Übersicht I. Einleitung II. Schutz 1. Forschungsdaten als Werke 2. Leistungsschutzrechte an Forschungsdaten 3. Schutz für Forschungsdaten in Datenbanken III. Originäre Rechtsinhaberschaft IV. Abgleitete Rechte 1. Hochschulprofessoren 2. Nicht-wissenschaftliches Personal 3. Wissenschaftliche Mitarbeiter 4. Externe Personen (insb. externe Doktoranden) 5. Exkurs: Forschungskooperationen V. Gesetzliche Nutzungserlaubnis VI. Schluss I. Einleitung Aus wissenschaftlicher Perspektive kann das Urheberrecht paradox erscheinen: Es schützt nicht das Ergebnis, sondern seine Darstellung; nicht die Idee, nur die Form, in der sie auftritt; nicht hart erarbeiteten Inhalt, aber spontan erschaffene Kreationen. Was auf den ersten Blick die Wissenschaft zu benachteiligen scheint, soll ihr gerade dienlich sein. Informationen sollen möglichst frei zirkulieren und sich verbreiten. Das Monopol, das der zeitlich begrenzte urheberrechtliche Schutz gewährt, soll nicht dazu führen, dass Ideen, Methoden oder Lehren der Allgemeinheit entzogen werden,1 denn dies würde den wissenschaftlichen Kommunikationsprozess2 und den gesellschaftlichen Fortschritt gefährden. Über seinen ursprünglichen Kern ist das Urheberrecht aber dennoch längst hinausgewachsen. Die Anforderungen an die Schöpfungshöhe eines Werkes sind auf „die kleine Münze“ herabgesunken. Die urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gewähren Schutz auch für Nebenleistungen, ohne eigene Kreativität – wie etwa Tonbandaufnahmen oder einfache Lichtbilder. Der auf europarechtlichen Vorgaben beruhende Schutz für Datenbanken belohnt sogar eine reine Investitionsleistung. Ob diese Entwicklung wünschenswert ist, wird breit diskutiert. Für Forschungsdaten erscheint die Gewährung urheberrechtlichen (bzw. leistungsschutzrechtlichen) Schutzes einerseits sinnvoll, weil ihre Erhebung und Systematisierung mitunter erheblichen Aufwand erfordern. Andererseits zeigen aktuelle Fälle ein gewisses Missbrauchspotential urheberrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte, wenn diese zweckfremd der Geheimhaltung von Informationen dienen.3 Neben die rechtliche Komplexität tritt eine tatsächliche: Was Forschungsdaten sind, welches Format und welche Funktion sie haben, wird in den Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich beurteilt.4 Für die Zwecke dieses Aufsatzes wird der Begriff der Forschungsdaten denkbar weit interpretiert, um möglichst viele Konstellationen erfassen und urheberrechtlich einordnen zu können. Forschungsdaten sind demnach Informationsobjekte, die Gegenstand des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses sind. Sie können bereits zu Beginn der Forschungstätigkeit existieren oder erst hierbei generiert werden bzw. durch Interpretation entstehen. In die vorliegende Betrachtung werden zudem nicht nur digitale, sondern auch analoge Informationsobjekte einbezogen. Zwar ist es gerade die Digitalisierung, die neue Möglichkeiten der Produktion, Speicherung und Auswertung von Forschungsdaten ermöglicht. Dennoch sind längst nicht alle Daten originär digital und die Beurteilung ihrer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit erfolgt im Übrigen auch weitestgehend losgelöst davon, ob sie analog oder digital vorliegen. Der Aufsatz beleuchtet das Verhältnis von Forschungsdaten und Urheberrecht5 im Hinblick auf den Schutz der Daten (II.), die originäre Rechtsinhaberschaft Linda Kuschel Urheberrecht und Forschungsdaten 1 BGHZ 39, 306 = BGH 27.3.1963 – I b ZR 129/61 – NJW 1963, 1877, 1878 – Rechenschieber. 2 Vgl. Fehling, Verfassungskonforme Ausgestaltung von DFGFörderbedingungen zur Open-Access-Publikation, OdW 2014, 179, 189. 3 EuGH 29.7.2019 – Rs 469/17 – GRUR 2019, 934 – Funke Medien; LG Köln 19.3.2019 – 14 O 86/19 – MMR 2019, 546 – Glyphosat. 4 Vgl. Hartmann, Urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Forschungsdaten, in: Taeger (Hrsg.), Law as a Service. Recht im Internet- und Cloud-Zeitalter, 2013, S. 505, 508; Pampel/Goebelbecker/Vierkant, re3data.org: Aufbau eines Verzeichnisses von Forschungsdaten-Repositorien. Ein Werkstattbericht, in: Mittermaier (Hrsg.), Vernetztes Wissen. Daten, Menschen, Systeme, 2012, S. 61, 62; Voß, Was sind eigentlich Daten?, LIBREAS. Library Ideas, 23 (2013), 4, 6, https://libreas.eu/ausgabe23/02voss/ (zuletzt aufgerufen am 15.11.2019). 5 Daneben können insbesondere Aspekte des Daten(schutz)rechts, des Patentrechts oder des Geheimnisschutzes eine Rolle spielen. Ordnung der Wissenschaft 2020, ISSN 2197–9197 4 4 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2020), 43–52 6 BGHZ 112, 243 = BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 – GRUR 1991, 523, 525 – Grabungsmaterialien. 7 Vgl. nur Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 9. Aufl. 2019, Rn. 180. 8 BGH 15.9.1999 – I ZR 57/97 – GRUR 2000, 144, 145 – ComicÜbersetzungen II. 9 Vgl. Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 27 f.; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 59; Schack, Urheberrecht (Fn 7), Rn. 202; Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 45. 10 LG München 8.9.2011 – 7 O 8226/11 – GRUR-RR 2011, 447 – Karl Valentin. Vgl. auch EuGH 16.7.2009 – C‑5/08 – GRUR 2009, 1041, 1044, Rn. 47 f – Infopaq. 11 OLG Köln 8.4.2016 – 6 U 120/15 — K&R 2016, 423; LG Bielefeld 3.1.2017 – 4 O 144/16 — MMR 2017, 641 (in den konkreten Fällen mangels Erreichens der erforderlichen Schöpfungshöhe verneint). Vgl. auch Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 83; Ludyga, Urheberrechtlicher Schutz von Tweets, AfP 2017, 284. 12 Vgl. Hartmann (Fn 4), 511; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG (Fn 9), § 2 Rn. 118; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 2 Rn. 93. Insofern kritisch Haberstumpf, Wem gehören Forschungsergebnisse?, ZUM 2001, 819, 821. 13 BGH 11.4.2002 – I ZR 231/99 – GRUR 2002, 958, 959 – Technische Lieferbedingungen. 14 BGH 21.11.1980 – I ZR 106/78 – GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit. Vgl. auch Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 2 Rn. 57; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 2 Rn. 93. 15 BGHZ 39, 306 = BGH 27.3.1963 – I b ZR 129/61 – NJW 1963, 1877, 1878 – Rechenschieber; BGH 21.11.1980 – I ZR 106/78 – GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit. Vgl. auch Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 2 Rn. 50; Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, UrhG (Fn 9), § 2 Rn. 117; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 2 Rn. 93. 16 Hartmann (Fn 4), 511. 