I. Fragestellung
Die richtige Auswahlentscheidung in einem Berufungs- verfahren hat für eine Universität große Bedeutung. Misslingt der Auswahlprozess, werden nicht nur die mit der Neubesetzung einer Professur verbundenen struktu- rellen Überlegungen rasch zu Makulatur, nicht selten handelt sich die Hochschule auch personelle Probleme ein, die zeitraubend und ressourcenvernichtend sind. Im Bereich der Hochschulmedizin, in der mit der Vertre- tung eines Fachs in Forschung und Lehre auch Aufgaben in der Krankenversorgung verbunden sind, kann im Fal- le einer Fehlbesetzung ein erheblicher finanzieller Scha- den hinzukommen.
Im Verlaufe eines Berufungsverfahrens bestehen für die universitären Entscheidungsträger unterschiedliche Möglichkeiten, sich über die Kompetenz der Bewerber um die ausgeschriebene Professur ein Bild zu machen. So lassen die eingereichten Unterlagen zu Publikationen, erbrachten Lehrleistungen, eingeworbenen Drittmitteln, Vorträgen bis hin zu wahrgenommenen Funktionen in der scientific community eine Einschätzung der wissen- schaftlichen Reputation zu. Weiterer Aufschluss ergibt sich aus den Probevorträgen und den danach häufig mit den Bewerbern geführten Gesprächen im Kreise der Be- rufungskommission. Eingeholte auswärtige Gutachten führen im Regelfall zur Weichenstellung für die Erstel- lung der Berufungsliste und damit zur Entscheidung, wem der Ruf erteilt wird.
Gleichwohl können im Zuge der sich anschließenden Berufungsverhandlungen, in denen die sächliche, räum- liche und investive Ausstattung der Professur sowie fer- ner die persönlichen Rahmenbedingungen des Dienst- verhältnisses – im Bereich der Hochschulmedizin auch ein Chefarztvertrag – verhandelt werden, Zweifel auf- kommen, ob sich die gesteckten Ziele mit dem Rufadres- saten verwirklichen lassen. Das gilt vice versa.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob, un- ter welchen Voraussetzungen und bis zu welchem Stadi- um eines Berufungsverfahrens eine Universität die
1 Vgl. z.B. die Bayerische Verordnung über das Berufungsverfahren (BayBerufV) v. 3.8.2009, GVBl. 2009, S. 409; unmittelbar aus den Hochschulgesetzen folgt die Kompetenz zur Ruferteilung des Prä- sidenten bzw. Rektors z.B. in Hessen (§ 63 Abs. 3 S. 4 HessHG), in Sachsen (§ 60 Abs. 1 S. 1 SächsHG) oder in Baden-Württemberg,
„Reißleine ziehen“ und den einmal erteilten Ruf wieder zurücknehmen kann. Im Hinblick auf die eingangs be- schriebenen Folgen einer „Fehlberufung“ hat sie erhebli- che praktische Bedeutung.
II. Teilschritte eines Berufungsverfahrens
Der Ablauf eines Berufungsverfahrens vollzieht sich in Teilschritten, die in den Hochschulgesetzen der Länder geregelt sind. Hinzu kommen Verordnungen auf Lände- rebene, die Zuständigkeitsregelungen enthalten, etwa die Kompetenz zur Ruferteilung auf den Rektor bzw. den Präsidenten einer Universität übertragen.1 Schließlich ergänzen Bestimmungen in den Grundordnungen der Universitäten häufig die inneruniversitären Abläufe des Verfahrens, die vor allem die Schnittstellen zwischen Berufungskommission, Fakultäts- bzw. Fachbereichsrat, Senat bis hin zur Hochschulleitung betreffen.2
Abgesehen von Nuancen gestaltet sich der Ablauf ei- nes Berufungsverfahrens im Wesentlichen in allen Bun- desländern nach dem gleichen Raster: Einer universitätsin- ternen Entscheidung über die Neueinrichtung oder Wie- derbesetzung einer Professur – nebst Festlegung, Bestäti- gung oder Änderung der Funktionsbeschreibung – folgt deren öffentliche Ausschreibung. Fakultätsintern wird eine Berufungskommission gebildet. Die Kommission wählt aus den eingegangenen Bewerbungen geeignete Kandidaten aus, die zu Probevorträgen eingeladen wer- den; z.T. werden auch Kandidaten direkt angesprochen und aufgefordert, sich zu bewerben. Nach Einengung des Kandidatenkreises werden auswärtige Gutachten be- auftragt und in einer abschließenden Sitzung eine Beru- fungsliste verabschiedet. Es folgen unterschiedliche uni- versitätsinterne Abstimmungsprozesse, hier differieren die Regelungen in den Ländern. Beteiligt sind dabei Fa- kultäts- bzw. Fachbereichsrat, der Senat der Universität und das Rektorat bzw. das Präsidium. Die Berufungslis- te geht dann zur Ruferteilung an den zuständigen Minis- ter, in den meisten Bundesländern liegt die Rufertei- lungskompetenz mittlerweile aber bei den Hochschulen
dort im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium (§ 48
Abs. 2 S. 1 LHG BW).
