Die Befristung von Arbeitsverhältnissen nach dem Wiss- ZeitVG steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Bemängelt werden unter anderem zu kurze Vertragslaufzeiten und Kettenbefristungen. Im Zuge dessen werden unter- schiedliche Modelle zur Novellierung des WissZeitVG diskutiert.1
Verschiedentlich hat diese Kritik allerdings schon in der Gegenwart Auswirkungen. Insbesondere sog. Dritt- mittelbefristungen nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG sind durch die Rechtsprechung zunehmend mit dem Vor- wurf des Rechtsmissbrauchs für unwirksam erklärt worden.
Den hierzu maßgeblichen Grenzen und Kriterien des Rechtsmissbrauches sind die folgenden Ausführungen gewidmet. Ziel ist die Erarbeitung eines abstrakt an- wendbaren Prüfungsmaßstabes.
Hierzu gliedern sich die folgenden Ausführungen in die allgemeinen Voraussetzungen des Rechtsmissbrau- ches (I.), deren Reflexion an der Befristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG (II.) sowie einen Praxishinweis (III.) und ein Fazit (IV.)
I. Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs
Das Zivilrecht enthält verschiedene Korrektive, die neben den gesetzlichen Grundlagen wirken und die Ver- wirklichung subjektiver Rechtspositionen ermöglichen. Im Rahmen der Befristung von Arbeitsverträgen ist der institutionelle Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB ein solcher Regelungsmechanismus. Er begrenzt im Einzel- fall die einseitige Ausnutzung rechtlicher Spielräume. Inhalt und Reichweite richten sich dabei sowohl nach europarechtlichen und nationalen Vorgaben.
1. Europarechtliche Vorgaben
Die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge sieht bestimmte Mindestan-
- 1 Siehe hierzu umfassend Blum/Vehling, Anmerkung zur geplanten Novellierung des WissZeitVG OdW 2015 S. 189ff. in diesem Heft.
- 2 EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, C‑362/13, C‑363/13, C‑407/13 – juris Rn. 62.
- 3 EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, C‑362/13, C‑363/13, C‑407/13 – juris Rn. 62.
- 4 EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, C‑362/13, C‑363/13, C‑407/13 – juris Rn. 62.
- 5 EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13,
forderungen für die Verlängerung von befristeten Arbeitsverhältnissen vor. So statuiert die inkooperierte Rahmenvereinbarung, Art. 1 1999/70/EG, in ihren allge- meinen Erwägungen unter Nr. 7 die an die Mitglieds- staaten gerichtete Pflicht einem Missbrauch durch befris- tete Arbeiterverträge mit Hilfe der Notwendigkeit objek- tiver Gründe im Grundsatz entgegenzutreten. Dadurch soll ein Rahmen geschaffen werden, der Missbrauch prä- ventiv verhindert. Art. 5 der Rahmenvereinbarung stellt den Mitgliedsstaaten hierzu schließlich verschiedene Maßnahmen zur Wahl.
Diese allgemeinen Vorgaben werden jedoch durch die Rechtsprechung des EuGH weiter ergänzt.2 Dieser folgert insbesondere aus dem Effektivitätsgrundsatz die Verpflichtung einer generellen Missbrauchskontrolle, wenn es trotz der Maßnahmen nach Art. 5 zu einem Missbrauch durch befristete Verträge gekommen ist.3
Diese generelle Missbrauchskontrolle müsse auch im nationalen Recht gewährleistet werden.4 Es seien „Maß- nahmen zu ergreifen, die nicht nur verhältnismäßig, son- dern auch effektiv und abschreckend genug sein müssen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rah- menvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen“.5 Es müsse die Möglichkeit bestehen „eine Maßnahme anzu- wenden, die effektive und gleichwertige Garantien für den Schutz der Arbeitnehmer bietet, um diesen Missbrauch angemessen zu ahnden und die Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beseitigen“.6 Diese Maßnahmen müs- se jedoch nicht zwingend zur Umwandlung befristeter in unbefristete Arbeitsverhältnisse führen.7
2. Nationale Vorgaben
Den Vorgaben des Europarechtes entsprechend, enthal- ten sowohl das TzBfG als auch das WissZeitVG allge- meine Missbrauchsschranken.8
So erfüllen die Höchstbefristungsgrenzen des §2Abs.1WissZeitVG den Präventionsgrund nach Art. 5 lit. b) der Rahmenvereinbarung. § 2 Abs. 2 Wiss-
C‑362/13, C‑363/13, C‑407/13 – juris Rn. 62.
6 EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13,
C‑362/13, C‑363/13, C‑407/13 – juris Rn. 64
7 EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13,
C‑362/13, C‑363/13, C‑407/13 – juris Rn. 65.
8 Zur Europarechtskonformität der Befristung nach § 2 Abs. 2
WissZeitVG siehe Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefris- tungsrecht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 188 ff.
Tobias Mandler
Rechtsmissbrauch bei Drittmittelbefristungen gem. § 2 Abs. 2 WissZeitVG
Ordnung der Wissenschaft 2015, ISSN 2197–9197
218 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 217–228
ZeitVG erfordert demgegenüber einen sachlichen Grund für die Befristung im Sinne von Art. 5 lit. a) der Rahmen- vereinbarung. Die vom EuGH eingeforderte besondere Missbrauchskontrolle wird im nationalen Recht über den institutionellen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB sichergestellt.9
Die Wirksamkeit einer Befristung ist danach in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst soll das Vorliegen eines Befristungsgrundes konkret überprüft werden.10 Dessen Anforderungen steigern sich auch mit zunehmender Zahl der Befristungen nicht, sondern bleiben iden- tisch.11 Ein gesteigerter Prognoseaufwand wird daher nicht erwartet.12
Kann danach ein auffälliges Missverhältnis zwischen Vertragsdauer und Gesamtzahl der Befristungsverlänge- rungen im Maßstab des § 14 Abs. 2 TzBfG und § 21 BEEG festgestellt werden, so hat in einem zweiten Schritt eine umfassende Rechtsmissbrauchsprüfung zu erfolgen.13 Diese orientiert sich an verschiedenen Missbrauchskri- terien, die einen Rechtsmissbrauch indizieren können. Ist danach abstrakt von einem Rechtsmissbrauch auszu- gehen, kann der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs schließ- lich durch den Vortrag besonderer Umstände entkräftet werden.14
Als wesentliche Missbrauchskriterien werden zu- nächst alle mit der Verlängerung verbundenen Umstän- de verstanden. Dies umfasst letztlich sämtliche vorange- gangenen Befristungen und Beschäftigungsverhältnisse und bedeutet insoweit die Aufgabe einer nur punktuel- len Betrachtung.15
Maßgeblich ist danach vor allem die Gesamtdauer der befristeten Beschäftigung im Verhältnis zur Anzahl der Verlängerungen.16 Daneben indizieren auch die Be- schäftigung auf demselben Arbeitsplatz mit gleichen Aufgaben sowie die zeitliche Inkongruenz zwischen Be- darf und Vertragslaufzeit und eine nicht überwiegend auf den Befristungsgrund bezogene Beschäftigung den Rechtsmissbrauch.17 Selbiges gilt, wenn trotz der Mög-
- 9 Zur sog. Innentheorie siehe bspw. BVerfGE 89, 231 ff.; Staudin- ger/Looschelders/Olzen, 2015, § 242 Rn. 221.
- 10 Siehe unter II. 1.
- 11 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 14 ff.