17 BGH 10.5.1984 – I ZR 85/82 – GRUR 1985, 129, 130 – Elektrodenfabrik. (III.) und abgeleitete Rechte (IV.) sowie die Möglichkeiten einer gesetzlich erlaubten Nutzung von Forschungsdaten (V.). II. Schutz Forschungsdaten können in ganz unterschiedlichem Gewand auftreten. Die Beurteilung ihres (urheber-) rechtlichen Schutzes hängt stets von der konkreten Erscheinungsform ab.6 Im Folgenden wird der Schutz für Forschungsdaten vom Kern des Urheberrechts, dem Schutz für Werke (1.), über den Leistungsschutz (2.) bis zu dem mittelbar selbst Rohdaten erfassenden Datenbankherstellerrecht (3.) aufgefächert. 1. Forschungsdaten als Werke Nach § 1 UrhG genießen „die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst“ Urheberrechtsschutz. Entscheidend ist der Begriff des Werkes.7 Was ein Werk ausmacht, erklärt § 2 Abs. 2 UrhG: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“ Forschungsdaten können zunächst dann urheberrechtlich geschützt sein, wenn es sich um vorbestehende Werke handelt. Dies können etwa literarische Texte oder andere kreative Inhalte, wie z.B. Musikstücke, Werke der bildenden Kunst oder fotografische Werke sein. Sie alle genießen in der Regel urheberrechtlichen Schutz, soweit sie nicht schon gemeinfrei sind. Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach Tod des Urhebers (§ 64 UrhG) bzw. nach Tod des längstlebenden Miturhebers (§ 65 UrhG). Forschungsdaten, die in Textform vorliegen, können als Sprachwerke (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UrhG) geschützt sein, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Zwar sind die Anforderungen an die Gestaltungshöhe bei Sprachwerken nicht allzu hoch,8 eine gewisse Länge des Textes ist aber in aller Regel erforderlich. Eine feste Wort- oder Zeichengrenze existiert dabei nicht,9 theoretisch sind auch einzelne Sätze10 oder etwa „Tweets“11 schutzfähig, wenn sich der Autor ganz besonders kreativ ausdrückt. Für Forschungsdaten in Textform, die ein Versuchsergebnis beschreiben oder eine Beobachtung dokumentieren, ist eine derart kreative Ausdrucksweise eher unwahrscheinlich und kaum gewollt.12 Allerdings werden auch gestalterische Leistungen, die darin bestehen, einen komplexen Sachverhalt möglichst klar und präzise auszudrücken, honoriert.13 Für wissenschaftliche Texte ergibt sich hieraus, dass sie durchaus urheberrechtlichen Schutz genießen können – in der Regel aber nur, wenn ausreichend Raum besteht, die gefundenen Ergebnisse in individuellen Worten darzustellen und auch nur im Hinblick auf ihre kreative Ausdrucksform.14 Sehr knappe, in erster Linie aus feststehenden Begriffen zusammengesetzte Texte, wie etwa Anamneseberichte, können hiernach eher keinen Schutz beanspruchen. Die Methoden, Theorien und Ergebnisse, die in dem Text ausgedrückt werden, bleiben im Übrigen stets urheberrechtsfrei.15 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG können auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art schutzfähige Werke sein. Die im Gesetz genannten Beispiele („Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen“) sind Darstellungen, die auch im Zusammenhang mit Forschungsdaten Verwendung finden. Ebenso wie bei Texten ist ein ausreichendes Maß an kreativer Gestaltung erforderlich, das nicht erreicht wird, wenn die Darstellung rein schematisch und durch wissenschaftliche Normen vorgegeben ist.16 Dass der Inhalt der Darstellung technischer Natur ist und eine möglichst übersichtliche Präsentation der Informationen erfolgen soll, schließt eine Schutzfähigkeit hingegen nicht aus.17 Kuschel · Urheberrecht und Forschungsdaten 4 5 18 Vgl. BGH 7.12.1979 – I ZR 157/77 – GRUR 1980, 227, 230 f. – Monumenta Germaniae Historica. 19 So auch Fehling (Fn 2), OdW 2014, 179, 188; Hartmann (Fn 4), 512; Spindler, KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht, 27.2.2009, S. 30 ff., abrufbar unter http://kolawiss.uni-goettingen.de/projektergebnisse/AP4_Report.pdf (zuletzt aufgerufen am 15.11.2019). 20 Vgl. Rieger, Der rechtliche Schutz wissenschaftlicher Datenbanken, 2010, S. 101. 21 BGHZ 172, 268 = BGH 24.5.2007 – I ZR 130/04 – NJW 2008, 755, 756 – Gedichttitelliste I. 22 OLG Hamm 26.2.2008 – 4 U 157/07 – ZUM 2008, 598, 601. 23 EuGH 1.3.2012 – C‑604/10 – GRURInt 2012, 435 Rn. 42 – Football Dataco u.a. Vgl. auch Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 4 Rn. 11. 24 Hierzu unten II. 3. 25 Vgl. Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG (Fn 9), § 2 Rn. 75. 26 BGH 20.9.2012 – I ZR 90/09 – GRUR 2013, 509 Rn. 25 – UniBasic–JDOS; KG 6.9.2010 – 24 U 71/10 – ZUM-RD 2011, 544, 547 – FRITZ!Box. Vgl. auch Schulze, in Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 2 Rn. 127. 27 Zum sui-generis-Schutz für Datenbankhersteller siehe unten II. 3. 28 Vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 72 Rn. 3 f. 29 Vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 72 Rn. 6; Thum, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 72 Rn. 24. 30 Vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 72 Rn. 6; Thum, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 72 Rn. 24. 31 Vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 95 Rn. 6; Manegold/Czernik, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 95 Rn. 4. 32 Vgl. Schack, Urheberrecht (Fn 7), Rn. 730. 33 Vgl. Thum, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 72 Rn. 22. Urheberrechtlichen Schutz genießen zudem auch Sammelwerke und Datenbankwerke (§ 4 UrhG). Sammelwerke sind nach § 4 Abs. 1 UrhG „Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind […].“ Der Schutz ergibt sich also aus der besonderen Auswahl und Anordnung der Elemente, nicht aus deren Inhalt, und bezieht sich auch allein auf diese Auswahl und Anordnung im konkreten Fall.18 Gleiches gilt für die nach § 4 Abs. 2 UrhG geschützten Datenbankwerke. Diese sind Sammelwerke, deren „Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind“ (§ 4 Abs. 2 S. 1 UrhG). Eine Sammlung von Rohdaten, etwa Messdaten aus einer Versuchsreihe, wird in aller Regel den Anspruch auf Vollständigkeit haben und nicht auf einer individuellen Auswahlentscheidung beruhen; die Anordnung wiederum anhand logischer Kriterien (z.B. Zeit, Anzahl, Größe) erfolgen, denn schließlich soll die Darstellung der Ergebnisse wissenschaftlichen Standards genügen und möglichst übersichtlich und überprüfbar sein. Für eine kreative Auswahl oder Anordnung ist insofern wenig Raum.19 Anders kann sich das Bild z.B. in den Geistes- oder Kulturwissenschaften darstellen, wenn eine Forschungsdatenbank etwa aus einer (auf individuellen Kriterien beruhenden20) Auswahl an Gedichttiteln21 oder Zeitschriftartikeln22 besteht. Der in die Datenbank geflossene Investitions- und Arbeitsaufwand oder die hierfür erforderliche Sachkenntnis können bei der Beurteilung, ob eine Forschungsdatenbank eine persönliche geistige Schöpfung darstellt, nicht ins Gewicht fallen.23 Sie spielen aber beim (leistungsschutzrechtlichen) Datenbankherstellerrecht eine Rolle.24 Auch Computerprogramme sind urheberrechtlich schutzfähig, vorausgesetzt, sie enthalten eine persönliche geistige Schöpfung des Programmierers und weisen insofern ein Minimum an Individualität auf.25 Ganz banale Programmgestaltungen oder bereits vorbestehende Programmelemente sind mithin nicht geschützt.26 In jedem Fall erstreckt sich der Schutz nur auf die Ausdrucksform des Programms und nicht auf die ihm zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze (vgl. § 69a Abs. 2 UrhG). 