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Die Dis­ser­ta­ti­on „Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs- zwecks wur­de an der Ruprecht-Karls-Uni­ver­si­tät Hei­del- berg erstellt. Betreut wur­de die Arbeit von Prof. Dr. Ste­fan J. Gei­bel, Maît­re en droit. Die Druck­le­gung wur­de durch einen Zuschuss des Deut­schen Stif­tungs­zen­trums geför­dert. Die Arbeit ist im Jahr 2015 als 46. Band der Schrif­ten­rei­he zum Stif­tungs­we­sen beim Nomos Ver­lag erschienen.

I. Das Kern­pro­blem: Wer oder was beherrscht die Stiftung?

Die Augen von Deutsch­lands Stif­tungs­recht­lern wer­den sich in den kom­men­den Mona­ten und Jah­ren wohl ver- stärkt auf die Stadt Fried­richs­ha­fen rich­ten. Dies liegt – was die Leser einer juris­ti­schen Publi­ka­ti­on nicht über- raschen wird – weni­ger an den reiz­vol­len Boden­see­pro- mena­den, als an einem sich anbah­nen­den spek­ta­ku­lä­ren Rechts­streit. Die­ser betrifft die Zep­pe­lin-Stif­tung, die im Jahr 1908 vom Luft­fahrt­pio­nier Fer­di­nand Graf von Zep- pelin gegrün­det wur­de. Im Wesent­li­chen soll­te die Stif- tung der Luft­schiff­fahrt sowie der För­de­rung wei­te­rer Unter­neh­mun­gen im Bereich der Luft­fahrt dienen.1 In der Stif­tungs­sat­zung wur­de fest­ge­legt, dass das Stif­tungs- ver­mö­gen der Stadt Fried­richs­ha­fen zufal­len und zu wohl­tä­ti­gen Zwe­cken ver­wen­det wer­den soll­te, falls der Zweck nicht mehr erfüll­bar sei.2 Nach dem zwei­ten Welt­krieg wur­de die Stif­tung – nicht zuletzt auch auf das Betrei­ben der fran­zö­si­schen Besat­zungs­macht – auf die Stadt Fried­richs­ha­fen über­tra­gen. Die Stif­tung wur­de als selbst­stän­di­ge pri­vat­recht­li­che Stif­tung auf­ge­löst und

  1. 1  Der Stif­tungs­zweck ist z.B. abge­druckt bei Oel­lers, in: Zep­pe­lin 1908 bis 2008, Stif­tung und Unter­neh­men, 2008, S. 31, 49.
  2. 2  Fuchs­loch, Das Erbe des Gra­fen, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom1.10.2015, S. 3; sie­he auch: www.badische-zeitung.de/sued- wes­t‑1/­der-uren­kel-will-beim-ver­tei­len-der-mil­lio­nen-mit­re- den–113144640.html [abge­ru­fen am 1.11.2015].
  3. 3  Fuchs­loch, Das Erbe des Gra­fen, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 1.10.2015, S. 3; Grupe/Hennings/Range, Macht­kampf um die Stif­tung, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 25.9.2015, S. 3; sie­he auch: www.die-stiftung.de/news/nachfahren-wollen-rechtsform-der- zep­pe­lin-stif­tung-aen­dern-49026 [abge­ru­fen am 1.11.2015]; aus- führ­lich zur Geschich­te der Zep­pe­lin-Stif­tung: Oellers/Semmler, Der Graf und die Stif­tung, Der Fried­richs­ha­fe­ner Zep­pe­lin-Pfad, 2008, S. 12 ff., 20 ff., 57 ff.; Oel­lers (S. 46 ff.) / Waibel (S. 131 ff.) / Thol­an­der (S. 204, 219 ff.) / Semm­ler (S. 249 ff.), in: Zep­pe­lin 1908 bis 2008, Stif­tung und Unter­neh­men, 2008.

besteht seit­dem als eine recht­lich unselbst­stän­di­ge Gemein­de­stif­tung der Stadt Friedrichshafen.3 Als sol­che hält die Stif­tung unter ande­rem mehr als 90 Pro­zent der Antei­le an der ZF Fried­richs­ha­fen AG, sie finan­ziert sozia­le und kul­tu­rel­le Pro­jek­te der Stadt Fried­richs­ha­fen und unter­stützt unter ande­rem auch die Zep­pe­lin-Uni- ver­si­tät und das Zeppelin-Museum.4 Der sich anbah- nen­de Rechts­streit rührt daher, dass der Uren­kel des Stif­tungs­grün­ders, Albrecht Graf von Bran­den­stein- Zep­pe­lin, die For­de­rung erhebt, die Stif­tung müs­se als rechts­fä­hi­ge Stif­tung wie­der ein­ge­setzt wer­den. Zudem müs­se dem his­to­ri­schen im Stif­ter­ge­schäft nie­der­ge­leg- ten Stif­ter­wil­len – und damit dem Zweck „För­de­rung der Luft­fahrt“ – Gel­tung ver­schafft werden.5 Mit der Rück­um­wand­lung der Stif­tung könn­te nach den Plä­nen des Zep­pe­lin-Nach­fah­ren eine Hoch­schu­le der Luft- und Raum­fahrt­for­schung errich­tet werden.6

Die Fra­ge, wer in der Zep­pe­lin-Stif­tung künf­tig das Sagen haben wird, bezie­hungs­wei­se wel­cher Wil­le, wel- ches Inter­es­se als Leit­ge­dan­ke für das Stif­tungs­han­deln anzu­se­hen ist, sorgt bereits für ein erheb­li­ches Auf­se­hen. Die Rede ist von einem Fall, der Rechts­ge­schich­te schrei- ben werde,7 von einem Streit, der Fried­richs­ha­fen bedro- he8 sowie davon, dass der Zep­pe­lin-Uren­kel der Stadt den Krieg erklärt habe.9 Der Fried­richs­ha­fe­ner Fall ver- deut­licht die Grund­pro­ble­ma­tik von Stif­tun­gen. Sie sind mit­glie­der­lo­se Orga­ni­sa­tio­nen, die auf eine grund­sätz- lich ewig anhal­ten­de Ver­fol­gung eines ihnen vom Stif­ter ver­lie­he­nen Zwecks ange­legt sind. Vor allem nach dem Able­ben des Stif­ters, nach poli­ti­schen, gesell­schaft­li­chen und tech­ni­schen Ver­än­de­run­gen sind Kon­flik­te über das

bische Zei­tung vom 25.9.2015, S. 3; sie­he auch: www.badische- zeitung.de/suedwest‑1/der-urenkel-will-beim-verteilen-der- millionen-mitreden–113144640.html, [abge­ru­fen am 1.11.2015].

Grupe/Hennings/Range, Geschäfts­grund­la­ge in Gefahr, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 25.9.2015, S. 3; Ran­ge, Die Zep­pe­lin- Stif­tung schreibt Rechts­ge­schich­te, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 30.9.2015, S. 7.

Grupe/Hennings/Range, Geschäfts­grund­la­ge in Gefahr, in: Schwä- bische Zei­tung vom 25.9.2015, S. 3; sie­he auch: www.badische- zeitung.de/suedwest‑1/der-urenkel-will-beim-verteilen-der- millionen-mitreden–113144640.html, abge­ru­fen am [1.11.2015].

Ran­ge, Die Zep­pe­lin-Stif­tung schreibt Rechts­ge­schich­te, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 30.9.2015, S. 7.

Gruppe/Hennings/Range, Streit um Stif­tung bedroht Fried­rich­sha- fen, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 25.9.2015, S. 1.

Fuchs­loch, Das Erbe des Gra­fen, in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 1.10.2015, S. 3.

