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I. Ein­lei­tung
Im März 2017 soll­te die Karls­ru­her Materialforscherin
Brit­ta Nest­ler mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis
der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) ausgezeichnet
wer­den. Die Ver­lei­hung fand nicht statt, weil
anony­me Hin­wei­se die For­schun­gen der Nomi­nier­ten in
Zwei­fel gezo­gen hat­ten. Nach­dem die Hin­wei­se gründlich
geprüft, die For­sche­rin ange­hört und Gut­ach­ter eingeschaltet
wur­den, stell­ten sich die Vor­wür­fe als haltlos
her­aus. Die Wis­sen­schaft­le­rin wur­de in allen Punkten
voll­stän­dig ent­las­tet und die Preis­ver­lei­hung auf der Jahresversammlung
der Deut­schen Forschungsgemeinschaft
nachgeholt.
Die­ser Fall hat für gro­ße Auf­merk­sam­keit gesorgt, ist
aber kein Ein­zel­fall. Im Jahr 2017 wur­de etwa jede zehnte
Anfra­ge an den Ombuds­mann für die Wissenschaft
der DFG anonym gestellt, heißt es in des­sen Jahresbericht.
Davon konn­ten die meis­ten Anfra­gen in Beratungen
geklärt wer­den. In drei Fäl­len wur­den die Hinweise
zusam­men mit ein­ge­reich­ten Bele­gen an die jeweiligen
Insti­tu­tio­nen wei­ter­ge­lei­tet, weil „der Ver­dacht auf ein
schwe­res wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten nachvollziehbar
dar­ge­legt wurde“.1
Wie die Wis­sen­schaft mit anony­men Hin­wei­sen und
Anschul­di­gun­gen umge­hen soll, ist ein aktu­el­les und
hoch­bri­san­tes The­ma, dem sich eine Tagung der Universität
Pas­sau am 20. und 21. Febru­ar 2020 widmete.2 Die
Teil­neh­mer woll­ten nicht nur das Pro­blem der anonymen
Hin­wei­se in der Wis­sen­schaft erör­tern, sondern
auch Ver­fah­ren, die der Auf­klä­rung die­nen, näher analysieren.
Dazu gehört es natür­lich auch, die Ursa­chen für
die­ses Phä­no­men näher zu erfor­schen. Gibt es Gründe,
war­um gera­de in der Wis­sen­schaft anony­me Hinweise
häu­fig auf­tre­ten und viel­leicht sogar not­wen­dig sind?
II. Auf­kom­men von Verdachtsäußerungen
Der Ver­dacht wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens wird in
höchst ver­schie­de­nen Situa­tio­nen geäu­ßert. Häu­fig geht
es um die objek­ti­ve Siche­rung des Wissenschaftsbetriebs.
Bei die­sen Fall­kon­stel­la­tio­nen nimmt ein Wissenschaftler
oder eine Insti­tu­ti­on wahr, dass eine bestimmte
wis­sen­schaft­li­che Ver­öf­fent­li­chung oder Arbeit unter
Ver­let­zung all­ge­mein aner­kann­ter oder selbst definierter
Regeln „guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“ ent­stan­den ist.3
In die­sen Kon­text fal­len sicher auch „Unter­su­chun­gen“
von Inter­net­platt­for­men wie „Vro­ni-Plag“ und darauf
Bezug neh­men­de Anträ­ge von Wis­sen­schaft­lern auf
Über­prü­fung, ob die eige­nen For­schungs­ar­bei­ten Verstöße
aufweisen.4 In ande­ren Fäl­len wird der Verdacht
des wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens aus der Zusammenarbeit
zwi­schen Wis­sen­schaft­lern her­aus- und bei
einer Ombuds­stel­le oder einem Dienst­vor­ge­setz­ten vorgetragen.
Dabei herrscht die Erwar­tung vor, dass die Instanzen
der Dienst­auf­sicht und Wissenschaftsverantwortung,
die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den oder gar Medien
(Pres­se­re­dak­tio­nen und Social-Media-Foren) einen vorgesetzten
oder kon­kur­rie­ren­den Wis­sen­schaft­ler desavouieren
und mög­lichst demon­tie­ren. Selbst die zuletzt
genann­ten Ver­dachts­äu­ße­run­gen nahe­ste­hen­der Mitarbeiter
oder ver­bun­de­ner Wis­sen­schaft­ler aus Rache oder
Ver­zweif­lung kön­nen nicht pau­schal und all­ge­mein als
unwahr bei­sei­te gelas­sen wer­den – gleich­wohl besteht
die Gefahr von Falsch­be­zich­ti­gun­gen vor allem in der
letzt­ge­nann­ten Grup­pe und unter Aus­nut­zung des
Schut­zes der Anonymität.
Weil Unter­su­chun­gen zum wis­sen­schaft­li­chen Fehlverhalten
bei den Betrof­fe­nen Sor­gen und mit­un­ter Existenzängste
aus­lö­sen, haben der­ar­ti­ge Anschuldigungen
erheb­li­che Bri­sanz und rufen auch bei den verantwortli-
Klaus Herrmann
Wie Hoch­schu­len mit anony­men Verdachtsäußerungen
umge­hen müssen
1 Schwer­punkt­ka­pi­tel des Jah­res­be­richts 2017 des Ombudsmanns
für die Wis­sen­schaft, publi­ziert am 24.9.2018.
2 Infor­ma­tio­nen unter: https://www.uni-passau.de/absender-unbekannt
(Abruf 4.1.2020).
3 So ging die Ent­zie­hung des Dok­tor­ti­tels im Frei­bur­ger Fall „nach­träg­li­cher“
Unwür­dig­keit auf Fest­stel­lun­gen einer US-amerikanischen
Unter­su­chungs­kom­mis­si­on zurück, dass der Wissenschaftler
die Ori­gi­nal­da­ten und ver­wen­de­ten Pro­ben nicht systematisch
archi­viert und zudem Daten mani­pu­liert und falsch dargestellt
habe (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.7.2013 – 6 C 9/12, BVerw­GE 147,
292 ff. = juris, Rn. 3).
4 Vgl. etwa VG Köln, Urt. v. 22.3.2012 — 6 K 6097/11; OVG Münster,
Beschl. v. 24.3.2015 – 19 A 1111/12, bei­de juris.
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2020, ISSN 2197–9197
6 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 0 ) , 6 5 — 7 6
5 Sie­he die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft, Kodex „Gute wissenschaftliche
Pra­xis“ (2018), S. 24; sie­he schon Denk­schrift (2013)
„Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“, S. 37.
6 VGH Mann­heim, Urt. v. 14.9.2011 – 9 S 2667/10, juris, Rn. 24, unter
Ver­weis auf Thie­me, Deut­sches Hoch­schul­recht, 3. Aufl. 2004,
S. 323, und OVG Ber­lin, Urt. v. 26.4.1990 — 3 B 19/89, NVwZ 1991,
188.
7 BVerwG, Urt. v. 31.7.2013 – 6 C 9/12, BVerw­GE 147, 292 ff. =
juris, Rn. 31.
8 BVerwG, Urt. v. 21.6.2017 – 6 C 4/16, BVerw­GE 159, 171 ff. =
juris, Rn. 18.
chen Lei­tungs­kräf­ten und Per­so­nal­ver­wal­tun­gen von
Hoch­schu­len Unsi­cher­heit her­vor. Der­ar­ti­ge Vorwürfe
wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens kön­nen fata­le Auswirkungen
auf das wei­te­re beruf­li­che Leben der betroffenen
Wis­sen­schaft­ler haben. Des­halb wäre ein professioneller
und neu­tra­ler Umgang wünschenswert.
Die Wirk­lich­keit sieht anders aus: Um die Wirkung
der Ver­dachts­äu­ße­rung zu ver­stär­ken, wer­den einzelne
Anschul­di­gun­gen von Infor­man­ten selbst oder „Tritt­brett­fah­rern“
in die Öffent­lich­keit lan­ciert. Fest steht,
dass die Ein­schal­tung von Medi­en regel­mä­ßig zur weiteren
Eska­la­ti­on führt, so dass sowohl für den Hinweisgeber
als auch für den von Anschul­di­gun­gen betroffenen
Wis­sen­schaft­ler nach der Fest­stel­lung wissenschaftlichen
Fehl­ver­hal­tens (oder des­sen Nichtfeststellung)
kaum noch Spiel­räu­me blei­ben, ohne Beeinträchtigungen
des Anse­hens aus dem Kon­flikt herauszukommen.
Auch die DFG sieht im aktu­el­len Kodex „Gute wissenschaftliche
Pra­xis“ die grund­sätz­li­che Ver­trau­lich­keit des
Ver­fah­rens zur Über­prü­fung von Hin­wei­sen beeinträchtigt,
wenn sich der Hin­weis­ge­ben­de mit dem Verdacht
an die Öffent­lich­keit wendet.5
Hin­ter­grund und Recht­fer­ti­gung für jede Überprüfung
auf wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten – auch auf
letzt­lich unbe­rech­tig­te, jedoch sub­stan­ti­ier­te Verdachtsäußerungen
hin – ist das Ver­trau­en, das Wissenschaftlern
ent­ge­gen­ge­bracht wird und unmit­tel­bar an die wissenschaftliche
Leis­tungs­fä­hig­keit und Red­lich­keit anknüpft:
So ori­en­tiert sich die Recht­spre­chung noch immer
an der hohen sozia­len Bedeu­tung akademischer
Gra­de, wie eines Dok­tor­ti­tels. Dass es sich hier­bei um
eine ehren­vol­le und nicht um eine blo­ße Funktionsbezeichnung
han­delt, zeigt die Mög­lich­keit, dass Universitäten
Dok­tor­gra­de ehren­hal­ber ver­ge­ben kön­nen. Die
unge­bro­che­ne Beliebt­heit, einen Titel zu füh­ren, findet
ihren Nie­der­schlag dar­in, dass der Dok­tor­grad — anders
als berufs­qua­li­fi­zie­ren­de Abschlüs­se — „anre­de­fä­hig“ ist
und im Per­so­nal­aus­weis (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG) oder
Rei­se­pass (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PassG) ein­ge­tra­gen werden
kann. Der Dok­tor­ti­tel stellt dem­nach eine „ehren­vol­le
Kenn­zeich­nung der Per­sön­lich­keit sei­nes Trägers“
oder jeden­falls eine die Per­son als aka­de­misch gebildet
und geprägt kenn­zeich­nen­de Her­aus­he­bung dar.6 Nachvollziehbarer
als die Ehren und imma­te­ri­el­len Vorteile,
die mit einem wis­sen­schaft­li­chen Renom­mee verbunden
sind, rückt das BVerwG aber zutref­fend das Ver­trau­en in
die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Wis­sen­schafts­be­triebs in den
Vor­der­grund, um die Über­prü­fung auf wissenschaftliches
Fehl­ver­hal­ten und des­sen Sank­tio­nie­rung zu rechtfertigen.
Die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Wissenschaftsprozesses
stel­le ein über­ra­gend wich­ti­ges Gemeinschaftsgut
dar, das ver­fas­sungs­recht­lich im objek­ti­ven Regelungsgehalt
des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ver­an­kert ist. Sofern die
Ent­zie­hung eines aka­de­mi­schen Gra­des für die Betroffenen
mit fak­ti­schen Beein­träch­ti­gun­gen einer Berufsausübung
ver­bun­den sei, wären die­se im Inter­es­se des unbeeinträchtigten
Wis­sen­schafts­be­reichs hinzunehmen.7
III. Auf­ga­ben der Hoch­schu­len zur Dienstaufsicht
und Selbst­kon­trol­le der Wissenschaft
Die Funk­ti­on der (ggf. anony­men) Hinweisgebenden
wird erst klar, wenn man sich bewusst wird, wel­che Aufgaben
auf die Hoch­schu­len durch die Mit­tei­lun­gen und
Anzei­gen zukommen.