2. Leistungsschutzrechte an Forschungsdaten Während ein Urheberrecht nur an persönlichen geistigen Schöpfungen besteht, erstreckt sich der Leistungsschutz auf bestimmte nicht-kreative, aber mit urheberrechtlichen Werken verwandte Leistungen. Für Forschungsdaten spielen insbesondere der Licht- und Laufbildschutz sowie der Schutz für Tonträgerhersteller eine Rolle.27 Nach § 72 UrhG sind Lichtbilder und „Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden“ geschützt. Unter den Begriff des Lichtbilds fällt jede Art von Fotografie, unabhängig von der konkreten Aufnahmetechnik, also auch etwa Luftbild- und Satellitenaufnahmen.28 Ähnliche Erzeugnisse sind alle Bilder, die mithilfe von Strahlenenergie hergestellt werden.29 Das sind etwa Infrarotaufnahmen oder – als Forschungsdaten besonders relevante – medizinische Röntgen- oder Ultraschallbilder sowie Bilder aus Kernspin- oder Computertomografie.30 Laufbilder sind Bildfolgen oder Bild- und Tonfolgen, die nicht als Filmwerk geschützt sind (§ 95 UrhG), also nicht die urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen erfüllen.31 Dies sind typischerweise Filme, die lediglich ein Ereignis oder einen Ablauf wiedergeben, ohne dass filmische Gestaltungsmittel eingesetzt werden.32 Forschungsdaten, die beispielsweise einen Versuchsablauf, einen natürlichen Vorgang oder ein Interview filmisch festhalten, sind also – neben dem Lichtbildschutz an den einzelnen Filmbildern – als Laufbilder geschützt. Anders als bei (schöpferischen) Lichtbildwerken oder Filmwerken, steht eine möglichst originalgetreue, objektive Wiedergabe der Vorlage einem Licht- oder Laufbildschutz nicht entgegen.33 Für Forschungsdaten in Form der oben genannten Bilder und Filme kommt daher 4 6 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2020), 43–52 34 Vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 72 Rn. 10; Thum, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 72 Rn. 23. 35 Schack, Urheberrecht (Fn 7), Rn. 722; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 72 Rn. 9. 36 BGH 20.12.2018 – I ZR 104/17 – GRUR 2019, 284, 286 Rn. 23 – Museumsfotos. 37 BGH 20.12.2018 – I ZR 104/17 – GRUR 2019, 284, 286 f. Rn. 26 – Museumsfotos. 38 Richtlinie EU 2019/270 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt. 39 EuGH 1.3.2012 – C‑604/10 – GRURInt 2012, 435, Rn. 26 f. – Football Dataco u.a.; EuGH 9.11.2004 – C‑203/02 – GRUR 2005, 244, 247, Rn. 31 – The British Horseracing Board u.a. Vgl. auch Schmidt/ Zech, Datenbankherstellerschutz für Rohdaten?, CR 2017, 417, 418. 40 Schmidt/Zech (Fn 39), CR 2017, 417, 419. 41 EuGH 29.10.2015 – C‑490/14 – GRUR 2015, 1187, 1188, Rn. 25 f. – Freistaat Bayern/Verlag Esterbauer GmbH. Kritisch insofern Leistner, Was lange währt…: EuGH entscheidet zur Schutzfähigkeit geografischer Karten als Datenbanken, GRUR 2016, 42. 42 Vgl. Schmidt/Zech (Fn 39), CR 2017, 417, 420; Vogel, in: Schricker/Loewenheim, UrhG (Fn 9), § 87a Rn. 22. meist (nur) ein Licht- bzw. Laufbildschutz in Betracht. Der Leistungsschutz für Licht- und Laufbilder unterscheidet sich von jenem für Werke in erster Linie in einer kürzeren Schutzfrist; der Schutz erlischt 50 Jahre nach ihrem Erscheinen oder, mangels Erscheinens, 50 Jahre nach ihrer Herstellung (§ 72 Abs. 3, § 95 i.V.m. § 94 Abs. 3 UrhG). Eine Besonderheit ergibt sich für Fotografien von Werken der bildenden Kunst, wenn diese bereits gemeinfrei sind. Lange Zeit war umstritten, ob fotografische Replikationen zweidimensionaler Vorlagen, insbesondere originalgetreue Fotografien von Gemälden, Lichtbildschutz genießen können.34 Denn auch der reine Lichtbildschutz muss zumindest ein geringes Mindestmaß an persönlicher geistiger (wenn auch nicht schöpferischer) Leistung aufweisen, was etwa bei reproduzierenden Fotokopien oder Scans nicht der Fall ist.35 Das wurde im Ausgangspunkt auch vom BGH in der Entscheidung Museumsfotos bestätigt.36 In den vom Fotografen getroffenen Entscheidungen über Belichtung, Blickwinkel und Entfernung zum abfotografierten Gemälde sieht der BGH aber eine für den Lichtbildschutz ausreichende gestalterische Leistung.37 Für Forschungsdaten (etwa aus den Kunst- oder Medienwissenschaften), in denen (gemeinfreie) zweidimensionale Werke abgebildet sind, bedeutet dies, dass sie in der Regel als Lichtbilder geschützt sind. Allerdings nicht mehr lange: Die DSMRichtlinie,38 die bis zum 7. Juni 2021 in nationales Recht umzusetzen ist, legt in Art. 14 fest, dass „nach Ablauf der Dauer des Schutzes eines Werkes der bildenden Kunst Material, das im Zuge einer Handlung der Vervielfältigung dieses Werkes entstanden ist, weder urheberrechtlich noch durch verwandte Schutzrechte geschützt ist, es sei denn, dieses Material stellt eine eigene geistige Schöpfung dar.“ Schließlich können Forschungsdaten in Form von Tonaufnahmen, etwa von Interviews, Gruppengesprächen oder Naturgeräuschen, vorkommen. Unabhängig von einer (in den genannten Beispielen eher nicht gegebenen) Schutzfähigkeit der aufgenommenen Geräusche, ist die Herstellung des Tonträgers als solche nach § 85 UrhG schutzfähig. 