Übersicht
I. Fragestellungen
II. Vorüberlegungen zur Rechtsnatur des Wissenschaftsrates
III. Der verfassungsrechtliche Rahmen von Akkreditierungsstellungnahmen des Wissenschaftsrates
- Die von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Freiheit von Gründern und Betreibern von Privathochschulen
- Hochschulförmigkeit keine dem Gesetzesvorbehalt genügende Rechtfertigung für Eingriffe in die Privathochschulfreiheit
IV. Rechtsstaatliche Anforderungen an die Gestaltung der Akkreditierungsverfahren - Nicht durch die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Kommunikationsfreiheit gerechtfertigt
- Keine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Akkreditierungsgutachten
- Defizite im rechtlichen Gehör
- Wettbewerbsverzerrung und Prangerwirkung durch die Veröffentlichung der Stellungnahmen des Wissenschaftsrates
V. Grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Monita des Wissenschaftsrates gegen eine Akkreditierung - Zur Auflösung von Verfahrenskonkurrenzen
- Zur unverhältnismäßigen Belastung und Kostenlast durch Reakkreditierungen
- Keine klare Differenzierung zwischen den Monita bei der Nichtakkreditierung
- Zweierlei Maß bei der Bildung des Maßstabes für die Akkreditierung
- Zu den inhaltlichen Mängeln in Akkreditierungsstellungnahmen
VI. Schlussbemerkung
An mittlerweile über hundert privaten Hochschulen studieren etwa 8, 5 % der Studierenden in Deutschland1. Für den Zugang zu diesem immer noch wachsenden Bildungsweg bedürfen die privaten Hochschulen der staatlichen Anerkennung.2 Deren Voraussetzungen sind, weitgehend übereinstimmend, in den Hochschulgesetzen der Länder geregelt.3 Die Prüfung dieser Anerkennungsvoraussetzungen erfordert hochschulbezogenes Erfahrungswissen hinsichtlich des von den privaten Hochschulen zu verlangenden Leistungsprofils in Forschung und Lehre. Denn zum einen soll die private Hochschule ihren Studierenden ein, je nach Hochschultyp unterschiedlich ausgeprägtes, wissenschaftliches Studium anbieten, zum anderen erwartet der Arbeitsmarkt besondere Qualifikationen der Absolventen privater Hochschulen. Das Studium an privaten Hochschulen muss also mit dem an staatlichen Hochschulen in Breite und Tiefe sowie in den Leistungsanforderungen vergleichbar sein.
Das für die staatliche Anerkennung zuständige Landesministerium betraut in aller Regel den Wissenschaftsrat mit der Prüfung, ob eine private Hochschule im Hinblick auf Lehre, Forschung und Organisation sowie auf solide Finanzierung die gesetzlichen AnerkennungsvorThomas
Würtenberger
Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen durch den Wissenschaftsrat: Probleme demokratischer Legitimation und rechtsstaatlicher Bindung*
- Die Ausführungen beruhen zum Teil auf gutachtlichen Stellungnahmen. Herrn Alexander Krüger danke ich für eine kritische Durchsicht des Manuskripts. Die Internet-Fundstellen wurden am 26. 8. 2020 abgerufen.
1 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/01/PD20_026_213.html — auch zu den hohen Zuwachsraten des Studiums an privaten Hochschulen.
2 So etwa nach § 70 LHG BW; Art. 76 BayHSchG; § 123 BerlHG; § 114 HmbHG; § 91 HessHG; § 72 NRWHG; § 76 SchlHHSG; § 101 ThürHG, — hier auch die Regelung der rechtlichen Voraussetzungen der staatlichen Anerkennung; hierzu im Überblick Würtenberger, Privathochschulfreiheit – Auch bei der Organisation der Leitungsebene?, OdW 2019, S. 15, 18.
3 Die Landesregierung Baden-Württemberg hat allerdings Ende Juli 2020 einen Entwurf zu einem 4. Hochschulrechtsänderungsgesetz vorgelegt, der die staatlichen Anerkennungsvoraussetzungen erweitert und das Akkreditierungsverfahren des Wissenschaftsrates nunmehr rechts- und verfassungskonformer gestalten möchte (https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/beteiligungsportal/gesetzentwuerfe/200728_Gesetzentwurf_viertes_Hochschulrechtsaenderungsgesetz.pdf). Auf die Änderungsvorschläge wird im Folgenden verwiesen, soweit sie die hier kritisierte Verfahrenspraxis des Wissenschaftsrates betreffen.
Ordnung der Wissenschaft 2020, ISSN 2197–9197
2 1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
4 So etwa nach § 70 Abs. 1 S. 4 LHG BW.
5 https://www.wissenschaftsmanagement-online.de/sites/www.
wissenschaftsmanagement-online.de/files/migrated_wimoarticle/
Goll.pdf unter 3.8.
6 Wiss Rat Drs. 4395–15, S. 21 ff. – Leitfaden der institutionellen
Akkreditierung nichtstaatlicher Hochschulen.
7 Zur Veröffentlichung vgl. Wiss Rat Drs. 4395–15, S. 24.
8 Zum Folgenden vgl. „Zur Zukunft der institutionellen Akkreditierung
nichtstaatlicher Hochschulen in Deutschland. Bericht
der internationalen Kommission zur Evaluation des Verfahrens
zur Akkreditierung nichtstaatlicher Hochschulen durch den
Wissenschaftsrat“, abgedruckt in Wiss Rat Drs. 8925–09, S. 23, 48
ff. (Kritik an der Kontrolle von Programmakkreditierungen etc.).
9 Der Wissenschaftsrat ist sich der Problematik des Peer Review in
Akkreditierungsverfahren bewusst (vgl. Drs. 1656-11 mit „Empfehlungen
zur Steuerung und Bewertung von Forschungsleistungen“,
S. 17), verhindert aber nicht, dass vergleichbare Sachverhalte
von den Gutachtergruppen unterschiedlich gewürdigt werden.
Hierauf ist zurückzukommen.
10 Wiss Rat Drs. 4395–15; den Weg in den Duden hat der Kunstbegriff
der „Hochschulförmigkeit“ noch nicht gefunden.
11 BeckOK Hochschulrecht BW/ Krausnick, 16. Edition 01.11.2019,
§ 70 LHG Rn. 23.
aussetzungen erfüllt.4 Der Wissenschaftsrat setzt eine
Arbeitsgruppe ein, die auf der Grundlage eines Selbstberichts
der Hochschule und nach deren Begehung einen
Bewertungsbericht verfasst. Begleitet wird das gesamte
Akkreditierungsverfahren von der Geschäftsstelle des
Wissenschaftsrates, die „schreiben, redigieren, konzipieren“,
also wesentliche Steuerungs- und Lenkungsfunktionen,
für sich in Anspruch nimmt.5 Nach dieser Vorbereitung
entscheidet der Wissenschaftsrat über die
(Nicht-) Akkreditierung und über die von der privaten
Hochschule meist unter Fristsetzung zu erfüllenden
Auflagen.6 Die vom Wissenschaftsrat verfassten Akkreditierungsstellungnahmen
werden, selbst wenn sie eine
Akkreditierung ablehnen, auf dessen Homepage gestellt
und sind im Internet allgemein zugänglich.7
I. Fragestellungen
Die Befassung des Wissenschaftsrates mit der Akkreditierung
privater Hochschulen ist nicht ohne Kritik
geblieben. Von einer internationalen Kommission wurde
2008 moniert8, dass die Standards an öffentlichen
Hochschulen bei der institutionellen Akkreditierung
durch den Wissenschaftsrat über Gebühr maßstabsbildend
seien und die Tendenz zu einem strukturkonservativen
Verfahren bisweilen erkennbar sei. Zudem wurden
die Probleme des Peer Review, das sich häufig nicht von
eigenen didaktischen und fachlichen Vorstellungen zu
lösen vermag, angesprochen und eine Schulung der Gutachter
gefordert.9
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf
eine verfassungs- und hochschulrechtliche Kritik an der
Arbeit des Wissenschaftsrates. Da der Wissenschaftsrat
keine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, und
weder dem Bund noch einem Land zugeordnet werden
kann, mag man bereits zweifeln, ob er überhaupt Adressat
verwaltungsgerichtlicher Verfahren sein kann (II.).
Die Stellungnahmen des Wissenschaftsrates zur Akkreditierung
privater Hochschulen sind zudem verfassungsrechtlich
defizitär, da er sich weder in seinem Leitfaden
noch in seinen Akkreditierungsverfahren mit der verfassungsrechtlich
geschützten Freiheit des Trägers von Privathochschulen
(III., 1.) und den hieraus herzuleitenden
Maßstäben für Akkreditierungsentscheidungen befasst.
Zu problematisieren ist, dass die Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrates oft nicht auf den
in den Ländern rechtlich geregelten Voraussetzungen
der staatlichen Anerkennung von privaten Hochschulen
beruhen. So regelt § 70 Abs. 1 S. 5 LHG BW, dass der Wissenschaftsrat
mit Akkreditierungsverfahren betraut werden
kann, um die Entscheidungsgrundlagen des Ministeriums
gemäß § 70 Abs. 2 und 5 LHG zu erweitern. Dieses
Ziel wird vom Wissenschaftsrat jedoch nicht vorrangig
verfolgt. Jenseits der landesrechtlichen Vorgaben orientiert
er sich vielmehr an einem von ihm verfassten eigenen
Leitfaden, der alleinige Grundlage seiner Akkreditierungsverfahren
privater Hochschulen ist. In diesem
Leitfaden, eine Art von Verwaltungsvorschrift, aus dem
Jahr 2015, hat der Wissenschaftsrat über die Konkretisierung
der landesgesetzlichen Vorgaben hinaus und daher
in einem rechtsfreien Raum und ohne demokratische Kontrolle
eigene Maßstäbe der Hochschulförmigkeit10 entwickelt.
Wegen dieser Diskrepanz zwischen den gesetzlich
abschließend11 geregelten Anerkennungsvoraussetzungen
und den selbst gesetzten Akkreditierungsmaßstäben
des Wissenschaftsrates gehen dessen Stellungnahmen
zur Akkreditierung zu einem beträchtlichen Teil von
Maßstäben aus, die mit der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes
unvereinbar sind (III., 2.).
Die Praxis der Akkreditierungsverfahren gibt ebenfalls
Anlass zu Kritik. Bei der Ausarbeitung und bei der
Verbreitung seiner Stellungnahmen zur Akkreditierung
von privaten Hochschulen verstößt der Wissenschaftsrat
gegen rechtsstaatliche Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts.
