I. Einführung Lässt sich von einer „Gerontokratie“ an Hochschulen1 sprechen, wird die akademische Selbstverwaltung also zu sehr von Älteren dominiert? Sollte Jüngeren mehr Einfluss in den Hochschulgremien eingeräumt werden, weil dies innovative Impulse und ein Aufbrechen gefestigter, vielleicht teilweise auch überkommener, Strukturen verspricht, weil es eine Mitwirkung derjenigen, die von zukunftsbezogenen Entscheidungen an Hochschulen am längsten betroffen sind, garantiert? Könnte auf diesem Wege „Generationengerechtigkeit“ an den Hochschulen hergestellt werden? Rechtlich gilt es dabei die Frage zu untersuchen, ob Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, aus dem die Mitwirkungsrechte an der Hochschule abgeleitet werden, eine verstärkte Mitwirkung Jüngerer ge- oder gerade verbietet oder ob das Kriterium “Alter“ insoweit keine Rolle spielen kann. II. Grundsätzliches zu den Mitwirkungsrechten an der akademischen Selbstverwaltung2 Bei der akademischen Selbstverwaltung handelt es sich um funktionale, um „grundrechtsverwirklichende“, nicht um demokratische Selbstverwaltung.3 Somit ist sie nicht durch demokratisch-egalitäre Partizipation,4 sondern durch eine aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG folgende, abgestufte Mitwirkung der Mitgliedergruppen gekennzeichnet.5 Die genauen Anforderungen, die sich aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG für die Mitwirkung ergeben, hat das BVerfG 1973 in seinem Hochschulurteil grundlegend herausgearbeitet. In dieser Entscheidung werden die Hochschullehrer als „Inhaber der Schlüsselfunktionen des wissenschaftlichen Lebens“6 bezeichnet, deren besondere Stellung sich aus ihrer „Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit“ ergebe.7 Diese herausgehobene Stellung der Hochschullehrer kann freilich – wie vom BVerfG zutreffend dargestellt – nur für wissenschaftsrelevante Angelegeneheiten Geltung beanspruchen.8 Zu den Hochschullehrern gehören nach dem vom BVerfG in seinem Hochschulurteil geprägten „materiellen Hochschullehrerbegriff “ diejenigen akademischen Forscher und Lehrer, die „aufgrund der Habilitation oder eines sonstigen Qualifikationsbeweises mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut“ sind.9 Erforderlich sei eine „homogen“ zusammengesetzte Gruppe der Hochschullehrer, die sich durch eine „typische Interessenlage“ auszeichnen müsse.10 Die Mitwirkungsrechte der wissenschaftlichen Mitarbeiter werden, ebenfalls der überzeugenden Auffassung des BVerfG zufolge, dem Grunde nach auch durch das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit geschützt.11 Den Studierenden soll das Recht aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gleichfalls zustehen, „solange und soweit sie an der Forschung und wissenschaftlichen Lehre“ teilnehmen. Dass dagegen die nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht unter den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen, soll keinen hinreichenden Grund für ihren generellen Ausschluss von der Beteiligung darstellen. Ihre Mitwirkung als solche soll auch nicht in unzulässiger Weise in die verfasSilvia Pernice-Warnke Status und Alter in der akademischen Selbstverwaltung 1 Zur Begrifflichkeit siehe bereits den Beitrag von Paul B. Baltes „Wider die Gerontokratie“ in der „Zeit“ v. 4.4.1997, Ausgabe 15/1997. 2 S. hierzu auch bereits Pernice-Warnke, Die Mitwirkung der Gruppe der Hochschullehrer und der sonstigen Statusgruppen an der universitären Selbstverwaltung, Rechtswissenschaft 2/2017, 227. Der vorliegende Beitrag stellt eine Fortentwicklung der dort angestellten Überlegungen, insbesondere unter Berücksichtigung des Aspekts „Alter“, dar. 3 Zur Abgrenzung der akademischen von der kommunalen Selbstverwaltung als „demokratischer“ Selbstverwaltung und von der übrigen funktionalen Selbstverwaltung Jestaedt, Selbstverwaltung als „Verbundbegriff “, Die Verwaltung 35 (2002), 293 (316); ders., Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 530. Für eine Sonderstellung der akademischen Selbstverwaltung als „Freiheitssicherung für ein sensibles Grundrecht“ auch SchmidtAßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 96. 4 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 1987, § 22 Rn. 33. 5 So auch Fehling, Neue Herausforderungen an die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, Die Verwaltung 35 (2002), 399 (402 f.), der die Hochschulselbstverwaltung allerdings über Art. 5 Abs. 3 GG hinaus für grundrechtsgeprägt hält und einen „quasidemokratischen Ansatz“, der auf „Partizipation und Repräsentation aller Hochschulangehörigen abzielt,“ befürwortet. 6 BVerfGE 35, 79 (127). 7 BVerfGE 35, 79 (127, 131). 8 BVerfGE 35, 79 (130 f.). 9 BVerfGE 35, 79 (125 ff.). 10 BVerfGE 35, 79 (134 f.). 11 BVerfGE 35, 79 (125). Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197 4 6 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 45–54 12 BVerfGE 35, 79 (126 ff.); zum Streit, ob die Einbeziehung nichtwissenschaftlicher Mitarbeiter in den Kreis der Hochschulmitglieder sachgerecht erscheint, auch Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S. 556, Fn. 710 m.w.N. 13 S. z.B. § 11a Abs. 1 HG NRW, § 14 Abs. 1 S. 3 HG SH oder § 10 Abs. 1 S. 1 LHG BW. 14 § 22 Abs. 2 S. 3 HG NRW bestimmt, dass die Stimmen der Vertreter der Gruppen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 im gleichen Verhältnis zueinander stehen, es sei denn, es liegt eine Regelung in der Grundordnung nach § 11a Abs. 2 S. 2 vor und das Ministerium hat dies schriftlich gegenüber der Hochschule festgestellt. 