilung der Gefahrenlage durch die zuständigen
Behörden auf den Prüfstand zu stellen und zu
befristen.
Dementsprechend sind die einschlägigen auf das Infektionsschutzgesetz
gestützten Verordnungen und Allgemeinverfügungen
nur rechtswirksam, wenn sie entsprechende
Öffnungsklauseln enthalten. Sie müssen außerdem
geeignete Spielräume für differenzierende Regelungen
für Lehrveranstaltungen und Prüfungen
enthalten, die, wie Praktika oder mündliche Prüfungen,
nicht oder nur mit Schwierigkeiten ohne Präsenzbetrieb
möglich sind. - Rechtsgrundlagen digitaler Lehrveranstaltungen und
Prüfungen — Hochschulrechtlicher Befund
Trotz fortschreitender Digitalisierung der Hochschulen,
die 2016 Gegenstand von allgemeinen Empfehlungen
der KMK, 2019 speziell zur Digitalisierung in der Hochschullehre
war,12 hat diese Entwicklung in der HochSandberger
· Rechtsfragen des digitalen Unterrichts 1 5 7
13 Abrufbar unter: https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/
hrk/02-Dokumente/02–04-Lehre/02–04-01-Qualitaetssicherung/
KMK_Musterrechtsverordnung.pdf
14 Zu diesen Aspekten der Freiheit der Lehre vgl. § 3 HRG a. F., der
auf BVerfGE 35, 79, 112 zurückgeht, dazu Hailbronner, in Geis,
Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 3 HRG a.F. 8. Lieferung,
§ 3 Rn.30 ff.
schulgesetzgebung der Länder bis heute praktisch keinen
Widerhall gefunden. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen, insbesondere der Regelung für die Fernuniversität
Hagen in § 77 b HG NRW, findet sich in den
Abschnitten Studium, Lehre und Prüfungen auch nach
Einführung der Modularisierung und des Leistungspunktesystems
kein Hinweis auf die Möglichkeit der
Digitalisierung. Dies kann nicht nur mit der Tendenz
staatlicher Deregulierung erklärt werden und erweist
sich in der jetzigen Notlage als Versäumnis. Die bestehenden
Regelungen gehen klar vom Präsenzstudium aus
und lassen offen, ob unter welchen Voraussetzungen die
Hochschulen im Rahmen ihrer Satzungsgestaltungsfreiheit
auch digitale Lehrangebote einführen oder Leistungen
aus digitalen Lehrangeboten anderer Hochschulen
anerkennen können.
Auch bei der Akkreditierung von Studiengängen haben
digitale Lehrveranstaltungen bislang keine Rolle gespielt.
Die auf der Grundlage des Staatsvertrages erlassenen
und auf den Musterentwurf der KMK zurückgehenden
Akkreditierungsverordnungen erwähnen sie nicht.13
Auch die Handlungsempfehlungen der KMK zur Digitalisierung
in der Hochschullehre blieben bisher ohne
Widerhall.
Deswegen haben bis zur Corona Krise auch nur wenige
Hochschulen in ihren Studien- und Prüfungsordnungen
Regelungen für digitale Lehrveranstaltungen
vorgesehen. - Voraussetzungen für die Einführung digitaler Lehrveranstaltungen
3.1. Beachtung der Lehrfreiheit
Für die Durchführung digitaler Lehre gibt es damit im
Zeitpunkt der Umstellung auf den digitalen Lehrbetrieb
keine rechtsverbindlichen Vorgaben, auf die Bezug
genommen werden kann. Regelungen des Lehrangebots
in den Hochschulen müssen sich deshalb auf organisatorische
Maßnahmen einschließlich des technischen Supports
beschränken und die Freiheit der inhaltlichen und
methodischen Gestaltung, insbesondere der Freiheit
wissenschaftlicher Meinungsäußerungen, respektieren.
14 Dies bedeutet, dass Hochschullehrerinnen und
Hochschullehrer zwar verpflichtet werden können, das
in den Studienordnungen, Studienplänen und Modulhandbüchern
vorgesehene Lehrangebot in digitaler
Form zu präsentieren und die damit verbundene Mitwirkung
der Studierenden in geeigneter Weise sicherzustellen.
Dafür muss die Hochschule die notwendige technische
Unterstützung gewähren. Dagegen sind die Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer bei der Wahl der
dafür zur Verfügung stehenden Formate frei.
Der Fall vollständiger digitaler Inkompetenz dürfte
bei der jetzigen Generation von Hochschullehrern nicht
vorkommen, zumal eine digitale Kompetenz auch für
die Forschung in allen Fächern unabdingbar ist. Sie wäre
aber kein Befreiungsgrund von Lehrverpflichtungen. In
diesem Fall besteht die Möglichkeit, Vorlesungsmaterialien
in Printform zur Verfügung zu stellen und diese mit
Aufgabenstellungen zu verbinden, die die Studierenden
bearbeiten können.
3.2 Maßstäbe aus Regelungen für das Präsenzstudium
Bis zu ergänzenden Regelungen aus Anlass der Corona-
Krise besteht damit hochschulrechtlich eine Grauzone.
Maßstäbe für die Anforderungen an digitale Lehrveranstaltungen
zur Sicherung der Gleichwertigkeit ergeben
sich aus den in den Studien- und Prüfungsordnungen,
Studienplänen und Modulhandbüchern für die Präsenzveranstaltungen
vorgeschriebenen Lernziele und Lerninhalte.
Diese müssen auch in digitalen Lehrveranstaltungen
eingehalten werden.
Dagegen ist die Methode der Präsentation, der für eine
Präsenzlehrveranstaltung typische Dialog zwischen Lehrenden
und Studierenden, die Möglichkeit von Diskussionen,
Fragen und Antworten nicht eins zu eins umsetzbar
und kann daher nur durch dafür passende Lehrformate ersetzt
werden. Soweit eine Lehrveranstaltung Präsenz im Labor
oder an Patienten voraussetzt, muss sie, soweit die bestehenden
Regelungen dies zulassen, durch alternative, digitale
Lehrangebote ersetzt werden.
Bei digitalen Lehrangeboten ist die Studierbarkeit für
behinderte Studierende mit geeigneten Maßnahmen, ggfs.
durch zusätzliche technische Hilfen, zu gewährleisten.
Die verschiedenen synchron oder asynchron verfügbaren
Angebote müssen zeitlich so abgestimmt werden,
dass sie, wie bei einem Präsenzstudium, in einen individuellen
Stundenplan eingepasst werden können. Deshalb
müssen synchrone Angebote wie bei Präsenzvorlesungen
einen Stundenplan einhalten oder durch asynchrone
Angebote zum Download ergänzt werden.
Regelungsbedürftig ist schließlich auch die Frage, wie
bestehende Vorschriften zur Belegung und zum Besuch
von Lehrveranstaltungen als Voraussetzung für die An1
5 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
15 Verordnung zur Bewältigung der durch die Corona Virus SARSCoV-
2‑Epidemie an den Hochschulbetrieb gestellten Herausforderungen
(Corona-Epidemie-Hochschulverordnung) vom
15.4.2020, GV. NRW. S. 298.
16 Beschluss des Rektorats der Universität zu Köln zur Regelung der
prüfungsrechtlichen Aspekte nach der Verordnung zur Bewältigung
der durch die Corona Virus SARS-CoV-2-Epidemie an den
Hochschulbetrieb gestellten Herausforderungen (Corona-Epidemie-
Hochschulverordnung) vom 28.4.2020, Amtliche Mitteilungen
21/2020; Ergänzungsbestimmungen zur übergreifenden
Prüfungsordnungen für Bachelor- und Masterstudiengänge sowie
zu Promotionsordnungen der RWT Aachen, Amtliche Bekanntmachung
2020, 1 ff.
17 Ergänzende Prüfungsordnung der Ruprecht-Karls-Universität
Heidelberg für alle Bachelorstudiengänge, Masterstudiengänge,
Staatsexamensstudiengänge und den Studiengang Magister
Theologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Ergänzende-
Prüfungsordnung-UHD) vom 24.4.2020, Mitteilungsblatt
Nr. 02 / 2020 v. 27.4.2020, S. 99ff.; Satzung zur Erweiterung aller
Studien- und Prüfungsordnungen an der Universität Tübingen
zum Umgang mit der Corona-Pandemie (Satzung für Lehre und
Prüfung SoSe 2020), Amtliche Bekanntmachungen, 2020 v. 27. 4.