Grupe/Hennings/Range, Geschäfts­grund­la­ge in Gefahr, in: Schwä-
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2016, ISSN 2197–9197

Phil­ip Dylla

Wer oder was beherrscht die Stif­tung? – Buch­vor­stel­lung der Dis­ser­ta­ti­on
„Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stiftungszwecks“

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rich­ti­ge Stif­tungs­han­deln alles ande­re als unüb­lich. Even­tu­ell sind der­ar­ti­ge Kon­flik­te gele­gent­lich sogar nö- tig, damit sich die Ent­schei­dungs­trä­ger von Neu­em der rele­van­ten Stif­tungs­auf­ga­ben bewusst werden.

II. Der Stif­tungs­zweck als ent­schei­den­des recht­li­ches Kriterium

Von ent­schei­den­der Bedeu­tung für die Ent­schei­dun­gen der Stif­tungs­or­ga­ne und die Kon­troll­tä­tig­keit der Stif- tungs­auf­sicht ist die Funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks. Der Stif- tungs­zweck ist als recht­li­ches Struk­tur­merk­mal der selbst- stän­di­gen pri­vat­recht­li­chen Stif­tung in §§ 80, 81 BGB nor- miert. Der Stif­ter bestimmt den Stif­tungs­zweck im Stif­tungs­ge­schäft, dem Grün­dungs­akt einer Stif­tung. Das Grün­den der Stif­tung ist ein pri­vat­au­to­no­mer, ver- fas­sungs­recht­lich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütz­ter Akt. Trotz der weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen die­ses Grün­dungs­ak­tes ist das Stif­ten – und damit gera­de auch die Bestim­mung eines Stif­tungs­zwecks – als ver­fas­sungs- recht­lich geschütz­ter Rechts­akt anzu­er­ken­nen. Denn die Pri­vat­au­to­no­mie schützt jedes aus frei­em Wil­len geschlos­se­ne Rechts­ge­schäft und kennt kei­ne Aus­nah­me bezüg­lich der Grün­dung juris­ti­scher Per­so­nen – auch nicht hin­sicht­lich der mit­glie­der­lo­sen Stiftung.10 Der Stif­tungs­zweck ist als Struk­tur­merk­mal einer pri­va­ten juris­ti­schen Per­son nicht mit den sub­jek­ti­ven Ideen und Inter­es­sen des Stif­ters gleichzusetzen.11 Der Stif­tungs- zweck ist objek­tiv aus­zu­le­gen. Denn der Stif­ter hat sich bei einer pri­vat­recht­li­chen Stif­tung gera­de für die Grün- dung einer mit­glie­der­lo­sen, unab­hän­gig vom Stif­ter fort- wir­ken­den juris­ti­schen Per­son entschieden.12

III. Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stiftungszwecks

Die hier vor­ge­stell­te Dis­ser­ta­ti­on ist der Ziel­set­zung ent- sprun­gen, genaue­re dog­ma­ti­sche Fest­stel­lun­gen über die Funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks bei einer selbstständigen

  1. 10  Sie­he hier­zu Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 40 ff.
  2. 11  Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 46 ff.
  3. 12  Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015,
    S. 78 ff. Eben­falls für einen objek­ti­ven Aus­le­gungs­maß­stab: Hüttemann/Rawert, in: Stau­din­ger, 2010, § 85, Rn. 7; Wei­temey­er, in: Mün­che­ner Kom­men­tar zum BGB, 7. Aufl., 2015, Rn. 7. Wei- temey­er geht davon aus, dass die Stif­tungs­sat­zung Norm­cha­rak­ter hat. Die­se Ansicht teilt der Autor nicht, son­dern lei­tet den ob- jek­ti­ven Aus­le­gungs­maß­stab aus der frei­wil­li­gen rechts­ge­schäft- lichen Stif­tungs­grün­dung her. Für eine sub­jek­ti­ve Aus­le­gung unter Beach­tung eines objek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zonts emp­fangs­be­rei­ter und – bestimm­ter Per­so­nen hin­ge­gen: Burgard, Gestal­tungs­frei­heit im Stif­tungs­recht, 2006, S. 193 ff.; Hof, in: v. Campenhausen/Richter, Stif­tungs­rechts­hand­buch, 2014, § 7, Rn. 18 ff.

pri­vat­recht­li­chen Stif­tung gemäß §§ 80 ff. BGB zu tref- fen. Zwar war es vor der Ver­öf­fent­li­chung der Arbeit im Stif­tungs­recht kein Geheim­nis, dass der Stif­tungs­zweck – ins­be­son­de­re in Anbe­tracht der Mit­glie­der­lo­sig­keit der Stif­tung – eine her­aus­ge­ho­be­ne Rol­le haben muss. Cha­rak­te­ri­siert wird er als die „See­le“ 13 oder das „Herz- stück“14 der Stif­tung. Etwas weni­ger meta­pho­risch ist die Beschrei­bung des Stif­tungs­zwecks durch Rawert als das iden­ti­täts­bil­den­de Merk­mal der Stif­tung, wel­ches die Leit­li­ni­en ihrer Tätig­keit bestimmt.15 Der Autor ist jedoch beim Ver­fas­sen der Dis­ser­ta­ti­on zu der Über­zeu- gung gelangt, dass die Funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks genau­er erfasst wer­den muss. Denn nur hier­durch kön- nen prä­zi­se Schlüs­se gezo­gen wer­den, wel­che Impli­ka­ti- onen für das Stif­tungs­han­deln aus dem Zweck fol­gen und wel­che nicht.16

Grund­the­se der Dis­ser­ta­ti­on ist, dass der Stif­tungs- zweck eine Wei­sungs­funk­ti­on hat; dass der Stif­tungs- zweck inner­halb der Hand­lungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Stif- tung eine Rol­le hat, wie sie bei einer GmbH den Wei­sun- gen der Gesell­schaf­ter an die Geschäfts­füh­rung zufällt. Hier­aus erge­ben sich Fol­ge­pflich­ten der Stif­tungs­or­ga­ne, die zu einer opti­ma­len dau­er­haf­ten Zweck­ver­fol­gung ver­pflich­tet sind. Eine Ver­fol­gung zweck­frem­der Inte­res- sen ist somit ausgeschlossen.17 Dadurch lässt sich die The­se Schwin­teks bestä­ti­gen, dass der Stif­tungs­zweck als das „Voll­zugs­or­gan der Stif­tung“ ange­se­hen wer­den kann.18

Zur dog­ma­ti­schen Her­lei­tung der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks stützt sich der Autor zunächst dar- auf, dass die bür­ger­lich-recht­li­che Stif­tung eine juris­ti- sche Per­son ist.19 Anzu­knüp­fen ist an das heu­te herr- schen­de rechts­tech­ni­sche Ver­ständ­nis der juris­ti­schen Per­son, wel­ches von John begrün­det wur­de. Danach ist die juris­ti­sche Per­son ein eigen­stän­di­ger Rechts­trä­ger, der eine eige­ne Hand­lungs­or­ga­ni­sa­ti­on, einen eige­nen Haf­tungs­ver­band und eine eige­ne Iden­ti­täts­aus­stat­tung mit eige­nem Namen und Sitz hat.20 Der Stiftungszweck

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Nis­sel, in: Werner/Saenger, Stif­tungs­recht, 2008, Kap. VI, Rn. 207; Hüttemann/Rawert, in: Stau­din­ger, 2010, vor § 80, Rn. 5; Happ, Stif­ter­wil­le und Zweck­än­de­rung, 2007, S. 9; Nietzer/Stadie, NJW 2000, S. 3457.