2 Beispiele: § 50 Abs. 6 GO der Universität Würzburg v. 15.7.2007; §
24 Abs. 2 GO der Universität Freiburg v. 21.11.2012.
Frank Wertheimer
„Rolle rückwärts“ – Zur Rücknahme des Rufs in einem Berufungsverfahren
Ordnung der Wissenschaft 2015, ISSN 2197–9197
148 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2015), 147–154
direkt, so dass der Ruf vom Rektor bzw. Präsidenten er- teilt wird.3 Es schließen sich Berufungsverhandlungen an, abgeschlossen wird das Verfahren – im Falle einer Verbeamtung – mit der Ernennung4, bei einer Professur im Angestelltenverhältnis mit dem Abschluss des Dienst- bzw. Arbeitsvertrages. Im Falle einer klinischen Profes- sur kommt ein Chefarztvertrag für die Aufgaben in der Krankenversorgung hinzu.5
III. Rechtliche Bindungswirkung
Zu untersuchen ist in der Folge, welche Rechtswirkun- gen die unter II. dargestellten Teilschritte eines Beru- fungsverfahrens entfalten:
1. Universitätsinterne Strukturbeschlüsse, öffentliche Ausschreibung
Soweit auf Grundlage entsprechender Beschlüsse einer Fakultät die Hochschulleitung – ggfs. im Zusammenwir- ken mit dem zuständigen Landesministerium – eine neue Professur einrichtet oder eine bereits existierende zur Wie- derbesetzung freigibt, führt dies ebenso wenig zu einer Bindungswirkung wie die öffentliche Ausschreibung der Professur. Zum einen sind beide Teilschritte nicht perso- nenbezogen und entfalten zum anderen, insbesondere auch die öffentliche Ausschreibung, zugunsten der Bewerber um die dortige Position nur Bindung, als dokumentiert wird, dass eine bestimmte Stelle besetzt werden soll.6
2. Beschlussfassung der Berufungskommission
Auch wenn die Beschlussfassung der Berufungskommis- sion den ersten Teilschritt des Berufungsverfahrens dar- stellt, in dem eine personenbezogene Auswahlentschei- dung fällt, erzeugt diese keine Rechtsbindung zugunsten eines der gelisteten Bewerber. Mangels Außenwirkung i.S.d. § 35 LVwVfG fehlt hier der Rechtscharakter eines Verwaltungsaktes. Bei dieser Auswahlentscheidung der Berufungskommission handelt es sich um einen rein internen, über die jeweilige Fakultät an die Hochschul- leitung gerichteten, bloßen, wenn auch notwendigen rechtlich unselbständigen Zwischenschritt im Stellenbe-
- 3 Vgl. auch Detmer, in: HschR-Praxishandbuch, 2. Aufl. 2011, S. 133 (Rn. 71).
- 4 Auch die Ernennung ist in einigen Ländern bereits auf die Hochschule delegiert, vgl. etwa § 1 Nr. 1 der Verordnung über dienstrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Bayeri- schen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (ZustV-WKFM) v. 3.1.2011, GVBl. 2011, S. 26 oder § 4 Nr. 11 ErnG BW.
- 5 Beim sog. Integrationsmodell werden die Aufgaben in Forschung, Lehre und Krankenversorgung demgegenüber in einem einheit- lichen Vertrag zusammengefasst, so z.B. an der Universitätsme- dizin Mainz oder der Universitätsmedizin Göttingen.
setzungsverfahren.7 Gleiches gilt für die die Liste bestäti- genden Beschlüsse sowie die Stellungnahme des Fakul- täts- bzw. Fachbereichsrats oder des Hochschulsenats. Auch hier handelt es sich um rein interne Verfahrens- schritte ohne rechtliche Außenwirkung.
3. Ruferteilung
a) Ruf als Verwaltungsakt?
Hinsichtlich der Rechtsqualität eines Rufs, wie er vom zuständigen Landesminister oder vom Rektor bzw. Prä- sidenten einer Universität gegenüber einem gelisteten Bewerber erteilt wurde, werden unterschiedliche Auffas- sungen vertreten.
Namhafte Stimmen in der hochschulrechtlichen Li- teratur vertreten die Auffassung, der Ruf habe gegenüber dem Rufinhaber Verwaltungsaktsqualität.8 Entschei- dend sei, dass sich die Berufung eines Professors essenti- ell von der „Berufung“ eines sonstigen Beamten auf ei- nen Dienstposten unterscheide. Mit der Erteilung des Rufs sei das Auswahlverfahren beendet; dies komme in einem Berufungsschreiben dadurch zum Ausdruck, dass der Bewerber auf die ausgeschriebene Professur „ohne wenn und aber“ berufen werde, was den Bindungswillen des Landes bzw. der Universität nochmals unterstrei- che.9FolgtmandieserAuffassung,sokönnteeinerteilter RufnurnachMaßgabeder§§48,49LVwVfGzurückge- nommen werden.
