Übersicht
I. Fragestellung
II. Gestaltungsoptionen bei den Open-Access-Förderbedingun- gen
1. Übereinstimmungsgrad der Zweitveröffentlichung mit der Druckversion
2, Arten und Aufarbeitungsgrad der zusätzlich zu publizieren- den Forschungsdaten
3. Karenzzeit vor (Zweit-)Veröffentlichung
4. Strikte oder weniger strikte Ausgestaltung der Open-Access- Publikationspflicht
5. Förderung der Open-Access-Publikation im Zusammenspiel mit dem Urheberrecht
III. (Verfassungs-)Rechtliche Analyse
1. Urheberrechtliche Rahmenbedingungen
a) Urheberrecht und Zweitpublikation im Lichte des neuen § 38 Abs. 4 UrhG
b) Urheberrecht an Forschungsdaten und an deren wissen- schaftlicher Verarbeitung
2. Datenschutz bei Forschungsdaten
a) Beschränkung auf personenbezogene Daten
b) Folgerungen für Rohdaten insbesondere bei medizinischer Forschung
3. Allgemeine Leitlinien aus Art. 5 Abs. 3 GG
a) Schutzbereich der Publikationsfreiheit
b) Keine immanenten Schutzbereichsbegrenzungen
c) Eingriff durch DFG-Förderbedingungen?
d) Verfassungsimmanente Schranken der Publikationsfreiheit
e) Vorbehalt des Gesetzes für Open-Access-Förderbedingungen?
f) Aspekte der Verhältnismäßigkeit
4. Verfassungsrechtliche Differenzierungsmöglichkeiten und ‑notwendigkeiten
a) Differenzierungspflichten wegen unterschiedlicher Rahmen- bedingungen in verschiedenen Fächern gemäß Art. 3 Abs. 1 GG
b) Einzelne Differenzierungskriterien
c) Differenzierungsmöglichkeit zwischen Zeitschriften- und Buchpublikation
IV. Zusammenfassung der Ergebnisse
* Gekürzte Fassung eines Rechtsgutachtens, das der Verfas- ser im Herbst 2013 der Deutschen Forschungsgemeinschaft erstattet hat, dort vor allem bei der Recherche unterstützt durch Dr. Mayeul Hièramente.
I. Fragestellung
Das wissenschaftliche Publikationswesen befindet sich im Wandel. Durch das Internet können Erkenntnisse schneller, umfassender, weltweit und über Fächergren- zen hinweg verfügbar gemacht werden. Oftmals werden dort nunmehr Zeitschriften und Datenbanken von Ver- lagen für die Nutzer (Subskribenten) entgeltpflichtig angeboten, wie dies auch bei traditionellen, gedruckten Journals der Fall ist. Bei diesem Geschäftsmodell bleiben jedoch für Bibliotheken und Leser die finanziellen Zugangshürden erhalten. Die Preise für wissenschaftli- che Zeitschriften sind, freilich in fachspezifisch unter- schiedlichem Ausmaß, in den letzten Jahren massiv gestiegen, womit die Bibliotheksetats nicht mithalten können. Daher wird aus der Wissenschaft und von staat- licher Seite immer stärker dafür geworben und darauf gedrungen, Publikationen für die Nutzer frei – und damit auch kostenfrei – im Internet zugänglich zu machen (Open Access), um den wissenschaftlichen Informationsfluss zu fördern.
Open Access kann auf zwei Wegen gesichert werden: Entweder dadurch, dass die Publikation in einer Open- Access-Zeitschrift veröffentlicht wird („golden road“), oder dadurch, dass der Beitrag im Nachgang zur Veröf- fentlichung in einer Subskriptionszeitschrift nach einer gewissen Karenzfrist in ein Internet-Repositorium o.ä. eingestellt wird („green road“). Eine solche Zweitveröf- fentlichung stieß bislang allerdings auf das Hindernis, dass sich Verlage regelmäßig von den Autoren ein aus- schließliches Verwertungsrecht für die zur Veröffentli- chung angenommenen Aufsätze übertragen ließen. Zwar gestatten manche Verlage in ihren Allgemeinen Ge- schäftsbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen bereits freiwillig eine Open-Access-Zweitpublikation, doch ist dies längst nicht immer der Fall.
Deshalb wurde nach längerem Streit im Herbst 2013 eine Urheberrechtsnovelle beschlossen,1 worin be-
1 BGBl I 2013, S 3728.
Michael Fehling
Verfassungskonforme Ausgestaltung von DFG-Förderbedingungen
zur Open-Access-Publikation*
Ordnung der Wissenschaft 2014, ISSN 2197–9197
180 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
stimmten staatlich geförderten Wissenschaftlern ein ver- traglich nicht abdingbares Zweitveröffentlichungsrecht garantiert wird (§ 38 Abs. 4 UrhG). Eine Pflicht zur ent- sprechenden Zweitpublikation ist damit jedoch nicht verbunden.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat bereits 2003 die „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ unterzeichnet. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen unter Ein- schluss der DFG hat sich seitdem immer wieder für eine Forcierung des Open-Access-Publizierens ausgespro- chen. Von politischer Seite wird gefordert, die staatliche Finanzierung von Forschung vermehrt an die Bereit- schaft zur Open-Access-Veröffentlichung der Ergebnisse zu koppeln. Zuletzt hat auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in seiner Entschließung vom 26.06.2013 dafür plädiert, „Forscherinnen und Forscher zur Open-Access-Publikation durch entsprechende Klauseln in den Förderbestimmungen der öffentlichen Fördermittelgeber anzuhalten“ sowie „die dauerhafte di- gitale Archivierung und den Zugang zu Forschungsda- ten, die aus überwiegend öffentlicher Forschung hervor- gegangen sind, zu fördern“.2 Dem treten Verlage und ihre Interessenvertretungen (namentlich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels) mit der Befürchtung entge- gen, dass bei einer Pflicht zur Open-Access-Publikation der Absatz ihrer Subskriptionszeitschriften einbrechen könnte und sie damit ihre Qualitätskontrollfunktion nicht mehr wirtschaftlich wahrnehmen könnten. Auch aus der Wissenschaft kommen Gegenstimmen, die in ei- ner Open-Access-Veröffentlichungspflicht eine Verlet- zung ihrer Publikationsfreiheit sehen.
Die DFG beschränkt sich in ihren Verwendungs- richtlinien3 bislang auf eine dringende Empfehlung, die „mit ihren Mitteln finanzierten Forschungsergebnisse […] möglichst auch digital [zu veröffentlichen] und für den entgeltfreien Zugriff im Internet (Open Access) ver- fügbar [zu machen] [.…].“ Im Ausland, namentlich in den USA und in Großbritannien, geht man teilweise schon dazu über, staatlich finanzierte Forschung im Grundsatz (mit mehr oder minder weitreichenden Aus- nahmen) zur Open-Access-Publikation (zumindest im Wege der „green road“) zu verpflichten. Darauf steuert auch die Europäische Union für ihr nächstes Forschungs- rahmenprogramm zu.
Auch in Deutschland wird erwogen, Empfänger von (semi-)staatlicher Forschungsförderung – besonders der DFG – in den Förderbedingungen zur Open-Access-
- 2 BT-Drs 17/14194, unter II, 1.4. und 1.6.
- 3 DFG-Vordruck 2.02 – 11/10, Ziffer 13
- 4 Siehe unten III. 1. a).
Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse (Aufsätze und zugrunde liegende Forschungsdaten) zu verpflich- ten, Ob und unter welchen Voraussetzungen dies verfas- sungsrechtlich, insbesondere im Lichte der Wissen- schaftsfreiheit, zulässig wäre, ist Gegenstand der folgen- den Überlegungen.
II. Gestaltungsoptionen bei den Open-Access-Förder- bedingungen
1. Übereinstimmungsgrad der Zweitveröffentlichung mit der Druckversion
Die Zweitveröffentlichung des Aufsatzes im kostenfrei zugänglichen Internet könnte sowohl beim Inhalt als auch bei der Formatierung (Layout) in mehr oder min- der weit reichendem Umfang von der Original(druck) version in der Subskriptionszeitschrift abweichen.
Am weitesten von der Druckversion entfernt – und damit für die Verlage als Konkurrenz prima facie am we- nigsten gefährlich – bliebe die Zweitveröffentlichung, wenn sie sich auf die bei der Subskriptionszeitschrift ein- gereichte Manuskriptversion beschränkte. Da dadurch schon der Inhalt von Erst- und Zweitpublikation poten- tiell auseinander fielen – nämlich dann, wenn die einge- reichte Version später aufgrund von Peer Review o.ä. noch überarbeitet wird – würde eine solche Zweitveröf- fentlichung dem Informationsinteresse der Scientific Community kaum nutzen, ja wegen des drohenden Ver- sions-Wirrwarrs möglicherweise sogar schaden.
Der Druckversion näher kommt die Publikation des Manuskripts in der zur Erstveröffentlichung akzeptier- ten Fassung, also nach etwaiger Überarbeitung im Rah- men des Annahmeverfahrens der Subskriptionszeit- schrift. Auf dieses Peer Reviewed-Manuscript bezieht sich nun auch das unabdingbare Zweitveröffentlichungs- recht in § 38 Abs. 4 S. 1 UrhG.4 Mangels Original-Forma- tierung wären dabei jedoch die einzelnen Seitenzahlen nicht mit denen der Erstpublikation identisch. Verwir- rung bei der genauen Zitierstelle5 ließe sich freilich ver- meiden, wenn – insoweit ähnlich wie bei Beck-Online – in der Formatierung der Zweitveröffentlichung ergän- zend die Seitenumbrüche der Original-Zeitschriftenversi- on vermerkt würden.
Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit wäre am meisten gedient, wenn die Zweitpublikation kom- plett mit der Erstversion in der Subskriptionszeitschrift identisch wäre. Doch ist eine Übernahme des Zeitschrif- ten-Layouts nur mit Zustimmung des Verlags zulässig.
5 Dies kritisiert die „Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht zur Anfrage des Bundes- ministeriums der Justiz vom 20. Februar 2013“, Rn 33 ff.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 8 1
2. Arten und Aufarbeitungsgrad der zusätzlich zu publi- zierenden Forschungsdaten
Unter Forschungsdaten werden hier digital vorliegende oder zumindest digitalisierbare Ergebnisse aus Messrei- hen, empirischen Umfragen o.ä. verstanden.
Die Open-Access-Publikationspflicht könnte drei Arten von Forschungsdaten erfassen: Erstens solche, die unmittelbar Grundlage eines im DFG-Projekt erarbeite- ten Aufsatzes sind (kurz: Aufsatz-Daten); diese werden freilich regelmäßig auch schon im Aufsatz selbst in Ta- bellen o.ä. enthalten sein. Zweitens solche, welche die im Aufsatz präsentierten Forschungsergebnissen zwar mit- telbar stützen, in die Publikation aber nicht direkt, son- dern allenfalls in stärker verarbeiteter und gegebenen- falls zusammengefasster Form eingeflossen sind (kurz: mittelbar aufsatzbezogene Daten). Drittens schließlich solche, die zwar in dem DFG-Projekt generiert worden sind, aber inhaltlich nicht mit den Aufsatzpublikationen, die aus dem Projekt hervorgegangen sind, zusammen hängen (kurz: aufsatzfremde Daten).
Gestaltungsoptionen bestehen außerdem bei der Fra- ge, auf Daten welchen Verarbeitungsgrades sich die Open-Access-Publikationspflicht beziehen soll. Insoweit hat die „Association of Scientific, Technical & Medical Publishers“ gemeinsam mit dem EU-FP7 Projekt „Op- portunities for Data Exchange“ ein vierstufiges Modell in Pyramidenform entwickelt: Auf der untersten Stufe (4) befinden sich die nicht bearbeiteten, d.h. nicht struktu- rierten Rohdaten. Es bedarf noch eines Filterungspro- zesses, um sie wissenschaftlich verwerten zu können. Ob diese Rohdaten auch für Dritte nutzbar sind oder zu viel „Datenmüll“ enthalten, dürfte fachspezifisch höchst un- terschiedlich sein. Nur in seltenen Fällen dürften diese Rohdaten bereits eine intellektuelle Schöpfungshöhe aufweisen, dass sie urheberrechtlich geschützt sind.6 Auf der nächsten Stufe (3) handelt es sich um Forschungsda- ten, die bereits zumindest ansatzweise strukturiert und systematisch aufbereitet worden sind. Diese werden in besonderem Maße für eine unmittelbare Nach- und Weiternutzung von Interesse sein. Urheberrechtlich ist hier auch das Datenbankrecht zu beachten.7 Stufe (2) enthält bereits wissenschaftlich interpretierte Daten, die zumindest mittelbar der (Aufsatz-)Publikation zugrunde liegen, aber bislang nicht immer in Anhängen o.ä. mit veröffentlicht werden. Auf Stufe (1) schließlich finden
- 6 Näher unten III. 3. b).
- 7 Siehe erneut unten III. 3. b).
- 8 Dazu unten III. 3. f) cc) ©.
- 9 Zur Problematik einer einheitlichen Frist siehe etwa Lutz, Zugang
sich diejenigen Daten, die direkt im Aufsatz enthalten sind. Wird bereits der Aufsatz selbst Open-Access veröf- fentlicht, ist für diese Daten grundsätzlich keine zusätzli- che Publikation mehr erforderlich. Anders aber mögli- cherweise dann, wenn für den Aufsatz selbst eine Aus- nahme von der Open-Access-Zweitpublikationspflicht eingreift, für die bloßen Daten jedoch nicht.
3. Karenzzeit vor (Zweit-)Veröffentlichung
Erhebliche Spielräume existieren bei der Bemessung einer etwaigen Wartefrist vor der Open-Access-Veröf- fentlichung.
Bei Aufsätzen kann eine solche Karenzzeit dem Schutz der – zumindest mittelbar auch verfassungsrecht- lich relevanten8 – Verwertungsinteressen der Verlage hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Zeitschriften, wo die Erstveröffentlichung erfolgt, dienen. Diskutiert wer- den meist Fristen zwischen sechs Monaten und einem Jahr; in § 38 Abs. 4 UrhG ist nunmehr eine Jahresfrist vorgesehen.9 Doch spricht einiges dafür, dass die Spann- breite noch deutlich größer ist.10 In manchen Geisteswis- senschaften sind grundlegende Aufsätze viele Jahre lang nahezu unvermindert aktuell. Es ist nicht auszuschlie- ßen, dass Bibliotheken, die längerfristige Aktualität anti- zipierend, bei großen Finanznöten tendenziell eher sol- che Zeitschriften abbestellen, bei denen nach vielleicht einem Jahr voraussichtlich die wichtigsten Aufsätze frei im Internet erhältlich sind. Umgekehrt können in man- chen Life Sciences mit schneller Innovationsspirale Pub- likationen bereits nach sechs Monaten veraltet sein.
Auch für Forschungsdaten lassen sich Karenzfristen erwägen. Dort geht es weniger um den Schutz von Verla- gen als des Förderungsempfängers selbst, der ein legiti- mes Interesse daran hat, die von ihm generierten Daten vorrangig selbst für Anschlussforschungen nutzen zu können.11
4. Strikte oder weniger strikte Ausgestaltung der Open- Access-Publikationspflicht
Open-Access-Veröffentlichungspflichten könnten mit einem unterschiedlichen Grad an rechtlicher Verbind- lichkeit und daran anknüpfenden Sanktionsmöglichkei- ten ausgestattet werden. Die Skala reicht von der bloßen Empfehlung bis hin zur strikten Vertragspflicht des För- derungsempfängers, wobei eine Vielzahl von Zwischen- lösungen möglich ist.
zu wissenschaftlichen Informationen in der digitalen Welt, 2012, S
235 ff.
10 Zum Folgenden MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 46. 11 Dazu unten III. 3. f) cc) ©.
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Am schärfsten wirkte eine unbedingte vertragliche Rechtspflicht zur Open-Access-Publikation,12 bei der dem Sachbeihilfeempfänger nur noch die Wahl zwi- schen „golden road“ und „green road“ übrig bliebe. Spielräume blieben dann noch bei den möglichen Sank- tionen bei Nichterfüllung. Nach allgemeinem Vertrags- recht stünde es der DFG offen, den Förderungsempfän- ger auf Erfüllung zu verklagen. Der damit verbundene Aufwand lässt dies jedoch wohl nur in Ausnahmefällen als praktikabel erscheinen. Ähnliches gilt für die Rück- forderung eines Teils der Fördermittel. Daher böte es sich an, in den Förderbedingungen die Auszahlung einer letzten Tranche vom Nachweis der Open-Access-Publi- kation abhängig zu machen. Zu guter Letzt ließe sich so- gar erwägen, Verstöße ähnlich wie bei wissenschaftli- chem Fehlverhalten und in Parallele zum Vergaberecht mit dem zeitlich befristeten Ausschluss von weiterer DFG-Förderung zu sanktionieren („Vergabesperre“).13
Auf die Forschungsdaten bezogen, wäre eine Pflicht- verletzung allenfalls hinsichtlich des „ob“ der Publikati- on nachweisbar. Denn in welchem Umfang dem Emp- fänger der Sachbeihilfe tatsächlich publikationsfähige Forschungsdaten vorliegen, wird ein Außenstehender nicht beurteilen können.
Eine Rechtspflicht könnte selbstverständlich auch durch mehr oder minder weitreichende Ausnahmen ab- gemildert werden.
Weit weniger einschneidend würde es wirken, wenn die Open-Access-Publikationspflicht nur den Regelfall bildete. Nach ausländischen Vorbildern könnte dem Förderungsempfänger etwa im Abschlussbericht eine detaillierte Begründungspflicht auferlegt werden, wenn und warum er ausnahmsweise nicht oder erst nach einer längeren Karenzzeit als vorgesehen kostenfrei zugäng- lich im Internet publiziert.14 Allerdings dürfte wohl fast jeder Forscher, der nicht Open Access publizieren möch- te, in der Lage sein, eine hinreichend ausführliche und nicht evident substanzlose Begründung dafür vorzule- gen.
- 12 In diese Richtung „RCUK Policy on Open Access and Supporting Guidance“ der Research Councils UK unter 3.1. (http://www. rcuk.ac.uk/documents/documents/RCUKOpenAccessPolicy.pdf
- 28.7.2014). Siehe auch den Überblick bei Krujatz, Open Access, 2012, S 45 f. - 13 DFG-Vordruck 80.01 – 7/11 sieht in Ziffer 3.c. die Möglichkeit vor, bei wissenschaftlichem Fehlverhalten für einen gewissen Zeitraum von der Antragsberechtigung ausgeschlossen zu wer- den. – Zum zeitlich befristeten Ausschluss von Bietern, die wegen Verstößen in der Vergangenheit als unzuverlässig eingestuft wer- den, aufgrund von § 97 Abs. 4 S 1 GWB siehe Fehling, in: Pünder/
5. Förderung der Open-Access-Publikation im Zusam- menspiel mit dem Urheberrecht
Ganz im Vordergrund steht die Möglichkeit, den Förde- rungsempfänger in den Verwendungsrichtlinien zur Open-Access-Veröffentlichung anzuhalten. Urheberecht wird dabei auf einer zweiten Ebene bedeutsam. Zum einen muss die „green road“ urheberrechtlich erst mög- lich gemacht werden. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber nunmehr in § 38 Abs. 4 UrhG ein vertraglich nicht abdingbares Zweitveröffentlichungsrecht geschaffen, doch ist offen, inwieweit dies auch von ausländischen Gerichten bei Verträgen mit ausländischen Verlagen akzeptiert werden wird.15 Zum anderen könnte die Ver- pflichtung zur Open-Access-Zweitveröffentlichung hin- sichtlich der Nutzungsmöglichkeiten für Dritte präzi- siert werden. Zu denken wäre insbesondere daran, den Geförderten die Verwendung einer bestimmten Version etwa der „Creative Commons-Lizenz“ u.ä.16 vorzu- schreiben oder jedenfalls zu empfehlen.
Eine weitere Gestaltungsoption bestünde theoretisch darin, dass die Projektnehmer einfache Nutzungsrechte im Sinne des Urheberrechts mit Inanspruchnahme der Bewilligung auf die DFG übertragen. Dies würde der DFG allerdings beträchtlichen Mehraufwand verursa- chen. Außerdem würde die Publikationsfreiheit des Ge- förderten zusätzlich und deshalb wohl unverhältnismä- ßig beschnitten, weil der Sachbeihilfenempfänger damit auch die Möglichkeit verlöre, den Ort der Zweitveröf- fentlichung im Internet durchWahl eines geeigneten Re- positoriums selbst zu bestimmen. Die gleichen verfas- sungsrechtlichen Bedenken bestünden gegen die Ver- pflichtung der Förderungsempfänger zur Übertragung eines einfachen Nutzungsrechts auf die jeweilige Univer- sität oder Forschungseinrichtung.
Deshalb nimmt die nachfolgende Untersuchung nur die erstgenannte Option, also die Verpflichtung des För- derungsempfängers zur Open Access-Publikation, näher in den Blick.
Schellenberg, Vergaberecht, Handkommentar, 2011, § 97 GWB Rn
128 f mwN.
14 Ähnlich zB die „Revised Policy on Dissemination of Research
Findings“ des National Health and Medical Research Council in Australien (https://www.nhmrc.gov.au/grants/policy/nhmrc- open-access-policy — 29.7.2014); auf die Karenzfrist bezogen mit Beweislast des Verlages; Hansen, Zugang zu wissenschaftlicher Information – alternative urheberrechtliche Ansätze, GRUR Int 2005, 378, 387.
15 Dazu unten III. 1. a). 16 Näher unten III. 3. a).
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 8 3
III. (Verfassungs-)Rechtliche Analyse
Im Kern geht um die Frage, welche Möglichkeiten und Grenzen sich aus der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) in Gestalt der Publikationsfreiheit für DFG-Förder- bedingungen ergeben, die Empfänger einer Sachbeihilfe zur Open-Access-Publikation zu verpflichten.
Doch kann von einem Zuwendungsempfänger ver- traglich nur das verlangt werden, was dieser nach einfa- chem Recht überhaupt tun darf und ihn keinen unzu- mutbaren Haftungsrisiken aussetzt. Im Lichte des neuen § 38 Abs. 4 UrhG betrifft dies vor allem die Rahmenbe- dingungen, die das Urheberrecht für Onlinepublikatio- nen bereit hält. Darüber hinaus ist – besonders bei Pati- entendaten in der Medizin – das Datenschutzrecht zu beachten.
1. Urheberrechtliche Rahmenbedingungen
a) Urheberrecht und Zweitpublikation im Lichte des neuen § 38 Abs. 4 UrhG
Nach § 38 Abs. 4 UrhG ist nunmehr der Autor unter den dort geregelten Voraussetzungen zur Open-Access- Zweitpublikation von Aufsätzen – nicht aber von For- schungsdaten, die nicht in einem solchen Aufsatz selbst enthalten sind – auch dann berechtigt, wenn in dem von ihm abgeschlossenen Verlagsvertrag über die Erstpubli- kation in einer Subskriptionszeitschrift die Übertragung eines exklusiven Verwertungsrechts enthalten ist. Eine dem Zweitveröffentlichungsrecht entgegenstehende Ver- einbarung ist nämlich ausdrücklich (Satz 3) unwirksam.
aa) Die Voraussetzungen und Bedingungen des Zweitveröf- fentlichungsrechts gemäß § 38 Abs. 4 UrhG, die zuvor heftig umstritten waren, spielen für die hier in Rede stehenden DFG-Förderbedingungen nur eine geringe Rolle.
Erstens gilt das Zweitveröffentlichungsrecht nur „im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit“. Dies wird je- doch bei DFG-Sachbeihilfen regelmäßig der Fall sein.17
Zweitens ist das Recht zur Zweitpublikation auf Bei- träge „in einer periodisch mindestens zweimal jährlich
- 17 Die im Gesetzgebungsverfahren besonders umstrittene Beschrän- kung auf die Projektförderung bei Ausklammerung der universi- tär finanzierten Forschung (zur Kritik Sandberger, Zweitverwer- tungsrecht, ZUM 2013, 466, 470) spielt im vorliegenden Kontext, wo es gerade um Projekt-Sachbeihilfen geht, ohnehin keine Rolle.
- 18 Hervorgehoben von Sandberger (Fn 17), ZUM 2013, 466, 471; Soppe, in Ahlberg/Götting (Hrsg), BeckOK Urheberrecht, § 38 UrhG Rn 68.
- 19 Sandberger (Fn 17), ZUM 2013, 466, 470; vgl auch Soppe, in BeckOK (Fn 18), § 38 UrhG Rn 68.
- 20 BR-Drs 257/06 (Beschluss), S 7; aufgegriffen von Heckmann/We-
erscheinenden Sammlung“ beschränkt. Die Open-Ac- cess-Förderbedingungen der DFG sollen ohnehin nur Aufsätze erfassen und Buchpublikationen ausklammern. Die Beschränkung im Gesetz wird hier somit nur für Aufsatzpublikationen in Jahrbüchern18 oder sogar nur einmalig erscheinenen Sammelbänden relevant.
Drittens darf die Zweitveröffentlichung „keinem ge- werblichen Zweck [dienen]“. Unabhängig von der kon- kreten Auslegung dieser Klausel liegt jedenfalls dann kein gewerblicher Zweck vor, wenn der Autor für die Open-Access-Publikation kein Entgelt enthält. Der Er- satz von Kosten, die ihm gegebenenfalls durch die Ein- stellung in ein Repositorium entstehen, schadet nicht.
Viertens ist die Zweitpublikation gesetzlich nur „in der [zur Erstveröffentlichung in der Subskriptionszeit- schrift] akzeptierten Manuskriptversion“ gestattet. Durch den Zusatz „akzeptiert“ wird deutlich gemacht. dass nicht die eingereichte Aufsatzfassung, sondern die Version nach Peer Review gemeint ist;19 so wird sicher- gestellt, dass Erst- und Zweitpublikation inhaltlich voll identisch sind. Dagegen erlaubt § 38 Abs. 4 S. 1 UrhG kei- ne Übernahme des Verlags-Layouts, also eine Reproduk- tion der Zeitschriften-Fassung. Da aber ohnehin die Quelle der Erstveröffentlichung in der Zweitpublikation anzugeben ist (§ 38 Abs. 4 S. 2 UrhG), dürfte entgegen dem Bundesrat20 auch der Hinweis auf die Original-Sei- tenzahlen, etwa durch Klammerzusätze bei den Origi- nal-Seitenumbrüchen,21 gestattet sein, um die einheitli- che Zitierfähigkeit auch über die Zweitpublikation zu si- chern und eine Versions-Verwirrung zu vermeiden. Denn die Original-Seitenzahlen sind gegenüber einem solchen bloßen Hinweis wohl kaum urheberrechtlich ge- schützt. Zwar mag es zu Lasten der Verlage gehen, wenn der Rückgriff auf die Erstpublikation auch für die kor- rekte Zitierweise entbehrlich wird;22 deren Interessen bleiben aber immerhin durch die Karenzfrist von einem Jahr geschützt.
bb) Das Hauptproblem liegt in der unklaren internatio- nalen Reichweite des § 38 Abs. 4 UrhG. Es fragt sich, inwieweit das neue Zweitveröffentlichungsrecht auch gegenüber ausländischen Verlagen geltend gemacht wer-
ber, Open Access in der Informationsgesellschaft — § 38 UrhG de
lege feranda, GRUR Int. 2006, 995, 999.
21 Wie zB in der – freilich kommerziellen – juristischen Datenbank
BeckOnline; siehe bereits oben 1.3.1.