Hof, in: v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechtshandbuch,

2014, § 7, Rn. 1.
Rawert, in: Hopt/Reuter, Stif­tungs­recht in Euro­pa, 2001, S. 109,

S. 115.
Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 23 f.,

S. 38.
Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 56 ff. Schwin­tek, Vor­stands­kon­trol­le in rechts­fä­hi­gen Stif­tun­gen bürgerli-

chen Rechts, 2001, S. 123.
Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 49 ff. John, Die orga­ni­sier­te Rechts­per­son, 1977, S. 72 ff., S. 115 ff.

muss folg­lich ein eigen­stän­di­ger – von außer­halb der Stif­tung lie­gen­den Umstän­den unab­hän­gi­ger – Bestand- teil der Hand­lungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Stif­tung sein.21 Er muss zudem aber auch als Ergeb­nis eines pri­vat­au­to­no- men Orga­ni­sa­ti­ons­ak­tes des Stif­ters ver­stan­den wer­den, wel­cher gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ver­fas­sungs­recht­lich ge- schützt ist.22 Da der pri­vat­au­to­no­me Akt des Stif­tens auf die Grün­dung einer mit­glie­der­lo­sen Rechts­per­son ge- rich­tet ist, kann auf eine Wei­sungs­funk­ti­on des Stif- tungs­zwecks geschlos­sen werden.23 Eine Wei­sungs­funk- tion des Stif­tungs­zwecks kom­pen­siert es, dass der Stif­ter nicht wie ein Gesell­schaf­ter über Wei­sungs­rech­te oder sons­ti­ge Ein­wir­kungs­rech­te das Gesche­hen der Stif­tung beein­flus­sen und sei­ne Grund­rechts­po­si­ti­on als Grün- der der Stif­tung bewah­ren kann. Der Stif­tungs­zweck kann­da­mi­tals­die­ein­zi­ge­Wei­sung­des­Stif­ters­ver­stan- den wer­den. Durch die Wei­sungs­funk­ti­on des Zwecks ist letz­te­rer ein Schar­nier zwi­schen dem ein­ma­lig im Stif- tungs­ge­schäft erklär­ten Wil­len des Stif­ters und der nach der Aner­ken­nung grund­sätz­lich nicht mehr ver­än­der­ba- ren Hand­lungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Stiftung.24 Der wei- sungs­ge­ben­de Stif­tungs­zweck muss stets im Zusam­men- hang mit dem dau­er­haf­ten – im Grund­satz auf ewi­ge Exis­tenz ange­leg­ten – Cha­rak­ter der Stif­tung gese­hen wer­den. Die Wei­sungs­funk­ti­on muss so ver­stan­den wer- den, dass sie auf die best­mög­li­che dau­er­haf­te Zwecker- fül­lung gerich­tet ist; umge­kehrt muss die Stif­tung dau­er- haft so aus­ge­stat­tet und aus­ge­rich­tet sein, dass tat­säch- lich auch eine fort­wäh­ren­de Zweck­ver­fol­gung erfol­gen kann.

IV. Die Kon­se­quen­zen der Weisungsfunktion

Wenn die Fra­ge, wel­che genaue Funk­ti­on des Stif­tungs- zwecks aus­zu­ma­chen ist, Aus­gangs­punkt der Dis­ser­ta­ti- on war, drängt sich, nach­dem der Autor eine Wei­sungs- funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks her­ge­lei­tet hat, die Fra­ge nach der Bedeu­tung die­ser Funk­ti­on für ein­zel­ne Rechts- fra­gen im Stif­tungs­recht auf. Ist die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks ein Erkennt­nis­ge­winn mit prak­ti- schen Kon­se­quen­zen oder ein blo­ßes theo­re­ti­sches Glas- perlenspiel?

1. Fol­ge­pflich­ten der Stiftungsorgane

Pra­xis­re­le­vant sind zunächst die auf eine best­mög­li­che Umset­zung gerich­te­ten Fol­ge­pflich­ten der Stiftungsorga-

21 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 51 f.
22 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 52 f.
23 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 53 ff. 24 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 56.
25 Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 87 ff.

ne. Hier zeigt sich eine kla­re Hand­lungs­an­wei­sung, die kei­nen Spiel­raum für die Ein­brin­gung zweck­frem­der Belan­ge in die Stif­tung lässt. Für die Stif­tungs­or­ga­ne zeigt die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks – möge es noch so vie­le Inter­es­sen außen­ste­hen­der Per­son geben – eines auf: Die Stif­tung wird nicht von einer Per­son beherrscht, son­dern von dem ihr vom Stif­ter ver­lie­he­nen Zweck.

2. Bedeu­tung für Vor­aus­set­zun­gen zur Zuläs­sig­keit des Zwecks

Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks trägt zudem zum Ver­ständ­nis und zur genaue­ren Defi­ni­ti­on der­je­ni- gen gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen bei, wel­che hin­sicht- lich der Zuläs­sig­keit von Stif­tungs­zwe­cken bestehen.25 So lässt sich die Anfor­de­rung eines hin­rei­chend bestimm­ten Stif­tungs­zwecks dahin­ge­hend defi­nie­ren, dass der Stif­tungs­zweck so prä­zi­se sein muss, dass von ihm eine Rich­tungs­wei­sung aus­ge­hen kann; die blo­ße Nen­nung all­ge­mei­ner Ober­be­grif­fe wie „Sport“ oder „Kunst“ genügt dem Bestimmt­heits­ge­bot nicht.26 Außer- dem ist die Wei­sungs­funk­ti­on aber auch beim zivil­recht­li- chen Benach­tei­li­gungs­ver­bot gemäß § 19 AGG rele­vant. Denn § 3 Abs. 5 AGG unter­sagt die Anwei­sung zu einer Benach­tei­li­gung. Hat ein Stif­tungs­zweck einen dis­kri­mi- nie­ren­den Cha­rak­ter, so weist er gemäß § 3 Abs. 5 AGG zu einer Dis­kri­mi­nie­rung an und ist daher gemäß § 134 BGB iVm § 21 Abs. 4 AGG nichtig.27

3. Ver­hält­nis von Zweck und sons­ti­gen Rege­lun­gen der Stiftungssatzung

Eine Fra­ge, die sich in Fol­ge der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks auf­drängt, betrifft die Funk­ti­on der sons­ti­gen Rege­lun­gen der Stif­tungs­sat­zung und deren Rang­ver­hält­nis gegen­über dem Zweck. Die wei­te­ren Bestim­mun­gen der Sat­zung haben kei­ne Wei­sungs­funk- tion. Wie auch bei den Sat­zun­gen von Gesell­schaf­ten geben sie den Rah­men vor, in wel­chem der Zweck zu errei­chen ist.28 Auch bei der Bestim­mung die­ses Hand- lungs­rah­mens gilt die Pri­vat­au­to­no­mie des Stif­ters. Daher müs­sen die sons­ti­gen Bestim­mun­gen der Stif- tungs­sat­zung auch nicht zwin­gen­der­ma­ßen auf eine opti­ma­le Zweck­erfül­lung zuge­schnit­ten sein.29 Auf- grund des in § 80 Abs. 2 BGB erfass­ten Grund­sat­zes der dau­ern­den und nach­hal­ti­gen Zweck­erfül­lung – wel­ches auf die dau­er­haf­te Erhal­tung der Wirk­sam­keit des wei-

26 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 87 ff. 27 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 118 ff. 28 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 61 ff. 29 A.A.: Reu­ter, NZG 2005, S. 649 ff.