Die Rechtsprechung vertritt hingegen die Auffas- sung, dass es sich bei einem Ruf lediglich um eine recht- lich unbeachtliche invitatio ad offerendum handelt, d.h. um eine Aufforderung an den Rufadressaten, in Beru- fungsverhandlungen mit der ruferteilenden Einrichtung einzutreten.10 Zur Begründung wird auf den Wortlaut des Rufschreibens abgestellt, welches in aller Regel nicht mehr als eine Absichtserklärung enthalte, in der Zukunft nach Einigung mit dem Rufadressaten – letztlich über die Ausstattung der Professur sowie über dessen persön- liches Statusverhältnis – ein Beamtenverhältnis oder ein privatrechtliches Dienstverhältnis begründen zu wollen, aus dem sich dann wechselseitige Rechten und Pflichten ergeben. Insoweit sei der Ruf nach der diesem zugrunde-
6 BVerwG, Urt. v. 25.4.1996, 2 C 21/95, BVerwGE 101,112; Detmer, in: HSchR-Praxishandbuch, aaO., S. 137 (Rn. 80) mwN.
7 BVerwG, Urt. v. 19.2.1998, 2 C 14/97, BVerwGE 106, 187.
8 Vgl. Epping, WissR 1992, 179; Detmer in: HSchR-Praxishand-
buch, aaO., S. 145 (Rn. 102) mwN.
9 Vgl. Detmer, WissR 1995, 1, 12, 14; Brehm/Zimmerling, Die Ent-
wicklung der Rechtsprechung zum Hochschullehrerrecht, www. zimmerling.de/veröffentlichungen/volltextsuche/ neu/hochschul- lehrerrecht.htm — Stand August 2001.
10 BVerwG, Urt. v. 19.2.1998, 2 C 14/97, aaO.; VG Wiesbaden, Urt. v. 20.3.1995, 8/V E 844/93, NVwZ-RR 1996, 207.
Wertheimer · Rücknahme des Rufs in einem Berufungsverfahren 1 4 9
liegenden Auswahlentscheidung ebenfalls ein notwendi- ger, aber rechtlich unselbständiger Zwischenschritt im Stellenbesetzungsverfahren.11
In der obergerichtlichen Rechtsprechung findet sich folgende Konkretisierung: Mit dem Ruf bekunde die nach Landesrecht zuständige Stelle ihre Bereitschaft, mit dem Adressaten in Berufungsverhandlungen einzutre- ten und zugleich zu erkunden, ob der Adressat bereit sei, die Professur zu übernehmen. Traditionell schließen sich an den Ruf die Berufungsverhandlungen an, die sich insbesondere auf den Status (Beamter oder Angestell- ter), die Ausgestaltung der Dienstpflichten und die Aus- stattung des vorgesehenen Aufgabenbereichs beziehen können. Erst danach entscheide sich, ob dem Bewerber die Stelle endgültig übertragen wird.12
Ruferteilungsschreiben lässt sich in der Tat zumeist nur eine Absichtserklärung entnehmen, wenn sie – zu- meist wie nachfolgend oder ähnlich – formuliert sind:
„Es ist grundsätzlich beabsichtigt, für die mit Forschung und Lehre zusammenhängenden Arbeiten einen Dienst- vertag abzuschließen. Dieser Dienstvertrag wird von der Universität abgeschlossen.“
Additiv in der Hochschulmedizin:
„Es ist beabsichtigt, die mit der Professur zusammenhän- genden Aufgaben der Leitung der klinischen Einrichtung einschließlich des damit verbundenen Liquidations- rechts durch Chefarztvertrag zu regeln. Dieser Chefarzt- vertrag wird vom Universitätsklinikum abgeschlossen. Für Berufungsverhandlungen, insbesondere über die Ausstattung der Professur sowie zur Klärung weiterer mit der Stellenbesetzung zusammenhängender Fragen steht Ihnen der Dekan in der Fakultät für … gerne zur Verfügung.“
Insbesondere die Formulierungen „es ist grundsätz- lich beabsichtigt“ sowie „auch ist vorgesehen“, die sich mit den Vorstellungen einer Fakultät – bei Professuren mit Aufgaben in der Krankenversorgung auch eines Uni- versitätsklinikums – auf die statusrechtliche Situation des Berufungsadressaten beziehen, sprechen dagegen, einsolchesSchreibenalsVerwaltungsaktzuwerten.Die Auslegung einer Ruferteilung nach dem Empfängerhori- zont lässt im Grunde keine andere Entscheidung zu, so dass der Rechtsprechung zu folgen ist.
Das BVerwG hat seine Auffassung, es handele sich bei der Ruferteilung nicht um einen Verwaltungsakt, fer-
- 11 BVerwG, Urt. v. 19.2.1998, aaO.