Auf dem Prüfstand steht unter anderem:
Ist der Wissenschaftsrat berechtigt, negative Akkreditierungsstellungnahmen
ohne vorhergehende Anhörung
der betroffenen Hochschule zu veröffentlichen? (IV.)
Und nicht zuletzt bestehen Bedenken gegen eine Vielzahl
von Monita des Wissenschaftsrates, die zu Auflagen
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 1 7
12 https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/Verwaltungsabkommen.
pdf?__blob=publicationFile&v=2
13 Vgl. Jarass/Pieroth/Jarass, Grundgesetz, 16. Aufl. 2020, Art.
20 GG Rn. 76; Jarass/Pieroth/Pieroth, aaO, Art. 86 GG Rn.
2 a; Dreier/Schulze-Fielitz, Grundgesetz, 3. Aufl. 2015, Art. 20
(Rechtsstaat) Rn. 125; von Mangoldt/Klein/Starck/Sommermann,
Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 20 GG Rn. 283.
14 Eine Organleihe ist wohl auszuschließen; vgl. zu den Voraussetzungen
der Organleihe von Kommissionen Fehling, Rundfunk,
in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht,
Band 2, 3. Aufl. 2013, § 59 Rn. 159 mit Nachw.
15 Röhl, Der Wissenschaftsrat. Kooperation zwischen Wissenschaft,
Bund und Ländern, 1994, S. 220 mit Nachw.
16 Lerche versucht in einem unveröffentlichten Rechtsgutachten von
1983 zu Fragen des rechtlichen Status des Wissenschaftsrates eine
Aufsicht durch Bund und Länder zu konstruieren (S. 14 ff.).
17 Röhl, Der Wissenschaftsrat. Kooperation zwischen Wissenschaft,
Bund und Ländern, 1994, S. 220 ff. mit Nachw.
oder zur Nichtakkreditierung privater Hochschulen geführt
haben (V.).
II. Vorüberlegungen zur Rechtsnatur des Wissenschaftsrates
Der Wissenschaftsrat ist das zentrale hochschulpolitische
Beratungsgremium von Bund und Ländern in Fragen
der Fortentwicklung des Hochschul- und Wissenschaftsbereichs.
Er wurde durch das Verwaltungsabkommen
zwischen Bund und Ländern vom 5. September
1957 eingerichtet.12 Träger der „Behörde“ Wissenschaftsrat
sind die Bundesländer und der Bund als öffentlichrechtliche
Körperschaften, repräsentiert durch ihre jeweiligen
Regierungen. Die Mitglieder des Wissenschaftsrates
werden teilweise vom Bundespräsidenten unter
anderem auf Vorschlag der Institutionen wissenschaftlicher
Forschung berufen, teilweise von der Bundesregierung
und den Landesregierungen entsandt (Art. 4 des
Verwaltungsabkommens). Die Finanzierung des Wissenschaftsrates
erfolgt aus dem Bundes- und den Landeshaushalten
(Art. 9 des Verwaltungsabkommens). Zu
seinen explizit benannten Aufgabebereichen gehört,
dass er auf Anforderung eines Landes gutachtlich zu Fragen
der Entwicklung der Landeshochschulen Stellung
nimmt (Art. 2 a. E. des Verwaltungsabkommens).
Diese Konstruktion des Wissenschaftsrates lässt sich
mit dem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt13
nicht vereinbaren. Jedenfalls dann bedarf es eines demokratisch
legitimierten Gesetzes, wenn eine Behörde durch ihr
Handeln nach außen in Grundrechte von privaten Hochschulen
und ihrer Träger eingreift. Die Stellungnahmen des
Wissenschaftsrates werden in Akkreditierungsverfahren
zwar verwaltungsintern dem jeweils beauftragenden Wissenschaftsministerium
des Landes erstattet. Da aber diese
Stellungnahmen, die eine Akkreditierung ablehnen oder
die erhebliche Mängel im Betrieb privater Hochschulen rügen,
auf der Homepage des Wissenschaftsrates veröffentlicht
und zusätzlich durch Pressemitteilungen verbreitet
werden, wird in Grundrechte eingreifend nach außen gehandelt.
Zu diskutieren ist, ob der Wissenschaftsrat mit der
Publikation seiner Akkreditierungsgutachten die Funktion
eines lediglich verwaltungsintern agierenden Helfers des
beauftragenden Landes14 überschreitet.
Eine die Grundrechte der Betreiber privater Hochschulen
sowie diejenigen der Hochschule selbst verletzende
Veröffentlichung der Stellungnahmen des nicht
rechtsfähigen Wissenschaftsrates kann verwaltungsprozessual
angegriffen werden. Wenn auch durch eine bloße
Verwaltungsvereinbarung keine rechtsfähige juristische
Person des öffentlichen Rechts gegründet werden konnte,
15 bedeutet dies aber nicht, dass der Wissenschaftsrat,
dessen Tätigkeit keinerlei Aufsicht unterworfen ist16, außerhalb
der Rechtsordnung steht. Wenn die Behörde Wissenschaftsrat
bei ihrem Akkreditierungsvorschlag, wie
noch zu zeigen ist, außerhalb ihres Kompetenzrahmens,
in Verkennung der Reichweite der Privathochschulfreiheit
und des Gesetzesvorbehalts für Grundrechtseingriffe
sowie mit bisweilen unzutreffend begründeten Stellungnahmen
in erheblicher Weise in Grundrechte der
privaten Hochschulen eingreift, verlangt Art. 19 Abs. 4
GG entsprechenden Rechtsschutz. Zu dessen Gewährleistung
lässt sich wohl von einer Teilrechtsfähigkeit der
„Behörde“ Wissenschaftsrat ausgehen.17 Soweit insoweit
Zweifel bestehen sollten, wäre eine Klage gegen die Bundesregierung
und die Landesregierungen als Träger der
Organisation Wissenschaftsrat – oder nur gegen eine
dieser gesamthänderisch handelnden öffentlich-rechtlichen
Körperschaften – statthaft.
III. Der verfassungsrechtliche Rahmen von Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrates
Zu klären ist, ob die Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrates die durch Art. 5 Abs. 3 GG
geschützte Wissenschafts‑, Forschungs- und Lehrfreiheit
nicht nur der privaten Hochschulen, sondern auch ihrer
Gründer und Trägergesellschaften zu beachten haben.
- Die von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Freiheit von
Gründern und Betreibern von Privathochschulen
Art. 5 Abs. 3 GG schützt die Freiheit von Wissenschaft,
Forschung und Lehre gegen Eingriffe des Staates. Juristische
Personen in privatrechtlicher Rechtsform, also etwa
2 1 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
eines Vereins, einer GmbH, einer Aktiengesellschaft
oder Stiftung können sich ebenfalls auf Art. 5 Abs. 3 GG
berufen18.
Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG umfasst auch
die Freiheit, eine private Hochschule zu gründen und zu
betreiben19. Denn Art. 5 Abs. 3 GG will dem heutigen
Zustand des Privathochschulwesens, also eines Bildungsmarktes,
in dem private Hochschulen eine wissenschaftlich
und didaktisch fundierte Aus- und Weiterbildung
anbieten, verfassungsrechtlichen Schutz gewähren. Dieser
verfassungsrechtliche (Zugangs-) Schutz hat das Ziel,
die den pluralistischen Staat kennzeichnende Vielfalt der
Wissenschaft und ihrer Organisationsformen zu sichern.
Dies richtet sich gegen alte Formen der staatlichen Monopolisierung
oder der Lenkung der wissenschaftlich
fundierten Hochschulausbildung. Letztlich lässt sich aus
dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsfreiheit von
Wissenschaft und Lehre ein an den Staat gerichtetes Wissenschaftssteuerungsverbot
herleiten20. Gegenüber dem
breiten Spektrum vertretbarer Ansätze in Forschung,
Lehre und Hochschulorganisation muss der Staat strikte
Neutralität wahren.
Art. 5 Abs. 3 GG schützt mit der Privathochschulfreiheit
also auch die Gründungs- und Betätigungsfreiheit ihrer
Trägergesellschaften21. Bei der Gründung und bei den
Einflussnahmen auf „ihre“ Privathochschulen können
sich die Trägergesellschaften auf selbstgesetzte Maßstäbe
im Bereich von Forschung, Lehre und Organisation
berufen.
Diese von Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos geschützte
Privathochschulfreiheit unterliegt nur verfassungsimmanenten
Schranken.22 In die Wissenschaftsfreiheit kann
nur vom Gesetzgeber „mit Rücksicht auf kollidierendes
Verfassungsrecht eingegriffen werden“.23 Eingriffe in die
die privaten Hochschulen schützende Wissenschaftsund
Lehrfreiheit sind allein aus Gründen „der Erhaltung
und Förderung der Hochschulen“ selbst „sowie des
Schutzes anderer Grundrechtsträger“ statthaft.24 Zu berücksichtigen
ist insbesondere der durch Art. 12 Abs. 1
GG verbürgte Grundrechtsschutz der Studierenden, da
die privaten Hochschulen als Ausbildungsstätten für bestimmte
Berufsfelder den Studierenden das Äquivalent
zu einer staatlichen Hochschulausbildung zu bieten
haben.
Die Konkretisierung der verfassungsimmanenten
Schranken der Privathochschulfreiheit erfolgt durch
die in den Landeshochschulgesetzen geregelten Voraussetzungen
für die staatliche Anerkennung.25 So fordert
§ 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LHG BW, dass das Studium an
dem in § 29 LHG BW genannten Ziel ausgerichtet sein
muss:
„Lehre und Studium sollen Studierende nach Maßgabe der
Aufgaben der Hochschule entsprechend § 2 Abs. 1 auf eine
berufliche Tätigkeit vorbereiten oder in einer beruflichen
Tätigkeit weiterqualifizieren. …. Die dafür erforderlichen
Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden sollen dem jeweiligen
Studiengang entsprechend so vermittelt werden, dass die
Studierenden zu wissenschaftlicher … Arbeit und zu verantwortungsvollem
Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen
und sozialen Rechtsstaat befähigt werden.“
Die wissenschaftliche Qualität des Studiums an privaten
Hochschulen wird durch weitere Vorgaben des § 70 Abs.