- 12 Anders noch BAG, Urteil vom 22.11.1995 – 7 AZR 252/95.
- 13 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 41, 48.
- 14 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 48.
- 15 Vgl. BAG, Urteil vom 24.8.2011 – 7 AZR 228/10 = BAGE 139,109 ff.
- 16 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 36.
- 17 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 43 ff.
lichkeit zur dauerhaften Befristung immer wieder auf befristete Verträge zurückgegriffen wird.18
Besondere Umstände, die einen danach indizierten Rechtsmissbrauch widerlegen können, sind vor allem branchenspezifische Besonderheiten.19 Zu diesen zählen vor allem die Pressefreiheit und die nach „Art. 5 Abs. 3 GG garantierte Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre“.20
Sind danach beachtliche besondere Umstände im konkreten Fallgegeben, so ist schließlich zwischen die- sen und den betroffenen Individualinteressen abzuwä- gen. Das Interesse der Arbeitgeber ihre unternehmeri- sche Personalplanung nicht durch den Abschluss unbe- fristeter Arbeitsverträge einengen zu müssen – wenn- gleich ein regelmäßiger Bedarf an Arbeitnehmern besteht – ist dabei grundsätzlich gewichtiger als das Be- standsschutzinteresse der Arbeitnehmer.21 Nur im Ein- zelfall kann daher von grob und unerträglich empfunde- nen Unbilligkeiten ausgegangen werden, die für die An- nahme eines Rechtsmissbrauchs konstitutiv sind.22
3. Darlegungs- und Beweislast
Für diese Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs ist der Arbeitnehmer grundsätzlich beweisbelastet.23 Da es sich bei diesen Voraussetzungen aber um sog. innere Tatsachen handelt, kann der Beweis durch Indizien geführt werden.24 Werden diese vorgetragen und sind diese glaubhaft, so kann der Arbeitgeber die Beweiskraft dieser durch den Vortrag der besonderen Umstände ent- kräften.25
Eines gesonderten Vortrags bedarf es allerdings dann nicht, wenn die besonderen Umstände evident sind. So verwirklicht sich gerade die Wissenschaftsfreiheit als be- sonderer Umstand über das Grundgesetz, auch ohne dass entsprechend vorgetragen wurde. Allein im Zusam- menhang mit Befristungen außerhalb des WissZeitVG muss daher gesondert vorgetragen werden.26 Eines Vor- trags bedarf es auch dann nicht wenn nicht-wissen-
18 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 43 ff. 19 So auch der EuGH, Urteil vom 3.7.2014 – C‑362/13 – juris
Rn. 59; EuGH, Urteil vom 26.01.2012 – C‑586/10 Nr. 27. 20 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 47. 21 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 41. 22 Staudinger/Looschelders/Olzen, 2015, § 242 Rn. 221.
23 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 48. 24 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 48. 25 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 48. 26 Unrichtig daher insoweit LAG Köln, Urteil vom 6.11.2013
226/13.
– 11 Sa
Mandler · Rechtsmissbrauch bei Drittmittelbefristungen 2 1 9
schaftliches Personal über § 2 Abs. 2 Satz 2 WissZeitVG befristet wurde. Auch diese Befristung steht unzweifel- haft im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG.27
II. Rechtsmissbrauch bei Befristungen gem. § 2 Abs. 2 WissZeitVG
Fragen des Rechtsmissbrauchs stellen sich bei Drittmit- telbefristungen im Rahmen von Forschungsprojekten auf verschiedenen Ebenen. Diese werden vielfach nicht sauber getrennt, was wohl teilweise darauf zurückzufüh- ren ist, dass einige der genannten Missbrauchskriterien bereits Teil des Befristungsgrundes sind. Nachstehend wird deshalb nach der Prognoseebene (1.) und der Rechtsmissbrauchsebene unterschieden (2.).
1. Prognoseebene – Befristungsgrund
Der Befristungsgrund nach §2Abs.2WissZeitVG ist Sachgrund. Wie auch die Projektbefristung gemäß TzBfG bedarf sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einer Pro- gnoseentscheidung.28 Diese muss für § 2 Abs. 2 Wiss- ZeitVG ergeben, dass die Mitarbeiterin oder der Mitar- beiter überwiegend der Zweckbestimmung bestimmter und zeitlich begrenzter Forschungsdrittmittel29 beschäf- tigt wird.30 Ist dies der Fall bietet die Existenz des Dritt- mittelprojektes einen widerleglichen Sachgrund. Die fremdbestimmten Aufgaben und Projektlaufzeiten begründen hierzu die erforderliche Abhängigkeit gegen- über externen Umständen.31
Der Unterschied gegenüber der Prüfung des Rechts- missbrauchs, liegt daher im Betrachtungszeitpunkt und der Perspektive. Die Prognose stellt nur auf die Wahr- scheinlichkeit einer entsprechenden Projektbeschäfti-
- 27 BVerfG, Beschluss vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 = BVerfGE 94, 268, 288: „Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses beim Auslaufen der dafür bestimmten Mittel kann für ein Forschungsprojekt hinderlich sein. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß eine Hochschule oder Forschungsein- richtung zögert, ein Projekt durchzuführen, wenn sie fürchten muß, nach dessen Beendigung die dafür eingestellte Person langfristig beschäftigen zu müssen“; siehe auch Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hochschulen und Forschungsein- richtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 183 f.; Zimmermann, Befristete Arbeitsverhältnisse an Hochschulen und außeruniversi- tären Forschungseinrichtungen bei Drittmittelfinanzierung, 2001, S. 123 f.
- 28 Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 198; Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 52.
gung aus der antizipierenden Perspektive des Arbeitge- bers ab. Im Rahmen des § 242 BGB ist hingegen das ge- samte Beschäftigungsverhältnis im Sinne einer abstrak- ten ex post Betrachtung auf der Grundlage tatsächlich eingetretener Umstände maßgeblich.
Aus diesem Grund verwundert es auch nicht, dass etwa der Umstand, ob tatsächlich überwiegend mit Pro- jektbezug gearbeitet wird und ob die Tätigkeit auf dem- selben Arbeitsplatz und mit identischen Aufgaben aus- geführt wird, sowohl im Rahmen des Befristungsgrun- des als auch im Rahmen der Rechtsmissbrauchsprüfung beachtlich ist. Der Betrachtungszeitpunkt und die Pers- pektive sind hier verschieden und zu trennen.
Letztlich handelt es sich daher bei der Rechtsmiss- brauchsprüfung um zusätzliche Voraussetzungen des Befristungsgrundes als negative Tatbestandsmerkmale im Sinne der Innentheorie.32 Die vom Bundesarbeitsge- richt angesprochene Trennung zwischen Befristungs- grund und Rechtsmissbrauch ist daher nur in Bezug auf die Prüfungsmaßstäbe anzuerkennen.33
Folge dieser Abschichtung ist die doppelte Prüfungs- obliegenheit gegenüber bestimmten Umständen. Liegen diese bereits auf der Prognoseebene nicht vor, so fehlt es schon am Befristungsgrund. Einer Prüfung auf der Rechtsmissbrauchsebene bedarf es dann nicht mehr. Im Folgenden sei dies an typischen Grenzfällen erklärt, die dem nachrangigen Rechtsmissbrauch aufseiten des Tat- bestandes nahe stehen.
a) Daueraufgabe – Folgeprojekte
Befristungsgrund in § 2 Abs. 2 WissZeitVG ist die über- wiegende Beschäftigung im Rahmen eines drittmittelfi- nanzierten Projektes. Dieser Grund gilt allerdings nicht
29 Zur Projektbefristung in der Lehre siehe Lehmann-Wand- schneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 199 f.; Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 70.