  1. Prü­fung von (anony­men) Hin­wei­sen im Kon­text der
    Wissenschaftsfreiheit
    Hoch­schu­len wer­den durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG das
    Recht ver­lie­hen und die Auf­ga­be über­tra­gen, ihren Wissenschaftsbetrieb,
    d.h. die Ange­le­gen­hei­ten von Forschung
    und Leh­re, eigen­ver­ant­wort­lich zu regeln (aka­de­mi­sche
    Selbst­ver­wal­tung). Das Grund­recht vermittelt
    ihnen in ers­ter Linie eine abwehr­fä­hi­ge Rechtsposition,
    die sie vor staat­li­chen Ein­grif­fen in den Wissenschaftsbetrieb
    schützt. Zugleich belas­tet sie die Freiheitsgewährung
    auch mit der Ver­ant­wor­tung dafür, dass in ihrem
    Wis­sen­schafts­be­trieb einer­seits grund­le­gen­de wissenschaftliche
    Pflich­ten und ande­rer­seits die Grundrechte
    der Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen beach­tet werden.
    Die Hoch­schu­len sind zum Ein­schrei­ten aufgefordert,
    „wenn kon­kre­te Anhalts­punk­te dafür bestehen,
    dass ein Hoch­schul­leh­rer sei­ne For­schungs­frei­heit möglicherweise
    miss­braucht oder ver­fas­sungs­recht­lich geschützte
    Rechts­gü­ter ande­rer gefähr­det oder verletzt“.8
    Wür­de die Hoch­schu­le nicht den Sach­ver­halt sowie etwaige
    Kon­se­quen­zen (durch eine ein­zu­set­zen­de wissenschaftlich
    besetz­te Kom­mis­si­on) prü­fen, blie­ben die
    Wis­sen­schafts­frei­heit und auch die sons­ti­gen verfassungsrechtlich
    gewähr­leis­te­ten Rech­te ande­rer ungeHerrmann
    · Wie Hoch­schu­len mit anony­men Ver­dachts­äu­ße­run­gen umge­hen müs­sen 6 7
    9 BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 – 6 C 5/95, BVerw­GE 102, 304 ff. =
    juris, Rn. 40.
    10 Sie­he von Bar­gen, OdW 2016, 139, 147; DFG-Denk­schrift „Siche­rung
    guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“, 2013, S. 24.
    11 BVerwG, Urt. v. 21.6.2017 – 6 C 4/16, BVerw­GE 159, 171 = juris,
    Rn. 21; sie­he auch von Bar­gen, OdW 2016, 139, 142 f.
    12 BVerwG, Urt. v. 30.9.2015 – 6 C 45/14, BVerw­GE 153, 79 ff. =
    juris, Rn. 19.
    13 OVG Müns­ter, Urt. v. 01.12.2016 – 6 A 2386/14, juris, Rn. 65
    m.w.N.
    14 BVerwG, Urt. v. 15.11.2018 – 2 C 60/17, BVerw­GE 163, 356 ff.
    15 BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, BAGE 124, 295 ff. =
    juris, Rn. 66.
    schützt.9 Die hoch­schul­in­ter­nen Ver­fah­ren zur Untersuchung
    wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens sol­len gerade
    durch die Ein­be­zie­hung des von den Verdächtigungen
    betrof­fe­nen Wis­sen­schaft­lers und ande­rer Per­so­nen zudem
    die Mög­lich­keit einer ein­ver­nehm­li­chen Lösung
    ausloten.10 Dabei ist der Hoch­schu­le außer­halb eines bestimmten
    Prü­fungs- oder Qua­li­fi­ka­ti­ons­ver­fah­rens eine
    inhalt­li­che Bewer­tung der wis­sen­schaft­li­chen Tätigkeit
    ver­wehrt: Die ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung landeshochschulrechtlicher
    Bestim­mun­gen hat jeweils auch
    die Grund­rech­te des ver­ant­wort­li­chen Wissenschaftlers
    zu beach­ten, dem ins­be­son­de­re im Schutz­be­reich seiner
    indi­vi­du­el­len Wis­sen­schafts­frei­heit wei­te Beurteilungsspielräume
    eröff­net sind.11 Zudem sind die Hochschulen
    gene­rell nicht zur Abga­be und Durch­set­zung von Werturteilen
    beru­fen, die außer­halb der Wis­sen­schaft angesiedelt
    sind. Sie dür­fen des­halb Fest­stel­lun­gen treffen
    und von einer for­mel­len Ermäch­ti­gung – etwa zur Entziehung
    eines Dok­tor­gra­des wegen nach­träg­li­cher Unwürdigkeit
    – nur bei wis­sen­schafts­be­zo­ge­nen Verfehlungen
    des Betrof­fe­nen Gebrauch machen.12
  2. Auf­sichts- und Für­sor­ge­pflicht der Hoch­schu­len für
    ihre Beschäftigten
    Sofern die den Hoch­schu­len zuge­tra­ge­nen Vor­wür­fe das
    dienst­li­che oder sogar außer­dienst­li­che Ver­hal­ten ihrer
    Wis­sen­schaft­ler betref­fen, kön­nen die­se im Rahmen
    ihrer Auf­ga­ben als Dienst­her­ren oder Arbeit­ge­ber zu
    Ermitt­lun­gen aus Grün­den der Für­sor­ge verpflichtet
    sein. Im Rah­men der Dienst­auf­sicht müss­ten sie gegen
    ein dienst­li­ches oder sons­ti­ges Fehl­ver­hal­ten einschreiten,
    das die Rech­te eines Bediens­te­ten (z.B. das allgemeine
    Per­sön­lich­keits­recht im Zusam­men­hang mit Mobbingsituationen
    oder das Recht auf sexu­el­le Selbstbestimmung
    bei sexu­el­len Beläs­ti­gun­gen im Dienst)
    ver­letzt. All­ge­mein hat der Dienst­herr kraft der Fürsorgepflicht
    im Rah­men des Dienst- und Treueverhältnisses
    für das Wohl des Beam­ten zu sor­gen. Der Dienst­herr ist
    sogar zum best­mög­li­chen Schutz sei­ner Beam­ten gegen
    Gefah­ren für Leben und Gesund­heit am Arbeitsplatz
    verpflichtet.13 Bei Pflicht­ver­stö­ßen von Beam­ten, insbesondere
    von ver­be­am­te­ten Wis­sen­schaft­lern, kommt
    hin­zu, dass der Dienst­vor­ge­setz­te bei Vor­lie­gen zureichender
    tat­säch­li­cher Anhalts­punk­te stets zur Einleitung
    eines Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ver­pflich­tet ist. Die Verletzung
    der Pflicht zur recht­zei­ti­gen Ein­lei­tung des behördlichen
    Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist ein Man­gel, der inzwischen
    als mil­dern­der Umstand sogar auf die Bemessung
    der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me durch­schla­gen kann.14 Ebenso
    sahen die Arbeits­ge­rich­te den Arbeit­ge­ber durch die
    Für­sor­ge­pflicht als Aus­fluss des in § 242 BGB niedergelegten
    Gedan­ken von Treu und Glau­ben im Rahmen
    eines Arbeits­ver­hält­nis­ses als ver­pflich­tet an, durch
    geeig­ne­te Maß­nah­men die Fort­set­zung einer festgestellten
    sexu­el­len Beläs­ti­gung oder eines Mobbing-Verhaltens
    zu unter­bin­den – selbst wenn dabei kein Anspruch
    gegen den Arbeit­ge­ber auf Kün­di­gung des Arbeitsverhältnisses
    des Stö­rers besteht.15
  3. Nied­ri­ge Ver­dachts­schwel­le für dienst­li­che bzw. interne
    Untersuchungen
    Die Anfor­de­run­gen an ein Tätig­wer­den sind dabei durch
    die Beschrei­bung der ein­fa­chen Ver­dachts­stu­fe sehr
    nied­rig gehal­ten. Wenn blo­ße tat­säch­li­che Anhaltspunkte
    eines Ver­sto­ßes für den Beginn einer Prü­fung des wissenschaftlichen
    Ver­hal­tens oder die Ein­lei­tung von Disziplinarermittlungen
    genü­gen, erscheint es jedenfalls
    ver­fehlt, erst noch den Abschluss straf­recht­li­cher oder
    berufs­recht­li­cher Ermitt­lungs­ver­fah­ren ande­rer Behörden
    „abzu­war­ten“ – die­se set­zen regel­mä­ßig auf der gleichen
    Ver­dachts­stu­fe ein (vgl. §§ 160 Abs. 1, 152 Abs. 2
    StPO für Strafverfahren).
    Viel­mehr hat die ver­ant­wort­li­che Per­son in der
    Hoch­schu­le – zumeist der Lei­ter, aber auch der für die
    Vor­la­ge an eine Ombuds­kom­mis­si­on verantwortliche
    Ver­wal­tungs­be­diens­te­te – eine Ver­fah­rens­hy­po­the­se zugrunde
    zu legen (der Vor­wurf sei in tat­säch­li­cher Hinsicht
    wahr) und anhand der maß­geb­li­chen Dienst- und
    Rechts­vor­schrif­ten oder Regeln wis­sen­schaft­li­chen Arbeitens
    zu über­prü­fen. Gelangt er dabei zum Ergebnis,
    dass die beschrie­be­ne (fin­gier­te) Hand­lung oder Unterlassung
    gegen Pflich­ten ver­stößt, ist der Ver­dacht zu bejahen
    und eine Unter­su­chung bzw. ein Disziplinarverfahren
    ein­zu­lei­ten. Die im Bereich der persönlichen
    Über­zeu­gung lie­gen­de Fra­ge, ob die über­mit­tel­ten Informationen
    und Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen zutref­fend, widerlegt
    oder zumin­dest Zwei­fel an ihrer Rich­tig­keit nicht
    aus­ge­räumt sind, betrifft den Nach­weis der Pflichtverlet6
    8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 0 ) , 6 5 — 7 6
    16 Vgl. für das Ermitt­lungs­ziel von Ver­wal­tungs­er­mitt­lun­gen vor
    Ein­lei­tung eines Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens: Herr­mann, in: Herrmann/
    Sand­kuhl, Beam­ten­dis­zi­pli­nar­recht – Beam­ten­straf­recht, 2014, §
    6, Rn. 501 ff.
    17 BVerwG, Beschl. v. 18.11.2008 – 2 B 63/08, NVwZ 2009, 399 =
    juris, Rn. 10 f.
    18 BAG, Urt. v. 29.7.1993 – 2 AZR 90/93, NJW 1994, 1675 = juris,
    Rn. 20.
    19 Sie­he OVG Müns­ter, Urt. v. 6.7.2018 – 3d A 1161/11.O, juris, Revision
    zuge­las­sen durch BVerwG, Beschl. v. 26.6.2019 — 2 B 71/18,
    juris.
    20 Vgl. etwa VG Müns­ter, Urt. v. 9.12.2014 – 13 K 2693/11.O, juris,
    zur Durch­füh­rung einer Fremd-Lehr­ver­an­stal­tung als genehmigungspflichtiger
    Nebentätigkeit.
    21 OVG Wei­mar, Urt. v. 6.11.2008 – 8 DO 584/07, juris; VGH
    Mann­heim, Urt. v. 3.4.2000 – D 17 S 3/00, juris.
    22 VG Braun­schweig, Urt. v. 12.6.2018 – 6 A 102/16, juris, Rn. 78.
    Sie­he auch die Emp­feh­lun­gen der DFG zur Tätig­keit von Ombudspersonen
    an den Hoch­schu­len (Kodex „Leit­li­ni­en zur Sicherung
    guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“, 2019, S. 12 f.; Denkschrift
    „Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“, 2013, S. 23).
    23 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.04.1970 – 1 BvR 690/95, BVerfGE 28,
    191 = NJW 1970, 1498; BVerwG, Beschl. v. 15.11.2000 – 1 D
    65/98, juris; Beschl. v. 13.12.2000 – 1 D 34/98, NJW 2001, 3280
    24 Vgl. all­ge­mein zur Bedeu­tung des „Whist­le­b­lo­wing“ in der Praxis
    des öffent­li­chen Diens­tes: Sau­er, DÖD 2005, 121 ff.; Herold, ZBR
    2013, 8 ff.; Scheu­rer, ZTR 2013, 291 ff.