2 S. 1 LHG BW gesichert: Das hauptberufliche Lehrpersonal
muss die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen,
„die für entsprechende Tätigkeiten an staatlichen Hochschulen
gefordert werden“. Dabei muss „ein Lehrkörper
in vergleichbarem Umfang zu entsprechenden staatlichen
Hochschulen vorhanden sein“ (Nr. 5). Außerdem
muss „die innere Wissenschaftsfreiheit hinreichend gesichert“
und „im akademischen Kernbereich muss eine
18 Maunz/Dürig/Remmert, Grundgesetz, 90. EL Feb. 2020, Art. 19
Abs. 3 GG Rn. 102 mit weit. Nachw. – Zur hier nicht zu vertiefenden
Frage, inwieweit sich Stiftungen des Privatrechts auf Art.
5 Abs. 3 GG berufen können: MüKoBGB/Weitemeyer, 8. Aufl.
2018, BGB § 80 Rn. 62 f.
19 Zum Folgenden ausführlich Würtenberger, Privathochschulfreiheit
– Auch bei der Organisation der Leitungsebene?, OdW 2019,
15, 16 ff.
20 Heidtmann, Grundlagen der Privathochschulfreiheit, 1980, S.
243 ff.; in der Sache ebenfalls Steinkemper, Verfassungsrechtliche
Stellung der Privathochschule und ihre Finanzierung, 2002, S. 58.
21 Würtenberger, Privathochschulfreiheit – Auch bei der Organisation
der Leitungsebene?, OdW 2019, S. 15, 16 ff.; Jarass/Pieroth/
Jarass, Grundgesetz, Art. 5 GG Rn. 141; Fehling, in Bonner
Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 129 ff.;
Steinkemper, Verfassungsrechtliche Stellung der Privathochschule
und ihre Finanzierung, 2002, S. 116 ff.; Penßel, in: Geis (Hg.),
Hochschulrecht im Freistaat Bayern, 2. Aufl. 2017, Kap. 6 Rn.
41; Hufen, Staatsrecht II: Grundrechte, 5. Aufl. 2016, § 34 Rn. 16;
Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und
staatlicher Institutionalisierung, 1994, S. 120; Löwer, Freiheit von
Forschung und Lehre, in Merten/Papier (Hg.), Handbuch der
Grundrechte in Deutschland und Europa, § 99 Rn. 19.
22 Maunz/Dürig/Gärditz, Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 151;
Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018,
§ 26 Rn. 101 ff.
23 BVerfG NVwZ 2010, 1285 Rn. 54 mit zahlreichen Rückverweisen;
zum Folgenden Würtenberger, Privathochschulfreiheit – Auch bei
der Organisation der Leitungsebene?, OdW 2019, S. 15, 17 f.
24 BVerfG NVwZ 2010, 1285 Rn. 55 mit zahlreichen Rückverweisen.
25 Ein Überblick dieser fast identischen Regelungen in Fn. 2.
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 1 9
26 Eine staatliche Anerkennung nach Ermessen des Wissenschaftsministeriums
ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Privathochschulfreiheit
(hierzu Würtenberger, Privathochschulfreiheit
– Auch bei der Organisation der Leitungsebene?, OdW 2019, S.
15, 18 f.). – Der Anhörungsentwurf zur Neufassung des LHG
BW (Fn. 3) hält an der Anerkennung als Ermessensentscheidung
fest; diese soll aber gemäß der Begründung verfassungsrechtlich
gebunden sein und — dem diametral widersprechend — die
Kontrolle „eine® qualitätsgeleitete(n) Wissenschaft sowie eine®
anschlussfähige(n) Hochschulausbildung“ gestatten. Will das
Wissenschaftsministerium wirklich die Qualität der Wissenschaft
an privaten Hochschulen kontrollieren?
27 Wiss Rat Drs. 4395–15, S. 6; Wiss Rat Drs. 6974–18, S. 5.
28 Würtenberger, Privathochschulfreiheit – Auch bei der Organisation
der Leitungsebene?, OdW 2019, S. 15, 24 f.
29 BVerfGE 141, 143 Rn. 59; Geis, Das Bundesverfassungsgericht zur
Akkreditierung, OdW 2016, 193 ff.; Mager, Verfassungsrechtliche
Rahmenbedingungen der Akkreditierung von Studiengängen
– Zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit der Akkreditierungs-
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und eine verfassungsrechtliche
Bewertung des Akkreditierungs-Staatsvertrags,
OdW 2017, S. 237 ff.; Hufen, JuS 2016, 855 ff.
30 Auch der baden-württembergische Gesetzgeber hat die Vergleichbarkeit
mit der Studiengangsakkreditierung erkannt und verweist
zur Akkreditierung von Hochschulen in der Begründung des
neuen § 70a Abs. 2 LHG BW auf das Urteil des BVerfG (zur
Novellierung vgl. Fn. 3).
31 So nunmehr die Neufassung des § 70a Abs. 1 S. 1 LHG BW im
Anhörungsentwurf der Landesregierung (Fn. 3).
32 Wiss Rat Drs. 4395–15.
autonome Entscheidungsbildung durch die akademischen
Gremien gewährleistet sein“ (Nr. 7). Und nicht
zuletzt müssen die finanziellen Verhältnisse des Hochschulträgers
einen ökonomisch gesicherten Hochschulbetrieb
erwarten lassen (Nr. 8). Mit diesen Regelungen
konkretisiert der Landesgesetzgeber jenes Prüfprogramm,
das zum Schutz der Studierenden die Qualität
und Gleichwertigkeit der privaten mit den staatlichen
Hochschulen gewährleistet. Die Akkreditierung und
Anerkennung privater Hochschulen hat allein gemäß
diesen gesetzlich geregelten Akkreditierungsvoraussetzungen
bzw. Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung
zu erfolgen.26 - Hochschulförmigkeit keine dem Gesetzesvorbehalt
genügende Rechtfertigung für Eingriffe in die Privathochschulfreiheit
Soweit der Wissenschaftsrat die landesgesetzlichen
Anerkennungsvoraussetzungen in seinem Leitfaden
konkretisiert, ist hiergegen nichts zu erinnern. Anderes
gilt jedoch, wenn er darüber hinaus in eigenständiger
Weise ein Prinzip der „Hochschulförmigkeit“ als zentralen
Maßstab für die Akkreditierung privater Hochschulen
entwickelt und ausdifferenziert. Hochschulförmigkeit
ist weder ein Prinzip des deutschen Hochschulrechts
noch sind die Konturen dieses Prinzips in einem offenen
Diskurs der hochschulaffinen Community entwickelt
worden. Die Hochschulförmigkeit als maßstabbildende
Voraussetzung für die Akkreditierung privater Hochschulen
ist vielmehr ein Eigengewächs des Wissenschaftsrates.
Mit dieser Begriffsschöpfung fasst er seine
„langjährige Prüfpraxis im Bereich der Institutionellen
Akkreditierung“ zusammen und begründet „signifikante(
n) Anpassungen der Prüfkriterien in sämtlichen
Prüfbereichen“. 27
Damit ist die Hochschulförmigkeit, soweit sie nicht
lediglich die landesrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen
konkretisiert, kein normativer, rechtliche Maßstäbe
setzender Begriff des deutschen Hochschulrechts.
Eine normative Maßstäblichkeit muss, wie vom BVerfG
nachdrücklich gefordert, vom demokratisch legitimierten
Gesetzgeber vorgegeben werden. Der Maßstab der Hochschulförmigkeit
kann vom Wissenschaftsrat28 nicht in
das Anerkennungsverfahren der zuständigen Landesministerien
zur Klärung der rechtlich geregelten Anerkennungsvoraussetzungen
eingebracht werden. Dies hat das
BVerfG für die sehr vergleichbaren Verfahren der Akkreditierung
von Studiengängen entschieden:
„Die mit der Qualitätssicherung verbundenen Eingriffe in
die Wissenschaftsfreiheit bedürfen nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1
in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer hinreichenden
gesetzlichen Grundlage. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot
verpflichten den Gesetzgeber dazu, die insoweit für
die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen
selbst zu treffen. Was wesentlich ist, ergibt sich aus den tragenden
Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere aus den
dort verbürgten Grundrechten. Wie weit der Gesetzgeber die
für den jeweils geschützten Lebensbereich wesentlichen Leitlinien
selbst bestimmen muss, lässt sich dabei nur im Blick
auf den Sachbereich und die Eigenart des Regelungsgegenstandes
beurteilen“.29
Die im Akkreditierungsurteil des BVerfG entwickelten
Maßstäbe lassen sich auf die Akkreditierung von privaten
Hochschulen übertragen.30 Der Wissenschaftsrat ist,
ebenso wie das Wissenschaftsministerium, auf die Überprüfung
der gesetzlich geregelten Anerkennungsvoraussetzungen
beschränkt.31 Der vom Wissenschaftsrat 2015
verabschiedete „Leitfaden der Institutionellen Akkreditierung
nichtstaatlicher Hochschulen“32 ist, soweit er
über die Anerkennungsvoraussetzungen in den Landeshochschulgesetzen
hinausgeht, nichts weiter als eine
Ansammlung nicht demokratisch legitimierter hoch2
2 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
33 Zechlin, Institutionelle Akkreditierung von Privathochschulen
und Wissenschaftsfreiheit, OdW 2018, S. 253, 260; Otting/Ziegler,
Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Akkreditierung
im Hochschulwesen, NVwZ 2016, 1064, 1066; BeckOK HochschulR
NRW/Birnbaum, 8. Ed. 1.8.2018, HG § 73 Rn. 9.
34 Der Wissenschaftsrat nimmt vielmehr an, private Hochschulen
seien „staatlich beliehene Einrichtungen des tertiären Bildungssektors“
(zuletzt Wiss Rat Drs. 8518–20, S. 5); verkannt wird,
dass staatliche Anerkennung nicht mit „Beleihung“ gleichgesetzt
werden kann.
35 Würtenberger, Privathochschulfreiheit – Auch bei der Organisation
der Leitungsebene?, OdW 2019, S. 15, 24; Zechlin, Institutionelle
Akkreditierung von Privathochschulen und Wissenschaftsfreiheit,
OdW, 2018, S. 253, 260 zu den Erwartungen des
Wissenschaftsrates, dass die zuständigen Ministerien seine Auflagen
und Empfehlungen in die Anerkennungspraxis umsetzen.