- 12 Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.06.2010, 1 L 56/10, juris,Rn. 7; ebenso OVG NRW, Urt. v. 22.7.2014, 6 A 815/11, DÖV
ner damit begründet, dass die dortige streitgegenständli- che landesrechtliche Bestimmung keine Rechtsgrundla- ge dafür enthalte, durch einseitige Regelung mit Außenwir- kung eine verbindliche Rechtsfolge als Zwischenschritt im Berufungsverfahren zu setzen. Die Auswahlentscheidung werde erst mit der Übertragung des Amtes des Professors verbindlich getroffen.13
Zum Zeitpunkt der mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.1998 be- stimmte die damalige Fassung des § 45 Abs. 2 S. 1 HRG, dass Professoren auf Vorschlag der Hochschule von der nach Landesrecht zuständigen Stelle berufen werden. Mit diesem Vorschlagsrecht wurde der Hochschule bei der Berufung von Professoren ein Mitwirkungsrecht eingeräumt, womit der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG in besonderer Weise Rechnung getragen wurde. Das BVerwG hat in diesem Zusammenhang fest- gehalten, dass diese Mitwirkungshandlung, also das Vor- schlagsrecht der Hochschule, keine subjektiven Rechte des Vorgeschlagenen begründe.14 Ergibt sich damit in den Fällen etwas anderes, in denen nach Länderrecht die Ruferteilung nicht mehr dem zuständigen Minister son- dern dem Rektor bzw. Präsidenten der Universität übertra- gen ist? Und spielt möglicherweise eine Rolle, dass in sol- chen Fällen, wie etwa nach § 1 Nr. 1 der Verordnung über dienstrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, For- schung und Kunst (ZustV-WFKM) vom 03.01.2011 (GVBl. 2011, S. 26) oder § 4 Nr. 11 ErnG BW die Zustän- digkeit für die Ernennung von Hochschulprofessoren bei der Universität liegt und, soll mit dem Hochschul- professor lediglich ein privatrechtliches Dienstverhältnis abgeschlossen werden, diese auch für den Abschluss des Arbeitsvertrages zuständig ist?
Nach hier vertretener Auffassung wurden hierdurch lediglich die Zuständigkeiten für den Ablauf eines Beru- fungsverfahrens geändert und die Autonomie der jewei- ligen Universitäten gestärkt. Hingegen ändern diese neu- en Zuständigkeiten nichts am Rechtscharakter der Ru- ferteilung an sich. Nach wie vor schließen sich erst an die Ruferteilung konkrete Berufungsverhandlungen an, die letztlich Aufschluss darüber geben, ob es zwischen der Universität und dem zu Berufenden zu einer Überein- stimmung hinsichtlich der zu besetzenden Professur kommt, insbesondere ob eine Einigung über deren Aus- stattung sowie über den persönlichen Status des Rufad- ressaten erzielt werden kann. Ebenso wie sich im Rah- men dieser Verhandlungen beim Rufadressaten Zweifel an der Übernahme der Professur und den damit verbun-
2014, 982.
13 BVerwG, Urt. v. 19.2.1998, aaO. 14 BVerwG, Urt. v. 19.2.1998, aaO.
150 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2015), 147–154
denen Aufgaben ergeben können, die am Ende eine Rufablehnung durch ihn nach sich ziehen, verhält sich dies umgekehrt. Dieser Überlegung widerspräche es, wenn die Universität in der Verhandlungssituation rechtlich gebunden wäre, auch wenn sie erkennt, dass der Berufene letztlich für die entsprechende Stelle doch nicht in Betracht kommt.
Die Auffassung, die das BVerwG vertritt, teilt das BAG für den Fall, dass mit der Ruferteilung – nach ent- sprechenden Berufungsverhandlungen – der Abschluss eines Arbeitsverhältnisses intendiert ist. So sieht auch das BAG in der Erteilung eines Rufs kein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages sondern stimmt viel- mehr mit der zuvor dargestellten Auffassung zum Erklä- rungswert einer Ruferteilung überein.15 Danach be- schränkt sich die Ruferteilung auf eine Anfrage zur grundsätzlichen Bereitschaft eines Bewerbers auf Über- nahme einer bestimmten Professorenstelle, der kein rechtsverbindlicher Charakter beigemessen wird.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass in dem Ru- ferteilungsschreiben, unabhängig davon, ob es vom zu- ständigen Landesminister oder vom Rektor bzw. Präsi- denten einer Universität stammt, kein Verwaltungsakt zu sehen ist, der gegenüber dem Rufadressaten verbind- liche Rechtswirkungen erzeugt. Keine Bedenken beste- hen daher gegen die gängige Praxis, dem Rufadressaten eine Frist zu setzen, innerhalb der sich die Universität an die Ruferteilung gebunden fühlt. Lässt der Rufadressat diese Frist verstreichen, kann der Ruf an den Nächstplat- zierten erteilt werden.
b) Zusicherung
Ein Ruferteilungsschreiben ist in aller Regel auch keine Zusicherung i.S.d. § 38 Abs. 1 LVwVfG.