    25 Gün­ther, NVwZ 2018, 1109, 1112: „Rechts­staat und Demokratie
    brau­chen inter­ne Hin­wei­se auf Miss­stän­de mehr denn je.“; siehe
    auch Kirá­ly, ZRP 2011, 146, 147, zur Whistleblower-Regelungen
    für den US-ame­ri­ka­ni­schen fede­ral civil service.
    26 Vgl. zu Art. 5 Buchst. b) der Richt­li­nie (EU) 2016/943 vom
    8.6.2016 über den Schutz ver­trau­li­chen Know-hows und vertraulicher
    Geschäfts­in­for­ma­tio­nen (Geschäfts­ge­heim­nis­se) vor
    rechts­wid­ri­gem Erwerb sowie rechts­wid­ri­ger Nut­zung und Offenlegung
    (ABl. [EU] v. 15.6.2016 L 157, 1) und ihrer Umsetzung:
    Müll­mann, ZRP 2019, 25 ff.; Tre­be­ck/­Schul­te-Wis­ser­mann, NZA
    2018, 1175; Eufin­ger, ZRP 2016, 229;
    27 Zur Richt­li­nie zum Schutz von Whist­le­b­lo­wern, die Verstöße
    gegen Uni­ons­recht mel­den: Ger­de­mann, RdA 2019, 16 ff.; Nöhle,
    ZLR 2019, 153 ff.; Naber/Peukert/Seeger, NZA 2019, 583, 586.
    zung, nicht das Vor­lie­gen „tat­säch­li­cher Anhaltspunkte“.16
    Die­se Prü­fung kann nur ent­fal­len, wenn die Äußerung
    aus blo­ßen Ver­mu­tun­gen, Mut­ma­ßun­gen oder einem
    „vagen Ver­dacht“ besteht und kein tat­säch­li­ches Verhalten
    beschrie­ben ist oder aus der Schil­de­rung abgeleitet
    wer­den kann. Sobald sich aber die­se Ver­mu­tun­gen zu einem
    Ver­dacht kon­kre­ti­siert haben, ver­bie­tet der im Disziplinarrecht
    aus­ge­stal­te­te Ver­fol­gungs­zwang, von der
    Ein­lei­tung eines Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens abzu­se­hen und
    Ermitt­lun­gen ohne Kennt­nis des Betrof­fe­nen weiterzuführen.
    17 Zwar besteht bei ange­stell­ten Wissenschaftlern
    kei­ne ent­spre­chen­de Ermitt­lungs­pflicht der Hochschule
    als Arbeit­ge­ber. Wenn sie aber bei schwerwiegenden
    Vor­wür­fen ein unzu­mut­bar gewor­de­nes Arbeitsverhältnis
    durch ver­hal­tens­be­zo­ge­ne (Ver­dachts- oder Tat-)
    Kün­di­gung been­den will, muss sie sich spä­tes­tens bei der
    Ein­hal­tung der zwei­wö­chi­gen Kün­di­gungs­frist des § 626
    Abs. 2 BGB fra­gen las­sen, wann sie durch wel­che Umstände
    von den der Kün­di­gung zugrun­de geleg­ten Verhaltensweisen
    erfah­ren hat.18
    Für die Hoch­schu­le bedeu­tet dies, dass sie bei Hinweisen,
    dass einer ihrer Wis­sen­schaft­ler in einen innerdienstlichen
    Betrug ver­strickt sei19, einer ungenehmigten
    Neben­tä­tig­keit nachgehe20 oder Stu­die­ren­de bzw. Mitarbeitende
    sexu­ell belästige21 eben­so Disziplinarermittlungen
    anstel­len muss, wie sie Hin­wei­se auf ein wissenschaftliches
    Fehl­ver­hal­ten ernst­haft zu prü­fen hat. Auch
    wenn die Hoch­schu­le in ihren Organisationsbestimmungen
    die Prü­fung sol­cher Hin­wei­se einer Ombudsstelle
    oder ‑per­son über­tra­gen hat, dür­fen die Anforderungen
    an die Auf­nah­me von Ermitt­lun­gen zur Aufklärung
    von Ver­dachts­fäl­len nicht über­spannt wer­den: Aus
    Sicht der Recht­spre­chung genügt für die Ein­lei­tung von
    Unter­su­chun­gen ein plau­si­bler, auf Tat­sa­chen beruhender
    Anfangs­ver­dacht einer Regelverletzung.22 Die Aufklärungspflicht
    der Hoch­schu­le ist schließ­lich auch die
    Kehr­sei­te der Ver­schwie­gen­heits­pflicht ihrer Bediensteten:
    Wenn bei Beam­ten aus dem Dienst- und Treueverhältnis
    sowie bei Ange­stell­ten im öffent­li­chen Dienst im
    Sin­ne einer „Stu­fen­theo­rie“ ver­langt wird, dass vor Preisgabe
    von Dienst­ge­heim­nis­sen oder Erhe­bung von Anschuldigungen
    in der Öffent­lich­keit ver­sucht werden
    muss, ver­wal­tungs­in­tern auf Miss­stän­de hinzuweisen23,
    muss der Dienst­vor­ge­setz­te ent­spre­chen­de Hinweise
    ohne Anse­hen der belas­te­ten oder der belas­ten­den Person
    ent­ge­gen­neh­men und einer Bewer­tung bzw. (Auf-)
    Klä­rung zuführen.24
    IV. Schutz der Hinweisgeber
    Alle Per­so­nen, die einer Hoch­schu­le oder wissenschaftlichen
    Ein­rich­tung Beob­ach­tun­gen oder Hin­wei­se auf ein
    mög­li­cher­wei­se pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten mit­tei­len, sind
    wich­ti­ge Infor­ma­ti­ons­quel­len, die die Hoch­schu­len bei
    der Erfül­lung ihrer mit Art. 5 Abs. 3 GG verbundenen
    Auf­ga­be unter­stüt­zen. Nach­dem die Gesetz­ge­ber in der
    Euro­päi­schen Uni­on und letzt­lich auch in Deutschland
    zu erken­nen gege­ben haben, dass die Auf­de­ckung von
    Miss­stän­den durch unter­neh­mens- und verwaltungsinterne
    Mit­ar­bei­ten­de in Ein­zel­be­rei­chen wie der Korruptionsprävention
    im öffent­li­chen Inter­es­se liegt und gefördert
    wer­den muss25, ist eine Wei­ter­ent­wick­lung des
    Schut­zes für Hin­weis­ge­ber und der Aus­wei­tung anonymer
    Mel­de­ka­nä­le zu beobachten26 und wei­ter zu erwarten.
    27
    Herr­mann · Wie Hoch­schu­len mit anony­men Ver­dachts­äu­ße­run­gen umge­hen müs­sen 6 9
    28 Sie­he Deiseroth/Derleder, ZRP 2008, 248; Gün­ther, NVwZ 2018,
    1109, 1110 f.; vgl. auch Ziff. 20 der Erwä­gungs­grün­de der RL
    2016/943/EU: „Die in die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Maßnahmen,
    Ver­fah­ren und Rechts­be­hel­fe soll­ten nicht dazu dienen,
    Whist­le­b­lo­wing-Akti­vi­tä­ten ein­zu­schrän­ken. Daher soll­te sich
    der Schutz von Geschäfts­ge­heim­nis­sen nicht auf Fäl­le erstrecken,
    in denen die Offen­le­gung eines Geschäfts­ge­heim­nis­ses insoweit
    dem öffent­li­chen Inter­es­se dient, als ein regel­wid­ri­ges Verhalten,
    ein Fehl­ver­hal­ten oder eine ille­ga­le Tätig­keit von unmittelbarer
    Rele­vanz auf­ge­deckt wird. Das soll­te nicht so ver­stan­den werden,
    dass die zustän­di­gen Gerich­te dar­an gehin­dert sei­en, Ausnahmen
    von der Anwen­dung der Maß­nah­men, Ver­fah­ren und Rechtsbehelfe
    in den Fäl­len zuzu­las­sen, in denen der Antragsgegner
    allen Grund hat­te, in gutem Glau­ben davon aus­zu­ge­hen, dass
    sein Ver­hal­ten den in die­ser Richt­li­nie fest­ge­leg­ten angemessenen
    Kri­te­ri­en entspricht.“
    29 BVerfG, Beschl. v. 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74,
    257 ff. = juris, Rn. 11; Beschl. v. 2.7.2001 – 1 BvR 2049/00,
    NJW 2001, 3474 = juris, Rn. 11; Beschl. v. 2.10.2001 – 1 BvR
    1372/01, juris, Rn. 5; alle zu Miet­ver­hält­nis­sen; EGMR, Urt. v.
    21.7.2011 – 28274/08, NJW 2011, 3501 ff. = juris, dort Rn. 67;
    Urt. v. 13.1.2015 – 79040/12, NZA 2016, 1009, 103, Rn. 86; Urt.
    v. 27.2.2018 – 1085/10, NJW 2019, 1273, 1275, Rn. 77; sie­he auch
    Deiseroth/Derleder , ZRP 2008, 248, 249; Kirá­ly, RdA 2012, 236 ff.
    auch zum Gut­glau­bens­schutz im bri­ti­schen und deut­schen Recht.
    30 BAG, Urt. v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, juris, Rn. 33.
    31 Vor allem nach der Ent­schei­dung des EGMR, Urt. v. 21.7.2011 -
    28274/08 (Hei­nisch), NJW 2011, 3501; m. Anm. Schlach­ter, RdA
    2012, 108; Kirá­ly, RdA 2012, 236.
    32 Gesetz über die Durch­füh­rung von Maß­nah­men des Arbeitsschutzes
    zur Ver­bes­se­rung der Sicher­heit und des Gesundheitsschutzes
    der Beschäf­tig­ten bei der Arbeit (Arbeits­schutz­ge­setz
    – ArbSchG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1246), zul. geänd. d. G. v.
    20.11.2019 (BGBl. I S. 1626).
    33 Sie­he auch: § 4d Abs. 6 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz
    (Fin­DAG) vom 22.4.2002 (BGBl. I S. 1310), zul. geänd. d. G.
    v. 22.11.2019 (BGBl. I S. 1626); § 3b Abs. 5 des Börsengesetzes
    (BörsG) v. 16.7.2007 (BGBl. I S. 1330), zul. geänd. d. G. v.
    20.11.2019 (BGBl. I S. 1626); § 53 Abs. 5 des Geset­zes über das
    Auf­spü­ren von Gewin­nen aus schwe­ren Straf­ta­ten (Geld­wä­sche­ge­setz
    – GWG) v. 23.6.2017 (BGBl. I S. 1822), zul. geänd. d. G. v.
    12.12.2019 (BGBl. I S. 2602).
    34 § 17 Abs. 2 S. 3 ArbSchG i.V.m. § 125 BBG.
    35 Gün­ther, NVwZ 2018, 1109, 1111; Deiseroth/Derleder , ZRP 2008,
    248, 250; Kirá­ly, DÖV 2010, 894, 895 – ver­gleich­ba­re Regelungen
    feh­len aller­dings bei Beschäf­tig­ten, Kirá­ly, RdA 2012, 236, 237.
    36 VG Bre­men Urt. v. 8.9.2015 – 6 K 1003/14, Beck­RS 2015, 52470.
    37 Kirá­ly, ZRP 2011, 146, 148, zu US-ame­ri­ka­ni­schen Erhebungen;
    ders. RdA 2012, 236, 237 zur Beweis­last der Beschäf­tig­ten für die
    zuläs­si­ge Rechts­aus­übung; Eufin­ger, ZRP 2016, 229, 230.