3. Schutz für Forschungsdaten in Datenbanken In den vorangegangenen Abschnitten standen Forschungsdaten, die auf unterschiedliche Art eine gestalterische Form angenommen haben, im Vordergrund. Rohdaten, also nicht aufbereitete Daten, wie etwa Messdaten, genießen als solche keinen urheberrechtlichen Schutz. Soweit die Daten allerdings in größerer Anzahl vorliegen und systematisch gespeichert werden, können sie eine nach § 87a UrhG geschützte Datenbank darstellen. Das sui-generis-Schutzrecht für Datenbankhersteller schützt jede „Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert“ (§ 87a Abs. 1 S. 1 UrhG). Eine Forschungsdatenbank ist in der Regel eine solche Sammlung von Werken, Daten oder anderen Elementen, die einzeln zugänglich sind (elektronisch oder analog). Das Merkmal der Unabhängigkeit erfordert, dass sich die Elemente voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres Inhalts beeinträchtigt wird.39 Hierdurch soll verhindert werden, dass der Datenbankbegriff auf sämtliche Gegenstände ausgedehnt wird, die aus Einzelteilen bestehen (wie etwa eine Musikkomposition, die aus Noten besteht). Die Elemente müssen bereits eigenständig und nicht erst aus ihrer Verbindung heraus Sinn ergeben.40 Der EuGH legt hier allerdings einen recht großzügigen Maßstab an: Die sich aus einer topografischen Landkarte ergebenden Einzeldaten (Höhe des Terrains, Verortung von Verkehrswegen u.Ä.) sind ausreichend unabhängig, auch wenn der Zweck einer Landkarte sich nur in Zusammenschau der Einzelelemente entfaltet.41 Für Forschungsdaten bedeutet dies, dass nicht nur eine Sammlung verschiedener Daten, sondern bereits ein einzelnes Dokument eine Datenbank darstellen kann, wie etwa die Zeichnung einer archäologischen Ausgrabungsstätte – vorausgesetzt, sie erfüllt auch die anderen Tatbestandsmerkmale. Das Erfordernis einer systematischen oder methodischen Anordnung soll die Datenbank von einem bloßen „Datenhaufen“ abgrenzen.42 Da Forschungsdaten im Sinne der wissenschaftlichen Verwertbarkeit anhand nachvollziehbarer Ordnungskriterien zusammengestellt werden, ist auch diese Voraussetzung unproblematisch. Kuschel · Urheberrecht und Forschungsdaten 4 7 43 Vgl. Erwägungsgrund 12 RL 96/9/EG (Datenbank-RL). 44 Vgl. BGH 1.12.2010 – I ZR 196/08 – GRUR 2011, 724, 725, Rn. 18 – Zweite Zahnarztmeinung II; Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 87a Rn. 12; Schmidt/Zech (Fn 39), CR 2017, 417, 421. 45 EuGH 9.11.2004 – C‑203/02 – GRUR 2005, 244, 247, Rn. 31 – The British Horseracing Board u.a.; EuGH 9.11.2004 – C‑338/02 – GRUR 2005, 252, 253, Rn. 24 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH 9.11.2004 – C‑444/02 – GRUR 2005, 254, 256, Rn. 40 – FixturesFußballspielpläne II; EuGH 9.11.2004 – C‑46/02 – GRURInt 2005, 244, 246 f., Rn. 31 ff. – Fixtures Marketing III. 46 EuGH 9.11.2004 – C‑203/02 – GRUR 2005, 244, 247, Rn. 31 – The British Horseracing Board u.a.; EuGH 9.11.2004 – C‑338/02 – GRUR 2005, 252, 253, Rn. 24 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH 9.11.2004 – C‑444/02 – GRUR 2005, 254, 256, Rn. 40 – Fixtures-Fußballspielpläne II; EuGH 9.11.2004 – C‑46/02 – GRURInt 2005, 244, 246 f., Rn. 31 ff. – Fixtures Marketing III. Vgl. auch Leistner, JZ 2005, 408, 409. 47 Vgl. hierzu auch Rieger, Der rechtliche Schutz wissenschaftlicher Datenbanken, 2010, S. 142 ff. 48 Hermes, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 87a Rn. 49 ff.; Vogel, in: Schricker/Loewenheim, UrhG (Fn 9), § 87a Rn. 53; Leistner, JZ 2005, 408, 409; ders., Datenbankschutz. Abgrenzung zwischen Datensammlung und Datengenerierung, CR 2018, 17, 20. 49 Leistner (Fn 48), CR 2018, 17, 20. 50 Leistner, JZ 2005, 408, 409. 51 Schmidt/Zech (Fn 39), CR 2017, 417, 422. Zu dieser Problematik vgl. auch Ehmann, Wettbewerbsfreiheit und Investitionsschutz, 2011, S. 109 f. 52 Schmidt/Zech (Fn 39), CR 2017, 417, 422. 53 Schmidt/Zech (Fn 39), CR 2017, 417, 422. Vgl. auch Rieger, Der rechtliche Schutz wissenschaftlicher Datenbanken, 2010, S. 145. 54 BGH 25.3.2010 – I ZR 47/08 – GRUR 2010, 1004, 1005 Rn. 19 – Autobahnmaut. Zuletzt muss die Erstellung der Datenbank eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert haben. Eben dieser Investitionsaufwand sollte durch die Schaffung des Datenbankherstellerrechts geschützt und damit ein Anreiz geschaffen werden, „moderne Datenspeicherund Datenverarbeitungs-Systeme“ zu entwickeln.43 Eine Investition kann nicht nur in der Aufwendung von Geld, sondern auch von Zeit, Arbeit oder technischen Mitteln liegen.44 Der EuGH stellte in vier Urteilen vom 9.11.2004 klar, dass nur Investitionen relevant sind, die gerade mit dem Aufbau der Datenbank, also mit der Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Daten, zusammenhängen.45 Unberücksichtigt bleiben insofern Aufwendungen, die der Generierung der Daten dienen.46 Bei Forschungsdaten hat also eine – nicht ganz triviale – Differenzierung zwischen Investitionen in die Datengenerierung und Investitionen in die Datenbeschaffung und ‑sammlung zu erfolgen.47 Teilweise wird die Abgrenzung danach vorgenommen, ob es sich um Daten handelt, die „vorgefunden“ werden, also bereits existieren, oder solche, die „erfunden“ werden.48 Nur bei Letzteren bestünde die Gefahr einer Monopolisierung von Informationen, weil allein der Erfinder der Daten diese auch sammeln könne.49 Daten, die im Rahmen wissenschaftlicher Messungen oder Beobachtungen gesammelt würden, seien hingegen bereits in der Natur vorhanden; der Beschaffungsaufwand insofern also eine berücksichtigungsfähige Investition.50 Gegen dieses Kriterium wird vorgebracht, in der Natur bereits vorhanden sei lediglich „potentielle semantische Information“, die nur durch Wahrnehmung zu faktischer Information und folglich zu Daten werde.51 In der Tat scheint es nicht ganz einleuchtend, tatsächliche Vorgänge bereits vor ihrer Dokumentation als „vorhandene Daten“ anzusehen. Stattdessen wird vorgeschlagen, auf das Kriterium einer allgemeinen dauerhaften Zugänglichkeit abzustellen, also danach zu fragen, „ob Dritte mit vergleichbarem Aufwand dieselben Daten erzeugen können“.52 Bei ephemeren Ereignissen, wie etwa Wetterdaten, seien die Beobachtungen nicht wiederholbar, so dass eine dauerhafte Zugänglichkeit nicht gegeben sei.53 Diese Kriterien sind grundsätzlich überzeugend und konsequent, aber dennoch nicht frei von Bedenken: Zum einen ist, zumindest in naturwissenschaftlichen Konstellationen, fraglich, ob ein paralleler Beobachter tatsächlich „dieselben Daten“ ermitteln würde. Sicherlich käme er zu ähnlichen oder gleichen Ergebnissen, ob aber die Daten auch exakt identisch wären, ist fraglich. Zum anderen hat der BGH in Bezug auf die im Rahmen des Autobahnmautsystems erfassten Daten, wie etwa Zeitpunkt und Länge der mautpflichtigen Fahrten, entschieden, dass diese „nicht erzeugt, sondern nur gesammelt und geordnet“54 würden. Bei diesen Verkehrsdaten handelt es sich allerdings auch um dynamische Vorgänge, die nur im konkreten Zeitpunkt festgestellt werden können. Die Charakterisierung von Daten als „vorgefunden“ oder „erzeugt“ gestaltet sich mithin äußerst schwierig. Möglicherweise ist sie auch nicht zwingend erforderlich, denn Ausgangspunkt der Frage ist allein die Berücksichtigungsfähigkeit der konkreten Investition. Nicht berücksichtigungsfähig sind all solche Investitionen, die erforderlich sind, um erfassbare Informationen überhaupt erst zu initiieren, also einen Ablauf in Gang zu setzen, aus dem Informationen hervorgehen. Bei aus einem naturwissenschaftlichen Versuch hervorgehenden Messdaten ist also zwischen den Investitionen, die in den Versuchsaufbau geflossen sind und jenen, die für die Messung des Versuchsablaufs und ‑ergebnisses erforderlich waren, zu unterscheiden; nur letztere wären für das Datenbankherstellerrecht zu berücksichtigen. Ebenso wäre bei einem sozialwissenschaftlichen Experiment zu entscheiden: Die Kosten, die für die Mobilisierung der Versuchsteilnehmer (etwas das Anwerben) und die organisatorische Planung des Versuchs anfallen, wären nicht anzusetzen, wohl aber der Zeitaufwand der Wissenschaftler, die die Vorgänge dokumentieren. 