22 Deshalb halten Sandberger (Fn 17), ZUM 2013, 466, 470 und
Peifer, Die gesetzliche Regelung über verwaiste und vergriffene Werke, NJW 2014, 6, 7, einen solchen Rückgriff gerade für nicht entbehrlich. Zur Frage, ob die Original-Seitenzahlen (wie hier befürwortet) in der Zweitpublikation angegeben werden dürfen, nehmen beide direkt aber keine Stellung.
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den kann, wenn diese sich in ihren typischerweise nicht nach deutschem Recht geschlossenen Verträgen ein aus- schließliches Verwertungsrecht haben einräumen lassen oder darin einer Zweitveröffentlichung nur unter rest- riktiveren Bedingungen als in § 38 Abs. 4 UrhG zustim- men. Ein von der DFG geförderter Wissenschaftler sähe sich dann möglicherweise dem Risiko ausgesetzt, von dem ausländischen Verlag wegen Vertragsverletzung (im Ausland) verklagt zu werden. Die wenigen dazu bislang vorliegenden Stellungnahmen sind geteilt.23 Da eine juristische Fundierung der unterschiedlichen Positionen noch fast gänzlich fehlt, können im Folgenden nur erste Leitlinien auf der Basis des deutschen Schrifttums zum Internationalen Privatrecht aufgezeigt werden. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht schon allgemein darin, dass jeder Staat (bzw. bei europäischer Regelung wie namentlich beim Vertragstatut in der Rom I‑Verord- nung die europäische Union) sein eigenes Internationa- les Privatrecht (IPR) anwendet, so dass die deutschen (bzw. europäischen) IPR-Grundsätze keineswegs ohne weiteres auf Drittstaaten und namentlich die USA über- tragbar sind. Große Probleme bereitet ferner die Veror- tung der Rechtsfragen im Urheberschutzrecht (IPR- Schutzrechtsstatut) oder im Urhebervertragsrecht (IPR- Vertragsrechtsstatut).
Einerseits könnte man einen Streit zwischen Autor und ausländischem Verlag um das Zweitveröffentli- chungsrecht als Problem der Schutzrechtsverletzung einordnen. Für Urheber-Schutzrechtsverletzungen wird nach heute auch über Deutschland hinaus herrschender Auffassung am Recht des Schutzlandes angeknüpft. Nach dem IPR-Schutzrechtsstatut gilt das Recht jeweils desje- nigen Staates, für dessen Gebiet der Schutz durch ein solches Recht in Anspruch genommen wird.24 Damit stellt sich hier die Frage, was bei einer Zweitveröffentli- chung entgegen dem abgeschlossenen ausländischen Verlagsvertrag eigentlich das geschützte Recht ist. Inso-
23 Während die Allianz der Wissenschaftsorganisationen von
einer uneingeschränkten Beachtung der neuen Vorschrift auch durch ausländische Gerichte ausgeht (Argumentationspapier zum Zweitveröffentlichungsrecht vom April 2013, http://www. allianzinitiative.de/de — 28.7.2014), wird die Verbindlichkeit
des Zweitveröffentlichungsrechts für ausländische Verlage vom Börsenverein bestritten (Börsenverein des Deutschen Buchhan- dels, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister Werke und zu weiteren Änderungen des Urheber- rechtsgesetzes und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes vom 20.02.2013, unter 2. ©; weitgehend identisch Sprang, Zweit- veröffentlichungsrecht – ein Plädoyer gegen § 38 Abs 4 UrhG‑E, ZUM 2013, 461, 462). Das Max-Planck-Institut für Urheberecht äußert zumindest Bedenken (MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 49 f; ebenso Peukert, Das Verhältnis zwischen Urheberrecht und Wissenschaft – Auf die Perspektive kommt es an, Universität Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft, Arbeitspa- pier Nr 5/2013, S 21 f).
weit wird man wohl nicht auf den Schutz des im Verlags- vertrag eingeräumten ausschließlichen Verwertungs- recht abzustellen haben, denn dies wäre der urheberver- tragsrechtliche Blickwinkel. Vielmehr müsste, wenn man in § 38 Abs. 4 UrhG eine Ausgestaltung des Urhe- ber-Persönlichkeitsrechts sieht,25 konsequenterweise der Schutz des darin enthaltenen Zweitveröffentlichungs- rechts, welches durch das Beharren eines ausländischen Verlages auf seinem Exklusivverwertungsrecht beein- trächtigt würde, in den Vordergrund gerückt werden. Da die Inhalte im Internet weltweit abrufbar sind, nimmt der Urheber sein geschütztes Zweitveröffentlichungs- recht weltweit in Anspruch; auf den Standort des Servers kommt es nicht an. Dann könnte – mit im Einzelnen schwer vorhersehbaren Konsequenzen – jedenfalls nach deutschem Internationalen Privatrecht bei Texten im In- ternet aufgrund des Schutzlandprinzips eine Vielzahl von Rechtsordnungen nebeneinander zur Anwendung kommen.26
Da das Schutzlandprinzip in weitem Umfang auch international anerkannt ist, dürfte es gute Chancen ge- ben, dass man nach dem Internationalen Privatrecht (Schutzrechtsstatut) anderer Staaten zum gleichen Er- gebnis kommt. In Bezug auf die USA mit ihrem äußerst schwer überschaubaren, je nach Einzelstaat unterschied- lichen IPR erschiene die Rechtslage im Hinblick auf den Schutz des Zweitveröffentlichungsrechts jedoch (noch) weit weniger klar.
Andererseits spricht auch einiges dafür, § 38 Abs. 4 UrhG als eine urhebervertragsrechtliche Regelung ein- zustufen, auf die zumindest primär das Vertragsrechts- statut Anwendung findet. Danach können die Parteien grundsätzlich das anwendbare Vertragsrecht frei wäh- len.27 Doch erscheint es angesichts der überlegenen Ver- handlungsmacht der ausländischen Verlage höchst un- wahrscheinlich, dass deutsches Vertragsrecht gewählt wird.28
24 Katzenberger, in: Loewenheim/Schricker (Hrsg), UrhG-Kommen- tar, 4. Aufl 2010, Vor §§ 120 ff Rn 124 ff.
25 Darauf könnte die folgende allgemeine Aussage von Katzenberger, in: Loewenheim/Schricker (Fn 24), Vor §§ 120 ff Rn 150, hindeu- ten: „Stets nach dem Recht des Schutzlandes sind auch in Bezug auf Urheberrechtsverträge, die das Urheberrecht […] betreffenden Fragen zu behandeln. Dies gilt auch für die Frage der Zulässigkeit der Übertragung oder Teilübertragung des Urheberrechts als sol- chem […], der Einräumung von ausschließlichen oder einfachen Nutzungsrechten[…].“
26 Zum ganzen speziell für § 38 Abs 4 UrhG MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 50; vgl ferner allgemein Katzenberger, in: Loewenheim/ Schricker (Fn 24), Vor §§ 120 ff Rn 126.
27 Erneut speziell auf § 38 Abs 4 UrhG bezogen MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 50.
28 Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, Stellungnahme zur Anfrage des Bundesministeriums der Justiz vom 19. Februar 2009, inter III. 1. c).
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 8 5
Ob und inwieweit zwingendes nationales Recht even- tuell dennoch anwendbar ist und das fremde Vertrags- recht modifiziert, richtet sich nach dem vom jeweiligen Gericht zu Grunde gelegten IPR. Für die Europäische Union regelt Art. 9 der Rom I‑Verordnung29 die An- wendbarkeit von sogenannten „Eingriffsnormen“. Sie sind in Art. 9 Abs. 1 Rom I‑Verordnung definiert als „zwingende Vorschrift[en], deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffent- lichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozia- len und wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verord- nung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungs- bereich fallen“.30 § 38 Abs. 4 S. 3 UrhG macht den danach geforderten internationalen Geltungsanspruch und die überindividuelle Zielrichtung31 wohl hinreichend deut- lich.
Stets verbindlich – auch bei abweichender Rechts- wahl – sind dabei nach Art. 9 Abs. 2 Rom I‑Verordnung jedoch nur die inländischen Eingriffsnormen.32 Wenn also ein deutsches Gericht von einem ausländischen Ver- lag wegen angeblicher Verletzung des vertraglich verein- barten Exklusivverwertungsrechts angerufen würde, käme § 38 Abs. 4 UrhG auch dann zur Anwendung, wenn etwa britisches oder niederländisches Recht für den Verlagsvertrag vereinbart wurde. Hätte dagegen ein Gericht aus einem anderen EU-Staat über die Vertrags- verletzung zu entscheiden, handelte es sich aus dessen Sicht bei § 38 Abs. 4 UrhG um eine fremde Eingriffs- norm, für die Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I‑Verordnung maß- geblich ist. Danach liegt es im Ermessen des ausländi- schen Gerichts („kann“),33 ob es „Eingriffsnormen des
- 29 Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldver- hältnisse anzuwendende Recht („Rom I“).
- 30 Wichtig insoweit, dass nicht nur eine materiell-rechtlich zwingen- de Norm, sondern auch ein internationaler Anwendungsbefehl geschaffen wurde, vgl von Welser, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg), Urheberrecht, 3. Aufl, 2009, § 32b Rn 2. Die internationale Dimension ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzes- entwurf, vgl BT-Drs 17/13423, S 14, tritt aber in den zahlreichen Debatten im Rahmen der Einführung und aufgrund des Zusatzes in § 38 Abs 4 S 3 hinreichend hervor.
- 31 So gilt das unabdingbare Zweitverwertungsrecht ausschließ-
lich für staatlich geförderte Forschungsprojekte und soll eine kostenfreie Zugänglichmachung der Ergebnisse – auch im Inland – erleichtern und damit den Forschungsstandort Deutschland stärken. Demgegenüber ist für die überindividuelle Zielrichtung wohl unerheblich, dass der Autor zur Geltendmachung des Rechts nicht verpflichtet ist. Zu den Voraussetzungen allgemein eingehend Thorn, in: Rauscher (Hrsg), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EulPR, Kommentar, Bearbeitung 2011, Art 9 Rn 8 ff – Bislang werden im Urheberrecht §§ 32, 32a iVm § 32b UrhG als solche Eingriffsnormen angesehen, aaO Rn
Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Ver- pflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung [verleiht], soweit diese Engriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden las- sen.“ Insoweit mögen die genannten (tatbestandlichen) Voraussetzungen dafür, dass das ausländische Gericht überhaupt eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, hier erfüllt sein. Schon dies ist jedoch keineswegs ganz klar: Das vertraglich begründete Exklusivverwertungs- recht ist als Vertragspflicht auch in Deutschland als dem Staat, aus dem die Eingriffsnorm des § 38 Abs. 4 UrhG stammt, zu beachten, so dass wohl ein hinreichend enger Bezug des Lebenssachverhalts zur Rechtsordnung des Eingriffsstaats besteht.34 Die durch die Eingriffsnorm er- möglichte Open-Access-Zweitveröffentlichung zwingt zur Modifizierung des Vertragsinhalts, so dass die ver- tragliche Verpflichtung zur Respektierung des Exklusiv- rechts des ausländischen Verlags unter diesem Aspekt möglicherweise35 als unrechtmäßig im Sinne des § 38 Abs. 4 UrhG36 eingestuft werden kann. Für die Ermes- sensausübung gibt Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I‑Verordnung einige Leitlinien vor: Es „werden Art und Zweck dieser [Eingriffs-]Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sichausihrerAnwendungoderNichtanwendungerge- ben können“. Dabei dürfte hier auch zu berücksichtigen sein, dass die Förderung einer Open-Access-(Zweit-)Pu- blikation von Forschungsergebnissen kein rein deut- sches Anliegen ist (mag auch die Norm des § 38 Abs. 4 UrhG einzigartig sein), sondern einem europa‑, ja sogar weltweiten Trend folgt. Im deutschen Schrifttum wird im Übrigen auch die Möglichkeit einer Reduzierung des Eingriffsnorm-Anwendungsermessens auf Null aus Gründen der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) erwo-
58; vgl auch Hilty/Peukert, Das neue deutsche Urhebervertrags-
recht im internationalen Kontext, GRUR Int 2002, 642, 647 ff. 32 Dazu näher erneut Thorn (Fn 31), Art 9 Rn 32 f.
33 Thorn (Fn 31), Art 9 Rn 69.
34 Zur entsprechenden wertenden Bestimmung des Erfüllungsorts
vgl Thorn (Fn 31), Art 9 Rn 62 ff; zu der problematischen Mög- lichkeit einer vertraglichen Erfüllungsortbestimmung aaO Rn 64. Die Wirksamkeit einer derartigen Regelung bejahend Spickhoff, in: Bamberger/Roth (Hrsg), Beck’scher Onlinekommentar BGB, 28. Aufl, 2013, BeckOK VO EG 592/2008, Art 9 Rn 29.
35 Anders sähe es allerdings dann aus, wenn man in § 38 Abs 4 UrhG statt einer Verbotsnorm (im Hinblick auf die Übertragung eines absoluten Exklusivrechts) eine anspruchsbegründende Eingriffsnorm (wegen des unabdingbaren „Anspruchs“ auf Zweit- veröffentlichung) sähe; vgl Thorn (Fn 31), Art 9 Rn 68.
36 Zur Unrechtmäßigkeit der Vertragserfüllung, wenn die Eingriffs- norm zur Modifizierung des Vertragsinhalts zwingt, Thorn (Fn 31), Art 9 Rn 66 f. Wohl anders Schöhnbohm, in: Rolfs/Giesen/ Kreikebohm/Udsching (Hrsg), Beck’scher Onlinekommentar Arbeitsrecht, BeckOK VO EG 592/2008, Art 9 Rn 16.
186 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
gen.37 All dies sind jedoch kaum mehr als plausible In- terpretationsansätze; letzten Endes kann nicht sicher vo- rausgesagt werden, wie ein Gericht aus einem anderen EU-Mitgliedstaat entscheiden würde.
Noch weit weniger prognostizieren lässt sich, ob ein außereuropäisches, namentlich US-amerikanisches Ge- richt das deutsche Zweitverwertungsrecht im Rechts- streit eines amerikanischen Wissenschaftsverlags mit ei- nem deutschen Autor anerkennen würde. Denn insoweit fände nicht die Rom I‑Verordnung, sondern das US- amerikanische IPR Anwendung. Nach den allgemeinen Erfahrungen erscheint es sogar ziemlich wahrscheinlich, dass amerikanische Gerichte insoweit allein amerikani- sches Recht und einen danach geschlossenen Verlags- vertrag anwenden würden. Dabei ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass die dortigen Gerichte in ihre Be- wertung mit einbeziehen, inwieweit auch in den USA selbst eine Open-Access-Publikation in staatlichen För- derbedingungen verlangt wird.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Zweitveröf- fentlichungsrecht des § 38 Abs. 4 UrhG setzt sich gegen- über einem vertraglichen ausschließlichen Nutzungs- recht auch eines ausländischen Wissenschaftsverlags durch, wenn entweder für den Verlagsvertrag deutsches Recht gewählt oder, bei einem nach einer fremden Rechtsordnung geschlossenen Vertrag, ein deutsches Gericht angerufen worden ist. Hat ein Gericht eines an- deren EU-Mitgliedstaates bei einem nach dessen Recht abgeschlossenen Verlagsvertrag über die Befugnis zur Zweitveröffentlichung zu entscheiden, besteht gemäß Art. 9 Abs. 3 Rom I‑Verordnung bei der Anwendung des § 38 Abs. 4 UrhG Ermessen, dessen Ausübung durch das Gericht schwer zu prognostizieren ist. Dass dagegen ein US-Gericht das deutsche Zweitveröffentlichungsrecht aus § 38 Abs. 4 UrhG beachten würde, bleibt eher un- wahrscheinlich.
cc) In der Diskussion steht auch die Verfassungs- und Europarechtskonformität des § 38 Abs. 4 UrhG.
Den Wissenschaftsverlagen wird durch § 38 Abs. 4 UrhG die Möglichkeit genommen, sich vertraglich vom Autor ein „absolutes“ Exklusivrecht einräumen zu las- sen. Ihre Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) ist dadurch für künftige Verträge jedoch nicht betroffen. Das „geistige Eigentum“ an seinem Aufsatz steht nämlich ausschließ-
- 37 Thorn (Fn 31), Art 9 Rn 73, unter Verweis auf Leible (Hrsg), Das Grünbuch der Kommission zum Internationalen Vertragsrecht, 2004, S 167, 184; Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, 2002, S 319 ff.
- 38 Lutz, Zugang zu wiss. Informationen (Fn 9), S 244 f; Heckmann/ Weber (Fn 20), GRUR Int. 2006, 995, 997.
- 39 Lutz, Zugang zu wiss. Informationen (Fn 9), S 245 mit Verweis
lich dem Autor zu; der Verlag erwirbt ein Verwertungs- recht von vornherein nur in dem Umfang, in dem der Autor dieses vertraglich übertragen kann.38 Eingegriffen wird damit auf Seiten des Verlags allein in die durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Ver- tragsfreiheit.39 Die Berufsausübung wie auch die allge- meine Handlungsfreiheit sind jedoch im Rahmen des Verhältnismäßigen durch Gesetz und damit auch durch das Urheberrecht einschränkbar. Solange die Absatz- chancen der Verlage für ihre Zeitschriften aufgrund der einjährigen Karenzfrist vor Zweitveröffentlichung sowie den weiteren Voraussetzungen des § 38 Abs. 4 UrhG nicht allzu sehr beeinträchtigt werden – wofür nicht zu- letzt die Tatsache spricht, dass schon einige Verlage frei- willig in ihren Verträgen einer Open-Access-Zweitpubli- kation zustimmen –, erscheint die Verkürzung der Ver- tragsfreiheit von relativ geringem Gewicht und im Lich- te der Informationsinteressen der Scientific Community40 ohne weiteres verhältnismäßig. Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt allerdings dem Gesetzgeber eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungs- pflicht, wenn sich die einjährige Wartefrist namentlich für geisteswissenschaftliche Zeitschriften in manchen Bereichen als zu kurz erweisen sollte.
Auch die Vertragsfreiheit der Autoren wird insoweit eingeschränkt, als sie den Verlagen kein vollständiges Exklusivverwertungsrecht mehr übertragen können.41 Dies mag sich (wohl eher selten) in für den Autor un- günstigeren Vertragsbedingungen (beim Honorar oder bei einem zu zahlenden Druckkostenzuschuss; eventuell auch bei Belegexemplaren) niederschlagen.42 Auf der anderen Seite stärkt die Neuregelung jedoch die Rechts- stellung der Autoren gegenüber den Verlagen im Hin- blick auf die zusätzlichen Open-Access-Verbreitungs- möglichkeiten. Insoweit ähnelt § 38 Abs. 4 UrhG Ver- braucherschutzvorschriften, bei denen die Schutzwir- kung in manchen Fällen über eine Einschränkung der Vertragsfreiheit beider Seiten hinaus auch eine gewisse Verteuerung der Waren oder Dienstleistungen nach sich ziehen kann. Da beim unabdingbaren Zweitveröffentli- chungsrecht wegen der Karenzzeit und der weiteren Vo- raussetzungen solche spürbaren negativen ökonomi- schen Begleiterscheinungen zumindest vorerst wenig wahrscheinlich sein dürften, bleibt § 38 Abs. 4 UrhG wie viele andere Verbraucherschutznormen auch aus der
auf Heckmann/Weber (Fn 20), GRUR Int. 2006, 995, 997.
40 Dazu näher im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit unter III. 3. d). 41 Dies betont etwa auch Peifer, Wissenschaftsfreiheit und Urheber-
recht, Schranken, Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht, GRUR 2009,
22, 27.
42 Ähnlich Rieble, Autorenfreiheit und Publikationszwang, in: Reuß/
Rieble (Hrsg), Autorenschaft als Werkherrschaft, 2010, S 29, 49.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 8 7
Perspektive des geschützten Autors verhältnismäßig. Dies gilt umso mehr, als in die multidimensionale Ver- hältnismäßigkeitsabwägung43 zusätzlich auch hier der Informationsnutzen für das Wissenschaftssystem mit einzustellen ist.
Die Publikationsfreiheit als Teil der Wissenschafts- freiheit der Autoren ist durch ein bloßes Zweitveröffent- lichungsrecht gar nicht berührt.44 Art. 5 Abs. 3 GG gibt – unabhängig von der Frage, ob ökonomische Verwer- tungsinteressen von Wissenschaftlern überhaupt in den Schutzbereich fallen45 – keinen Anspruch auf unverän- derte ökonomische Rahmenbedingungen für wissen- schaftliches Publizieren. Bloße potentielle mittelbare ökonomische Nebenwirkungen von wahrscheinlich ge- ringem Gewicht führen bei der Wissenschaftsfreiheit ebenso wenig zu einem Eingriff wie bei der Berufsfrei- heit mangels berufsregelnder Tendenz.46
Europarechtlich stellt sich die Frage, ob § 38 Abs. 4 UrhG mit den Rechten des Urhebers vereinbar ist, wie sie in der Informationsgesellschafts-Richtlinie 2001/20/ EG47, die wiederum völkervertragliche Abkommen um- setzt, normiert sind. Teilweise wird behauptet, das unab- dingbare Zweitveröffentlichungsrecht sei eine nach Art. 5 RL 2001/20/EG unzulässige Schrankenregelung.48 Doch müsste es sich dazu überhaupt um „Ausnahmen oder Beschränkungen“ im Sinne dieser Richtlinie han- deln. Man mag diese nicht näher definierten Begriffe im Sinne einer effektiven europäischen Rechtsharmonisie- rung tendenziell weit auszulegen haben.49 Doch erfasst Art. 5 RL 2001/20/EG nach Sinn und Zweck nur Rege- lungen, welche die Rechte des Urhebers zugunsten von Interessen Dritter und der Allgemeinheit einschränken, indem sie Dritten etwas erlaubnisfrei gestatten, was an- sonsten nur mit Zustimmung des Urhebers zulässig wäre. Hier dagegen wird der Urheber durch § 38 Abs. 4
- 43 Mit weitem gesetzgeberischen Spielraum nicht zuletzt wegen gestörter Vertragsparität; insoweit übertragbar BVerfG 23.10.2013 – 1 BvR 1842/11 u 1843/11 – NJW 2014, 46 (Rn 68 ff); dazu kritisch Grassle, Die Kontrolle des gesetzgeberischen Zugriffs auf die Vertragsfreiheit, DÖV 2014, 382, 389.
- 44 Anders allerdings ohne nähere Begründung Rieble, in: Reuß/ Rieble (Fn 42), S 29, 49.
- 45 Dazu unten III. 3. a) aa).
- 46 Dazu statt vieler Wieland, in: Dreier (Hrsg), GG-Kommentar, Bd.1, 3. Aufl 2013, Art 12 Rn 71 ff.
- 47 Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Ratszur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts undder verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
- 48 So Hirschfelder, Anforderungen an eine rechtliche Verankerungdes Open Access Prinzips, 2008, insbes S 135 ff; ders, Open Access – Zweitveröffentlichungsrecht und Anbietungspflicht als europa- rechtlich unzulässige Schrankenregelungen, MMR 2009, 445, 446 ff. Bedenken auch bei der Bundesregierung, Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats, Anlage 3 zum Gesetzentwurf der BReg, BT-Drs 16/1828, S 47.
- 49 Hirschfelder (Fn 48), MMR 2009, 444, 445 f.
UrhG zur Zweitveröffentlichung nur berechtigt, aber keineswegs verpflichtet. Dritte dürfen auch nach der Neuregelung den Aufsatz nicht gegen den Willen des Ur- hebers Open-Access zugänglich machen. Allein die Tat- sache, dass die neue Vorschrift nicht nur den Interessen des Urhebers selbst, sondern auch denen der Allgemein- heit bzw. Scientific Community an möglichst weitrei- chenden Verbreitungsmöglichkeiten für wissenschaftli- che Erkenntnisse dient, macht die Regelung noch nicht zu einer unzulässigen Umgehung.50 Selbst wenn man im Gegensatz zur herrschenden Auffassung in § 38 Abs. 4 UrhG doch eine „Beschränkung“ sähe, wäre dies nach dem Drei-Stufen-Test des Art. 5 Abs. 5 RL 2001/20/EG wohl rechtfertigbar.51
Resümierend verstößt § 38 Abs. 4 UrhG weder gegen Unions- noch gegen Verfassungsrecht.
b) Urheberrecht an Forschungsdaten und an deren wis- senschaftlicher Verarbeitung
Gelegentlich wird diskutiert, ob Wissenschaftler als Urheber tatsächlich das alleinige Verwertungsrecht besitzen oder aber ihrem Arbeitgeber – typischerweise ihrer Hochschule oder außeruniversitären Forschungs- einrichtung – Forschungsergebnisse (Daten, Aufsätze) zur Open-Access-(Zweit-)Veröffentlichung überlassen müssen. Für die DFG-Förderbedingungen hat dies aller- dings unmittelbar keine Bedeutung, da der Förderungs- empfänger selbst zur Open-Access-(Zweit-)Publikation verpflichtet werden soll und es nicht um Publikations- möglichkeiten der Hochschulen geht. Mittelbar besteht aber doch ein gewisser Zusammenhang: Zum einen könnte der Zuwendungsempfänger seiner Open- Access-Publikationspflicht gegenüber der DFG nach- kommen, indem er Aufsatz und Forschungsdaten sei- ner Hochschule zur entsprechenden Zweitpublikation
50 Zum Ganzen Lutz, Zugang zu wiss. Informationen (Fn 9), S 246 f; Peifer (Fn 41), GRUR 2009, 22, 27; Hansen, Für ein Zweitver- öffentlichungsrecht für Wissenschaftler – zugleich Besprechung von Marcus Hirschfelder: Anforderungen an eine rechtliche Verankerung des Open-Access Prinzips, GRUR Int 2009, 799, 801; Heckmann/Weber (Fn 20), GRUR Int 2006, 995, 998.
51 Denn es handelt sich richtigerweise – entgegen Ohly, Urhe- berrecht als Wirtschaftsrecht, in: Depenheuer/Peifer (Hrsg), Geistiges Eigentum, 2008, S 141, 149 mit dortiger Fn 40; Hirsch- felder (Fn 48), MMR 2009, 444, 445 f – zum ersten um einen „bestimmten Sonderfall“ mit einem selbst im Rahmen wissen- schaftlicher Publikationen sehr begrenztem Anwendungsbereich. Die „normale Auswertung“ durch den Urheber wäre zum zweiten angesichts der unbeschränkten Erstveröffentlichungsmöglichkeit für eine Zweitveröffentlichung im Kern nicht beeinträchtigt und zum dritten wären durch die Beschränkung – angesichts der Karenzfrist sowie im Lichte der Informationsinteressen der All- gemeinheit in der Verhältnismäßigkeitsabwägung – „berechtigte Interessen nicht unzumutbar verletzt“, siehe Lutz, Zugang zu wiss Informationen (Fn 9), S 247 f mwN.
188 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
überlässt. Zum anderen wäre eine urheberrechtliche Verpflichtung der Wissenschaftler, ihrer Hochschule oder Forschungseinrichtung eine Lizenz zur Publika- tion ihrer Forschungsergebnisse einzuräumen, ein gewisses (wegen des Vorrangs der Verfassung freilich nicht entscheidendes) Indiz dafür, dass ihre Publikati- onsfreiheit auch durch Open-Access-Förderbedin- gungen der DFG nicht unverhältnismäßig einge- schränkt wird.
Bei Primär- oder Rohdaten wird regelmäßig man- gels persönlicher geistiger Schöpfung noch gar kein urheberrechtsfähiges „geistiges Werk“ im Sinne von § 2 Abs. 1 (insbes. Nr. 1, 5 und 7) UrhG vorliegen.52 Selbst bei der Sammlung und Zusammenstellung ist dies ge- mäß § 4 UrhG meist noch nicht der Fall, wenn diese Zusammenstellung ohne (Relevanz-)Auswahl auf Vollständigkeit zielt.53 Für eine Datenbank mit For- schungsdaten kann allerdings ein leistungsrechtlicher Schutz nach § 87a UrhG bestehen, der dann jedoch demjenigen – möglicherweise sogar der DFG – zu- steht, der die Datenbank finanziert hat.54 Dagegen liegt bei wissenschaftlicher Aufbereitung der Daten (nicht nur in Aufsatzform) zweifelsohne ein geistiges Werk vor, das Urheberschutz genießt.