  4. Hin­weis­ge­ber zwi­schen Gemein­wohl und Rechtfertigungsdruck
    Hin­weis­ge­bern wird als Infor­ma­ti­ons­quel­le und zur
    Auf­de­ckung poten­ti­ell rechts­wid­ri­ger Zustän­de grundsätzlich
    Gemein­wohl­be­deu­tung zugestanden.28 Deshalb
    sind Hin­weis­ge­ber oder Anzei­ge­er­stat­ter als Informanten
    vor Nach­tei­len wegen ihrer Äuße­run­gen und Mitteilungen
    geschützt, es sei denn, dass sie wis­sent­lich unwahre
    oder leicht­fer­tig fal­sche Anga­ben machen.29 Die rechtlichen
    Vor­keh­run­gen zum Schutz von Hin­weis­ge­bern in
    Deutsch­land wer­den gleich­wohl noch als unzureichend
    angesehen.
    Bei Hin­weis­ge­bern in Arbeits­ver­hält­nis­sen greift das
    all­ge­mei­ne Maß­re­gel­ver­bot (§ 612a BGB) grundsätzlich
    auch bei der Aus­übung der Meinungsäußerungsfreiheit
    und ver­hin­dert Nach­tei­le im Arbeitsverhältnis.30 Arbeitsrechtliche
    Loya­li­täts­pflich­ten, die beamtenrechtliche
    Ver­schwie­gen­heits- und die inner­dienst­li­che Wohlverhaltenspflicht
    oder schlicht­weg dro­hen­de faktische
    Aus­gren­zun­gen ste­hen jedoch der Bereit­schaft entgegen,
    Rechts­ver­stö­ße oder Fehl­ver­hal­ten bei Auf­sichts- oder
    Ermitt­lungs­be­hör­den bekannt zu machen. Anhand einzelner
    Anläs­se wur­de eine nor­ma­ti­ve Aus­ge­stal­tung des
    Schutz­re­gimes für Hin­weis­ge­ber fort­lau­fend diskutiert.31
    Tat­säch­lich haben aber nur weni­ge Klar­stel­lun­gen eines
    Benach­tei­li­gungs­ver­bots, zum Bei­spiel § 17 Abs. 2 S. 3
    ArbSchG32, eine ver­bind­li­che Rege­lung erfahren33.
    Vor allem Beam­te wer­den inso­weit aber immer noch
    auf den Dienst­weg verwiesen.34 Seit 2009 sieht § 37 Abs.
    2 S. 1 Nr. 3 BeamtStG all­ge­mein eine prä­ven­ti­ve Ausnahme
    von der beam­ten­recht­li­chen Verschwiegenheitspflicht
    bei Anzei­gen einer Kor­rup­ti­ons­straf­tat nach §§
    331–337 StGB vor.35 Das Ziel, die Kor­rup­ti­on in der öffentlichen
    Ver­wal­tung zu ver­mei­den und zu bekämpfen,
    müs­sen öffent­li­che Dienst­herrn auch beim Personaleinsatz
    von Beam­ten und beglei­ten­den Maß­nah­men berücksichtigen:
    Aus die­sem Grund und aus Für­sor­ge gegenüber
    dem Bediens­te­ten, der Pflicht­ver­stö­ße meldet,
    darf der Dienst­herr ihn nicht gegen sei­nen Wil­len umsetzen
    oder mit ver­gleich­ba­ren nega­ti­ven Maßnahmen
    bele­gen, auch wenn es wegen sei­ner Mel­dung zum Korruptionsverdacht
    zu inner­dienst­li­chen Spannungen
    kommt.36
    Die vor­lie­gen­den Gerichts­ent­schei­dun­gen zeigen
    aber, dass offen agie­ren­de Hin­weis­ge­ber dem Risi­ko ausgesetzt
    sind37, mit nach­tei­li­gen Maß­nah­men des Arbeitgebers
    oder Dienst­herrn kon­fron­tiert zu wer­den. Dass
    Hin­weis­ge­ber die inter­ne Klä­rung eines Miss­stan­des auf
    dem Dienst­weg nicht abwar­ten möch­ten, kann durchaus
    altru­is­ti­sche Grün­de haben, weil etwa die Ent­ste­hung eines
    Scha­dens oder wei­te­re Beein­träch­ti­gun­gen wichtiger
    Rechts­gü­ter (ein­schließ­lich der Gesund­heit von Betroffenen)
    dro­hen. Offen­bart sich der Hin­weis­ge­ber gegenüber
    Drit­ten (Pres­se, Stel­len außer­halb des Dienstwegs),
    kann er nicht sicher sein, ob die engen Voraussetzungen
    vor­lie­gen, unter denen arbeits- und dienstrechtliche
    Sank­tio­nen außer­halb der gesetz­lich gere­gel­ten Fälle
    aus­ge­schlos­sen sind: Der EGMR hat schon vor Jah­ren in
    der Rechts­sa­che Hei­nisch geklärt, dass auch eine Strafanzeige
    gegen den eige­nen Arbeit­ge­ber nicht zur außerordentlichen
    Kün­di­gung berech­tigt, wenn damit Missstän7
    0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 0 ) , 6 5 — 7 6
    38 Naber/Peukert/Seeger, NZA 2019, 583, 586, unter Bezugnahme
    auf EGMR, Urt. v. 21.7.2011 – 28274/08, NJW 2011, 3501 = NZA
    2011, 1269.
    39 Schmahl, JZ 2018, 581, 584.
    40 BGBl I 2019, 466; das Gesetz dient zur Umset­zung der Richtlinie
    (EU) 2016/943 des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates
    vom 8.6.2016 über den Schutz ver­trau­li­chen Know-hows und
    ver­trau­li­cher Geschäfts­in­for­ma­tio­nen (Geschäfts­ge­heim­nis­se) vor
    rechts­wid­ri­gem Erwerb sowie rechts­wid­ri­ger Nut­zung und Offenlegung,
    Richt­li­nie (EU) 2016/943, ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1.
    41 Rich­ter, ArbRAk­tu­ell 2019, 375, 377.
    42 Naber/Peukert/Seeger, NZA 2019, 583, 585, wobei die­ses enge
    Ver­ständ­nis an die Ände­rung des Geset­zes­tex­tes im Gesetzgebungsverfahren
    ange­knüpft wird.
    43 Eben­so Spren­ger, ZTR 2019, 414 ff. m.w.N. (dort Fn. 49).
    44 Sie­he Küh­ling, NJW 2015, 447, 448 für anony­me Bewertungsportale.
    45 Kirá­ly, ZRP 2011, 146, 148.
    46 Vgl. jedoch § 25a Abs. 1 S. 5 Nr. 3 KWG zu Organisationsanforderungen
    an ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem von Kre­dit­in­sti­tu­ten; dazu
    Maume/Haffke, ZIP 2016, 199 ff. Sie­he zur Hand­ha­bung von
    Ver­trau­lich­keits­zu­sa­gen und zur Geheim­hal­tung von Identitäten
    im Bereich der Straf­ver­fol­gung der orga­ni­sier­ten Kriminalität:
    Gemein­sa­me Richt­li­ni­en der Jus­tiz­mi­nis­ter/-sena­to­ren und der
    Innen­mi­nis­ter/-sena­to­ren der Län­der über die Inanspruchnahme
    von Infor­man­ten sowie über den Ein­satz von Vertrauenspersonen
    (V‑Personen) und Ver­deck­ten Ermitt­lern, Anla­ge D zu den Richtlinien
    für das Straf­ver­fah­ren und das Buß­geld­ver­fah­ren (RiStBV),
    BAnz 2007, 7950, zul. geänd. durch Bek. V. 26.11.2018, BAnz
    AT 30.11.2018 B3; sowie May­er, Kri­mi­na­lis­tik 2016, 228; Soiné,
    NVwZ 2007, 247; Kri­mi­na­lis­tik 2013, 507; Wag­ner, Kriminalistik
    2000, 167;
    47 OVG Ber­lin-Bran­den­burg Urt. v. 5.9.2018 – OVG 4 B 4.17, juris,
    Rn. 38; bestä­tigt durch BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 – 2 C 33/18,
    juris, Rn. 30; LVerfG LSA Urt. v. 7.5.2019 – LVG 4/18, juris, Rn.
    45.
    48 BVerwG Beschl. v. 10.1.2017 – 20 F 3/16, BVerw­GE 157, 181 ff. =
    juris, Rn. 13.
    de in einem Unter­neh­men der öffent­li­chen Hand offengelegt
    wer­den, das für die All­ge­mein­heit besonders
    wich­ti­ge Dienst­leis­tun­gen erbringt.38 Inso­fern trifft den
    Staat (im Rah­men sei­ner Rechts­spre­chungs­funk­ti­on) die
    Auf­ga­be, dem Grund­recht der Mei­nungs­frei­heit im (Arbeits-)
    Ver­hält­nis Gel­tung zu ver­schaf­fen und ungerechtfertigte
    Repres­sa­li­en durch nicht­staat­li­che Dritte –
    etwa eines pri­va­ten Arbeit­ge­bers – zu verhindern.39
    Die den Hin­weis­ge­ber (aus sei­nem Arbeits- oder
    Dienst­ver­hält­nis) tref­fen­den Verschwiegenheitspflichten
    wer­den schließ­lich auch nicht durch das am 26.4.2019 in
    Kraft getre­te­ne Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen40
    auf­ge­ho­ben. § 5 die­ses Geset­zes bezeichnet
    zwar die Erlan­gung, die Nut­zung oder die Offenlegung
    eines Geschäfts­ge­heim­nis­ses als gerecht­fer­tigt, wenn
    dies zum Schutz eines berech­tig­ten Inter­es­ses erfolgt,
    ins­be­son­de­re (Nr. 2) zur Auf­de­ckung einer rechtswidrigen
    Hand­lung oder eines beruf­li­chen oder sonstigen
    Fehl­ver­hal­tens – vor­aus­ge­setzt die Per­son han­delt in der
    Absicht, das öffent­li­che Inter­es­se zu schüt­zen. Diese
    Aus­nah­me­vor­schrift wur­de wegen der Ver­wen­dung unbestimmter
    Rechts­be­grif­fe und ihrer feh­len­den Konkretisierung
    dafür kri­ti­siert, dass sie zum Denunziantentum
    gera­de­zu ansta­cheln würde.41 Legi­ti­miert wird damit
    aber nur die – ansons­ten durch § 4 Abs. 1 GeschGehG
    ver­bo­te­ne – Erlan­gung, Ver­wen­dung oder Offenlegung
    eines Geschäfts­ge­heim­nis­ses, wobei § 4 Abs. 3 Gesch-
    GehG das Ver­bot aus­drück­lich auf die Emp­fän­ger von
    Offen­ba­run­gen durch Geheim­nis­trä­ger erstreckt.42 Die
    arbeits­ver­trag­li­che Rück­sicht­nah­me­pflicht (§§ 241 Abs.
    2, 242 BGB) und die beam­ten­recht­li­che Verschwiegenheitspflicht
    zwin­gen Bediens­te­te vor einer Anzei­ge bei
    Behör­den oder einem Gang an die Öffent­lich­keit weiterhin,
    zumut­ba­re betrieb­li­che Mel­de­we­ge bzw. den innerbehördlichen
    Dienst­weg zu nut­zen, um auf die Behebung
    eines rechts­wid­ri­gen Zustan­des durch den Arbeitgeber
    bzw. Dienst­vor­ge­setz­ten hinzuwirken.43
  5. Rechts­staat­li­ches Dilem­ma bei anony­men Verdachtsäußerungen
    Des­halb ver­zich­ten vie­le Hin­weis­ge­ber aber nicht auf die
    Offen­ba­rung ihrer Infor­ma­tio­nen, son­dern verlangen,
    dass ihre Iden­ti­tät geheim­ge­hal­ten wird, oder handeln
    ganz anonym. Zweck der Anony­mi­tät oder zugesagten
    Ver­trau­lich­keit der Iden­ti­tät des Hin­weis­ge­bers ist in
    ers­ter Linie die Ver­de­ckung der anzei­gen­den Person
    gegen­über der von den Vor­wür­fen betrof­fe­nen Person.