30 Schmidt in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 52.
31 Vgl. BT-Drs. 16/3438 S. 14; LAG Sachsen, Urteil vom 13.3.2014 – 9 Sa 466/13, zur Drittmittequalität von Strukturförderungen; Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 188 mwN.; Stiller, Das Drittmittelfinanzierte Arbeitsver- hältnis, Diss. 2000, S. 248 ff.
32 Zur sog. Innentheorie siehe bspw. BVerfGE 89, 231 ff.; Staudin- ger/Looschelders/Olzen, 2015, § 242 Rn. 221.
33 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09.
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absolut, sondern erfordert – ausweislich der Gesetzesbe- gründung – teilweise eine weitergehende Prüfung auf der Prognoseebene.34
Die Existenz eines Drittmittelprojektes begründet damit über die Abhängigkeit von externen Gründen letztlich nur die Vermutung für einen nur vorüberge- henden Beschäftigungsbedarf als Teil der Prognoseent- scheidung und des Befristungsgrundes.35 Die Prognose muss sich daher auch darauf beziehen, dass über das Drittmittelprojekt keine Daueraufgaben – als Gegenbe- griff des vorübergehenden Bedarfes – finanziert werden.36
Daueraufgabe kann auch ein sog. Folge- oder An- schlussprojekt sein, sofern keine materiell relevante In- haltsänderung gegenüber dem vorgehenden Projekt be- steht.37 Insbesondere bei gleichnamigen Forschungspro- jekten, die keine Änderungen der Aufgabenbeschrei- bung beinhalten, kann deshalb die erforderliche Prognose nicht mehr gestellt werden. Gleichwohl ist hierbei stets zu beachten, dass gerade auch die For- schung auf Fortsetzung und Vertiefung gewonnener Er- kenntnisse angewiesen ist. Auch der bloßen Vertiefung vorhandener Kenntnisse kommt ein insoweit neuer ma- terieller Gehalt zu. Allein die sprachliche Identität darf deshalb noch nicht zur finalen Annahme inhaltlicher Kongruenz führen. Im Zweifel ist daher von einem neu- en Projektinhalt und damit einem nur vorübergehenden Bedarf auszugehen.38
Entsprechendes gilt bei sich automatisch verlängern- den Drittmittelprojekten.39 Hier fehlt es bereits am Tat- bestand des Drittmittelprojektes. Die Mittel stehen nicht
- 34 BT-Drs. 16/3438 S. 14: „Vielmehr ist im Einklang mit der Recht- sprechung des Bundesarbeitsgerichts zu beachten, dass die Erfüllung von Daueraufgaben dem Abschluss von befristeten Verträgen entge- gensteht. Ob eine solche Daueraufgabe vorliegt, muss weiterhin im Einzelfall geprüft werden. Je langfristiger die Projekte ausgestaltet sind, umso genauer muss die Prüfung sein, ob tatsächlich nicht über Drittmittelprojekte Daueraufgaben erfüllt werden sollen. So fördern Bund und Länder beispielsweise gemeinsam Langfristforschungs- vorhaben der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften, die vornherein auf eine Laufzeit von bis zu 25 Jahren angelegt sein können. In derartigen Fällen ist das Arbeitsvolumen so groß und die bereits am Projektanfang prognostizierte Projektlaufzeit so lang, so dass an die Darlegung des Arbeitgebers, ob tatsächlich noch ein Tatbestand vorliegt, der eine Befristung zulässt, oder die Tätigkeit der in dem Projekt Beschäftigten von Anfang an das Gepräge einer Daueraufgabe hat, hohe Anforderungen zu stellen sind.“; vgl.BAG, Urteil vom 13.02.2013 – 7 AZR 284/11 zu sich automatisch verlängernden Mittelbewilligungen; Schmidt in Ascheid/Preis/ Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 52; Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 186.
- 35 Insoweit ist in Zweifel zu ziehen, ob die Bezeichnung als Dritt- mittelbefristung wirklich richtig ist. Zutreffender erscheint die Bezeichnung der projektbezogenen Drittmittelbefristung.
ür einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Anderes kann hier nur gelten, wenn der Drittmittelgeber ver- bindlich erklärt die Anschlussfinanzierung für den kom- menden Zeitabschnitt nicht aufrecht zu erhalten.40 In diesem Fall liegt ein begrenzter Zeitabschnitt (wieder) vor.
Fehlt es an den genannten Voraussetzungen, kann eine Prüfung des Rechtsmissbrauchs gegenüber der ge- genwärtigen Befristung dahinstehen. Allein in Bezug auf abgeschlossene Zeiträume kann aus der Beschäftigung mit denselben Aufgaben am selben Arbeitsort noch auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten geschlossen werden.
b) Überbrückungsbefristung
Den Daueraufgaben stehen die in der Praxis verbreiteten Überbrückungsbefristungen nahe. Hier werden Kurzbe- fristungen auf Drittmittelprojekte von wenigen Monaten im Interesse des Beschäftigten abgeschlossen. Oft sind bspw. Anschlussfinanzierungen noch nicht bewilligt oder die entsprechenden Gelder noch nicht eingetroffen. Weil eine unbefristete Beschäftigung jedoch vielfach ausgeschlossen ist, der Beschäftigte aber weiter beschäf- tigt werden soll, wird formal eine Befristung auf ein lau- fendes anderes Drittmittelprojekt vorgenommen bis das eigentliche Projekt beginnt.
In dieser Konstellation fehlt es an einem Befristungs- grund.41 § 2 Abs. 2 WissZeitVG suspendiert das wirt- schaftliche Risiko der Stellenfinanzierung nicht.42 Dieses verbleibt bei der Hochschule, Universitätsklinik oder Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG. Das jeweili-
36 BT-Drs. 16/3438 S. 14; vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2013 – 7 AZR 284/11 zu sich automatisch verlängernden Mittelbewilligun- gen; LAG Köln, Urteil vom 31.7.2014 – 7 Sa 587/13; Schmidt in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 52; Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, 15. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 9a; Lehmann-Wandschneider, Das Sonder- befristungsrecht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 191 f.; Preis, WissZeitVG § 2
Rn. 72; Schlacher in Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befristungsge- setz, 2007, Anhang 2 § 2 Rn. 16; dies verlangt letztlich auch das Europarecht, EuGH, Urteil vom 26.01.2012 – C‑586/10 Nr. 36
f.; EuGH, Beschluss vom 1.10.2010 – C‑3/10; zweifelnd Groeger,
ArbRB 2009 S. 67.
37 Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch-
schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 191 f. auch zu Sonderforschungsbereichen; Preis, Wiss- ZeitVG § 2 Rn. 60.
38 AR-Löwisch, § 2 WissZeitVG Rn. 9.
39 Vgl. dazu AR-Löwisch § 2 WissZeitVG Rn. 11 mwN.
40 BAG, Urteil vom 7.4.2004 – 7 AZR 441/03 = NZA 2004, 944.
41 Vgl. auch Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht
an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem Wiss-
ZeitVG, 2008, S. 194; Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 59. 42 Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 56.
Mandler · Rechtsmissbrauch bei Drittmittelbefristungen 2 2 1
ge Drittmittelprojekt wird hier – wenn auch im Interesse des Beschäftigten – nur vorgeschoben. Die auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 WissZeitVG erzeugte Vermu- tung durch die Existenz eines Drittmittelprojektes ist in- soweit widerleglich.