Dyl­la · Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks 6 5

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sungs­ge­ben­den Stif­tungs­zwecks gerich­tet ist – muss jedoch stets ein för­dern­des Ver­hält­nis zum Stif­tungs- zweck gege­ben sein.30 Die­ser Maß­stab kann in der Pra­xis ins­be­son­de­re bei den Rege­lun­gen des Stif­tungs­ge­schäfts zur Ver­mö­gens­ver­wal­tung rele­vant wer­den, wel­che hin- sicht­lich einer dau­er­haf­ten Zweck­ver­fol­gung wirt­schaft- lich sinn­voll gestal­tet sein müssen.31

4. Durch­set­zung der Wei­sungs­funk­ti­on und Haf­tung der Organwalter

Han­delt ein Stif­tungs­or­gan der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks zuwi­der, so kommt einer­seits ein Ein- grei­fen der behörd­li­chen Stif­tungs­auf­sicht und ande­rer- seits eine Haf­tung der Organ­wal­ter gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Hier ist bei­spiels­wei­se an Fäl­le risi­ko- rei­cher Ver­mö­gens­an­la­ge­ent­schei­dun­gen zu den­ken, die eine dau­er­haf­te Zweck­ver­fol­gung gefähr­den können.32 Ein Dilem­ma liegt für die Stif­tungs­or­ga­ne dar­in, dass der Weg der best­mög­li­chen Zweck­ver­fol­gung nicht stets ein- deu­tig vor Augen liegt. In der Vor­stands­pra­xis ist es erfor­der­lich, ver­schie­de­ne Hand­lungs­va­ri­an­ten zu dis- kutie­ren und Pro­gno­se­ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Bei der Über­prü­fung des Organ­han­delns ist daher die ex ante Per­spek­ti­ve zu wah­ren. Liegt danach kein evi­den­tes Fehl­ver­hal­ten vor, muss sich die Über­prü­fung dar­auf beschrän­ken, ob das Ent­schei­dungs­ver­fah­ren des Stif- tungs­or­gans ord­nungs­ge­mäß war.33 Auf­grund der erfor- der­li­chen ex ante Per­spek­ti­ve ist es bezüg­lich der Haf- tung von Stif­tungs­or­ga­nen auch sinn­voll, den Rechts­ge- dan­ken der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodi­fi­zier­ten busi­ness jud­ge­ment rule auf das Stif­tungs­recht zu übertragen.34 Gemäß die­ser Vor­schrift liegt eine Pflicht­ver­let­zung nicht vor, wenn das Vor­stands­mit­glied bei einer unter- neh­me­ri­schen Ent­schei­dung ver­nünf­ti­ger­wei­se anneh- men durf­te, auf der Grund­la­ge ange­mes­se­ner Infor­ma­ti- on zum Woh­le der Gesell­schaft zu handeln.

  1. 30  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 155 ff.; hin­ge­gen für ein völ­lig gleich­stu­fi­ges Ver­hält­nis von Stif­tungs- zweck und sons­ti­gen Bestim­mun­gen der Stif­tungs­sat­zung: Scholz/ Lan­ger, Stif­tung und Ver­fas­sung, 1990, S. 15 ff.
  2. 31  Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 173 ff.
  3. 32  Sie­he BGH, Urteil vom 20.11.2014 – III ZR 509/13, NZG 2015, S. 38 ff. Eine Haf­tung kann bei einer fal­schen Anla­ge­ent­schei­dung auch die Bera­ter der Stif­tung tref­fen; sie­he OLG Frank­furt a. M., Urteil vom 28.1.2015 – 1 U 32/13, NZG 2015, S. 600 ff.
  4. 33  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 186 ff.; zur sorg­fäl­ti­gen Ent­schei­dung bei der Zweck­be­fol­gung: Schwin­tek, Vor­stands­kon­trol­le in rechts­fä­hi­gen Stif­tun­gen bür­ger­li­chen Rechts, 2001, S. 131 ff.
  5. 34  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 195 f. (dort wei­te­re Nach­wei­se); aus­führ­lich zur Anwen­dung der busi- ness jud­ge­ment rule im Stif­tungs­recht: Gol­lan, Vor­stands­haf­tung in der Stif­tung, 2009, S. 267 ff.

5. Gren­zen der Gestal­tungs­frei­heit des Stifters

Ein wesent­li­cher Bezugs­punkt der hier vor­ge­stell­ten Dis- ser­ta­ti­on sind die Aus­sa­gen, wel­che sich aus der Wei- sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks für die Gestal­tungs- frei­heit des Stif­ters und deren Gren­zen ablei­ten lassen.35 Hin­sicht­lich der Gestal­tungs­frei­heit bei Stif­tun­gen hat in der wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on vor allem die Habi­li- tati­ons­schrift von Burgard für Auf­se­hen gesorgt.36 Bur- gard ist der Ansicht, dass auch der bür­ger­lich-recht­li- chen Stif­tung gemäß §§ 80 ff. BGB eine kor­po­ra­ti­ve Struk­tur inso­fern ver­lie­hen wer­den kön­ne, dass sich die Wil­lens­bil­dung der Stif­tung „als eine von dem Wil­len der Betei­lig­ten getra­ge­ne Inter­es­sen­ge­mein­schaft und nicht stif­tungs­ty­pisch als Instru­ment zur Ver­ewi­gung des Stif­ter­wil­lens“ dar­stel­len könne.37 Damit stellt sich Burgard gegen die herr­schen­de Auf­fas­sung, die in derar- tigen Gestal­tun­gen einen Wider­spruch zur erfor­der­li- chen Grund­struk­tur und den Typus von Stif­tun­gen sieht.38 Burgard trifft durch­aus einen Schwach­punkt der herr­schen­den Mei­nung, wenn er dar­auf ver­weist, dass typo­lo­gi­schen Argu­men­ta­tio­nen nicht zwin­gend zu fol- gen ist; aus dem Gesell­schafts­recht sind „unty­pi­sche“ – aber zuläs­si­ge – Kon­stel­la­tio­nen bekannt (z.B. die GmbH & Co. KG).39 Den­noch ist die Ein­rich­tung von Stif­tungs- orga­nen, deren Organ­wal­ter nach ihrem frei­en Wil­len die Richt­li­ni­en der Stif­tung bestim­men, unzulässig.

Die herr­schen­de Mei­nung gelangt zu dem rechts­dog- matisch rich­ti­gen Ergeb­nis. Der Grund dafür liegt nach der Über­zeu­gung des Autors in der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks. Denn die Wei­sungs­funk­ti­on wür­de durch auto­nom ent­schei­den­de Stif­tungs­or­ga­ne durch- bro­chen wer­den. Da die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif- tungs­zwecks ein aus dem Cha­rak­ter als juris­ti­sche Per- son, aus der Mit­glie­der­lo­sig­keit und der Stif­ter­frei­heit bei der Stif­tungs­grün­dung her­zu­lei­ten­des Strukturmerk-

35 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 206 ff. 36 Burgard, Gestal­tungs­frei­heit im Stif­tungs­recht, 2006, S. 1 ff.
37 Burgard, Gestal­tungs­frei­heit im Stif­tungs­recht, 2006, S. 668 f. In

eine ähn­li­che Rich­tung wei­sen die von einer rechts­ver­glei­chen­den Betrach­tung aus­ge­hen­den Arbei­ten von Hip­pels und Schlü­ters: Sie­he von Hip­pel, Grund­pro­ble­me von Non­pro­fit-Orga­ni­sa­tio­nen, 2007, S. 421 ff.; Schlü­ter, Stif­tungs­recht zwi­schen Pri­vat­au­to­no­mie und Gemein­wohl­bin­dung, 2004, S. 256 f.

38 Sie­he Wies­ner, Kor­po­ra­ti­ve Struk­tu­ren bei der Stif­tung bür­ger- lichen Rechts, 2012, S. 37 ff.; Hüttemann/Rawert, in: Stau­din­ger, § 85, Rn. 9 ff.; Rawert, in: Fest­schrift für Hans-Joa­chim Pries­ter zum 70. Geburts­tag, 2007, S. 649 ff.; Reu­ter, AcP 207 (2007), 1,
S. 6 ff.; Happ, Stif­ter­wil­le und Zweck­än­de­rung, 2007, S. 42 ff.; Jacob, Schutz der Stif­tung, 2006, S. 209 f.; Flu­me, Allg. Teil des Bür­ger­li­chen Rechts, I/2 Die juris­ti­sche Per­son, S. 131; Musche­ler, ZSt 2003, S. 67, 77.