    Das gilt auch für Kon­stel­la­tio­nen, in denen die Gefahr
    von Nach­tei­len von einer ande­ren, dem Betrof­fe­nen aber
    nahe­ste­hen­den Per­son aus­geht. Mit der Ver­de­ckung seiner
    Iden­ti­tät ver­bin­det der Hin­weis­ge­ber die Hoffnung,
    für den Ver­dacht eines Fehl­ver­hal­tens und die vermeintliche
    Recht­fer­ti­gungs­la­ge des Betrof­fe­nen wäh­rend einer
    Unter­su­chung des Vor­gangs kei­ne Ver­ant­wor­tung tragen
    zu müs­sen. Frei­lich fal­len damit auch noch so unsinnige,
    unfai­re oder unsub­stan­ti­ier­te Äuße­run­gen nicht auf ihn
    zurück, was die Miss­brauchs­ge­fahr erheb­lich steigert.44
    Ver­trau­li­che Mel­de- oder Hin­weis­mög­lich­kei­ten wie
    in ande­ren Rechtsordnungen45 sind im deut­schen öffentlichen
    Dienst nicht verbreitet.46 In den Entscheidungen
    zur Kenn­zeich­nungs­pflicht von Polizeivollzugsbeamten
    hebt die Recht­spre­chung viel­mehr den Gemeinwohlbelang
    her­vor, dass die Ein­schrän­kung der Anonymität
    prä­ven­tiv Straf­ta­ten oder Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen der
    im Ein­satz befind­li­chen Poli­zei­voll­zugs­be­am­ten bereits
    redu­ziert und verhindert.47 In der Wis­sen­schaft ist die
    Anony­mi­tät von Äuße­run­gen – z.B. in Gut­ach­ten zu wissenschaftlichen
    Qua­li­fi­ka­ti­ons- oder Berufungsverfahren
    – weder ein all­ge­mein aner­kann­tes Qualitätsmerkmal
    für fach­wis­sen­schaft­li­che Bewer­tun­gen oder eine
    ent­spre­chen­de Pra­xis noch bestehe dafür ein
    Bedürfnis.48
    Herr­mann · Wie Hoch­schu­len mit anony­men Ver­dachts­äu­ße­run­gen umge­hen müs­sen 7 1
    49 ABl. (EU) L 305 v. 26.11.2019, S. 17.
    50 Sie­he Hiéramente/Ullrich, juris­PR-StrafR 25/2019 Anm. 1, zur
    Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen inter­nen und exter­nen Meldekanälen.
    51 Schmahl, JZ 2018, 581, 583 m.w.N.
    52 Schmahl, JZ 2018, 581, 589, unter Bezug­nah­me auf BGH, Urt. v.
    23.6.2009 – VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 ff. = NJW 2009, 2888
    (2892).
    53 BGH, Urt. v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 ff. = juris,
    Rn. 40; sie­he schon Küh­ling, NJW 2015, 447, 449, für eine stärkere
    Kon­trol­le der Siche­rungs­maß­nah­men der Portalbetreiber.
    54 Sie­he Schmahl, JZ 2018, 581, 584.
    55 Vgl. Nie­haus, JM 1/2020, S. 21, u. Ver­weis a. BVerfG, Beschl. v.
    26.5.1981 — 2 BvR 215/81, Rn. 91.
    56 BVerfG Beschl. v. 11.10.1994 – 1 BvR 1398/93, BVerfGE 91, 176
    ff. = juris, Rn. 19; BGH Urt. v. 18.10.1995 – I ZR 126/93, BGHZ
    131, 90 ff.
    Die Richt­li­nie 2019/1937/EU des Euro­päi­schen Parlaments
    und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von
    Per­so­nen, die Ver­stö­ße gegen das Uni­ons­recht melden49,
    sieht neu­er­dings vor, dass die Wah­rung der Vertraulichkeit
    der Iden­ti­tät eines Hin­weis­ge­bers über ein umfassendes
    Ver­trau­lich­keits­ge­bot aus­ge­stal­tet wird, das lediglich
    durch die Ver­tei­di­gungs­mög­lich­kei­ten der betroffenen
    Per­son ein­ge­schränkt wird. Die Vor­schrift lautet
    (aus­zugs­wei­se):
    „(1) Die Mit­glied­staa­ten stel­len sicher, dass die Identität
    des Hin­weis­ge­bers ohne des­sen aus­drück­li­che Zustimmung
    kei­nen ande­ren Per­so­nen gegen­über offengelegt
    wird als den befug­ten Mit­ar­bei­tern, die für die
    Ent­ge­gen­nah­me von und/oder Fol­ge­maß­nah­men zu
    Mel­dun­gen zustän­dig sind. Dies gilt auch für alle anderen
    Infor­ma­tio­nen, aus denen die Iden­ti­tät des Hinweisgebers
    direkt oder indi­rekt abge­lei­tet wer­den kann.
    (2) Abwei­chend von Absatz 1 dür­fen die Iden­ti­tät des
    Hin­weis­ge­bers sowie wei­te­re in Absatz 1 genann­te Informationen
    nur dann offen­ge­legt wer­den, wenn dies nach
    Uni­ons­recht oder natio­na­lem Recht eine notwendige
    und ver­hält­nis­mä­ßi­ge Pflicht im Rah­men der Untersuchungen
    durch natio­na­le Behör­den oder von Gerichtsverfahren
    dar­stellt, so auch im Hin­blick auf die Wahrung
    der Ver­tei­di­gungs­rech­te der betrof­fe­nen Person.“
    Aller­dings ver­schaf­fen die­se Rege­lun­gen nur bestimmten
    Hin­weis­ge­bern einen Anspruch auf Wahrung
    der Ver­trau­lich­keit: Der Schutz­an­spruch wird durch Art.
    5 Abs. 1 RL 2019/1937/EU beschränkt auf Per­so­nen, die
    Infor­ma­tio­nen über Ver­stö­ße gegen das Uni­ons­recht i.S.
    von Art. 1 RL 2019/1937/EU, kon­kret gegen in einer Anlage
    auf­ge­zähl­te Rechts­ak­te der Euro­päi­schen Union,
    melden.50 Die Richt­li­nie ist außer­dem noch bis zum
    17.12.2021 in natio­na­les Recht umzu­set­zen (Art. 26 Abs. 1
    RL 2019/1937/EU).
    All­ge­mein sind anony­me Äuße­run­gen auch grundrechtlich
    geschützt, soweit sie nicht strafrechtsbewehrt
    sind: Die „klas­si­sche Frei­heits­ver­bür­gung“ aus den
    Grund­rech­ten der Hin­weis­ge­ber ver­hin­dert, dass der
    Äußern­de des­we­gen von staat­li­chen Stel­len belangt werden
    kann. Das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht (Art. 2
    Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Grund­recht der
    Mei­nungs­frei­heit (Art. 5 Abs. 1 GG) erfas­sen und schützen
    jeden­falls auch anony­me Mei­nungs­äu­ße­run­gen. Bei
    anony­men Vor­wür­fen, die auf die beruf­li­che oder gar
    ori­gi­när wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit von Bediensteten
    der Hoch­schu­le abzie­len, geht es aber nicht um die Abwehr
    staat­li­cher Sank­tio­nen gegen den Äußern­den – im
    Gegen­teil sol­len damit ja staat­li­che bzw. jedenfalls
    dienst­recht­li­che Sank­tio­nen gegen einen ande­ren hervorgerufen
    wer­den. Zu die­sen Kon­flik­ten zwi­schen den
    Grund­rechts­sphä­ren ver­schie­de­ner Per­so­nen gibt es seit
    eini­gen Jah­ren Ver­su­che typi­sie­ren­der Abwä­gun­gen, z.B.
    bei anony­men Bewer­tun­gen auf Inter­net­por­ta­len und
    bei anony­men Kom­men­ta­ren in sozia­len Netzwerken,
    bei denen die Grund­rech­te der Betrof­fe­nen berührt sind
    und durch Schmäh­kri­tik, Hass­kom­men­ta­re oder wissentliche
    Falsch­be­haup­tun­gen ver­letzt wer­den können.
    Damit wird die Gewähr­leis­tungs­pflicht des Staa­tes angesprochen,
    der nicht nur die Grund­rechts­aus­übung ermöglichen,
    son­dern die Bür­ger zugleich vor den Folgen
    anony­mer Kom­mu­ni­ka­ti­on durch Drit­te schützen
    muss.51 Die in der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Differenzierungen
    erschei­nen jedoch kaum sys­te­ma­tisch oder
    so struk­tu­riert, dass sie auf den Bereich anony­mer Hinweisgeber
    über­tra­gen wer­den könn­ten. Bei den Lehrerbewertungsportalen
    sol­len nur berufs­be­zo­ge­ne, nicht
    die Intim- oder Pri­vat­sphä­re von Leh­rern oder Mitschülern
    betref­fen­de Bewer­tun­gen von der Meinungsfreiheit
    gedeckt sein, die kei­ne fal­schen Tatsachenbehauptungen
    und kei­ne Schmäh­kri­tik enthalten.52 Bei den Ärzte-Bewertungsportalen
    lös­te der BGH den Kon­flikt durch
    eine „gewis­sen­haf­te“ Prü­fungs­pflicht des Portalbetreibers,
    der jedoch kein Offen­ba­rungs- oder Auskunftsanspruch
    des von exis­tenz­be­dro­hen­den Behaup­tun­gen betroffenen
    Arz­tes gegen­über ste­hen soll.53
    Die von anonym blei­ben­den Hin­weis­ge­bern erhobenen
    Vor­wür­fe sind jeden­falls für rechts­staat­lich geführte
    Ver­fah­ren zur Fest­stel­lung von Rechts­ver­stö­ßen und deren
    Fol­gen nicht ver­wert­bar. Der rechts­staat­lich gebotene
    Grund­rechts­schutz durch (z.B. Gerichts-)Verfahren
    läuft leer, wenn der Äußern­de namen­los bleibt.54 Eine
    Ver­ur­tei­lung allein auf­grund anony­mer Belastungsäußerungen
    kol­li­diert jeden­falls mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip
    abge­lei­te­ten Grund­recht des Betroffenen
    auf ein fai­res Verfahren.55 Im Zivil­pro­zess besteht die
    Pflicht des Gerichts, sei­ne Entscheidungsgrundlagen
    voll­stän­dig offenzulegen.56
    7 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 0 ) , 6 5 — 7 6
    Im Straf­pro­zess­recht ist im Zusam­men­hang mit anonymen
    Belastungszeugen57 geklärt, dass dem Beschuldigten
    die Mög­lich­keit ver­schafft wer­den muss, Belastungszeugen
    unmit­tel­bar zu befra­gen oder befra­gen zu
    lassen.58 Schließ­lich hat der EGMR bei Verurteilungen
    auf der Grund­la­ge anony­mer, d.h. bei der Verhandlung
    abwe­sen­der Zeu­gen gefor­dert, dass „trif­ti­ge Grün­de für
    die Geheim­hal­tung der Iden­ti­tät des Zeu­gen vorliegen“
    und „hin­rei­chen­de aus­glei­chen­de Fak­to­ren, einschließlich
    star­ker Ver­fah­rens­ga­ran­tien“ gege­ben sein müssen,
    „die eine fai­re und ange­mes­se­ne Ein­schät­zung der Verlässlichkeit
    die­ser Aus­sa­gen ermöglichen“.59 Der Schutz
    von bedroh­ten Rechts­gü­tern des Zeu­gen (Opfer­schutz)
    bei Offen­ba­rung von Anga­ben zu ihrer Per­son ist in § 68
    StPO dif­fe­ren­ziert ausgestaltet.60
    Der Wahr­heits­fin­dung kommt auch im Verwaltungsprozess
    ein beson­ders hohes Gewicht zu, so dass die Akten
    im Ver­wal­tungs­pro­zess im Ori­gi­nal und ohne
    Schwär­zung von Namen vor­ge­legt wer­den müs­sen. Nach
    § 99 Abs. 2 VwGO bedarf es der Fest­stel­lung in einem
    beson­de­ren (sog. in-camera-)Verfahren, ob die Verweigerung
    der Vor­la­ge von Urkun­den oder Akten oder der
    Ertei­lung von Aus­künf­ten – z.B. die unter­blie­be­ne Offenbarung
    der Iden­ti­tät eines Hin­weis­ge­bers – rechtmäßig
    ist. Damit ist ein beson­de­rer Ver­fah­rens­auf­wand verbunden:
    Zum einen kann die Wei­ge­rung der Vor­la­ge nur
    von der Auf­sichts­be­hör­de, also z.B. nicht von der Hochschule
    selbst, erklärt wer­den. Zum ande­ren obliegt die
    Ent­schei­dung nicht dem tat­säch­lich ent­schei­den­den Gericht,
    son­dern dem Ober­ver­wal­tungs- und in bestimmten
    Kon­stel­la­tio­nen dem Bundesverwaltungsgericht.