Anderes gilt, wenn die Expertise des Beschäftigten tatsächlich nur von vorübergehendem Nutzen für das je- weilige Projekt ist. In diesem Fall kann eine entsprechen- de Prognose für den Befristungsgrund noch gestellt werden.
Zu beachten ist hier auch die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg, die zu Recht bei einer Anschlussbefristung von einem Monat zum Zwecke der Fertigstellung der Dissertation vom Befris- tungsgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG ausgeht.43
c) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Projektabschluss
Das Landesarbeitsgericht Köln hat in seiner Entschei- dung vom 31. Juli 2014 angedeutet, dass es bei Projektbe- fristung erforderlich sein könnte eine Prognoseentschei- dung auch dahingehend zu treffen, ob der Projektmitar- beiter nach Beendigung des Projekts aufgrund seiner Qualifikation nicht auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Projekt oder im Rahmen der Dauerauf- gaben des Arbeitgebers befristet oder unbefristet weiter- beschäftigt werden könnte.44
Sind Anschlussprojekte absehbar, so würde dies die Prognoseentscheidung und damit auch den Befristungs- grund aufheben. Insbesondere im medizinischen Be- reich würden damit Drittmittelbefristungen letztlich unmöglich.
Der Kritik ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, jedenfalls für den hochschul- rechtlichen Bereich nicht zu folgen.45 § 2 Abs. 2 Wiss- ZeitVG erlaubt die Befristung gerade unabhängig von den Höchstbefristungsgrenzen zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung.46
d) Tarifvertragliche Verlängerungsgrenzen
Zusätzliche tatbestandsbezogene Missbrauchsregelun- gen enthalten tarifvertragliche maximale Verlängerun-
- 43 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.3.2013 – 6 Sa 2102/12; vgl. auch Löwisch/Wertheimer, in Hartmer/Detmer, Hochschul- recht, 2004, VII Rn. 147.
- 44 LAG Köln, Urteil vom 31.07.2014 – 7 Sa 587/13; in diesem Sinne letztlich schon LAG Brandenburg, Urteil vom 28.2.2003 – 5 Sa 616/02.
- 45 Vgl. BAG, Urteil vom 07. Mai 2008 – 7 AZR 146/07.
- 46 BT-Drs. 10/2283, S. 6: „Die Absicherung und Erweiterung der Befristungsmöglichkeiten dient zugleich der Förderung des wis-senschaftlichen Nachwuchses und liegt insofern auch im indivi- duellen Interesse der Nachwuchskräfte. …“. Siehe auch Lehmann- Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hochschulen und
gen nach § 1 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG. Diese Möglich- keit besteht auch bei der Sachgrundbefristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG.47 Der zweite Satzteil bezieht sich auf beide Befristungsmöglichkeiten.48
Es ist damit in erster Linie den Tarifvertragsparteien überlassen die Anzahl zulässiger Verlängerungen auch bei Drittmittelverträgen festzulegen. Derartige Maxi- malgrenzen werden Teil des Befristungsgrundes. Wird daher eine Befristung über die vereinbarte maximale An- zahl hinaus vereinbart, so fehlt der Befristungsgrund.
Sind derartige Regelungen getroffen, so muss sich eine gerichtliche Überprüfung grundsätzlich auf den Be- fristungsgrund beschränken. Eine Überprüfung auf Rechtsmissbrauch ist sodann weithin ausgeschlossen.
e) Kollusives Zusammenwirken mit dem Drittmittelgeber
An einer für den Befristungsgrund erforderlichen Prog- noseentscheidung fehlt es auch beim kollusiven Zusam- menwirken von Drittmittelgeber und der Hochschule, Universitätsklinik oder Forschungseinrichtung.49 Wer- den Drittmittelprojekte nur geschaffen um Befristungs- gründe zu erzeugen, so kann der personelle Mehrbedarf im Rahmen einer überwiegenden Projektbeschäftigung nicht prognostiziert werden. Insoweit bedarf es einer Lösung über § 242 BGB nicht.50
2. Notwendigkeit zur Prüfung auf Rechtsmissbrauch
Liegen die Voraussetzungen des Befristungsgrundes vor, so muss nicht in jedem Fall auch eine Überprüfung auf einen eventuellen Rechtsmissbrauch stattfinden. Eine solche Prüfung wird erst durch ein gewisses Missverhält- nis zwischen Gesamtbeschäftigungsdauer und der Anzahl der Befristungen begründet.
Das Bundesarbeitsgericht geht von der Notwendigkeit zur Prüfung des Rechtsmissbrauchs aus, sobald die Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG, also 2 Jahren und 3 Ver- längerungen, überschritten werden.51 Eine weitere Schranke bildet § 21 BEEG.52
Der genannte § 14 Abs. 2 TzBfG kann allerdings im Zusammenhang mit Drittmittelbefristungen nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG nicht die äußerste Grenze einer
Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 183 f. 47 Preis, WissZeitVG § 1 Rn. 53; a.A. Schmidt in Ascheid/Preis/
Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., WissZeitVG § 1 Rn. 27. 48 Preis, WissZeitVG § 1 Rn. 53; vgl. auch BT-Drs. 16/3438 S. 10. 49 AR-Löwisch, § 2 WissZeitVG Rn. 12; siehe dazu umfassender
auch Stiller, Das Drittmittelfinanzierte Arbeitsverhältnis, Diss.
2000, S. 118 ff.
50 So noch BAG, Urteil vom 15.5.2013 – 7 AZR 525/11 = BAGE 145,
128 ff.
51 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 41, 48 52 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 41, 48
222 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 217–228
Prüfungsnotwendigkeit darstellen. Die sachgrundlose Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG begründet inso- weit eine abweichende Ausgangslage. Danach muss ein Rechtsmissbrauch immer ausgeschlossen sein, wenn die Höchstbefristungsgrenzen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG im jeweiligen Abschnitt noch nicht erreicht wurden. Erst wenn die Höchstbefristungsgrenzen insgesamt erschöpft sind, kann das Verhältnis des § 14 Abs. 2 TzBfG Indiz sein.53 Dies ergibt sich schon daraus, dass eine Befris- tung nach WissZeitVG nicht den konkreten Befristungs- grund nennen muss. Eine alternative Befristung ist da- mit nicht ausgeschlossen.
Bei dieser Berechnung sind auch sämtliche Abzüge die das WissZeitVG vorsieht einzupreisen. Insbesondere auch die Familienkomponenten und die erklärten Ver- längerungen nach § 2 Abs. 5 WissZeitVG.54
Sind die Höchstbefristungsgrenzen erreicht, so kön- nen wiederum nur diejenigen Zeiten einen Rechtsmiss- brauch generieren, die außerhalb der derselben liegen. Andernfalls würde den Hochschulen ein Vorwurf aus der zulässigen alternativen Nutzung der Befristungs- gründe des WissZeitVG entstehen. Dies ist vom Gesetz- geberwillen nicht gedeckt.55
Gerade dieser Umstand ist in der Vergangenheit sei- tens der Rechtsprechung – neben der auch bei Drittmit- telbefristungen umfassend geltenden Wissenschaftsfrei- heit als besonderem Umstand – verkannt worden.