Nach § 43 UrhG ist ein Arbeitnehmer, der „in Erfül- lung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten“ ein urheber- rechtlich geschütztes Werk geschaffen hat, verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Lizenz zur Verwertung dieses Pflichtwerkes einzuräumen. Ob es sich um eine einfache oder ausschließliche Lizenz handelt, bestimmt sich da- nach, was der Arbeitgeber nach Lage der Umstände be- nötigt (Zweckübertragungslehre). Bei Hochschullehrern muss § 43 UrhG jedoch im Lichte der Wissenschaftsfrei- heit einschränkend ausgelegt werden: Zwar sind Profes- soren zur Forschung und allgemein wohl auch zur Pub- likation von Ergebnissen verpflichtet, doch ihre Dienst- pflichten umfassen nicht die Veröffentlichung konkreter
- 52 Spindler, KoLaWiss-Projekt. Arbeitspaket 4: Recht, 27.2.2009, Manuskript S 23 ff mwN, zusammenfassend S 27; De Cook Buning ua, The legal status of research data in Germany, Annex 3 to the Knowledge Exchange Report „The legal status of research data in the Knowledge Exchange partner countries, 2011, S 11 f (http:// www.knowledge-exchange.info/Default.aspx?lD=461 — 28.7.2014).
- 53 Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn 52), S 27 ff mwN, zusammenfas- send S 32; mit Beispielen für Schutz De Cook Buning ua, The legal status of research data (Fn 52), S 13 f.
- 54 Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn 52), S 32 ff mwN, zusammen- fassend S 39; vgl auch De Cook Buning ua, The legal status of research data (Fn 52), S 20 ff.
- 55 Grundlegend BGH 27.9.1990 – I ZR 244/88 — GRUR 1991, 523 ff
– Grabungsmaterialien; vgl auch OLG Karlsruhe 27.1.1988 – 6 U 101/86 – GRUR 1988, 536 – Hochschulprofessor; BGH 6.2.1985 – I ZR 179/82 — GRUR 1985, 529, 530 – Happening. - 56 Ausnahmen werden diskutiert für die Einbindung in länger- fristige, übergreifende Forschungsprojekte, sofern deren Erfolg
Aufsätze oder Daten. Dies selbst dann nicht, wenn diese Werke während der Dienstzeit und mit universitären Mitteln geschaffen worden sind.55 Bei Publikationen agiert der Professor wie allgemein in der Forschung von Verfassung wegen gänzlich weisungsfrei. Die Hochschu- le oder Forschungseinrichtung kann daher von einem wissenschaftlich selbstständig arbeitenden Urheber grundsätzlich56 keine Einräumung einer Lizenz (Ver- wertungsrecht) verlangen.57
Im Fall „Grabungsmaterialien“ hat der Bundesge- richtshof58 ausnahmsweise eine Pflicht des Hochschul- lehrers angenommen, der Hochschule den dauernden Besitz an den Materialien und die Nutzungsrechte zu de- ren wissenschaftlicher Auswertung einzuräumen; dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die entsprechende Institutsarbeit von der DFG gefördert worden war und die Richtlinien der DFG vorsahen, dass die Arbeitser- gebnisse in geeigneter Form der Öffentlichkeit zur Ver- fügung zu stellen waren. Damit wird zugleich deutlich, dass für die hier in Rede stehenden DFG-Förderbedin- gungen aus dieser Entscheidung jedenfalls für die Auf- satzpublikation keine Schlussfolgerungen gezogen wer- den können. Denn hier geht es der DFG um die spezifi- sche Open-Access-(Zweit-)Publikation und nicht allein darum, dass, wie bei den Grabungsmaterialien, For- schungsergebnisse in irgendeiner Form der Öffentlich- keit zugänglich gemacht (publiziert) werden. Die negati- ve Publikationsfreiheit für Aufsätze will die DFG mit den Open-Access-Förderbedingungen ohnehin nicht ein- schränken.
Dagegen erscheint es nicht von vornherein ausge- schlossen, die Grabungsmaterialien-Entscheidung auf For- schungsdaten (soweit sie ausnahmsweise Urheberschutz genießen) zu übertragen, die sonst gar nicht veröffentlicht würden. Auch insoweit kann allerdings die Hochschule al- lenfalls insoweit Rechte eingeräumt verlangen, als es um die weitere wissenschaftliche Auswertung der Daten geht. De-
gefährdet wäre, wenn der einzelne Beteiligte seine Ergebnisse den anderen Beteiligten nicht (über die Hochschule) zur Verfügung stellt (Mönch/Nödler, Hochschulen und Urheberrecht – Schutz wissenschaftlicher Werke, in: Spindler (Hrsg), Rechtliche Rah- menbedingungen von Open-Access-Publikationen, 2006, S 39 ff, insbes S 41). Nach der Zweckübertragungslehre müsste die der Hochschule dann zu erteilende Lizenz jedoch nur soweit gehen, dass die Weiterverwendung der Ergebnisse im Forschungsprojekt und damit dessen Fortgang gesichert blieben. Eine Open-Access- Publikation konkreter Aufsätze oder Daten auf einem Hoch- schulserver wäre dafür kaum erforderlich (Steinhauer, Das Recht auf Sichtbarkeit, 2010, S 33 f; Pflüger/Ertmann, E‑Publishing und Open Access – Konsequenzen für das Urheberrecht im Hoch- schulbereich, ZUM 2004, 436, 440).
57 Zum Ganzen näher etwa Haberstumpf, Wem gehören For- schungsergebnisse, ZUM 2001, 819, 825 ff.
58 BGH (Fn 55) GRUR 1991, 524, 528.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 8 9
ren Open-Access-Publikation ist dazu zwar förderlich, aber im Regelfall keineswegs unumgänglich.
2. Datenschutz bei Forschungsdaten
Das deutsche allgemeine Datenschutzrecht findet sich teilweise im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), teilweise in den Datenschutzgesetzen der Länder. Welches Gesetz anzuwenden ist, richtet sich im Wesentlichen danach, von welcher Institution und an welchem Ort die Daten verarbeitet – im vorliegenden Kontext also in einem Repositorium o.ä. langzeitarchiviert – werden. In den hier interessierenden Grundstrukturen und sogar in den meisten Einzelheiten stimmen die Gesetze jedoch über- ein, so dass im Folgenden auf eine Differenzierung ver- zichtet wird. An diesen Grundstrukturen würde sich im Übrigen auch durch die beabsichtigte EU-Datenschutz- grundverordnung nichts Wesentliches ändern.
a) Beschränkung auf personenbezogene Daten
Das Datenschutzrecht gilt nur für personenbezogene Daten. Diese sind definiert als „Einzelangaben über per- sönliche oder sachliche Verhältnisse von bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Personen“ (so z.B. § 3 Abs. 1 BDSG).
Datenschutz spielt daher von vornherein keine Rolle, wo naturwissenschaftlich-technische Rohdaten ohne Bezug zum einzelnen Menschen betroffen sind. Wohl nur in Ausnahmefällen erfasst sind bloße Stellungnah- men von Personen zu nichtpersonenbezogenen Themen, etwa in Meinungsumfragen o.ä. Schließlich besteht dort kein Datenschutz mehr, wo ein früherer Personenbezug durch Anonymisierung endgültig – d.h. ohne Möglich- keit, die Verknüpfung zu einzelnen Personen mit zumut- barem Aufwand zu rekonstruieren (Reanonymisie- rung)59 – beseitigt worden ist, etwa indem diese Daten in Statistiken eingeflossen sind.
Damit wird der Datenschutz bei Forschungsdaten nur in wenigen Bereichen eingreifen, namentlich bei medizinischen Daten,60 die sich auf einen bestimmten oder im Wege der Reanonymisierung bestimmbaren einzelnen Patienten beziehen.
- 59 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, 11. Aufl 2012, § 3 Rn 43 ff Dabei kann der Personenbezug relativ sein, weil dem einen die Reanomymisierung mit weniger, dem anderen nur mit mehr Aufwand möglich ist, aaO Rn 10.
- 60 Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn 52), S 118.
- 61 Die Verpflichtungen, die den Betreiber des Repositoriums (derDatenbank) bei der Speicherung der Daten treffen, können hier
b) Folgerungen für Rohdaten insbesondere bei medizi- nischer Forschung
Das Datenschutzrecht stellt Anforderungen sowohl an die Weitergabe der Daten an ein Repositorium o.ä. als auch an die dortige Speicherung. Vorliegend interessiert der Datenschutz indes allein mit seinen Anforderungen an den Förderungsempfänger, denn diesem darf in DFG- Förderbedingungen nur insoweit eine Open-Access- Publikationspflicht auferlegt werden, wie er sie ohne Verstoß gegen das Datenschutzrecht erfüllen kann.61
Nicht nur die Erhebung und Nutzung von personen- bezogenen Daten (durch den behandelnden Arzt und publizierenden Forscher), sondern auch deren weitere Verarbeitung bedarf der schriftlichen Einwilligung des Betroffenen (Patienten). Zur „Verarbeitung“ zählt (etwa nach § 3 Abs. 4 BDSG) auch das „Speichern“ und das „Übermitteln“ dieser Daten. Stellt der Forscher die Daten selbst in das Repositorium ein, so speichert er diese; lei- tet er die Daten an den Betreiber weiter, so liegt ein Übermittlungsvorgang vor.62
Die Einwilligung muss nach hinreichender Informa- tion über die Sachlage (vgl. z.B. § 4a Abs. 1 S. 2 BDSG) auf freier Entscheidung beruhend (z.B. § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG) schriftlich (z.B. § 4a BDSG) vorliegen, die Art der betroffenen Daten erkennen lassen und sich auf die konkrete Verarbeitung (dauerhafte Archivierung in ei- nem bestimmten Repositorium mit Open Access) bezie- hen.63 Dass der Patient zuvor der Erhebung und Nut- zung seiner Daten für das Forschungsprojekt zuge- stimmt hat, rechtfertigt also nicht zugleich deren Open- Access-Publikation. Die dafür zusätzlich erforderliche Einwilligung ist unabdingbar für die Zukunft frei wider- ruflich,64 so dass für diesen Fall mit dem Betreiber des Repositoriums eine spätere Löschung vereinbart werden müsste.
Es ist recht unwahrscheinlich, dass Betroffene in grö- ßerer Zahl einwilligen, medizinische Daten von ihnen für die Allgemeinheit zugänglich im Internet bereitzu- stellen. Selbst bei grundsätzlich anonymisierten Daten, welche aber mit vertretbarem Aufwand reanonymisiert
nicht untersucht werden; dazu Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn
52), S 120 ff.
62 Vgl Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn 52), S 118 f.
63 Näher dazu Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn 52), S 116 ff, zusam-
menfassend S 126.
64 Spindler, KoLaWiss-Projekt (Fn 52), S 127 f; allgemein Gola/Scho-
merus, BDSG (Fn 59), § 4a Rn 38f.
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werden können, erscheint eine Einwilligung nicht allzu wahrscheinlich, weil und wenn sich der Betroffene da- von keinen eigenen Vorteil versprechen kann.
Vor diesem Hintergrund darf die DFG ihre Förde- rungsempfänger nicht zur Open-Access-Publikation per- sonenbezogener Forschungsdaten verpflichten, da die Ge- förderten dem rechtlich regelmäßig nicht werden nach- kommen können. In solchen Konstellationen kann sich eine Open-Access-Publikationspflicht allenfalls auf Da- ten einer höheren Verarbeitungsstufe65 beziehen, bei de- nen jeder Personenbezug endgültig aufgelöst worden ist.
3. Allgemeine Leitlinien aus Art. 5 Abs. 3 GG
a) Schutzbereich der Publikationsfreiheit
Die Freiheit der Forschung als Teil der Wissenschaftsfrei- heit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) schützt die freie Wahl von Frage- stellung und Methodik, die gesamte praktische Durchfüh- rung eines Forschungsprojekts sowie die Bewertung der Forschungsergebnisse und ihre Verbreitung.66 Dabei ist der Forscher grundsätzlich frei, über Ort, Zeitpunkt und Moda- litäten der Publikation seiner Forschungsergebnisse selbst zu entscheiden.67 Wissenschaft ist ein Kommunikations- prozess, in dem neue Forschung immer mehr oder weniger auf zuvor erzielten Erkenntnissen aufbaut und selbst als Grundlage für wieder neue Forschungen dienen muss. Dies erklärt den hohen Stellenwert, der der Publikationsfreiheit im Rahmen der individuellen Wissenschaftsfreiheit durch- weg zu Recht beigemessen wird.68
aa) Bei Aufsätzen geht es hier um das „wo“ der Publikati- on. Geschützt ist unstreitig die positive Publikationsfrei- heit. Diese umfasst zum einen die freie Entscheidung des Wissenschaftlers, in welcher inhaltlichen und äußeren
- 65 Vgl oben II. 2.
- 66 Grundlegend BVerfG 29.5.1973 – 1 BvR 424/71 – E 35, 79 – Hoch-schulurteil.
- 67 Statt vieler BVerfG 14.2.1987 – 2 BvR 523/75 – E 47, 237 – Wahl-werbespot; BVerfG 1.3.1978 – 1 BvR 333/75 – E 47, 383 – Hessisches Universitätsgesetz; Fehling, in: Bonner Kommentar zum GG,
110. Lfg, 2004, Art 5 Abs 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn 74; Britz,
in: Dreier, GG-Kommentar, Bd 1, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Wissen- schaft) Rn 26; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 11. Aufl 2001, Art 5 Rn 122; Denninger, in: AK-GG, 3. Aufl 2001, Art 5Abs 3 Rn 25 u. Rn 47, Kimminich, Das Veröffentlichungsrecht desWissenschaftlers, WissR 18 (1985), 116 ff. - 68 Dabei spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob man, wie wohl diehM, die Publikation der Forschung (Starck, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd 1, 6. Aufl 2010, Art 5 Abs 3 Rn 361; Britz, in: Dreier [Fn 67], Art 5 III [Wiss.] Rn 26; Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 54 f mwN) oder aber der (Schrift-)Lehre (so Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 1994, S 90 f; Denninger, in: AK-GG [Fn 67], Art 5 Abs 3 Rn 47), zuordnet.
Gestaltung er seine Forschungsergebnisse veröffentlicht („wie“ der Publikation). Zum anderen bleibt dem Autor die freie Auswahl eines Publikationsmediums, sei es eine bestimmte gedruckte wissenschaftliche Zeitschrift, ein Online-Journal mit oder ohne Open Access oder ein Inter- net-Repositorium („wo“ der Veröffentlichung69). Denn auch der Ort der Publikation kann von hoher Bedeutung für die wissenschaftliche Verbreitung und Rezeption der Forschungsergebnisse70 und damit auch für das Renom- mee des Forschers sein; in vielen Fächern spielt dabei der Impact-Faktor der Zeitschriften eine wichtige Rolle.
Damit fällt die Wahl zwischen einer Veröffentlichung in einem kostenpflichtigen Journal oder umgekehrt im Open-Access unter die positive Publikationsfreiheit des Wissenschaftlers. Ginge man sogar so weit, schon eine Erstveröffentlichung Open-Access („golden road“) zu verlangen, so wäre – von der Frage eines Eingriffs durch bloße Förderbedingungen71 zunächst noch abgesehen – zweifelsohne der Schutzbereich der positiven Publikati- onsfreiheit berührt. Zwar klingt gelegentlich die Vorstel- lung an, der Forscher habe von vornherein ein grund- rechtlich schutzwürdiges Interesse nur an möglichst weitreichender „wissenschaftsadäquater“ Verbreitung,72 wobei er vom weltweit zugänglichen Internet nur profi- tieren könne. Doch kann eine traditionelle (gedruckte) Zeitschrift im jeweiligen Fach73 trotz zahlenmäßig ge- ringerer Verbreitung und mühsamerer Zugänglichkeit ein wissenschaftlich deutlich höheres Renommee (Im- pact-Faktor) besitzen. Gerade in manchen Geisteswis- senschaften bevorzugen zudem viele (vor allem, aber nicht nur ältere) Wissenschaftler weiterhin gedruckte Texte sowohl als Autoren als auch bei der Lektüre.74 Es geht dem Wissenschaftler im Kommunikationsprozess keineswegs abstrakt um den nominell höchsten Verbrei-
69 Bezeichnung von Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 55 f im An- schluss an den sog „Heidelberger Appell“.
70 Insoweit zutreffend, auf den Charakter der Wissenschaftsfreiheit als Kommunikationsfreiheit rekurrierend, Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 57 ff.
71 Siehe unten III. 3. c) bb).
72 In diese Richtung Pflüger/Ertmann, (Fn 56), ZUM 2004, 436, 44,
wonach das „wo“ der Publikation bei verbleibenden wissen- schaftsadäquaten Publikationsmöglichkeiten gar nicht in den Schutzbereich falle; Peukert, Ein wissenschaftliches Kommunika- tionssystem ohne Verlage – zur rechtlichen Implementierung von Open Access als Goldstandard wissenschaftlichen Publizierens, Goethe Universität Frankfurt, Fachbereich Rechtswissenschaft, Arbeitspapier Nr 6/2013, S 20 ff.
73 Hier könnten Differenzierungen notwendig werden, siehe unten III. 4.
74 Auf die Autoren bezogen Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 41: „Das hat ästhetische Gründe, wurzelt auch in der Eitelkeit und dient der Karriere. Ein Buch zum Anfassen hat einen anderen Wert.“
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 9 1
tungsgrad, sondern um die bestmögliche Erreichung sei- ner konkreten Zielgruppe; wenige Spezialisten sind für ihn dabei oft wichtiger als ein großes weniger fachkundi- ges Publikum.
Weit höher ist der Begründungsaufwand für die Ver- knüpfung mit der Publikationsfreiheit, wenn, wie von der DFG angestrebt, eine Open-Access-Zweitpublikati- on („green road“) ausreicht. Darin scheint auf den ersten Blick nur ein Zugewinn an Verbreitung zu liegen.75 Eine zusätzliche Veröffentlichung im Internet wirkt heutzuta- ge wohl in keiner Wissenschaftsdisziplin rufschädi- gend.76 Nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind al- lerdings Missbrauchs- und Verwirrungspotentiale. Elek- tronisch zugängliche Texte können technisch leichter willkürlich verändert und an anderer Stelle im Netz in derart „gefälschter“ Version erneut publiziert werden; dies kann dann fälschlicherweise den Ruf des echten Au- tors schädigen. Stimmt die Open-Access-Zweitveröf- fentlichung nicht vollständig (einschließlich der Seiten- zahlen) mit der Erstpublikation überein, droht es auch insoweit zu Versions-Verwirrung zu kommen.77 Bis vor kurzem stand freilich eine andere Befürchtung im Vor- dergrund: Die zusätzliche Verpflichtung zur Open Ac- cess-Publikation könne es erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen, die gewünschte Erstpublikation zu verwirklichen, sofern die ausgewählte Zeitschrift den Artikel nur gegen Übertragung des ausschließlichen Pu- blikationsrechts abzudrucken bereit sei.78 Mit der Ein- führung eines unabdingbaren Zweitveröffentlichungs- rechts (§ 38 Abs. 4 UrhG) ist nunmehr allerdings den (deutschen) Verlagen die Möglichkeit genommen, die Annahme eines Aufsatzes wegen der beabsichtigten Open-Access-Zweitveröffentlichung zu verweigern. Die Auswirkungen entsprechender DFG-Förderbedingun- gen auf die negative Publikationsfreiheit werden da- durch ganz erheblich abgemildert, allerdings nicht gänz- lich beseitigt. Denn erstens ist es zweifelhaft, ob § 38 Abs. 4 UrhG nach Internationalem Privatrecht auch auf Ver- träge mit ausländischen Verlagen nach ausländischem
- 75 So für die Autorenperspektive betont etwa von Steinhauer, Sicht- barkeit (Fn 56), S 18, vgl aber einschränkend S 59 f im Hinblick auf ein eventuell unerwünschtes Zuviel an (Laien-)Öffentlichkeit.
- 76 Entgegen Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 60 ff; ders, Freier Zugang zu unfreien Autoren – Open Access aus juristischer Sicht, FuL 2009, 648, 650 f.
- 77 In diese Richtung Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 30 ff; zur Gefahr von Datenmanipulationen auch ders (Fn 76), FuL 2009, 648; zum reputationsgefährdenden Fälschungsrisiko aus dem Blickwinkel des Urheberrechts Knauf, Schutz von Open Access-Dokumenten und Datenbanken, in: Spindler (Hrsg), Rechtliche Rahmenbedin- gungen von Open Access-Publikationen, 2006, S 105 f.
- 78 Hervorgehoben etwa von Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 60.
- 79 Dazu oben III. 1. a) bb).
- 80 Peifer (Fn 22), NJW 2014, 6, 11.
Recht von ausländischen Gerichten angewandt werden muss und wird.79 Es stellt eine grundrechtsrelevante Be- lastung des Wissenschaftlers dar, wenn er sich mit der Open-Access-Zweitveröffentlichung Rechtsstreitigkei- ten im Ausland mit unklarem Ausgang ausgesetzt sieht oder aber zur Vermeidung dieses Risikos gar nicht in ausländischen Journals veröffentlichen kann, bei denen der Verlag im nach dortigem Recht abgeschlossenen Verlagsvertrag weiterhin auf ein uneingeschränktes Ex- klusivverwertungsrecht besteht. Zweitens erscheint es möglich, dass das vom Autor ausgewählte (Print-)Jour- nal bei fehlender Exklusivität nur zu für den Autor schlechteren finanziellen Konditionen (kein oder gerin- geres Autorenhonorar80 oder höherer finanzieller Druckkostenzuschuss des Autors) zur Veröffentlichung bereit ist. Zwar ist umstritten, ob die wirtschaftliche Ver- wertung von der Wissenschaftsfreiheit mit geschützt ist81 oder aber nur Art. 12 GG unterfällt.82 Dieser Streit betrifft jedoch nur das Einnahmenerzielungsinteresse. Da Zahlungspflichten potentiell von der Veröffentli- chung abschrecken, ist das Interesse des publikationswil- ligen Wissenschaftlers, von zusätzlichen eigenen (Publi- kations-)Kosten verschont zu bleiben, zweifellos von der Publikationsfreiheit erfasst. Anders als beim bloßen Zweitveröffentlichungsrecht des § 38 Abs. 4 UrhG geht es in den DFG-Förderbedingungen um eine Zweitveröf- fentlichungspflicht, so dass hier nicht von einer bloßen ganz mittelbaren Beeinflussung der Marktbedingungen gesprochen werden kann, auf deren Beibehaltung der Publizierende keinen grundrechtlichen Anspruch hat.83 Diese drei letztgenannten Aspekte führen dazu, dass auch bei der „green road“ die Publikationsfreiheit des Wissenschaftlers zumindest potentiell – wenn auch nach Einführung des unabdingbaren Zweitveröffentlichungs- rechts nur noch mit geringerer Intensität – betroffen ist.
bb) Eine Verpflichtung zur Open-Access-Publikation von Forschungsdaten, die nicht als Anhang o.ä. in (Auf- satz-)Veröffentlichungen eingeflossen sind, beträfe
81 ZB Hailbronner, Forschungsreglementierung und Grundgesetz, WissR 13 (1980), S 218; Kamp, Forschungsfreiheit und Kommerz, 2004, S 219 ff, zusammenfassend S 333 ff.
82 So die wohl hM, zB Scholz, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar (Loseblatt), 69. Aufl, 2013, Art 5 Abs 3 Rn 84; Losch, Wissen- schaftsfreiheit, Wissenschaftsschranken, Wissenschaftsverantwor- tung, 1993, S 119 f Differenzierend Fehling, in: BK-GG, (Fn 66) Art 5 Abs 3 (Wiss.freiheit) Rn 105 iVm Rn 68 f und im Anschluss daran auch Jarass, in: ders/Pieroth (Fn 67), Art 5 Rn 122 sowie Wendt, in: von Münch/Kunig (Hrsg), GG-Kommentar, Bd 1, 6. Aufl 2012, Art 5 Rn 100, wonach die Ausstrahlungswirkung der Wissenschaftsfreiheit ggf bei Art 12 GG in der Verhältnismäßig- keitsprüfung schutzverstärkend wirken kann.
83 Dazu oben III. 1. a) cc) bei der Erörterung der Verfassungsmäßig- keit des Zweitveröffentlichungsrechts.
192 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
bereits das „ob“ der Publikation. Denn der Forscher wür- de diese Daten als solche sonst gar nicht veröffentlichen. Hier geht es um die negative Publikationsfreiheit im Sinne der Freiheit, Forschungsergebnisse nicht zu publi- zieren. Dass diese von Art. 5 Abs. 3 GG geschützt ist, wird allerdings gelegentlich bestritten. Da Wissenschaft auf Kommunikation ausgerichtet sei, verdiene Schwei- gen als Verweigerung wissenschaftlicher Kommunikati- on keinen Schutz.84 Außerdem sei die Validität von For- schungsergebnissen, die nicht veröffentlicht werden, im Diskurs nicht überprüfbar.85 Die ganz herrschende Auf- fassung weist zutreffend darauf hin, dass es in der Ver- antwortung des Forschers liegen muss, ob er bestimmte Forschungsergebnisse als hinreichend gesichert und be- reits veröffentlichungswürdig einstuft.86 Gerade bei we- nig oder gar nicht aufbereiteten (Roh-)Daten kann der Wissenschaftler der Auffassung sein, diese würden „Un- eingeweihte“ zu Fehldeutungen einladen und stifteten nur Verwirrung. Außerdem will der Forscher womög- lich diese in mühsamer Arbeit generierten Daten selbst noch in einer späteren Veröffentlichung verarbeiten, statt die aufsatzfremden Forschungsdaten im Internet konkurrierenden Wissenschaftlern frei zur Verfügung zu stellen. Es geht hier eben nicht darum, dass sich ein Wissenschaftler mit seinem Forschungsprojekt dem wis- senschaftlichen Diskurs entziehen will, sondern darum, dass der Geförderte den Umfang dessen, was er als Re- sultat seiner Arbeit der (Fach-)Welt präsentiert, selbst bestimmen möchte. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist nach wohl fast einhelliger Auffassung von Art. 5 Abs. 3
GG geschützt.
b) Keine immanenten Schutzbereichsbegrenzungen
Teilweise klingt bei Befürwortern einer weitreichenden Rechtspflicht zur Open-Access-Publikation die Vorstel- lung an, die Wissenschaftsfreiheit und namentlich die
- 84 So z.B. Dickert, Naturwissenschaften und Forschungsfreiheit, 1991, insbes S 271.
- 85 So für geheimgehaltene Industrieforschung A. Blankenagel, Wissenschaftsfreiheit aus Sicht der Wissenschaftssoziologie, AöR 125 (2000), 94 und 97, vertiefend M. Blankenagel, Wissenschaft zwischen Information und Geheimhaltung, 2001, S 158 ff.
- 86 Classen, Wissenschaftsfreiheit (Fn 69), S 89 f; ähnlich Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S 106 f; iE auch Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs. 3 (Wiss.freiheit) Rn 74.
- 87 Tendenzen dazu bei Pflüger/Ertmann (Fn 56), ZUM 2004, 436, 444; Peukert, Wissenschaftliches Kommunikationssystem (Fn 72), S 20 f.