15 Von den studienberechtigten Schulabgängern des Jahres 2014 begannen insgesamt 45% ein Studium im Jahr des Studienerwerbs, 23% ein Jahr danach und 6% zwei Jahre danach. Somit nahmen rund 73% der Studienberechtigten aus dem Jahr 2014 innerhalb von zwei Jahren ein Studium auf, Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick, 2018, S. 12. 16 Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Hochschulen/ Tabellen/StudierendeErstesFSBundeslaender.html. 17 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/ BildungForschungKultur/Hochschulen/Tabellen/StudierendeInsgesamtBundeslaender.html. 18 Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick, 2018, S. 24 f. 19 Staatsvertrag über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung vom 17.3.2016. 20 Derzeit Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie. sungsrechtlich abgesicherten Mitwirkungsrechte der Hochschullehrer eingreifen.12 Das Modell der Gruppenuniversität, das eine grundsätzliche Mitwirkung aller Mitgliedergruppen der Hochschule vorsieht, wurde somit in der Entscheidung für mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vereinbar befunden. Die Vorgaben des BVerfG zu den abgestuften Mitwirkungsrechten haben Eingang in die Hochschulgesetze der Länder gefunden, die bestimmen, dass sich Art und Umfang der Mitwirkung der einzelnen Mitgliedergruppen nach Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit der Mitglieder richten.13 Teilweise ist aber auch eine viertelparitätische Gremienbesetzung vorgesehen, so beispielsweise im HG NRW für den Senat.14 III. Die Altersstruktur der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Statusgruppen Der Altersstruktur der Statusgruppen kommt zwar hinsichtlich der Altersstruktur der Hochschulgremien nur mittelbare Bedeutung zu, weil aus einer Statusgruppe mit überwiegend jüngeren Angehörigen auch gerade die Ältesten und umgekehrt aus Statusgruppen mit überwiegend älteren Angehörigen auch gerade die Jüngsten gewählt werden können. Hinsichtlich des aktiven Wahlrechts stellt sich die Altersstruktur der Statusgruppe jedoch als unmittelbar relevant dar. Bei den folgenden statistischen Angaben zum Durchschnittsalter in den einzelnen Gruppen ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich dieses auf eine Personalgruppe bezieht, die nicht vollumfänglich mit der Zusammensetzung der entsprechenden Statusgruppe an der jeweiligen Hochschule übereinstimmt und dass es sich um hochschulübergreifend ermittelte Durchschnittswerte handelt, die keine Aussage über das Durchschnittsalter in der entsprechenden Gruppe an einer einzelnen Hochschule zu treffen vermögen. 1. Die Alterszusammensetzung der Gruppe der Studierenden Der Großteil der Hochschulzugangsberechtigten nimmt ein Studium im Anschluss an die Schule, in jungem Alter auf,15 nicht zuletzt auch wegen rechtlicher oder tatsächlicher Höchstaltersgrenzen für die Aufnahme bestimmter Berufe. Insgesamt lag das Durchschnittsalter (Median) der Studienanfänger im Studienjahr 2017/18 bei 21,5,16 das Durchschnittsalter (Median) der Studierenden im WS 2017/18 bei 24,517 und das Durchschnittsalter (Median) zum Zeitpunkt des Studienabschlusses bei universitären Abschlüssen bei 26 Jahren.18 Teilweise existieren auch Höchstaltersgrenzen. So werden gemäß § 8 Abs. 3 des Staatsvertrags über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung19 diejenigen, die zum Bewerbungsstichtag das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, am Auswahlverfahren hinsichtlich der im zentralen Verfahren vergebenen Studienplätze20 nur beteiligt, wenn für das beabsichtigte Studium unter Berücksichtigung der persönlichen Situation schwerwiegende wissenschaftliche oder berufliche Gründe sprechen. Die darin liegende, an (Art. 12 i.V.m.) Art. 3 Abs. 1 GG zu messende, Ungleichbehandlung aufgrund des Alters lässt sich dadurch rechtfertigen, dass vorrangig solchen Personen der Zugang zum Studium ermöglicht werden soll, die dieses als Vorbereitung für eine im Anschluss an das Studium aus Altersgründen auch noch tatsächlich in Betracht kommende Berufstätigkeit benötigen. Auch infolge des Urteils des BVerfG zur Studienplatzvergabe für das Medizinstudium wird sich die Zahl älterer Studierender zumindest im Fach Medizin (und in den anderen bundesweit zulassungsbe- Pernice-Warnke · Status und Alter in der akademischen Selbstverwaltung 4 7 21 Dazu von Coelln, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 19.12.2017 – 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Unvereinbarkeit der Studienplatzvergabe für Humanmedizin mit dem Grundgesetz, NJW 2018, 361 (380). 22 S. dazu auch die im Juni 2018 von der KMK verabschiedeten Eckpunkte für einen Staatsvertrag zur Vergabe von Studienplätzen im Fach Humanmedizin, die eine Abschaffung der Wartezeitquote vorsehen, https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/ richtungsentscheidung-der-kultusministerkonferenz-zur-vergabe-von-studienplaetzen-im-fach-humanmedizi.html 23 BVerfG, NJW 2018, 361 (375 ff.; insbes. Rn. 224). 24 BVerfG, NJW 2018, 361 (375 ff.; insbes. Rn. 224). 