2020, S. 182 ff; Satzung der Universität Ulm aufgrund der Auswirkungen
der Corona-Pandemie im Bereich Studium und Lehre
vom 17.4.2020, Amtliche Bekanntmachungen der Universität
Ulm Nr. 8 vom 17.4.2020, Seite 56 – 61.
18 Art. 2 § 2 der Siebten Verordnung der Landesregierung Baden-
Württemberg zur Änderung der Corona- Verordnung v. 2.5.2020.
erkennung als Studienleistung bei digitalen Lehrangeboten
gehandhabt werden müssen. Gleiches gilt für kapazitätsbedingte
Beschränkungen des Zugangs zu bestimmten
Lehrveranstaltungen.
Als Konsequenz dieser durch unterbliebene Vorsorge
des Gesetzgebers und der Hochschulen entstehenden
Rechtsunsicherheit bedarf es einer gesetzlichen Regelung,
die die Anerkennung der mit dem Besuch einer digitalen
Lehrveranstaltung verbundenen Leistungspunkte
oder als Zulassungsvoraussetzung für Prüfungen
absichert. - Überblick über anlassbezogene Ergänzungen bestehender
Regelungen für Lehrveranstaltungen
Um die bestehende Rechtsunsicherheit durch temporär
geltende Regelungen abzumildern, hat Nordrhein-Westfalen,
gestützt auf eine durch ein Artikelgesetz eingeführte
Ermächtigung in § 82 a HG, eine Rechtsverordnung
erlassen, die vorrangig den Rechtsrahmen für digitale
Prüfungen und virtuelle Gremienentscheidungen
setzt, aber auch eine Regelungsermächtigung der Rektorate
der Hochschulen für digitale Lehrveranstaltungen
enthält.15
Darauf aufbauend haben bereits einige Rektorate
von NRW-Hochschulen entsprechende Satzungen
erlassen.16
Außerhalb von Nordrhein-Westfalen haben zahlreiche
Hochschulen, gestützt auf die bestehende Satzungsermächtigung
für Studien- und Prüfungsordnungen, im
Regelfall per Eilentscheidung des Rektors ergänzende
Regelungen getroffen.17
Hauptziel dieser Regelungen ist es, die Rechtsgrundlage
für digitale Lehrveranstaltungen zu schaffen, um
den Auflagen der Corona- Verordnungen zur Umstellung
auf den digitalen Unterricht Rechnung zu tragen.
Rechtssystematisch sind sie Ergänzungen zu den bestehenden
Studien- und Prüfungsordnungen. Einbezogen
sind die bestehenden Bachelor- und Masterstudiengänge
der Hochschulen. Für kirchliche oder Staatsexamensstudiengänge
gelten die Regelungen nur in dem Maße, in
dem diese ergänzende Regelungen durch Satzung der
Hochschule erlauben. Im Regelfall verzichten sie auf
weitere inhaltliche Vorgaben, sodass sich diese an den
bestehenden Vorgaben der Studienordnungen, Studienpläne
und der für modulare Studiengänge in Modular -
Handbüchern vorgesehenen Ziele und Inhalte zu orientieren
haben.
Darüber hinaus sehen diese Satzungen für Lehrveranstaltungen,
die nur in Präsenz möglich sind, wie Praktika,
Präparier- Kurse, sportpraktische Lehrveranstaltungen,
Unterricht am Krankenbett oder Individualunterricht
in Kunsthochschulen, geeignete Ersatzveranstaltungen,
Blockveranstaltungen oder das Verschieben auf
das nächste Semester im Tausch gegen vorzuziehende
Lehrveranstaltungen des Wintersemesters auf das Sommersemester
vor, soweit und solange die bestehenden
Verbote nicht aufgehoben oder eingeschränkt werden.
Nach den jüngsten Änderungen der Corona- Verordnungen
sind solche Veranstaltungen wieder möglich,
wenn sie zwingend notwendig sind und besondere
Schutzmaßnahmen getroffen werden.18 - Zu beachtende Rechte Dritter
5.1 Schutz von Patientendaten
Vor allem in den Lehrveranstaltungen der Medizin sind
bei der Präsentation von Patienten Rechte Dritter zu
wahren. Der Schutz von Patientendaten und des Arztgeheimnisses
stellt sich auch im Präsenzunterricht. Soweit
Bilder oder Daten von Patienten in digitalen Lehrveranstaltungen
präsentiert werden, erhöht sich ohne zusätzliche
organisatorische, technische und rechtliche Vorkehrungen
die Gefahr der Verletzung von Patientenrechten.
Wie bei den Vorstellungen im Präsenzunterricht ist für
die Vorstellung in Videokonferenzen und Videoaufzeichnungen
die Einwilligung der Patienten erforderlich.
Befunde dürfen nur anonym vorgestellt und erörtert
werden. Erfolgt eine Namensnennung, ist auch § 203
Sandberger · Rechtsfragen des digitalen Unterrichts 1 5 9
19 Vgl. BGH „Meilensteine der Psychologie“- BGH, GRUR 2014, 54,
Rn. 55; BGH „Elektronische Leseplätze“- BGH GRUR 2015, 1101
ff., Rn.41; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, § 52a UrhG
Rn. 18; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 52a UrhG Rn. 22;
Dreier in Dreier/Schulze, § 52a Rn. 16. Diese Grundsätze gelten
auch nach der Novellierung und Übernahme des wesentlichen
Regelungsgehalts des § 52 a UrhG a. F. in § 60 a UrhG.
20 BGH Urteil v. 10.1.2019 — I ZR 267/15, Rn. 61 ff.
21 BGH Urteil v. 10.1.2019 — I ZR 267/15, Rn. 70 ff.
22 Art. 2 § 2 Abs.2 der Siebten Verordnung der Landesregierung
Baden-Württemberg zur Änderung der Corona- Verordnung v. 2.
Mai 2020.
StGB (Arztgeheimnis) tangiert. Deshalb ist dafür eine
ausdrückliche Einwilligung des Patienten erforderlich.
Die Studierenden sind ihrerseits zu verpflichten, die
ihnen mitgeteilten personenbezogenen Behandlungsdaten
nicht weiterzugeben.
Die Übernahme personenbezogener Daten, zu denen
auch Bilder des Patienten und in bildgebenden Verfahren
gewonnene Aufnahmen gehören, in eine digitale
Lehrplattform setzt daher entweder eine Anonymisierung
oder Pseudonymisierung voraus. Ist diese, z. B. bei
Gesichtsbildern nicht möglich, bedarf es einer Einwilligung
des Patienten. Zusätzlich müssen folgende Maßnahmen
ergriffen werden: die Zugangsbeschränkung
zur Lehrplattform mithilfe eines sichern Passwortes und
nur für die jeweilige Semesterkohorte, verbunden mit
dem Hinweis auf das Verbot der Vervielfältigung und
Speicherung auf eigenem Medium. Die Lehrplattform
muss technisch gesichert sein. Deshalb sind allgemein
zugängliche Plattformen wie YouTube nicht geeignet.
5.2 Urheberrechtliche Fragen bei Nutzung geschützter
Werke Dritter
Soweit keine Campuslizenz besteht oder es sich nicht um
freizugängliche Bildungsmaterialien (OER) handelt, ist
die Vervielfältigung, Verbreitung, Zugänglichmachung
und Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke auf
Lehrplattformen nur nach Maßgabe des § 60a und b
UrhG für folgende Werke und in folgendem Umfang
zulässig:
Abbildungen, einzelne Beiträge in Zeitschriften, Auszüge
aus Büchern bis zu 15% eines veröffentlichen Werks.
Nicht zulässig ist die Verwendung von Mitschnitten
öffentlicher Vorträge, Vorführungen und Aufführungen,
die Vervielfältigung von Musiknoten und von
Schulbüchern.
Das Nutzungsprivileg steht nur den Lehrenden und
Teilnehmern der jeweiligen Veranstaltung: Vorlesung, Seminar,
Übung zum Zwecke der Veranschaulichung im Unterricht,
auch zur Vor- und Nachbearbeitung, des Weiteren
Lehrenden und Prüfenden an derselben Hochschule zu.
Die Verwendung von geschützten Bildern und graphischen
Darstellungen ist nur im Rahmen des Zitatrechts mit Quellenangabe
erlaubt. Die Anlage eines Archivs zum Rückgriff
für künftige Lehrveranstaltungen ist nicht gestattet.