- 88 Zurückgehend auf Köttgen, Die Freiheit der Wissenschaft und die Selbstverwaltung der Universität, in: Neumann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg), Grundrechte, Bd. 2, 1954, S 302 ff; vgl auch Burmeister, „Dienende“ Freiheitsgewährleistungen, in: ders (Hrsg) FS Klaus Stern, 1997, S 867 ff.
Publikationsfreiheit könne nicht das eigennützig-sub- jektive Belieben des individuellen Wissenschaftlers schützen, sondern müsse von vornherein jedenfalls beim staatlich alimentierten Wissenschaftler als treuhänderi- sche, dienende Freiheit im Interesse der Scientific Com- munity oder gar der Allgemeinheit verstanden werden. Aus diesem Blickwinkel würde die Publikationsfreiheit von vornherein nur ein Verhalten schützen, dass auf objektiv adäquate Teilnahme am wissenschaftlichen Dis- kurs ausgerichtet ist.87 Diese Argumentationslinie über- schneidet sich mit Ansätzen, welche Art. 5 Abs. 3 GG weniger als individuelles Abwehrrecht denn als objektive (institutionelle) Garantie freier Wissenschaft88 oder als Funktionsgrundrecht89 verstehen. Wird die Wissen- schaftsfreiheit solchermaßen als „dienende Freiheit“ ein- gestuft,90 stellen Regelungen, die der Einbindung des Wissenschaftlers in der Scientific Community Rechnung tragen, keine rechtfertigungsbedürftigen Eingriffe, son- dern eine bloße Ausgestaltung des Schutzbereichs dar.
Das BVerfG ist diesen Ansätzen jedoch nicht gefolgt und hat gerade in jüngerer Zeit die Funktion der Wis- senschaftsfreiheit als individuelles Abwehrrecht wieder stärker in den Vordergrund gerückt.91 Die Einbindung des einzelnen Wissenschaftlers in verschiedenste Netz- werke und einen arbeitsteiligen Wissenschaftsbetrieb nötigt nicht dazu, die individuelle Schutzrichtung der Wissenschaftsfreiheit schon tatbestandlich „über Bord zu werfen“.92 Zwar genießt der Wissenschaftler im Staats- dienst seine Freiheit auch bei der Drittmittelforschung nicht privatnützig,93 sondern aufgrund und im Rahmen seines amtlichen Auftrags. Deshalb muss jedoch nicht bereits im Schutzbereich die abwehr- und individual- rechtliche Prägung von vornherein durch objektive Bin- dungen massiv relativiert werden. Eine tatbestandliche Verdrängung individueller Freiheit durch den Amtsauf- trag stünde nicht zuletzt im Widerspruch zu den histori- schen Fundamenten der Wissenschaftsfreiheit, bei der
89 Dazu grundlegend, mit etwas anderer Konnotation, Hailbronner, Die Freiheit der Forschung und der Lehre als Funktionsgrund- recht, 1979, S 73 ff.
90 In diese Richtung etwa Kleindiek, Wissenschaft und Freiheit in der Risikogesellschaft, 1998, S 313 ff.
91 BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 911/00 — E 111, 333, 354 – Brandenbur- gisches Hochschulgesetz: „Die Garantie [der Teilhabe der Grund- rechtsträger an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs] ist für jeden Wissenschaftler auf solche hochschulorganisatorischen Entscheidungen beschränkt, die seine eigene Freiheit, zu forschen und zu lehren, gefährden können“; zur entsprechenden Interpre- tation dieser Rechtsprechung statt vieler Britz, in: Dreier (Fn 67), Art 5 III (Wiss) Rn 103 iVm Rn 90.
92 Zum Ganzen Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 20 ff; ausdrücklich gegen immanente Schutzbereichsbegrenzun- gen auch Britz, in: Dreier (Fn 67), Art 5 III (Wiss) Rn 28.
93 So aber übersteigernd Klein, Fremdnützige Freiheitsgrundrechte, 2003, S 134 ff.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 9 3
man sich einen besonderen Kreativitätsschub und damit Gemeinwohlnutzen gerade von der individuellen Ent- scheidungsmacht des einzelnen Wissenschaftlers – auch in Publikationsfragen – versprach.94
Nur die Hochschulorganisation einschließlich der Selbstverwaltung will das Verfassungsgericht nicht als Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit verstehen, solange damit keine strukturelle Gefährdung der individuellen Freiheit in Forschung und Lehre verbunden und ein hin- reichendes Niveau der Partizipation gewährleistet sei.95 Dahinter steht die Überlegung, dass das Zusammenwir- ken in solchen arbeitsteiligen Wissenschaftsorganisatio- nen unentrinnbar eine institutionelle Verschränkung der Freiheiten bedingt. Auf die gleichsam virtuelle Orga- nisation der jeweiligen Wissenschaftsgemeinschaft in fachbezogenen Netzwerken u.ä. lässt sich diese – ohne- hin umstrittene96 – dogmatische Konstruktion des BVerfG indes nicht übertragen.97 Denn hier sind die Forscher, anders als an der Universität, nicht institutio- nell in feste Organisationsstrukturen eingebunden, son- dern können und sollen über ihre Einbindung in Netz- werke u.ä. sowie über ihre Kommunikationswege grund- sätzlich selbst entscheiden. Einschränkungen im Allge- meininteresse sind zwar nicht ausgeschlossen, aber als Grundrechtseingriffe besonders rechtfertigungsbedürf- tig.98
c) Eingriff durch DFG-Förderbedingungen?
Insoweit stellt sich zunächst das Problem der Grundrechts- bindung der DFG als privatrechtlichem Verein und im Kern Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob solche Förder- bedingungen Eingriffscharakter besitzen oder nur eine Leistung einschränkend konkretisieren, auf die grund- rechtlich kein Anspruch besteht.
aa) Nach Art. 1 Abs. 3 GG ist die gesamte öffentliche Gewalt an Grundrechte gebunden, auch wenn sie sich Organisations- und Handlungsformen des Privatrechts
- 94 Fehling, in: Fehling/Ruffert (Hrsg), Regulierungsrecht, 2010, § 17 Rn 27; insoweit im Ausgangspunkt noch überzeugend Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 55 f; ders (Fn 77), FuL 2009, 648, 650.
- 95 BVerfG 20.7.2010 – 1 BvR 748/06 – E 127, 114 ff – Hamburgisches Hochschulgesetz.; vgl auch BVerfGE 111, 333, 353 ff (Fn 91).
- 96 Wagner, Zur Stellung der Forschungsfreiheit im Gefüge der Grundrechte, in: ders (Hrsg), Rechtliche Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Forschung, 2000, S 241 ff; im Anschluss Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 152: „Die zur Freiheitssicherung gebotene Vorsicht verlangt, auch die organisatorischen Normen in der Art zu prüfen, wie es bei der Legitimation von Grundrechtsschranken geboten ist“; als Reaktion auf den Brandenburg-Beschluss Geis, Universitäten im
bedient. Die Tatsache allein, dass die DFG als Verein organisiert ist und ihre Förderung mittels privatrechtli- cher Verträge durchführt, kann sie deshalb nicht von der Grundrechtsbindung befreien.
DFG-Vereinsmitglieder sind Hochschulen und an- dere staatlich finanzierte Wissenschaftseinrichtun- gen, mittelbar steht dahinter also durchweg der grund- rechtsgebundene Staat. Hinzu kommt, dass die Mittel der DFG zur Wissenschaftsförderung zu über 90% aus staatlichen Haushalten stammen und Vertreter des Bundes und der Länder im Hauptausschuss der DFG, wenn auch in der Minderheit, mit über die Bewilli- gung konkreter Forschungsprojekte – auf Grundlage wissenschaftlicher Gutachten zu den beantragten Pro- jekten – entscheiden. Zwar ist die DFG selbst als Selbst- verwaltungseinrichtung der Wissenschaftsorganisatio- nen konzipiert; in ihrem Senat, der u.a. für die strategi- sche Ausrichtung zuständig ist, finden sich deshalb auch keine Vertreter des Staates. Die Entscheidung über För- derungsanträge in gewisser Staatsferne in einem wissen- schaftsgetriebenen Entscheidungsverfahren soll gerade einer unzulässigen indirekten staatlichen Steuerung wis- senschaftlicher Wahrheitsfragen vorbeugen. Insoweit wird die DFG selbst, gleichsam als „verlängerter Arm der Wissenschaftler“, zu Recht verbreitet auch als Trägerin der Wissenschaftsfreiheit eingestuft.99 Die Grundrechts- trägerschaft gegenüber dem Staat schließt eine gleichzei- tige Grundrechtsbindung in einem anderen Rechtsver- hältnis (Antragsteller bzw. Förderempfänger gegenüber der DFG) jedoch nicht aus. Insoweit spricht man von ei- ner janusköpfigen Grundrechtskonstellation.100
Es bleibt noch ein letztes Argument gegen die Grund- rechtsbindung der DFG zu erwägen. Als Selbstverwal- tungsorganisation repräsentiere die DFG auch den je- weiligen Antragsteller und Förderungsempfänger. Da dieser über die Selbstverwaltungsstrukturen (insbeson- dere die Wahl der Fachvertreter) die Förderungspraxis selbst beeinflussen könne, fehle es an einer grundrechtsty- pischen Gefährdungslage. Selbstverwaltung wirke auch
Wettbewerb, VVDStRL 69 (2010), 364.
97 Dies vernachlässigt Peukert, Wissenschaftliches Kommunikati-
onssystem (Fn 72), S 21 ff.
98 Näher unten II. 3. d) und f).
99 Statt vieler Trute, Die Forschung (Fn 86), S 690 ff; Meusel, Auße-
runiversitäre Forschung in der Verfassung, in: Flämig ua (Hrsg) Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd 2, 2. Aufl, 1996, Rn 168; zusammenfassend Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 141.
100 Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs. 3 (Wiss freiheit) Rn 19; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn 68), Art 5 Abs 3 Rn 409; Schmidt-Aßmann, Wissenschaftsrecht als systematische Disziplin, in: Winkler (Hrsg), FS Meusel, 1997, S 224 f.
194 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
hier freiheitsschützend und ‑erweiternd, nicht freiheitsver- kürzend.101 Doch bleiben der Einfluss des Einzelnen und seine individuelle Freiheit in Selbstverwaltungsorganisa- tionen notwendig mediatisiert. Von einem Verständnis der Wissenschaftsfreiheit als individuelles Abwehrrecht aus lässt sich daher die Schutzbedürftigkeit des einzel- nen Forschers auch gegenüber einer selbstverwalteten Forschungsförderungsorganisation nicht leugnen.102 Darüber hinaus wirken im Hauptausschuss der DFG auch Staatsvertreter mit, so dass gerade keine reine Selbstverwaltungsorganisation, sondern eine gemischte Einrichtung zwischen Staat und selbstverwalteter Wis- senschaft (freilich mit klarem Übergewicht der Wissen- schaft) vorliegt.103 Der potentielle Staatseinfluss auf För- derungsentscheidungen, auch wenn er im Haushaltsge- setz sehr abstrakt bleibt und bei der konkreten Förde- rung in Selbstverwaltungsstrukturen eingebettet und solchermaßen „verdünnt“ ist, lässt die Antragsteller im Verhältnis zur DFG als grundrechtlich schutzbedürftig erscheinen.
bb) Auf den ersten Blick muss an der Eingriffsqualität bloßer Förderbedingungen gezweifelt werden. Denn die DFG-Förderung stellt insgesamt eine Leistung dar, wirkt sich also freiheitserweiternd aus.104 Diese Erweiterung der Forschungsmöglichkeiten wird durch die Bedingung der Open-Access-Publikation vielleicht etwas weniger attraktiv gemacht. Zu einer Belastung wird die Förde- rung dadurch jedoch in keiner Weise.
Die Publikationsfreiheit scheint bei solchen Förder- bedingungen daher allenfalls in ihrer schwachen Aus- prägung als Leistungsrecht aktiviert, nicht dagegen als Eingriffsabwehrrecht. Ein originäres Leistungsrecht auf besondere staatliche Förderung von Forschungsvorha- ben lässt sich Art. 5 Abs. 3 GG nicht entnehmen; es bleibt grundsätzlich bei einem Anspruch auf chancengleiche Teilhabe an Verfahren zur Vergabe von staatlich für die
- 101 In diese Richtung wohl Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 76 f.
- 102 Allgemeiner auf Selbstverwaltungsorgane bezogen Fehling,in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 19; speziell auf Kollegialorgane an den Hochschulen bezogen statt vieler Scholz, in: Maunz/Dürig (Fn 82), Art 5 Abs 3 Rn 128.
- 103 Eingehend Salaw-Hanslmaier, Die Rechtsnatur der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2003, S 161 ff.
- 104 Plastisch dazu Bumke, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 69 (2010), 479, 480 f.
- 105 Vgl BVerwG 22.4.1977 – VII C 48.74 — E 52, 339, 348 ff; deshalb unzulässigerweise den Unterschied zwischen Teilhabe- und Abwehrrecht negierend Mönch/Nödler, in: Spindler (Fn 56), S 21, 46.
- 106 Scholz, in: Maunz/Dürig (Fn 82), Art 5 Rn 118 u 194 , vgl auch
Forschung zur Verfügung gestellten Mitteln.105 Aus die- sem Blickwinkel sind einschränkende Förderbedingun- gen gleichsam bloße „Spielregeln“, welche den Gegen- stand des Teilhaberechts und des Vergabewettbewerbs konkretisieren, nicht aber Beschränkungen. Dement- sprechend besitzt der Staat bei Förderungsentscheidun- gen einen erheblich weiteren Gestaltungsspielraum als bei wissenschaftsbezogenen Ge- und Verboten: Sogar inhaltliche Schwerpunktsetzungen bei der Förderung – dann erst recht inhaltsneutrale Open-Access-Verpflich- tungen – greifen als solche noch nicht in die Wissen- schaftsfreiheit ein.106 Wenn die bloße Zweitveröffentli- chung im frei zugänglichen Internet („green road“) aus- reicht, liegt darin auch keine eingriffsbegründende „Abstrafung“ von Wissenschaftlern mit traditionellen Publikationspräferenzen.107 Zwar müssen sich auch Open-Access-Förderbedingungen, die sich nur als Mo- difizierung einer überobligationsmäßigen Finanzie- rungsleistung auswirken, durch sachliche Gründe recht- fertigen lassen. Doch bedarf es dafür weder einer gesetz- lichen Grundlage noch einer über das Verbot objektiver Willkür hinausreichenden Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Allerdings hat der Hochschullehrer aus der Wissen- schaftsfreiheit dem Grunde nach einen verfassungsun- mittelbaren Anspruch auf eine personelle und finanziel- le Grundausstattung, welche ihm diejenige Forschung erst ermöglicht, für die er sein Amt erhalten hat. „Bei der Verteilung der verfügbaren Mittel müssen jedenfalls die Personal- und Sachmittel zugewiesen werden, die es überhaupt erst ermöglichen, wissenschaftliche For- schung und Lehre zu betreiben“.108 Verwehrt man dem Hochschullehrer diese Grundausstattung oder knüpft sie an einschränkende Bedingungen, so wird dieses „Teilhabe[recht] an öffentlichen Ressourcen“109 in einer Art und Weise verkürzt, die einem Engriff in das Ab- wehrrecht der Forschungsfreiheit nahekommt.110 Der genaue Umfang der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten
Rn 14; Kimminich (Fn 67), WissR 18 (1985), 116, 133; Fehling, in:
BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 45 u 151. 107 Anders ohne Differenzierung zwischen „golden“ u „green
road“ Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 62 f.
108 BVerfGE 111, 333, 362 (Fn 91); der Sache nach bereits BVerfG
8.2.1977 – 1 BvR 79/70 — E 43, 242, 282 — Berufungsvereinba- rung; BVerfG 8.7.1980 – 1 BvR 1472/78 — E 54, 363, 390 – Aka- demische Selbstverwaltung; BVerfG 15.9.1997 – 1 BvR 406/96 – NVwZ-RR 1998, 175.
109 Zuletzt bekräftigt in BVerfGE 127, 87, 115 (Fn 95).
110 Angedeutet bei Scholz, in: Maunz/Dürig (Fn 82), Art 5 Abs 3
Rn 196; Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 151.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 9 5
Grundausstattung lässt sich freilich nicht aus der Verfas- sung ablesen; insoweit hat der Haushaltsgesetzgeber ei- nen gewissen, vom Untermaßverbot begrenzten Ein- schätzungsspielraum.111
Mittlerweile verfließen teilweise die Grenzen zwi- schen der durch Art. 5 Abs. 3 GG gebotenen Grundaus- stattung und darüber hinausgehender Finanzleistungen, so dass auch die DFG-Förderung mittelbar grundaus- stattungsrelevant werden kann.112 In den vergangenen Jahren ist zwecks Verschärfung des wissenschaftlichen (Exzellenz-)Wettbewerbs eine spürbare Verlagerung der Mittelausstattung von der vorbehaltslos gewährleisteten Grundausstattung hin zu staatlichen Drittmitteln, gera- de auch der DFG, zu verzeichnen.113 Das Drittmittelauf- kommen ist fachspezifisch sehr unterschiedlich. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass sich auch der Anteil der Drittmittel an den Forschungsausgaben im Verhältnis zur Grundausstattung fach(gruppen)spezifisch deutlich unterscheidet. Sicherlich gibt es in vielen Fächern wich- tige Forschungsprojekte, die sich ohne Drittmittel, allein mittels der Grundausstattung, nicht realisieren lassen; in manchen Fächern wird dies höchstwahrscheinlich sogar sehr häufig, wenn nicht gar regelmäßig der Fall sein.114
In einer solchen Situation ist der Forscher vom Zu- gang zu Drittmitteln derart abhängig, dass sich Publika- tionsbedingungen, welche an eine solche Förderung ge- knüpft werden, ähnlich auswirken wie eine Verpflich- tung zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, die mit der Grundausstattung erzielt worden sind.115 Für diese Schlussfolgerung fehlen zwar unmittelbare Vorbil- der in Rechtsprechung und Literatur, doch finden sich ähnliche Wertungen bei der Frage, ob ein faktischer, mit-
telbarer Grundrechtseingriff vorliegt.116 Insoweit soll es nämlich darauf ankommen, ob „die vorliegende Beein- trächtigung Ausdruck derjenigen Gefahr ist, gegen die das Grundrecht gerade Schutz bieten will“;117 in diese Wertung können neben der „Grundrechtsbezogenheit der Beeinträchtigung“ (d.h. Schutzzweckerwägungen im engeren Sinne) die „Dichte der Erfolgsbeziehung“ (d.h. die Länge der Kausalkette und die Zielgerichtetheit des staatlichen Handelns) sowie die „Intensität der Gefähr- dung bzw. Beeinträchtigung“ mit einfließen.118 Diese Kriterien lassen sich auf die Frage der Eingriffsähnlich- keit von Förderbedingungen übertragen. Je unverzicht- barer Drittmittel für die effektive Forschungsfreiheit sind, desto mehr zwingen Schutzzweckerwägungen119 dazu, Open-Access-Bedingungen einem Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit gleichzustellen.120 Dies ist jedoch längst nicht überall so und wohl auch nicht der Regelfall: wie bereits ausgeführt, sind verschiedene Fächer(gruppen) in ganz unterschiedlichem Maße auf Drittmittel angewie- sen. Die eingriffsähnliche Wirkung von DFG-Förderbe- dingungen kann noch unter einem weiteren Aspekt in Zweifel gezogen werden. Die DFG ist zwar ein quantita- tiv und qualitativ besonders wichtiger, aber keineswegs der einzige Drittmittelgeber. Ein Forscher mag auf Dritt- mittel angewiesen sein, doch nicht notwendig auf solche der DFG. Hat der Wissenschaftler substantielle, nicht nur theoretische Wahlmöglichkeiten, von welcher (semi-)staatlichen oder auch privaten Institution er Mit- tel beantragt, kann die DFG-Förderung womöglich als rein zusätzliches Leistungsangebot eingestuft werden, so dass bloße DFG-Förderbedingungen keine eingriffsähn- liche Wirkung entfalten.
das Zusammenspiel in einem vom Staat initiierten Governance- System gelten“. Allerdings will er bei finanzieller Steuerung einen „grundrechtswidrigen Effekt“ nur annehmen, wenn es um Be- lohnungen durch Gehalts- oder Lohnbestandteile geht, nicht aber bei der Mittelausstattung, weil “jenseits der ohnehin umstrittenen ‚Mindestausstattung’ kein Anspruch gegen negative Ressourcen- allokation besteht“; für eine Erweiterung auf Forschungsförde- rung auch jenseits der Grundausstattung Sachs, Diskussionsbei- trag: VVDStRL 69 (2010), 475, 476.
117 Ramsauer, Die Bestimmung des Schutzbereichs von Grundrech- ten nach dem Normzweck, VerwArch 72 (1981), 89, 102; dazu kritisch mwN Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S 265 ff.
118 Eingehend Ramsauer (Fn 117), VerwArch 72 (1981), 89 (103 ff); teilweise andere Zurechnungskriterien bei Eckhoff, Der Grund- rechtseingriff (Fn 117), S 270 ff, insbes S 285 ff; Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), S 85 f.
119 In dies Richtung deutet, wenngleich auf hoher Abstraktionsebe- ne, Trute, Die Forschung (Fn 86), S 634, 635 u S 636, siehe ferner S 437; vgl auch Britz, in: Dreier (Fn 67), Art 5 III (Wiss.) Rn 84; Gärditz (Fn 111), WissR 42 (2009), 353, insbes 360 u 380 u 384 f.
120 Angedeutet von Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 73 f; siehe auch schon oben Fn 115.
111
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114 115
116
Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 41; Britz, in: Dreier (Fn 67), Art 5 III (Wiss) Rn 84; Gärditz, Evaluati- onsbasierte Forschungsförderung im Wissenschaftsrecht, WissR 42 (2009), 353, 369 ff.
Dies erwähnt am Rande auch Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 74.
So auch DFG, Förderatlas 2012, S 29 f und dort Abbildung 2.6. mit Daten bis einschließlich 2009. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hervorgehoben etwa von Trute, in: Hoffmann-Riem/ Schneider (Hrsg), Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S 231 f; Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss frei- heit) Rn 41; Fehling, in: Fehling/Ruffert (Fn 94), § 17 Rn 13 f u 51; kritisch Löwer, Vom Beruf des Staates zur Wissenschaft, WissR 32 (1999), 257.
Näher unten III. 3. a).
In diese Richtung wohl auch Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 42 f.
Zusammenfassend Rönnau/Faust/Fehling, Kausalität und objek- tive Zurechnung, JuS 2004, 113, 118. Auf die Wissenschaftsfreiheit bezogen stellt Geis (Fn 96), VVDStRL 69 (2010), 364, 397 ab auf die „funktionale Vergleichbarkeit der Intensität der Steuerung mit einem Eingriff in den Freiheitsbereich“, dies müsse „auch für
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Inwieweit Forscher speziell auf die DFG angewiesen sind, wird einmal mehr wohl nach Fächergruppen, Fä- chern oder sogar konkreten Forschungsgegenständen diffe- rieren. Doch sprechen unabhängig davon mehrere Überle- gungen dagegen, die DFG-Förderung bloß als „eine unter vielen“ anzusehen und ihr deshalb eine hinreichende Rele- vanz für die Verwirklichung der Forschungsfreiheit abzu- sprechen: Erstens wird man für die Frage der Abhängigkeit der Wissenschaftler von zusätzlicher Finanzierung die staatlich finanzierte Forschungsförderung in ihrer Gesamt- heit und nicht nach Förderungsorganisationen und ‑pro- grammen differenziert zu betrachten haben. Denn sonst könnte sich die öffentliche Hand (wobei wegen Art. 91a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GG hier nicht zwischen Bund und Län- dern differenziert werden muss) durch Aufteilung ihrer Forschungsförderung auf unterschiedliche, jeweils für sich genommen nicht „marktbeherrschende“ Förde- rungsinstitutionen aus der grundrechtlichen Verantwor- tung stehlen. Zweitens trifft die Verpflichtung zur Grundausstattung seiner Professoren die öffentliche Hand und nicht Private. Wenn der Staat Mittel von der Grund- ausstattungindieForschungsförderungumschichtet,kann er seiner Gewährleistungsverantwortung für eine ausrei- chende Grundfinanzierung der Forschung nicht durch Verweis auf alternative private Quellen entkommen. Drit- tens sind für längst nicht alle Forschungsprojekte private Finanzquellen in nennenswertem Umfang verfügbar; diese fehlen weitgehend für die Grundlagenforschung, welche wiederum besonders im Fokus der DFG steht. Viertens genießt die DFG-Förderung wegen hoher fach- licher Anforderungen in vielen Bereichen der Wissen- schaft ein besonderes Renommee und ist deshalb nicht ohne weiteres durch andere Drittmittelquellen substitu- ierbar. Fünftens schließlich besitzt die DFG bei der For- schungsförderung wegen ihres besonders hohen prozen- tualen Anteils121 und ihres Renommee eine gewisse Vor- bildfunktion für andere staatliche und gemeinnützige Forschungsförderungsorganisationen, so dass wahr- scheinlich viele von ihnen ihre Förderbedingungen auch hinsichtlich Open-Access-Verpflichtungen sukzessive denen der DFG anpassen werden. Diese indirekte – aber wohl durchaus beabsichtigte – Vorbild-Steuerungswir- kung wird man bei der Frage der eingriffsähnlichen Wir- kung, was wie allgemein bei Grundrechtseingriffen einen Akt wertender Zurechnung der Beeinträchtigung zum Staat erfordert,122 mit berücksichtigen müssen.
- 121 Nach DFG, Förderatlas 2012, S 30 f betrug dieser im Jahr 2009 beim Drittmittelaufkommen von 35%, gefolgt von Industrie und Wirtschaft mit 23% sowie dem Bund mit 21%.
- 122 Siehe allgemein Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57, (1998), S 53; zusammenfassend Rönnau/Faust/Fehling (Fn 116), JuS 2004, 113, 118.
Somit sprechen die besseren Gründe dafür, bei der Ein- griffsähnlichkeit solcher Förderbedingungen allein darauf abzustellen, ob alle semi-staatlichen Drittmittel zusammen genommen für die Verwirklichung amtsangemessener For- schung unverzichtbar sind und dadurch eine grundausstat- tungsgleiche Bedeutung für die Gewährleistung realer For- schungsfreiheit gewinnen. Inwieweit dabei nach Fächern o.ä. differenziert werden kann und muss – auch im Hin- blick darauf, dass die Publikationsfreiheit bei Aufsätzen wegen des neuen § 38 Abs. 4 UrhG nur noch bei der Publikation in ausländischen Zeitschriften in größeren Maße betroffen ist –, bedarf unten noch näherer Prüfung. Nicht entscheidend ist dagegen, ob speziell DFG-Mittel dazu benötigt werden oder auch andere Möglichkeiten zur Beschaffung der erfor- derlichen Drittmittel existieren. Die Förderbedingungen können freilich einem klassischen Grundrechtseingriff un- terschiedlich nahe kommen, so dass bei der Verhältnismäßig- keitsprüfung von Open-Access-Förderbedingungen womög- lichdochnochweiterdifferenziertwerdenmuss.123
cc) Bei der Frage der Eingriffsähnlichkeit muss ferner zwischen unterschiedlich weitreichenden Open-Access- Verpflichtungen unterschieden werden.124 Die bisherige Fassung der entsprechenden Förderbedingungen besitzt als bloße dringende Empfehlung eindeutig keine Ein- griffsqualität,125 weil sie es letztlich doch dem geförder- ten Wissenschaftler überlässt, ob er seine Forschungser- gebnisse im Internet frei zugänglich macht.
