Die vergangenen 20 Jahre sind nicht spurlos am Gesetz
über die Hochschulen in Baden-Württemberg (nachfolgend:
Landeshochschulgesetz bzw. LHG) vorübergegangen.
Jede Regierung versuchte ihm ihren Stempel aufzuprägen,
ob es nun das Leitbild der „unternehmerischen
Hochschule“ Mitte der 2000er Jahre war (namentlich
mit dem neugefassten Landeshochschulgesetz vom 1.
Januar 2005) oder die von Volker Haug in Rn. 32 so
bezeichnete „Re-Akademisierung“ der aktuellen Zeit.
Eine entscheidende Rolle bei dieser Entwicklung hin zu
einer stärkeren Betonung der körperschaftlichen Verfasstheit
der Hochschulen (namentlich der Universitäten)
gegenüber anderen (etwa ökonomischen)
„Autonomie“-Konzepten spielte die Rechtsprechung,
mehr noch vielleicht als die parteipolitische Zusammensetzung
der Regierung. Von besonderer Bedeutung war
dabei neben dem Bundesverfassungsgericht der Verfassungsgerichtshof
für das Land Baden-Württemberg, der
sich seinerseits auf Diskussionen in der rechtswissenschaftlichen
Literatur bezog und dabei auch immer wieder
gesetzgeberischen Reformimpulsen Grenzen aufzeigte.
Im weiteren Diskursumfeld sind auch der Wissenschaftsrat
bzw. die Gemeinsame
Wissenschaftskonferenz zu verorten. Dieses nur zum
Hintergrund des zu besprechenden Bandes.
Dieser liegt nunmehr in dritter Auflage vor. Das Autorenteam
ist weitgehend dasjenige der zweiten Auflage
von 2009 geblieben, natürlich heute mit mehr Erfahrung
und zumeist an anderen Stellen seiner persönlichen bzw.
beruflichen Entwicklung. Neben dem Herausgeber, Volker
M. Haug (nunmehr Professor an der Hochschule für
öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg sowie
Honorarprofessor an der Universität Stuttgart), sind
das die bewährten Autoren (bzw. Autorinnen) Lutz Bölke,
Claus Eiselstein, Sabine Faisst, Klaus Herberger, Angela
Kalous, Helmut Messer, Georg Sandberger sowie Uwe
Umbach, also sämtlich wissenschaftsaffine Praktikerinnen
(bzw. Praktiker). Für die ausgeschiedenen Autoren
Jürgen Gerber und Steffen Walter sind Karin Schiller (Ministerialrätin
im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium)
und Arne Pautsch, — Professor an
der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen
Ludwigsburg und dort auch Dekan der Fakultät I)
zum Autorenteam hinzugekommen. Pautsch hat das Kapitel
zu „Forschung und Wissenstransfer“ (3.C) von Walter
übernommen und diejenigen zu den Pädagogischen
Hochschulen und zur „Dualen Hochschule Baden-
Württemberg“ von Gerber (unter Nennung beider Bearbeiternamen)
überarbeitet (4.A und 4.D) und Schiller
hat die Kapitel von Steffen Walter zu den „Kunst- und
Musikhochschulen“ (nunmehr unter dem LHG folgend
unter dem Oberbegriff „Kunsthochschulen“) und zur
W‑Besoldung (5.E) neugefasst. Auch in anderen Kapitelüberschriften
spiegeln sich die Veränderungen des LHG:
So ist das von Helmut Messner verfasste Kapitel zu „Fachhochschulen“
(so die Vorauflage) nunmehr mit „Hochschulen
für angewandte Wissenschaft (Fachhochschulen)“
überschrieben (4.C).
Anders als im selben Verlag erschienenen, von Max-
Emanuel Geis herausgegebenen „Hochschulrecht in Bayern“
(2. Aufl. 2017) überwiegt vorliegend deutlich der
Praktikeranteil. Das führt bei einer im Wesentlichen
gleichartigen Grundstruktur zu ganz unterschiedlichen
Schwerpunktsetzungen, wobei der wichtigste Unterschied
darin besteht, dass in dem von Haug herausgebenen
Buch nach wie vor kein Kapitel gibt, das sich ähnlich
intensiv wie Helmuth Schulze-Fielitz für Bayern mit
„Forschung“ (und Forschungsevaluation) auseinandersetzt.
Arne Pautsch hat hier schon eine begrüßenswerte
Vertiefung gegenüber der Vorlauflage vorgenommen,
die allerdings nach wie vor relativ knapp ausfällt, obwohl
(oder vielleicht sogar weil) Pautsch selbst schon an anderer
Stelle tief in die Materie eingedrungen ist.1 Da der
Schluss natürlich nicht zulässig ist, dass in Baden-Würt-
Margrit Seckelmann
Rezension:
Volker Haug (Hrsg.), Das Hochschulrecht in Baden-
Württemberg. Systematische Darstellung, 3., neu bearbeitete
Auflage, C. F. Müller, Heidelberg 2020.
1 Arne Pautsch/Anja Dillenburger, Kompendium zum Hochschulund
Wissenschaftsrecht, 2. Aufl., Berlin/Boston 2016, S. 163 ff.
Ordnung der Wissenschaft 2020, ISSN 2197–9197
2 8 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 8 1 – 2 8 2
2 Michael Hartmer/Hubert Detmer (Hrsg. ), Hochschulrecht, 3. Aufl.,
Heidelberg 2017.
3 Klaus Ferdinand Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche
Systembildung, Tübingen 2009.