Die Übernahme urheberrechtlich geschützter Werke
auf Lehrplattformen im genannten Umfang ist deshalb
nur im Intranet und zur Eingrenzung des Teilnehmerkreises
passwortgeschützt zulässig.
Die berechtigten Teilnehmer der Lehrveranstaltungen
dürfen einzelne Beiträge für den persönlichen Gebrauch
herunterladen, ausdrucken oder abspeichern.19
Sie sind aber nicht befugt, die geschützten Werke analog
oder digital weiterzuverbreiten oder zum Upload öffentlich
zugänglich zu machen.20
5.3. Urheberrechtlicher Schutz des von den Lehrenden
erarbeiteten Lehrmaterials
Urheberrechtlichen Schutz genießt das von den Lehrenden
erstellte Lehrmaterial unabhängig von seiner Form.
Soweit es digital zur Verfügung gestellt wird, ist ein
Download der Vorlesungs- oder Übungsteilnehmer zum
persönlichen Gebrauch zulässig. Es darf aber ohne
Zustimmung des Berechtigten nicht weiterverbreitet
oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Darauf sollten
die Studierenden besonders hingewiesen werden.
Die Urheber des Lehrmaterials sind nicht verpflichtet,
das Lehrmaterial als frei zugängliches Material (OER)
zur Verfügung zu stellen.
5.4. Verantwortung der Hochschule
Die Hochschule trägt nach § 99 UrhG die Haftung für
rechtswidriges Handeln ihrer Mitglieder.21
Sie trägt auch außerhalb des Urheberrechts die Verantwortung
für rechtswidrige Inhalte auf den Lehrplattformen
als sog. Content- Anbieter.
Deshalb müssen für die verschiedenen Lehrplattformen
Verantwortliche benannt werden, die proaktiv die
Rechtmäßigkeit der auf der Plattform angebotenen Inhalte
überprüfen. - Hochschulrechtliche Grundlagen des Prüfungsrechts
6.1. Anforderungen an die Einführung digitaler Prüfungen
Die Umstellung des Studienbetriebes auf digitale Formate
betrifft auch die Prüfungen. Prüfungen im Präsenzbetrieb
sind nach den Corona- Verordnungen
entweder ganz verboten oder nur unter Einhaltung
von besonderen Schutzmaßnahmen zulässig, wenn
diese nicht durch Einhaltung elektronischer Informations-
und Kommunikationstechnologien ersetzbar
sind.22
1 6 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
23 BVerwG, Urteil vom 27.2.2019 — BVerwG 6 C 3.18, Rn. 15;
BVerfGE 84, 34, 45. Zum Vorbehalt des Gesetzes, Wesentlichkeitsgrundsatz
und zum Bestimmtheitsgrundsatz vgl. zuletzt
BVerfGE 147, 253 ff., Rn. 116 ff. — Studienplatzvergabe Medizin.
24 Die Gesetzesmaterialien geben dazu keinen weiteren brauchbaren
Hinweis, vgl. Birnbaum in BeckOK Hochschulrecht Nordrhein-
Westfalen, von Coelln/Schemmer, Stand: 1.3.2020, § 64 HG, Rn.
5.
25 BVerfG, Urteil v. 21. 9. 2016 — 2 BvL 1/15 – BVerfGE 143, 38, 54,
Rn. 60 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 11.3.2020 — 2 BvL 5/17 -,
Rn. 100 ff.
26 Verordnung zur Bewältigung der durch die Corona Virus
SARS-CoV-2-Epidemie an den Hochschulbetrieb gestellten
Herausforderungen (Corona-Epidemie-Hochschulverordnung)
vom 15.4.2020 GV. NRW. S. 298. Text und amtliche Begründung
lassen erkennen, dass die Regelungen in höchster Eile konzipiert
wurden.
Abgesehen von § 64 Abs. 2 S. 2 HG NRW, der zulässt,
dass Hochschulprüfungen in elektronischer Form oder
in elektronischer Kommunikation abgelegt werden können,
ist die Frage der Zulässigkeit digitaler Prüfungen in
den Ländergesetzen bislang nicht geregelt. Die einschlägigen
Regelungen beschränken sich auf Rahmenvorgaben
für Mindestinhalte der von den Hochschulen zu
erlassenden Studien- und Prüfungsordnungen, die für
Staatsexamensstudiengänge, kirchliche und künstlerische
Studiengänge sowie Lehramtsstudiengänge durch
Sonderregelungen ergänzt werden. Vor allem bei den
studienbegleitenden Prüfungen der Bachelor- und Masterstudiengänge
ist eine Vielfalt von Prüfungsleistungen
möglich, neben schriftlichen und mündlichen Prüfungen
auch Vorträge oder Hausarbeiten, Semesterarbeiten,
Exkursionsberichte u.a.
Das Prüfungsrecht stellt im Hinblick auf die Relevanz
der Prüfungen für den Berufszugang und damit den
Geltungsbereich des Art. 12 GG besondere Anforderungen
an den Vorbehalt des Gesetzes, den Bestimmtheitsgrundsatz,
an die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit
der gesetzlichen Grundlagen und Regelungen. Auf
Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG obliegt es dem zuständigen Normgeber, den Prüfungsstoff,
das Prüfungssystem, das Prüfungsverfahren
sowie die Bestehensvoraussetzungen festzulegen. 23 Hinzukommen
von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze
des Prüfungs-Verfahrensrechts, insbesondere die
Gewährleistung der Chancengleichheit und der
Bewertungsgrundsätze.
Schon die Vielfalt der Möglichkeiten studienbegleitender
Prüfungen und Prüfungsleistungen in konsekutiven
Prüfungen lässt eine Umstellung auf digitale Formen
ohne gesetzliche Ermächtigung nicht zu. Unter diesem
Aspekt ist fraglich, ob die Regelung des
§ 64 Abs. 2 S. 2 HG NRW den verfassungsrechtlichen
Anforderungen genügt. Allein mit der Eröffnung der digitalen
Prüfungsform ist den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes
an die Ausgestaltung der Prüfungsverfahren,
der Bewertung der Prüfungsleistungen
und der Prüfungsentscheidung in diesem Prüfungsverfahren
nicht genüge getan.24 Allenfalls aus dem systematischen
Zusammenhang mit dem Anforderungskatalog
des § 64 Abs. 2 S. 1 HG NRW für die Inhalte von Prüfungsordnungen
lässt sich ein hinreichend bestimmter
Regelungsauftrag für die Einführung digitaler Prüfungen
ableiten.
Erhebliche Zweifel bestehen, ob dieser Mangel durch
die Ermächtigung des § 82 a HG NRW zu Maßnahmen
zur Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie und die auf
seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnung gedeckt
ist. § 82 a HG NRW hat den Charakter einer Blankettnorm,
die zwar den Regelungszweck, nicht aber den Inhalt
und das Ausmaß der Verordnungsermächtigung in
der durch Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG gebotenen Bestimmtheit
regelt.
Gegen die Verwendung von Blankettnormen bestehen
dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der
üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch
Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes,
durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs
oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung
eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung
und Anwendung der Norm gewinnen lässt.25 Auch die
für Hochschulprüfungen einschlägigen Bestimmungen
der Rechtsverordnung genügen diesen Anforderungen
nicht. § 6 dieser Verordnung enthält eine Ermächtigung
zur Durchführung von Onlineprüfungen,
allgemeine Vorgaben zu deren Abnahme und Durchführung,
eine Ausführungsermächtigung für Hochschulsatzungen
und den Hinweis auf den prüfungsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz. § 7 dieser
Verordnung sieht vor, dass die Form der Prüfung abweichend
von den Regelungen in den Prüfungsordnungen
oder den Festlegungen in den Modulhandbüchern
geändert werden kann. Damit wird ermöglicht,
dass Hochschulen durch im Eilentscheidungsverfahren
erlassene Satzungen Klausuren oder Hausarbeiten
durch mündliche Prüfungen, Hausarbeiten durch
Klausuren ersetzen können.26
Damit werden nicht nur die hochschulinternen Entscheidungskompetenzen
der Fakultätsräte und der Senate
für den Erlass von Prüfungsordnungen, sondern
grundlegende verfassungsrechtliche Anforderungen an
den Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes in Frage
gestellt.
Sandberger · Rechtsfragen des digitalen Unterrichts 1 6 1
27 BVerfGE 98, 218 ff., Rn. 137 ff.; BVerfGE 40, 230, 248 ff.; 49, 89,
126 f.; 95, 267, 307 f.