39 Burgard, Gestal­tungs­frei­heit im Stif­tungs­recht, 2006, S. 675 ff.

mal ist, darf sie auch durch Gestal­tun­gen des Stif­ters nicht aus­ge­he­belt wer­den. Die Stif­tungs­grün­dung ist näm­lich eine bewuss­te Ent­schei­dung des Stif­ters für die in den §§ 80 ff. BGB mit­glie­der­lo­se juris­ti­sche Per­son. Ein Stif­ter muss sich vor der Stif­tungs­er­rich­tung der Kon­se­quen­zen sei­ner Ent­schei­dung bewusst sein.40 Ist – anders als bei Burgard – aber mit der Schaf­fung kor­po­ra- tiver Struk­tu­ren ledig­lich gemeint, dass Bera­tungs- oder Mit­wir­kungs­or­ga­ne geschaf­fen wer­den (z.B. bei Bür­ger- stif­tun­gen), so steht dem die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif- tungs­zwecks nicht ent­ge­gen, so lan­ge das jewei­li­ge Or- gan zweck­ge­bun­den und nicht auto­nom handelt.41

6. Ände­run­gen von Stif­tungs­zweck und ande­ren Rege­lun­gen der Stiftungsatzung

Von erheb­li­cher Bedeu­tung war bei der hier vor­ge­stell- ten Arbeit zudem die Fra­ge, wel­che Mög­lich­kei­ten bes­te- hen, den Zweck oder sons­ti­ge Bestim­mun­gen der Stif- tungs­sat­zung zu ändern. Neben dem sehr restrik­ti­ven § 87 BGB (Fäl­le der Unmög­lich­keit und der Gefähr­dung des Gemein­wohls) bestehen zu Ände­run­gen des Stif- tungs­zwecks Rege­lun­gen in ver­schie­de­nen Lan­des­s­tif- tungs­ge­set­zen (z.B. § 6 StiftG BW). Der herr­schen­den Ansicht ist jedoch dar­in zu fol­gen, dass § 87 BGB hin- sicht­lich einer Zweck­än­de­rung durch die Stif­tungs­auf- sicht von Amts wegen als abschlie­ßen­des Bun­des­recht anzu­se­hen ist, wel­ches die lan­des­recht­li­chen Nor­men verdrängt.42 Unter Her­an­zie­hung der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks sieht der Autor neben den Fäl­len des § 87 BGB eine Zweck­än­de­rung auch dann als mög­lich an, wenn im Stif­tungs­ge­schäft der Fall und der Weg einer sol­chen Zweck­än­de­rung vor­ge­zeich­net sind.43 Als geset- zes­nor­ma­ti­ver Anknüp­fungs­punkt für eine sol­che Zweck­än­de­rung kann mit Nis­sel44 § 81 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 BGB ange­se­hen wer­den. Die Ände­rungs­be­stim­mung ist selbst als ein Teil­be­stand­teil des wei­sungs­ge­ben­den Stif- tungs­zwecks anzu­se­hen, der unter den gege­be­nen Umstän­den zu einer Ände­rung der Stif­tungs­tä­tig­keit anweist.45 Eine Ände­rung sons­ti­ger Bestim­mun­gen der Stif­tungs­sat­zung kann einer­seits beim Ein­tref­fen von in der Sat­zung selbst gere­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen erfol­gen, solan­ge die Zweck­bin­dung des Stif­tungs­han­delns gewahrt bleibt. Ande­rer­seits muss eine sol­che Änderung

  1. 40  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 212 ff.
  2. 41  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 215 ff.
  3. 42  Happ, Stif­ter­wil­le und Zweck­än­de­rung, 2007, S. 138 ff.; Nis­sel, in:Werner/Saenger, Stif­tungs­recht, 2008, Kap. VI, Rn. 237; Hüt­te-mann/Rawert, in: Stau­din­ger, 2010, § 87, Rn. 4.
  4. 43  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 222 ff.Zu einer erfor­der­li­chen Vor­zeich­nung einer Zweck­än­de­rung im Stif­tungs­ge­schäft sie­he auch Musche­ler, ZErb 2005, S. 4, 7 ff., der die erb­recht­li­chen Grund­sät­ze des § 2065 Abs. 2 BGB überträgt.

auch stets dann mög­lich sein, wenn die zu ändern­de Rege­lung der Stif­tungs­sat­zung in kei­nem för­dern­den Ver­hält­nis mehr zum Stif­tungs­zweck steht.46

7. Rele­vanz der Wei­sungs­funk­ti­on für Außen­rechts­ver­hält­nis­se der Stiftung

Ein Kapi­tel der hier vor­ge­stell­ten Dis­ser­ta­ti­on behan­delt die Bedeu­tung der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs- zwecks für die Rechts­ver­hält­nis­se der Stif­tung zu ande- ren natür­li­chen oder juris­ti­schen Personen.47 Hier­zu muss beach­tet wer­den, dass die Wei­sung des Stif­tungs- zwecks, wie auch bei­spiels­wei­se eine Wei­sung eines GmbH-Gesell­schaf­ters an die Geschäfts­füh­rung, im Innen­ver­hält­nis wirkt. Eine unmit­tel­ba­re Außen­wir­kung kann ihr nicht ent­nom­men wer­den; eine Bedeu­tung des Stif­tungs­zwecks kann aber in einem Schuld­ver­hält­nis (z.B. einem Arbeits­ver­hält­nis oder einer Zustif­tungs­ver- ein­ba­rung) erfasst wer­den. Vor dem Hin­ter­grund der pri­mä­ren Wir­kung des wei­sungs­ge­ben­den Stif­tungs- zwecks im Innen­ver­hält­nis ist die Auf­fas­sung des BGH durch­aus kri­tik­wür­dig, wonach der Stif­tungs­zweck und nicht ein Schen­kungs­ver­trag der Rechts­grund sei, wenn eine Stif­tung zur Erfül­lung ihres Stif­tungs­zwecks einen Finan­zie­rungs­ver­trag mit einem Desti­na­t­är schließt.48 Hier hat der BGH aus der Sicht des Autors die Reich­wei- te des Stif­tungs­zwecks über­spannt. Denn auch im Bei- spiel einer von den Gesell­schaf­tern einer GmbH ange- reg­ten Wer­be­ge­schenk­ak­ti­on ist nicht die Gesell­schaf- ter­wei­sung son­dern ein Schen­kungs­ver­trag Rechts­grund für das Behal­ten­dür­fen des Werbegeschenks.49

8. Bedeu­tung für das Gemeinnützigkeitsrecht

Im abschlie­ßen­den Teil der Dis­ser­ta­ti­on befasst sich der Autor mit der Bedeu­tung der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif- tungs­zwecks für das Gemeinnützigkeitsrecht.50 Aus Sicht des Autors kann die Annah­me einer Wei­sungs- funk­ti­on des Zwecks mit den gemein­nüt­zig­keits­recht­li- chen Bestim­mun­gen der Abga­ben­ord­nung gut in Ein- klang gebracht wer­den. Die Wei­sungs­funk­ti­on ver­ein- facht sogar die Ein­hal­tung gemein­nüt­zig­keits­recht­li­cher Grund­sät­ze wie der Selbst­lo­sig­keit und Aus­schließ­lich- keit gemäß §§ 55 f. AO.51 Für den Autor noch offe­ne Fra- gen bestehen bezüg­lich der dog­ma­ti­schen Einordnung

44 Nis­sel, in: Werner/Saenger, Stif­tungs­recht, 2008, Kap. VI, Rn. 235. 45 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 225 f. 46 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 230 ff. 47 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 233 ff.

(5. Kapi­tel).
48 BGH, Urteil vom 7. 10. 2009 – Xa ZR 8/08, NZG 2009, S. 1433 ff. 49 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 253 f. 50 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 267 ff. 51 Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 271 f.