4 8 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2020), 43–52 55 So auch Leistner (Fn 48), CR 2018, 17, 19 f. A.A. wohl OLG Hamburg 8.6.2017 – 5 U 54/12 – BeckRS 2017, 138204 Rn. 247. 56 Vgl. Hartmann (Fn 4), 513. 57 EuGH 9.11.2004 – C‑203/02 – GRUR 2005, 244, 251, Rn. 84 ff. – The British Horseracing Board u.a. 58 EuGH 9.11.2004 – C‑203/02 – GRUR 2005, 244, 251 Rn. 84 ff. – The British Horseracing Board u.a. Vgl. auch Hermes, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 87b Rn. 66. 59 Vgl. hierzu nur Bappert, Wege zum Urheberrecht, 1962, S. 105 ff.; Woodmansee, The Genius and the Copyright. Economic and Legal Conditions of the Emergence of the ‘Author’, Eighteenth-Century Studies, 17 (1984), 424. 60 Vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), Vorbemerkung zu §§ 70 ff. Rn. 13. 61 BGH 6.2.2014 – I ZR 86/12 – GRUR 2014, 363, 364, Rn. 23. Vgl. auch Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 95 Rn. 2. 62 Vgl. BGHZ 112, 243 = BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 – GRUR 1991, 523, 525 – Grabungsmaterialien; Ulrici, Kooperation in der Wissenschaft: Das Recht am und auf das Arbeitsergebnis, WissR 48 (2015), 318, 319 f.; ders., Geistiges Eigentum in Forschungsverbünden, OdW 2018, 129, 131. 63 Lauber-Rönsberg/Krahn/Baumann, Gutachten zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Forschungsdatenmanagements 2018, S. 5. 64 Vgl. hierzu auch Möslein, Privatrechtliche Regelsetzungsfragen der wissenschaftlichen Kooperationsform: Angebot des Gesetzgebers oder selbstgestaltetes Recht?, OdW 2018, 99, 101. Einen anderen Investitionsbereich betreffen Aufwendungen, die für die Aufbereitung gesammelter Rohdaten anfallen; hierbei handelt es sich um berücksichtigungsfähige Kosten für die Darstellung der Daten.55 Im Gegensatz zu Datenbankwerken erfordert die Auswahl und Anordnung der einzelnen Elemente beim Datenbankschutz keine schöpferisch-kreative Leistung. Für Forschungsdaten ist der Datenbankschutz folglich wesentlich relevanter.56 Die Schutzfrist ist allerdings kürzer: Das Datenbankherstellerrecht erlischt 15 Jahre nach Veröffentlichung bzw. 15 Jahre nach Herstellung der Datenbank, wenn sie innerhalb dieser Frist nicht veröffentlicht wird (§ 87d UrhG). Der Schutz des Datenbankherstellers bezieht sich, ähnlich wie bei Sammelwerken und Datenbankwerken, nicht auf die einzelnen Daten, sondern auf das Gesamtergebnis, die Datenbank als solche. Der Rechtsinhaber hat dementsprechend das ausschließliche Recht, die Datenbank vollständig oder „einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil“ davon zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben (§ 87b Abs. 1 S. 1 UrhG). Allerdings kann bereits die Nutzung eines unwesentlichen Teils der Datenbank das Recht des Datenbankherstellers verletzen, wenn es um „wiederholte und systematische“ Handlungen geht, die „einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen“ (§ 87b Abs. 1 S. 2 UrhG). Diese „Umgehungsklausel“57 soll sicherstellen, dass nicht durch systematischen Zugriff auf unwesentliche Teile der Datenbank letztlich im Gesamtergebnis doch ein wesentlicher Teil oder gar die gesamte Datenbank unerlaubt genutzt wird.58 III. Originäre Rechtsinhaberschaft Insbesondere für die kontinentaleuropäischen Urheberrechtssysteme steht rechtshistorisch die Person des Urhebers im Mittelpunkt.59 Das Urheberrecht hat, zumindest im Ausgangspunkt, den genialen (Einzel-) Schöpfer vor Augen und gewährt ihm die ausschließlichen Rechte an seinem Werk (§ 7 UrhG). Wurde das Werk von mehreren Personen gemeinsam geschaffen, halten sie auch das Urheberrecht gemeinsam (§ 8 UrhG). Gleiches gilt für Leistungsschutzrechte; hier erhält das Recht die Person, die die Leistung erbracht hat.60 Der Laufbildschutz steht dabei – in Gleichlauf mit dem Schutz des Filmherstellers (§ 95 i.V.m. § 94 UrhG) – der Person zu, die die wirtschaftliche und organisatorische Leistung der Filmherstellung erbringt.61 Bei Forschungsdaten, die von mehreren Personen generiert wurden, ist also für jeden Bestandteil einzeln festzustellen, wer Schöpfer bzw. Erzeuger ist.62 Der Datenbankschutz sui generis gründet sich, wie gesehen, auf die Schutzwürdigkeit wesentlicher Investitionen in die ordnende Funktion von Datenbanken. Die Rechte an einer schutzfähigen Datenbank erhält dementsprechend der Datenbankhersteller (§ 87b UrhG), also derjenige, der die wesentliche Investition vorgenommen hat (§ 87a Abs. 2 UrhG). Das ist bei Hochschulforschung in der Regel die Hochschule selbst oder ein Drittmittel- bzw. Auftraggeber.63 Bereits in vielen Bereichen kreativen Schaffens trifft die Grundannahme des Urheberrechts, dass Einzelpersonen Werke erschaffen, nur noch eingeschränkt zu; an den Realitäten größerer Forschungsprojekte geht sie häufig vorbei.64 Denn hier sind es in der Regel Forschergruppen, die das Projekt betreiben und vor allem sehr viele verschiedene Personen, die an der Generierung von Forschungsdaten beteiligt sind. Neben einem oder mehreren Gruppenleitern sind häufig Doktoranden und ggf. auch wissenschaftliche Hilfskräfte und nicht-wissenschaftliches Hilfspersonal in das Projekt eingebunden. Werden die (urheberrechtlich oder leistungsschutzrechtlich) geschützten Materialien in einer großen Datenbank zusammengeführt, entsteht ein Konglomerat, an dem unterschiedlichste Personen Rechte halten. IV. Abgeleitete Rechte Entsprechend seiner persönlichkeitsrechtlichen Wurzeln ist das Urheberrecht untrennbar mit der Person des Kuschel · Urheberrecht und Forschungsdaten 4 9 65 Vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 72 Rn. 16; Thum, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 72 Rn. 125. Übertragbar sind hingegen das Recht des Tonträgerherstellers (§ 85 Abs. 2 S. 1) und des Laufbildherstellers (§ 95 i.V.m. § 94 Abs. 2 S. 1 UrhG). 