Wird dem Förderungsempfänger für den Abschluss- bericht eine detaillierte Begründungslast auferlegt, wenn er ausnahmsweise auf eine Open-Access-Publikation verzichtet, so ist die Einordnung schon weniger eindeu- tig. Wenn die Begründung gegebenenfalls eine gerichtli- che Überprüfung ermöglichen soll, ob im konkreten Einzelfall die Verweigerung der Open-Access-Veröffent- lichung eine Vertragsverletzung darstellt, spricht – unter den obigen Voraussetzungen – einiges für die Annahme einer freilich schwachen eingriffsähnlichen Wirkung. Diese erscheint selbst dann nicht gänzlich ausgeschlos- sen, wenn eine gerichtliche Überprüfung der Tragfähig- keit der Gründe ausscheidet, aber die Erfolgsaussichten bei etwaigen späteren (Folge-)Anträgen wesentlich vom entsprechenden „Wohlverhalten“ des Geförderten ab- hängen. Die Eingriffsähnlichkeit wäre indes derart ge- ring, dass eine Verhältnismäßigkeitsrechtfertigung wohl keine besonderen Schwierigkeiten machte. Die Auferle-
123 Siehe unten III. 4. a).
124 Zu diesen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten siehe näher
oben II. 4.
125 Allgemein für bloße Empfehlungen Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn
42), S 29, 42; Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 69.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 9 7
gung bloßer Begründungslasten erscheint damit verfas- sungsrechtlich noch weitgehend unproblematisch.
Wird dagegen eine vertragliche Rechtspflicht be- gründet, verliert sie ihren eingriffsähnlichen Charakter nicht dadurch, dass allgemein formulierte Ausnahmen vorgesehen oder Härtefallregelungen aufgenommen werden. Diese können nach allgemeinen Grundsätzen126 womöglich die Verhältnismäßigkeit einer solchen Be- dingung sichern, nicht aber ihren belastenden Charakter gänzlich beseitigen.
d) Verfassungsimmanente Schranken der Publikations- freiheit
Art. 5 Abs. 3 GG enthält keinen Gesetzesvorbehalt. Eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit einschließlich der Publikationsfreiheit ist daher nur aufgrund verfas- sungsimmanenter Schranken zum Schutz kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang zulässig.127
Diese strengen Anforderungen gelten zwar grund- sätzlich nur im Rahmen der Abwehrfunktion, nicht im Bereich von Teilhabe und Leistung und damit auch nicht für die bloße Forschungsförderung.128 Soweit allerdings entsprechende Mittel als unverzichtbar für reale For- schungsfreiheit erscheinen, weil die Grundausstattung dazu nicht ausreicht, und deshalb beigefügte Förderbe- dingungen eingriffsähnliche Wirkung entfalten, müssen konsequenterweise auch für die Rechtfertigung einer solchen Verkürzung der Forschungsmöglichkeiten zu- mindest ähnliche Voraussetzungen gelten wie für Ein- griffe in die Wissenschaftsfreiheit als Abwehrrecht. Ver- bleibende Unterschiede bei der Eingriffsintensität sind bei der späteren Verhältnismäßigkeitsabwägung zu be- rücksichtigen, rechtfertigen aber nicht ohne weiteres eine Reduzierung der Schrankenhürde als solcher.
Allein die Tatsache, dass man bestimmte Ziele als ge- wichtige Gemeinwohlinteressen einstufen kann, reicht für eine Einschränkung des Art. 5 Abs. 3 GG nicht aus.129
- 126 Vgl den Überblick (allerdings primär unter dem Gleichbehandlungs- gesichtspunkt) bei Osterloh, in: Sachs (Hrsg), GG-Kommentar, 5. Aufl 2009, Art 3 Rn 111 mN aus der Rspr.
- 127 Grundlegend begründet in BVerfGE 47, 327, 368 ff (Fn 67); aus dem Schrifttum statt vieler Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs. 3 (Wiss freiheit) Rn 159 mwN.
- 128 Scholz, in: Maunz/Dürig (Fn 82), Art 5 Rn 117 u. 194, vgl auch Rn 14; Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 45 u 151.
- 129 Vgl, nicht auf Art 5 Abs. 3 GG bezogen, BVerfG 14.7.1998 – 1 BvE 1640/97 – E 98, 218, 251 – Rechtschreibreform.
- 130 Kritik bei Pieroth/Schlink, Grundrechte, 28. Aufl 2012, Rn 345 unter Verweis auf BVerfG 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – E 105, 279, 301 ff – Osho.
- 131 Ähnlich aber Peukert, Wissenschaftliches Kommunikationssystem (Fn 72), S 21.
- 132 In diese Richtung Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), 29, 55 f u 63 f; besonders deutlich Gärditz (Fn 111), WissR 42 (2009), 353, 364.
Stets muss eine Verankerung in der Verfassung selbst nachgewiesen werden. Teilweise ist die Verfassungsrecht- sprechung dabei recht kreativ,130 aber keineswegs immer großzügig. Richtigerweise darf eine Verankerung bestimm- ter Schutzgüter in der Verfassung nicht vorschnell unter- stellt,sondernmussmitanerkanntenMethodenderVerfas- sungsinterpretation hergeleitet werden.
Vor diesem Hintergrund darf man sich nicht mit der pauschalen Erwägung begnügen, Open-Access erleichtere den Zugang zu Aufsätzen und Forschungsdaten und ver- bessere damit die wissenschaftliche Kommunikation als Kernanliegen freier Wissenschaft.131 Ebenso wenig darf al- lerdings der Charakter der Forschungsfreiheit als Individu- alrecht dahingehend übersteigert werden, dass bloße Allge- meininteressen am Wissenschaftssystem von vornherein als nachrangig, ja grundrechtlich irrelevant abgetan wer- den.132 Kollidierendes Verfassungsrecht muss sich nicht notwendig auf Grundrechte und sonstige Verfassungsgüter außerhalb der Wissenschaft beziehen. Dies zeigt sich am Beispiel des wissenschaftlichen Fehlverhaltens, wo der ob- jektiv-rechtliche Gehalt der Wissenschaftsfreiheit in engen Grenzen133 ein Tätigwerden zum Schutz des Wissen- schaftssystems rechtfertigt.134 Insoweit kann „zugunsten höherrangiger verfassungsrechtlicher Belange“ sogar „ein Publikationsgebot“ zulässig sein.135
aa) Bei der Suche nach Verfassungswerten, die Open- Access-Förderbedingungen rechtfertigen können, ist zunächst an die Wissenschaftsfreiheit selbst in ihrer objek- tiv-rechtlichen Dimension zu denken. Nach ständiger Rechtsprechung wirkt Art. 5 Abs. 3 GG auch als „wert- entscheidende Grundsatznorm für das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat“.136 Der wissenschaftliche „Freiraum ist nicht nur im Interesse der individuellen Entfaltung des einzelnen Wissen- schaftlers garantiert, sondern auch im Interesse eines dem Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft dienen-
133 Nach BVerwG 11.12.1996 – 6 C 5.95 – E 102, 304, 314 (bestätigt durch BVerfG 8.8.2000 – 1 BvR 653/97 – DVBl. 2000, 1781) besitzt der gute Ruf einer Universität als solches keinen Verfassungsrang und vermag deshalb eine Einschränkung der individuellen Wissenschaftsfreiheit nicht zu rechtfertigen.
134 Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 167; Muckel, Der Ombudsmann zur Anhörung von Vorwürfen wissen- schaftlichen Fehlverhaltens, in: Hanau/Leuze/Löwer/Schiedermair (Hrsg), Wissenschaftsrecht im Umbruch. Gedenkschrift für Hartmut Krüger, 2001, S 291; zur grundrechtsschonenden Selbstregulierung der Wissenschaft in solchen Fällen Schmidt-Aßmann, Fehlverhalten in der Forschung – Reaktionen des Rechts, NVwZ 1998, 1232 ff.
135 Britz, in: Dreier (Fn 67), Art 5 III (Wiss) Rn 26, im Anschluss an Bäuerle, Open Access zu hochschulischen Forschungsergebnissen?, in: Britz (Hrsg) Forschung in Freiheit und Risiko, 2012, S 1 ff u insb S 10 ff.
136 Grundlegend BVerfGE 35, 79, 112 (Fn 66); ferner z.B. BVerfG 31.5.1995 –1BvR1379/94–E93,85,95.
198 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
den Wissenschaft. Daher schützt die Wissenschaftsfrei- heit nicht vor Beschränkungen, die für den einzelnen Grundrechtsträger aufgrund des Zusammenwirkens mit anderen Grundrechtsträgern im Wissenschaftsbetrieb unvermeidbar sind“.137 Diese und ähnliche Aussagen finden sich allerdings durchweg bezogen nur auf die Hochschulorganisation und sind kaum ohne weiteres auf die regelmäßig weniger intensive Vernetzung in der Scientific Community übertragbar.
Darüber hinaus wird die Wissenschaftsfreiheit oft als institutionelle Garantie freier Wissenschaft verstanden. Löst man sich dabei von der historisch überfrachteten und deshalb problematischen Figur der institutionellen Garantie, so verbirgt sich auch hinter dieser Formulie- rung letztlich die objektiv-rechtliche Seite der Wissen- schaftsfreiheit.138 Im Schutzbereich wird das Abwehr- recht nicht von vornherein durch objektiv-rechtliche Bindungen verdrängt. Wohl aber rechtfertigen die spezi- fische sozio-ökonomische Gemeinwohlerwartung an die wissenschaftliche Betätigung und die darauf abzielende staatliche Finanzierung in der Verhältnismäßigkeitsab- wägung tendenziell weitreichendere Autonomie-Ein- schränkungen, als dies bei anderen Freiheitsrechten, bei denen die individuelle Entfaltung als solche stärker im Vordergrund steht, möglich wäre.139 Dies trifft sich mit einem Verständnis des Art. 5 Abs. 3 GG, wonach der Staat die Voraussetzungen wissenschaftlicher Kreativität zu schützen140 und forschungsfreundliche Rahmenbe- dingungen im einfachen Recht zu schaffen hat.141
Gerade im internationalen Kontext ist die Wissen- schaft als Kommunikationszusammenhang auf erleich-
- 137 Zuletzt BVerfGE 127, 87, 115 (Fn 95); grundlegend BVerfGE 35, 79, 122 u 128 (Fn 66), ferner BVerfGE 111, 333, 354 (Fn 91).
- 138 So bereits Oppermann, Praktische Konsequenzen der Entschei- dung des BVerfG zur Wissenschaftsfreiheit, JZ 1973, 434 f; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn 68), Art 5 Abs 3 Rn 382; Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 32.
- 139 So wörtlich Fehling, in: Fehling/Ruffert (Fn 94), § 17 Rn 20; siehe auch Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs. 3 (Wiss freiheit) Rn 20 mwN. Kritisch Gärditz, Hochschulorganisation und verwal- tungsrechtliche Systembildung, 2009, S 506 ff.
- 140 A. Blankenagel (Fn 85), AöR 105 (1980), 65 ff u 70.
- 141 Auf den Zugang zu Akten, Archiven uä bezogen Mayen, Dergrundrechtliche Informationsanspruch des Forschers gegenüber dem Staat, 1992, S 218 ff, 295, Wyduckel, Archivgesetzgebung im Spannungsfeld von informationeller Selbstbestimmung und Forschungsfreiheit, DVBl. 1989, 327, 354 ff; abgeschwächt Bizer, Forschungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung, 1992, S 56 ff; verallgemeinernd Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs. 3 (Wiss.freiheit) Rn 50.
- 142 Zusammenfassend mwN. Peukert, Wissenschaftliches Kommu- nikationssystem (Fn 72), S 3 f; im Ansatz auch Dorschel, Open Access und Urheberrecht: Open Source in neuem Gewand,
in: Hagenhoff (Hrsg), Internetökonomie der Medienbranche, 2006, S 235, 243, allerdings mit dem Zusatz, dass „man hieraus Konsequenzen allenfalls auf der leistungsstaatlichen Ebene ziehen könne […]“.
terten Zugang zu Forschungsergebnissen mehr und mehr angewiesen, was wiederum durch Open-Access- Publikation sehr gefördert wird.142 Zwar wird in der Rechtsprechung immer wieder grundsätzlich zu Recht betont, dass die objektiv-rechtliche Seite der Wissen- schaftsfreiheit das individuelle Abwehrrecht verstärken und nicht konterkarieren solle.143 Doch sind in diesem Punkt bei bloßen Förderbedingungen144 weniger strenge Anforderungen zu stellen als bei das Abwehrrecht be- treffenden Ge- oder Verboten.
bb) Ähnliche Erwägungen lassen sich auf Basis der Infor- mationsfreiheit als kollidierendem Verfassungsrecht anstellen.145 Zwar gewährleistet sie als Abwehrrecht nur, dass sich der Einzelne aus allgemein zugänglichen Quel- len ungehindert informieren kann. Ein (Leistungs-) Recht darauf, bestimmte Informationen (erleichtert) all- gemein zugänglich zu machen, lässt sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht herleiten.146 Doch hat man in jüngerer Zeit auch eine objektiv-rechtliche Seite der Informationsfrei- heit herausgearbeitet. Denn für die Teilhabe an der viel beschworenen Informationsgesellschaft gewinnt der freie Zugang zu Informationen immer mehr an Bedeutung.147 Wie weit eine etwaige staatliche Gewährleistungsverant- wortung für die Ermöglichung des Zugangs zu bestimmten Informationsquellen reicht, ist noch weitgehend unge- klärt. Im vorliegenden Zusammenhang lassen sich aber Erwägungen des BVerfGs in seiner Entscheidung zum Kurzberichterstattungsrecht im Fernsehen148 nutzbar machen. Danach ist die Gewährleistung freien Informa- tionszugangs ein wesentliches Anliegen des Grundgeset-
143 Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss.freiheit) Rn 24; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn 68), Art 5 Abs 3 Rn 384. Klassisch zum Verhältnis der abwehrrechtlichen und der objektiv-rechtlichen Grundrechtsfunktionen Böckenförde, Grund- rechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529 ff.
144 Selbst dort, wo der Grundrechtsträger auf Drittmittel angewiesen ist, vgl oben III. 3. c) cc).
145 Hierzu und zum Folgenden instruktiv Lutz, Zugang zu wiss. Informationen (Fn 9), S 35 ff; kurz erwähnt in der MPI-Stellung- nahme (Fn 5), Rn 31 f.
146 Vgl BVerfG 24.1.2001 – 1 BvR 2623/95 — E 103, 44, 59 – Gerichts- fernsehen.
147 Vgl etwa in Kontext des Urheberrechts Kröger, Informations- freiheit und Urheberrecht, 2002, S 202 ff; Nolte, Informations- mehrwertdienste, 2009, S 63, 81 ff. Dies deutet sogar Rieble an,
in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 50: „Der niedrigschwellige Zugang zu Wissen und Information ist wünschenswert und macht die Informationsfreiheit des Art 5 Abs 3 GG effektiv – indem es mehr allgemein zugängliche Quellen schafft.“ Rieble zieht daraus indes keine verfassungsrechtlichen Konsequenzen, sondern behauptet zuvor (aaO S 50) ohne weitere Begründung, ein „Belang von Verfassungsrang“ zur „Beschränkung der Publikationsfreiheit des wissenschaftlichen Autors“ „fehl[e]“; an späterer Stelle (aaO S 63) stellt er darauf ab, dass „es kein Verfassungsrecht der Öffentlich- keit auf ‚Publikationsvorsorge’ gibt“.
148 BVerfG 17.2.1998 – 1 BvF 1/91 – E 97, 228, 256 f.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 1 9 9
zes und rechtfertigt insbesondere Regelungen zur Ver- hinderung von Informationsmonopolen und zur Siche- rung der Pluralität von Sichtweisen und Darbietungen.
Vor diesem Hintergrund können auch Förderbedin- gungen, welche die Allgemeinzugänglichkeit von For- schungsergebnissen gewährleisten sollen, auf die objek- tiv-rechtliche Seite der Informationsfreiheit als kollidie- rendem Verfassungsrecht gestützt werden. Zwar ist frag- lich, ob man selbst bei sehr teuren (gedruckten) Fachzeitschriften schon von Informationsmonopolen im engeren Sinne sprechen kann149 – schließlich gibt es re- gelmäßig auch auf diesem Markt Konkurrenz und die entgeltlich vertriebenen Zeitschriften sind für die Wis- senschaftler im Grundsatz (notfalls über Fernleihsyste- me) auch weltweit zugänglich.
Außerdem hat das Monopol-Problem bei Publikatio- nen im Gegensatz zum Rundfunk eine internationale Dimension und ist deshalb national nur eingeschränkt lösbar. Auch spielt die Pluralitätsgewährleistung keine zentrale Rolle, soweit es um die Open-Access-Verbrei- tung des gleichen Aufsatzes geht. Die Online-Publikati- on ergänzender (mittelbar aufsatzbezogener oder auf- satzfremder150) Forschungsdaten vermag allerdings un- ter Umständen die wissenschaftliche Perspektive zu er- weitern. Vor allem aber können extrem hohe Zeitschriftenpreise die Zugänglichkeit deutlich erschwe- ren und verzögern, was im immer schnelllebigeren Wis- senschaftsbetrieb zu spürbaren Behinderungen führen kann. Letztlich geht es in beiden Konstellationen – Kurz- berichterstattung und Open-Access-Förderbedingun- gen151 – um die Durchbrechung bzw. Verhinderung ei- ner Exklusivvermarktung zugunsten erweitertem und erleichtertem Informationszugang. Dass die Forderung nach Open-Access immer häufiger gerade auch aus Rei-
- 149 Von „abträglichen Informationsmonopolen“ spricht aber Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 70.
- 150 Zu diesen Kategorien siehe oben II. 2.
- 151 Die Literatur bezieht dies aus der Sicht des Urheberrechts auf gesetz-liche Eingriffe in das Exklusivvermarktungsrecht.
- 152 Beiläufig Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs. 3 (Wiss freiheit) Rn160.
- 153 Grundlegend BVerwG 21.3.1958 – VII C 6.57 – E 6, 282, 287 f; kriti-scher Überblick bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl2011, § 6 Rn 19 ff; Trute, Die Forschung (Fn 86), S 235 ff, 649 ff.
- 154 Deshalb besitzt auch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nachArt 74 Abs 1 Nr 13 GG wenig praktische Bedeutung; siehe schon Bode, Möglichkeiten und Grenzen einer Gesetzgebung des Bundes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, WissR 5 (1972), 222, 224 und Maunz, in: Maunz/Dürig (Fn 82), Art 74 Rn 178; Nolte, Die Zuständigkeit des Bundes für das Hochschulwesen, DVBl 2010, 84, 85; Schmidt-Aßmann, Die Bundeskompetenz für die Wissen- schaftsförderung nach der Föderalismusreform, in: Depenheuer (Hrsg), FS Isensee, 2007, S 405, 419. Hierzu und zu den folgenden allgemeinen Leitlinien auch Fehling, in: Bonner Kommentar zum
hen der (Natur-)Wissenschaftler selbst erhoben wird, spricht dafür, dass es sich jedenfalls in Teilbereichen der Wissenschaft um ein dringendes Anliegen handelt.
Auch zu Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewinnt die dargestellte Argumentation noch an Überzeugungskraft, wenn man die Anforderungen an kollidierendes Verfassungsrecht bei bloßen Förderbedingungen niedriger ansetzt als bei gesetzlichen Open-Access-Geboten. Wird zudem in Rechnung gestellt, dass mit der objektiv-rechtlichen Di- mension von Wissenschaftsfreiheit und Informations- freiheit zwei – freilich eng verwandte – Anknüpfungs- punkte für kollidierendes Verfassungsrecht zur Verfügung stehen, kann von einer grundsätzlichen Einschränkbarkeit der Publikationsfreiheit durch Open-Access-Förderbedin- gungen ausgegangen werden.
e) Vorbehalt des Gesetzes für Open-Access-Förderbe- dingungen?
Bei der Wissenschaftsfreiheit als Abwehrrecht unterlie- gen Einschränkungen aufgrund kollidierenden Verfas- sungsrechts in vollem Umfang dem Vorbehalt des Geset- zes.152 Anders dagegen grundsätzlich dort, wo es allein um Leistungen oder Teilhabe geht. Deshalb ist traditio- nell die Forschungsförderung – nicht anders als die Ver- gabevonWirtschaftssubventionen153–selbstdort,wo sie (un-)mittelbar durch den Staat und mit staatlichen Mitteln erfolgt, gesetzlich nicht geregelt.154 Einer gesetz- lichen Normierung der Forschungsförderung bedarf es allenfalls, soweit mit den Bedingungen (potentiell) eine inhaltliche Lenkung der Forschung einhergeht.155 Open- Access-Publikationsbedingungen sind jedoch gänzlich inhaltsneutral.
Soweit freilich die Förderung funktional Teile der verfassungsrechtlich garantierten Grundausstattung er-
GG (Loseblatt Mai 2013), Art 74 I Nr 13, Rn 19. – Das neue Wiss. freiheitsgesetz (WissFG) vom 18.12.2010, BGBl I S 2457) betrifft nur den Haushalt außeruniversitärer Forschungseinrichtungen.
155 Ähnlich für Pressesubventionen OVG Berlin 25.4.1975 – II B 86.74 – DVBl. 1975, 905; die Frage im Ergebnis offen lassend BVerfG 6.6.1989 – 1 BvR 727/84 – E 80, 124, 131 ff – Postzeitungsdienst. Deshalb entge- gen der Praxis für eine Ausdehnung des Vorbehalts des Gesetzes bei der Wissenschaftsförderung Trute, Die Forschung (Fn 86), S 461 ff; aus jüngerer Zeit Trute, in: Hufen/Gerlit/Dreier (Hrsg), Verfassungen zwischen Recht und Politik, FS H.-P. Schneider, 2008, S 302, 317 ff; Sieweke, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Fortsetzung der Exzellenzinitiative, DÖV 2009, 946, 950; dagegen Wilden, Die Erforderlichkeit gesetzlicher Regelungen für die außeruniversitäre Forschung und die Forschungsförderung, Frankfurt aM, 2009, S
110 ff; Wagner, Die Verfassungsmäßigkeit der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, DÖV 2011, 427, 429 ff, weil keine struktu- relle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit der Geförderten selbst oder von Konkurrenten bestünde; dagegen wiederum Sieweke, Die Verfassungswidrigkeit der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, DÖV 2011, 435, 436 f.
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setzt und Open-Access-Förderbedingungen deshalb ein- griffsähnliche Wirkung gewinnen,156 könnte man fol- gern, dass konsequenterweise dafür dann auch eine ge- setzliche Ermächtigung zu fordern sei. Doch sprechen die besseren Gründe gegen eine solche Schlussfolgerung: Erstens vollzieht sich die DFG-Förderung überwiegend in Selbstverwaltungsstrukturen; eine Regelung durch staatliches Gesetz würde den externen Staatseinfluss auf die Förderbedingungen erhöhen und damit dem Grund- rechtsschutz der Wissenschaftsfreiheit durch Organisati- on und Verfahren gerade entgegenwirken.157 Zwar könn- te sich eine gesetzliche Grundlage darauf beschränken, die DFG zu solchen Open-Access-Publikationsbedin- gungen zu ermächtigen,158 so dass die Entscheidung, in- wieweit die DFG davon Gebrauch macht, weiterhin ih- ren (Selbstverwaltungs-)Gremien überlassen bliebe. Letztlich hätte aber auch eine bloße gesetzliche Erlaubnis eine erhebliche faktische Steuerungswirkung. Zweitens sind Open-Access-Förderbedingungen, wie ausge- führt,159 keineswegs durchgängig als eingriffsähnlich einzustufen. In weiten Bereichen bedürfte es also schon mangels Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit kei- nes Gesetzes. Der parlamentarische Gesetzgeber könnte aber schwerlich derart differenzieren; allein die sachnä- here DFG mit ihren Strukturen wissenschaftlicher Selbstverwaltung erscheint in der Lage, die Belastungen durch Open-Access-Bestimmungen fach(gruppen)spe- zifisch einzuschätzen und daran anknüpfend gegebe- nenfalls differenzierte Lösungen zu erarbeiten. Für die Frage des Gesetzesvorbehalts – anders als möglicherwei- se beim Eingriff und bei der Verhältnismäßigkeitsabwä- gung – muss dagegen die Eingriffsähnlichkeit und Grundrechtswesentlichkeit einheitlich und damit pau- schalierend beurteilt werden. Aus dieser übergreifenden Perspektive bleibt die Grundrechtswesentlichkeit von Open-Access-Förderbedingungen, welche in vielen Fäl- len eben doch nur eine zusätzliche und nicht zwingend erforderliche Finanzquelle betreffen, deutlich hinter der- jenigen von Ge- und Verboten zurück. Durch das neue
- 156 Siehe oben III. 3. c) bb).
- 157 Vgl Trute, Die Forschung (Fn 86), S 687 f: „Wohl aber erlaubt dieautonome Legitimation eine Reduktion inhaltlicher Anforde- rungen an die Ausgestaltung des Verfahrens, das weitgehend der DFG überlassen werden kann“; zum Verfahren zählt er wohl auch zumindest inhaltsneutrale Förderbedingungen.
- 158 Vgl allgemeiner Fehling, in: BK-GG (Fn 154), Art 74 Abs 1 Nr 13 GG, Rn 19: „Solche Forschungsförderungsgesetze müssen sich freilich zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit weitgehend auf Verfahrensrege- lungen beschränken und die projektbezogene Förderung in weitem Umfang der Selbstprogrammierung der Wissenschaft und deren Organisationen (wie insbesondere die Deutsche Forschungsgemein- schaft) überlassen“; eingehend zur notwendigen Beschränkung auf Rahmenregelungen Groß/Karaalp/Wilden, Regelungsstrukturen der
unabdingbare Zweitveröffentlichungsrecht (§ 38 Abs. 4 UrhG) ist die Publikationsfreiheit von Förderungsemp- fängern für Aufsätze in deutschen Zeitschriften – anders als bei darin nicht enthaltenen Forschungsdaten sowie bei Aufsatzpublikationen in ausländischen Zeitschriften mit Verlagsvertrag nach ausländischen Recht – ohnehin nur so schwach berührt,160 dass mangels Grundrechts- wesentlichkeit keine gesetzliche Ermächtigung für ent- sprechende Open-Access-Förderbedingungen der DFG erforderlich wäre. Aus der Tatsache, dass Open-Access- Förderbedingungen in manchen, aber eben längst nicht allen Bereichen eingriffsähnlich wirken, ergibt sich da- her kein Vorbehalt des Gesetzes.
Richtigerweise bedürfen Open-Access-Förderbedin- gungen daher, selbst dort, wo Wissenschaftler auf die Förderung grundausstattungsähnlich angewiesen sind, keiner gesetzlichen Ermächtigung, sondern können auch ohne gesetzliche Grundlage (in den noch zu erör- ternden Grenzen der Verhältnismäßigkeit und mit even- tuell notwendigen fachspezifischen Differenzierungen) unmittelbar von der DFG beschlossen werden.
f) Aspekte der Verhältnismäßigkeit
Soweit Open-Access-Förderbedingungen engriffsähn- lich wirken, muss der Konflikt der individuellen Publi- kationsfreiheit mit der objektiv-rechtlichen Seite der Wissenschaftsfreiheit und der Informationsfreiheit „nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsys- tems durch Verfassungsauslegung“ – im Sinne der Her- stellung praktischer Konkordanz (Hesse) bzw. des nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleichs (Lerche) – „gelöst werden“.161 Dazu bedarf es einer Verhältnismä- ßigkeitsabwägung der kollidierenden Verfassungsbelan- ge.162 Je weiter solche Bedingungen in ihrer Wirkung von einem „echten“ Grundrechtseingriff entfernt blei- ben, desto weniger streng darf insbesondere die Ange- messenheitsprüfung ausfallen.
Forschungsförderung, 2010, insbes S 47 ff.