25 S. z. B. § 11 Abs. 1 Nr. 4 HG NRW, § 16 Abs. 2 S. 6 NHG, § 32 Abs. 3 Nr. 2 HHG. Allerdings ermöglicht § 32 Abs. 7 HHG eine abweichende Zuordnung und auch § 11 Abs. 1 S. 3 HG NRW behält der Grundordnung die Schaffung einer eigenen Doktorandengruppe vor. Beispielsweise § 10 Abs. 1 LHG BW sieht für externe Doktoranden eine eigene Gruppe vor und weist den an der Hochschule beschäftigten Doktoranden ein Wahlrecht zu, ob sie der Gruppe der Mitarbeiter oder der Gruppe der Doktoranden angehören möchten. Gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BremHG bilden Doktoranden eine gemeinsame Gruppe mit den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern. 26 Zur genauen Bezeichnung und Zusammensetzung vgl. die einzelnen Regelungen in den Landeshochschulgesetzen. 27 S. z.B. § 11 Abs. 1 Nr. 2 HG NRW, § 16 Abs. 2 Nr. 2 LHG BW, § 32 Abs. 3 Nr. 3 HHG. 28 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 100. 29 Arithmetisches Mittel: 35,6 Jahre. Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.4, Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen, 2018, S. 244. Als Hochschulen wurden dabei alle nach Landesrecht anerkannten Hochschulen, unabhängig von der Trägerschaft, ausgewiesen. 30 Arithmetisches Mittel 2014: 35,3 Jahre; Median: 31,7 Jahre; Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.4, Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen, 2015, S. 161. 31 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 18. schränkten Studiengängen, bei denen die Bewerberzahl die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze übersteigt)21 verringern.22 Die Richter des Ersten Senats des BVerfG führten in diesem Urteil aus, Wartezeitquoten seien zwar verfassungsrechtlich nicht geboten, jedoch zulässig. Dies gelte allerdings nur dann, wenn die Wartezeit in ihrer Dauer begrenzt sei. Denn Studierende mit längeren Wartezeiten wiesen einen geringeren Studienerfolg auf („Verlernen des Lernens“) und brächen ihr Studium häufiger ab als andere Studierende.23 Ein zu langes Warten beeinträchtige demnach die Erfolgschancen im Studium und damit die Möglichkeit zur Verwirklichung der Berufswahl. Zugleich würden Bewerber mit größeren Erfolgsaussichten blockiert.24 Zusätzlich werden vielfach auch die externen, d.h. nicht an der Hochschule beschäftigten, Doktoranden der Gruppe der Studierenden zugeordnet.25 Dies führt zu einer Erhöhung des Durchschnittsalters dieser Gruppe und wirft die Frage nach ihrer homogenen Zusammensetzung auf, weil Qualifikation und Interessen der Studierenden einerseits und der Doktoranden andererseits voneinander abweichen. 2. Die Alterszusammensetzung der Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter26 Die Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter umfasst vor allem befristet beschäftigtes Personal in der Qualifikationsphase nach abgeschlossenem Studium und vor Aufnahme einer Hochschullehrer- oder anderweitigen Berufstätigkeit, insbesondere Doktoranden und Postdocs/Habilitanden, aber auch dauerhaft beschäftigtes wissenschaftliches Personal, regelmäßig auch Lehrkräfte für besondere Aufgaben.27 Dementsprechend ist ein durchschnittliches Alter, das über demjenigen der Studierenden und unter demjenigen der Hochschullehrer liegt, zu erwarten: 2014 waren 109.880 der dem hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal angehörenden Personen unter 35 und 35.047 zwischen 35 und 45 Jahre alt. Dabei ist die Zahl der Nachwuchswissenschaftler unter 35 zwischen 2000 und 2014 um 91%, diejenige der 35–45-Jährigen um 41% gewachsen.28 Das Durchschnittsalter (Median) der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter betrug 2017 32 Jahre29 und ist damit seit 2014 leicht angestiegen.30 3. Die Alterszusammensetzung der Gruppe der Hochschullehrer a. Grundsätzliches Die Zusammensetzung der Hochschullehrerschaft und damit auch der Statusgruppe Hochschullehrer wird über die Berufung der Hochschullehrer an die Hochschule gesteuert. Dabei legt Art. 33 Abs. 2 GG mit Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung die für den Zugang zum Hochschullehreramt maßgeblichen Kriterien fest. Der Begriff „Befähigung“ soll allgemein der Tätigkeit zu Gute kommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen oder Lebenserfahrung umfassen, der Begriff „fachliche Leistung“ Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach und der Begriff „Eignung (i.e.S.)“ schließlich alle sonstigen geistigen, körperlichen, psychischen und charakterlichen Eigenschaften.31 Das Alter wird in Art. 33 Abs. 2 GG gerade nicht genannt. Allenfalls ließe sich darüber nachdenken, ob in manchen, insbesondere geisteswissenschaftlichen, Fächern ein höheres Alter eine höhere Befähigung und bessere fachliche Leistung indiziert oder ob umgekehrt ein geringeres Alter für eine geringere Befähigung und 4 8 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 45–54 32 Siehe zu diesem Problemkomplex und zur Unterteilung in eignungsimmanente Kriterien, eignungsergänzende Hilfskriterien und eignungsfremde Kriterien Höfling, Altersgrenzen im (Hochschul-)Recht – eine Problemskizze, in: Anderbrügge/Epping/Löwer, Festschrift für Dieter Leuze zum 70. Geburtstag, 2003, S. 263 (268 f.). Speziell zu Altersgrenzen bei der Berufung von Professoren siehe auch Püttner, Altersgrenzen im Beamtenrecht, DVBl 1997, 259 (260 f.); Roellecke, Altersgrenzen in Berufungsverfahren, VBlBW 1995, 1 (2). 33 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 117. 34 Heinz/Briedis/Jongmanns, Alter(n) und Wissenschaftskarrieren, in: Baur/Besio/Norkus/Petschick, Wissen – Organisation – Praxis, 2016, S. 552 (565 f.). 