1 Abgedruckt in Karl EIbl, Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche, Band 2, 1987, S. 373.
Rezensent und Autor Johann Wolfgang von Goethe
Rezensent1
Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht zur Last;
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen, Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt. Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen, Über mein Essen zu räsonieren:
„Die Supp hätt können gewürzter sein, Der Braten brauner, firner der Wein.“ Der Tausendsackerment!
Schlag ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.
Ordnung der Wissenschaft 2016, ISSN 2197–9197
192 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2016), 191–192
Heinrich Leopold Wagner Der Sudelkoch2
Ein Pendant zum unverschämten Gast im Göttingingischen Musenallmanach aufs künftge Jahr.
Da hieng ein Kerl ein neues Schild heraus,
Kramte Pastetchen und Tärtchen zum Kauf aus; Rühmte sie seinen hungrigen Gästen
Als die schmackhaft‘sten und besten,
Die je gebacken worden; Hum!
Dacht ich — zu seiner Zeit ein Leckerbissen Schmeckt eben nicht dumm!
Wirst wohl auch eins davon versuchen müssen!
Ich thats, gab meinen baaren Groschen drum, Erkauft‘ also zugleich das Recht zu judiciren
Ob Ich für mein Theil es goutiren
Könn‘ oder nicht? — Da g‘schah nun grad das leztere; Die liebe Butter, mit Respekt zu sagen! älzelte;
Der span‘sche Teig, war härter fast als Steine;
Das Eingefüllete halb roh, kaum gar für Schweine; Hin warf ich‘s! schlich voll Aergers weg. Brummt‘ in den Bart so was von Sudelkoch und Dreck. — Drob that der Kerl sich stracks formalisiren,
Fing an von Unverschämt, von Gast, von Recensent, Und Tausend Sakerment
Was her zu raisonniren: — —
Der Bengel! — schmeißt ihn tod den Hund! Es ist ein Autor, der nicht kritisirt will seyn.
2 Abgedruckt in Johann Wilhelm Appel, Werther und seine Zeit, 4. Aufl. 1896, S. 282.