159 Oben unter III. 3. c) bb).
160 Siehe oben III. 3. a) aa).
161 Wörtliches Zitat (allgemein zur Einschränkung der Wissen-
schaftsfreiheit) aus BVerfGE 47, 327, 369 (Fn 67); BVerwGE 102, 304, 308 (Fn 133); mit den eingeschobenen Zusätzen Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 160; Wendt, in: v Münch/Kunig (Fn 82), Art 5 Rn 104a.
162 Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 161; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn 68), Art 5 Abs 3 Rn 415; Schulze-Fielitz, in: Benda ua (Hrsg), Handbuch des Verfassungs- recht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl 1994, § 27 Rn 10; vgl auch Hailbronner (Fn 81), WissR 13 (1980), 222 ff.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 2 0 1
aa) Um als verfassungsrechtlich geeignet zur Verwirkli- chung der Wissenschafts- und der Informationsfreiheiteingestuftwerdenzukönnen,müsstendieOpen-Access- Förderbedingungen den wissenschaftlichen Kommuni- kationsprozess und den Informationszugang für Interes- sierte zumindest spürbar erleichtern.
Daran fehlte es zum einen, wenn es mittels solcher Förderbedingungen wahrscheinlich gar nicht zu ver- mehrten hochwertigen Open-Access-(Aufsatz-)Publika- tionen käme. Wenn sich Forscher von solchen Bedin- gungen aus Überzeugung oder wegen befürchteter Mehrkosten in nennenswerter Zahl abschrecken ließen, eine Förderung bei der DFG zu beantragen, schlüge sich dies zwar nicht notwendig in der Zahl der von der Open- Access-Veröffentlichungspflicht erfassten Forschungs- vorhaben nieder. Bei weniger Anträgen würde aber der Wettbewerb geringer und es wäre zu befürchten, dass im Schnitt qualitativ weniger Hochwertiges gefördert wer- den müsste. Gewiss ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere anerkannte Wissenschaftler, der Open- Access-Publikationen sehr kritisch gegenübersteht, auf einen DFG-Antrag verzichten würde. In so großer Zahl, dass dies auch Konsequenzen für die Qualität der geför- derten Projekte zeitigte, ist eine Bewegung weg von der DFG jedoch schon wegen des besonderen Renommees der DFG-Förderung nicht zu erwarten. Im Übrigen liegt ein rechtfertigungsbedürftiger Quasi-Eingriffsakt ohne- hin nur vor, wo Forscher mangels hinreichender Grund- ausstattung auf semi-staatliche Drittmittel angewiesen sind. Sofern eine höhere Kostenbelastung des Autors bei Open-Access-Zeitschriften – die ja für wegfallende Ver- kaufspreise eine andere Einnahmequelle benötigen und deshalb wahrscheinlich Autorenbeiträge verlangen wer- den – diesen abzuschrecken droht, müsste die DFG frei- lichdiedemAutorentstehendenMehrkostenindieBe- rechnung ihrer Fördersummen einpreisen. Letztlich kommt es nur darauf an, dass die Gesamtförderung auch die Veröffentlichungskosten abdeckt; soweit dies durch einen „Overhead“ bei der Sachbeihilfe gesichert ist, be- darf es keines Zuschlags.
Vor diesem Hintergrund sind die geschilderten kon- traproduktiven Nebenwirkungen recht unwahrschein- lich – graduell wohl umso unwahrscheinlicher, je „scho- nender“ solche Bedingungen ausgestaltet würden –, so
- 163 ZB BVerfG 13.2.2008 – 2 BvK 1/07 — E 120, 82, 108 – 5%-Klausel; verallgemeinernd Merten, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, in: Merten/Papier (Hrsg), Handbuch der Grundrechte, Band III, 2009, § 68 Rn 45.
- 164 Grundsätzliche Bedenken wegen befürchteter Versionsverwir- rung und Problemen mit Datensicherheit und längerfristiger Verfügbarkeit Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 35 ff; diese Probleme werden auch von denjenigen gesehen, die Open Access
dass sie die Eignung der Open-Access-Förderbedingun- gen zur vermehrten Open-Access-Publikation hochwer- tiger Forschungsleistungen nicht in Frage stellen. In Übertragung der Grundsätze, die das BVerfG gegenüber dem Gesetzgeber anwendet,163 trifft die DFG eine Beob- achtungs- und gegebenenfalls Korrekturpflicht für den Fall, dass sich wider Erwarten doch negative Nebenwir- kungen von Open-Access-Förderbedingungen bemerk- bar machen.
Zum anderen müsste die Eignung bezweifelt werden, wennOpen-AccessgegenüberklassischenPublikations- formen gar keine Verbesserung oder gar eine Ver- schlechterung beim wissenschaftlichen Informations- fluss mit sich brächte. Bei aufsatzfremden oder nur mit- telbar aufsatzbezogenen Forschungs(roh)daten, die bis- lang gar nicht veröffentlich werden, wäre freilich die Verbesserung durch eine Open-Access-Publikations- pflicht evident. Bei Aufsatz-Publikationen bezweifeln dagegen manche Kritiker, ob Open-Access tatsächlich die Auffindbarkeit und damit Zugänglichkeit verbes- sert.164 Diese Kritik könnte aber nur dann überzeugen, wenn durch Open-Access etablierte Subskriptions-Zeit- schriften als Garanten für Qualität zugunsten von mehr oder minder obskuren und fragmentierten Internet-Re- positorien o.ä. vom Markt verdrängt würden. Ein solches Szenario fußt jedoch auf äußerst unwahrscheinlichen Prämissen. Wird dem Geförderten die Wahl zwischen „golden road“ und „green road“ freigestellt, so wird er eine Veröffentlichung ausschließlich im Internet ohne- hin nur wählen, wenn in seinem Fach dafür ein hinrei- chend renommiertes Open-Access-Journal zur Verfü- gung steht. Dann aber sind Qualitätskontrolle und Auf- findbarkeit ähnlich gesichert wie bei klassischen Publi- kationswegen und es bleibt für die Nutzer der Vorteil der kostenfreien unmittelbaren weltweiten Abrufbarkeit. Wählt der Autor dagegen eine Zweitveröffentlichung im Internet, so bleibt definitionsgemäß die klassische Erst- veröffentlichung wie zuvor greifbar.
Allerdings besteht die Möglichkeit, dass das eine oder andere etablierte ausländische Journal weiterhin auf die Übertragung exklusiver Verwertungsrechte be- steht. Sofern dies in gewissen Fächern regelmäßig der Fall ist, wird für den Autor entweder eine Zweitveröf- fentlichung im frei zugänglichen Internet rechtlich ris-
positiv gegenüber stehen, aus der Perspektive des Urheberrechts Mantz, Open Access-Lizenzen und Rechtsübertragung bei Open-Access-Werken, in: Spindler (Hrsg), Rechtliche Rahmen- bedingungen von Open Access-Publikationen, 2006, S 55, 72. Grundsätzlich optimistischer Peukert, Wissenschaftliches Kom- munikationssystem (Fn 72), S 24, der jedoch auch betont, dass die große Google Scholar Suchanfrage an das gesamte Netz zu wenig präzise sei.
202 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
kant165 oder umgekehrt die gewünschte Hauptveröffent- lichung faktisch unmöglich, wenn er dafür nicht auf eine zweitklassige Zeitschrift ausweichen will. Darüber hin- aus kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die zunehmende Verbreitung von Open-Access – nament- lich dann, wenn die entsprechenden DFG-Förderbedin- gungen in Deutschland und darüber hinaus viele Nach- ahmer finden – längerfristig zu einem Sterben klassi- scher Zeitschriften führt. In beiden Szenarien wird für den Geförderten die „golden road“ zunehmend alterna- tivlos. Es ist aber denkbar, dass in einer Übergangszeit noch keine oder zu wenige renommierte Open-Access- Journals im jeweiligen Fachgebiet existieren, so dass sich die Publikationsmöglichkeiten für den Geförderten dann in der Summe zu verschlechtern drohen. Die erst- genannte Gefahr (Blockadehaltung etablierter Fachzeit- schriften gegenüber einer Open-Access-Zweitpublikati- on) besteht gemäß § 38 Abs. 4 UrhG ohnehin nur noch bei ausländischen Verlagen und lässt sich auch dort durch hinreichende Abmilderung der Bedingungen, be- sonders eine fachspezifisch angemessene Karenzzeit vor der Zweitpublikation,166 minimieren. Das zweite skiz- zierte Risiko (Zeitschriftensterben) entstünde ohnehin erst auf längere Sicht, so dass man mit einer Marktbeob- achtungspflicht und gegebenenfalls rechtzeitiger Nach- besserung der Förderbedingungen wohl hinreichend ge- gensteuern könnte.
Im Übrigen darf das Risiko, eine geeignete Plattform für die Open-Access-Zweitpublikation zu finden, nicht beim Geförderten verbleiben. Zumindest hat die DFG auf geeignete Zweitveröffentlichungsmöglichkeiten hin- zuweisen. Wo Universitäten, Fachorganisationen o.a. kein adäquates Repositorium bereitstellen, kann und muss167 subsidiär sogar die DFG selbst oder ein von ihr beauftragter Partner mit einer eigenen Open-Access- Plattform gewährleisten, dass ein hinreichend promi- nenter und durch Verlinkung sowie Suchmaschinen leicht auffindbarer Ort für eine Internetpublikation zur Verfügung steht.
bb) Im Hinblick auf die Erforderlichkeit lassen sich bei DFG-geförderten Forschungsprojekten zweifelsohne viele Strategien zur Förderung der Open-Access-Publi- kation vorstellen, die den Förderungsempfänger weniger belasten als verpflichtende Förderbedingungen – selbst
- 165 Zur offenen Frage der Anwendung des § 38 Abs 4 UrhG durch ausländische Gerichte oben III. 1. a) bb).
- 166 Siehe unten III. 2. f) cc).
- 167 Siehe näher unten III. 3. f) cc) ©.
- 168 Der DFG liegen dazu nach eigener Auskunft allerdings keine genauenDaten vor.
- 169 BT-Drs 17/14194, unter II, 1.4. und 1.6. Dazu schon oben 1.1.
- 170 Siehe oben III. 3. a) aa).
wenn wie hier vorgesehen dem Geförderten die Wahl zwischen „golden road“ und „green road“ offen bleibt. Doch sind „weichere“ Lösungen, wie bloße Empfehlun- gen und zusätzliche finanzielle Anreize, prima facie weniger geeignet, das Ziel möglichst flächendeckender Open-Access-Zugänglichkeit solcher Forschungsergeb- nisse zu erreichen. So hat die bisherige bloße Empfeh- lung nicht erkennbar zu einem deutlichen Anstieg freiwilli- ger Veröffentlichungen der Ergebnisse mit Open-Access geführt.168 Das neue unabdingbare Zweitveröffentlichungs- recht in § 38 Abs. 4 UrhG mag zwar manchen Förderungs- empfänger auch ohne zusätzlichen Druck zur Open- Access-Zweitpublikation motivieren. Doch geht schon der Rechtsausschuss des Bundestages davon aus, dass es ergänzender Verpflichtungen in Förderbedingungen bedarf, um die Open-Access-(Zweit-)Publikation tatsäch- lich zum Standard zu machen.169 Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit begegnen daher selbst strengste Rechts- pflichten und an Verstöße geknüpfte Sanktionen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
cc) Die Probleme verschieben sich damit auf die Verhält- nismäßigkeit im engeren Sinne. Um eine Abwägung zwi- schen Publikationsfreiheit einerseits und objektiv-recht- licher Seite von Wissenschaftsfreiheit und Informations- freiheit andererseits vornehmen zu können, müssen in einem ersten Schritt die dahinter stehenden Interessen aufgefächert und auf ihre Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit untersucht werden.
(1) Bei den von der Publikationsfreiheit geschützten Inter- essen ist zunächst die positive Publikationsfreiheit, wie sie für die Aufsatzpublikation trotz § 38 Abs. 4 UrhG ein- schlägig ist,170 in den Blick zu nehmen:
- Dahinter steht in erster Linie das Interesse des For- schers an für ihn optimaler Verbreitung seiner For- schungsergebnisse. Dies hat eine quantitative und eine qualitative Seite. Quantitativ geht es nicht so sehr um die weitestmögliche Zugänglichkeit für die Allgemeinheit, sondern um die bestmögliche Erreichung der jeweiligen Zielgruppe. Diese besteht typischerweise aus Wissen- schaftlern, wenn auch vielleicht nicht nur aus Fachkolle- gen im engeren Sinne. Qualitativ wird der Wissenschaft- ler an einem möglichst renommierten Verbreitungsme- dium interessiert sein.171 Beide Aspekte greifen insoweit
171 Zum Ganzen ähnlich Steinhauer, Sichtbarkeit (Fn 56), S 61 f; Krujatz, Open Access (Fn 12), S 26 f. Die empirische Untersuchung (Befragung von Wissenschaftlern) von Eger/Scheufen/Meierrieks, The Determi- nation of Open Access Publishing: Survey Evidence from Germany (http://ssRncom/abstract=2232675 — 28.7.2014), S 19 ff, 22, bestätigt dies: Im Durchschnitt – mit großen Differenzen zwischen Fächern – ist
der Mangel an Reputation mit Abstand der wichtigste Grund für die Entscheidung von Forschern, nicht Open Access zu publizieren.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 2 0 3
ineinander, als eine renommierte Zeitschrift typischer- weise von den Kollegen auch mehr wahrgenommen wird. Eine Zweitpublikation Open Access kann als sol- che den Verbreitungsgrad nur verbessern, schadet aber dann, wenn dadurch trotz § 38 Abs. 4 UrhG172 die Mög- lichkeiten zu einer Erstpublikation in einer renommier- ten ausländischen Fachzeitschrift verschlechtert wer- den.173 Dieses Risiko lässt sich freilich mit Karenzfristen (wie nun als Jahresfrist in § 38 Abs. 4 S. 1 UrhG vorgesehen) reduzieren, wenn auch nicht gänzlich beseitigen.
- Zweitens, aber nachrangig,174 wird dem Förde- rungsempfänger an einer für ihn finanziell möglichst vorteilhaften Publikation gelegen sein. Autorenhonorare für Zeitschriftenbeiträge werden zwar nur in wenigen Wissenschaftsdisziplinen bezahlt. Doch müssen diese Honorare dort in die geschützten Interessen schutz(bereichs)verstärkend175 mit einbezogen wer- den.176 Ihr Gewicht dürfte aber schon deshalb äußerst gering sein, weil es gerade bei den prestigeträchtigen Zeitschriften um eher symbolische Beträge geht.177 Grö- ßeres Gewicht besitzt das Anliegen des Forschers, eigene Zuzahlungen für die Veröffentlichung zu vermeiden oder jedenfalls möglichst gering zu halten. Insoweit kann es bei Open-Access-Journals, die mit dem Ge- schäftsmodell des „author pays“ betrieben werden, auch um höhere Summen gehen. Diese rein finanziellen Inte- ressen lassen sich durch entsprechende Aufstockung der DFG-Förderung178 kompensieren.
- Drittens dürften die meisten Wissenschaftler daran interessiert sein, entsprechend den Geflogenheiten ihres Faches zu publizieren.179 Je nach Fach(gruppe) kann da- bei etwa eine spezifische Form der Open-Access-(Zweit-) Publikation üblich sein, etwa die Vorabveröffentlichung eines „working papers“ oder ein nachträgliches Einstel- len des Manuskripts oder auch der formatierten Erstver- öffentlichung in ein Repositorium. Zwar verdient bloßer Strukturkonservatismus als solcher keinen Schutz. Doch steht dahinter das legitime Anliegen, sich in der eigenen „Zunft“ nicht zum Außenseiter machen, weil dies mittel- bar die Durchsetzungschancen der eigenen Forschungs- ergebnisse verringern könnte.
- Viertens wird dem Geförderten daran gelegen sein, einen Missbrauch der Open-Access publizierten Auf- satzversion zu verhindern. Dabei können und müssen Gefahren der Manipulation der Datei u.ä. durch techni- sche Sicherungen minimiert werden.
- Unter Verhältnismäßigkeitsaspekten schutzunwür- dig ist nur eine von Sachargumenten gänzlich losgelöste prinzipielle Ablehnung „neumodischer Open-Access- Trends“ oder gar des Internets als Verbreitungsmedium für wissenschaftliche Publikationen insgesamt.
Hinter der negativen Publikationsfreiheit, wie sie für die Veröffentlichung aufsatzfremder oder nur mittelbar aufsatzbezogener Forschungsdaten einschlägig ist,180 verbergen sich potentiell folgende Interessen:
- Der Forscher will womöglich (Roh-)Daten selbst für ein späteres Folgeprojekt nutzen oder will jedenfalls prüfen, ob sie sich für Anschlussforschungen eignen. Dieses Forschungsinteresse im engsten Sinne fällt in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit und erscheint deshalb im Grundsatz besonders schutzbedürftig. Die konkrete Schutzwürdigkeit hängt sodann von der Wahr- scheinlichkeit ab, dass die Daten tatsächlich für eigene weitere Arbeiten nützlich sein könnten.
- Nicht schutzwürdig wäre dagegen ein bloß abstrak- tes Interesse am Schutz vor wissenschaftlicher Konkur- renz, ohne dass dahinter ernsthafte eigene Verwertungs- absichten bezüglich der gesammelten Daten stehen.
- Geht es um unbearbeitete Rohdaten ohne Bezug zum publizierten Aufsatz, so mag der Wissenschaftler je nach Konstellation auch Fehldeutungen und Missver- ständnisse befürchten, welche – wie etwa beim Vorwurf unsauberer Messungen o.ä. – seinen Ruf gefährden könnten. Möglicherweise hat er bestimmte Daten bis- lang gerade deshalb nicht verwertet, weil er deren Validi- tät selbst bezweifelt bzw. diese noch näher untersuchen müsste. Art. 5 Abs. 3 GG schützt den Forscher auch da- vor, dass er aus seiner Sicht uninteressante (von Wichti- gerem abhaltende) weitere Erkundungen anstellen muss, um etwas der Öffentlichkeit präsentieren zu können, was er selbst dafür gar nicht für wert hält.
Reuß/Rieble (Hrsg), Autorschaft als Werkherrschaft in digitaler
Zeit, 2009, S 21, 26 f.
177 Dies betont auch Peukert, Wissenschaftliches Kommunikations-
system (Fn 72), S 30 f.
178 Siehe oben III. 3. f) aa).
179 Eger/Scheufen/Meierrieks, Open Access Publishing (Fn 171),
zusammenfassend S 19, erkennen darin einen potentiellen Beweggrund gegen Open Access-Publizieren, doch erwies sich dieser Gesichtspunkt als deutlich nachrangig gegenüber dem alles beherrschenden Reputationsargument.
180 Siehe oben III. 3. a) bb).
172
173 174
175 176
Zu dessen wohl nur beschränkter internationaler Wirkung oben III. 1 a) bb).
Vgl auch schon oben III. 1. a) aa).
So das empirische Ergebnis, bezogen auf Autoren-Publikations- zuschüsse, von Eger/Scheufen/Meierrieks, The Determination of Open Access Publishing (Fn 171), S 19; siehe auch Krujatz, Open Access (Fn 12), S 25 f.
Zur Schutzbereichsverstärkung Fehling, in: BK-GG (Fn 66), Art 5 Abs 3 (Wiss freiheit) Rn 69 f, 105.
Dieser Aspekt wird – freilich übermäßig – für die Rechtswissen- schaft betont von Beck, Verlagsfunktionen und Open Access, in:
204 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
- Keinen Schutz verdiente dagegen die von solchen Fehldeutungsrisiken losgelöste Absicht, sich möglichst wenig „in die Karten schauen zu lassen“. Dies wäre denk- bar bei mittelbar aufsatzbezogenen Daten, die in dem publizierten Aufsatz nur in weiter verarbeiteter (zusam- mengefasster) Form wiedergegeben sind. Eine solche „Abschottungs“-Intention wäre sogar dem Verdacht aus- gesetzt, die Nachvollziehbarkeit der eigenen wissen- schaftlichen Arbeit erschweren zu wollen, um eigene Fehler schlechter nachweisbar zu machen.
(2) Mit der Publikationsfreiheit kollidierend, repräsen- tieren Wissenschaftsfreiheit und Informationsfreiheit in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension die Interessen der Scientific Community und mittelbar auch des Staates an derVerbesserungdeswissenschaftlichenInformations- und Kommunikationsflusses.
Die damit verbundenen Belange lassen sich für die Aufsatzpublikation folgendermaßen auffächern und ge- wichten:
- In zentralen Punkten scheinen hier die Präferenzen der Scientific Commnity mit denen des einzelnen DFG- geförderten Forschers identisch.181 Auch die jeweilige Wissenschaftsgemeinde wird eine möglichst optimale Verbreitung und damit zugleich Zugänglichkeit solcher Aufsätze wünschen.182 Allerdings haben die Kollegen bei fremden Forschungsergebnissen kein direktes Eigenin- teresse an einer besonders renommierten Publikations- plattform. Inwieweit Open-Access-Publikation die Zu- gänglichkeit von Aufsätzen nicht nur quantitativ, son- dern auch qualitativ verbessern kann, hängt fach(gruppen)spezifisch183 zum einen von der Funkti- onsfähigkeit der etablierten Publikationslandschaft und zum anderen von der Etablierung von Open-Access-Pu- blikationsformen ab. Insoweit dürfte das neue Zweitver- öffentlichungsrecht in § 38 Abs. 4 UrhG mittelfristig auch die Akzeptanz von Repositorien u.ä. in der Scienti- fic Community fördern.
- In zweiter Linie ist die Wissenschaftlergemeinschaft an möglichst kostengünstigem Zugang zu Forschungser- gebnissen interessiert. Dadurch besitzt für sie, anders als für den einzelnen publizierenden Wissenschaftler, Open
- 181 Ähnlich aus dem Blickwinkel des europäischen Urheberrechts Hilty/Krujatz/Bajon/Früh/Kur/Drexl/Geiger/-Klaas, European Commission – Green Paper: Copyright in the Knowledge Eco- nomy – Comments by the Max Planck Institute for Intellectual Property, Competition and Tax Law, in: IIC 2009, 309, 313.
- 182 Statt vieler Krujatz, Open Access (Fn 12), S 27.
- 183 Zur Frage, ob insoweit differenziert werden kann und muss, sieheunten III. 4.
- 184 ZB Pflüger/Ertmann (Fn 56), ZUM 2004, 436, 437; Steinhauer, Sicht-barkeit (Fn 56), S 23.
- 185 Vgl Rieble, in: Reuß/Rieble (Fn 42), S 29, 45 ff, der den Befürwortern
Access einen Eigenwert. Da die Wissenschafts- und spe- ziell Hochschulhaushalte gerade in Zeiten staatlicher Fi- nanzknappheit insgesamt eng begrenzt sind, werden Zu- satzausgaben für Bibliotheken u.ä. letztlich auch zu ge- ringerer Forschungsausstattung von Lehrstühlen und Instituten führen.
- Beim Staat, der die Finanzmittel zur DFG-For- schungsförderung bereitstellt, gewinnen die finanziellen Interessen eine noch höhere Bedeutung. Dies gilt unge- achtet der Tatsache, dass das neue Zweitveröffentli- chungsrecht des § 38 Abs. 4 UrhG im Gesetzgebungsver- fahren gerade nicht mit fiskalischen Interessen gerecht- fertigt worden ist. Befürworter von Open Access bringen immer wieder vor, der Staat solle sich nicht nötigen las- sen, für Forschungsergebnisse zweifach zu bezahlen, nämlich über die (DFG-)Forschungsförderung und noch einmal über den Erwerb überteuerter Fachzeit- schriften durch staatlich finanzierte Bibliotheken.184 An- ders als manche Kritiker behaupten,185 erscheint dieses fiskalische Interesse durchaus verfassungsrechtlich schutzwürdig. Zwar ist die Wissenschaftsfreiheit, auch in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension, auf selbstbe- stimmte wissenschaftliche Kommunikation und nicht auf finanzielle Nützlichkeit ausgerichtet; zudem kauft der Staat auch keine Forschungsergebnisse ein, sondern fördert nur die individuelle Freiheitsbetätigung. Doch beeinflussen solche (Zeitschriften-)Kosten über die (Hochschul-)Etats letztlich auch die dem einzelnen Wis- senschaftler zur Verfügung stehenden Ressourcen als Rückgrat individueller Forschungsfreiheit. Die Proble- matik des Kostenarguments liegt an anderer Stelle: Es ist keineswegs gesichert, dass Open Access für den Staat durchweg kostengünstiger ist.186 Bei einer Zweitveröf- fentlichung („green road“) bleiben die Ausgaben für den Erwerb der traditionellen Subskriptionszeitschriften, in denen die Erstveröffentlichung erfolgt, grundsätzlich gleich; es kommen nur weitere Kosten für die dauerhafte Bereithaltung und Pflege von Repositorien o.ä. im Inter- net hinzu.187 Nur bei exklusiver Open-Access-Publikati- on („golden road“) lassen sich die Kosten für traditionel- le Zeitschriften womöglich einsparen, freilich nur unter der Prämisse, dass diese gedruckten Journals nicht we-
eines Zweitveröffentlichungsrecht die Vernachlässigung persönlich-
keitsrechtlicher zugunsten ökonomischer Gesichtspunkte vorwirft. 186 Vgl Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Fn 23), S 2 f;
weitgehend identisch Sprang (Fn 23), ZUM 2013, 461, 463. Nach der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, Eine Handreichung für die parlamentarischen Beratungen über ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht (http://www.allianzinitiative.de. — 28.7.2014 ), unter (a), gehe es deshalb bei Open Access gar nicht um die Einsparung von Haushaltsmitteln, sondern ausschließlich um besseren Zugang zu Forschungsergebnissen.
187 Dies hebt die MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 15, zu Recht hervor.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 2 0 5
gen anderer dort weiterhin zu findender Beiträge – zu- mindest bei Forschungen, welche nicht besonders staat- lich gefördert worden sind, bestünde ja kein Zwang zur Open-Access-Veröffentlichung – weiterhin unverzicht- bar bleiben. Selbst wenn sich aber die „golden road“ mit- telfristig als dominanter Publikationsstandard etablieren sollte, würden dem Staat andere Kosten, nämlich in Form von Zuschüssen an Open-Access-Zeitschriften (die ja mangels Abonnenten eine andere Einnahmequel- le benötigen), entstehen.
- Von Seiten des Staates kommt, mehr noch als sei- tens der in den meisten Fächern ohnehin international zusammengesetzten Scientific Community, noch das In- teresse hinzu, in der deutschen Wissenschaftslandschaft und Forschungsförderung nicht hinter Open-Access- Standards zurückzubleiben, welche sich in den USA, Großbritannien und künftig wohl auch auf EU-Ebene schon etwas weiter entwickelt haben.188 Man befürchtet vielleicht nicht ganz zu Unrecht, der deutschen Wissen- schaftslandschaft könnten andernfalls Abschottungsten- denzen vorgeworfen werden, wenn nicht gar die Unter- stellung Platz griffe, deutsche Forschung scheue qualitativ das Licht der Internet-Öffentlichkeit. Allzu wahrscheinlich sind solche negativen Folgen für den Wissenschaftsstandort Deutschland indes wohl nicht. Deshalb besitzt das staatli- che Interesse an internationaler Anschlussfähigkeit bei der Open-Access-Förderung in der Abwägung nur einen gerin- gen Stellenwert.