Besteht ein Beschäftigungsverhältnis daher etwa be- fristet über § 2 Abs. 2 WissZeitVG seit 17 Jahren und wa- ren 15 Jahre im Rahmen der Höchstbefristungsgrenzen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG, so verbleiben nur 2 Jahre, aus denen ein Vorwurf entstehen kann. Dieser liegt aber innerhalb der Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG, weshalb eine Prüfung des Rechtsmissbrauches grundsätzlich nicht notwendig wäre.
3. Indizierter Rechtsmissbrauch
Besteht die Notwendigkeit zur Überprüfung im Hinblick auf einen eventuellen Rechtsmissbrauch, so muss in einer Gesamtbetrachtung das Vorliegen einzelner Indizi- en belegt werden. Diese indizieren sodann widerleglich den Rechtsmissbrauch und damit die Unwirksamkeit des Befristungsgrundes.
- 53 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 41, 48.
- 54 Mandler, Die Verlängerung von Arbeitsverhältnissen gem.§ 2 Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, S. 221 ff.
- 55 BT-Drs. 16/3438 S. 14: „Der neue Befristungstatbestand zielt in ers-ter Linie auf die Beschäftigungsmöglichkeiten des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals nach Abschluss der Qualifizierungs- phase. Eine Ausschöpfung der Höchstbefristungsdauer des Absatz
1 ist gleichwohl für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf der Basis des Absatzes 2 nicht erforderlich.“ - 56 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 783/10; BAG, Urteil vom
a) Rechtsprechung
Die Gesamtdauer der befristeten Beschäftigung im Ver- hältnis zur Anzahl der Verlängerungen wird von der Rechtsprechung als wichtigstes Indiz gewertet.
So geht das Bundesarbeitsgericht – in einem Sachver- halt außerhalb des WissZeitVG – bei einer Sachgrund- befristung mit einer Gesamtdauer von 7 Jahren und 9 Monaten bei viermaliger Verlängerung noch nicht von einem Rechtsmissbrauch aus.56 Bei einer Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und 13 Befristungen sei dieser hingegen indiziert.57
Der genannten Rechtsprechung folgend erklärte das Sächsische Landesarbeitsgericht eine Hochschulbeschäf- tigung von 22 Jahren und 2 Monaten und 11 verschiede- nen rechtlichen Grundlagen für rechtsmissbräuchlich.58 Das Beschäftigungsverhältnis war im entschiedenen Fall zudem teilweise durch die Verbeamtung des Beschäftig- ten unterbrochen worden. Dies war nach Ansicht des Gerichtes jedoch unbeachtlich.59
Das Landesarbeitsgericht Hessen entschied ferner, dass die Befristung eines Mathematikers über 11 Jahre und insgesamt 16 Verlängerungen zwar den Rechtsmiss- brauch indiziere, die Befristung aber durch die Wissen- schaftsfreiheit gerechtfertigt werden könne.60
Im Ergebnis identisch urteilte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Bei einer Gesamtbeschäftigungsdauer eines wissenschaftlichen Mitarbeiters von 2 Jahren und 7 Monaten sei ein Rechtsmissbrauch nicht indiziert.61
Das Landesarbeitsgericht Köln ging hingegen von ei- nem Rechtsmissbrauch bei einer Befristungsgesamtdau- er von 14 Jahren und 23 Einzelbefristungen nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG aus.62
Das Arbeitsgericht Aachen, die Vorinstanz, stellte demgegenüber auf das Verhältnis zwischen WissZeitVG und TzBfG ab.63 Aufgrund der erweiterten Möglichkei- ten des WissZeitVG gegenüber dem TzBfG sei eine Be- fristung von 14 Jahren nicht rechtsmissbräuchlich.64
b) Verhältnis von Gesamtdauer und Verlängerungen im WissZeitVG
Dem Arbeitsgericht ist im Ergebnis zuzustimmen. Wie bereits im Rahmen der Notwendigkeit zur Überprüfung
18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 43.
57 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 43.
58 LAG Sachsen, Urteil vom 6.3.2014 – 6 Sa 676/13.
59 LAG Sachsen, Urteil vom 6.3.2014 – 6 Sa 676/13.
60 LAG Hessen, Urteil vom 6.8.2015 – 2 Sa 1210/14.
61 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.3.2013 – 6 Sa 2102/12. 62 LAG Köln, Urteil vom 6.11.2013 – 11 Sa 226/13.
63 ArbG Aachen, Urteil vom 29.01.2013 – 5 Ca 3759/12.
64 ArbG Aachen, Urteil vom 29.01.2013 – 5 Ca 3759/12.
Mandler · Rechtsmissbrauch bei Drittmittelbefristungen 2 2 3
des Rechtsmissbrauches erläutert, geht das WissZeitVG von anderen Grenzwerten aus und gesteht den Hoch- schulen insoweit erweiterte Spielräume zur Verfügung.65 Werden diese nicht erheblich überschritten, so kann ein Rechtsmissbrauch nicht indiziert sein.
Die Anschauungen der Arbeitsgerichte sind hier nur insoweit zu ergänzen, dass keine abstrakte Betrachtung erfolgen darf. Es ist vielmehr von den konkreten Höchst- befristungsgrenzen des jeweiligen Beschäftigten auszu- gehen. Zu berücksichtigten sind daher neben den Grundfristen auch sämtliche Verlängerungs- und An- rechnungsbestimmungen.66 Erst wenn die Höchstbefris- tungsgrenzen überschritten werden, kann es auf das Ver- hältnis von Befristung und Verlängerung ankommen. Dabei sind insbesondere auch die Zeiten, die innerhalb der Höchstbefristungszeiten zurückgelegt wurden, her- auszurechnen.67 Nur so kann dem europarechtlichen Missbrauch bei gleichzeitiger Achtung nationaler Erfor- derlichkeiten im forschungsbezogenen Hochschulrecht Rechnung getragen werden.
Aus diesem Grund ist auch zwischen wissenschaftli- chem Personal und nicht-wissenschaftlichem Personal streng zu unterscheiden68: Die Ausweitung des Befris- tungstatbestandes auf das nicht-wissenschaftliche Perso- nal rechtfertigt sich aus der Notwendigkeit einer kon- gruenten Beschäftigung gegenüber den vorhandenen Mitteln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die ansonsten nicht anwendbaren Höchstbefristungsgrenzen hier ana- log gelten würden. Für das nicht-wissenschaftliche Per- sonal muss vielmehr der allgemeine Maßstab in Bezug auf die Indizierung des Rechtsmissbrauchs zur Anwen- dung kommen. Erst auf der Ebene der besonderen Um- stände kann über die ebenfalls betroffene Wissenschafts- freiheit Rechtfertigung gesucht werden.
c) Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz mit gleichen Aufgaben
Ferner soll die Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz und mit gleichbleibenden Aufgaben den Rechtsmiss-
- 65 Siehe unter II. 2.
- 66 Beamtenverhältnisse auf Zeit werden nach § 2 Abs. 3 WissZeitVGangerechnet. Insoweit ist der Entscheidung des LAG Sachsen, Urteil vom 6.3.2014 – 6 Sa 676/13 zuzustimmen. Mit beachtlichen Argumenten für die maßgeblichen Zeiten von Studentischen Hilfskräften siehe Haratsch/Holljesiefken, Studentische Hilfskräfte auf Lebenszeit? NZA 2008 S. 207 ff. Gleichwohl wird die diesbe- zügliche Regelung des WissZeitVG auch vor dem Europarecht bestand haben.
- 67 Siehe oben unter II. 2.
- 68 Siehe zum akzessorischen Personal Schmidt in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 35 ff.
- 69 Siehe II. 1. a).