Der Anspruch, in ein Beamtenverhältnis berufen zu werden oder mit dem zu Berufenden einen privatrechtli- chen Dienstvertrag abzuschließen, der die Aufgaben in Forschung und Lehre regelt, kann zwar grundsätzlich Gegenstand einer Zusicherung sein.16 Von einer Rechts- verbindlichkeit i.S.d. Vorschrift wird stets dann ausge- gangen, wenn der Wille einer Behörde, sich für die Zu- kunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu be- gründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist, da- mit sie als Zusicherung angenommen werden kann.17
Ist eine Ruferteilung so wie oben dargestellt formu-
- 15 BAG, Urt. v. 9.7.1997, 7 AZR 424/96, NZA 1998, 752.
- 16 Vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 4.3.1991, 1 TG 3306/90, juris, Rn. 29für die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
- 17 BVerwG, Urt. v. 7.2.1986, 4 C 28/84, NJW 1986, 2267; BVerwG,Urt. v. 22.1.1998, 2 C 8/97, NVwZ 1998, 1082; Stelkens/Bonk/ Sachs/Stelkens, VwVfG, 8. Auf. 2014, § 38 Rn. 21.
liert – und das ist der Regelfall – handelt es sich aber nur um eine bloße Absichtserklärung. Diese Auslegung ent- spricht dann dem Willen der Universität und ist auf Grundlage des § 133 BGB auch vom objektiven Empfän- gerhorizont nicht anders zu verstehen.
4. Rücknahme des Rufs
Handelt es sich bei einem Ruf demnach nicht um einen rechtsverbindlichen Akt, weder im Sinne eines Verwal- tungsaktes noch im Sinne einer Zusicherung, sondern viel- mehr nur um eine unselbständige Vorbereitungshandlung mit verfahrensrechtlichem Charakter, so kann der Ruf ohne Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 48, 49 LVwVfG wie- der zurückgenommen werden. Zuständig für die Rücknah- medesRufsist–alsactuscontrariuszurRuferteilung–die ruferteilende Stelle, mithin der zuständige Landesminister oder der Rektor bzw. der Universitätspräsident.
Freilich stellen sich bei der Rücknahme eines Rufs verschieden Fragen:
a) Rücknahme als Verwaltungsakt?
Zu klären ist zunächst, ob die Rücknahme des Rufs ein Verwaltungsakt ist. Daran wurden in der Literatur zum Teil Zweifel geäußert, weil die mehrfach zitierte Ent- scheidung des BVerwG aus dem Jahre 1998 dahingehend interpretiert wurde, dass das Zurückziehen eines Rufan- gebots ebenso wenig ein Verwaltungsakt sei wie das Rufangebot selbst.18 Dem ist entgegen zu halten, dass mit der Rücknahme des Rufs gegenüber dem Listenplat- zierten verbindlich bestimmt wird, dass er für die Pro- fessur nicht mehr in Betracht kommt. Das hat auch das BVerwG in dem Fall so gesehen, in dem dem Rufadres- saten mitgeteilt worden war, dass eine Berufung in ein Beamtenverhältnis abgelehnt werde. Eine solche Mittei- lung sei ein Verwaltungsakt.19 Für diese Einschätzung spricht auch folgende Überlegung: Ist das Auswahlver- fahren um eine Professur abgeschlossen, so wird die den Ruf erteilende Stelle als verpflichtet angesehen, den nicht berücksichtigten Bewerbern rechtzeitig vor der Ernen- nung oder der dienstvertraglichen Anstellung des Rufin- habers eine begründete Mitteilung zu machen, dass und weshalb sie in dem Auswahlverfahren keine Berücksich- tigung gefunden haben und die Ernennung bzw. Einstel- lung des Rufinhabers bevorsteht. Eine solche Mitteilung gegenüber den unterlegenen Bewerbern wird als Ver- waltungsakt qualifiziert.20 Wenn der Minister, respektive
18 Vgl. Hartmer, F&L 2000, 149.
19 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.1998, juris, Rn. 21.
20 Vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.5.1996, 2 L 1225/96, n.v.; VG
Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.9.1995, 1 L 2001/95, juris; ebenso Detmer in: HSchR-Praxishandbuch, aaO., S. 145 (Rn. 103).
Wertheimer · Rücknahme des Rufs in einem Berufungsverfahren 1 5 1
der Rektor oder der Präsident gegenüber dem Rufad-ressa- ten demnach die Rücknahme des Rufs erklärt, so kommt dem die gleiche Rechtsqualität zu, lediglich mit dem Unter- schied, dass die Erklärung zeitlich vorverlagert ist.
b) Rechtmäßigkeit der Rücknahme
Ist die Rufrücknahme demnach ein Verwaltungsakt, muss dieser rechtmäßig sein. In Betracht zu ziehen ist, ob dabei die Grundsätze für den Abbruch eines Beru- fungsverfahrens herangezogen werden können.
Es entspricht allgemeiner Meinung, dass ein Beru- fungsverfahren jederzeit abgebrochen und neu eröffnet werden kann, dies auch dann, wenn die Vorschlagsliste noch nicht erschöpft ist und solange Rechte Dritter da- durch nicht beeinträchtigt werden.21 Begründet wird dies letztlich damit, dass die Hochschule aus jedem Grund, der indenweitgestecktenRahmenihrerOrganisationskompe- tenz fällt, ein solches Verfahren beenden kann.22
Indessen lassen sich diese Überlegungen auf den Fall einer Rufrücknahme nicht übertragen. Damit ist näm- lich nicht das beim Abbruch von Berufungsverhandlun- gen entscheidende Organisationsermessen sondern viel- mehr das Auswahlermessen bezüglich der gelisteten Be- werber betroffen.