- Eng mit den beiden letztgenannten Punkten ver- bunden ist ein letztes Ansinnen des Staates als Wissen- schafts-Financier. Wenn sich schon international ein Trend zur Open-Access-Publikation abzeichnet, dann sollte der Wandel tendenziell beschleunigt werden, um eine lange Übergangsphase zu vermeiden, in der der Staat für herkömmliche und neue Publikationsformen gleichzeitig und damit tatsächlich doppelt zahlen müss- te. Dazu müsste aber die „golden road“ forciert werden; die bloße Zweitveröffentlichung Open Access institutio- nalisiert gerade die befürchtete „Hängepartie“ mit dop- pelten Kosten.
Für die Publikation sonstiger Forschungsdaten erge- ben sich im Interessengeflecht gegenüber Aufsätzen ge- wisse Verschiebungen:
-Beisonstigen,nichtdirektindieAufsatzpublikation eingeflossenen Forschungsdaten ist dem einzelnen For- scher aus den oben genannten Gründen tendenziell mehr an Exklusivität und Vertraulichkeit gelegen, während die Scientific Community auch insoweit an möglichst umfas- senden Zugang interessiert sein wird. Deren Interesse an
188 Zusammenfassend dazu mwN Peukert, Wissenschaftliches Kommunikationssystem (Fn 72), S 5; ders, Urheberrecht und
Open Access ist hier weit größer als bei Aufsätzen, weil diese Forschungsdaten ohne entsprechende Internet-Pu- blikation gar nicht für Dritte und deren Anschlussfor- schungen zugänglich wären. Dazu müssten die Daten in den meisten Fällen aber wohl in bereits aufbereiteter Form publiziert werden, weil nackte Rohdaten als solche schwe- rer interpretier- und nutzbar sind.
- Der Staat, aber auch die Wissenschaftlergemein- schaft mag an zusätzlichen Forschungsdaten in manchen Konstellationen auch zur Qualitätssicherung interessiert sein, nämlich dort, wo sie (mittelbar) dem Aufsatz zugrun- de liegen und deshalb helfen, die Validität der in Aufsatz- form publizierten Forschungsergebnisse zu überprüfen.
- Die bei der Aufsatzpublikation angestellten Kosten- vergleiche spielen in dieser Form hier keine Rolle, da ja diese allenfalls mittelbar aufsatzbezogenen Daten bis- lang gar nicht veröffentlicht werden. Allerdings können im Einzelfall durch Open-Access-Publikation von For- schungsdaten die Kosten für eine neue Datensammlung durch Experimente oder empirische Studien o.ä. vermie- den werden.
(3) Bei der Herstellung praktischer Konkordanz muss zwi- schen der Aufsatzpublikation und der Veröffentlichung sonstiger Forschungsdaten unterschieden werden.
(a) Bei Aufsätzen hat die Analyse der Schutzzwecke der Publikationsfreiheit die zentrale Bedeutung des Inte- resses der Wissenschaftler an möglichst optimaler Ver- breitung ihrer Forschungsergebnisse deutlich gemacht. Da dieses Interesse mit kleinen Modifikationen spiegel- bildlich (als Zugangsinteresse) auch im Rahmen der ob- jektiv-rechtlichen Garantien von Wissenschaftsfreiheit und Informationsfreiheit anerkannt wird, lässt sich als erste Leitlinie für einen verhältnismäßigen Interessenaus- gleich festhalten: Open-Access-Förderbedingungen für die Aufsatzpublikation sind auch dort, wo sie sich (trotz § 38 Abs. 4 UrhG) ausnahmsweise eingriffsähnlich auswir- ken,189 rechtfertigungsfähig, soweit diese Bedingungen die Möglichkeiten des geförderten Wissenschaftlers zur ad- äquaten Verbreitung seiner Ergebnisse nicht beeinträch- tigen. Zwar schränken die Förderbedingungen das indi- viduelle Belieben des Forschers bei der Publikation ein. Dies erscheint jedoch zugunsten verbesserter Rahmen- bedingungen für wissenschaftliche Kommunikation hinnehmbar, wenn die geförderten Forschern nicht zu einer Publikationsweise gezwungen werden, welche für sie objektiv hinsichtlich Renommee oder Zugänglichkeit gegenüber bisherigen Publikationsgewohnheiten nach- teilig ist.
Wissenschaft (Fn 23), S 30 f. 189 Siehe oben III. 3. c) bb).
206 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
Finanzielle Interessen haben sich bei der Publikati- onsfreiheit als deutlich nachrangig, aber doch als noch mit zu berücksichtigen erwiesen. Auf der anderen Seite der Waagschale bleibt weitgehend offen, ob und inwie- weit Open-Access-Publikationen für den Staat als Finan- cier in der Summe kostengünstiger sind. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass finanzielle Verluste oder Mehrbelastungen des geförderten Forschers durch Open-Access-Veröffentlichung jedenfalls in gewissem Umfang durch die DFG oder den Staat ausgeglichen werden müssen. Die Verwendung von Open-Access- Förderbedingungen aktiviert gleichsam aus Ingerenz eine entsprechende Gewährleistungsverantwortung. Da- bei erscheint es freilich durchaus angemessen, die Darle- gungs- und Beweislast für konkrete finanzielle Nachteile dem jeweiligen Förderungsempfänger aufzuerlegen.190
Zwar dürften der Staat und mittelbar die Scientific Community finanziell am ehesten Vorteile von der Open-Access-Publikationsweise haben, wenn diese aus- schließlich frei zugänglich im Internet erfolgt („golden road“). Doch erscheinen die öffentlichen Interessen an der Beschleunigung des damit verbundenen Wandels der wissenschaftlichen Publikationskultur als zu schwach, um den Eingriff in die Publikationsfreiheit zu rechtfertigen, der mit einer Forcierung speziell der „gol- den road“ potentiell (je nach Fach und Abhängigkeit von Fördermitteln) verbunden wäre. Wollte die DFG inner- halb der verschiedenen Open-Access-Veröffentlichungs- möglichkeiten für Aufsätze noch einmal speziell die „golden road“ durchsetzen, so wäre dies, über unver- bindliche Empfehlungen hinaus, derzeit nur indirekt mit zusätzlichen finanziellen Anreizen, nicht aber mit ver- traglichen Rechtspflichten möglich. Dies würde sich erst dann ändern, wenn später – fachspezifisch – in annä- hernd gleichem Maße wie traditionelle Zeitschriften auch ebenso renommierte Online-Journals zur Verfü- gung stehen.
Verlangt die DFG in ihren Förderbedingungen eine Open-Access-Publikation, so trifft sie – insoweit wohl auch dort, wo die Förderbedingungen keine eingriffs- ähnliche Wirkung entfalten – eine Gewährleistungsver- antwortung für eine entsprechende (Zweit-)Publikati- onsmöglichkeit, welche dauerhafte Zugänglichkeit, Ver-
- 190 In einem zu stellenden Antrag, siehe oben III. 3. f) aa).
- 191 Die MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 17 bemängelt, den vorhan-denen institutionellen Repositorien fehle oftmals „eine gewisse Garantie“, „dass ein Beitrag in wissenschaftlicher Hinsicht unzweifelhafte Qualität aufweist“; auch auf Fachrepositorien bezogen Peukert, Wissenschaftliches Kommunikationssystem (Fn 72), S 23 f, zur Problem der Qualitätskontrolle S 26.
- 192 So schon Bargheer/Bellem/Schmidt, Open Access und Institutio- nal Repositories – Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Spindler
lässlichkeit und einen Schutz gegen Verfälschungen u.ä. bietet. Die DFG muss zumindest Listen mit geeigneten Repositorien oder anderen Veröffentlichungsmöglich- keiten vorhalten. Sofern in einzelnen Fächern noch kei- ne geeigneten institutionellen oder Fach-Repositorien zur Verfügung stehen,191 spricht viel dafür, dass die DFG subsidiär eine entsprechende Open-Access-Plattform selbst bereitzustellen hat192 (was selbstverständlich auch in Kooperation mit Dritten möglich wäre). Zum Schutz vor Verfälschungen kann und muss der Autor als Urhe- ber (bzw. in Vertretung der Betreiber des Repositoriums) die Veränderung oder Ergänzung (im Gegensatz zur blo- ßen computergesteuerten Auswertung) seines Open Ac- cess gestellten Beitrags durch Dritte in den Nutzungsbe- dingungen ausschließen;193 vorsätzlicher Rechtsbruch bleibt natürlich immer möglich, doch dürfte dieses Risi- ko vertretbar gering sein.
Letztlich müssen die Auswirkungen von Open-Ac- cess-Veröffentlichungspflichten auf die realen Publikati- onsmöglichkeiten prognostiziert und darauf aufbauend die Förderbedingungen so ausgestaltet werden, dass sich keine unverhältnismäßigen nachteiligen Folgewirkun- gen ergeben. Ob in- oder ausländische Verlage mit einer Open-Access-Zweitpublikation (ökonomisch) über- haupt ein Problem haben, hängt zum ersten wohl von der fach(gruppen)spezifischen Publikationskultur ab,194 zum zweiten aber auch von den Rahmenbedingungen hinsichtlich der Karenzfrist für die Zweitveröffentli- chung und der Übereinstimmung der Zweit- mit der Erstveröffentlichung. Dabei droht ein Zielkonflikt: Auf der einen Seite werden Verlage eine Open-Access-Zweit- publikation um so eher akzeptieren (wegen § 38 Abs. 4 UrhG haben allerdings nur noch ausländische Verlage dabei einen Entscheidungsspielraum) und längerfristig ökonomisch verkraften können, als sie davon keine ernsthafte Konkurrenz erwarten, insbesondere nicht zu befürchten haben, dass Bibliotheken u.ä. ihre Zeitschrif- ten abbestellen, weil wichtige Beiträge auch kostenlos im Netz zugänglich sind. Auf der anderen Seite rechtferti- gen sich Open-Access-Förderbedingungen gerade durch die Verbesserung des Zugangs zu Forschungsergebnis- sen. Je unattraktiver die Zweitpublikation für die Leser gemacht wird, desto weniger kann sie dieses Ziel för-
(Hrsg), Rechtliche Rahmenbedingungen von Open-Access-Publi-
kationen, 2006, S 1, 16.
193 Diese Möglichkeit ist selbst bei der besonders weitreichenden
Creative-Commons-Lizenz in Ziffer 4 vorgesehen; siehe etwa Mantz, in: Spindler (Fn 164), S 55, 63 f; vgl auch Krujatz, Open Access (Fn 12), S 129 f.
194 Zu etwaigen Differenzierungsnotwendigkeiten siehe unten III. 4. b) bb).
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 2 0 7
dern.195 Aus beiden Richtungen droht eine Verletzung der in Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Publikationsfreiheit: Bei für die Leser zu attraktiven Zweitpublikationsmög- lichkeiten, weil renommierte ausländische Subskripti- onszeitschriften dann womöglich die Manuskripte nicht mehr akzeptieren und eine adäquate Veröffentlichung dadurch verbaut oder unzumutbar erschwert wird; ein solch schwerwiegender Eingriff in die individuelle Pub- likationsfreiheit wäre nicht rechtfertigbar. Bei für Rezipi- enten zu wenig attraktiver Zweitveröffentlichung, weil die Einschränkung der Publikationsfreiheit (auch wenn sie in dieser Konstellation weniger schwer wiegt) nicht mehr durch kollidierendes Verfassungsrecht legitimier- bar ist. Dieser Konflikt lässt sich aber durch eine Kom- promisslösung bei der Karenzfrist oder mittels Ausnah- men von der Open-Access-Publikationspflicht entschär- fen. Dafür spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass viele – auch ausländische – Zeitschriften schon heute in ihren AGBs nach einer gewissen Wartezeit eine Open-Access- Zweitpublikation gestatten. Die in § 38 Abs. 4 UrhG vor- gesehene Karenzfrist von einem Jahr betrifft unmittelbar nur das unabdingbare Zweitveröffentlichungsrecht des Autors. Sie kann aber als Leitlinie auch für die Open-Ac- cess-(Zweit-)Publikationspflicht in DFG-Förderbedin- gungen dienen. Doch bleibt zu prüfen, ob für bestimmte (Geistes-)Wissenschaften wegen der dortigen längeren Rezeptionszeiträume eine längere Frist angemessen ist.196
(b) Bei sonstigen, mittelbar aufsatzbezogenen oder auf- satzfremden Forschungsdaten ist eine gemeinsame Basis für einen verhältnismäßigen Interessenausgleich schwerer zu finden, weil sich hier die negative Publikationsfreiheit im Hinblick auf eigene Folgeprojekte oder Fehldeutungsrisi- ken und das öffentliche Interesse an Zugänglichkeit deutli- cher gegenüber stehen. Soweit sich Förderbedingungen eingriffsähnlich auswirken,197 haben beide Rechtspositio- nen prima facie ähnlich hohes Gewicht. Will man sich nicht auf bloße dringende Empfehlungen beschränken, erscheint als vermittelnde Lösung eine Open-Access-Veröffentli- chungspflicht mit relativ weitreichenden Ausnahmen und Einschränkungen angemessen:
Dem Interesse des Förderungsempfängers an vorrangig eigener Nutzung der von ihm generierten Forschungsda- ten, die nicht mit dem publizierten Aufsatz zusammen hän- gen, ließe sich schwerlich allein durch starre Karenzfristen Rechnung tragen. Es dürfte nämlich große Unterschiede dabei geben, wie schnell ein Forscher die Daten selbst ver-
195 Ein Auseinanderfallen von Erst- und Zweitveröffentlichungsversi- on, wie es wegen § 38 Abs 4 S 1 UrhG bei deutschen Verlagen nur noch bezüglich der Seitenzahlen zu befürchten ist, kann zudem zu Verwirrung führen; siehe MPI-Stellungnahme (Fn 5), Rn 35, und Hansen (Fn 50), GRUR Int 2009, 799, 803.
werten kann und möchte. Deshalb bedarf es einer flexiblen Lösung: Der geförderte Forscher darf nach Ablauf der Ka- renzfrist vorerst weiterhin auf eine Veröffentlichung von aufsatzfremden Forschungsdaten verzichten, wenn er subs- tantiell und plausibel darlegt, dass er die Daten selbst für ein Folgeprojekt nutzen will oder ein solches Projekt sogar bereits läuft.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann von dem geförderten Wissenschaftler eine Veröffentlichung der For- schungsdaten (gleichgültig, ob sie mit seiner Aufsatzpubli- kation zusammenhängen oder nicht) grundsätzlich wohl nur in der Form verlangt werden, wie sie ihm ohnehin vor- liegen. Eine arbeitsaufwändige (weitere) Aufbereitung die- ser Daten,198 damit anderen Wissenschaftlern deren Nut- zung erleichtert wird, wäre – jedenfalls ohne Kostenüber- nahme durch die DFG – kaum zumutbar.
Ein weiterer Vorbehalt – insoweit sogar auch dann, wenn die Förderbedingungen keine eingriffsähnliche Wirkung entfalten – betrifft Aspekte des Datenschutz- und des Urheberrechts. Der Förderungsempfänger muss die Open-Access-Publikation der (Roh-)Daten verwei- gern können, soweit die Publikation ausnahmsweise ge- gen den Datenschutz oder gegen das Urheberrecht oder Geheimhaltungspflichten zu verstoßen droht. Insoweit müsste bereits das substantielle Risiko von Rechtsverstö- ßen ausreichen, da von einem Forscher keine – u.U. auf- wändige – abschließende rechtliche Klärung erwartet werden kann. Darüber hinaus ist sogar an eine vertragli- che (anteilige) Haftungsübernahme der DFG im Innen- verhältnis zum geförderten Autor zu denken; dies beträ- fe den Fall, dass die Open-Access-Publikation der Daten entgegen dem ersten Anschein dennoch Rechte Dritter verletzt und dem von diesem Dritten in Anspruch ge- nommenen Wissenschaftler bei der Vorabprüfung keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Einiges spricht so- gar dafür, dass neben diesen benannten Ausnahmen bzw. Weigerungsgründen noch eine Generalklausel der- gestalt erforderlich ist, dass eine Veröffentlichung aus sonstigen wichtigen Gründen unterbleiben darf.
Im Übrigen müsste der Aufwand des Forschers für die Open-Access-Publikation der sonstigen Forschungs- daten möglichst gering gehalten werden. Insbesondere wäre es ihm nicht zumutbar, intensiv nach einer geeigne- ten Plattform für die Veröffentlichung zu suchen oder diese gar selbst erst zu schaffen. Deshalb müsste die DFG auf geeignete Publikationsplattformen hinweisen und notfalls hilfsweise eine solche Open-Access-Plattform,
196 Unten III. 4. b) bb).
197 Siehe oben III. 3. c) bb); ansonsten sind strengere Regelungen
zulässig.
198 Zu den unterschiedlichen Stufen siehe oben II. 2.
208 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2014), 179–214
derer sich Wissenschaftler bedienen können (nicht müssten), sogar selbst zur Verfügung stellen oder durch beauftragte Dritte zur Verfügung stellen lassen. Dies lie- ße sich mit einer Plattform für die Open-Access-Veröf- fentlichung der Aufsätze199 verbinden.
4. Verfassungsrechtliche Differenzierungsmöglichkeiten und ‑notwendigkeiten
a) Differenzierungspflichten wegen unterschiedlicher Rahmenbedingungen in verschiedenen Fächern gemäß Art. 3 Abs. 1 GG
Wenn Art. 5 Abs. 3 GG die Schaffung adäquater (Organi- sations-)Strukturen für die Wissenschaft verlangt, müs- sen dabei auch die Unterschiede zwischen den verschie- denen Wissenschaftsdisziplinen berücksichtigt werden. Wo zwischen Fächern oder Fächergruppen fundamental unterschiedliche und damit wesentlich ungleiche Rah- menbedingungen existieren, verbietet sich wegen Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich eine Gleichbehandlung. Gerade für finanzrelevante Evaluationen haben deshalb Recht- sprechung200 und Literatur201 eine Differenzierung zwi- schen verschiedenen Wissenschaftskulturen eingefor- dert, wie sie besonders Naturwissenschaften einerseits und Kulturwissenschaften andererseits zugeschrieben werden. Dies lässt sich auf die grundausstattungsrele- vante Drittmittelvergabe übertragen. „Aufgrund des weithin anerkannten Gebots zur Wissenschaftsförde- rung sollte es möglich sein, das Verbot, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln, über das niedrige Maß einer Willkürkontrolle zum Angemessenheitsgebot zu schärfen“.202
Weitestmögliche Individualisierung zwecks Einzel- fallgerechtigkeit ist freilich von Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht gefordert, weil abstrakt-generelle Regelun- gen – seien es Gesetze oder wie hier nur Förderbedin- gungen – stets eine mehr oder minder weitgehende Ge- neralisierung und dadurch auch typisierende Abstrahie- rung von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten be- dingen. Deshalb behält der Gesetzgeber notwendig eine
199 Siehe oben II. 3. f) aa) sowie soeben unter (1).
200 BVerfGE 111, 333, 359 (Fn 91), mit der Forderung „darauf
Rücksicht zu nehmen, dass diese [Evaluations-]Kriterien in den verschiedenen Disziplinen unterschiedlich sein können und gegebenenfalls auch sein müssen“.
201 Besonders deutlich Bumke, Universitäten im Wettbewerb, VVD- StRL 69 (2010), 407, 448 f.
202 Bumke (Fn 201), VVDStRL 69 (2010), 407, 449. Er will dabei freilich die Forschungsförderung ausnehmen, „[s]olange […] eine ausreichende Grundfinanzierung gewährleistet ist, um in tradier- ter Weise disziplinär zu forschen“; gerade diese Voraussetzungen sind aber nicht mehr in allen Fächern erfüllt (siehe oben 2.1.3.2. und unten 2.3.2.1.).
203 Osterloh, in: Sachs (Fn 126), Art 3 Rn 108.
Einschätzungsprärogative, welche Unterschiede in der Wirklichkeit als so wesentlich eingestuft werden, dass sie eine rechtliche Differenzierung notwendig machen.203
Die genannten Leitlinien hat die Rechtsprechung für Typisierungsspielräume des Gesetzgebers entwickelt. Sie lassen sich im Ansatzpunkt aber auf allgemeine Regelun- gen durch die Verwaltung204 und hier die DFG übertra- gen, weil diese in ihren Förderbedingungen notwendig ebenfalls abstrakt-generelle Regelungen zu treffen hat. Zwar ist die wissenschaftliche Selbstverwaltung inner- halb der DFG fachlich eher als der Gesetzgeber in der Lage, sachgerechte Differenzierungen vorzunehmen, doch auch hier stellt sich – etwas abgeschwächt – ein Praktikabilitätsproblem. Bei der Ausdifferenzierung der Open-Access-Publikationspflichten in den DFG-Förder- bedingungen geht es nicht nur um die stets notwendige Typisierung durch Generalisierung. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit aus Gründen der Verwal- tungspraktikabilität auf theoretisch sachnotwendige Dif- ferenzierungen verzichtet werden darf. Voraussichtlich unterscheiden sich nämlich die hier relevanten wirt- schaftlichen und wissenschaftskulturellen Rahmenbe- dingungen nicht nur zwischen Fächergruppen und ein- zelnen Fächer, sondern sogar innerhalb von schon eng definierten Fachgebieten je nach Forschungsgegenstand so erheblich, dass „eigentlich“ Differenzierungen bei den Open Access-Förderbedingungen angemessen wären. Das BVerfG formuliert die Grenzen praktikabilitätsori- entierter Typisierung eher eng: „Die Typisierung setzt al- lerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist fer- ner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierbei sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht.“205 So kann es erforderlich sein, dass eine angemessene Zeit zur Sammlung von Er- fahrungen eingeräumt wird und zunächst eine gröbere Typisierung erfolgt.206 Welcher Prozentsatz an – nicht intendierten207 – Grenz- und Härtefällen dabei noch
204 Heun, in: Dreier (Hrsg), GG-Kommentar, Bd 1, 3. Aufl 2013, Art 3 Rn 34 mit dortiger Fn 232.
205 BVerfG 8.10.1991 – 1 BvL 50/86 – E 84, 348, 360 – Einkommens- steuer; ähnlich BVerfG 7.5.2013 – 2 BvR 909, 1981/06, 288/07 – E 133, 377, 412 f – Ehegattensplitting und eingetragene Lebenspart- nerschaften; hervorgehoben von Osterloh, in: Sachs (Fn 126), Art 3 Rn 109 mwN aus der Rspr In der Formulierung eingangs tendenziell etwas großzügiger, doch am Ende mit ähnlichen Anforderungen BVerfG 23.6.2004 – 1 BvL 3/98 — E 111, 115, 137 – DDR-Sonderrente.
206 So auch Huster, Rechte und Ziele, 1993, S 294.
207 Zum Argument der Nebenfolge in Abgrenzung zur intendierten
Differenzierung Huster, Rechte und Ziele (Fn 206), S 294 ff.
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 2 0 9
hinnehmbar ist, lässt sich nur bereichs- und situations- spezifisch ermitteln,. Gegebenenfalls bedarf es einer Härtefallklausel.208 Dies spricht bei den Open Access- Publikationspflichten für entsprechende Ausnahmen, wenn sich die fachspezifischen Besonderheiten nicht hinreichend differenzierend in den Förderungsbedin- gungen selbst abbilden lassen.
Je komplexer und schwerer überschaubar sich die Sachverhalte gestalten, umso größere Spielräume gesteht das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber zu; zunächst „gröbere“ Regelungen können und müssen aufgrund der gesammelten Erfahrungen gegebenenfalls später verfei- nert werden.209 Die Ausdifferenzierung der Fachkultu- ren im Wissenschaftssystem weist eine extrem hohe Komplexität auf, so dass nach diesen Maßstäben auch der DFG beim Differenzierungsgrad der Förderbedin- gungen erhebliche Einschätzungsspielräume bleiben.
b) Einzelne Differenzierungskriterien
Es liegt in der Logik wissenschaftlicher Autonomiege- währleistung, verstärkt auf Grundrechtsschutz durch Verfahren zu setzen und dabei dem fachspezifischen Sachverstand in den Fachkollegien der DFG bei der kon- kreten Ausgestaltung eine Schlüsselrolle einzuräumen. Somit kann es im Folgenden nur darum gehen, die Rich- tung für eventuell notwendige Differenzierungen oder Härtefallregelungen aufzuzeigen.
Für den empirischen Hintergrund stützen sich die folgenden Ausführungen besonders auf zwei recht aktu- elle210 deutsche211 Quellen: auf eine vom Verfasser
- 208 Osterloh, in: Sachs (Fn 126), Art 3 Rn 111. Dazu auch ausführlich Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, 1987, S 266 ff und auch Huster, Rechte und Ziele (Fn 206), S 289 f und Britz, Einzelfallgerechtigkeit versus Generalisierung, 2008, S 42.
- 209 So zusammenfassend Osterloh, in: Sachs (Fn 126), Art 3 Rn 108.
- 210 Ältere Untersuchungen – z.B. DFG, Publikationsstrategien im Wan-del? Ergebnisse einer Umfrage zum Publikations- und Rezeptions- verhalten unter besonderer Berücksichtigung von Open Access, 2005 (http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/evaluation_statis- tik/programm_evaluation/studie_publikationsstrategien_bericht_ dt.pdf — 28.7.2014) – sind angesichts der dynamischen Entwicklung bei der Open-Access-Publikation wenig aussagekräftig
- 211 Studien mit ausländischer oder internationaler Ausrichtung –
für Großbritannien namentlich der Finch Group Report nebst Reaktionen (Nachweise bei Peukert, Wissenschaftliches Kom- munikationssystem [Fn 72], dortige Fußnoten 5 und 13); für die EU-Forschungsförderung European Commission, Survey on open access in FP7, 2012 (http://ec.europa.eu/research/science-society/ document_library/pdf_06/survey-on-open-access-in-fp7_en.pdf — 28.7.2014) – lassen sich nicht ohne weiteres auf die deutsche Wissenschaftslandschaft übertragen. - 212 Auf meinen Fragebogen inhaltlich geantwortet haben: für die Biologie (Pflanzenwissenschaft) Prof. Dr. Ekkehard Neuhaus, Universität Kaiserslautern; für die Deutsche Sprachwissenschaft Prof. Dr. Rüdiger Harnisch, Universität Passau; für die Bildungsforschung Prof. Dr. Dr. h.c. Detlev Leutner, Universität Duisburg-Essen; für die Archäologie Prof. Dr. Ortwin Dally, Deutsches Archäologisches In-
durchgeführte – in keiner Weise repräsentative und erst recht nicht annähernd flächendeckende – Befragung von Repräsentanten verschiedener Fächer212 und auf eine weitaus breiter angelegte, die hier interessierenden Fra- gen allerdings nur teilweise abdeckende Studie von Eger/ Scheufen/Meier-Rieks.213
Bei der Angewiesenheit auf staatliche und besonders DFG-Forschungsförderung sowie bei der Publikations- kultur nebst ökonomischen Rahmenbedingungen zei- gen sich zwischen verschiedenen Fächern und For- schungsformen erhebliche Unterschiede. Für konkretere Folgerungen kann man sich jedoch nur auf wenige aktu- elle empirische Daten stützen.214
Die ohnehin nur punktuellen Auskünfte und die pu- blizierten Datensätze ermöglichen kaum belastbare ver- allgemeinernde Aussagen, die als Grundlage für fach(gruppen)spezifisch ausdifferenzierte Open-Access- Förderbedingungen dienen könnten. Zwar deutet eini- ges darauf hin, dass die Angewiesenheit auf Drittmittel in den empirisch und experimentell arbeitenden Diszip- linen tendenziell höher ist als in den hermeneutisch ar- beitenden (Geistes-)Wissenschaften. Aus dieser allge- meinen Tendenz lassen sich jedoch kaum trennscharf konkrete Fächer(gruppen) herausdestillieren, bei denen mangels Grundausstattungsrelevanz der Förderung von vornherein nicht in Art. 5 Abs. 3 GG eingegriffen wird und deshalb keine oder zumindest weniger Einschrän- kungen bei den Verpflichtungen aus Gründen der Ver- hältnismäßigkeit geboten wären. Ebenso erscheint es sehr schwierig, einen konkreten Fächerkanon auszuma-
stitut; für die Baustofftechnologie Prof. Dr.-Ing. Harald Budelmann, TU Braunschweig; für die Kunstgeschichte Prof. Dr. Hubertus Kohle, Universität München; für die Angewandte diskrete Mathematik Dr. Thomas Koch, Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik, Ber- lin; für die Linguistik Prof. Dr. Regine Eckardt, Universität Göttin- gen; für die Chemie Prof. Dr. Dieter Enders, RWTH Aachen, jeweils mit E‑Mail im August/September 2013; Dr. Michael Lautenschläger, Deutsches Klimazentrum Hamburg, im persönlichen Gespräch.