- 70 BAG, Urteil vom 29.7.2009 – 7 AZR 907/07; LAG Sachsen, Urteilvom 6.3.2014 – 6 Sa 676/13 – juris Rn. 27; LAG Köln, Urteil vom
brauch indizieren können. Dies ist gerade bei festen For- schungsgruppen mit wechselnden Drittmittelprojekten aber oft der Fall.
Laboreinrichtungen und Arbeitsplätze bleiben in der Regel identisch. Auch die Aufgaben ändern sich oft nicht in erheblichem Maße, denn gerade die Anwendung be- kannter Methoden auf neue Sachverhalte macht einen Großteil der Forschung aus.
Aus den gleichbleibenden Aufgaben und Arbeitsplät- zen kann daher allein kein Indiz gewonnen werden. Es kommt im Rahmen der Drittmittelbefristung nur darauf an, dass keine Daueraufgaben erfüllt werden69 und über- wiegend mit Projektbezug gearbeitet wird.
d) Zeitliche Kongruenz zwischen Projektlaufzeit und Beschäftigungsdauer
Indiz ist auch die zeitliche Kongruenz zwischen der Pro- jektlaufzeit und der Beschäftigungsdauer.70 Teilweise bleiben die Befristungen deutlich hinter den Projektlauf- zeiten zurück oder übertreffen diese sogar. Hieraus ent- steht der Eindruck, dass der Beschäftigungsbedarf unab- hängig vom eigentlichen Befristungsgrund besteht und deshalb letztlich nur vorgeschoben ist. Außerhalb der bereits besprochenen Überbrückungsbeschäftigungen bei denen der Befristungsgrund fehlt71, kann die Indiz- wirkung insbesondere dann eintreten, wenn jahresweise befristet wird, die Projekte aber Laufzeiten von mehre- ren Jahren haben. Neben dem Problem, dass durch die erneute Befristung ggf. eine Daueraufgabe entstanden ist,72 indiziert diese Vorgehensweise den Rechtsmiss- brauch, der nicht immer widerlegt werden kann.
In diesem Sinne hat das Landesarbeitsgericht Köln ge- urteilt und eine überschießende Befristung von lediglich 3 Monaten gegenüber der Projektlaufzeit ausreichen las- sen, um die Befristung für unwirksam zu erklären.73 Das Gesetz gehe von der Notwendigkeit einer gegen über dem Projekt kongruenten Laufzeit aus.74
Diese Anschauung überzeugt auf der Ebene des Be- fristungsgrundes nicht.75 Die Projektbefristung setzt
9.9.2009 – 3 Sa 746/09; Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 58; weiterge- hend Schmidt in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 37, der auch die Kongruenz zu den verbleibenden Teammitgliedern verlangt. Diese Erweiterung findet jedoch im Gesetz keine Stütze. Die Gesetzesbegründung geht vielmehr von der Möglichkeit zur flexiblen und insoweit unabhängigen Befristung aus.
71 Siehe oben II. 1. b).
72 Siehe oben II. 1. a).
73 LAG Köln, Urteil vom 14.3.2011 – 11 Sa 439/10; LAG Köln, Ur-
teil vom 9.9.2009 – 3 Sa 746/09; so scheinbar auch Hauk-Scholz,
Aktuelle Probleme des WissZeitVG öAT S. 89. 74 LAG Köln, Urteil vom 14.3.2011 – 11 Sa 439/10. 75 AR-Löwisch, § 2 WissZeitVG Rn. 12.
224 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 217–228
nicht in jedem Fall den Gleichlauf zum Projekt voraus.76 Dies zeigt sich besonders dann, wenn das Projekt selbst verschiedene Abschnitte vorsieht oder ausgewählte fachli- che Fähigkeiten nicht im gesamten Projekt benötigt wer- den. Eine Befristung über die Projektlaufzeit ist gegen- über dem Befristungsgrund ebenso unschädlich, sofern die Prognose zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ent- sprechend zulässig getroffen wurde.77 Etwa durch die Kündigung der Drittmittel oder dem vorzeitigen wissen- schaftlichen Abschluss des Projektes kann eine über- schießende Befristungsdauer entstehen.78
Inkongruenz ist danach allein im Zusammenhang mit der Prüfung des Rechtsmissbrauches beachtlich und kann insoweit auch widerlegt werden.
e) Überwiegenden Projektbeschäftigung
Wie schon bei der Prognoseentscheidung, ist erheblich, ob der Mitarbeiter schließlich tatsächlich überwiegend mit Projektaufgaben betraut wurde. Erfolgt seine Beschäftigung trotz entsprechender Prognose nicht überwiegend projektbezogen, so ist dies für den Befris- tungsgrund selbst nicht schädlich, kann im Einzelfall aber den Rechtsmissbrauch widerleglich indizieren.
4. Entkräftung des indizierten Rechtsmissbrauchs
Kann auf der Grundlage der genannten Indizien auf einen Rechtsmissbrauch geschlossen werden, so kann dieser Vorwurf durch den Vortrag besonderer Umstände entkräftet werden. Nicht alle Umstände sind allerdings rechtlich verwendungsfähig.
a) Vorübergehender Bedarf an persönlicher Eignung und Wegfall des Projektbedarfes
Bleibt die Befristungsdauer hinter der Projektlaufzeit zurück, so kann dies den Rechtsmissbrauch indizieren. Die nur vorübergehende projektbezogene Beschäftigung beruht jedoch oft auf dem Umstand, dass Projekte trotz ihrer Einheitlichkeit in verschiedene interne Projektab- schnitte eingeteilt werden. Diese Abschnitte betreffen häufig thematisch zu trennende Teilbereiche des Gesamt- projektes und generieren deshalb unterschiedliche
76 So auch BAG, Urteil vom 15.1.2003 – 7 AZR 616/01; LAG Sach- sen, Urteil vom 6.3.2014 – 6 Sa 676/13 – juris Rn. 27; Löwisch, Die Ablösung der Befristungsbestimmungen des Hochschulrah- mengesetzes durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz NZA 2007 S. 482 f.; AR-Löwisch § 2 WissZeitVG Rn. 11; Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, 15. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 11a; Joussen, Wissenschaftszeitvertragsgesetz, 1. Aufl. 2 Ed., § 2 Rn. 14; Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 193 ff.; Schlacher in Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befris-
Anforderungen an die fachliche Eignung des Projektper- sonals. Kann deshalb dargelegt werden, dass bspw. eine gegenüber dem Gesamtprojekt kürzere Befristung auf tatsächlichen Notwendigkeiten der einzelnen Projektab- schnitte beruhen, so ist der Vorwurf des Missbrauchs widerlegt. Eine insoweit kürzere Befristung ist zulässig.
Selbiges gilt beim Wegfall des Projektbedarfs aus ex- ternen Umständen. Hier hat es die Hochschule, Universi- tätsklinik oder Forschungseinrichtung nicht in der Hand, ob eine Beschäftigung entsprechend den Projekt- aufgaben weiter möglich ist. Ein solcher Wegfall kann insbesondere dann eintreten, wenn das angestrebte For- schungsergebnis durch Dritte bereits abschließend erzielt wurde oder anderweitige Methoden eine Fortführung des Projektes sinnlos erscheinen lassen. Die Hochschulen, Universitätsklinika und Forschungseinrichtungen sind nicht verpflichtet oder berechtigt Ressourcen zu verschwenden.