36 NRW LT-Drs. 17/4668, S. 182.
37 Vgl. den § 70a Abs. 4 LHG BW im Anhörungsentwurf der Landesregierung
(Fn. 3).
schulpolitischer Statements, taugt in seiner Ausschließlichkeit
aber nicht bei der Vorbereitung von Akkreditierungsentscheidungen,
die an Art. 5 Abs. 3 GG gebunden
sind.33
Im Leitfaden des Wissenschaftsrates wird an keiner
Stelle erwähnt, dass sich nicht nur die privaten Hochschulen,
sondern auch deren Träger auf Art. 5 Abs. 3 GG
berufen können.34 Auch in den Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrats wird, soweit ersichtlich,
nicht gewürdigt, dass die Einwirkungen der Gründer
und Träger privater Hochschulen auf „ihre“ Hochschule
von Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt sein können.
Wenn die grundsätzlichen, von Art. 5 Abs. 3 GG gewährten
Gestaltungs- und Beteiligungsrechte unberücksichtigt
bleiben, führt dies zur Rechtswidrigkeit von Auflagen
in Akkreditierungsbescheiden oder sogar zur
Rechtswidrigkeit einer Nichtakkreditierung.
Die rechtlichen Einschätzungen der Hochschulförmigkeit
in Stellungnahmen des Wissenschaftsrates entfalten,
soweit sie einer rechtlichen Grundlage entbehren,
keine Bindungswirkung gegenüber dem zuständigen
Landesministerium. Wenn der Wissenschaftsrat anderes
zum Ausdruck bringt35, so überschätzt er seine Kompetenzen.
Beispielhaft führt die Begründung zum 2019 novellierten
Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen
aus: „Die institutionelle Anerkennung als Einrichtung ist
… nicht an das Gutachten des Wissenschaftsrates betreffend
die institutionelle Akkreditierung gebunden. Sie
kommt daher insbesondere auch dann in Betracht, wenn
der Wissenschaftsrat höhere oder andere Anforderungen
an die Hochschule stellt, als sie nach § 72 erforderlich
sind“36. Dies sind deutliche Formulierungen gegen
Stellungnahmen des Wissenschaftsrates, die die Rechtsgebundenheit
von Akkreditierungsentscheidungen
missachten. Mittlerweile setzen sich denn auch Landesministerien
bei ihren Entscheidungen zur staatlichen
Anerkennung über (verfassungs-)rechtlich nicht haltbare
Monita in Akkreditierungsstellungnahmen des Wissenschaftsrates
hinweg.37
IV. Rechtsstaatliche Anforderungen an die Gestaltung
der Akkreditierungsverfahren
Erhebliche Bedenken bestehen gegen die Praxis des Wissenschaftsrates,
seine Stellungnahmen, die zur Nichtakkreditierung
einer Hochschule geführt haben, auf seiner
Homepage zu veröffentlichen. Ein solcher informationeller
Grundrechtseingriff in Form eines Realaktes ist weder
durch die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte wissenschaftliche
Kommunikationsfreiheit (1.) noch durch entsprechende
Eingriffsermächtigungen (2.) gerechtfertigt.
Hinzu kommt, dass die privaten Hochschulen zu den sie
betreffenden negativen Aussagen in den Stellungnahmen
zu ihrer Akkreditierung nicht gehört werden, bevor
diese vom Wissenschaftsrat veröffentlicht werden. Diese
„Nichtanhörung“ führt in vielen Akkreditierungsverfahren
dazu, dass die Stellungnahmen teils von verfehlten
Wertungen des Sachstandes ausgehen und teils rechtlich
nicht haltbare Forderungen ihrer Akkreditierungsentscheidung
zugrunde legen (3.). Die Folge ist eine
unangemessene Vorverurteilung der Seriosität der zu
akkreditierenden Hochschule und damit eine nicht hinnehmbare
Prangerwirkung (4.). Die finanziellen Einbußen
durch diese Rufschädigung können immens sein. Studierende,
die sich im Internet über die private Hochschule
ihrer Wahl informieren, meiden private
Hochschulen, die vom Wissenschaftsrat kritisch beurteilt
wurden oder denen sogar die Akkreditierung verweigert
wurde. - Nicht durch die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte
Kommunikationsfreiheit gerechtfertigt
Auf den ersten Blick kann sich der Wissenschaftsrat für
die Veröffentlichung seiner Stellungnahmen auf den
Schutz durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen. Denn zu dessen
Schutzbereich gehört die Freiheit des Wissenschaftlers,
wissenschaftliche Werke zu veröffentlichen und
einem offenen und freien wissenschaftlichen Diskurs zu
stellen. Allerdings können sich öffentlich-rechtlich
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 2 1
geordnete Institutionen nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Grundrechte
und damit nicht auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen.38 Denn
allein das Organisationsrecht bestimmt, welche Kompetenzen
juristische Personen des öffentlichen Rechts mitsamt
ihren Behörden haben. Diese Kompetenzordnung
verbietet einen Rückgriff auf Grundrechte, um Maßnahmen
in einem öffentlich-rechtlich geregelten Kompetenz-
und Funktionsbereich zu treffen, für die die erforderliche
gesetzliche Eingriffsermächtigung fehlt. Nur
Universitäten und Hochschulen können Adressaten der
durch Art. 5 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Freiheit
sein. Dass der Wissenschaftsrat nicht zu diesem
Adressatenkreis gehört, bedarf keiner besonderen
Begründung.
Selbst wenn man dem Wissenschaftsrat eine Einschätzungsprärogative
bei seinen Akkreditierungsstellungnahmen
einräumt, müssen das Willkürverbot und
rechtsstaatliche Grundsätze beachtet werden. Vor allem
müssen der Sachverhalt zutreffend ermittelt, die Bewertungsmaßstäbe
offengelegt und die wissenschaftlichfachlichen
Annahmen sachgerecht begründet werden.
All dies unterliegt in einem Rechtsschutzverfahren bei
der Überprüfung, ob die gesetzlich geregelten Anerkennungsvoraussetzungen
zutreffend erfasst und angewendet
wurden, der gerichtlichen Vertretbarkeits- und Plausibilitätskontrolle.
39 Wie unter V., 4., 5. ausgeführt wird,
liegen gerade in diesen Bereichen Defizite in der Begründung
der Auflagen oder der Nichtakkreditierung einer
privaten Hochschule. - Keine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von
Akkreditierungsgutachten
Die Veröffentlichung der Akkreditierungsgutachten
durch den Wissenschaftsrat ist Teil des staatlichen Informationshandelns.
Die Öffentlichkeit wird vom Wissenschaftsrat
über die Gründe informiert, warum aus dessen
Sicht eine bestimmte Hochschule nicht oder nur
unter Auflagen akkreditiert wird. Derartiges staatliches
Informationshandeln greift in Art. 12 GG und Art. 5 Abs.
3 GG des Hochschulträgers sowie in Art. 5 Abs. 3 GG der
Hochschule ein.
a) Keine sachlich richtige Information von einer zuständigen
Stelle
Dieses in Grundrechte eingreifende Informationshandeln
des Wissenschaftsrates unterliegt Grenzen. Nach
ganz überwiegender Ansicht sind informationelle Eingriffe
in Grundrechte der privaten Hochschulen und
ihrer Träger nur dann rechtmäßig, wenn von der zuständigen
Stelle und sachlich richtig informiert wird.40 Es
bestehen bereits Zweifel, ob der Wissenschaftsrat die
zuständige Stelle für die Veröffentlichung der von den
Ländern erbetenen Akkreditierungsstellungnahmen ist.
Aus dem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und
Ländern über die Errichtung eines Wissenschaftsrates
folgt keine derartige Veröffentlichungskompetenz. Denn
nach dessen § 2 Abs. 2 legt der Wissenschaftsrat „seine
Empfehlungen und Stellungnahmen den Vertragschließenden,
bei Anforderung durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz
oder die Ständige Konferenz der
Kultusminister der Länder auch diesen vor“.41 Hiernach
werden Stellungnahmen zur Akkreditierung von Hochschulen
nur dem antragstellenden Land vorgelegt, eine
Veröffentlichung der Stellungnahmen liegt damit außerhalb
der Kompetenz des Wissenschaftsrates und ist
damit rechtswidrig.
Davon abgesehen lässt sich ein informationeller
Grundrechtseingriff nur ablehnen, wenn sachlich richtig
informiert worden ist. In seiner Leitentscheidung formuliert
das BVerfG42: „Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht
vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter
Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener
Zurückhaltung formulierten Informationen
durch einen Träger von Staatsgewalt.“ Diese Maßstäbe,
die mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 4 Abs. 1
GG43 entwickelt wurden, lassen sich auf den Schutz der
Wissenschaftsfreiheit der Hochschule und ihres Trägers,
der sich ergänzend ohnehin auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen
kann, entsprechend anwenden. Wie unter V. exemp-
38 Aus der umfänglichen Rechtsprechung des BVerfG vgl. nur
BVerfGE 21, 362, 368 ff.; 68, 193, 205 ff.; 75, 192, 196 f.; BVerfG‑K
NVwZ-RR 2009, S. 361 f.; zur hier nicht zu vertiefenden Kritik
der Staatsrechtslehre an der mangelnden Grundrechtsfähigkeit
juristischer Personen des öffentlichen Rechts: Zippelius/Würtenberger,
Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 18 Rn. 47 ff. mit
Nachw.
39 Zur Kontrolldichte behördlicher Einschätzungsspielräume im
Bereich des Marktzugangs: Würtenberger, Entscheidungen über
den Marktzugang nach Regulierungsermessen?, Gewerbearchiv
2016, S. 6, 7 f.; BVerwG NVwZ-RR 2012, 192 Rn. 39; NVwZ 2014,
942, 949.
40 Vgl. BVerfGE 105, 252, 265 ff., 270: „Auch beim Informationshandeln
ist die Kompetenzordnung zu beachten“; 105, 279, 294
ff.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018,
§ 19 Rn. 31 ff. mit Nachw.; Schoch, Amtliche Publikumsinformation
zwischen staatlichem Schutzauftrag und Staatshaftung, NJW
2012, 2844 ff.; Huber, Die Informationstätigkeit der öffentlichen
Hand, JZ 2003, 290 ff.; Martini/Kühl, Staatliches Informationshandeln,
JA 2014, 1221 ff.
41 https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/Verwaltungsabkommen.
pdf?__blob=publicationFile&v=2.
42 BVerfGE 105, 252, 272.
43 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018,
§ 19 Rn. 32 mit Nachw.
2 2 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
larisch gezeigt wird, sind nicht wenige Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrates inhaltlich unzutreffend.