Die Rücknahme eines Rufs könnte gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen, insbesondere stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Erstplatzierte hieraus einen Anspruch auf Fortsetzung der Berufungsverhandlungen ableiten kann.23 In formeller Hinsicht lässt sich demgegenüber einwenden, dass der Ruferteilende von Anfang an berechtigt gewesen wäre, von dem Listenvorschlag der Fakultät abzuweichen. Das ist in den Hochschulgesetzen der Länder überwiegend so vorgesehen, beispielsweise regelt § 2 Abs. 1 S. 2 BayBe- rufV, dass der Präsident an die Reihung des Berufungsvor- schlages nicht gebunden ist.24 Ähnliches bestimmt § 48 Abs. 2 S. 1 2. HS LHG BW, wonach der Rektor in begründeten Fällen vom Berufungsvorschlag abweichen kann.25
Verletzt die vom Vorschlag der Hochschule abwei- chende Ruferteilung des Ministeriums nicht die instituti- onell garantierte Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) der Hochschule, so gilt dies erst recht, wenn der Präsi- dent der Universität vom Berufungsvorschlag abweicht. Ist dieser demnach befugt, den Ruf ohne Bindung an die Reihung des Berufungsvorschlags zu erteilen, so schließt
- 21 Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.2.1994, 3 M 7/94, juris; OVG Koblenz, Beschl. v. 9.3.1993, 2 B 11743/93 n.v., vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.4.1996, 2 C 21/95, BVerwGE 101,112.
- 22 Vgl. etwa Detmer, WissR 1997, 193 ff.; Detmer, in: HSchR-Praxis- handbuch, aaO., S. 145 (Rn. 102); Brehm/Zimmerling, vgl. Fn. 8, unter II. 3. e).
- 23 Vgl. BAG, Urt. v. 9.7.1997, 7 AZR 424/96, juris, Rn. 19 sowie BVerwG v. 19.2.1998, aaO., juris, Rn. 28.
- 24 Ebenso VGH München, Beschl. v. 3.6.1998, 7 ZE 98.714, DVBl
dies ein, dass er von der zunächst verfolgten Reihung im Laufe des Berufungsverfahrens abweichen kann. Da – wie gesehen – die Ruferteilung keinen rechtsverbindli- chen Charakter hat, wird insoweit in keine rechtlich be- reits gefestigte Position des Rufadressaten eingegriffen.
Materiellrechtlich gelten nach der Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen an die Rücknahme ei- nes Rufs. Nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährt die Recht- sprechung einer Hochschule grundsätzlich eine verfas- sungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschul- lehrerstelle. Wie bei der Abweichung von einem Beru- fungsvorschlag kommen personalpolitische, wissen- schaftspolitische wie auch fachwissenschaftliche Gründe dafür in Betracht.26 Nach Maßgabe dieser Überlegungen hält es die Rechtsprechung für zulässig, einen Bewerber abweichend von der Reihenfolge des Berufungsvor- schlags für die zu besetzende Professorenstelle auszu- wählen und zu berufen. Da auch dieser Bewerber von der Hochschule vorgeschlagen und deshalb ihrer Mei- nung nach für die zu besetzende Hochschullehrerstelle qualifiziert ist, werde Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht be- rührt.27 Dabei können nicht nur rechtlich zwingende sondern auch unterhalb dieser Schwelle liegende Grün- de, die die personelle Eignung des Bewerbers berühren, hinreichendes Gewicht haben.28 Bei einem Berufungs- vorschlag mit mehreren Bewerbern ist (zwangsläufig) eine Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen für den Bewerber zu treffen, der am besten geeignet erscheint, den sich ihm stellenden Aufgaben nach Art und Umfang gerecht zu werden.
Für eine Rücknahme des Rufs wäre es beispielsweise ausreichend, wenn sich im Laufe der Berufungsverhand- lungen zeigt, dass die konzeptionellen Vorstellungen des Bewerbers zur Ausfüllung der Professur nicht mit den denen der Fakultät kompatibel sind, etwa weil er Schwer- punkte setzen möchte, die in der Fakultät schon durch eine andere Professur vertreten sind oder weil diese mit einer von der Fakultät beabsichtigten Antragstellung, z.B. für einen Sonderforschungsbereich, nicht kompati- bel sind. Ein ausreichender Grund für eine Rufrücknah- me wäre auch darin zu sehen, dass die Forderungen des Bewerbers für die personelle, sachliche oder investive Ausstattung der Professur so erheblich über dem zur
1998, 1354; vgl. auch Detmer, in: HSchR-Praxishandbuch, aaO., S.
135 (Rn. 74).