Anderes gilt, sofern der Forschungsbedarf aufgrund interner Entscheidungen unabhängig von externen Tatsa- chen eintritt. Ein durch derartige Entscheidungen er- zeugter Wegfall des Bedarfs ist dem Risiko der Hoch- schulen, Universitätskliniken oder Forschungseinrich- tungen zuzuordnen und beinhaltet grundsätzlich keinen besonderen entkräftenden Umstand.79
b) Unterbrechungen des Beschäftigungsverhältnisses
Unterbrechungen des Beschäftigungsverhältnisses kön- nen einen weiteren entkräftenden Umstand darstellen. Erfolgt die Beschäftigung nicht durchgängig, sondern projektbezogen lückenhaft, ergibt sich gleichzeitig der Nachweis eines nur vorübergehenden Beschäftigungsbe- darfes.
c) Wissenschaftsfreiheit – Nachwuchsförderung
Vielfach sind die Gerichte auf die zweifellos geltende Wissenschaftsfreiheit als besonderem Umstand nicht eingegangen oder haben diesen für die Drittmittelbefris- tung abgelehnt.
Die Wissenschaftsfreiheit stellt jedoch für die Uni- versitäten, Universitätsklinika und Forschungseinrich-
tungsgesetz, 2007, Anhang 2 § 2 Rn. 17; Preis, WissZeitVG § 2
Rn. 58.
77 So auch LAG Sachsen, Urteil vom 6.3.2014 – 6 Sa 676/13 – juris
Rn. 27.
78 Hier zu eng Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungs-
recht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem
WissZeitVG, 2008, S. 195.
79 Siehe dazu Stiller, Das Drittmittelfinanzierte Arbeitsverhältnis,
Diss. 2000, S. 239 ff.
Mandler · Rechtsmissbrauch bei Drittmittelbefristungen 2 2 5
tungen den gewichtigsten besonderen Umstand dar. Schon das Bundesarbeitsgericht hat die Wissenschafts- freiheit ausdrücklich als abwägungserheblichen Um- stand bei der Frage des Rechtsmissbrauches hervorgehoben.80
Der Geltung der Wissenschaftsfreiheit bei Drittmit- telbefristungen ist entgegen gehalten worden, dass das Sonderbefristungsrecht des § 2 Abs. 2 WissZeitVG aus- schließlich der Förderung der Forschung und nicht der Nachwuchsförderung im Sinne der Wissenschaftsfrei- heit dienen würde.81
Diese Anschauung ist unzutreffend. Neben der sehr wohl möglichen Nachwuchsförderung, die sich bereits aus der Austauschbarkeit der Befristungen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG und § 2 Abs. 2 WissZeitVG er- gibt,82 ist gerade die Forschung selbst Teil der wissen- schaftlichen Freiheit.83
Der Befristungsgrund in § 2 Abs. 2 WissZeitVG trägt dem Rechnung. Bei der Novellierung des Hochschulson- derbefristungsrechtes wurde erkannt, dass gerade dritt- mittelfinanzierte Beschäftigungsverhältnisse zur Förde- rung wissenschaftlicher Forschung unerlässlich sind.84 Obschon die Finanzierung nicht mit der Notwendigkeit zur Befristung gleichgesetzt werden kann, so könnten Hochschulen doch mit Projekten zögern, bei denen sie fürchten müssen die jeweils eingestellten Personen lang- fristig beschäftigten zu müssen.85 Dies würde die zu ge- währleistende Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit im Lichte der staatlichen Förderungspflicht zu sehr ein- schränken.86 Forschung ohne gesicherte Finanzierung ist ebenso wissenschaftsschädlich, wie die unbefristete Beschäftigung von Forschern ohne Finanzierung.87 Auch hierdurch würde die Nachwuchsförderungsoblie-
- 80 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 47.
- 81 BT-Drs. 16/3438 S. 14 ff.
- 82 Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 57.
- 83 BVerfG, Beschluss vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 = BVerfGE 94,268 ff.; LAG Hessen, Urteil vom 6.8.2015 – 2 Sa 1210/14; Stiller, Das Drittmittelfinanzierte Arbeitsverhältnis, Diss. 2000, S. 254 ff.; Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 190 f.; AR-Löwisch § 2 WissZeitVG Rn. 12.
- 84 Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungsrecht an Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 183 ff.
- 85 BVerfG, Beschluss vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 = BVerfGE 94, 268, 288: „Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses beim Auslaufen der dafür bestimmten Mittel kann für ein Forschungsprojekt hinderlich sein. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß eine Hochschule oder Forschungsein- richtung zögert, ein Projekt durchzuführen, wenn sie fürchten muß, nach dessen Beendigung die dafür eingestellte Person langfristig beschäftigen zu müssen“.
- 86 BVerfG, Beschluss vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 = BVerfGE 94, 268 ff.
genheit im Übrigen beschränkt. Die Möglichkeit, vor- handene Mittel zielgerichtet und effizient einsetzen zu können, ist eine wichtige Grundbedingung für ein mo- dernes Hochschulbild und die in ihr verkörperte Wissenschaftsfreiheit.88
Der Wissenschaftsfreiheit kommt aus diesen Grün- den überragende Bedeutung als besonderem Umstand zu. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs muss sich deshalb weithin verbieten. Das beschränkbare Bestands- schutzinteresse der Arbeitnehmer muss insoweit gegen- über der schrankenlos gewährleisteten Wissenschafts- freiheit zurücktreten, wenn die Voraussetzungen des Be- fristungsgrundes erfüllt sind. Nur in extremen Einzelfäl- len kann deshalb ein indizierter Rechtsmissbrauch nicht widerlegt werden.
III. Praxisempfehlungen
Im Lichte dieser Rechtslage, die durch die Rechtspre- chung nicht an Klarheit gewonnen hat, ist für den prak- tischen Umgang mit der Drittmittelbefristung Verschie- denes anzuraten.
1. Keine Überbrückungsbeschäftigungen
Insbesondere die sog. Überbrückungsbeschäftigungen erfolgen ohne Befristungsgrund. Diese sollten, soweit wie möglich und unter Inkaufnahme der daraus resultie- renden Nachteile für die Beschäftigten, nicht mehr abge- schlossen werden, sofern die Höchstbefristungsgrenzen überschritten sind.
Im Falle der Unzulässigkeit einer solchen Befristung verbleiben nur noch die Befristungsgründe nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG und des TzBfG. Der Ansicht des
87 BT-Drs. 10/2283, S. 6: „Die Leistungsfähigkeit der Forschung in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen hängt in hohem Maße von der Möglichkeit ab, stets genügend neues Personal gewinnen zu können. Ohne den laufenden Zustrom junger Wissenschaftler und neuer Ideen würde die Forschung erstarren. Die Bedeutung der Befristung von Arbeitsverträgen unterscheidet sich in diesem Bereich daher grundsätzlich von anderen Berei-
chen des Arbeitslebens: Zeitverträge sind hier kein Ausnahmefall, sondern ein unentbehrliches Regelinstrument zur Absicherung
der Funktions- und Erneuerungsfähigkeit der Forschung. 2. Die Absicherung und Erweiterung der Befristungsmöglichkeiten dient zugleich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und liegt insofern auch im individuellen Interesse der Nachwuchskräfte. …“. siehe auch Lehmann-Wandschneider, Das Sonderbefristungs- recht an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach dem WissZeitVG, 2008, S. 183 f.; Zimmermann, Befristete Arbeitsver- hältnisse an Hochschulen und außeruniversitären Forschungs- einrichtungen bei Drittmittelfinanzierung, 2001, S. 123 f.; zu den Interessenkonflikten bei der Drittmittelforschung eingehend Plander in Drittmittelforschung, 1971, S. 34 ff.