Davon abgesehen wirkt sich die Veröffentlichung
dezidiert negativer Bewertungen durch den
Wissenschaftsrat verbotsähnlich aus (hierzu unter 4.), ist
damit ein funktionales Äquivalent für einen Grundrechtseingriff
und fordert daher eine gesetzliche
Grundlage.44
b) Keine Einwilligung in die Veröffentlichung der
Akkreditierungsgutachten
Der Leitfaden des Wissenschaftsrates zur institutionellen
Akkreditierung nicht staatlicher Hochschulen regelt:
„Mit der Antragstellung durch die Länder erkennen die
Hochschulen diese Verfahrensgrundsätze an und akzeptieren
diesen Leitfaden als Grundlage des Verfahrens“.
Nach Ansicht des Wissenschaftsrates willigen private
Hochschulen und ihre Träger damit auch in eine Internetveröffentlichung
ihrer (Nicht-) Akkreditierung ein.45
Dem kann nicht gefolgt werden; denn bei einer Einwilligung
in Grundrechtseingriffe sind besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
zu beachten:
Eine Einwilligung in Grundrechtseingriffe setzt voraus,
dass in freier Selbstbestimmung gehandelt wird.46
Dies ist bei den privaten Hochschulen nicht der Fall.
Eine persönliche Einwilligungserklärung haben sie
nicht abgegeben. Ihre Einwilligung war an die Antragstellung
durch ihr Bundesland beim Wissenschaftsrat
gebunden bzw. durch diese Antragstellung fingiert worden.
Die privaten Hochschulen haben keinerlei Möglichkeit,
selbstbestimmt ihre Einwilligung in die Veröffentlichung
des Akkreditierungsberichts abzugeben.
Denn wenn die private Hochschule geäußert hätte, die
Veröffentlichung des Akkreditierungsgutachtens und
damit Teile des Leitfadens nicht zu akzeptieren, hätte
das Akkreditierungsverfahren nicht stattgefunden und
wäre die staatliche Anerkennung zu versagen gewesen.
Eine derart erzwungene Einwilligung ist keine rechtskonforme
Einwilligung.47
Von Freiwilligkeit einer Einwilligung in staatliche
Grundrechtseingriffe lässt sich in der Regel dann sprechen,
wenn diese mit einem Vorteil des Einwilligenden
verbunden ist, nicht aber, wenn diese allein fremden Interessen
dient.48 Mit der Veröffentlichung der Stellungnahmen
des Wissenschaftsrates werden allein öffentliche
und nicht die Begünstigung privater Interessen verfolgt.
Der Wissenschaftsrat betont nämlich, die Veröffentlichung
seiner Akkreditierungsstellungnahmen würde einem
öffentlichen Interesse an Transparenz und Vergleichbarkeit
tertiärer Bildungsangebote dienen.49 Die Einwilligung
privater Hochschulen in die Veröffentlichung der
sie betreffende Akkreditierungsstellungnahmen ist also
nicht freiwillig und kann nicht der Rechtfertigung von
Grundrechtseingriffen dienen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn solche Einwilligungen
genutzt werden, die Gesetzesvorbehalte, die
Grundrechtseingriffe rechtfertigen können, zu umgehen.
50 Die Einwilligung in die Veröffentlichung der Akkreditierungsberichte
dient der Umgehung des Gesetzesvorbehalts.
Denn diese Veröffentlichungsbefugnis müsste
ebenso wie der normative Maßstab für die Akkreditierung
durch den Wissenschaftsrat gesetzlich geregelt
werden. - Defizite im rechtlichen Gehör
Der Wissenschaftsrat als vom Bund und den Ländern
getragene „Behörde“ ist an die rechtsstaatlichen und dem
Grundrechtsschutz dienenden Verfahrensgrundsätze
gebunden, wie sie übereinstimmend in den Verwaltungsverfahrensgesetzen
des Bundes und der Länder
konkretisiert sind. Die Stellungnahmen des Wissenschaftsrates
zur Akkreditierung privater Hochschulen
entsprechen allerdings nicht immer den Anforderungen
an ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren:
Seitens des Wissenschaftsrates wird in einer Vielzahl
von Fällen vor seiner Akkreditierungsentscheidung
nicht zu erkennen gegeben, auf Grund welcher Annahmen
einzelne Auflagen oder die Nichtakkreditierung
ausgesprochen wurden. Dies widerspricht der Verpflichtung
des Wissenschaftsrates, der antragstellenden Hochschule
„die nach ihrer Auffassung entscheidungserheblichen
Tatsachen ebenso wie Art und Inhalt der beabsich-
44 BVerwG NVwZ 2015, 425 Rn. 16 ff.; ob die im Anhörungsentwurf
(vgl. Fn. 3) in § 70a Abs. 2 S. 3 LHG BW geregelte Veröffentlichung
der gutachterlichen Stellungnahmen des Wissenschaftsrates
durch hinreichend gewichtige öffentliche Schutzgüter
gerechtfertigt ist (hierzu BVerfGE 113, 63, 80 f.), ist eine offene
Frage.
45 Wiss Rat Drs. 4395–15, S. 19.
46 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, §
19 Rn. 101 mit Nachw.
47 Vgl. Bethge, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts,
Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 203 Rn. 121 f.; zur Freiwilligkeit im
besonderem Gewaltverhältnis bei Monopolstellungen ausführlich
Ahammer, Der Grundrechtsverzicht als dogmatische Kategorie,
2016, S. 110 ff.
48 Vgl. Ahammer, Der Grundrechtsverzicht als dogmatische Kategorie,
2016, S. 109 mit Nachw.
49 Wiss Rat Drs. 4395–15, S. 8 f.
50 Amelung, Grundsätzliches zur Freiheit der Einwilligung des Verletzten,
NStZ 2006, 317, 319; Ahammer, Der Grundrechtsverzicht
als dogmatische Kategorie, 2016, S. 104 ff.
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 2 3
tigten Entscheidung hinreichend deutlich mit(zu)teilen“,
was nach überwiegender Meinung auch die Gelegenheit
zu einem Rechtsgespräch einschließt.51 Dies widerspricht
zudem den Empfehlungen, die der Wissenschaftsrat
selbst beschlossen hat: „Begutachteten sollten … Möglichkeiten
der Fehlerkorrektur eingeräumt werden, indem
sie Stellung zu Gutachten nehmen, bevor diese in
Entscheidungsprozesse einmünden. Damit könnten
Missverständnisse und Fehldeutungen bei Begutachtungen
ausgeräumt“ werden.52 In der Verfahrenspraxis sind
die Stellungnahmen des Wissenschaftsrates oftmals in
wesentlichen Partien für die betroffenen privaten Hochschulen
eine Überraschungsentscheidung. Würden den
privaten Hochschulen die zahlreichen Monita mitsamt
Auflagen bereits während oder nach der Begehung zur
Anhörung mitgeteilt, hätten sie die Möglichkeit, vieles
zu entkräften und an der sachlichen sowie rechtlichen
Richtigkeit der Akkreditierungsentscheidung des Wissenschaftsrates
mitzuwirken.
Nach § 28 VwVfG muss eine Anhörung zwar nur vor
dem Erlass eines Verwaltungsaktes stattfinden, sodass
den privaten Hochschulen durch die ministerielle Anhörung
vor der staatlichen Anerkennung hinreichend
rechtliches Gehör gegen die Akkreditierungsstellungnahmen
gewährt wird. Wegen ihrer rechtsstaatlichen
Radizierung und ihrer grundrechtlichen Schutzfunktion
muss eine Anhörung jedoch bereits dann erfolgen, wenn
eine hoheitliche Maßnahme, wie die Veröffentlichung
der Akkreditierungsstellungnahmen auf der Homepage
des Wissenschaftsrates, in diskriminierender Weise in
die grundrechtlich geschützte Sphäre sowohl der privaten
Hochschule als auch ihrer Träger eingreift.53 Denn
jenseits ihrer gesetzlichen Regelung gehört die Anhörungspflicht
zu den fundamentalen Verfassungsprinzipien,
die verhindern, dass Einzelne ungehört zum bloßen
Objekt staatlicher Verfahren werden und durch Klärung
der Sach- und Rechtslage erhebliche Grundrechtseingriffe
vermieden werden.54
In diesem Kontext fordert die Sachaufklärungspflicht,
wesentliche Veränderungen, die nach der Begehung,
aber vor Verabschiedung der Stellungnahme eingetreten
sind, in die Akkreditierungsstellungnahme aufzunehmen
und in die abschließende Würdigung einfließen zu
lassen. Dies wird jedoch willkürlich gehandhabt. Es gibt
Fälle, in denen Veränderungen nach der Begehung der
Hochschule in der Stellungnahme des Wissenschaftsrates
berücksichtigt wurden55, aber auch Fälle, in denen
abschlägig auf die Anfrage einer Hochschule, ob wegen
einer besonderen Verfahrenslänge weitere Informationen
vorgelegt werden sollten, geantwortet wurde.
Mit Blick auf die unterlassene Anhörung und die dadurch
verletzte Pflicht zur Aufklärung56 ist festzuhalten:
Die Stellungnahme des Wissenschaftsrates erzeugt keine
Bindungswirkung hinsichtlich der Feststellung der Faktenlage
und hinsichtlich der Akkreditierungsvorschläge.
Die Entscheidung des Landes über die staatliche Anerkennung
muss die von der privaten Hochschule geäußerte
Kritik an der sachlichen und rechtlichen Richtigkeit
der Stellungnahme des Wissenschaftsrates
einbeziehen. - Wettbewerbsverzerrung und Prangerwirkung durch
die Veröffentlichung der Stellungnahmen des Wissenschaftsrates
Die Veröffentlichung der Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrates im Internet entspricht weder
den hochschulrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes
noch des Hochschulrechts der Länder.57 Soweit der Wissenschaftsrat
wegen Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen
Gehörs die reale Situation von Professorenschaft,
Studium und Lehre an der privaten Hochschule sowie
die (verfassungs-)rechtlichen Rahmensetzungen falsch
einschätzt, kommt es zu einer verfassungswidrigen Wettbewerbsverzerrung
zwischen den privaten Hochschulen.
Studierende, die ein nicht rechts- und verfassungskonformes
Akkreditierungsgutachten des Wissenschaftsra-
51 Schneider, Strukturen und Typen von Verwaltungsverfahren, in:
Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hg.), Grundlagen
des Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 2012, § 28 Rn. 45 mit Nachw.
52 Wiss Rat Drs. 6680–17 zu „Begutachtungen im Wissenschaftssystem“,
S. 26.
53 Zu dieser rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeit: Röhl, Der Wissenschaftsrat,
1994, S. 127 f.; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/
Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 28 VwVfG
Rn. 15; Hochhuth, Vor schlichthoheitlichem Verwaltungseingriff
anhören?, NVwZ 2003, 30 ff. jew. mit weit. Nachw.