28 Möllers, Parlamentarische Selbstermächtigung im Zeichen des
Virus, Verfassungsblog v. 26. 3. 2020 (https://verfassungsblog.de/
parlamentarische-selbstentmaechtigung-im-zeichen-des-virus/).
29 VGH München, Beschluss v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632, Rn. 41 ff.;
die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz bezweifelnd
VGH Mannheim, VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 9. 4.
2020, 1 S 925/20, Rn. 40 ff.
30 Exemplarisch: Bayern: Satzung der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg, – Corona-Satzung vom 17.4.2020;
Satzung der Universität München zur Flexibilisierung von
Prüfungen im SS 2020 und WS 2020/2021; Baden- Württemberg:
Ergänzende Prüfungsordnung der Ruprecht-Karls-Universität
Heidelberg vom 24.4.2020, Mitteilungsblatt Nr. 02 / 2020, S. 99 ff.;
Satzung der Universität Konstanz über den Einsatz alternativer
Prüfungsformen und über alternative Prüfungstermine bei infektionsschutzrechtlicher
Erforderlichkeit vom 22.4.2020, Amtliche
Bekanntmachungen Nr.14/2020; Satzung zur Erweiterung aller
Studien- und Prüfungsordnungen an der Universität Tübingen
zum Umgang mit der Corona-Pandemie (Satzung für Lehre
und Prüfung SoSe 2020), Amtliche Bekanntmachungen Nr. 10
–27.4.2020; NRW: Ergänzungsbestimmungen zur Übergreifenden
Prüfungsordnung für alle Bachelor- und Masterstudiengänge,
für den Bachelorstudiengang und für den Masterstudiengang
Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen sowie Lehramt an
Berufskollegs, der RWT Aachen, Amtliche Bekanntmachung
2020, Nr. 1.
31 Exemplarisch dafür die Regelung der Universität Erlangen und
der Universität Konstanz, vgl. Fn. 30.
32 Exemplarisch die Regelung der RWT Aachen und der Universität
Tübingen, vgl. Fn. 30.
33 Exemplarisch die Regelung der Universität Heidelberg, vgl. Fn.
30.
Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Notstandssituation
rechtfertigt es nicht, diese Anforderungen, vor
allem die Wesentlichkeitstheorie27 und den Bestimmtheitsgrundsatz
zu lockern. Davor haben Staatsrechtslehrer
im Zusammenhang mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes
und den darauf gestützten Rechtsverordnungen
gewarnt.28 Eine im Eilverfahren ergangene
Entscheidung des BayVGH belegt, dass auch kein Grund
besteht, die bereits weiten Auslegungsspielräume zu Art.
80 Abs. 1 S. 2 GG für den Erlass von Rechtsverordnungen
zu verlassen. 29
Ebenso bewegen sich die auf die allgemeinen Satzungsermächtigungen
der Hochschulgesetze zum Erlass
von Prüfungsordnungen gestützten Regelungen
für digitale Prüfungen auf zweifelhafter Ermächtigungsgrundlage.
Der Begriff der Hochschulprüfung
schließt zwar digitale Prüfungen nicht aus. Deren
Prüfungsabläufe, vor allem die Einhaltung prüfungsrechtlicher
Grundsätze bei der Gestaltung der Abläufe
von schriftlichen und mündlichen in digitaler
Form, weichen so erheblich von Präsenzprüfungen
ab, dass sie besonderer gesetzlicher Regelung
bedürfen.
Deshalb sind die Gesetzgeber aufgerufen, unverzüglich
entsprechende Ergänzungen des Prüfungsrechts zu
verabschieden, die die Anforderungen an das Verfahren
und die Gestaltung digitaler Prüfungen abdecken.
6.2. Überblick über anlassbezogene Ergänzungen bestehender
Regelungen für digitale Hochschulprüfungen
Inzwischen haben eine Reihe von Hochschulen im
Wege der Eilentscheidung ihrer Rektoren und Präsidenten
auch allgemeine Rahmenregelungen für digitale
Prüfungen erlassen.30 Wie bei Lehrveranstaltungen
ergänzen sie die bestehenden Prüfungsordnungen
für Bachelor- und Masterstudiengänge. Für staatliche
kirchliche, künstlerische und Lehramtsstudiengänge
gelten sie, soweit die Hochschulen dafür Regelungszuständigkeiten
haben.
Die als Notmaßnahmen zur Gewährleistung des Studien-
und Prüfungsbetriebs bezeichneten, für die Dauer
des SS 2020 und WS 2021 befristeten Regelungen weisen
eine große Bandbreite aus.
Diese reicht von pauschalen Ermächtigungen an den
Studiendekan bzw. Prüfungsausschuss, im Falle der
Nichtdurchführbarkeit der in der Studien- und Prüfungsordnung
vorgesehenen Prüfungen Ersatzformate
anzuordnen, ohne dass diese näher konkretisiert werden,
31 über die Festlegung von Mindestanforderungen
an die Gestaltung und den Ablauf von mündlichen und
schriftlichen Prüfungen32 bis zu einem Regelwerk, das
neben den in Frage kommenden Prüfungsarten folgende
Themen umfasst: die Möglichkeit des Ersatzes und der
Verschiebung, alle Phasen der Prüfungsabläufe von der
Meldung und Ladung zur Prüfung, die technische Durchführung
und die Anforderungen an die Gleichwertigkeit
der Inhalte und die Gewährleistung der Eigenständigkeit
der Prüfungsleistungen, die Bewertungsgrundsätze und die
Mitteilung des Prüfungsergebnisses.33
Eine Zusammenschau zugänglicher Satzungen verschiedener
Hochschulen erlaubt folgende Feststellungen:
Im Mittelpunkt notwendiger Regelungen stehen geeignete
Optionen digitaler Prüfungsformen für die einschlägigen
Studiengänge. Soweit die in der Prüfungsordnung
vorgesehenen Prüfungen wie sportpraktische Prüfungen,
Testate in Praktika oder beim Unterricht am
Krankenbett digital nicht möglich sind, werden geeignete
Ersatzformen vorgesehen. Dies gilt auch für Aufsichtsarbeiten
wie Prüfungsklausuren.
Angesichts der Vielfalt von Prüfungsformen ist es
nicht möglich, in allgemeinen Rahmenordnungen für jeden
Studiengang und jedes Prüfungsfach Detailregelungen
zu erlassen. Deshalb beschränken sich diese darauf,
allgemeine Ermächtigungen an die nach den Prüfungs1
6 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
ordnungen zuständigen Organe zur Festlegung von Ersatzveranstaltungen
vorzusehen, mit denen die durch
die Prüfung geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten
festgestellt werden können. Dabei sollten sich die Anforderungen
eng an den für reguläre Prüfungen geltenden
orientieren.
Neben Regelungen zum Verfahren, wie der Form von
Anmeldungen zur Prüfung, liegt der weitere Schwerpunkt
in der Festlegung der Anforderungen für die
Durchführung der vorgeschriebenen studienbegleitenden
oder Studienabschnitte abschließenden mündlichen
und schriftlichen Prüfungen als elektronische
Prüfungen.
Für diese gibt es eine Reihe von Handlungsoptionen
wie die Nutzung von Videokonferenzen oder Videotelefonie,
die entweder in verschiedenen Räumen an der
Hochschule, an anderen Hochschulen oder auch zwischen
dem Raum des Prüfers und eigenen Räumen der
zu prüfenden Person unter Einsatz ihrer eigenen technischen
Mittel durchgeführt werden können.
Voraussetzung für die Durchführung der Prüfung in
elektronischer Form ist stets, dass die technischen Bedingungen
eine Gleichwertigkeit mit der regulären Prüfung
gewährleisten. Dies erfordert ein von der Hochschule
als technisch sicher eingestuftes Produkt für die
Bild- und Tonverbindung. Neben der Feststellung der
Identität der Studierenden muss deshalb gesichert sein,
dass die Verwendung bei der Prüfung nicht zugelassener
Hilfsmittel ausgeschlossen ist und sich in den Räumen
keine Personen aufhalten, deren Anwesenheit nicht in
der Prüfungsordnung vorgesehen ist.