35 Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.4, Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen, 2011, S. 158. 36 Arithmetisches Mittel: 51,3 Jahre, Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.4, Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen, 2018, S. 244. 37 Berechnet aufgrund der Zahlen des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 11, Reihe 4.4, Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen, 2018, S. 244. Im Jahr 2015 lag das Durchschnittsalter bei 50,9 Jahren, der Anteil der Hochschullehrer über 60 bei 17,7% und der Anteil unter 45 bei 23,33%, Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.4, Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen, 2016, S. 158. 38 Für einen Überblick Detmer, Die Seniorprofessur, FuL 6/17, 516. 39 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften, LT Drs. 5/7018, S. 24 f. schlechtere fachliche Leistung spricht, weil die Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Faches, mit der grundlegenden Literatur, notwendigerweise eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Letztlich bleibt das Alter in diesem Bereich jedoch ein eignungsfremdes Kriterium, d.h. ein Kriterium, das in keiner unmittelbaren Beziehung zur Eignung i.e.S., zur Befähigung oder fachlichen Leistung, steht.32 Rein faktisch wird aber ein Großteil der Erstberufenen wegen der regelmäßig zeitaufwendigen Qualifikationsnachweise, die für die Erlangung einer Hochschullehrerposition zu erbringen sind, bereits ein fortgeschrittenes Lebensalter erreicht haben. So sind W2-Professoren bei ihrer Berufung im Durchschnitt 41,4 und W3-Professoren 42,4 Jahre alt (arithmetisches Mittel).33 Die vergleichsweise hohen Einstellungshöchstaltersgrenzen für Hochschullehrer (s. z.B. § 39a HG NRW) berücksichtigen diese zeitintensive Qualifizierung und dienen damit gerade den Interessen des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie begünstigen zwar keine Verjüngung, führen aber auch nicht zwangsläufig zu einer Alterung der Gruppe der Hochschullehrer, weil sie eine Qualifizierung, Berufung und Zugehörigkeit zur Gruppe der Hochschullehrer in jüngerem Alter nicht verhindern. Die Möglichkeit des Hinausschiebens des Eintritts in den Ruhestand (s. z.B. §§ 33 Abs. 1 HG NRW, 120 Abs. 1, 32 LBG NRW; § 16 Abs. 7 HmbHG) schließlich führt im Falle ihrer Wahrnehmung zu einem höheren Durchschnittsalter in der Gruppe der Hochschullehrer. Insgesamt wurde zwar für die Jahre 2002 — 2010 eine Verjüngung innerhalb der Gruppe der Hochschullehrer nachgewiesen,34 für die Jahre 2010 bis 2017 lässt sich dies den Zahlen des Statistischen Bundesamtes jedoch nicht entnehmen: Im Jahr 2010 lag das Durchschnittsalter der Hochschullehrer bei 50,4, der Anteil der Hochschullehrer über 60 an den Hochschullehrern insgesamt bei 16,61% und derjenige der Hochschullehrer unter 45 bei 25,86%.35 Im Jahr 2016 stieg das Durchschnittsalter auf 51,2 (Median)36 und der Anteil der Hochschullehrer über 60 auf 19,11% an. Der Anteil der Hochschullehrer unter 45 sank dagegen auf 22,31%.37 b. Seniorprofessoren Sind in den Landeshochschulgesetzen so genannte „Seniorprofessuren“ vorgesehen38 und werden die Seniorprofessoren der Hochschullehrergruppe zugeordnet, kann auch dies zu einem Ansteigen des Durchschnittsalters in der Hochschullehrergruppe führen. Für die Selbstverwaltungsgremien an der Hochschule ist das dann relevant, wenn den Seniorprofessoren auch vollumfängliche Mitgliedsrechte zustehen. Ausdrückliche gesetzliche Regelungen zur Seniorprofessur treffen beispielsweise die Hochschulgesetze von Hamburg, Schleswig-Holstein und Thüringen. So sieht § 94 Abs. 2 S. 1 ThürHG vor, dass nach dem Eintritt von Professoren in den Ruhestand die vorübergehende Wahrnehmung von Aufgaben aus ihrem bisherigen Fachgebiet im Wege der Beauftragung durch den Präsidenten, am Universitätsklinikum durch den Klinikumsvorstand oder im Rahmen eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses möglich ist. Durch dieses als „Seniorprofessur“ bezeichnete Instrument soll vor allem ein geordneter Übergang bis zur Neubesetzung der Professur sichergestellt und dem Professor der Abschluss bestimmter Projekte ermöglicht werden. Dafür können die Seniorprofessoren von den sonstigen mit der Professur verbundenen Dienstaufgaben entbunden werden.39 Gemäß § 21 Abs. 2 S. 5 ThürHG gehören auch die Seniorprofessoren zur Gruppe der Hochschullehrer. Die Zulässigkeit dieser Zuordnung erscheint angesichts der vom BVerfG aufgestellten Kriterien der Funktion und Verantwortung bei einer umfangreichen Entbindung von den Dienstaufgaben zweifelhaft, lässt sich wegen des vorübergehenden Charakters jedoch hinnehmen. § 16 Abs. 9 HmbHG sieht vor, dass ein Professor der betreffenden oder einer anderen Hochschule aus dem In- oder Ausland, der in den Ruhestand getreten Pernice-Warnke · Status und Alter in der akademischen Selbstverwaltung 4 9 40 S. dazu auch die Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage v. 31.3.2013, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 20/6754. 