66 Vgl. Peifer, Wissenschaftsmarkt und Urheberrecht. Schranken, Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht, GRUR 2009, 22, 27; Schack, Urheberrecht (Fn 7), Rn. 1114 f. 67 BVerfGE 35, 79, 113 = BVerfG 29.5.1973 – 1 BvR 424/71 u. 325/72 – NJW 1973, 1176, 1176. Vgl. hierzu Gärditz, Die grundrechtliche Stellung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Hochschulorganisation, WissR 49 (2016), 349, 357 f. 68 Vgl. BGHZ 112, 243 = BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 – GRUR 1991, 523, 525 – Grabungsmaterialien; Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 43 Rn. 12; Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 825 f.; Heermann, Der Schutzumfang von Sprachwerken der Wissenschaft und die urheberrechtliche Stellung von Hochschulangehörigen, GRUR 1999, 468, 474 f. Eingehend zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Publikationspflichten im Rahmen von Förderbedingungen Fehling (Fn 2), OdW 2014, 179. Zur Zweitveröffentlichungspflicht in Hochschulsatzungen siehe Haug, Open Access in Baden-Württemberg: Rechtswidriger Zweitveröffentlichungszwang zwischen Urheber- und Hochschulrecht, OdW 2019, 89; gegen eine entsprechende Satzungsänderung der Universität Konstanz ist eine Normenkontrollklage beim VGH Baden-Württemberg anhängig, der das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt hat (Az. 9 S 2056/16), vgl. hierzu Löwisch, Streit um die Zweitveröffentlichungspflicht geht zum Bundesverfassungsgericht, OdW 2018, 43. 69 Vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 43 Rn. 12; Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 827; Heermann (Fn 68), GRUR 1999, 468, 473. 70 Wandtke, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 43 Rn. 26. 71 BGH 26.10.1951 – I ZR 93/51 – GRUR 1952, 257 – KrankenhausKartei. 72 Ulrici (Fn 62), WissR 48 (2015), 318, 328. 73 Vgl. BGHZ 112, 243 = BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 – GRUR 1991, 523, 525 – Grabungsmaterialien; Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 827; Lauber-Rönsberg/Krahn/Baumann, Gutachten 2018 (Fn 63), S. 4. Schöpfers verbunden und somit nicht übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG). Gleiches gilt nach ganz überwiegender Ansicht für Lichtbilder.65 Vor diesem Hintergrund existieren im deutschen Urheberrecht auch keine der work-made-for-hire doctrine des anglo-amerikanischen Copyright Law vergleichbaren oder dem Arbeitnehmererfindergesetz entsprechenden Regelungen.66 Dritten kann jedoch ein, mitunter sehr umfangreiches, Nutzungsrecht an dem Werk eingeräumt werden. Das kann entweder explizit im Rahmen eines Nutzungsrechtsvertrags geschehen oder sich implizit aus einem privatrechtlichen Arbeits- bzw. einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ergeben (vgl. § 43 UrhG und, für Computerprogramme, § 69b UrhG). Für (urheberrechtlich geschützte) Forschungsdaten, die an Hochschulen produziert werden, ergeben sich allerdings einige Besonderheiten. 1. Hochschulprofessoren Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG erklärt „die Wissenschaft zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich persönlicher und autonomer Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers“, um die Erkenntnisfunktion von Forschung und Lehre nicht zu gefährden.67 Hieraus lässt sich ableiten, dass die Grundsätze des Arbeitnehmerurheberrechts, nach denen Dienstherr oder Arbeitgeber Nutzungsrechte an den vom Arbeitnehmer geschaffenen Werken erhalten, nicht uneingeschränkt auf Hochschullehrer anwendbar sind.68 Mit Hochschulprofessoren gleichzusetzen sind insofern auch andere autonom arbeitende Forscher, wie etwa Privatdozenten, außerplanmäßige Professoren und Gastdozenten.69 Das Privileg gilt allerdings nur im Hinblick auf „zweckfreie Forschung“.70 Soweit die Erstellung der Materialien zugleich die Erfüllung einer Dienstpflicht ist, wie etwa die Erstellung einer Patientenakte, die auch zu Forschungszwecken verwendet wird, steht dem Arbeitgeber ein Nutzungsrecht zu.71 Auch im Hinblick auf Forschungsdaten, die im Rahmen eines konkreten Forschungsauftrags, etwa bei Zusammenarbeit mit einem kommerziell tätigen Unternehmen, produziert werden, hat der Forscher dem Auftraggeber in der Regel ein Nutzungsrecht einzuräumen.72 Werden Forschungsdaten in größerem Umfang erhoben und in einer Forschungsdatenbank gesammelt, kann hieran ein Datenbankschutz sui generis bestehen. Dieses Schutzrecht steht – wie vorangegangen festgestellt – in der Regel der Hochschule oder dem Auftrag- bzw. Drittmittelgeber zu. Hier könnte die Wissenschaftsfreiheit in umgekehrter Stoßrichtung wirken: Um den Erfolg der Forschung nicht zu gefährden und dem projektleitenden Wissenschaftler die Entscheidung zu überlassen, ob und wie er die Daten in zukünftigen Projekten verwenden möchte, sollte ihm ein einfaches Nutzungsrecht am Datenbankherstellerrecht gewährt werden. 2. Nicht-wissenschaftliches Personal Gerade in umfangreichen Forschungsprojekten werden auch nicht-wissenschaftliche Angestellte Forschungsdaten erzeugen und somit etwaige Rechte hieran erhalten. Zu dieser Personengruppe zählen etwa medizinisch-technische Assistenten oder studentische Hilfskräfte. Da diese Tätigkeit vollständig weisungsgebunden erfolgt, greift das Forscherprivileg hier nicht.73 Grundsätzlich erhält damit der Arbeitgeber bzw. Dienstherr ein Nutzungsrecht an den Schutzrechten. Teilweise wird vorgeschlagen, das Nutzungsrecht dem Forschungsgruppenleiter zu gewähren, wenn die Forschungsergebnisse nach dessen Weisung 5 0 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2020), 43–52 74 Vgl. Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 827. Ggf. unter Beteiligung an einem etwaigen Gewinn (vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 43 Rn. 12; Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 827). 75 Diese funktionale Betrachtung findet sich auch in der Entscheidung BGHZ 112, 243 = BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 – GRUR 1991, 523, 527 – Grabungsmaterialien. 76 BVerfGE 35, 79, 112 = BVerfG 29.5.1973 – 1 BvR 424/71 u. 325/72 – NJW 1973, 1176, 1176. 77 Vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 43 Rn. 12; Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 827; Heermann (Fn 68), GRUR 1999, 468, 472; Lauber-Rönsberg/Krahn/Baumann, Gutachten 2018 (Fn 63), S. 4. 78 Vgl. Haberstumpf (Fn 12), ZUM 2001, 819, 828; Heermann (Fn 68), GRUR 1999, 468, 475. 