Wegen der bei elektronischer Kommunikation nicht
völlig vermeidbaren Ausfallrisiken ist eine elektronische
Prüfung nur zulässig, wenn die zu prüfende Person dieser
Prüfungsform zustimmt. Falls eine Prüfung aus technischen
Gründen unterbrochen wird, muss eine Ersatzprüfung
angeboten werden. Soweit zu prüfende Personen
über keine geeigneten technischen Mittel (z. B. Endgeräte
oder Netzanschlüsse) verfügt, muss die
Hochschule ein Ersatzangebot in ihren Räumen
vorsehen.
Aufzeichnungen von Videoprüfungen sind wegen
der damit verbundenen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht
der Prüfungskandidaten entweder untersagt oder
nur mit deren Zustimmung und eindeutigen Regelungen
für ihre Verwendung und Löschung zulässig.
Deshalb gelten auch für Videoprüfungen die in den
Prüfungsordnungen vorgesehenen Vorschriften über die
Protokollierung des Prüfungsverlaufs, der Einzelnoten
und der Endnoten.
Bei schriftlichen Prüfungsleistungen entstehen demgegenüber
keine Probleme der Darstellung in digitaler
Form, soweit diese, wie Semesterarbeiten, Seminararbeiten
oder Hausarbeiten, ohne Aufsicht angefertigt werden.
Hier ersetzt die digitale Form der Übermittlung die
Abgabe und muss mit der üblichen Versicherung verbunden
werden, dass die Arbeit eigenständig und ohne
Verwendung unerlaubter Hilfsmittel angefertigt wurde.
Dagegen sind die für reguläre Prüfungen geltenden
Anforderungen an schriftliche Aufsichtsarbeiten in digitaler
Form praktisch nicht gleichwertig zu erfüllen. Dies
gilt auch für sog. elektronische Klausuren. Bei diesen
kann zwar die Gleichheit der Aufgabenstellung und Bearbeitungszeit,
dagegen nur mit erheblichem Aufwand
die Aufsicht gesichert werden. Soweit die Abweichung
von den Standards regulärer Aufsichtsarbeiten nicht als
Notlösung gestattet wird, müssen schriftliche Aufsichtsarbeiten
deshalb während der Sperre des Zugangs in der
Hochschule entweder verschoben oder durch geeignete
häusliche Arbeiten ersetzt werden.
III. Rechtsfragen digitaler Gremiensitzungen - Hochschulverfassungsrechtliche Fragen
Neben dem Lehrbetrieb und der Nutzung der Einrichtungen
ist die Arbeit der Gremien der Hochschulen von
den Zugangs- und Kontaktbeschränkungen am meisten
betroffen. Obwohl zu ihren zentralen Zuständigkeiten
die Vorschläge und die Beschlussfassung über die Satzungen
für Hochschulprüfungen, die Grundordnung
und sonstigen Grundsatzfragen von Forschung und
Lehre gehört, konnten die aus Anlass der Corona-Maßnahmen
erlassenen Satzungen nicht im regulären Verfahren
der Satzungsänderungen durch die Fakultätsräte
und Senate verabschiedet werden. Sie beruhen in der
Regel auf Eilentscheidungen der Rektoren und Präsidenten
der Hochschulen. Neben den Ergänzungen der Prüfungsordnungen
betrifft dies auch Geschäftsordnungen
der zentralen Gremien Senat und Hochschulrat sowie
der Fakultätsräte. Mit der Wahrnehmung dieser Funktionen
tritt faktisch eine Übertragung von Aufgaben von
Gremien der Hochschule oder der Fakultäten auf die
Hochschulleitungen ein, die nach den Hochschulgesetzen
nach den Vorschriften über die Aufsichtsmittel nur
für den Fall der Gefährdung der Funktionsfähigkeit der
Hochschule vorgesehen ist.
Hochschulverfassungsrechtlich ist dies nicht mit den
vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben
für eine mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbare Hochschulorganisation
vereinbar. In den jüngsten Entscheidungen hat
Sandberger · Rechtsfragen des digitalen Unterrichts 1 6 3
34 Vgl. BVerfGE 136, 338 ff., 359 — MHH; BVerfGE 127, 87, 113,
117- Hamburger Dekanatsbeschluss; VerfGH BW – Urteil v. 14. - 2016, 1VB 16/15, juris; dazu Goerlich-Sandberger, Zurück zur
Professoren-Universität — Neue Leitungsstrukturen auf dem verfassungsrechtlichen
Prüfstand, DVBl. 2017, 667 ff., 669 ff. m.w.N;
Mager, Das Verhältnis von Steuerung, Freiheit und Partizipation
in der Hochschulorganisation aus verfassungsrechtlicher Sicht,
OdW 2019, 1 ff.
35 BVerfGE 35, 79, 115; 111, 333, 353; 127, 87, 114 ff.; 136, 338, 362
ff., Rn.55 ff.
36 Vgl. dazu Noack, Mitgliederversammlung bei Großvereinen
und digitale Teilhabe, NJW 2018, 1345 ff; Simons, Die Online-
Abstimmung in der Hauptversammlung, NZG 2017, 567; Vetter/
Tielmann, Unternehmensrechtliche Gesetzesänderungen in
Zeiten von Corona, NJW 2020, 1175; Teichmann, Digitalisierung
und Gesellschaftsrecht, ZfPW 2019, 247. Zur Frage der Zulässigkeit
digitaler Parlamentssitzungen vgl. Carolin Hagenah, Das
Corona-Virus und das Parlament – Die Stunde der Digitalisierung?,
JuWissBlog Nr. 37/2020 v. 26. 3. 2020, https://www.juwiss.
de/37–2020/
37 Vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der
COVID-19-Pandemie im Zivil‑, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht
vom 27.3.2020, BGBl. I, S. 569 ff., 570 ff.
das Bundesverfassungsgericht für eine verfassungskonforme
Regelung der Entscheidungskompetenzen zwischen
Leitungsorganen und Selbstverwaltungsgremien
verlangt, dass in wissenschaftsrelevanten Fragen der
Einfluss der Grundrechtsträger durch maßgebliche Mitwirkung
in den Selbstverwaltungsorganen gesichert
oder im Falle der Übertragung auf Leitungsorgane durch
den maßgeblichen Einfluss der Selbstverwaltungsorgane
auf das Wahlverfahren und die Möglichkeit einer Abwahl
kompensiert werden muss.34
Eine Einschränkung dieser Grundsätze kann allenfalls
beschränkt auf den Fall drohender Funktionsunfähigkeit
der Hochschule gerechtfertigt werden. Dies ergibt
sich aus der vom Bundesverfassungsgericht aus Art.
5 Abs.3 GG abgeleiteten Pflicht des Staates, für die Funktionsfähigkeit
der Hochschule Sorge zu tragen.35 Im
Hinblick auf die gravierenden Auswirkungen für die Beteiligung
der Grundrechtsträger an den Entscheidungen
der Hochschule bedarf es dafür aber einer gesetzlichen,
auf den Notstand beschränkten Regelung.
Die bestehenden aufsichtsrechtlichen Regelungen
zielen auf den Fall, dass die Gefährdungen der Funktionsfähigkeit
des Hochschulbetriebs durch Störungen im
Inneren der Hochschule ausgelöst und von den zuständigen
Organen nicht mehr bewältigt werden können. Sie
sind deshalb auf den Fall der äußeren Bedrohung der
Funktionsfähigkeit der Hochschule durch eine Pandemie
nicht übertragbar. - Anforderungen an die Einführung virtueller Gremiensitzungen
- Notwendigkeit gesetzlicher Reglung
Auch die Ersetzung von Gremiensitzungen in physischer
Präsenz ihrer Mitglieder durch virtuelle Gremiensitzungen
greift nachhaltig in deren Funktionsweise ein. Sie ist
nur zulässig, wenn die hochschulverfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Mitwirkung ihrer Mitglieder in
digitalen Formaten gesichert werden können. Die
Durchführung von Gremiensitzungen in Form von
Videokonferenzen oder ihre Ersetzung durch Umlaufverfahren
erfüllt diese Voraussetzungen nur, wenn die
Teilhabe und der Einfluss auf die Willensbildung durch
die Gestaltung bei der Vorbereitung, dem Zugang, der
Erörterung der Entscheidungsgegenstände, dem Abstimmungsverfahren,
der Stimmabgabe der Abstimmung
und der Feststellung und Protokollierung der Abstimmungsergebnisse
gewährleistet werden kann.
Der verfassungsrechtliche Auftrag an den Staat, für
eine funktionsfähige Hochschulorganisation zu sorgen,
gebietet es, diese Anforderungen an die Ersetzung physischer
durch virtuelle Gremiensitzungen gesetzlich zu regeln.