41 Wobei entpflichtete Hochschullehrer vielfach noch zur Betreuung von Dissertationen und Habilitationen berechtigt sind. ist, bei hervorragender Eignung als Professor an der Hochschule beschäftigt werden kann, jedoch nicht länger als bis zum Ende des letzten Monats des Semesters, in dem das 75. Lebensjahr vollendet wird. Die Beschäftigung erfolgt auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, in dem die Rechte und Pflichten des Professors in Forschung und Lehre zu vereinbaren sind. Im Unterschied zu den die Seniorprofessur betreffenden Regelungen im thüringischen Hochschulgesetz lässt das HmbHG auch eine Beschäftigung von Professoren anderer Hochschulen als Seniorprofessoren zu und enthält nicht den Begriff „übergangsweise.“ Vorrangiger Grund für die Regelung im HmbHG ist anders als in Thüringen nicht die Sicherstellung eines geordneten Übergangs bis zur Neubesetzung der Professur, sondern die Überbrückung von Engpässen in der Lehre.40 Nach dem HmbHG sind Seniorprofessoren Mitglieder der Hochschule, wenn es sich um eine hauptberufliche Tätigkeit handelt, § 8 Abs. 1 S. 1 HmbHG, da die Seniorprofessur in einem Unterabsatz des § 16 zur dienstrechtlichen Stellung der Professoren geregelt ist, die dem Teil „Mitglieder der Hochschule“ unterfällt. Daraus sowie aus dem Fehlen abweichender Regelungen lässt sich darüberhinaus schließen, dass Seniorprofessoren zur Gruppe der Hochschullehrer gehören. Die Regelung der genauen Rechte und Pflichten der Mitglieder der Hochschule überlässt § 8 Abs. 2 HmbHG der Grundordnung. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zuordnung zur Gruppe der Hochschullehrer mit den entsprechenden Mitwirkungsrechten hängt im Hinblick auf die Kriterien der Funktion und Verantwortung von der genauen Stellung und den einzelnen Pflichten der Seniorprofessoren ab. § 65 Abs. 3 HG SH bestimmt schließlich, dass die Hochschule in ihre Verfassung Regelungen über die Beschäftigung von Hochschullehrern oder anderen Persönlichkeiten aus der wissenschaftlichen oder künstlerischen Praxis aufnehmen kann, die die Voraussetzungen für eine Professur nach § 61 erfüllen und die bereits in den Ruhestand getreten sind oder eine Rente beziehen. Diese Personen können mit der befristeten Wahrnehmung von Aufgaben in Lehre, Forschung, Weiterbildung und Kunst beauftragt werden und für die Dauer ihrer Beauftragung die Bezeichnung „Seniorprofessor“ führen. Gemäß § 13 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 HG SH sind die Seniorprofessoren nach schleswig-holsteinischem Recht allerdings nur Angehörige der Hochschule. Während § 14 S. 2 HG SH die Mitwirkung an der Selbstverwaltung zum Recht und zur Pflicht aller Mitglieder erklärt, steht Angehörigen, soweit im HG nichts Näheres bestimmt ist, gemäß § 13 Abs. 4 S. 2 HG SH das aktive und passive Wahlrecht nur zu, wenn dies in der Verfassung der Hochschule so festgelegt wird. Dort werden gemäß § 13 Abs. 4 S. 3 HG SH auch die weiteren Rechte und Pflichten der Angehörigen im Rahmen der Selbstverwaltung und bei der Erfüllung der Aufgaben der Hochschule geregelt. c. Entpflichtete Hochschullehrer Auch die Zuordnung entpflichteter oder in den Ruhestand versetzter Professoren zur Hochschullehrergruppe führt zu einem Ansteigen des Durchschnittsalters in dieser Gruppe. Für die Selbstverwaltungsgremien an der Hochschule ist dies dann relevant, wenn diesen Professoren auch dieselben Mitwirkungsrechte wie Hochschullehrern im aktiven Dienst zustehen, was jedoch regelmäßig nicht der Fall ist. So sieht bspw. § 9 Abs. 1 S. 2 HG NRW vor, dass es sich bei entpflichteten oder in den Ruhestand versetzten Professoren zwar um Mitglieder der Hochschule handelt, dass sie aber, wenn sie nicht zugleich aus anderen Gründen Mitglieder der Hochschule sind, an Wahlen nicht teilnehmen. § 21 Abs. 3 Nr. 2 ThürHG weist Professoren im Ruhestand ebenso wie Seniorprofessoren den Status „Angehörige der Hochschule“ zu. Die Regelung der gegenüber Mitgliedern regelmäßig weniger weitreichenden Mitwirkungsrechte der Angehörigen überlässt das ThürHG gemäß § 21 Abs. 3 S. 1 der Hochschulordnung, während in § 22 ThürHG die Rechte und Pflichten der Mitglieder näher bestimmt werden. Auch gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 2 HG SH sind die Professoren im Ruhestand nur Angehörige der Hochschule (dazu bereits oben b.). Diese eingeschränkten Mitwirkungsrechte lassen sich mit dem Entfallen41 der Elemente „Funktion“ und „Verantwortung“ begründen. 5 0 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 45–54 42 S. bspw. § 11 Abs. 1 Nr. 1 HG NRW, §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 LHG BW oder § 42 S. 1 HRG. Infolge der Föderalismusreform 2006 ist die Rahmenkompetenz des Bundes gemäß Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG a.F., entfallen. Gemäß Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG gilt das HRG dennoch fort. Das Vorhaben, das HRG aufzuheben (vgl. BT-Drs. 16/6122), wurde bislang nicht realisiert. Die Landesgesetzgeber können gemäß Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG das Bundesrecht durch Landesrecht ersetzen. 43 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 117. 44 S. zu dieser Einschätzung auch von Coelln, Das Binnenrecht der Hochschule, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 7 Rn. 58. 45 Hellmuth Stumpf, Innere Organisation und Interorganbeziehungen von Hochschulen, DÖV 2017, 620 (625) argumentiert dagegen, dass der Hochschullehrergruppe das für die herausgehobene Stellung konstitutive Element der Homogenität u.a. wegen der landesgesetzlichen Zuordnung der Juniorprofessoren zur Gruppe der Hochschule fehle. Überzeugender erscheint es aber, die Homogenität der Hochschullehrergruppe für verfassungsrechtlich geboten und die Zuordnung der Juniorprofessoren zu dieser Gruppe daher für verfassungswidrig zu halten. 