Dyl­la · Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks 6 7

68 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2016), 63–70

von § 56 Nr. 6 AO. Hier spricht er sich für die Annah­me eines aus­nahms­wei­se von der Abga­ben­ord­nung zuge­las- senen Neben­stif­tungs­zwecks aus.52

V. Der wei­sungs­ge­ben­de Stif­tungs­zweck in der Rechts­pra­xis – der Fall Zeppelin

Ziel der hier vor­ge­stell­ten Dis­ser­ta­ti­on ist es, einen Bei- trag zur Erfor­schung und Dis­kus­si­on der rechts­struk­tu- rel­len Grund­la­gen des Stif­tungs­rechts zu leis­ten. Das Grün­den der rechts­fä­hi­gen Stif­tung gemäß §§ 80 ff. BGB ist aus sozia­ler und recht­li­cher Sicht eine außer­ge­wöhn- liche Ent­schei­dung. Durch das Grün­den einer auf Dau­er ange­leg­ten juris­ti­schen Per­son ohne jeg­li­che Mit­glie­der ist das Stif­ten meist eine Ent­schei­dung mit weit über den Tod des Stif­ters hin­aus­ra­gen­den Wir­kun­gen. Die­se Wir- kun­gen wer­den wegen der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif- tungs­zwecks erzielt. Dies ist nicht für jeden poten­ti­el­len und aktu­el­len Stif­ter attrak­tiv, da auch der leben­de Stif­ter nach der Stif­tungs­grün­dung den objek­tiv aus­zu­le­gen­den Stif­tungs­zweck nicht mehr ver­än­dern und in sei­ne Wei- sungs­wir­kung ein­grei­fen kann. Die Ent­schei­dung für eine Grün­dung einer selbst­stän­di­gen pri­va­ten Stif­tung soll­te daher nicht leicht­fer­tig – etwa nur wegen des gesell­schaft­li­chen Pres­ti­ges des Stif­ters – erfol­gen. Der­je- nige aber, der an der kon­se­quen­ten Ver­wen­dung von Stif­tungs­mit­teln für einen bestimm­ten Zweck inte­res- siert ist, fin­det gera­de in der bür­ger­lich-recht­li­chen Stif- tung mit ihrem wei­sungs­ge­ben­den Stif­tungs­zweck eine reiz­vol­le Grün­dungs­mög­lich­keit. Denn die Wei­sungs- funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks führt zu einer – in ande­ren Rechts­for­men nicht zu errei­chen­den – Bestän­dig­keit des Stif­tungs­han­delns. Die Wahl­mög­lich­keit für oder gegen die vom wei­sungs­ge­ben­den Zweck ange­trie­be­ne Stif­tung gemäß §§ 80 ff. BGB ist ins­be­son­de­re in Zei­ten rasch wech­seln­der poli­ti­scher und sozia­ler Trends reiz­voll. Weni­ger reiz­voll für die betrof­fe­nen Ent­schei­dungs­trä- ger sind die Kon­flikt­si­tua­tio­nen, die hin­sicht­lich des kor- rek­ten Umgangs mit dem Stif­tungs­zweck auf­tre­ten kön- nen. Der ein­gangs berich­te­te Fall der Fried­richs­ha­fe­ner Zep­pe­lin-Stif­tung ist hier­für ein gutes Bei­spiel. Einer- seits ist der Fall für die Stadt Fried­richs­ha­fen besorg­nis- erre­gend; neben dem städ­ti­schen Haus­halt in Höhe von 307 Mil­lio­nen Euro stell­ten für das Jahr 2015 Stif­tungs- gel­der der Zep­pe­lin-Stif­tung einen aus­ge­glie­der­ten Pos- ten von 94 Mil­lio­nen Euro dar.53 Ande­rer­seits ist der

  1. 52  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 278 ff.
  2. 53  Gruppe/Hennings/Range, Geschäfts­grund­la­ge in Gefahr, in:Schwäbische Zei­tung vom 25.9.2015, S. 3.
  3. 54  Vgl. die ver­schie­de­nen Fas­sun­gen des BGB in der online pub-lizier­ten Quel­len­samm­lung des Inns­bru­cker Rechts­his­to­ri­kers Ger­hard Köb­ler, www.koeblergerhard.de.

Vor­wurf des Uren­kels des Stif­tungs­grün­ders, dass der wah­re Stif­tungs­zweck nicht befolgt wer­de, in Anbe­tracht der Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks schwer­wie- gend.

1. Miss­ach­tung der Wei­sungs­funk­ti­on des Stiftungszwecks?

Der aktu­el­le Streit über die Fried­richs­ha­fe­ner Zep­pe­lin- Stif­tung – genau­er gesagt die dar­über aus der Pres­se bekann­ten Tat­sa­chen – legen nahe, dass es auf eine genaue Betrach­tung des kon­kre­ten Stif­tungs­zwecks und des­sen Funk­ti­on inner­halb der Stif­tung ankom­men wird. Die Auf­fas­sung Albrecht Graf von Bran­den­stein- Zep­pe­lins, dass der Stif­tungs­zweck – För­de­rung der Luft­schiff­fahrt und der wei­te­ren Luft­fahrt – nicht hät­te auf­ge­ge­ben wer­den dür­fen, ist jeden­falls zunächst durch- aus nach­voll­zieh­bar. Denn ein Stif­tungs­zweck muss wegen sei­ner Wei­sungs­funk­ti­on kon­se­quent ver­folgt wer­den. Einen Auto­ma­tis­mus, dass der Zweck in Kri­sen- zei­ten nicht mehr befolgt wer­den muss und abge­än­dert wer­den kann, gibt es nicht.

2. Mög­lich­keit der Zweck­än­de­rung / Umwandlung?

Dem­ge­gen­über bestehen aller­dings Mög­lich­kei­ten der Zweck­än­de­rung. § 87 Abs. 1 BGB regelt die Zweck­än­de- rung von Amts wegen, für den Fall, dass der Stif­tungs- zweck unmög­lich wird oder das Gemein­wohl gefähr­det. Die Rege­lung bestand bereits in der Fas­sung des BGB zum Ende des 2. Weltkriegs.54 Es liegt nahe, jeden­falls den Rechts­ge­dan­ken die­ser Rege­lung auch auf die bei Zep- pelin vor­ge­nom­me­ne Zweck­än­de­rung anzu­wen­den, die mit einer Umwand­lung der bür­ger­lich-recht­li­chen Stif­tung in eine unselbst­stän­di­ge Stif­tung der Stadt Fried­richs­ha­fen ver­bun­den war. Dafür spricht, dass § 87 BGB sogar als schärfs­te Maß­nah­me die Auf­lö­sung der Stif­tung vor- sieht; eine Umwand­lung in eine ande­re Stif­tungs­art ist dies­be­züg­lich ein mil­de­res Mit­tel. Zudem spricht der Wort­laut von § 87 Abs. 2 und Abs. 3 von einer „Umwand- lung“ des Zwecks. Für den Fall der feh­len­den Erfüll­bar- keit des Stif­tungs­zwecks sah hier zudem die Sat­zung den Stif­tungs­über­gang auf die Stadt Fried­richs­ha­fen vor.55

3. Unmög­lich­keit der Zweckverfolgung?

Zunächst könn­te man bei der Zep­pe­lin-Stif­tung anzu- neh­men, dass eine wei­te­re Ver­fol­gung des bis­he­ri­gen Stif­tungs­zwecks nach der Kriegs­nie­der­la­ge Deutschlands

55 Bei die­ser Bestim­mung kann man dar­über dis­ku­tie­ren, ob sie als Zweck­än­de­rungs­be­stim­mung zu ver­ste­hen war oder wegen der Auf­lö­sung einer selbst­stän­di­gen Stif­tung zu Guns­ten einer unselbst­stän­di­gen Stif­tung der Stadt eine Rege­lung des Ver­mö- gens­an­falls gemäß § 88 BGB darstellte.