25 So auch § 60 Abs. 3 S. 5 HessHG; für den Fall der Ruferteilung
durch den Minister, siehe § 50 Abs. 3 LHG Rheinland-Pfalz.
26 BVerwG, Beschl. v. 30.6.1998, 2 B 89/87, juris; vgl. BVerwG, Urt. v. 22.4.1977, VII C 17.74, NJW 1977, 1837; VGH München v.
3.6.1998, aaO.
27 Vgl. BVerwG, Urt. v. 9.5.1985, aaO., Rn. 30.
28 Vgl. BVerwG, Urt. v. 9.5.1985, 2 C 16/83, juris, Rn. 29 u. 30.
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Verfügung stehenden Budget liegen, dass ein erfolgrei- cher Abschluss der Berufungsverhandlungen mit diesem Bewerber nicht zu erwarten ist. Freilich müsste gerade im letzten Fall dem Bewerber im Laufe der Verhandlun- gen die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Ausstat- tungswünsche den vorhandenen finanziellen Spielräu- men anzupassen. Andernfalls liefe die Universität Ge- fahr, dass eine sofortige Rufrücknahme als ermessens- fehlerhaft eingestuft werden könnte. Hingegen lässt sich eine Rufrücknahme nicht auf sachfremde Erwägungen stützen, etwa solche, die den Wertungen des § 1 AGG wi- dersprechen. Das BVerwG verlangt allerdings, dass in der Entscheidung gegenüber dem abgelehnten Bewerber, dem gegenüber der Ruf wieder zurückgenommen wird, er- kennbar sein muss, welche konkreten Beweggründe für die Entscheidung maßgebend gewesen sind.29
Werden diese Vorgaben eingehalten, kann ein erteil- ter Ruf zurückgenommen werden.
c) „Point of no return“
Berufungsverhandlungen münden im Regelfall in ein konkretes Berufungsangebot an den Bewerber, welches in schriftlicher Form Zusagen zu dessen statusrechtli- cher Stellung – im Falle einer Verbeamtung beispielswei- se zu Besoldungszulagen, im Falle eines privatrechtli- chen Dienstverhältnisses zur Vergütung – wie auch zur sächlichen, personellen bis hin zur investiven Ausstat- tung der Professur enthält. Somit stellt sich die Frage, ob die obigen Ausführungen zur Rücknahme eines Rufs auch dann noch gelten, wenn dem Bewerber ein solches Berufungsangebot bereits zugegangen ist. Schon auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass das Berufungsverfahren in diesem Falle einen gesteigerten Verbindlichkeitsgrad gegenüber der Phase erreicht hat, in der Universität und Bewerber über ihre jeweiligen Vorstellungen lediglich miteinander diskutiert haben. Diesem gesteigerten Ver- bindlichkeitsgrad steht nicht entgegen, dass die in einem Berufungsangebot enthaltene Ausstattungszusage nach den Ländergesetzen einem Haushaltsvorbehalt unterlie- gen und idR auch nur befristet erfolgt.30 Insbesondere die Befristung von Ausstattungszusagen betrifft lediglich die Frage, für welchen Zeitraum die mit der Berufung zugesagten Ressourcen gewährt werden und soll der Universität die Möglichkeit einräumen, über die Mittel-
- 29 Vgl. BVerwG, Urt. v. 9.5.1985, aaO., Rn. 26.
- 30 Vgl. z.B. § 48 Abs. 4 LHG BaWü, § 18 Abs. 9 BayHSchPG, § 78Abs. 5 ThüHG, § 37 Abs. 3 S. 1 HZG NRW.
- 31 Kluth/Reinhardt, WissR 2004, 288, 294; sehe auch Thieme, Deut-sches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 720 ff.
- 32 Siehe etwa OVG NRW, Urt. v. 27.11.1996, 25 A 3079/93, WissR 1997,175; Detmer in: HSchR-Praxishandbuch, aaO., S. 149 (Rn. 113).
- 33 OVG Sachsen, Urt. v. 21.1.2010, 2 A 156/09, DVBl. 2010, 591;
zuweisung gerade auch unter Leistungsgesichtspunkten nach Ablauf der Befristungsdauer neu zu entscheiden.
Zur Frage der Rechtsnatur einer Ausstattungszusage im Rahmen einer Berufung werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Hierfür kommen grundsätzlich Verwaltungsakt, Nebenbestimmung, Zusicherung bzw. Zusage oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Be- tracht.31 Teilweise wird in einer Berufungsvereinbarung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gesehen32, womit das Schreiben der Universität an den Rufadressaten ein An- gebot zum Abschluss eines solchen Vertrages wäre. Zum Teil wird auf die äußeren Umstände abgestellt: Liegt le- diglich eine einseitige Erklärung seitens der Universität vor, soll eine Zusicherung bzw. Zusage gem. § 38 Abs. 1 LVwVfG vorliegen, liegen wechselseitige, am Ende de- ckungsgleiche Erklärungen von Universität und Hoch- schullehrer vor, wird von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgegangen.33 Der Streit hierüber wird an die- ser Stelle nicht vertieft, zumal er sich für die hier zu be- handelnde Frage in der Konsequenz nicht auswirkt.