213 Eger/Scheufen/Meierrieks, Open Access Publishing (Fn 171). – Zwar gibt es zu Open-Access eine Vielzahl weiterer Befra- gungen und empirischer Arbeiten, doch viele davon haben
im Schwerpunkt die Akzeptanz dieser Publikationsform zum Gegenstand und beschäftigen sich nicht differenziert mit den fachspezifischen Rahmenbedingungen; hervorgehoben seien: Dallmeier-Tiessen/Lengenfelder, Open Access in der deut- schen Wissenschaft – Ergebnisse des EU-Projekts „Study of Open Access Publishing“ (SOAP), 2011 (http://www.egms.de/ static/en/journals/mbi/2011–11/mbi000218.shtml — 28.7.2014); Dallmeier-Tiessen ua, Highlights from the SOAP project survey. What Scientists Think about Open Access Publishing, 2011, arXiv 1101.5260 (knapp 18.000 Befragte); Fry ua, PEER Behavioural Research: Authors and Users vis-à-vis Journals and Repositories, Final Report 2001 (http://cdn.elsevier.com/ assets/pdf_file/0013/112126/PEER_D4_final_report_29SEPT11.pdf — 28.7.2014).
214 Auf den Abdruck der detaillierten Auseinandersetzung mit den genannten beiden Untersuchungen wird im Folgenden verzichtet.
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chen, bei dem fast durchweg in deutschen Verlagen pub- liziert wird, so dass das Zweitveröffentlichungsrecht durch § 38 Abs. 4 UrhG abgesichert und daher die Aus- wirkungen auf die Erstpublikationsmöglichkeiten gering erscheinen. Allenfalls ließe sich insoweit an die Deutsche Sprachwissenschaft und an die Rechtswissenschaft den- ken, doch auch dort gibt es Ausnahmen (besonders im Völker- und im Europarecht). Ferner ist, über eine grobe Tendenz zur Differenzierung zwischen Natur- und Geis- teswissenschaften hinaus, keine hinreichend genau ab- grenzbare Gruppe von Fächern zu identifizieren, in der bereits hinreichend renommierte Open-Access-Journals zur Verfügung stehen, so dass schon die „golden road“ eine verhältnismäßige Option darstellen würde. Und schließlich bleiben auch die Angaben bezüglich einer Zweitpublikationsmöglichkeit recht diffus; weder bei der freiwilligen Zulassung solcher Open-Access-Zweitpubli- kationen durch ausländische Verlage noch bei zur Verfü- gung stehenden qualitätsgesicherten Repositorien erlau- ben die vorliegenden spärlichen Daten eine belastbare Kategorienbildung. Einzig bei der Karenzzeit scheint sich eine Regelfrist von einem Jahr in der bisherigen Pra- xis der (auch ausländischen) Verlage, die schon freiwillig eine solche Zweitpublikation gestatten, heraus zu bilden.
In Bezug auf die Forschungsdaten bleiben die Befunde ebenfalls zu unklar, um Verallgemeinerungen zuzulassen. Zwar werden meist verarbeitete Daten und nicht „echte“ Rohdaten benötigt. Doch gibt es auch Gegenbeispiele, die sich nicht in einer klaren Fächerstruktur verorten lassen. Datenschutzprobleme sind zwar besonders in der Medizin zu vermuten, lassen sich aber auch in anderen Fächern nicht gänzlich ausschließen. Der Wunsch schließlich, selbst generierte Daten auch selbst in Anschluss-Forschungspro- jektenzunutzen,dürftewohlfächerübergreifendgroßsein; dafür einzuräumende Karenzfristen sind wahrscheinlich eher einzelfall- als von der Wissenschaftsdisziplin abhängig.
Vor diesem Hintergrund erscheint es weder geboten noch sinnvoll, die disziplinär oder in differierenden For- schungsformen begründeten Unterschiede in fach(gruppen)spezifisch ausdifferenzierten DFG-För- derbedingungen abzubilden. Ohne zusätzliche empiri- sche Erkenntnisse sähe sich eine fachbezogene Differen- zierung von Open-Access-Regularien sogar dem Vor- wurf einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung ausgesetzt. Daher sollte mit Härtefallklauseln u.ä. ope- riert werden, um im Ausgangspunkt allgemeine Open- Access-Förderbedingungen, die vor allem die „green road“ im Blick haben, auch in atypischen Konstellatio- nen verhältnismäßig zu machen. Soweit für bestimmte Wissenschaftszweige (Teile der Rechtswissenschaft) gar keine besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen
gelten, führte dies dazu, dass es bei den relativ strengen Förderbedingungen bliebe und eben keine Härtefall-Er- leichterungen eingriffen. Gleiches würde (in etwas abge- schwächter Form) für Disziplinen oder Konstellationen gelten, in denen renommierte Open-Access-Journals für die „golden road“ existieren. Wenn dagegen überzeu- gend begründet wird, dass in einer bestimmten (geistes- wissenschaftlichen) Disziplin deutlich längere Verwer- tungszeiträume als ein Jahr für Aufsatzpublikationen üb- lich sind, könnte über eine entsprechende Klausel eine Verlängerung der Karenzfrist bis zu zwei Jahren bean- tragt und bewilligt werden. Zur Sicherung der Verhält- nismäßigkeit der Regelung ist für Härtefälle darüber hi- naus sogar eine weiterreichende, gegebenenfalls sogar komplette Befreiungsmöglichkeit von der Open-Access- (Zweit-)Publikationspflicht empfehlenswert. Diese Aus- nahme kann aber auf Auslandspublikationen beschränkt und zusätzlich daran gekoppelt werden, dass die für die Erstpublikation ausgesuchte Zeitschrift darauf besteht und (kumulativ) auch für die dortige Forschungsförde- rung keine entsprechende Open-Access-Publikations- pflicht vorgesehen ist. Diese Voraussetzungen hätte der Geförderte in seinem Antrag auf Befreiung überzeugend darzulegen.
Bezüglich der Forschungsdaten erscheint ein Hin- weis ausreichend, dass diese Publikationspflicht entfällt, wenn in dem geförderten Projekt keine entsprechenden Daten generiert worden sind. Wenngleich wohl primär bereits verarbeitete Daten benötigt werden, sollte es an- gesichts dennoch bestehender Unterschiede zur Siche- rung der Zumutbarkeit dem einzelnen Förderungsemp- fänger überlassen bleiben – u.U. kombiniert mit einer Pflicht zur kurzen Begründung –, Daten welchen Verar- beitungsgrades er im Internet veröffentlicht. Daten- schutzprobleme lassen sich mittels einer entsprechenden Ausnahmeklausel mit Begründungspflicht entschärfen. Einem Förderungsempfänger, der die von ihm generier- ten Daten zuerst selbst nutzen möchte, sollte auf begrün- detem Antrag hin dafür eine – gegebenenfalls verlänger- bare – Karenzfrist für die Online-Publikation der For- schungsdaten eingeräumt werden.
c) Differenzierungsmöglichkeit zwischen Zeitschriften- und Buchpublikation
Die Auflagen zur Open-Access-(Zweit-)Publikation in DFG-Förderbedingungen sollen nur für Aufsätze, nicht für Bücher gelten. Auf den ersten Blick scheint dies grundrechtlich gänzlich unbedenklich, weil dadurch die Publikationsfreiheit der Förderungsempfänger geschont und nicht eingeschränkt wird. Doch verbietet Art. 3 Abs. 1 GG auch einen „gleichheitswidrige[n] Begünstigungs-
Fehling · DFG-Förderbedingungen zur Open-Access-Publikation 2 1 1
ausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personen- kreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vor- enthalten wird“.215 Hier ließe sich die Ausnahme für Bücher als eine Begünstigung verstehen, welche den Autoren von Aufsätzen (insbesondere in ausländischen Zeitschriften, wo die Anwendbarkeit von § 38 Abs. 4 UrhG zweifelhaft ist216) vorenthalten bleibt. Anders aus- gedrückt: Es könnte gegen das Gebot der Folgerichtig- keit217 (oder, mit etwas anderer Akzentsetzung, System- gerechtigkeit) verstoßen, wenn Open-Access-(Zweit-) Veröffentlichungen nicht konsequent von grundsätzlich allen Förderungsempfängern verlangt werden, unabhän- gig davon, ob sie Aufsätze oder Bücher verfasst haben.
Dem muss hier jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Denn auch das BVerfG geht davon aus, dass sich ein Begünstigungsausschluss zumindest218 dann recht- fertigen lässt, wenn für die Ungleichbehandlung Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen.219 Bei der Open- Access-Publikation ist dafür zunächst auf § 38 Abs. 4 UrhG zu verweisen, worin das unabdingbare Zweitver- öffentlichungsrecht ausdrücklich auf „periodisch min- destens zweimal jährlich erscheinende Sammlungen“ be- schränkt ist, einzelne Bücher (insbesondere Monogra- phien) also ausgeklammert bleiben.220 Darüber hinaus unterscheiden sich die ökonomischen Rahmenbedin- gungen für Aufsatz- und Buchproduktionen typischer- weise mehr oder minder deutlich: Bei Büchern muss der Autor meist einen höheren (Druckkosten-)Zuschuss leisten, bei Aufsätzen sind nur in wenigen Fachgebieten „submission fees“ üblich. Demzufolge würde eine Open- Access-Publikationspflicht bei Büchern den Förderungs- empfänger im Ausgangspunkt ökonomisch stärker be- lasten221 als bei Aufsätzen. Dieser ökonomische Nachteil ließe sich freilich durch eine erhöhten DFG-Publikati- onspauschale ausgleichen. Doch schon die Begrenzung des § 38 Abs. 4 UrhG auf periodische Publikationen lässt es auf keinen Fall als willkürlich und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch als verhältnismäßig erschei- nen, wenn die DFG-Förderbedingungen diesem Vorbild folgen und ebenfalls Buchpublikationen von der Pflicht zur Open-Access-(Zweit-)Veröffentlichung ausnehmen.
Der Begünstigungsausschluss für alle Arten von Aufsät- zen im Gegensatz zu Büchern verstößt daher nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Gegenteil erschiene es im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG, der auch die ungerechtfertigte Gleichbe-
- 215 BVerfG 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 — E 121, 317, 370 – Rauchverbot; vgl auch BVerfG 21.6.2006 – 2 BvL 2/99 – E 116, 164, 180.
- 216 Siehe oben III. 1. a) bb).
- 217 Beiläufig aufgegriffen von BVerfGE 121, 317, 374 (Fn 215).
- 218 In anderen Entscheidungen hat das Gericht, eher im Sinne einesbloßen Willkürverbots, bereits „plausible“ oder „hinreichende“
handlung von wesentlich Ungleichem verbietet, äußerst be- denklich (wenn auch nicht evident verfassungswidrig), wenn die Open-Access-Publikationspflicht auch Monogra- phien einbeziehen würde. Denn es wäre sehr zweifelhaft, ob sich die Autoren ohne urheberrechtliche „Rückendeckung“ im Verlagsvertrag ein Zweitveröffentlichungsrecht heraus- verhandeln könnten.
IV. Zusammenfassung der Ergebnisse
(1) Möglichkeiten und Grenzen von Open-Access-Publi- kationsverpflichtungen werden wesentlich durch die urheberrechtlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Denn von einem DFG-Förderungsempfänger kann ver- fassungsrechtlich nur das verlangt werden, was er ohne unzumutbare Nachteile oder Risiken urheberrechtlich tun darf. § 38 Abs. 4 UrhG verschafft dem Autor ein im (deutschen) Verlagsvertrag nicht abdingbares Open- Access-Zweitveröffentlichungsrecht für Aufsätze in min- destens zweimal jährlich erscheinenden Zeitschriften o.ä.. Im Hinblick auf die einschränkenden Bedingungen – Karenzfrist von einem Jahr, keine Originalformatie- rung – verletzt diese Norm nicht die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit der Verlage. Deutsche Verla- ge können die Annahme eines Aufsatzes zur Erstveröf- fentlichung nun nicht mehr davon abhängig machen, dass der Autor auf eine entsprechende Zweitpublikation verzichtet; daher kann eine Open-Access-(Zweit-)Publi- kationspflicht die Chancen eines DFG-Förderungsemp- fängers, den Aufsatz in der von ihm gewählten Subskrip- tionszeitschrift zu veröffentlichen, nun nicht mehr ver- schlechtern. Ob dagegen das Zweitveröffentlichungsrecht des § 38 Abs. 4 UrhG auch bei Verlagsverträgen nach ausländischem Recht bei Rechtsstreitigkeiten im Aus- land durchsetzbar ist, bleibt nach internationalem Pri- vatrecht ungewiss.
Bei Forschungsdaten handelt es sich in der Rohform mangels persönlicher geistiger Schöpfung regelmäßig – Ausnahmen sind möglich – noch gar nicht um ein urhe- berrechtsfähiges „geistiges Werk“ im Sinne von § 2 Abs. 1 UrhG. Selbst bei der Sammlung und Zusammenstel- lung ist dies gemäß § 4 UrhG meist noch nicht der Fall, wenn diese Zusammenstellung ohne (Relevanz-)Aus- wahl auf Vollständigkeit zielt. Für eine Datenbank mit Forschungsdaten kann allerdings ein leistungsrechtli-
Gründe ausreichen lassen; siehe Osterloh, in: Sachs (Fn 126), Art 3
Rn 100.
219 Vgl BVerfGE 121, 317, 371 (Fn 215).
220 Siehe dazu auch oben III. 1. a) aa).
221 Unabhängig davon, ob man diese finanziellen Interessen in Art 5
Abs 3 GG oder in Art 12 GG geschützt sieht; dazu oben III. 3. a) aa).
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cher Schutz nach § 87a UrhG bestehen, der dann jedoch demjenigen – möglicherweise sogar der DFG – zusteht, der die Datenbank finanziert hat. Dagegen liegt bei wis- senschaftlicher Aufbereitung der Daten (nicht nur in Aufsatzform) zweifelsohne ein geistiges Werk vor, das Urheberschutz genießt.
Das Urheber(persönlichkeits)recht und damit auch die Entscheidung über die Publikation steht bei Aufsät- zen wie bei ausnahmsweise geschützten Forschungsda- ten stets dem oder den Wissenschaftler(n) zu, der oder die das Forschungsprojekt verantwortlich durchführen; (Teil-)Ergebnisse von Mitarbeitern sind ihnen regelmä- ßig arbeitsrechtlich zuzurechnen. Bei den Arbeiten der Hochschullehrer handelt sich in verfassungskonformer Auslegung nicht um Pflichtwerke, an denen nach § 43 UrhG die jeweilige Hochschule als Arbeitgeber eine Zwangslizenz beanspruchen könnte. Ein Recht auf Open-Access-Zweitpublikation lässt sich auch aus der Grabungsmaterialien-Entscheidung des BGH nicht her- leiten.
(2) Datenschutz-Restriktionen greifen nur dort ein, wo es sich bei publikationswürdigen Forschungsdaten aus- nahmsweise – am ehesten wohl in der Medizin – um personenbezogene Daten handelt. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Reanonymisierung mit zumutbarem Aufwand möglich bleibt. Dann bedürfte es für die Veröf- fentlichung der Zustimmung der Betroffenen, was für eine Open-Access-Publikation, die dem Betroffenen selbst keinen direkten Vorteil bringt, kaum zu bewerk- stelligen sein wird. Da sich ein Personenbezug wohl allenfalls bei Rohdaten herstellen lässt, dürften die Datenschutzprobleme oftmals dadurch lösbar sein, dass die Forschungsdaten erst in einer höheren Verarbei- tungsstufe publiziert werden.
(3) Eine Open-Access-Publikationspflicht greift unter bestimmten, aber nur in Teilbereichen erfüllten Voraus- setzungen in das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ein und schafft dort entsprechende Rechtfertigungslasten.
Bei Aufsätzen berührt die Open-Access-Publikations- pflicht bei der „golden road“ direkt, bei der „green road“ zumindest potentiell mittelbar die freie Entscheidung über das „Wo“ der Publikation und damit die positive Publikati- onsfreiheit. Denn es besteht eine realistische, nicht nur ganz entfernte Möglichkeit, dass die Open-Access-Zweitveröf- fentlichung negative Rückwirkungen auf die die Rahmen- bedingungen (insbesondere vom Autor zu tragender Druckkostenzuschuss) der Erstpublikation (auch im In- land) oder bei ausländischen Verlagen sogar auf die Annah- me zur Veröffentlichung (weil die internationale Durch-
setzbarkeit des § 38 Abs. 4 UrhG fraglich bleibt) zeitigt. Bei Forschungsdaten, soweit bereits im Aufsatz veröffentlicht, ist schon die Entscheidungsfreiheit über das „Ob“ der Publika- tion und damit die negative Publikationsfreiheit betroffen.
Die Förderungstätigkeit der DFG ist ungeachtet ihrer Selbstverwaltungsstrukturen insbesondere wegen der staatlichen Finanzierung und auch der Beteiligung von Vertretern des Bundes und der Länder im Hauptaus- schuss der DFG gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grund- rechte gebunden. Grundsätzlich handelt es sich bei den DFG-Förderbedingungen jedoch um bloße Leistungs- modalitäten. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann man ihnen eingriffsähnliche Wirkung zusprechen. Dafür muss der Förderungsempfänger für eine amtsan- gemessene Forschung auf semi-staatliche Drittmittel an- gewiesen sein, weil seine voraussetzungslos zu gewäh- rende Grundausstattung dazu nicht ausreicht. In dieser Konstellation verkürzt die Open-Access-Publikations- pflichten die Freiheit des Förderungsempfängers, in ei- nem durch die Grundausstattung – bzw. hier durch die grundausstattungsersetzenden Drittmittel – definierten Kernbereich bedingungsfrei forschen zu können. In die Betrachtung einzubeziehen sind dabei nicht nur Dritt- mittel der DFG, sondern auch anderer (semi-)staatlicher Organisationen und Förderprogramme; außer Betracht bleiben dagegen private Drittmittel, da ausschließlich der grundrechtsgebundene Staat zur grundsätzlich be- dingungsfreien Gewährung einer finanziellen Grund- ausstattung verpflichtet ist.
(4) Wo die Open-Access-Förderbedingungen der DFG nicht eingriffsähnlich wirken, gilt nur das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot. Sofern dagegen die posi- tive bzw. negative Publikationsfreiheit eingriffsähnlich beeinträchtigt werden, lässt sich dies durch kollidieren- des Verfassungsrecht rechtfertigen. Dieses findet sich in der objektiv-rechtlichen Dimension sowohl der Wissen- schafts- als auch der Informationsfreiheit; darin wird nämlich auch das Interesse der Scientific Community an verbesserter Zugänglichkeit forschungsrelevanter Infor- mationen und der Allgemeinheit an innovationsfördern- den Rahmenbedingungen für die Forschung abgebildet. Einer gesetzlichen Grundlage bedarf es dazu nicht. In der Verhältnismäßigkeitsabwägung ist sowohl für Auf- sätze als auch für Forschungsdaten ein verhältnismäßi- ger Ausgleich zwischen den kollidierenden grundrecht- lich geschützten Interessen möglich.
Bei Aufsätzen geht es vor allem darum, die Informa- tionsinteressen der Scientific Community sowie das im wesentlichen gleichgerichtete Verbreitungsinteresse des Förderungsempfängers durch entsprechende Ausgestal- tung der Open-Access-Publikationsbedingungen effek-
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tiv zu fördern und zugleich negative Nebenwirkungen auf die (Erst-) Publikationsmöglichkeiten der Geförder- ten weitestmöglich zu vermeiden. Zwar ist die Erstveröf- fentlichung im frei zugänglichen Internet („golden road“) bislang nur in Teilbereichen eine zumutbare Op- tion, weil oftmals noch hinreichend renommierte Open Access-Journals fehlen. Doch kann die Verhältnismäßig- keit der Open-Access-Zweitpublikationspflicht („green road“) durch Rahmenbedingungen gesichert werden, die grundsätzlich denen des Zweitveröffentlichungs- rechts in § 38 Abs. 4 UrhG entsprechen: keine Original- Formatierung,dochmitVerweisaufdieOriginal-Seiten- umbrüche; Karenzfrist von grundsätzlich einem Jahr. Zusätzlich sind allerdings Modifikationen oder Härte- fallregelungen geboten, um die Verhältnismäßigkeit auch bei Auslandspublikationen zu sichern, bei denen die Durchsetzbarkeit des Zweitveröffentlichungsrechts aus § 38 Abs. 4 UrhG zweifelhaft erscheint.
Bei Forschungsdaten existiert ein schärferer Interes- sengegensatz zwischen dem Geförderten, der meist kein Eigeninteresse an einer keinen Reputationsgewinn ver- sprechenden und für ihn zusätzlichen Aufwand bedeu- tenden Veröffentlichung solcher „nackter“ Daten besitzt und diese gegebenenfalls noch für Anschlussprojekte ex- klusiv selbst nutzen möchte, und den anderen Wissen- schaftlern sowie der Allgemeinheit, die sich von der All- gemeinzugänglichkeit der Daten eine Belebung von For- schung und Innovation erhoffen. Doch kann auch hier ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den kollidie- renden Interessen und Verfassungsgütern mittels einer flexibel auszugestaltenden und im Einzelfall auf begrün- deten Antrag verlängerbaren Karenzfrist hergestellt wer- den, Ferner ist eine Ausnahme dafür vorzusehen, dass die Veröffentlichung der Forschungsdaten gegen den Datenschutz verstoßen würde. Um die Publikations- pflicht für den Förderungsempfänger zumutbar zu hal- ten, muss ihm die Open-Access-Veröffentlichung der Forschungsdaten grundsätzlich in der Verarbeitungsstu- fe (Rohdaten oder bereits „veredelte“ Daten) gestattet werden, in dem sie ihm bereits vorliegen.
Ferner trifft die DFG eine Gewährleistungsverantwor- tung dafür, dass ein für Aufsatzzweitpublikation und für die Veröffentlichung der Forschungsdaten geeignetes qualitätsgesichertes Repositorium in allen betroffenen Wissenschaftsdisziplinen vorhanden ist. Notfalls muss die DFG eine solche Plattform selbst oder in Kooperati- on mit Dritten schaffen.
(5) Verschiedene Forschungsmodalitäten, Fächer oder Fächergruppen weisen unterschiedliche „Kulturen“ und sonstige (ökonomische) Rahmenbedingungen auf. Diese müssen vor Art. 3 Abs. 1 GG gegebenenfalls zu differenzie-
renden Regelungen in den Open-Access-Förderbedingun- gen führen. Soweit aus Praktikabilitätsgründen unverzicht- bar, bestehen jedoch Typisierungsmöglichkeiten. Gegebe- nenfalls kann und muss die Verhältnismäßigkeit durch Härtefallklauseln u.ä. gesichert werden. Inwieweit differen- ziert oder typisiert wird, ist von den Selbstverwaltungsgre- mien (insb. Fachkollegien) der DFG, die den entsprechen- den Sachverstand besitzen und deshalb Grundrechtsschutz auch durch Verfahren gewährleisten, zu entscheiden.
Fach(gruppen)bezogene Differenzierungen sind vor allem in folgender Hinsicht zu erwägen: bezüglich der Angewiesenheit auf (semi-)stattliche Drittmittel, weil nur dann Art. 5 Abs. 3 GG eingreift; hinsichtlich des Vor- handenseins renommierter Open-Access-Journals, weil nur dann die „golden road“ eine zumutbare Alternative zur Erfüllung der Publikationspflicht im frei zugängli- chen Internet bilden kann; im Hinblick auf die Bedeu- tung ausländischer Verlage, weil bei Erstpublikation in ausländischen Zeitschriften nicht auf das Zweitveröf- fentlichungsrecht des § 38 Abs. 4 UrhG vertraut werden kann; bei den typisierend üblichen Rezeptionszeiträu- men, weil davon die Länge der gebotenen Karenzfrist bis zur Zweitveröffentlichung abhängt. Das spärliche ein- schlägige und hinreichend aktuelle empirische Daten- material erlaubt indes auch typisierend keine hinrei- chend klaren Unterscheidungen entlang unterschiedli- cher Forschungsmodalitäten, Fächern oder Fachgrup- pen.
Vorzugswürdig erscheint deshalb eine typisierend-all- gemeine Regelung für zunächst alle Wissenschaftsdiszipli- nen, die jedoch über Ausnahmen und Härtefallklauseln Raum lässt für die Berücksichtigung der Besonderheiten des Fach und sogar des Einzelfalls. Soweit für bestimmte Wissenschaftszweige gar keine besonderen Verhältnismä- ßigkeitsanforderungengelten,führtediesdazu,dassesbei den relativ strengen Förderbedingungen bliebe und eben keine Härtefall-Erleichterungen eingriffen. Ähnliches wür- de für Disziplinen oder Konstellationen gelten, in denen re- nommierte Open-Access-Journals für die „golden road“ existieren. Wenn dagegen ein Förderungsempfänger über- zeugend begründet, dass in einer bestimmten (vor allem geisteswissenschaftlichen) Disziplin deutlich längere Ver- wertungszeiträume als ein Jahr für Aufsatzpublikationen üblich sind, könnte über eine entsprechende Klausel auf Antrag die Karenzfrist bis zu zwei Jahren verlängert wer- den. Zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit der Regelung ist für Härtefälle darüber hinaus sogar eine weiterreichen- de, gegebenenfalls sogar komplette Befreiungsmöglichkeit von der Open-Access-(Zweit-)Publikationspflicht empfeh- lenswert. Diese Möglichkeit kann aber von vornherein auf Auslandspublikationen beschränkt und zusätzlich daran gekoppelt werden, dass die für die Erstpublikation ausge-
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suchte Zeitschrift darauf besteht und (kumulativ) auch für die dortige Forschungsförderung keine entsprechende Open-Access-Publikationspflicht vorgesehen ist. Bei For- schungsdaten sollte es zur Sicherung der Zumutbarkeit wohl dem einzelnen Förderungsempfänger überlassen blei- ben – u.U. kombiniert mit einer Pflicht zur kurzen Begrün- dung –, Daten welchen Verarbeitungsgrades er im Internet veröffentlicht. Datenschutzprobleme lassen sich mittels ei- ner entsprechenden Ausnahmeklausel mit Begründungs- pflicht entschärfen. Einem Förderungsempfänger, der die von ihm generierten Daten zuerst selbst nutzen möchte, sollte auf begründetem Antrag dafür eine – gegebenenfalls
verlängerbare – Karenzfrist für die Online-Publikation der Forschungsdaten eingeräumt werden.
Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn die Open-Access-Publikations- pflicht in den DFG-Förderbedingungen auf Aufsätze be- schränkt wird, Monographien also nicht erfasst werden. Die Unterschiede in den ökonomischen Rahmenbedingungen sind dafür ein hinreichender sachlicher Grund.
Der Autor ist Professor an der Bucerius Law School Hamburg und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, III: Öffentliches Recht mit Rechtsvergleichung.