79 Siehe hierzu auch Ulrici, Kooperation in der Wissenschaft: Das Recht am und auf das Arbeitsergebnis, WissR 48 (2015), 318, 329; ders. (Fn 62), OdW 2018, 129, 147. 80 BGH 22.2.1974 – I ZR 128/72 – GRUR 1974, 480, 482 – Hummelrechte. entstanden sind.74 Am sinnvollsten erscheint es, in diesen Situationen beiden – Arbeitgeber und weisungserteilendem Wissenschaftler – Nutzungsrechte zu erteilen. Auf diese Weise wird zum einen die Investitionsleistung des Arbeitgebers berücksichtigt und ein Gleichlauf mit dem Datenbankherstellerrecht erreicht, zum anderen wird die Fortentwicklung des Forschungsprojekts in den Händen des weisungserteilenden Wissenschaftlers gewährleistet.75 3. Wissenschaftliche Mitarbeiter Die Wissenschaftsfreiheit kommt nicht nur Hochschulprofessoren zugute, sondern „steht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will.“76Das bedeutet, dass an Forschungsdaten, die von wissenschaftlichem Personal im Rahmen der eigenen Forschung, etwa für eine Qualifikationsschrift, produziert werden, der Arbeitgeber kein Nutzungsrecht erhält.77 Für Ergebnisse weisungsgebundener Tätigkeit gelten hingegen die gleichen Grundsätze wie für nicht-wissenschaftliches Personal (vgl. IV.2.). Diese Unterscheidung fällt bei größeren Forschungsprojekten, wie etwa in der Medizin, mitunter schwer. Regelmäßig sind hier eine Vielzahl von Forschern unterschiedlicher Hierarchien beteiligt und arbeiten zugleich am Gesamtprojekt und an ihrer eigenen Forschung im Rahmen einer Teilfrage. Hier ist auf Entstehung und Zweck des konkreten Forschungsdatums abzustellen: Handelt es sich um Material, das weisungsgebunden erhoben und dem Gesamtprojekt zugeführt wurde, so werden daran Nutzungsrechte eingeräumt. An den vom wissenschaftlichen Mitarbeiter selbständig erstellten Forschungsdaten und Texten (etwa einer Dissertationsschrift) erhält der Arbeitgeber keine Nutzungsrechte. Im Hinblick auf die Frage nach der Person, die die Nutzungsrechte erhält, gilt das gleiche wie bei nicht-wissenschaftlichem Personal (IV.2.) 4. Externe Personen (insbesondere externe Doktoranden) Urheber bzw. Rechteinhaber, die in keinem Arbeitsoder Dienstverhältnis tätig sind, wie externe Doktoranden und Studierende, müssen an den von ihnen geschaffenen Materialien grundsätzlich keine Nutzungsrechte einräumen.78 In Bezug auf die angefertigten Qualifikationsschriften ist dies selbstverständlich und unproblematisch. Vielfach sind allerdings auch diese externen Personen, insbesondere externe Doktoranden, in die Erzeugung von Forschungsdaten für das Gemeinschaftsprojekt eingebunden.79 Zwar erhalten sie hierfür meist keine Vergütung, dafür können sie aber auf den Forschungsdatenpool zugreifen und ihn für ihre eigene Forschung verwenden. Ginge man davon aus, dass diese externen Personen dennoch keine Nutzungsrechte an den von ihnen generierten Daten einräumen müssten, würde dies zu erheblichen Problemen führen, wenn die Forschungsdatenbank z.B. öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Denkbar wäre, die Betreuungszusage als Vertrag sui generis einzuordnen, aus dem sich u.a. ergibt, dass der Doktorand Nutzungsrechte an den von ihm für das Gesamtprojekt produzierten Forschungsdaten einräumt. Dies wäre mit der weiten Interpretation des Begriffes des Arbeitsverhältnisses durch den BGH wohl zu vereinbaren: Hiernach genügt es, dass der Urheber „in einem mehr oder weniger starken Abhängigkeitsverhältnis für die Verwertungszwecke eines anderen tätig wird“, wobei auf die „Zweckbestimmung“ des Werkes abzustellen sei.80 Zugunsten des externen Doktoranden wiederum könnten sich aus diesem Vertrag Schutz- und Treuepflichten des betreuenden Forschers ergeben. So wäre etwa sicherzustellen, dass der externe Doktorand auch tatsächlich Zugang zu den für seine Forschung relevanten Daten erhält, insbesondere auch dann, wenn der Betreuer zwischenzeitlich die Institution wechselt. Idealerweise sollten etwaige Rechte und Pflichten der Parteien zu Beginn der Zusammenarbeit festgelegt werden. Dabei wäre beispielweise auch eine Regelung für den Fall zu treffen, dass die Betreuung vorzeitig (einvernehmlich oder auch nicht) beendet wird. 5. Exkurs: Forschungskooperationen Für Forschungsdaten, die im Rahmen von Forschungskooperationen geschaffen werden, gilt im Grundsatz das oben Gesagte, wobei etwaige explizite Regelungen in Forschungs- und Entwicklungsverträgen zu berücksichtigen sind. Trotz der enormen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz von Forschungskooperatio- Kuschel · Urheberrecht und Forschungsdaten 5 1 81 Vgl. Möslein (Fn 64), OdW 2018, 99. Vgl. auch Heide, Patentschutz und Patentlizenzen in Forschungskooperationen, InTer 2013, 2, der den Mangel an einschlägiger Rechtsprechung, neben der bestehenden Rechtsunsicherheit, darauf zurückführt, dass etwaige Streitfälle aus Gründen der Geheimhaltung eher vor Schiedsgerichten ausgetragen werden. 82 Eberbach/Hommelhoff/Lappe, Eine Kooperationsform für die Wissenschaft, OdW 2017, 1, 5 ff. Siehe auch Geibel, Rechtsform und Zurechnungen zwischen Transparenz und Abschirmwirkung am Beispiel der Wissenschafts- und Forschungskooperationen, OdW 2018, 87; Möslein (Fn 64), OdW 2018, 99. 83 Vgl. auch Eberbach/Hommelhoff/Lappe (Fn 82), OdW 2017, 1, 8 f. 84 Kumpan, Die Governance einer Forschungskooperationsgesellschaft – Struktur, Kompetenzen und Verfahren, OdW 2018, 115, 117. 85 Vgl. hierzu auch BGHZ 112, 243 = BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 – GRUR 1991, 523, 527 – Grabungsmaterialien. 86 Siehe hierzu Kumpan (Fn 84), OdW 2018, 115, 117 ff. 87 Für Beiträge aus nicht-wissenschaftlichen Zeitschriften gilt hingegen die prozentuale Grenze aus Absatz 1 bzw. Absatz 2. 88 BT-Drs. 18/12329, S. 40. Zur wissenschaftlichen Relevanz von Text und Data Mining siehe nur Raue, Rechtssicherheit für datengestützte Forschung, ZUM 2019, 684; Specht, Die neue Schrankenregelung für Text und Data Mining und ihre Bedeutung für die Wissenschaft, OdW 2018, 285. 89 Vgl. de la Durantaye, Neues Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft. Eine kritische Würdigung des Gesetzentwurfs, GRUR 2017, 558, 561; Raue (Fn 88), ZUM 2019, 684, 685. 