Sie kann nicht Organisationssatzungen überlassen
werden.
Die Notwendigkeit gesetzlichen Handelns wird auch
im privaten Verbandsrecht und im Kommunalrecht und
öffentlichen Verbandsrecht überwiegend bejaht.36 Die
bestehende Satzungsautonomie wird als nicht ausreichend
angesehen.
Im Zuge der Corona-Gesetzgebung wurde im Aktienrecht
deshalb nach vorausgegangener Einführung digitaler
Stimmabgabe und virtueller Aufsichtsratssitzungen
die Möglichkeit virtueller Hauptversammlungen geschaffen.
37 Demnach kann der Vorstand einer Aktiengesellschaft
nunmehr entscheiden, eine digitale
Hauptversammlung durchzuführen, auch wenn die Satzung
der Gesellschaft ihn hierzu bisher nicht ermächtigt.
Der Beschluss des Vorstands hierüber bedarf der Zustimmung
des Aufsichtsrats.
Damit die Rechte der Hauptversammlung als eines
der drei zentralen Organe der Aktiengesellschaft gewahrt
bleiben, müssen bei deren online Durchführung
einige Vorgaben beachtet werden:
– Die gesamte Versammlung ist in Bild und Ton zu
übertragen.
– Die Ausübung der Stimmrechte muss ermöglicht
werden. Entweder über eine Vollmachtserteilung
oder in elektronischer Form (Briefwahl oder elektronische
Teilnahme).
– Das Fragerecht der Aktionäre muss auf elektronischem
Wege ermöglicht werden. Hier kann der Vorstand
verlangen, dass Fragen zwei Tage vor der
Hauptversammlung elektronisch eingereicht werden
müssen.
1 6 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
38 Z. B. Art. 13, 40, 41 BayHG; §§ 8 Abs. 5, 10 Abs. 8 LHG BW; § 15
NHG; § 3 ThürHG.
39 BVerfGE 98, 218 ff., 241, Rn.137 ff.; BVerfGE 40, 237, 248 ff.; 49,
89 , 126 f.; 95, 267, 307 f.
40 Z.B. Erste Satzung zur Änderung der Verfahrensordnung der
Albert Ludwigs-Universität Freiburg (Verfahrensordnung –
VerfO), Amtliche Bekanntmachungen 2020, S. 157 f.; Satzung zur
Änderung der Verfahrensordnung der Universität Heidelberg,
Mitteilungsblatt Nr. 02 / 2020; Fünfte Änderung der Allgemeinen
Geschäftsordnung für die Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg
vom 29.4.2020, Amtliche Mitteilungen 20/2020.
41 Z. B. Art. 17 a der Änderung der Satzung der Universität Stuttgart
zur Regelung des Verfahrens des Senats und seiner Ausschüsse
(Geschäftsordnung) vom 9.4.2020, Amtliche Bekanntmachung
Nr. 26/2020; Art.7 der Grundordnung der Georg August-Universität
Göttingen, Amtliche Mitteilungen I der Georg August-Universität
Göttingen vom 28.4.2020/Nr. 20, S. 373; § 9 a der Satzung
zur Änderung der Verfahrensordnung der Universität Heidelberg,
Mitteilungsblatt Nr. 02 / 2020; für Geschäftsordnungen der
Hochschulleitung vgl. § 9 der Geschäftsordnung des Rektorats der
Universität Konstanz vom 15.4.2020, Amtliche Bekanntmachung
Nr. 12/2020.
42 § 9 a der Satzung zur Änderung der Verfahrensordnung der Universität
Heidelberg, Mitteilungsblatt Nr. 02 / 2020 v. 27.4.2020, S.
93 ff.
– Aktionäre, die ihr Stimmrecht ausgeübt haben, müssen
auch die Möglichkeit haben, Widersprüche
gegen Beschlüsse zu erklären.
- Überblick über anlassbezogene Satzungsregelungen
für virtuelle Gremienentscheidungen
3.1 Bestehende Rechtsgrundlagen für virtuelle Gremienentscheidungen
Eine gesetzliche Ermächtigung zur Einführung virtueller
Gremienentscheidungen sieht nur der für Maßnahmen
zur Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie erlassene
§ 82 a HG NRW vor. Neben dem Erlass von Regelungen
zur Lehre und zu Prüfungen ermächtigt er dazu,
im Verordnungsweg Verfahrensgrundsätze hinsichtlich
der Sitzungen und der Beschlüsse sowie der Amtszeit
der Gremien der Hochschule in Abweichung zu den
bestehenden gesetzlichen Reglungen zu erlassen. Nach
§ 5 Abs. 1 der Corona-Epidemie-Hochschulverordnung
können Gremien Beschlüsse im Umlaufverfahren fassen.
Soweit die Öffentlichkeit für Gremiensitzungen
vorgeschrieben ist, soll die Öffentlichkeit über die
Ergebnisse der Beschlüsse informiert werden. Nach
§ 5 Abs. 2 der VO entscheidet die oder der Vorsitzende
des Gremiums, ob eine Sitzung des Gremiums ohne physische
Präsenz seiner Mitglieder als virtuelle Sitzung in
elektronischer Kommunikation stattfindet oder
Beschlüsse im
Umlaufverfahren oder in elektronischer Kommunikation
gefasst werden. Gleiches gilt nach Abs. 4 für Beschlüsse
des Rektorates, des Hochschulrates und des Dekanats.
Als zusätzliche Option wird die Möglichkeit der
Beschlussfassung in einer Telefonkonferenz eingeführt.
Weder das Gesetz noch die VO sehen jedoch verfahrensrechtliche
Regelungen zur Sicherung der Ordnungsmäßigkeit
der Einladung, des Zugangs, zur Gewährleistung
der Erörterung, ordnungsgemäßer Stimmabgabe
und Beschlussfassung und Anforderungen an die
Sicherheit der gewählten Kommunikationssysteme vor. - 2 Anlassbezogene Änderungen bestehender Geschäftsordnungen
Mit Ausnahme der Hochschulen des Landes Nordrhein-
Westfalen beruhen die aus Anlass der durch die Corona-
Verordnungen verfügten Zugangsbeschränkungen erlassenen
Änderungen bestehender Satzungen auf den allgemeinen
gesetzlichen Satzungsermächtigungen zur
Regelung der Verfahrensangelegenheiten der Hochschulgremien.
38 Deren Regelungsgehalt bezieht sich auf
die Vorschriften über die Zusammensetzung, die Zuständigkeiten
und Verfahren. Sie sind auf die Durchführung
der Sitzungen in physischer Präsenz ausgerichtet. Da
diese bei virtuellen Sitzungen nur mit zusätzlichen Verfahrensgarantien
gewährleistet werden, bestehen deshalb
gemessen an den Anforderungen an den Vorbehalt
des Gesetzes bei Regelung grundrechtsrelevanter Sachverhalte39
und an die Bestimmtheit erhebliche Zweifel,
ob diese Satzungsermächtigungen für die Einführung
virtueller Gremiensitzungen ausreichen.
Auch in dieser Frage vermittelt ein Überblick über
die zugänglichen, aus Anlass der Corona Krise erfolgten
Ergänzungen der Geschäftsordnungen der Hochschulen
ein unterschiedliches Bild an Regelungsdichte und Regelungsinhalten.
40 Die meisten Satzungsregelungen überlassen
die Entscheidung der Ersetzung regulärer Gremiensitzungen
durch virtuelle Gremiensitzungen oder die
Abstimmung im Umlaufverfahren den jeweiligen Vorsitzenden
der Gremien. Teilweise wird der Ausnahmecharakter
an eine konkret erforderliche Feststellung der
Undurchführbarkeit im regulären Verfahren
gebunden.41
Dabei muss die gewählte Form der virtuellen Gremiensitzung
eine einer Präsenzsitzung vergleichbare und
gemeinsame Willensbildung der Mitglieder des Gremiums
ermöglichen. Exemplarisch für notwendige und
hinreichende Anforderungenan virtuelle Gremiensit
zungen kann auf die Regelungen der Universität Heidelberg
verwiesen werden:42 Soweit die Einberufung zu eiSandberger
· Rechtsfragen des digitalen Unterrichts 1 6 5
ner Video- oder Telefonkonferenz vorgesehen ist, sind
besondere Vorkehrungen zur Einberufung, Übermittlung
von Sitzungsunterlagen, Anmeldung und Gewährleistung
des Zugangs zu gewährleisten.
