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Dog­ma­tis­mus und Ideo­lo­gie sind genau das Gegen­teil von Wis­sen­schaft. Die tra­di­tio­nel­le Feind­schaft ist des- halb berech­tigt. Ideo­lo­gien behan­deln sub­jek­ti­ve Über- zeu­gun­gen als objek­ti­ve Daten. Die Ideo­lo­gen nen­nen dem­ge­mäß ihren »Glau­ben« häu­fig »Wahr­heit«. Die Objek­ti­vie­rung sub­jek­ti­ver Über­zeu­gun­gen, die »Dog­men­bil­dung«, ist meist beglei­tet von einem mehr oder min­der mili­tan­ten Fana­tis­mus, der den »Ungläu­bi­gen« ver­nich­tet, sofern sich die­ser nicht »bekeh­ren« läßt. Die tota­li­tä­re und aggres­si­ve Ten- denz der Ideo­lo­gien ist ver­ständ­lich. Da sie ihre Aus­sa- gen nicht über­zeu­gend bewei­sen kön­nen, müs­sen sie den Men­schen zwin­gen, die­se Aus­sa­gen zu glau­ben. Die abso­lu­te intel­lek­tu­el­le Frei­heit, eine ent­schei­den­de Vor-

aus­set­zung der Wis­sen­schaft, leh­nen die Ideo­lo­gien dem­ge­mäß ab.- Die Ent­ideo­lo­gi­sie­rung der poli­ti­schen Bezie­hun­gen, eine drin­gen­de Not­wen­dig­keit in der heu- tigen Welt, kann wahr­schein­lich nur mit Hil­fe der Wis- sen­schaft erfol­gen. In der durch eine mehr oder min­der aus­ge­präg­te Dog­men­hö­rig­keit cha­rak­te­ri­sier­ten plu­ra- lis­ti­schen Gesell­schaft unse­rer Zeit scheint die Wis­sen- schaft die ein­zi­ge gemein­sa­me Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ba­sis zu sein. Die Sät­ze und Geset­ze der Wis­sen­schaft gel­ten in Chi­na genau­so wie bei uns, in Schwe­den genau­so wie in Spa­ni­en. Es wäre fatal für unse­re Zukunft, wenn die Mehr­zahl der Men­schen die Struk­tur und die Bedeu­tung der Wis­sen­schaft nicht begrei­fen lern­te, son­dern im Gestrüpp der Ideo­lo­gien ver­haf­tet bliebe.

Hans Mohr, Wis­sen­schaft und mensch­li­che Exis­tenz, 1967, S. 49.
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2016, ISSN 2197–9197

Hans Mohr
Wis­sen­schaft und Ideo­lo­gie1

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