und den Beden­ken der fran­zö­si­schen Besat­zungs­macht gegen­über dem in der Rüs­tungs­in­dus­trie täti­gen Zep­pe­lin- Kon­zern unmög­lich war. Bezüg­lich der Unmög­lich­keit der Zweck­ver­fol­gung gel­ten die von § 275 Abs. 1 BGB bekann- ten Maß­stä­be der tat­säch­li­chen und recht­li­chen Unmög- lich­keit. Unmög­lich­keit liegt vor, wenn aus tat­säch­li­chen oder recht­li­chen Grün­den der Stif­tungs­zweck nicht (mehr) dau­er­haft ver­folgt wer­den kann.56 Ob bei der Zep­pe­lin-Stif- tung nach dem 2. Welt­krieg eine Unmög­lich­keit der wei­te- ren Ver­fol­gung des bis­he­ri­gen Stif­tungs­zwecks bestand, ist schwer zu beur­tei­len. Einer­seits ist es ein­leuch­tend, dass Hand­lungs­zwän­ge gegen­über der Besat­zungs­macht bestan­den. Ande­rer­seits wird von einem Macht­kampf um die Stif­tungs­in­ter­es­sen berich­tet, der in den Jah­ren 1945 bis 1947 geherrscht haben soll, unter Betei­li­gung der Stadt Fried­richs­ha­fen, der pro­vi­so­ri­schen Lan­des­re­gie- rung in Tübin­gen, der fran­zö­si­schen Besat­zungs­macht und loka­ler Inter­es­sen­grup­pen (dar­un­ter der lang­jäh­ri­ge Stif­tungs­vor­stand Hugo Eckener).57 Inwie­fern es tat- säch­lich zum dama­li­gen Zeit­punkt noch mög­lich war, einen von der Besat­zungs­macht nicht mehr erwünsch- ten Stif­tungs­zweck zu ver­fol­gen, ist frag­lich. Zur Klä- rung die­ser Fra­ge könn­te im Fried­richs­ha­fe­ner Fall aber ein his­to­ri­sches Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ein­zu­ho­len sein. Jeden­falls muss man – nimmt man eine Unmög- lich­keit des Stif­tungs­zwecks an – kon­sta­tie­ren, dass in der Fol­ge eine zweck­kon­for­me Umwand­lung der Stif- tung vor­ge­nom­men wor­den wäre. Denn die dem Zweck bei­gefüg­te Wei­sung, wie mit dem Weg­fall der Erfüll­bar- keit des Zwecks umzu­ge­hen sein wür­de, wäre mit dem Über­gang der Stif­tung auf die Stadt Fried­richs­ha­fen zu mild­tä­ti­gen Zwe­cken befolgt worden.

4. Gefähr­dung des Gemeinwohls?

Auf die zwei­te Alter­na­ti­ve des § 87 Abs. 1 BGB, wonach eine Zweck­än­de­rung bei einer Gefähr­dung des Gemein- woh­les zuläs­sig ist, wird man die Umwand­lung der Zep- pelin-Stif­tung aus heu­ti­ger Sicht nicht stüt­zen kön­nen. Zwar lässt der Wort­laut „Gemein­wohl“ ver­schie­de­ne Aus­le­gun­gen zu, wie auch die­je­ni­ge, dass eine Zweckän- derung bereits bei einer Gefähr­dung der öffent­li­chen Ord­nung mög­lich sein könn­te. Dem­nach könn­te der

  1. 56  Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 92 ff. Wegen der Prü­fung, ob der Zweck dau­er­haft wei­sungs­ge­bend wir­ken kann, bedarf es eines eige­nen Maß­stabs des § 275 Abs. 2 BGB hier nicht. Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 93; vgl. Back­ert, in: Beck’OK BGB, 36. Ed., 2015, § 87, Rn. 3; a.A.: Wei­temay­er, in: Mün­che­ner Kom­men­tar zum BGB, 7. Aufl., 2015, § 87, Rn. 6; eben- falls für eine Gel­tung des Maß­stabs von § 275 Abs. 2 BGB im Ergeb­nis aber mit glei­cher Wer­tung wie der Autor, dass die dau­er­haf­te und nach­hal­ti­ge Zweck­erfül­lung mög­lich sein muss: Hüttemann/Rawert, in: Stau­din­ger, 2010, § 87, Rn. 5.
  2. 57  Gruppe/Hennings/Range, Macht­kampf um die Stif­tung, in:

Zweck bereits schon dann geän­dert wer­den, wenn er den herr­schen­den sitt­li­chen Ansich­ten in einem betrof­fe­nen Gebiet zuwiderliefe.58 Die Beden­ken der fran­zö­si­schen Besat­zungs­macht gegen den ursprüng­li­chen Zweck der Stif­tung und der dar­aus resul­tie­ren­de Kon­flikt um die Stif­tungs­aus­rich­tung könn­ten durch­aus die öffent­li­che Ord­nung in die­sem Sin­ne gefähr­det haben. Aus heu­ti­ger Sicht ver­langt die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütz­te Stif- ter­frei­heit einen restrik­ti­ve­ren Maß­stab für die Annah- me einer Gemein­wohl­ge­fähr­dung. Eine sol­che wäre nur bei der kon­kre­ten Gefähr­dung ande­rer – nach einer Abwä­gung im Ein­zel­fall vor­ran­gi­ger – Ver­fas­sungs­gü­ter durch den Stif­tungs­zweck anzunehmen.59 Eine so zu defi­nie­ren­de Gemein­wohl­ge­fähr­dung lässt sich bei einem Zweck „För­de­rung der Luftschifffahrt/Luftfahrt“ nicht begründen.

5. Beson­der­hei­ten des Zeit­punkts der Umwandlung

Aller­dings wird es im Fall der Zep­pe­lin-Stif­tung eine nicht nur gerin­ge Rol­le spie­len, dass die Umwand­lung nach dem 2. Welt­krieg und vor der Grün­dung der Bun- des­re­pu­blik vor­ge­nom­men wur­de. Gera­de die Defi­ni­ti- on unbe­stimm­ter Rechts­be­grif­fe wie des Gemein­wohls wird von ver­fas­sungs­recht­li­chen Wer­tun­gen geprägt. Das Grund­ge­setz war jedoch zur Zeit der Umwand­lung der Zep­pe­lin-Stif­tung noch nicht in Kraft. Gera­de die stif­tungs­recht­li­che Dog­ma­tik wird wesent­lich von einem moder­nen Ver­ständ­nis der Pri­vat­au­to­no­mie gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geprägt. Die rechts­wis­sen­schaft­li­che Dis­kus- sion über die Stif­ter­frei­heit wur­de maß­geb­lich durch das Refe­rat Ernst-Joa­chim Mestmä­ckers auf dem Deut­schen Juris­ten­tag im Jahr 1962 vorangetrieben.60 Auch die in der vor­ge­stell­ten Dis­ser­ta­ti­on dar­ge­leg­te Wei­sungs­funk- tion des Stif­tungs­zwecks beruht auf einem durch die Pri- vat­au­to­no­mie gepräg­ten Ver­ständ­nis des Stif­tens – der Stif­tungs­zweck als Schar­nier zwi­schen der Stif­ter­frei­heit bei der Stif­tungs­grün­dung und der mit­glie­der­lo­sen Rechts­per­son Stif­tung. Es ist durch­aus frag­lich, in wel- chem Umfang Albrecht Graf von Bran­den­stein-Zep­pe­lin heu­ti­ge Maß­stä­be des Stif­tungs­zweck-Schut­zes auf die Umwand­lung der Zep­pe­lin-Stif­tung vor Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik über­tra­gen kön­nen wird. Außerdem

Schwä­bi­sche Zei­tung vom 25.9.2015, S. 3, sie­he hier­zu auch: Oellers/Semmler, Der Graf und die Stif­tung, Der Fried­richs­ha­fe- ner Zep­pe­lin-Pfad, 2008, S. 57 ff.; Semm­ler, in: Zep­pe­lin 1908 bis 2008, Stif­tung und Unter­neh­men, 2008, S. 249 ff.