    Mate­ri­ell-recht­lich kommt eine sol­che Verweigerung
    nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO auch nur in Betracht, „wenn
    das Bekannt­wer­den des Inhalts die­ser Urkun­den, Akten,
    elek­tro­ni­schen Doku­men­te oder die­ser Aus­künf­te dem
    Wohl des Bun­des oder eines Lan­des Nach­tei­le bereiten
    wür­de oder wenn die Vor­gän­ge nach einem Gesetz oder
    ihrem Wesen nach geheim gehal­ten wer­den müssen“.
    Dabei legt die Recht­spre­chung zwar all­ge­mein zugrunde,
    dass zum Schutz von Infor­man­ten deren personenbezogene
    Daten unab­hän­gig vom Wahr­heits­ge­halt der
    Aus­sa­ge und „ihrem Wesen nach“ auch in Fäl­len geheim
    zu hal­ten sind, wenn kei­ne ver­trau­li­che Behand­lung zugesichert
    wor­den ist.61 Dies gel­te aber nur, wenn die anonymen
    Infor­ma­tio­nen zur Erfül­lung einer Auf­ga­be zum
    Schut­ze gewich­ti­ger Rechts­gü­ter dienen.62 Im Zusammenhang
    mit der Bewer­tung wis­sen­schaft­li­cher Leistungen
    lehn­te das BVerwG aber ein sol­ches Geheimhaltungsinteresse
    ab und bestand auf der Offen­ba­rung der
    Iden­ti­tät der Wis­sen­schaft­ler, deren Bewer­tun­gen einer
    Ent­schei­dung der Hoch­schu­le zugrun­de gelegt werden.63
    Es fällt schwer, danach für die Auf­klä­rung von Dienstvergehen
    oder von wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten ein
    Geheim­hal­tungs­in­ter­es­se anzu­er­ken­nen – wei­te­re Entscheidungen
    hier­zu sind aber noch nicht veröffentlicht.
    Auch im gericht­li­chen und behörd­li­chen Disziplinarverfahren
    kön­nen auf anonym geäu­ßer­te Anschuldigungen
    aus Sicht des Ver­fas­sers kei­ne Tatsachenfeststellungen
    gestützt wer­den, denn auch inso­weit gilt die Beweiserhebungspflicht:
    § 25 Abs. 1 BDG nimmt (wie die landesrechtlichen
    Par­al­lel­vor­schrif­ten auch) auf die Vorschriften
    der Straf­pro­zess­ord­nung Bezug (§ 48 Abs. 3 StPO),
    wonach die Aus­sa­ge­pflicht des Zeu­gen eingeschränkt
    sein kann. Wegen die­ser Schutz­vor­keh­run­gen bleibt das
    per­sön­li­che Erschei­nen zu Ver­neh­mun­gen zumutbar
    und damit auch die Ver­pflich­tung von Zeu­gen, sich zur
    Sach­ver­halts­auf­klä­rung mit Vor­gän­gen und Erinnerungen
    erneut zu beschäf­ti­gen, die sie belasten.64 Zur effektiven
    Rechts­ver­tei­di­gung gegen straf­recht­lich relevante
    Ver­dachts­äu­ße­run­gen steht dem Betrof­fe­nen jedenfalls
    ein Anspruch auf Ertei­lung der Aussagegenehmigung
    gegen den Dienst­herrn eines mut­maß­li­chen Zeu­gen zu.65
    Prak­tisch kommt es auf die­sen Nach­weis ausschließlich
    anhand der Wahr­neh­mun­gen des Hinweisgebers
    und damit auf die ver­fah­rens­be­zo­ge­ne Offen­ba­rung seiner
    Iden­ti­tät nur sel­ten an. Auf­grund der Aufsichtsbefugnisse
    von Hoch­schul­lei­tun­gen kön­nen die Sachverhalte,
    die den Anschul­di­gun­gen zugrun­de lie­gen, oft
    57 Vgl. zur Ver­neh­mung eines Zeu­gen über Anga­ben einer (drit­ten)
    anony­men Gewährs­per­son BVerfG Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR
    215/81, BVerfGE 57, 250, 292; BGH, Urt. v. 1.8.1962 – 3 StR
    28/62, BGHSt 17, 382, 383 f.; Urt. v. 16.4.1985 – 5 StR 718/84,
    BGHSt 33, 178, 181; Urt. v. 8.6.2016 – 2 StR 539/15, juris, Rn. 23.
    58 BVerfG Beschl. v. 8.10.2009 – 2 BvR 547/08, juris, Rn. 12; Beschl.
    v. 29.3.2007 — 2 BvR 1880/06, juris, Rn. 2 f.; sie­he zur Überprüfung
    von Sper­rer­klä­run­gen (§ 96 StPO) und einer Preis­ga­be der
    Iden­ti­tät eines Belas­tungs­zeu­gen: VGH Kas­sel, Beschl. v. 3.6.2013
    – 8 B 1001/13, juris, Rn. 23.
    59 EGMR Urt. v. 18.12.2014 – 14212/10, juris, Ziff. 51. Zum
    Kon­fron­ta­ti­ons­recht bei optisch und akus­tisch abgeschirmten
    Zeu­gen­ver­neh­mun­gen sie­he auch BVerfG, Beschl. v. 29.3.2007 –
    2 BvR 1880/06, juris, Rn. 3 ff.
    60 Vgl. etwa Soi­né, Archiv für Kri­mi­no­lo­gie 200 (1997), 172 ff.;
    Cae­sar, NJW 1998, 2313 ff.; Rog­gan, GA 2012, 434 ff.
    61 BVerwG, Beschl. v. 1.12.2015 – 20 F 9/15, juris, Rn. 8, 10 m.w.N.
    62 Das wur­de bejaht für die Lebens­mit­tel­auf­sicht im Bereich des
    Ver­brau­cher- und Gesund­heits­schut­zes (BVerwG, Beschl. v.
    3.8.2011 – 20 F 23/10, juris, Rn. 8), den poli­zei­ärzt­li­chen Dienst
    (BVerwG, Beschl. v. 1.8.2011 – 20 F 26/10, juris, Rn. 7) und Maßnahmen
    der poli­zei­li­chen Gefah­ren­ab­wehr, die auf eine konkrete
    Gefahr von Leib und Leben zielt (BVerwG, Beschl. v. 1.12.2015 –
    20 F 9/15, juris, Rn. 9).
    63 BVerwG, Beschl. v. 10.1.2017 – 20 F 3/16, BVerw­GE 157, 181 ff. =
    juris, Rn. 10.
    64 OVG Müns­ter, Beschl. v. 29.11.2017 – 3d E 747/17.BDG, juris,
    Rn. 10.
    65 BVerwG, Urt. v. 2.12.1969 — VI C 138/67, NJW 1971, 160 f.
    Herr­mann · Wie Hoch­schu­len mit anony­men Ver­dachts­äu­ße­run­gen umge­hen müs­sen 7 3
    auch auf „ande­rem Wege“ auf­ge­klärt und die Verfahrenshypothesen
    durch Tat­sa­chen aus den Akten sowie
    aus Befra­gun­gen von Mit­ar­bei­ten­den und sonstigen
    Zeu­gen unter­mau­ert werden.66 All­ge­mein schei­tert diese
    Vor­ge­hens­wei­se aber oft an einem Unwil­len, mit – so
    emp­fun­de­nen – Leis­tungs­trä­gern, „Stüt­zen der Fakultät“
    oder „Aus­hän­ge­schil­dern der Uni­ver­si­tät“ über dienstliche
    Abläu­fe, ihre wis­sen­schaft­li­chen Veröffentlichungen
    oder ein mög­li­ches Fehl­ver­hal­ten gegen­über ehemaligen
    Stu­die­ren­den oder Mit­ar­bei­ten­den zu strei­ten. Von sich
    aus bür­den sich nur weni­ge Hoch­schu­len – aus übergeordneten
    Qua­li­täts­si­che­rungs­er­wä­gun­gen – derartige
    Unter­su­chun­gen auf. Dabei ist unsi­cher, ob die betroffenen
    Wis­sen­schaft­ler wenigs­tens die­se Qualitätsmaßstäbe
    der Hoch­schu­le anerkennen.
  6. Hoch­schul­in­ter­ne Rege­lun­gen zur Wah­rung der Vertraulichkeit
    im Zusam­men­hang mit der Untersuchung
    eines wis­sen­schaft­li­chen Fehlverhaltens
    Fast alle Hoch­schu­len haben inzwi­schen – als Satzungsrecht67
    unter Ein­be­zie­hung des Ver­tre­tungs­or­gans oder
    als Richt­li­nie bzw. Dienst­an­wei­sung der Hochschulleitung
    – Rege­lun­gen zum Ver­fah­ren auf­ge­stellt. Nur einzelne
    Hoch­schu­len begnü­gen sich dabei noch mit der
    Bezug­nah­me auf die HRG-Emp­feh­lun­gen vom
    14.5.201368 oder die DFG-Leit­li­ni­en vom 2.7.201969 zur
    Siche­rung der guten wis­sen­schaft­li­chen Pra­xis. Vor
    allem zum Umgang mit ein­ge­gan­ge­nen Hin­wei­sen sehen
    die Hoch­schul­re­ge­lun­gen bereits jetzt dif­fe­ren­zier­te Vorkehrungen
    vor, um die Ver­trau­lich­keit der Iden­ti­tät eines
    Hin­weis­ge­bers zu wah­ren. An der Zuläs­sig­keit derartiger
    Vor­keh­run­gen bestehen jeden­falls kei­ne grundsätzlichen
    Beden­ken: Ins­be­son­de­re besteht kei­ne Notwendigkeit,
    dass die Ver­de­ckung der Iden­ti­tät eines Verfahrensbeteiligten
    wäh­rend eines bestimm­ten Abschnitts des
    Ver­fah­rens durch den Gesetz­ge­ber gere­gelt werden
    müss­te. Das BVerwG konn­te jeden­falls dem Bundesrecht
    kei­nen Geset­zes­vor­be­halt ent­neh­men, ob und in welcher
    Wei­se bei schrift­li­chen Prü­fun­gen die Anony­mi­tät des
    Prüf­lings vor­ge­se­hen oder zu gewähr­leis­ten ist.70
    Wäh­rend die TU Mün­chen in ihrer Richt­li­nie noch
    pos­tu­liert, dass anony­me Hin­wei­se nicht beach­tet würden
    (Ziff. 10 Abs. 1 S. 3 TUM-RL)71, dürf­te in der Praxis
    auch bei die­ser exzel­len­ten Hoch­schu­le das Inter­es­se an
    der Auf­klä­rung von Vor­wür­fen zu einem wissenschaftlichen
    Fehl­ver­hal­ten über­wie­gen. Aus­drück­lich gewährleisten
    die Rege­lun­gen der meis­ten Uni­ver­si­tä­ten, dass
    über die Iden­ti­tät der Hin­weis­ge­ber grund­sätz­lich Vertraulichkeit
    zu wah­ren ist. Als Bei­spie­le hier­für können
    die Rege­lun­gen der Leib­niz Uni­ver­si­tät Han­no­ver (§ 9
    Abs. 2 RL72 zum Schutz der infor­mie­ren­den und der betroffenen
    Per­son), der TU Dres­den (§ 16 Abs. 3 RL)73 ,
    der HU Ber­lin (§ 6 Abs. 2 Satzung)74, der TU München
    (Ziff. 10 Abs. 2 TUM-RL), des KIT (§ 10 Abs. 2 S. 1
    Satzung)75 oder der Phil­ipps Uni­ver­si­tät Mar­burg (Ziff
    VII Abs. 4 Grundsätze)76 die­nen. Da die Bediensteten
    der Hoch­schu­len, die mit der Ent­ge­gen­nah­me von Informationen
    und Hin­wei­sen befasst sind, ohne­hin zur Verschwiegenheit
    ver­pflich­tet sind (§ 37 Abs. 1 BeamtStG für
    Beam­te, § 3 Abs. 2 TV‑L für Beschäf­tig­te auf Anordnung
    66 Ent­spre­chend sieht Ziff. 8 RiStBV für straf­recht­li­che Ermittlungen
    vor: „Auch bei namen­lo­sen Anzei­gen prüft der Staatsanwalt,
    ob ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten ist. Es kann sich
    emp­feh­len, den Beschul­dig­ten erst dann zu ver­neh­men, wenn der
    Ver­dacht durch ande­re Ermitt­lun­gen eine gewis­se Bestätigung
    gefun­den hat.“
    67 Sie­he zur Not­wen­dig­keit einer Sat­zungs­re­ge­lung für verbindliche
    Fest­stel­lun­gen der Unter­su­chungs­kom­mis­si­on VG Mainz, Urt. v.