54 Nach langer, offensichtlich rechtsstaatswidriger Verfahrenspraxis
des Wissenschaftsrates regelt nun der Anhörungsentwurf zum neuen
§ 72a Abs. 2 Nr. 2 LHG BW (Fn. 3), dass die private Hochschule
zum Gutachten des Wissenschaftsrates Stellung nehmen kann.
55 Wiss Rat Drs. 6974–18, S. 8, 9.
56 Der Untersuchungsgrundsatz ist in § 24 VwVfG, der jedenfalls
entsprechend auch für die Behörde Wissenschaftsrat gilt, geregelt.
Gegen den Untersuchungsgrundsatz ist immer dann verstoßen,
wenn die private Hochschule in ihrem Akkreditierungsgutachten
Fakten, Prognosen und negative Würdigungen vorfindet, die sich
bei einer umfänglichen Sachaufklärung als verfehlt erweisen.
57 Nach der Neuregelung des § 70a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 im Anhörungsentwurf
zur Neuregelung des LHG BW ist nur vorgesehen, den
wesentlichen Inhalt der gutachterlichen Stellungnahme des Wissenschaftsrates
zu veröffentlichen. Damit kann der Wissenschaftsrat
seine derzeitige Veröffentlichungspraxis nicht fortsetzen.
2 2 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
tes lesen, werden sich nicht bei der betreffenden privaten
Hochschule einschreiben.
Mit der Veröffentlichung einer an diskriminierenden
Sachaufklärungsfehlern leidenden Akkreditierungsstellungnahme
bewirkt der Wissenschaftsrat eine Prangerwirkung,
die die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der
privaten Hochschule empfindlich beeinträchtigt. Da diese
Internetpublikationen oft auch in Tageszeitungen verbreitet
werden, werden Einschreibungen in das Studium
zurückgezogen oder erfolgen gar nicht erst. Selbst wenn
die staatliche Anerkennung trotz eines veröffentlichten
negativen Akkreditierungsgutachtens des Wissenschaftsrates
ausgesprochen wird, hat die Vorabveröffentlichung
des Wissenschaftsrates der privaten Hochschule
schweren Schaden zugefügt.58
V. Grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Monita
des Wissenschaftsrates gegen eine Akkreditierung
Die Monita in den Akkreditierungsstellungnahmen des
Wissenschaftsrates, die zu Auflagen oder zur Ablehnung
der Akkreditierung führen, sind nicht immer sachlich
und rechtlich gerechtfertigt. Dies wird im Folgenden
anhand einiger Beispiele entwickelt. - Zur Auflösung von Verfahrenskonkurrenzen
Die Akkreditierungsstellungnahmen des Wissenschaftsrates
äußern sich zur Akkreditierungsfrist und damit
mittelbar zur Fristsetzung der staatlichen Anerkennung
(a) sowie bisweilen auch kritisch zur Akkreditierung der
Studiengänge, die nunmehr durch die Stiftung Akkreditierungsrat
erfolgt (b). Hier ist klärungsbedürftig, ob
dem Wissenschaftsrat in derartigen Verfahrenskonkurrenzen
eine Mitentscheidungs- oder Prüfungskompetenz
zusteht.
a) Zur Fristsetzung von Reakkreditierungen und der
Erfüllung von Auflagen durch den Wissenschaftsrat
Der Wissenschaftsrat setzt vielfach eine relativ kurze
und im Verlauf der letzten 10 Jahre immer kürzere Frist
für die Reakkreditierung von privaten Hochschulen,
verbunden mit der fristgerechten Erfüllung von Auflagen.
Beispielsweise wurde im Falle einer Reakkreditierung
um drei Jahre festgelegt, dass sich diese Frist verlängern
sollte, sofern das zuständige Ministerium dem
Wissenschaftsrat mitteilt, dass die Akkreditierungsauflagen
erfüllt seien.59 Der Wissenschaftsrat macht also das
zuständige Ministerium zum Boten der Mitteilung, ob
die von ihm ausgesprochenen Auflagen erfüllt sind, so
dass die von ihm festgelegte Akkreditierungsfrist verlängert
werden kann. Dies verstößt gegen die Kompetenz
des Ministeriums, Akkreditierungsfristen festzulegen.
So regelt etwa § 73 Abs. 3 S. 1 HG NRW, dass der „Anerkennungsbescheid
bestimmt, in welchen Fristen die
Hochschule eine institutionelle Akkreditierung sowie
eine institutionelle Reakkreditierung … erfolgreich
absolvieren muss.“ Allein das zuständige Ministerium
bestimmt also die Reakkreditierungsfrist. Der Wissenschaftsrat
mag zwar insoweit Vorschläge machen. Es
überschreitet aber seine Kompetenzen, vom zuständigen
Ministerium Vollzugsmeldungen von Auflagen zu verlangen,
deren (Nicht-) Erfüllung die vom Wissenschaftsrat
bestimmte Akkreditierungsfrist verkürzt bzw. verlängert
und damit das zuständige Ministerium veranlasst, den
Anerkennungsbescheid unter vergleichbaren Auflagen
und Fristsetzungen zu erlassen. Denn ein Auseinanderfallen
von Akkreditierungs- und Anerkennungsfrist
kann weder vom zuständigen Ministerium noch vom
Wissenschaftsrat gewollt sein.
b) Zur Konkurrenz mit bestandskräftigen Bescheiden
der Akkreditierung von Studiengängen
Die Akkreditierung der Studiengänge erfolgte früher
nach ländergemeinsamen Strukturvorgaben durch
Akkreditierungsagenturen, mittlerweile durch die Stiftung
Akkreditierungsrat nach dem in das Landesrecht
umgesetzten Studiengangsakkreditierungsstaatsvertrag
und der hierzu erlassenen (Muster-) Rechtsverordnung.
Die Kompetenz des Wissenschaftsrats bei der institutionellen
Akkreditierung ist damit von der Kompetenz der
Stiftung Akkreditierungsrat bei der Akkreditierung von
Studiengängen abgegrenzt. Für beide Bereiche sind verschiedene
Institutionen zuständig, die unterschiedliche
Aufgaben mit unterschiedlichem Profil hinsichtlich
ihrer Zusammensetzung mit Sachverständigen wahrnehmen.
Der Leitfaden des Wissenschaftsrates zur institutionellen
Akkreditierung von Hochschulen geht nur im
Grundsatz von dieser Trennung der Kompetenzen aus:
„Im Verfahren der Institutionellen Akkreditierung werden
die Studienangebote … nur auf ihre Plausibilität
überprüft, wobei die Ergebnisse vorangegangener Programmakkreditierungen
berücksichtigt werden. Der
Wissenschaftsrat behält sich vor, anlassbezogen von die-
58 Zu Amtspflichtverletzungen auf Grund eines Verstoßes gegen
den verwaltungsverfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz:
Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, - Aufl. 2018, § 24 VwVfG Rn. 61 mit Nachw.
59 So etwa in Wiss Rat Drs. 5639–16, S. 17; ähnlich auch in Wiss Rat
Drs. 3002–13, bei dem die Akkreditierungsfrist im Falle der positiven
Mitteilung des Ministeriums über das Erfüllen der Auflagen
von fünf auf zehn Jahre erhöht werden sollte.
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 2 5
ser Praxis abzuweichen und einzelne Studiengänge im
Detail zu prüfen und auf Qualitätsdefizite hinzuweisen“.
Dass sich der Wissenschaftsrat selbst zur Prüfungsinstanz
ermächtigt, die sich über bestandskräftige Studiengangsakkreditierungsbescheide
hinwegsetzen kann60, ist
mit der mittlerweile gesetzlich geregelten Kompetenzzuweisung
an die Stiftung Akkreditierungsrat nicht
vereinbar.61 - Zur unverhältnismäßigen Belastung und Kostenlast
durch Reakkreditierungen
Der Wissenschaftsrat, aber auch das Hochschulrecht
und die Anerkennungspraxis der Länder62 neigen dazu,
vor der ersten staatlichen Anerkennung bereits eine
Konzeptprüfung durch den Wissenschaftsrat zu verlangen
und sodann die Befristung der staatlichen Anerkennung
auf nur wenige Jahre zu beschränken. Bei dieser
Anerkennungspraxis erstattet der Wissenschaftsrat Stellungnahmen
zur Anerkennung zunächst des Gründungskonzepts,
sodann nach etwa 3 Jahren zur ersten
Akkreditierung, wiederum nach 3 — 5 Jahren zur ersten
Reakkreditierung und nach einem weiteren Zeitraum
von wenigen Jahren zur zweiten Reakkreditierung. In
Summa muss damit eine neu gegründete Hochschule in
den ersten etwa 8 Jahren ihres Bestehens 3 Akkreditierungsverfahren
des Wissenschaftsrates durchlaufen.63
Im Hinblick auf die Akkreditierung von Studiengängen
hat das BVerfG festgestellt, dass „der mit der Pflicht
zur Akkreditierung verbundene Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit
… schwer“ wiegt64, was sich auf die Akkreditierung
von Hochschulen insgesamt übertragen
lässt. Die Schwere des Eingriffs in Art. 5 Abs. 3 GG erfordert
bei Fristsetzungen zu Reakkreditierungen eine besondere
Verhältnismäßigkeitsprüfung. Reakkreditierungen
sind nur verhältnismäßig, wenn die Aufsichtsmöglichkeiten
des zuständigen Ministeriums, etwa durch
Auflagen oder durch Kontrollen, die gesetzlich geregelten
Anerkennungsvoraussetzungen durchzusetzen,
nicht ausreichen, um die Rechtsförmigkeit einer privaten
Hochschule durchzusetzen. Nach dem Hochschulrecht
der Länder hat das zuständige Ministerium alle
Handlungsmöglichkeiten65, um die Einhaltung der Voraussetzungen
der staatlichen Anerkennung von privaten
Hochschulen zu kontrollieren und durchzusetzen. Eine
permanente Betrauung des Wissenschaftsrates mit Akkreditierungsverfahren
in kurzen Abständen ist damit
unverhältnismäßig.