Dies bedingt die Auswahl sicherer Kommunikationssysteme,
die Gewährleistung und Versicherung ihrer Funktionsfähigkeit,
die Verfügbarkeit entsprechender technischer
Zugänge für alle Mitglieder des Gremiums und deren
Einweisung in die Handhabung.
Zu Beginn der Sitzung hat die oder der Vorsitzende festzustellen,
ob die angemeldeten Mitglieder auch in das
System eingeloggt sind und die Kommunikation funktioniert.
Die Teilnehmer müssen darauf hingewiesen werden,
dass die Video- oder Telefonkonferenz nicht durch unbefugte
Dritte verfolgt und nicht mitgeschnitten werden
darf.
Um eine gemeinsame Willensbildung zu ermöglichen,
muss ein den Präsenzsitzungen vergleichbarer Austausch
der Meinungen zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten
durch entsprechende Moderation der oder des Vorsitzenden
gewährleistet werden.
Vor einer Abstimmung muss sich die oder der Vorsitzende
durch eine Abfrage bei allen Teilnehmenden, vergewissern,
dass die Beschlussfähigkeit weiterhin vorliegt. Die
Abstimmung hat so zu erfolgen, dass das Abstimmungsergebnis
zweifelsfrei feststellbar ist.
Bei Beschlussunfähigkeit aufgrund des Abrisses von
Verbindungen ist eine angemessene Unterbrechung der Sitzung
festzulegen, damit sich die Teilnehmer wieder mit
dem System verbinden können. Kann die Beschlussfähigkeit
aufgrund eines Abrisses von Verbindungen nicht wieder
hergestellt werden, entscheidet die oder der Vorsitzende,
ob die Telefon- oder Videokonferenz vorzeitig abgebrochen
und zu einem späteren Zeitpunkt als Telefon- oder Videokonferenz,
gegebenenfalls mit einem anderen System,
wiederholt wird.
Bei geheimen Abstimmungen (Personalentscheidungen
und Angelegenheiten, in denen eine geheime Abstimmung
beantragt wurde) ist die Beschlussfassung in einem schriftlichen
oder elektronischen Verfahren herbeizuführen, in welchem
eine geheime Stimmabgabe durch die stimmberechtigten
Mitglieder gewährleistet ist.
Das Sitzungsprotokoll hat neben der Zusammenfassung
des Verlaufs und des Ergebnisses der Abstimmung
auch eine von den Teilnehmern anzufordernde schriftliche
oder elektronische Bestätigung vorzusehen.
IV. Verfügbare Formate für digitalen Unterricht, Prüfungen
und Gremiensitzungen — Datenschutzrechtliche
Fragen. - Überblick über bestehende, aus Anlass der Corona-
Krise verstärkte Infrastruktur
Im Zuge der Umstellung auf den Online-Betrieb haben
die Rechenzentren/Zentren für Datenverarbeitung der
Hochschulen in Kooperation mit anderen wissenschaftlichen
Rechenzentren ihr Infrastrukturangebot erheblich
erweitert. Es umfasst ausführliche Anleitungen, Instrumente,
Anwendungssoftware und elektronische Plattformen
zur Erstellung digitaler Lehrformate und
Kommunikationssysteme zur Durchführung in den verschiedenen
Formen synchroner Präsentation wie Videokonferenzen
und Livestreaming, asynchroner Nutzung
von Videoaufzeichnungen (Video on Demand) und
Abruf von Materialien aus Lehrplattformen. Ergänzend
zu frei verfügbaren Systemen werden auch für kommerzielle
Videokonferenzdienste nach vorheriger Abstimmung
Zugänge bzw. Lizenzen vermittelt. Zum Zugriff
von Heimarbeitsplätzen auf das Hochschulnetz und den
dort verfügbaren Angeboten wurde das für Lehrende
und Studierende in allen Hochschulen verfügbare passwortgeschütztes
Zugangssystem (VPN) zur Bewältigung
der mit dem Online-Betrieb verbundenen Anforderungen
ausgebaut.
Für die E‑Learning Angebote steht für Lehrende und
Studierende eine Reihe von Lehrplattformen bereit. Im
weitesten verbreitet ist die Lehrplattform Ilias. Studierende
finden hier Materialien für ihre Veranstaltungen.
Lehrenden bietet ILIAS effektive Verwaltungs‑, Kommunikations-
und Kooperationswerkzeuge. Für digitale
Kurse wird die Lehrplattform Moodle eingesetzt.
Die Auswahl und Belegung der Lehrveranstaltungen,
Anmeldung zur Prüfung und Einsicht in Prüfungsleistungen
erfolgt wie im regulären Studienbetrieb über
elektronische Managementsysteme. - Datenschutzrechtliche Fragen
2.1. Bestehende Vorgaben des Hochschuldatenschutzrechtes
Zentrale und dezentrale E‑Learning-Verfahren, digitale
Lehr‑, Lern- und Prüfungsverfahren werfen zusätzliche
datenschutzrechtliche Fragen auf, die in den bestehenden
hochschulrechtlichen Sonderregelungen für den
1 6 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
Datenschutz nicht oder nur unzureichend erfasst sind.
Schwerpunkt des Bereichsdatenschutzes in Hochschulgesetzen
ist die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener
Daten im Bereich der Studierenden- und Prüfungsverwaltung,
einschließlich der Studienverlaufsstatistik,
die Datenverarbeitung für Zwecke der
Qualitätssicherung und Kontaktpflege, zur Erstellung
von Namens- und Telefonverzeichnissen und die Erfassung
der Nutzung von Einrichtungen durch elektronische
Ausweiskarten.
Diese Zweckbestimmung deckt auch die Erfassung personenbezogener
Daten für die Belegung von Lehrveranstaltungen
und Anmeldung zu Prüfungen. Die Nutzung für
weitere Zwecke ist nach dem Datenschutzrecht der DSGVO
und der von ihr geöffneten Möglichkeiten ergänzender
mitgliedschaftsrechtlicher Regelungen aber nur zulässig,
wenn sie entweder von einer Einwilligung des Betroffenen
oder einer Rechtsvorschrift gedeckt sind.
Dabei gilt nach Art. 5 DS-GVO der Grundsatz der
Datenminimierung (Erforderlichkeit), der Zweckbindung,
der Transparenz, der nach Art. 13 DS-GVO in einem
Katalog von Informationspflichten zusammengefasst
wird. Diese beziehen sich auf die für die Datenverarbeitung
Verantwortlichen, den Verarbeitungszweck,
die Bezeichnung der Empfänger übermittelter Daten, die
Dauer der Speicherung, die Rechte der Betroffenen auf
Auskunft, Berichtigung, Löschung, Datenübertragbarkeit
und bei bestimmten Verarbeitungszwecken auch das
Widerspruchsrecht. Hinzutreten nach Art. 25 DS-GVO
Plichten des technischen Datenschutzes und der Datensicherheit,
nach Art. 24 und 37 die Bestellung von Datenschutzverantwortlichen
und Datenschutzbeauftragten,
nach Art. 30 die Führung eines Verarbeitungsregisters
und nach Art. 35 die Vornahme einer
Datenschutzfolgenabschätzung.
Gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung
personenbezogener Daten an Hochschulen ist insbesondere
Art. 6 Abs. 1 lit c und e i. V. mit Abs. 2 und 3
DS-GVO, der im Anwendungsbereich der Datenverarbeitung
zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben als öffentliche
Einrichtungen von den zuständigen Landesgesetzgebern
die Festlegung des Verarbeitungszwecks,
die Beschränkung der Datenverarbeitung auf die Erforderlichkeit
für die Erfüllung der Aufgaben, sowie
ergänzende Angaben zur Spezifizierung der Daten,
ihrer Zweckbindung, Verarbeitung, zur Weitergabe an
Dritte, zur Dauer ihrer Speicherung, Verschlüsselung
und technischen Sicherung verlangt.
Die Landesdatenschutzgesetze sind diesen Vorgaben
zwar durch für alle Landeseinrichtungen geltende
allgemeinen Vorschriften über Ausnahmen von der
Zweckbestimmung, über die Übermittlung personenbezogener
Daten, Ergänzungen zu den Rechten der
Betroffenen und zur Sicherstellung des Datenschutzes
nachgekommen, jedoch ist die Anpassung der hochschuldatenschutzrechtlichen
Vorschriften bisher nur
in wenigen Bundesländern erfolgt.