46 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 101, Abb. B16. d. Juniorprofessoren Die Zuordnung der Juniorprofessoren zur Gruppe der Hochschullehrer42 trägt zum Absinken des Durchschnittsalters dieser Gruppe bei, denn Juniorprofessoren sind bei ihrer Berufung im Schnitt nur 35,2 Jahre alt (arithmetisches Mittel; W2-Professoren dagegen wie gezeigt 41,4 und W3-Professoren 42,4 Jahre alt).43 Gerade diese Zuordnung der Juniorprofessoren zur Hochschullehrergruppe mit vollumfänglichen Mitwirkungsrechten ist indes problematisch. Juniorprofessoren sind zwar mit der selbstständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut. Hinsichtlich des Aufgabenspektrums und jedenfalls regelmäßig bezüglich des Umfangs der (Lehr-)Aufgaben unterscheiden sie sich jedoch von Professoren und sind diesen somit hinsichtlich Funktion und Verantwortung nicht vollumfänglich gleichgestellt. Zudem ist die Juniorprofessur als alternativer Qualifikationsweg zur Habilitation auf dem Weg zur Professur ausgestaltet.44 Damit entspricht die Qualifikation (noch) nicht derjenigen der Professoren; vielmehr wird der entsprechende Qualifikationsnachweis gerade erst erbracht. Insgesamt ist die Interessenlage der Juniorprofessoren eher derjenigen der wissenschaftlichen Mitarbeiter vergleichbar. Die Verfassungsmäßigkeit der Zuordnung zur Gruppe der Hochschullehrer lässt sich somit zumindest erheblich anzweifeln.45 IV. Zwischenergebnis Eine Verjüngung der Gruppe der Hochschullehrer ist zumindest für die Jahre 2010 — 2017 nicht festzustellen. Die Mitwirkungsrechte Studierender und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der universitären Selbstverwaltung wurden zwar teilweise ausgeweitet. Dennoch bleibt der dominierende Einfluss der regelmäßig älteren Hochschullehrer bestehen. Gründe dafür liegen in der Altersstruktur innerhalb der Hochschullehrergruppe und in dem dominierenden Einfluss der Hochschullehrergruppe an sich. Eine Verjüngung der Hochschulgremien kann somit entweder über eine Verjüngung der Statusgruppen selbst bzw. eine Stärkung der Jüngeren in den Statusgruppen oder über eine Veränderung des Einflusses der Statusgruppen erfolgen. V. Reformansätze 1. Veränderung der Mitwirkungsrechte der einzelnen Statusgruppen Eine Verjüngung der Entscheidungsgremien kann zunächst dadurch erreicht werden, dass denjenigen Statusgruppen, denen überwiegend Jüngere angehören, d.h. insbesondere der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter und der Gruppe der Studierenden, mehr Mitwirkungsrechte eingeräumt werden. Die Mitwirkungsrechte sind jedoch wie gezeigt Ausprägung des durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vermittelten Schutzes. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG aber lässt sich das Erfordernis, Jüngeren bzw. allen Altersgruppen gleichermaßen Mitwirkungsrechte einzuräumen, nicht entnehmen; das Lebensalter stellt kein für die Ableitung von Mitwirkungsrechten aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG relevantes Kriterium dar. Vielmehr richten sich die Mitwirkungsrechte nach Funktion und Status. Auch der Anzahl der Mitglieder der jeweiligen Statusgruppe kommt keine unmittelbare Bedeutung für die Mitwirkungsrechte zu, weil die Hochschulselbstverwaltung wie bereits gezeigt nicht durch demokratisch-egalitäre Partizipation, sondern durch eine aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG folgende, abgestufte Mitwirkung der Mitgliedergruppen gekennzeichnet ist. Dass also der Anteil der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter an sämtlichen Hochschulen am gesamten hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal im Jahr 2000 bei 63% und im Jahr 2014 bereits bei 75% lag, während der Anteil der Professoren von 24% auf 19% gesunken ist,46 gebietet keine Ausweitung der Mitwirkungsrechte der Statusgruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Möglicherweise müssten aber den mit Jüngeren besetzten anderen Statusgruppen wegen des Kriteriums der Betroffenheit weitreichendere Mitwirkungsrechte eingeräumt werden. Denn das BVerfG hatte Pernice-Warnke · Status und Alter in der akademischen Selbstverwaltung 5 1 47 BVerfGE 35, 79 (127). 48 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 102, Abb. B 19. 49 Ein Hinweis darauf mag dem MHH-Urteil des BVerfG zu entnehmen sein, in welchem mehrfach von der Mitwirkung der „Wissenschaftler“ (und nicht der Hochschullehrer) die Rede ist, BVerfGE 136, 338 (u.a. 377 f.); dazu näher Pernice-Warnke (Fn. 2), Rechtswissenschaft 2/2017, 227 (233). 