88 Vgl. BT-Drs. 10/2283, S. 6; BVerfG, Beschluss vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 = BVerfGE 94, 268 ff.
226 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2015), 217–228
Landesarbeitsgerichts Sachsen, das hier eine Exklusivität annimmt, ist nicht zu folgen.89 § 1 Abs. 1 Satz 4 Wiss- ZeitVG geht erkennbar von einem leges specialis-Ver- hältnis aus.90 Insbesondere ist hier auch an § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG zu denken.91
2. Präzise Inhaltsbeschreibung der Folgeprojekte
Daneben ist es angezeigt, für die Problematik der sog. Daueraufgaben Vorsorge zu treffen. Anschlussprojekte, die tatsächlich einen anderen Inhalt haben, sind als sol- che auch in der Projektbeschreibung und im Arbeitsver- trag kenntlich zu machen.92 Hierdurch kann der Vor- wurf einer unzulässigen Befristung für Daueraufgaben beweisbar widerlegt werden.
Von der Befristung auf inhaltlich völlig identische Folgeprojekte im Rahmen des § 2 Abs. 2 WissZeitVG ist hingegen abzuraten, soweit es sich nicht sicher um das letzte Folgeprojekt handelt.
3. Doppelbefristungen bei längeren Vertragslaufzeiten
Ein Vorteil der Drittmittelbefristung liegt darin, dass sie – anders als bei der Befristung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss- ZeitVG – auch mit einer auflösenden Bedingung kombi- niert werden kann, § 21 TzBfG.93 Die Bedingung ermög- licht die Kopplung der Vertragslaufzeit an die des Pro- jektes. Dadurch kann das Ende eines Arbeitsverhältnisses abseits von starren Zeitgrenzen erreicht werden und so der Aufwand der Verwaltung zugunsten einer (potenti- ell) längeren Vertragslaufzeit für den Beschäftigten ver- mieden werden. Diese Möglichkeit kann auch genutzt werden um Überbrückungsunzulänglichkeiten bei Anschlussfinanzierungen auszuschließen.94
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hält die Bedingung auf den Wegfall der projektgebunde- nen Drittmittel für zulässig.95 Dieser Rechtsprechung ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings sollten entspre- chende Klauseln unbedingt nur auf externe Gründe ab- stellen. Dem Arbeitnehmer darf das Finanzierungsrisiko seiner Stelle nicht aufgebürdet werden.96 Die Bedingung
- 89 LAG Sachsen, Urteil vom 13.3.2014 – 9 Sa 466/13.
- 90 Richtig hier Schmidt in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht,4. Aufl., WissZeitVG § 2 Rn. 49; Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 54.
- 91 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.3.2013 – 6 Sa 2102/12; siehe auch Löwisch/Wertheimer in Hartmer/Detmer, Hochschul-recht, 2004, VII Rn. 147.
- 92 So auch Kroll, Aktuelles zum Befristungsrecht an Hochschulenund Forschungseinrichtungen öAT 2014 Rn. 247; vgl auch Preis,WissZeitVG § 2 Rn. 60.
- 93 Hesse in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., TzBfG § 23Rn. 41. Siehe mwN. auch Zimmermann, Befristete Arbeitsver- hältnisse an Hochschulen und außeruniversitären Forschungs-
sollte daher auf Umstände lauten, auf deren Eintreten der Arbeitgeber keinen Einfluss hat. Die Kündigung des Drittmittelprojektes durch den Drittmittelgeber, der Wegfall des Projektes durch Neuerungen in der For- schung und die Nichtverlängerung durch den Drittmit- telgeber sind derartige Umstände.97
4. Kongruenz zwischen Vertrags- und Projektlaufzeit
Zudem ist es auch angezeigt, verstärkt auf eine zeitliche Kongruenz zwischen Vertrags- und Projektlaufzeit zu achten. Abweichungen können nur gerechtfertigt wer- den, wenn die Notwendigkeit zur nur anteiligen Beschäf- tigung im jeweiligen Projekt besteht.98 Eine jahresweise Befristung auf dasselbe Drittmittelprojekt ist daher eben- so wenig zu empfehlen wie die Befristung über das Pro- jekt hinaus. Letzteres sollte nur vereinbart werden, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hoher Wahr- scheinlichkeit von einem Folgeprojekt auszugehen ist.
IV. Fazit und Ausblick
Die Notwendigkeit zur Prüfung des Rechtsmissbrauchs bei Drittmittelbefristungen nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG besteht erst, wenn die Höchstbefristungsgrenzen über- schritten sind und die Überschreitung das Maß des § 14 Abs. 2 TzBfG übersteigt.99 Ist danach eine Prüfung erforderlich, so sind die Zeiten innerhalb der Höchstbe- fristungsgrenzen für die Betrachtung unbeachtlich. Ist auf der Grundlage der dann noch erheblichen Zeiten ein Rechtsmissbrauch durch den Beweis eines entsprechen- den Indiz indiziert, so kann der hierin liegende Vorwurf durch den Vortrag besonderer Umstände entkräftet wer- den. Hochschulen, Universitätsklinika und Forschungs- einrichtungen können sich hierzu uneingeschränkt auf die Wissenschaftsfreiheit berufen und die ihnen im Wiss- ZeitVG zugestandenen Freiheiten in Bezug auf Nach- wuchsförderung und Forschung gegenüber der jeweili- gen Befristung einfordern. Die schrankenlose Wissen- schaftsfreiheit setzt sich dabei gegenüber dem insoweit
einrichtungen bei Drittmittelfinanzierung, 2001, S. 213 f.; Preis,
WissZeitVG § 2 Rn. 61.
94 Zur Anschlussfinanzierung zutreffend Müller, Die Drittmittelbe-
fristung nach WissZeitVG öAT 2010 S. 226.
95 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 5.12.2013 – 4 Sa
63/13; hier zweifelnd Stiller, Das Drittmittelfinanzierte Arbeits-
verhältnis, Diss. 2000, S. 276 ff.
96 Stiller, Das Drittmittelfinanzierte Arbeitsverhältnis, Diss. 2000, S.
276 ff.; Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 56.
97 Vgl. dazu auch Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 55.
98 Preis, WissZeitVG § 2 Rn. 58 f.
99 BAG, Urteil vom 18.7.2012 – 7 AZR 443/09 – juris Rn. 41, 48.
Mandler · Rechtsmissbrauch bei Drittmittelbefristungen
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beschränkten Bestandsschutzinteresse des Beschäftigten
durch und garantiert damit der Hochschule, Universi- tätsklinik oder Forschungseinrichtung die nach dem Gesetzeswillen versprochene Rechtssicherheit und ‑klar- heit.100 Nur im extremen Einzelfall kann sich daher die Unwirksamkeit der Befristung im hochschulrechtlichen Bereich aus § 242 BGB ergeben.
Tobias Mandler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für Hochschulrecht und Hochschul- arbeitsrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
100 BT-Drs. 16/3438 S. 8: „Hochschulen und außeruniversitäre For- schungseinrichtungen und ihre Drittmittelbeschäftigten benötigen deshalb größere Rechtssicherheit. Diese größere Rechtssicherheit kann durch einen eigenen – in der Wissenschaft besonders relevan- ten – Befristungstatbestand für Fälle der Drittmittelfinanzierung geschaffen werden.“
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