90 Vgl. BT-Drs. 18/12329, S. 40; ErwG 9 DSM-Richtlinie. nen, sind Rechtsprechung und Literatur auf diesem Gebiet rar.81 Begrüßenswert sind insofern Vorschläge für eine neu zu kreierende spezifische Rechtsform für Forschungskooperationen.82 Vorteile einer Kooperationsform mit eigener Rechtsfähigkeit wären unter anderem, dass sie selbst Trägerin des Datenbankherstellerrechts sein und in eigenem Namen Arbeitsverträge abschließen könnte.83 Etwaige Nutzungsrechte würden dann direkt der Forschungskooperation zufallen. Zudem könnte die Kooperationsstruktur fortbestehen, auch wenn einzelne Forscher ausscheiden, weil sie z.B. die Institution wechseln.84 Auf diese Weise könnte sichergestellt werden, dass der Zugang zu den Forschungsdaten zugunsten des Gelingens des Forschungsprojektes dauerhaft gewährleistet ist.85 Die Belange der Wissenschaftsfreiheit in Bezug auf die (Fort-)Nutzung von Forschungsdaten sollten dabei durch entsprechende Governancestrukturen86 sichergestellt, anstatt auf Ebene urheberrechtlicher Nutzungsrechte ausgefochten zu werden. V. Gesetzliche Nutzungserlaubnis Die Nutzung urheberrechtlich bzw. leistungsschutzrechtlich geschützter Forschungsdaten ist nicht nur auf vertraglicher Basis, sondern auch im Rahmen der gesetzlichen Schranken (§§ 44a ff. UrhG) erlaubt. Für die wissenschaftliche Nutzung von Forschungsdaten sind besonders die Erlaubnistatbestände in § 60c (Wissenschaftliche Forschung) und § 60d UrhG (Text und Data Mining) relevant. Die gesetzlichen Erlaubnistatbestände sind im Zusammenhang mit Forschungsdaten in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen können sich Forscher bei der Nutzung und Archivierung vorbestehender Werke in einer Forschungsdatenbank selbst auf eine etwaige Erlaubnis berufen. Zum anderen wird die Nachnutzung der Forschungsdaten durch Dritte in gewissen Grenzen erlaubt. Nach § 60c Abs. 1 UrhG dürfen für die Zwecke nichtkommerzieller Forschung „bis zu 15 Prozent eines Werkes vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden“, um die Werke so einem abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung zugänglich zu machen (Nr. 1) oder um Dritten die Überprüfung der Qualität der wissenschaftlichen Forschung zu ermöglichen (Nr. 2). Zudem dürfen „Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke“ in vollem Umfang genutzt werden (Abs. 3).87 Das bedeutet, dass auch vorbestehende Werke (in dem erlaubten Umfang) in eine Forschungsdatenbank aufgenommen werden dürfen. Allerdings darf diese Forschungsdatenbank dann nur einer personal abgegrenzten Forschergruppe zugänglich sein oder aber für Zwecke der Überprüfung der Forschungsergebnisse durch Dritte genutzt werden. Absatz 2 erlaubt (nur) die Vervielfältigung eines Werkes in größerem Umfang (75 Prozent), allerdings lediglich für die eigene wissenschaftliche Forschung, so dass die genutzten Werkausschnitte nicht im Rahmen einer Forschungsdatenbank anderen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Beim Text und Data Mining werden große Textund Datenmengen automatisiert durchsucht und ausgewertet.88 Hierzu ist zunächst technisch erforderlich, dass die auszuwertenden Daten in maschinenlesbarer Form (Korpus) vorliegen, was in der Regel eine Vervielfältigung der Materialien erfordert.89 Das Text und Data Mining als solches, also allein die automatisierte Auswertung, stellt hingegen keine urheberrechtlich relevante Handlung dar.90 § 60d UrhG erlaubt sowohl etwaige Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials (Abs. 1 S. 1 Nr. 1) als auch die Zugänglichmachung des Korpus für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für die gemeinsame wissenschaftliche Forschung oder für Dritte zur Überprüfung der wissenschaftlichen Qualität (Abs. 1 S. 1 Nr. 2). Die Schranke gilt allerdings nur für Material, zu dem bereits ein rechtmäßiger Zugang besteht; ein 5 2 O RDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2020), 43–52 „Anspruch auf Zugang zu geschütztem Ursprungsmaterial“ wird nicht geschaffen.91 Privilegiert ist in jedem Fall nur die nicht-kommerzielle Forschung.92 Dass ein Projekt durch Drittmittel gefördert wird, steht dem nicht-kommerziellen Charakter der Forschung dabei ebenso wenig entgegen, wie die Aussicht auf eine gewinnbringende Veröffentlichung.93 Nutzungshandlungen für die Zwecke unternehmenseigener Forschung oder kommerzielle Auftragsforschung sind nicht von den Schranken erlaubt.94 Durch die DSM-Richtlinie wird das Text und Data Mining zum Zwecke wissenschaftlicher Forschung auf eine einheitliche europäische Grundlage gestellt (Art. 3 DSMRL) und zudem in begrenztem Umfang auch für sonstige Zwecke ermöglicht (Art. 4 DSM-RL). Art. 3 Abs. 2 DSMRichtlinie erlaubt dabei, im Gegensatz zur bereits bestehenden Schrankenregelung in § 60d UrhG, dass im Bereich der wissenschaftlichen Forschung das vervielfältigte Material auch dauerhaft gespeichert und aufbewahrt wird (Art. 3 Abs. 2 DSM-RL). Unter den Begriff der wissenschaftlichen Forschung fällt, anders als nach bisheriger deutscher Regelung, auch kommerzielle Forschung, soweit etwaige Gewinne anschließend in die Forschung reinvestiert werden (Art. 2 Abs. 1 lit. a DSM-RL).95 VI. Schluss Die Frage nach den Urheberrechten an Forschungsdaten ist nicht leicht zu beantworten. Da der urheberrechtliche Schutz von der schöpferischen Leistung und die Leistungsschutzrechte von der konkreten Darstellung des Materials abhängen, ist die Schutzfähigkeit von Forschungsdaten grundsätzlich für jeden Informationsträger gesondert zu prüfen. An umfangreicheren Forschungsdatenbanken, und in manchen Fällen sogar einzelnen Informationsträgern (wie etwa topografischen Landkarten), kann zudem ein Datenbankherstellerrecht bestehen. Da die originäre Rechtsinhaberschaft jeweils (abgesehen vom Datenbankherstellerrecht) bei der schöpfenden bzw. erzeugenden Person liegt, halten häufig eine Vielzahl von Beteiligten Rechte an einem Forschungsdatenpool. Zwar können sich aus den Wertungen des Arbeitnehmerurheberrechts Nutzungsrechte zugunsten von Institution oder leitendem Forscher ergeben. Rechtssicherer und insofern vorzugswürdig sind jedoch explizite vertragliche Vereinbarungen. Idealerweise sollten die Forschungsinstitutionen hier gewisse Leitlinien oder entsprechende Vertragsmuster bereitstellen. Linda Kuschel ist Juniorprofessorin an der Bucerius Law School in Hamburg und Habilitandin von Marc-Philippe Weller an der Universität Heidelberg. Die Autorin dankt Michael Fehling für den bereichernden Gedankenaustausch und Darius Rostam sowie Jasmin Dolling für die Unterstützung bei der Recherche. 91 BT-Drs. 18/12329, S. 41. 92 BT-Drs. 18/12329, S. 40. 93 BT-Drs. 18/12329, S. 39. Vgl. auch Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 60c Rn. 6; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 60c Rn. 12. 94 BT-Drs. 18/12329, S. 39. Vgl. auch Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG (Fn 11), § 60c Rn. 6; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhG (Fn 9), § 60c Rn. 12. 95 Vgl. hierzu auch Raue (Fn 88), ZUM 2019, 684, 690.