50 Dazu ausführlicher Pernice-Warnke (Fn. 2), Rechtswissenschaft 2/2017, 227. A.A. Hellmuth Stumpf (Fn. 45), DÖV 2017, 620. ausgeführt, dass Hochschullehrer „infolge ihrer regelmäßig längeren Zugehörigkeit zur Universität […] durch langfristig wirkende Entscheidungen der Hochschulorgane stärker betroffen [würden] als die Gruppen der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Studenten“47 und damit das Merkmal der Betroffenheit zeitlich und nicht nach Intensität definiert. Aufgrund dessen ließe sich argumentieren, dass gerade Jüngere länger als Ältere von Entscheidungen betroffen sind. Gegen die längere Betroffenheit der Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter spricht aber die regelmäßig nur zeitlich begrenzte Zugehörigkeit zur Hochschule bzw. die befristete Beschäftigung. So betrug der Anteil des befristet beschäftigten wissenschaftlichen Personals am hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen 2014 73%, derjenige des unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Personals dagegen nur 14%. Insgesamt haben sich die Verhältnisse zugunsten befristeter Beschäftigung verschoben.48 Zudem vermöchte sich aber auch eine etwaige längere Betroffenheit der wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht gegenüber einer höheren Qualifikation, wichtigeren Funktion oder größeren Verantwortung der Hochschullehrer durchzusetzen. Wegen der Wissenschaftsnähe der wissenschaftlichen Mitarbeiter und auch wegen des Verschwimmens der Grenzen zwischen den Statusgruppen durch die Zuordnung der Juniorprofessoren zur Gruppe der Hochschullehrer ließe sich allerdings über eine Aufwertung der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Vergleich zu den anderen Gruppen und eine Annäherung der Anzahl der Vertreter der Hochschullehrer und der wissenschaftlichen Mitarbeiter in den Hochschulgremien diskutieren.49 Dabei müsste aber die herausgehobene Stellung der Hochschullehrer gewahrt bleiben. Denn die vom BVerfG zur Begründung der herausgehobenen Stellung der Hochschullehrer herangezogenen Argumente ihrer im Vergleich zu den anderen Statusgruppen höheren Qualifikation, wichtigeren Funktion und größeren Verantwortung vermögen auch in heutiger Zeit noch zu überzeugen, weil nur diese die für eine Begründung von aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG abgeleiteten Mitwirkungsrechten maßgeblichen Kriterien darstellen können. Damit ist die herausgehobene Stellung der Hochschullehrer für wissenschaftsrelevante Fragen nach wie vor verfassungsrechtlich geboten50 und steht einer Ausweitung von Mitwirkungsrechten anderer Statusgruppen in wissenschaftsrelevanten Fragen in einem die herausgehobene Stellung der Hochschullehrer berührenden Ausmaß entgegen. 2. Verjüngung der Gruppe der Hochschullehrer und Stärkung der Mitwirkungsrechte jüngerer Hochschullehrer innerhalb der Hochschullehrergruppe a. Zusammensetzung der Gruppe der Hochschullehrer Zur Gruppe der Hochschullehrer können wegen der Kriterien der Funktion und Verantwortung nur solche Hochschullehrer gehören, die noch vollumfänglich die Pflichten von Hochschullehrern wahrnehmen. Insofern scheiden jedenfalls entpflichtete Hochschullehrer aus, was zu einem Absinken des Durchschnittsalters in der Hochschullehrergruppe beiträgt. Zusätzlich tragen die regelmäßig jüngeren Juniorprofessoren zur Verjüngung dieser Gruppe bei. Gerade die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zuordnung der Juniorprofessoren zur Gruppe der Hochschullehrer ist jedoch wie gezeigt zweifelhaft. Eine Verjüngung der Gruppe der Hochschullehrer und damit der Gremien kann freilich durch veränderte Qualifikationsbedingungen, die eine raschere Qualifikation ermöglichen, erreicht werden, dies aber möglicherweise um den Preis geringerer Befähigung und schlechterer fachlicher Leistung. b. Stärkung der Mitwirkungsrechte jüngerer Hochschullehrer innerhalb der Hochschullehrergruppe Schließlich stellt sich die Frage, ob sich über die vom BVerfG aufgestellten Kriterien der Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit, die ursprünglich nur der Abgrenzung gegenüber den anderen Statusgruppen dienten, auch eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Hochschullehrer begründen lässt und die Mitwirkungsrechte der jüngeren Hochschullehrer innerhalb der Gruppe ausgeweitet werden können. Das Merkmal der Qualifikation ermöglicht allerdings keine Differenzierung: Die erforderliche, formale Qualifikation kann nur entweder vorliegen oder nicht vorliegen. Anders stellt sich dies bezüglich der Funktion, Verantwortung und Betroffenheit dar. So erscheint es denkbar, Hochschullehrern mit wichtigerer Funktion und größe- 5 2 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 45–54 51 Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2017, „Anciennitätsprinzip.“ 52 BVerfGE 35, 79 (127). 53 § 28 Abs. 1 NHG, u.a. explizit für den Fall der Erstberufung; § 49 LHG BW; Art. 8 Abs. 2 BayHSchPG; § 61 Abs. 5 HHG. 54 S. dazu Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick, 2018, S. 32. 55 VerfGH BW, VBlBW 2017, 61 (63): „[…] Jedoch ist das Gewicht ihrer Betroffenheit durch die Hochschulstruktur nicht dem der Betroffenheit der Hochschullehrer vergleichbar, die aufgrund ihrer Vorbildung, ihrer meist langjährigen Tätigkeit und Erfahrung in Forschung und Lehre in erster Linie die Hochschule als wissenschaftliche Einrichtung prägen. Sie tragen kraft ihres Amtes und Auftrages erhöhte Verantwortung für die Funktionsfähigkeit und den wissenschaftlichen Rang der Hochschule. Sie sind nach ihrem Status und ihrer Funktion zur Forschung und Lehre sowie deren Organisation oder Mitorganisation in ihrem Fachbereich verpflichtet und daher mit der Sache der Wissenschaft besonders eng verbunden. Nach der derzeitigen Struktur der Hochschule sind sie die Inhaber der Schlüsselfunktion des wissenschaftlichen Lebens.