Auch datenschutzrechtlich sind die Hochschulen damit
auf den digitalen Lehrbetrieb praktisch nicht
vorbereitet.
2.2. Folgerungen für digitale Lehrformate
Die für das Präsenzstudium maßgeblichen datenschutzrechtlichen
Regelungen und Anforderungen gelten auch
für digitale Formate. Auf Lehrplattformen angebotene
digitale Lehrveranstaltungsangebote von Hochschulen
im Rahmen des Studiums sind keine dem Telemediengesetz
unterfallenden elektronischen Informations- und
Kommunikationsdienste.
Fraglich ist schon, ob sie unter den für die Anwendung
des TMG maßgeblichen Begriff der Telemedien
fallen. In jedem Fall fehlt es an der nach
§§ 1, 2 S. 2 Nr. 5 TMG erforderlichen Voraussetzung einer
kommerziellen, also entgeltlichen Kommunikation. Diese
Voraussetzung ist für Lehrangebote staatlicher Hochschulen
im grundständigen Studium nicht erfüllt.43
Deshalb richten sich die datenschutzrechtlichen Anforderungen
auch nicht nach den für die Erfassung von
Bestands- und Nutzerdaten maßgeblichen Vorschriften
der §§ 13 und 14 TMG, sondern nach der DS-GVO und
den ergänzenden Regelungen durch die jeweiligen
Landesdatenschutzgesetze.
Vor Nutzungsbeginn der für die elektronische Kommunikation
eingesetzten Systeme müssen diese von den
für ihren Betrieb verantwortlichen Stellen die Einhaltung
des technischen Datenschutzes überprüfen und organisatorische
Anweisungen für die Einhaltung des Datenschutzes
für die Nutzer der Systeme bereitstellen. Soweit
kommerzielle Systeme eingesetzt werden, müssen
diese den Vorschriften für die technischen und organisatorischen
Anforderungen des Datenschutzes entsprechen,
dies ist vertraglich mit dem in Art. 28 DS- GVO
geforderten Inhalt zum Schutz der personenbezogenen
Daten der Nutzer zu vereinbaren.
Betriebsdaten wie Name, Anschrift, Matrikelnummer,
Studienfach, Studiensemester oder E‑Mail-Adresse
43 So Hansen und Hateh, Datenschutz beim E‑Learning — Zum
Verhältnis von Kontrolle und Vertrauen in der Informationsgesellschaft,
Darmstadt 2014. Dabei kann offenbleiben, ob bei
entgeltlichen Weiterbildungsangeboten eine andere Beurteilung
angebracht ist.
Sandberger · Rechtsfragen des digitalen Unterrichts 1 6 7
dürfen nur verarbeitet werden, soweit sie für die Registrierung
oder für die Nutzung von E‑Learning-Verfahren
erforderlich sind. Gleiches gilt für Identifikationsdaten
soweit sie mit personenbezogenen Daten wie Namen
oder E‑Mail-Adressen verbunden sind.
Personenbezogene Daten eines Nutzers oder einer
Nutzerin wie Merkmale zur Identifikation des Nutzers
oder der Nutzerin mit Angaben über Beginn und Ende
sowie des Umfangs der jeweiligen Nutzung oder Angaben
über die einzelnen von Nutzer oder Nutzerin benutzten
E‑Learning-Verfahren dürfen nur verarbeitet
werden, wenn sie Gegenstand eines in einer Prüfungsordnung
geforderten Leistungsnachweises sind, zum
Beispiel für ECTS – Leistungspunkte. Zulässig sind sog.
Download-Protokolle. Unzulässig ist deshalb eine laufende
Verhaltenskontrolle.
Gleiches gilt für Kommunikationsinhalte der Studierenden
wie mündliche oder schriftliche Äußerungen.
Die Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen und
zeitgleiche oder zeitversetzte Übertragung in E‑Learning-
Verfahren bedarf der schriftlichen Einwilligung
der von der Aufzeichnung und Übertragung betroffenen
Personen. Die Nutzung muss auf die zugelassenen Teilnehmer
beschränkt werden.
Videoaufzeichnungen von Prüfungen sind nur dann
zulässig, wenn sie zur Dokumentation des Prüfungsverlaufs
nicht durch andere Formen der Dokumentation ersetzt
werden können. Nutzerdaten sind zu löschen oder
zu anonymisieren, sobald sie für die Zwecke, für die sie
erhoben werden, nicht mehr zugänglich sind.
Die Einführung digitaler Lehr- und Prüfungsformate
ist mit einem erhöhten Gefährdungspotentials für den
Datenschutz verbunden. Das gesetzliche Datenschutzrecht
für das Präsenzstudium ist lückenhaft und deshalb
als Maßstab für die Übertragung auf digitale Lehrinhalte
nur beschränkt verwertbar. Rechtssicherheit ist deshalb
nur mit einer umfassenden, den Anforderungen des Art.
13 DS- GVO entsprechenden Datenschutzaufklärung als
Grundlage einer Einwilligung der Betroffenen erreichbar,
die im Zusammenhang mit dem Zugang zu dem digitalen
Lehrangebot eingeholt werden muss.
V. Fazit
Die durch die Corona-Verordnungen erzwungene Einführung
digitaler Lehrveranstaltungen, Prüfungen und
Gremiensitzungen wirft zahlreiche, bisher nicht geklärte
Rechtsfragen auf.
Trotz einer schon vor Jahren begonnenen Diskussion
über die Relevanz der Digitalisierung für die Lehre, trotz
der Einrichtung eigener Forschungseinrichtungen für
Wissensmedien, trotz entsprechender Empfehlungen
der Kultusministerkonferenz und des Wissenschaftsrates
waren die Hochschulen nur in vereinzelten Fällen auf
die durch die Corona-Verordnungen gebotene Umstellung
auf den digitalen Lehr‑, Prüfungs- und Gremienbetrieb
vorbereitet. Gleiches gilt für die Hochschulgesetzgebungen,
die bis auf wenige Ausnahmen zu wesentlichen
Fragen keine Regelungen enthalten.
Die Hochschulen waren deshalb gezwungen, zu Beginn
des Sommersemesters in Eilverfahren Regelungen zu
erlassen, um den Hochschulbetrieb im Bereich der Lehre,
Prüfungen und Gremien aufrechtzuerhalten.
Diese Satzungsregelungen entbehren weitgehend der
notwendigen gesetzlichen Rechtsgrundlagen und den
dafür geltenden Anforderungen an den
Bestimmtheitsgrundsatz.
Insoweit besteht dringender gesetzlicher Handlungsbedarf,
dieses zeitlich auf die Dauer der Pandemiebeschränkungen
befristete Regelwerk abzusichern und für
die zur Aufrechterhaltung des Hochschulbetriebs eingeführten
digitalen Lehrveranstaltungen, Prüfungen und
Gremiensitzungen tragfähige Rechtsgrundlagen zu
schaffen.
Zu Recht wird in der öffentlichen Diskussion betont,
dass die Krise Herausforderungen und Chancen für Innovationen
im Hochschulbereich bietet. Dies gilt nicht
nur für die Hochschullehre, sondern auch für die
Hochschulgesetzgebung.
Digitale Lehrformate können allerdings im Interesse
des wissenschaftlichen Diskurses zwischen Lehrenden
und Lernenden zumindest in den grundständigen Studiengängen
die Präsenzlehrveranstaltungen nicht ersetzen,
sondern allenfalls ergänzen.44 Die fachlichen und
didaktischen Anforderungen und Erfahrungen mit digitalen
Lehrformaten können aber auch den Präsenzveranstaltungen
zugutekommen. Auch digitale Gremiensitzungen
stellen eine Notlösung und nicht die Zukunft
dar.
Es ist aber verfehlt und nicht situationsangemessen,
in den aus der Not geborenen Maßnahmen den Testfall
für die künftige Umstellung der Lehre, Prüfungen und
44 In diesem Sinne sind auch die Empfehlungen der KMK zur Digitalisierung
in der Hochschullehre v. 14. 3. 2019 zu verstehen.
1 6 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 0 ) , 1 5 5 — 1 6 8
Gremiensitzungen, also wesentlicher Teile der Aufgaben
und Willensbildung der Hochschulen, auf einen Online-
Betrieb zu beschwören.45
Professor Dr. Dr. h.c. Georg Sandberger war von 1979
bis 2003 Kanzler der Eberhard Karls Universität Tübingen
und ist