Sieht man im Berufungsangebot, welches eine kon- krete Ausstattungszusage enthält, eine Zusicherung iSd § 38 Abs. 1 LVwVfG, so kann sich die Universität nach deren Abgabe davon nur lösen, wenn ein Fall des § 38 Abs. 3 LVwVfG vorliegt, d.h. es müsste nachträglich eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten sein und die Universität in Kenntnis dieser Änderung eine Zusicherung nicht abgegeben hätte oder aus rechtli- chen Gründen nicht hätte geben dürfen. Zwar sind für eine Änderung der Sach- und Rechtslage Umstände aus der Sphäre der Behörde – hier also der Universiät –, von der die Zusicherung stammt, nicht von vornherein aus- geschlossen.34 Gleichwohl reichen die o.g. unter IV. 2. genannten Gründe aus Sicht des Verfassers nicht mehr aus, sich der Zusicherung gem. § 38 Abs. 3 LVwVfG durch Rücknahme des Rufs zu entziehen. Um die Bin- dungswirkung der Zusicherung nicht in das Belieben der Universität zu stellen, kommt eine Rücknahme des Rufs in dieser Phase des Berufungsverfahrens im Grun- de nur dann in Betracht, wenn der Universität, bzw. dem Land im Falle der Ruferteilung durch den Minister, Tat- sachen aus der Sphäre des zu Berufenden bekannt wer- den, die eine Ernennung zum Beamten oder dem Abschluss eines Arbeitsvertrages zwingend entgegen ste-
VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.10.2008, 9 S 1507/06, VBlBW 2009, 69; freilich ist das Schriftformerfordernis des § 57 LVwVfG zu beachten, wonach sich die Unterschriften beider Parteien auf einer Urkunde befinden müssen, vgl. OVG Nieder- sachen, Urt. v. 13.8.1991, 9 L 362/89, NJW 1992, 1404; Löwer, WissR 1993, 233, 235 ff.
34 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, aaO., § 38 Rn. 99 ff.
Wertheimer · Rücknahme des Rufs in einem Berufungsverfahren 1 5 3
hen. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Universität von einer erheblichen Verletzung von Dienstpflichten im bestehenden Dienstverhältnis oder von Verhaltenswei- sen des zu Berufenden erfährt, die sich als Missbrauch der Wissenschaftsfreiheit darstellen, etwa die Fälschung von Forschungsergebnissen oder das Vorliegen von Wis- senschaftsplagiaten. Diese Überlegungen gelten in glei- chem Maße, wenn man in dem eine Ausstattungszusage enthaltenden Berufungsangebot ein Angebot zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sieht. Nach § 62 S. 2 LVwVfG sind die Vorschriften des Bürger- lichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar. Hat die Universität ein Berufungsangebot abgegeben, ist sie dar- an gem. § 145 BGB gebunden. Ein Erlöschen des Ange- bots richtet sich nach Maßgabe der §§ 146 ff. BGB. Damit kann sich die Universität von einem wirksam abgegebe- nen Angebot letztlich nur über eine Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB lösen. Die o.g. Gründe, die eine Lösung von einer Zusicherung gem. § 38 Abs. 3 LVwVfG recht- fertigen, berechtigten auch zu einer Anfechtung, insbe- sondere wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB. Die Rücknahme eines Rufs nach Abgabe eines ver- bindlichen Berufungsangebots ist damit auf enge Aus- nahmefälle begrenzt.
5. Praktisches Vorgehen
Die Situation, in der eine Universität erwägt, einen erteil- ten Ruf zurück zu nehmen, ist sensibel. Auf Universitäts-
seite ist sie mit der Erkenntnis verbunden, im Auswahl- verfahren eine falsche Entscheidung getroffen zu haben; auf der anderen Seite sieht der Rufadressat seine wissen- schaftliche Reputation gefährdet und ist die Rufrück- nahme mitunter mit einem erheblichen Gesichtsverlust für ihn verbunden. Liegen keine Gründe vor, wie sie oben unter III. 3. beschrieben wurden, ist eine Universi- tätsleitung gut beraten, vor einer offiziellen Rücknahme des Rufs das Gespräch mit dem Rufadressaten zu suchen und ihm die Gründe zu erläutern, die sie zu dieser Ent- scheidung bewogen haben. Weiterer Flurschaden lässt sich für beide Seiten vermeiden, wenn der Rufadressat sich daraufhin entschließt, seine Bewerbung zurück zu ziehen. Die Universität hätte bei derartigem Ausgang auch Gewissheit, dass ein Konkurrentenstreit vermieden wird.
Der Autor ist Partner der Kanzlei KRAUSS LAW in Lahr/ Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jahre im Universitätsbe- reich, davon über 10 Jahre in der Hochschulmedizin, zuletzt als Kaufmännischer Direktor des Universitäts- klinikums Freiburg, tätig. Zu seinen Beratungsfeldern- gehört im Bereich des Arbeitsrechts auch das Hoch- schulrecht.
154 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 3 (2015), 147–154