“ Dies gleicht der entsprechenden Passage des Hochschulurteils, auf das auch Bezug genommen wird. Jedoch fehlt im Urteil des VerfGH BW der im Hochschulurteil folgende Satz: „Infolge ihrer regelmäßig längeren Zugehörigkeit zur Universität werden sie zudem durch langfristig wirkende Entscheidungen der Hochschulorgane stärker betroffen als die Gruppen der wissenschaftlichen Mitarbeiter und der Studenten“, BVerfGE 35, 79 (127). rer Verantwortung mehr Einflussmöglichkeiten zu gewähren. Ebenfalls könnten jüngeren Hochschullehrern, die aufgrund der ihnen verbleibenden Dienstzeit noch länger als ältere Hochschullehrer von Entscheidungen betroffen sind, als logische Konsequenz des vom BVerfG zeitlich definierten Merkmals der Betroffenheit, mehr Mitwirkungsrechte eingeräumt werden. Zum einen vermag jedoch das Kriterium der Betroffenheit die anderen Kriterien nicht zu verdrängen. Gerade dienst- und damit häufig auch lebensältere Hochschullehrer werden aber regelmäßig wichtigere Funktionen bekleiden und größere Verantwortung tragen. Genau dies spiegelt sich auch in dem vielfach angewendeten Anciennitätsprinzip wieder, das im Gegensatz zum Senioritätsprinzip zwar an das Dienstalter anknüpft51 und Dienstälteren eine herausgehobene Position zuweist, damit aber letztlich mittelbar regelmäßig auch Lebensältere begünstigt. Auch das BVerfG hatte diese Kriterien mit einem zeitlichen Aspekt in Verbindung gebracht: „Die Hochschullehrer prägen aufgrund ihrer Vorbildung, ihrer meist langjährigen Tätigkeit und Erfahrung in Forschung und Lehre in erster Linie die Hochschule als wissenschaftliche Einrichtung. Sie tragen kraft ihres Amtes […] erhöhte Verantwortung […].“52 So könnte also zum einen selbst eine längere Betroffenheit jüngerer Hochschullehrer keine Gewährung ausgeweiteter Mitwirkungsrechte innerhalb der Hochschullehrergruppe rechtfertigen, wenn sie hinsichtlich der Funktion und Verantwortung hinter älteren Hochschullehrern zurückblieben. Zum anderen ist fraglich, ob jüngere Hochschullehrer tatsächlich grundsätzlich länger als ältere betroffen sind. Einige Hochschulgesetze sehen die Möglichkeit einer Berufung auf Zeit, teilweise auch gerade für den Fall der Erstberufung vor,53 so dass sich eher jüngere als ältere Hochschullehrer in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis befinden und die Hochschule in absehbarer Zeit wieder verlassen werden. Auch aufgrund eines Rufs an eine andere Hochschule kann es zu einem Hochschulwechsel kommen, wobei diese Möglichkeit freilich nicht auf jüngere Hochschullehrer beschränkt ist. Dass jüngere Hochschullehrer – im Gegensatz zu einem Großteil der Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter – der Wissenschaft nicht ganz den Rücken kehren, sondern ihr an einer anderen Hochschule weiterhin dienen werden, kann schließlich bezüglich der Selbstverwaltung einer konkreten Hochschule nicht das maßgebliche Kriterium darstellen. Somit lässt sich die längere Betroffenheit jüngerer Hochschullehrer jedenfalls nicht grundsätzlich bejahen. Schließlich lassen die gegenüber dem Zeitpunkt des Ergehens des Hochschulurteils veränderten Verhältnisse, insbesondere die Existenz zeitlich befristeter Professuren,54 ein Festhalten am Merkmal der Betroffenheit insgesamt problematisch erscheinen. So ist es auch genau dieses Kriterium der längeren Zugehörigkeit, das in einem 2016 ergangenen Urteil des VerfGH BW entfallen ist.55 Allenfalls könnte künftig auf die Intensität anstelle der Dauer der Betroffenheit abgestellt werden. Dies allerdings hätte keine Relevanz für die altersbezogene Mitwirkung. VI. Ergebnis Aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG lässt sich weder das Erfordernis ausgeweiteter Mitwirkungsrechte der anderen Statusgruppen noch der jüngeren Hochschullehrer innerhalb der Hochschullehrergruppe und insgesamt kein Gebot der Generationengerechtigkeit an der Hochschule ableiten. Eine Verjüngung der Gruppe der Hochschullehrer und damit der Gremien kann freilich durch veränderte Qualifikationsbedingungen wie insbesondere verkürzte Qualifikationszeiten erreicht werden. Ob dies im Hinblick auf die fachliche Leistung und Befähigung erstrebenswert ist, lässt sich bezweifeln. Zudem können innovative Ideen zwar gerade der Fortentwicklung der Wissenschaft dienen. Dass allerdings gerade oder nur jüngere Hochschullehrer solche innovativen Ideen ver- Pernice-Warnke · Status und Alter in der akademischen Selbstverwaltung 5 3 56 Roellecke, Altersgrenzen in Berufungsverfahren, VBlBW 1995, 1 (2) und Höfling, Altersgrenzen im (Hochschul-)Recht – eine Problemskizze, in: Anderbrügge/Epping/Löwer, Festschrift für Dieter Leuze zum 70. Geburtstag, 2003, S. 263 (272 f.) dagegen bejahen die Entwicklung des Faches durch jüngere Hochschullehrer und deren neue Argumentationsmuster. Die Berufung Jüngerer diene damit der Forschungsfreiheit. Auch Püttner, Altersgrenzen im Beamtenrecht, DVBl 1997, 259 (261) verweist auf die Innovationskraft der Jüngeren. treten, bleibt eine bloße Hypothese.56 Jedenfalls aber ist eine Einbringung, wenn auch nicht Durchsetzung solcher Ideen, bereits durch wenige möglich. Schließlich setzt eine Wahl jüngerer Hochschullehrer in die Vertretungsgremien nicht unbedingt eine Mehrheit derselben in der Hochschullehrergruppe voraus, weil jüngere Hochschullehrer nicht zwangsläufig für jüngere und ältere Hochschullehrer nicht zwingend für ältere stimmen. Allerdings stellt die Aufgabe der – wenn auch nur faktischen – Orientierung am Anciennitätsprinzip die Vorbedingung für eine Wahl jüngerer Vertreter dar. Silvia Pernice-Warnke ist Akademische Rätin und Habilitandin am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht der Universität zu Köln. 5 4 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2019), 45–54