    8.9.2010 — 3 K 844/09.MZ, juris, Rn. 34 ff.; a.A. (kei­ne Außenwirkung
    des Abschluss­be­richts) OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Beschl. v.
    26.4.2012 – 5 S 27.11, NVwZ 2012, 1491 = juris, Rn. 47; vgl. auch
    von Bar­gen, OdW 2016, 139, 147.
    68 https://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/Empfehlung_GutewissenschaftlichePraxis_
    14052013_02.pdf (Abruf 4.1.2020).
    69 https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/rechtliche_rahmenbedingungen/
    gute_wissenschaftliche_praxis/kodex_gwp.pdf
    (Abruf 4.1.2020).
    70 BVerwG, Beschl. v. 26.5.1999 – 6 B 65/98, juris, Rn. 4; sie­he zur
    Anony­mi­tät von Prüf­lin­gen und Prü­fern in Prüfungsverfahren:
    Fischer/Jeremias, Prü­fungs­recht, 7. Aufl. 2018, Rn. 324, 608 ff.
    71 Richt­li­ni­en zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis und
    für den Umgang mit wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten an der
    Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen v.15.7.2015: https://portal.
    mytum.de/archiv/kompendium_rechtsangelegenheiten/sonstiges/
    wiss_Fehlverh.pdf/view (Abruf 3.1.2020). Die TU Dresden
    lässt aus­drück­lich (§ 15 Abs. 4 RL Dres­den) das Auf­grei­fen von
    Anzei­gen auch ohne Preis­ga­be der Iden­ti­tät des Infor­man­ten bei
    aus­rei­chen­der Glaub­haf­tig­keit zu.
    72 Ord­nung der Gott­fried Wil­helm Leib­niz Uni­ver­si­tät Hannover
    zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis vom 15.7.2015,
    https://www.uni-hannover.de/fileadmin/luh/content/forschungps/
    ordnung_sicherung_gute_wiss_praxis.pdf (Abruf 3.1.2020).
    73 Richt­li­ni­en der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Dres­den zur Sicherung
    guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis, zur Ver­mei­dung wissenschaftlichen
    Fehl­ver­hal­tens und für den Umgang mit Ver­stö­ßen vom
    5.3.2014, http://www.verw.tu-dresden.de/AmtBek/PDF-Dateien/
    2014–02/sonst05.03.2014.pdf (Abruf 3.1.2020).
    74 Sat­zung der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin zur Sicherung
    guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis und zum Umgang mit Vorwürfen
    wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens vom 11.2.2014, https://
    gremien.hu-berlin.de/amb/2014/06/06_2014_20140130%20
    Beschlussversion%20Satzung%20Wissenschaftliches%20Fehlverhalten_
    DRUCK.pdf (Abruf 3.1.2020).
    75 Sat­zung zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis am Karlsruher
    Insti­tut für Tech­no­lo­gie (KIT) v. 23.5.2018, https://www.sle.
    kit.edu/downloads/AmtlicheBekanntmachungen/2018_AB_032.
    pdf (Abruf 3.1.2020).
    76 Grund­sät­ze und Ver­fah­rens­re­geln für den Umgang mit wissenschaftlichem
    Fehl­ver­hal­ten an der Phil­ipps-Uni­ver­si­tät Marburg
    v. 6.6.2011, https://www.uni-marburg.de/de/forschung/profil/
    ombudsperson/fehlverhalten.pdf (Abruf 3.1.2020).
    7 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 0 ) , 6 5 — 7 6
    des Arbeit­ge­bers), dür­fen auch an ande­ren Hochschulen
    die Iden­ti­tä­ten von Hin­weis­ge­bern und die Inhal­te ihrer
    Mit­tei­lun­gen nicht wei­ter­ge­tra­gen werden.
    Eine Ein­schrän­kung erfährt die ange­ord­ne­te Vertraulichkeit
    der Iden­ti­tät des Hin­weis­ge­bers in zahlreichen
    Hoch­schul­re­ge­lun­gen, soweit die Offen­ba­rung der
    Iden­ti­tät gegen­über dem Betrof­fe­nen zu des­sen sachgerechter
    Ver­tei­di­gung not­wen­dig ist. Die­sem gegenüber
    muss die Iden­ti­tät offen­ge­legt wer­den, soweit es zur Verteidigung
    not­wen­dig ist. Ent­spre­chen­de Bei­spie­le sind §
    12 Abs. 6 RL Bonn, § 11 Abs. 7 RL Han­no­ver, § 5 Abs. 6 RL
    Münster77, Ziff. 12 Abs. 6 TUM-RL, § 12 Abs. 4 S. 6 KITSatzung,
    Ziff. IX.3 Buchst. d) Grund­sät­ze Mar­burg. Auch
    wenn es der­ar­ti­ge Rege­lun­gen in den Richt­li­ni­en oder
    im Sat­zungs­recht einer Hoch­schu­le nicht gibt, hat der
    Betrof­fe­ne aber nach § 29 Abs. 1 VwVfG Anspruch auf
    Ein­sicht in sämt­li­che der Behör­den­ent­schei­dung zugrunde
    lie­gen­den Umstän­de, also auch in die der Hochschule
    bekann­te Iden­ti­tät eines Hin­weis­ge­bers. Weil dieses
    gesetz­lich aus­ge­stal­te­te Akten­ein­sichts­recht Ausfluss
    des Rechts­staats­prin­zips (Art. 20 Abs. 3 GG – „Waf­fen­gleich­heit“)
    und des Anspruchs auf recht­li­ches Gehör
    (Art. 103 Abs. 1 GG) ist und zum Grundrechtsschutz
    „durch Ver­fah­ren“ not­wen­dig ist, fin­det die­ser allgemeine
    Rechts­ge­dan­ke selbst in Ver­fah­ren Anwen­dung, die
    von der Anwen­dung des VwVfG aus­ge­nom­men sind.78
    Frei­lich kann das Akten­ein­sichts­recht nach § 29 Abs. 2
    Var. 3 VwVfG beschränkt wer­den, sofern die Vorgänge
    „nach ihrem Wesen geheim zu hal­ten“ sind. Die oben
    dar­ge­stell­te Ent­wick­lung der Recht­spre­chung zur Offenbarung
    der Iden­ti­tät von Infor­man­ten und erst recht von
    Belas­tungs­zeu­gen ist bei der Aus­le­gung die­ser Schranken
    der Akten­ein­sicht eben­so zu berück­sich­ti­gen. Nachdem
    noch im Jahr 2018 inter­ne Unter­su­chun­gen in Wissenschaftseinrichtungen
    ohne Offen­ba­rung der Identitäten
    von Anzei­gen­den oder Beschwer­de­füh­rern stattfanden79
    und damit die Ver­tei­di­gungs­mög­lich­kei­ten der
    betrof­fe­nen Wis­sen­schaft­le­rin „erschwert“ wor­den sind,
    sind Klar­stel­lun­gen wie in den Regel­wer­ken der genannten
    Hoch­schu­len sehr sinn­voll. Sie zie­hen die Abwägung
    „vor die Klam­mer“ bzw. aus den Umstän­den des konkreten
    Ver­fah­rens her­aus, wie weit das Geheimhaltungsinteresse
    eines Hin­weis­ge­bers gegen­über den rechtsstaatlichen
    Ver­tei­di­gungs­mög­lich­kei­ten des Betrof­fe­nen zu
    schüt­zen ist.
    Eine ent­spre­chen­de Appell­funk­ti­on kommt den Regelungen
    der Hoch­schu­len zu, mit denen Benachteiligungsverbote
    für Hin­weis­ge­ber pos­tu­liert wer­den. Beispiele
    hier­für fin­den sich in § 9 Abs. 1 RL Bonn80, § 8 Abs.
    3 RL Han­no­ver, § 16 Abs. 2 RL Dres­den, § 10 Abs. 2 S. 3
    KIT-Sat­zung. Der Nach­weis einer Benach­tei­li­gung ist in
    der Pra­xis zunächst von dem Beschäf­tig­ten zu führen.
    Ob der­ar­ti­ge Benach­tei­li­gun­gen unter­blei­ben, hängt
    vom Selbst­ver­ständ­nis der wis­sen­schaft­li­chen Einrichtung
    und der sie lei­ten­den Wis­sen­schaft­ler ab. Ebenfalls
    muss ver­mie­den wer­den, dass die Erhe­bung der Anschuldigungen
    dem Hin­weis­ge­ber Vor­tei­le bringt; denkbare
    Bei­spie­le sind der Ver­bleib leis­tungs­schwa­cher Mitarbeiter
    in Arbeits­grup­pen oder ein überproportionaler
    Zugriff auf Res­sour­cen der Hoch­schu­le, die Frei­ga­be unfertiger
    Wer­ke zur Ver­öf­fent­li­chung oder schlicht das
    Unter­blei­ben berech­tig­ter Kri­tik an Äuße­run­gen oder
    Ver­hal­tens­wei­sen des Infor­man­ten. Lässt man die Bewertung
    von Vor- oder Nach­tei­len weg, geht es bei diesen
    Rege­lun­gen dar­um, nicht nur das Ergeb­nis der zufälligen
    Ver­fah­rens­si­tua­ti­on zu per­p­etu­ie­ren, wer eben als
    ers­ter Vor­wür­fe erho­ben hat. In die­sem Zusammenhang
    ist die in eini­gen Rege­lun­gen ent­hal­te­ne Klau­sel eine
    Selbst­ver­ständ­lich­keit, dass die bewusst unrich­ti­ge Erhebung
    von Vor­wür­fen selbst (auch) ein wissenschaftliches
    Fehl­ver­hal­ten dar­stellt (§ 9 Abs. 2 RL Bonn, § 7 Nr. 6 RL
    Han­no­ver, § 9 Abs. 3 Buchst. c) RL Dres­den, Ziff. 7 Abs.
    1 Buchst. d) TUM-RL). Dies sichert, dass die zur Aufklärung
    eines Fehl­ver­hal­tens der ver­däch­tig­ten Per­son eingesetzte
    Unter­su­chungs­kom­mis­si­on in ihrem Abschlussbericht
    selbst auch ein Fehl­ver­hal­ten des Informanten
    77 (Rek­to­rats-) Grund­sät­ze für das Ver­fah­ren bei Ver­dacht auf
    wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten in der West­fä­li­schen Wilhelms-
    Uni­ver­si­tät vom 1.2.1998 — https://www.uni-muenster.de/Rektorat/
    abuni/ab80105.htm; gilt nach Maß­ga­be des Senatsbeschlusses
    vom 19.12.2001 fort: https://www.uni-muenster.de/imperia/md/
    content/wwu/senat/pdf/kodex.pdf (Abruf 3.1.2020).