Bei dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung spielt nach
Ansicht des BVerfG nicht zuletzt die Kostenlast eine Rolle,
die durch extrem kurze Anerkennungsfristen verursacht
wird. In seiner Akkreditierungsentscheidung geht
das BVerfG ausführlich auf die Kostenbelastung durch
die Studiengangsakkreditierung ein. Diese Überlegungen
lassen sich auf die Verfahren der staatlichen Anerkennung
sowie der Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat
übertragen:
„Zudem ist die Akkreditierung eines Studienganges für die
Hochschulen mit hohen Kosten verbunden, da von ihnen
das Entgelt für die Agenturen aufzubringen und die organisatorische,
zeitliche und personelle Belastung durch das Erstellen
des Selbstberichts zu tragen ist. Die Landesrechnungshöfe
gehen von regelmäßigen Belastungen durch Zahlungen
der Hochschulen an die Agenturen in Höhe von
10.000 € bis 15.000 € pro Studiengang aus; die zusätzlichen
internen Kosten der Hochschulen werden zwischen 30.000 €
und 38.000 € pro Studiengang bemessen“.66
Der Wissenschaftsrat verlangt von der privaten Hochschule
für jedes seiner Akkreditierungsgutachten über
30.000 €. Mit diesen Drittmitteleinnahmen finanziert der
Wissenschaftsrat die Stellen seiner mit den Akkreditierungsverfahren
betrauten Mitarbeiter, was möglicherweise
ein gewisses Interesse an Reakkreditierungen in
möglichst kurzen Fristen begründen mag. Bei 3 Akkreditierungen
innerhalb von etwa 8 Jahren sind selbst von
einer kleinen Hochschule 90.000 € Akkreditierungskosten
an den Wissenschaftsrat zu leisten. Hinzu kommen
die internen Kosten der privaten Hochschule von mindestens
30.000 € je Akkreditierung, also bei 3 Akkredi-
60 Was auch geschieht: Wiss Rat Drs. 8067–19, S. 40.
61 So im Ergebnis auch die Begründung zur Neufassung des § 70
Abs. 3 Nr. 3 LHG BW im Anhörungsentwurf (Fn. 3). Wenig
überzeugend ist jedoch, dass die Lehre gleichwohl „in einer
strategischen Gesamtschau bewertet werden“ könne, insbesondere
auch „unter dem Gesichtspunkt ihrer Forschungsbasiertheit“.
Mit blumigen Umschreibungen wie „strategische Gesamtschau“
bei der Kontrolle der Lehre werden die Voraussetzungen klarer
gesetzlicher Regelungen bei erheblichen Eingriffen in die Privathochschulfreiheit
nicht mehr gewährleistet.
62 Vgl. § 73 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 HG NRW.
63 So ist es keine Seltenheit, wenn eine private Hochschule innerhalb
von 10 Jahren drei Akkreditierungsverfahren durch den Wissenschaftsrat
durchlaufen muss (vgl. https://nachrichten.idw-online.
de/2020/07/13/wissenschaftsrat-entscheidung-in-einem-verfahren-
der-institutionellen-akkreditierung/). Die Entwurfsfassung
des neuen § 70a Abs. 3 S. 4 LHG BW (Fn. 3) will Akkreditierungen
und Reakkreditierungen in der Regel auf mindestens fünf
Jahre befristen, — eine Mindestfrist zur Regelfrist zu machen, ist
freilich eine eher ungewöhnliche Legistik.
64 BVerfG, Beschluss vom 17. 2. 2016 — 1 BvL 8/10 -, Rn. 53 f.
65 Zu den Aufsichtsmöglichkeiten vgl. BeckOK Hochschulrecht BW/
Krausnick, 16. Ed. Stand 1. 11. 2019, § 72 LHG Rn. 4 ff.
66 BVerfG, Beschluss vom 17. 2. 2016 — 1 BvL 8/10 -, Rn. 53 f. jeweils
mit ausführlichen Nachweisen.
2 2 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
tierungen in etwa 8 Jahren nochmals 90.000 €. Rechnet
man die Kosten für die 3 Anerkennungsbescheide des
Landes in Höhe von insgesamt etwa 15.000 € hinzu,
kommt man zu Gesamtkosten der Anerkennungs- und
Akkreditierungsverfahren in Höhe von deutlich über
200.000 €. Neben diesen Kosten fallen zudem die Kosten
für die Akkreditierung von Studiengängen an. Hier
hat allerdings der Gesetzgeber die, wie vom BVerfG
gerügt, frühere äußerst kostenträchtige Praxis, Studiengänge
nur für die Dauer weniger Jahre zu akkreditieren,
abgeschafft. Studiengänge sind nunmehr für die Dauer
von 8 Jahren zu akkreditieren.67 Eine vergleichbare Regelung
für die Akkreditierung von Hochschulen erscheint
nötig. - Keine klare Differenzierung zwischen den Monita bei
der Nichtakkreditierung
In Akkreditierungsverfahren unterscheidet man zwischen
Empfehlungen, Auflagen und Verweigerung der
Akkreditierung. Empfehlungen sind rechtlich nicht geboten,
ihre Beachtung kann aber für die Fortentwicklung
der Hochschule förderlich sein. Mit Auflagen wird gesichert,
dass sich die Hochschule an die hochschulrechtlichen
Vorgaben hält. Wenn durch Auflagen ein rechtskonformer
Hochschulbetrieb nicht durchgesetzt werden
kann oder nicht durchsetzbar erscheint, ist die Verweigerung
der Akkreditierung auszusprechen.
Bei der Nichtakkreditierung einer privaten Hochschule
sind besondere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung
zu beachten: Die Verweigerung einer
Akkreditierung als tiefster Eingriff in die Privathochschulfreiheit
ist nur statthaft, wenn nicht durch Auflagen
rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese
klassische Prüffrage an ein rechtsstaatliches und grundrechtskonformes
Akkreditierungsverfahren wird vom
Wissenschaftsrat in einigen seiner Stellungnahmen, die
die Akkreditierung einer privaten Hochschule verweigerten,
nicht gestellt. Es wird vielmehr lediglich eine Reihe
von Monita aufgezählt, die nach Meinung des Wissenschaftsrates
in ihrer Summe die Nichtakkreditierung
rechtfertigen. Nicht nachvollziehbar begründet wird,
warum die Quantität von möglichen Auflagen in die Qualität
der Nichtakkreditierung umschlägt.68 Zu begründen69
wäre, warum die Summe dieser Monita oder
warum einzelne oder mehrere Monita so schwer wiegen,
dass durch Auflagen keine Rechtsförmigkeit hergestellt
bzw. die Voraussetzungen staatlicher Anerkennung
geschaffen werden konnten. Die gebotene
Verhältnismäßigkeitsprüfung ohne diese Abwägung
vorzunehmen bzw. diese Abwägung in der
Akkreditierungsstellungnahme nicht zu begründen, ist
rechtswidrig. - Zweierlei Maß bei der Bildung des Maßstabes für die
Akkreditierung
Der Wissenschaftsrat geht in seinen Akkreditierungsstellungnahmen
oftmals nicht von jenen Maßstäben aus,
die er bei der Akkreditierung anderer privater Hochschulen
beachtet hat. Eine kursorische Durchsicht der
Stellungnahmen des Wissenschaftsrates zeigt, dass bei
einigen Hochschulen die mangelhafte Abdeckung der
Studiengänge mit Lehre durch hauptberufliche Professoren
nur zu Auflagen70 führt, bei anderen Hochschulen
aber eine wesentliche Begründung für die Verweigerung
der Akkreditierung ist.71
Außerdem formuliert der Wissenschaftsrat Maßstäbe,
die auch von staatlichen Hochschulen nicht immer
eingehalten werden. Private Hochschulen erhalten Akkreditierungsauflagen
oder ihnen wird die Akkreditierung
in Angelegenheiten verweigert, die von staatlichen
Hochschulen in Ausübung ihrer Wissenschafts- und
Lehrfreiheit flexibel gehandhabt werden, weil sie insoweit
nicht unter staatlicher Kontrolle stehen. Insofern
geht die Kontrolle des Wissenschaftsrates in einigen Bereichen
weit über die Kontrolle von Organisation und
Studienbetrieb an staatlichen Hochschulen hinaus.
Um nur einige Beispiele zu nennen: An staatlichen
Hochschulen werden Professoren vom Wissenschaftsministerium
nicht darauf überprüft, ob sie in ihrem
Lehrfach ausreichend publiziert haben, um in einem Stu-
67 § 26 Abs. 1 und 2 (Muster-) Rechtsverordnung zum Studiengangsakkreditierungsstaatsvertrag.
68 Dies auch darum, weil bisweilen private Hochschulen reakkreditiert
werden, die die Auflagen ihrer Erstakkreditierung nicht
erfüllt hatten und in zentralen Prüfbereichen mit neuerlichen
erheblichen Auflagen belegt wurden (Wiss Rat Drs. 5639–16,
S. 12 f.,15 ff.). Anderen privaten Hochschulen, deren Hochschulförmigkeit
mit vergleichbarer Kritik angezweifelt wurde, wurde
vom Wissenschaftsrat die Akkreditierung verweigert.
69 Zur analogen Anwendung der in § 39 VwVfG geregelten
Begründungspflicht auf Nicht-Verwaltungsakte: Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018,
§ 39 VwVfG Rn. 18 f., 24.
70 Verwiesen wird zum Beispiel auf die APOLLON Hochschule der
Gesundheitswirtschaft Bremen, die zum Zeitpunkt der Akkreditierung
nur Professoren im Umfang von 6,3 VZÄ bei 1.824
Studierenden in drei Master- und sechs Bachelorstudiengängen
vorweisen konnte und lediglich eine Auflage zum Aufbau auf 10
VZÄ erhalten hat (vgl. Wiss Rat Drs. 4401–15, S. 8 f., 12 f., 39 f.).
71 Etwa bei der Nicht-Akkreditierung der Hochschule für angewandte
Wissenschaften Bamberg, die zum Zeitpunkt der Akkreditierung
für drei Studiengänge nur Professuren im Umfang von
5 VZÄ vorweisen konnte, vgl. Wiss Rat Drs. 3146–13, S. 13.
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 2 7
diengang eingesetzt zu werden. Dass dies aus rechtlichen
Gründen nicht geschieht, ist sogleich noch auszuführen.