4 Daniel Krausnick, Staat und Hochschule im Gewährleistungsstaat,
Tübingen 2012.
temberg weniger geforscht würde als in Bayern, empfiehlt
es sich, bei übergreifenden Fragestellungen im
Zweifel alle soeben genannten Bücher (und den ebenfalls
im C. F. Müller-Verlag erschienenen „Hartmer/Detmer“
2) nebeneinander zu verwenden und ansonsten auf
die 4. Auflage des „Haug“ zu hoffen.
An der hier zu besprechenden 3. Auflage seines Herausgeberbandes,
der trotz seines Untertitels „Systematische
Darstellung“ der Sache nach ein Handbuch ist, beeindruckt
vor allem die Detailfülle. Das Buch ist von ca.
510 Textseiten in der 2. Auflage (zzgl. Register, Inhaltsverzeichnis,
Gesamtliteraturverzeichnis etc.) nunmehr
auf ca. 649 Textseiten angewachsen, ohne dabei an Qualität
oder Struktur zu verlieren. Der letzte Satz muss allerdings
dahingehend relativiert werden, dass das Handbuch
gegenüber der Vorauflage dadurch an Übersichtlichkeit
eingebüßt hat, dass ihm nicht mehr eine Feingliederung
des Inhaltsverzeichnisses vorangestellt ist,
sondern nur noch eine Grobgliederung, die auf die einzelnen
Oberkapitel verweist, wo man dann nach und
nach die Feingliederung findet. Auch das Stichwortverzeichnis
hilft hier nur begrenzt weiter – es ist daher darum
zu bitten, diese gliederungstechnische „Innovation“
wieder rückgängig zu machen, so viele Seiten müssten
trotz des angewachsenen Umfangs des Handbuchs noch
„drin sein“.
Das Anwachsen des Textes selbst ist nicht zuletzt darauf
zurückzuführen, dass Klaus Herberger die Unterkapitel
zu „Staat und Hochschulen“ (2.A) und „Hochschulorganisation“
(2.B) deutlich erweitert und vertieft hat.
Das ist mit Gewinn zu lesen, denn er setzt sich (möglicherweise
auf die Kritik von Klaus Ferdinand Gärditz in
WissR 2010, S. 210 ff. respondierend) stark mit Legitimationsfragen
der Hochschulverfassung auseinander. Es
geht ihm insbesondere um das systematische Verhältnis
von Art. 20 Abs. 2 und 1 GG zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sowie
um die Rolle und Natur der funktionalen Selbstverwaltung.
Herbergers Ausführungen sind meinungsstark,
engagiert und sparen nicht mit Seitenhieben (so beginnt
Fn. 5 auf S. 58 mit den Worten: „Wer sich an dem Begriff
der ‚unternehmerischen Hochschule‘ stört, hat sich nicht
hinreichend damit auseinander gesetzt, welches Ziel mit
der Reform tatsächlich verfolgt wurde – ein Ziel, das sich
bis heute kaum verändert hat“). Herberger macht allerdings
nicht immer hinreichend deutlich, gegen wen er
sich genau wendet: Gegen bestimmte Literaturmeinungen,
gegen die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
oder gegen diejenige des Verfassungsgerichtshof
für das Land Baden-Württemberg? Während
er zumindest die entsprechenden Judikate nennt, bleibt
doch eine Leerstelle in seinen Fußnoten auffällig: Die
Habilitationsschrift von Gärditz wird dort mit keinem
Wort erwähnt,3 wenngleich die später erschienene Arbeit
von Daniel Krausnick4 intensiv gewürdigt und teils
zustimmend, teils ablehnend zitiert wird.
Der Sache nach folgt Herberger – insoweit weitestmöglich
von Gärditz entfernt – der Auffassung, dass
funktionale Selbstverwaltung letztlich aus der Hand des
Gesetzgebers folgt (Rn. 187 ff.), so verweist Herberger
auch nicht zufällig in seinem rechtshistorischen Abschnitt
in Rn. 187 darauf, dass „[i]n vorkonstitutionellen
Zeiten […] der jeweilige Landesherr Gründer solcher
Einrichtungen“ war. Herberger bezieht sich argumentativ
(in Rn. 199) insbesondere auf die Wasserverbands-Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember
2002 (BVerfGE 107, 59), die er – nicht zu Unrecht
– auch für die hochschulische (funktionale) Selbstverwaltung
fruchtbar macht. Nach hiesiger Sicht hätte aber
Leitsatz 2 Satz 1 dieser Entscheidung stärker gewürdigt
werden können: „Die funktionale Selbstverwaltung ergänzt
und verstärkt das demokratische Prinzip“. In Herbergers
Darstellung geht es demgegenüber weniger um
eine gegenseitige Effektivierung als um ein Entweder-
Oder, was in gewisser Weise auch deswegen verwundert,
da viele der von ihm inhaltlich behandelten Aufgaben im
Kooperations- (bzw. Kondominial-)Bereich angesiedelt
sind. Gleiches gilt auch für seine Ausführungen zu den
Hochschulräten: Ob und in welchem Umfang bzw. in
welcher Weise diese mit „Hochschulexternen“ besetzt
werden können, hängt nicht zuletzt von ihren Aufgaben
ab – auch hier ist die Darstellung recht schematisch (was
sie natürlich besonders gut lesbar macht). Gleichwohl
hat der Band insgesamt von der von Herberger und
Pautsch vorgenommenen wissenschaftlichen Vertiefung
enorm profitiert.
„Weiter so“, möchte man dem Herausgeber und dem
Autorenteam zurufen!
apl. Prof. Dr. Margrit Seckelmann, Speyer
Die Rezensentin ist Geschäftsführerin des Deutschen
Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung und
zugleich außerplanmäßige Professorin an der Deutschen
Universität für Verwaltungswissenschaften
Speyer.
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