    78 Sie­he zur Ablei­tung des Akten­ein­sichts­rechts Zie­kow, Verwaltungsverfahrensgesetz,
  7. Auf­la­ge 2020, § 29, Rn. 1 ff.
    79 Vgl. BT-Drucks. 19/14796, S. 1. Rechts­staat­li­che Verfahrensgarantien
    igno­riert auch Ziff. 8 Abs. 2 S. 4 TUM-RL, wonach die
    Hin­zu­zie­hung von Rechts­an­wäl­ten bei der Unter­su­chung des
    wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens aus­ge­schlos­sen sei. Nach der
    Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung (BT-Drucks. 19/14796, S. 4) kann
    der Betrof­fe­ne auch bei Anhö­run­gen vor einer Untersuchungskommission
    selbst­ver­ständ­lich in Beglei­tung einer Vertrauensperson
    – auch eines Rechts­an­walts – erschei­nen, wie es jetzt
    in Zif­fer III. Nr. 3 b) (2) der Ver­fah­rens­ord­nung der DFG zum
    Umgang mit wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten aus­ge­stal­tet ist:
    „[Die/Der von den Vor­wür­fen Betrof­fe­ne] ist auf ihren bzw. seinen
    Wunsch hin münd­lich anzu­hö­ren; dazu kann sie bzw. er eine
    Per­son ihres bzw. sei­nes Ver­trau­ens als Bei­stand hinzuziehen.
    Dies gilt auch für sons­ti­ge anzu­hö­ren­de Per­so­nen.“ Sie­he zum
    Recht eines Arbeit­neh­mers, zu einer kündigungsvorbereitenden
    Anhö­rung einen Rechts­an­walt hin­zu zu zie­hen oder sich über
    den Rechts­an­walt zu äußern: LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Urt. v.
    17.2.2011 – 25 Sa 2421/10, juris, Rn. 71, unter Ver­weis auf BAG,
    Urt. v. 13.3.2008 – 2 AZR 961/06, juris, Rn. 18.
    80 Richt­li­ni­en zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis an der
    Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät Bonn v. 1.9.2014,
    https://www.uni-bonn.de/forschung/gute-wissenschaftlichepraxis/
    amtl.-bek.-1426.pdf (Abruf 3.1.2020).
    Herr­mann · Wie Hoch­schu­len mit anony­men Ver­dachts­äu­ße­run­gen umge­hen müs­sen 7 5
    fest­stel­len kann. Hin­zu tritt nach den Umstän­den im
    Ein­zel­fall die Straf­bar­keit die­ser Ver­hal­tens­wei­se gem. §
    164 StGB (Fal­sche Ver­däch­ti­gung) und § 187 StGB
    (Ver­leum­dung).
  8. Pflicht zur Offen­ba­rung von bös­gläu­bi­gen Hinweisgebern
    Eine wich­ti­ge Ein­schrän­kung erfährt der Schutz von
    Hin­weis­ge­bern durch die seit Jahr­zehn­ten gepflegte
    Recht­spre­chung, dass eine Behör­de die Iden­ti­tät eines
    Infor­man­ten in bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen selbst dann
    preis­zu­ge­ben hat, wenn die­sem zuvor Vertraulichkeit
    zuge­si­chert wurde.81 Wer leicht­fer­tig oder wider besseres
    Wis­sen fal­sche Anga­ben macht, soll sich auch auf die
    Zusa­ge der Ver­trau­lich­keit nicht ver­las­sen dür­fen. In
    die­sen Fäl­len darf die Behör­de oder Hoch­schu­le dem
    Inter­es­se an der Geheim­hal­tung des Hin­weis­ge­bers nicht
    den Vor­rang vor dem Inter­es­se des Betrof­fe­nen geben,
    den Sach­ver­halt voll­stän­dig aufzuklären.82
    Die Auf­sichts­be­hör­de darf die Offen­ba­rung der Identität
    eines Infor­man­ten auch nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO
    nicht ver­hin­dern, wenn Anhalts­punk­te dafür vorliegen,
    dass der Infor­mant wider bes­se­res Wis­sen oder leichtfertig
    fal­sche Anga­ben gemacht hat.83 Die Fürsorgepflicht
    des Dienst­herrn gebie­tet es schließ­lich, einen betroffenen
    Beam­ten dabei zu unter­stüt­zen, sich gegen Behauptungen
    und Anschul­di­gun­gen Drit­ter zur Wehr zu setzen,
    die sei­ne Amts­füh­rung, sein sons­ti­ges dienstliches
    oder außer­dienst­li­ches Ver­hal­ten zu Unrecht in Misskredit
    brin­gen. Des­halb erkann­te das BVerwG dem belasteten
    Beam­ten zum Schutz und zur Wah­rung sei­ner Persönlichkeitsrechte
    einen unmit­tel­ba­ren und selbstständigen
    Anspruch gegen den Dienst­herrn zu, die Identität
    des Denun­zi­an­ten zu offen­ba­ren, auch wenn diesem
    Ver­trau­lich­keit zuge­si­chert wor­den war.84
    Glei­ches gilt für Beschäf­tig­te in der öffent­li­chen Verwaltung,
    die sich auf die all­ge­mei­nen Auskunftsansprüche
    nach Art. 15 DSGVO, § 34 Abs. 1 BDSG i.V.m. § 29
    Abs. 1 Satz 2 BDSG stüt­zen kön­nen. Die danach gebotene
    Offen­ba­rung der Iden­ti­tät eines Hin­weis­ge­bers kann
    auch durch die zuge­sag­te Geheim­hal­tung nicht verhindert
    wer­den. Die Recht­spre­chung legt der verantwortlichen
    Stel­le sogar die pro­zes­sua­le Dar­le­gungs­pflicht auf,
    Anga­ben zu einem kon­kre­ten Sach­ver­halt vorzutragen,
    wes­halb die Aus­kunfts­er­tei­lung tat­säch­lich beschränkt
    wer­den müss­te. Dem­nach trifft die Hoch­schu­le als Arbeitgeber
    bzw. Dienst­vor­ge­setz­ter kraft Sach­nä­he die
    Pflicht zur Dar­le­gung und zum Nach­weis schützenswerter
    Inter­es­sen des Hinweisgebers.85
    V. Fazit
    Die Hoch­schu­le trifft die Auf­ga­be, dem Ver­dacht eines
    wis­sen­schaft­li­chen oder sons­ti­gen Fehl­ver­hal­tens eines
    bei ihr (ggf. frü­her) täti­gen Wis­sen­schaft­lers oder sonstigen
    Beschäf­tig­ten nach­zu­ge­hen. Hier­bei stel­len Mitteilungen
    von ande­ren Beschäf­tig­ten, exter­nen Dritten
    oder ande­ren Behör­den, aus denen sich Anhaltspunkte
    für Pflicht­ver­let­zun­gen erge­ben, nicht nur den Anlass
    für Unter­su­chun­gen der Hoch­schu­le dar, son­dern geben
    auch als Grund­la­ge die Rich­tung der ers­ten Ermittlungen
    vor. Inso­weit die­nen Hin­wei­se auf Rechtsverstöße
    und Fehl­ver­hal­ten auch dann dem Gemein­wohl, wenn
    sich die Ver­dachts­mo­men­te im Zuge der Ermittlungen
    nicht erhär­ten. Die Hoch­schu­le muss nicht tätig werden,
    wenn sie nur mit Mut­ma­ßun­gen, Spe­ku­la­tio­nen und
    Mei­nun­gen kon­fron­tiert wird, denen eine Tatsachenbehauptung
    fehlt. Die Kennt­nis der Iden­ti­tät eines Hinweisgebers
    ist kei­ne Vor­aus­set­zung für die Ermittlungspflicht.
    Neben der tätig­keits­be­zo­ge­nen Verschwiegenheitspflicht
    ihrer Beschäf­tig­ten, die an den Untersuchungen
    mit­wir­ken, kön­nen die Hoch­schu­len bei Beschwerden
    und Mit­tei­lun­gen zusa­gen, die Iden­ti­tät eines Hinweisgebers
    ver­trau­lich zu behan­deln. Dazu sind Vorkehrungen
    zu tref­fen, dass die per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten des Informanten
    von der inhalt­li­chen Auf­klä­rung des Vorwurfs
    getrennt blei­ben. Der­zeit gibt es kei­ne Pflicht der
    Hoch­schu­len zur Ein­rich­tung sol­cher Vertraulichkeitsbarrieren.
    Bei der Umset­zung der Ende 2019 in Kraft gesetzten
    Richt­li­nie 2019/1937/EU ist aber (jeden­falls für
    Hin­weis­ge­ber, die Ver­stö­ße gegen Uni­ons­recht melden)
    eine dif­fe­ren­zier­te Aus­ge­stal­tung zu erwarten.
    Unge­ach­tet der Zusi­che­run­gen oder Vorkehrungen
    zur Wah­rung beson­de­rer Ver­trau­lich­keit für die Identität
    von Hin­weis­ge­bern bestehen bereits jetzt rechtliche
    Vor­keh­run­gen zum Schutz der Hin­weis­ge­ber, vor allem
    ein all­ge­mei­nes Benach­tei­li­gungs­ver­bot. Dies gilt jeden-
    81 BVerwG, Urt. v. 30.4.1965 — VII C 83/63, NJW 1965, 1450, 1451:
    VGH Mün­chen, Urt. v. 30.7.1979 — Nr. 3712 VII/78, NJW 1980,
    198, 199.
    82 Vgl. auch RiStBV, Anla­ge D Ziff. 4.
    83 BVerwG, Urt. v. 4.9.2003 — 5 C 48.02, BVerw­GE 119, 11, 15; Urt.
    v. 3.9.1991 — 1 C 48.88, BVerw­GE 89, 14, 19; Beschl. v. 3.8.2011
    – 20 F 23/10, juris, Rn. 10; Beschl. v. 1.12.2015 – 20 F 9/15, juris,
    Rn. 10; Beschl. v. 15.3.2019 – 20 F 7/17, juris, Rn. 10.
    84 BVerwG, Urt. v. 27.02.2003 — 2 C 10/02, BVerw­GE 118, 10 = NJW
    2003, 3217.
    85 Sie­he zur Reich­wei­te des Aus­kunfts­an­spruchs eines Beschäftigten
    bei inter­nen Ermitt­lun­gen: LAG Stutt­gart, Urt. v. 20.12.2018 – 17
    Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242 = juris, Rn. 208 (Rev. anhängig
    unter BAG 5 AZR 66/19); m. Anm. Spitz, juris­PR-ITR 9/2019
    Anm. 4; Scholz, juris­PR-ArbR 22/2019 Anm. 5; Kielkowski/Zöll,
    juris­PR-Compl 2/2019 Anm. 1.
    7 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 0 ) , 6 5 — 7 6
    falls für die Beschäf­tig­ten, die über Miss­stän­de zunächst
    ihre Vor­ge­setz­ten und Arbeit­ge­ber unter­rich­ten. Ob
    auch die Iden­ti­tät von Hin­weis­ge­bern im Verwaltungsprozess
    „ihrem Wesen nach“ geheim zu hal­ten ist, muss
    jedoch nach dem Beschluss des BVerwG vom 22.1.2017,
    wonach die Anony­mi­tät im Wis­sen­schafts­be­reich nicht
    geschützt sei, ange­zwei­felt wer­den. Zur Offen­le­gung der
    Per­so­nen­da­ten von Infor­man­ten, die wis­sent­lich falsche
    Anga­ben gemacht haben, sind die Hoch­schu­len und Behörden
    schon heu­te verpflichtet.
    Prof. Dr. Klaus Herr­mann, Pots­dam, ist Fach­an­walt für
    Ver­wal­tungs­recht und Part­ner der Dom­bert Rechtsanwälte
    PartmbB, Hono­rar­pro­fes­sor für Verwaltungsrecht
    und Wirt­schafts­ver­wal­tungs­recht an der Brandenburgischen
    tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Cottbus-Senftenberg
    und Lehr­be­auf­trag­ter für öffentliches
    Dienst­recht an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Halle-
    Wit­ten­berg. Allein aus Grün­den des Lese­flus­ses wurde
    im Text ledig­lich die männ­li­che Form ver­wen­det, eine
    geschlechts­be­zo­ge­ne Her­vor­he­bung oder