58 Sie­he Depen­heu­er, in: Maunz/Dürig, Grund­ge­setz-Kom­men­tar, 74. EL, 2015, Art. 8, Rn. 155; Rühl, NVwZ 2003, S. 531, 532.

59 Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S. 110 ff.

60 Mestmä­cker, in: Ver­hand­lun­gen des vier­und­vier­zigs­ten Deut- schen Juris­ten­tags, 1964, S. G 3 ff.

Dyl­la · Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks 6 9

70 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2016), 63–70

könn­ten beson­de­re recht­li­che Wer­tun­gen auf­grund der dama­li­gen Besat­zung Deutsch­lands zu berück­sich­ti­gen sein. Es ist daher nicht über­ra­schend, dass bereits über die erfor­der­li­che Ein­ho­lung eines rechts­his­to­ri­schen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens nach­ge­dacht wird.61

6. Bestands­schutz

Gelangt man trotz die­ser Beson­der­hei­ten zu dem Ergeb- nis, dass die Umwand­lung der Stif­tung zweck- und damit rechts­wid­rig war, so stellt sich die Fra­ge, inwie­fern ein Bestands­schutz der Stif­tung zu beach­ten ist. Stol­te hat bereits die Fra­ge auf­ge­wor­fen, ob hier die Grund­sät­ze der feh­ler­haf­ten Gesell­schaft auf die Stif­tung über­tra­gen wer­den müssen.62 Frag­lich ist aber bereits, ob der Über- gang der Zep­pe­lin-Stif­tung nicht evtl. durch einen bestands­kräf­tig gewor­de­nen Ver­wal­tungs­akt erfolg­te. Die Umwand­lung der Stif­tung von Amts wegen ist ein rechts­ge­stal­ten­der Verwaltungsakt.63 Eine offen­sicht­li- che Feh­ler­haf­tig­keit der Umwand­lung — Nich­tig­keits­vor- aus­set­zung des heu­ti­gen § 44 Abs. 1 VwVfG — kann ange- sichts der erör­ter­ten Pro­ble­me bei der stif­tungs­recht­li- chen Bewer­tung des Fal­les kaum ange­nom­men wer­den. Es wür­de sich sodann die Fra­ge stel­len, ob die Stif­tungs- auf­sicht dazu ver­pflich­tet ist, den Ver­wal­tungs­akt gemäß § 48 VwVfG zurück­zu­neh­men. Dies­be­züg­lich besteht jedoch ein Ermes­sen. Frag­lich ist, ob im Fal­le einer rechts­wid­ri­gen aber bestands­kräf­ti­gen Zweck­än­de­rung die Stif­ter­frei­heit aus Art. 2 Abs. 1 GG zu einer gebun­de- nen Ent­schei­dung der Ver­wal­tung zu Guns­ten des ursprüng­li­chen Stif­tungs­zwecks führt.

7. Antrags- und Klagebefugnis

Die hier zuletzt zu behan­deln­de – im Ver­wal­tungs­ver- fah­ren und ‑rechts­streit aber pri­mä­re – Fra­ge ist, ob dem Uren­kel des Stif­tungs­grün­ders über­haupt eine Antrags-/ Kla­ge­be­fug­nis zusteht. Der Stif­ter selbst ist zwar der Begrün­der des wei­sungs­ge­ben­den Stif­tungs­zwecks; er ist aber nicht selbst Mit­glied der Stif­tung und damit Wei- sungs­ge­ber. Den­noch ver­langt aber die Stif­ter­frei­heit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG nach effek­ti­ven prozessualen

  1. 61  Sie­he Stol­te, zitiert in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 30.9.2015, S. 7.
  2. 62  Stol­te, zitiert in: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 30.9.2015, S. 7.
  3. 63  Wei­temey­er, in: Mün­che­ner Kom­men­tar zum BGB, § 87, Rn. 27;Schlüter/Stolte, Stif­tungs­recht, 2. Aufl., 2013, Kap. 3, Rn. 44 ff.
  4. 64  Sie­he Dyl­la, Die Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs­zwecks, 2015, S.

Mög­lich­kei­ten des Rechts­schut­zes und der Rechts­ver­tei- digung.64 Vor die­sem Hin­ter­grund ist die Ansicht Wei­te- mey­ers, dem Stif­ter sei gegen­über einer Zweck­än­de­rung von Amts wegen eine Befug­nis zu einer Anfech­tungs­k­la- ge ein­zu­räu­men, zustimmungswürdig.65 Auf­grund des engen sach­li­chen Zusam­men­hangs ist auch die Antrags- und Kla­ge­be­fug­nis des Stif­ters bezüg­lich einer Rück­nah- me im Sin­ne von § 48 VwVfG zu beja­hen. Äußerst prob- lema­tisch ist hin­ge­gen, ob ein Uren­kel des Stif­ters – als Erbe, aus einem berech­tig­ten fami­liä­ren Inter­es­se an der Stif­tung oder als eine Art Pro­zess­stand­schaf­ter für den Stif­ter­wil­len – Befug­nis­se gegen­über der Stif­tungs­auf- sicht gel­tend machen kann. Die auf­grund der Mit­g­lie- der­lo­sig­keit der Stif­tung nahe­lie­gen­de Ant­wort lau­tet nein. Und den­noch: Wis­sen­schaft und Recht­spre­chung müs­sen sich Gedan­ken machen, wie auch nach dem Tod des Stif­ters des­sen Stif­ter­frei­heit, die in einen wei­sungs- geben­den Stif­tungs­zweck mün­det, effek­tiv geschützt wer­den kann. Dies könn­te in der Tat für eine Ererb­bar- keit der Antrags- und Kla­ge­be­fug­nis sprechen.

8. Aus­blick

Gera­de auch bei dem Fall der Fried­richs­ha­fe­ner Zep­pe- lin Stif­tung schei­nen wesent­li­che Grund­cha­rak­te­ris­ti­ka einer Stif­tung auf. Der dau­er­haf­te Bestand der mit­g­lie- der­lo­sen Stif­tung unab­hän­gig vom Stif­ter; aber auch das Beru­hen der Stif­tung auf ihrer pri­vat­au­to­no­men Grün- dung durch den Stif­ter. Aus bei­den Cha­rak­te­ris­ti­ka resul­tiert bei bür­ger­lich-recht­li­chen Stif­tun­gen gemäß §§ 80 ff. BGB eine Wei­sungs­funk­ti­on des Stif­tungs- zwecks. Um die­sen bei­den Cha­rak­te­ris­ti­ka gerecht zu wer­den, könn­te – soweit ver­wal­tungs­recht­lich mög­lich – für die Betei­lig­ten des Zep­pe­lin-Falls durch­aus auch eine güt­li­che Lösung reiz­voll sein: Etwa der Erhalt der aktuel- len Stif­tungs­struk­tur bei einer Gewähr­leis­tung, dass die Stif­tung in Zukunft gewis­se For­schungs­pro­jek­te hin- sicht­lich der Luft­fahrt unterstützt.

Phil­ip Dyl­la ist beim Amts­ge­richt Schwein­furt als Rich- ter für Zivil- und Nach­lass­sa­chen zuständig.

236 ff. Sie­he ins­be­son­de­re auch die aus­führ­li­che Aus­ein­an­der­set- zung mit die­ser Pro­ble­ma­tik bei Jakob, Schutz der Stif­tung, 2006, S. 140 ff.

65 Wei­temey­er, in: Mün­che­ner Kom­men­tar zum BGB, § 87, Rn. 27.