Der Wissenschaftsrat hat jedoch die Akkreditierung einer
Hochschule auch darum verweigert, weil deren Professoren
angeblich nicht ausreichend publiziert hatten.72
Vergleichbar willkürlich wird die Bestellung von Honorarprofessoren
durch private Hochschulen kritisiert: Bei
staatlichen Hochschulen werden Honorarprofessoren
zur Ergänzung der Lehre ernannt, ohne dass dies vom
Ministerium kontrolliert oder eingeschränkt würde.73
Bei privaten Hochschulen macht der Wissenschaftsrat
hingegen enge Vorgaben; bei einer zu großen Zahl von
Honorarprofessuren kann selbst dies als Grund für die
Verweigerung einer Akkreditierung angeführt
werden.74
Der Wissenschaftsrat kritisiert einzelne private
Hochschulen, bei der Einwerbung von Drittmitteln keine
Erfolge erzielt zu haben.75 Zwar gehört die Einwerbung
von Drittmitteln nach den Vorgaben des Landesrechts76
zu den Dienstaufgaben eines Hochschullehrers. Staatliche
Hochschulen oder Fakultäten werden jedoch vom
Ministerium weder gemaßregelt oder gar aufgelöst, weil
sie beim Einwerben von Drittmitteln nicht erfolgreich
waren. Während staatliche Hochschulen insoweit keiner
Kontrolle unterliegen, sieht der Wissenschaftsrat die
mangelnde Einwerbung von Drittmitteln bei privaten
Hochschulen als ein Defizit an, das als einer der Gründe
dienen kann, die zu Auflagen oder zur Nichtakkreditierung
führen.
Ein solches Messen mit zweierlei Maß in den Akkreditierungsverfahren
des Wissenschaftsrates ist mit dem
Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichheitsgebot des Art. 3
Abs. 1 GG, aber auch mit Art. 5 Abs. 3 GG nicht vereinbar.
In Bereichen, in denen staatliche Hochschulen Gestaltungsfreiheit
haben, macht der Wissenschaftsrat den
privaten Hochschulen Auflagen oder sieht die Voraussetzungen
für deren Akkreditierung nicht gegeben. Dies
wäre nur statthaft, wenn die Art und Intensität der Ungleichbehandlung
in angemessenem Verhältnis zum
sachlichen Grund der Ungleichbehandlung steht.77 Nach
der Je-desto-Formel gilt für diese Abwägung: Je einschneidender
die Ungleichbehandlung vorliegend in
den von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Freiheitsbereich
eingreift, desto gewichtiger müssen die Ziele des Gesetzgebers
sein, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Bei der erforderlichen Abwägung lassen sich keine hinreichend
gewichtigen sachlichen Gründe dafür finden, die
privaten Hochschulen in Angelegenheiten zu überwachen,
in denen staatliche Hochschulen in ihrem von Art.
5 Abs. 3 GG geschützten Freiraum ohne jegliche Außenkontrolle
handeln.
Nicht nur das Willkürverbot, auch die Wettbewerbsfreiheit
wird verletzt. Es verzerrt die Konkurrenz zwischen
privaten und staatlichen Hochschulen auf einem
umkämpften Bildungsmarkt, wenn die einen frei sind,
zum Beispiel Honorarprofessoren zu berufen, die anderen
aber bei ihrem Bemühen um eine besonders qualifizierte
Lehre durch Honorarprofessoren und um die Intensivierung
von Praxiskontakten vom Wissenschaftsrat
gehindert werden. Davon abgesehen führt es zwischen
den Privathochschulen ebenfalls zu Wettbewerbsverletzungen,
wenn es, um beim Beispiel zu bleiben, einigen
privaten Hochschulen gestattet ist, Honorarprofessoren
nach ihrer durch ihre Lehrfreiheit geschützten Entscheidung
zu berufen, andere private Hochschulen auf diese
besonders qualifizierte Lehre aber wegen entsprechen-
72 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 12: „Die bisherigen Forschungsleistungen,
gemessen an Art und Umfang der Publikationen, befinden
sich für eine Hochschule mit überwiegend Masterangeboten auf
einem deutlich zu niedrigen Niveau“. Dabei hat der Wissenschaftsrat
mangels ausreichender Sachaufklärung verkannt, dass
vor der endgültigen Beschlussfassung über den Akkreditierungsantrag
eine umfangreiche Veröffentlichungsliste der Professoren
dieser Hochschule vorlag. Des Weiteren erschien dieses Monitum
auch darum rechtlich äußerst zweifelhaft, weil bei vergleichbaren
Hochschulen akzeptiert wurde, dass in ihrer Gründungsphase
wenig Freiraum für Publikationen bleibt.
73 Anders aber nunmehr der neu gefasste § 70 Abs. 8 LHG im Anhörungsentwurf
der Landesregierung von Baden-Württemberg
zum 4. Hochschulrechtsänderungsgesetz (Fn. 3): Die Bestellung
von Honorarprofessoren bedarf der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums.
Aus welchen Gründen die Zustimmung zu
diesem tiefen Grundrechtseingriff verweigert werden kann, wird
nicht geregelt. Wegen des erheblichen Eingriffs in die Lehr- und
Forschungsfreiheit bedarf es jedoch einer gesetzlichen Regelung,
die Ermessen bei der Zustimmung ausschließt und die Voraussetzungen
für eine Verweigerung der Zustimmung in verfassungskonformer
und präziser Weise festlegt.
74 Wiss Rat Drs. 8066–19, 34 (Empfehlung des Akkreditierungsausschusses
im Konzeptprüfungsverfahren, auf die Verleihung von
Honorarprofessuren zu verzichten); Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 14:
„Wenngleich an dieser Stelle die grundsätzliche Frage nach maximal
tolerierbaren Relationen zwischen hauptberuflichen Professuren
und Honorarprofessuren nicht abschließend beantwortet
werden kann, ist festzuhalten, dass letztgenannte Positionen in
jedem Fall nur ergänzend und abrundend zum hauptberuflichen
Personal vorzusehen ist“. Hier verkennt der Wissenschaftsrat,
dass oftmals nur 50 % der Lehre von hauptberuflichen Professoren
anzubieten ist. Soll sein Konzept von „Hochschulförmigkeit“
wirklich verbieten, dass ein hoher Prozentsatz an Lehre durch
besonders qualifizierte Honorarprofessuren erbracht wird?
75 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 12, 49.
76 § 41 Abs. 1 S. 1 LHG BW
77 Zu der sogenannten neuen Formel der Gleichheitsprüfung: Zippelius/
Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 23 Rn.
23 ff. mit Nachw.
2 2 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
der Auflagen des Wissenschaftsrates großenteils verzichten
müssen. - Zu den inhaltlichen Mängeln in Akkreditierungsstellungnahmen
Die Akkreditierungsstellungnahmen des Wissenschaftsrates
leiden immer wieder an einer Reihe von inhaltlichen
Mängeln. Teilweise wird die besondere Situation
der privaten Hochschule nicht hinreichend gewürdigt.
Teilweise werden im Kontext mit der Prüfung der Hochschulförmigkeit
die verfassungsimmanenten Schranken
der Wissenschafts- und Lehrfreiheit weder angesprochen
noch zutreffend erfasst. Einige solche inhaltlichen
Mängel78 seien exemplarisch genannt:
a) Zur Kritik an mangelnder Einlösung von Leitbildern
und besonderen Zielsetzungen der privaten Hochschulen
Die staatlichen Universitäten79 und die staatlichen
Hochschulen für angewandte Wissenschaften80 haben
mitunter weit ausgreifende Leitbilder. Diese werden von
den staatlichen Hochschulen in Struktur- und Entwicklungsplänen
für einen mittelfristigen Zeitraum näher
konkretisiert. Ob überhaupt und wie diese Leitbilder
sowie die Struktur- und Entwicklungspläne die Arbeit
der Hochschule bestimmen, entzieht sich weitgehend
der staatlichen Kontrolle. Da es sich lediglich um influenzierende
Planungen handelt, „sind keine Sanktionen
oder rechtliche Instrumente für den Fall vorgesehen,
dass die Hochschule von ihrer eigenen Struktur- und
Entwicklungsplanung abweicht“.81 Ganz anders kontrolliert
der Wissenschaftsrat die privaten Hochschulen.
Grundlage ihrer Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat
ist „ihr institutioneller Anspruch“.82 Von ihnen
wird verlangt, ihre Entwicklungsziele „in eine strategische
Planung (zu) übersetzen, die ihre angestrebte Positionierung
im Hochschulsystem verdeutlicht“.83 Weitergehend
wird gefordert: „Die Hochschule hat ein klares
Verständnis ihres gegenwärtigen und künftigen institutionellen
Anspruchs und Profils, das sich in Übereinstimmung
mit ihrer öffentlichen Selbstdarstellung befindet“.
Dies muss durch die Hochschulplanung umgesetzt werden:
„Die Hochschule verfügt über eine ihrem institutionellen
Anspruch gemäße strategische Planung“.
Dieser Ansatz führt dazu, dass bei der Kontrolle der
Kriterien der Akkreditierung wie institutioneller Anspruch,
Organisation, Lehre oder Forschung immer
auch abgeprüft wird, ob die von der privaten Hochschule
formulierten Entwicklungsziele auch erreicht werden
konnten. Soweit die Hochschule Defizite aufweist, war
dies oftmals Anlass für Auflagen oder konnte auch ein
Grund für deren Nichtakkreditierung sein.84
Hinweise des Wissenschaftsrates auf Diskrepanzen
zwischen Anspruch und Wirklichkeit von Studium und
Forschung an privaten Hochschulen mögen legitim sein,
um problematische Praktiken im Wettbewerb der Hochschulen
untereinander zu kritisieren. So mag eine Korrektur
des Auftretens einer Hochschule in der Öffentlichkeit
angemahnt werden, wenn der Internetauftritt
verspricht, was offensichtlich nicht gehalten wird. Es ist
aber nicht Aufgabe des Wissenschaftsrates, eine private
Hochschule durch Auflagen zu zwingen, die Entwicklungsziele,
die sie mittelfristig erreichen möchte, erfolgreich
durch strategische Planung umzusetzen. Ein derartiger
tiefer Eingriff in Art. 5 Abs. 3 GG ist durch nichts gerechtfertigt.
Zudem werden private Hochschulen in eine
Verbindlichkeit selbst gesetzter Planungen gezwungen,
die es bei öffentlichen Hochschulen nicht gibt und zudem
ihre flexible und innovative Gestaltung hemmt.
c) Zur Kritik an den Forschungsleistungen der Professoren
Die Stellungnahme des Wissenschaftsrates äußert eine
zum Teil deutliche Kritik an den Forschungsleistungen
an privaten Hochschulen85, die auch als Grund bemüht
wird, die Akkreditierung einer privaten Hochschule zu
78 Nicht erörtert werden die Vorgaben des Wissenschaftsrates für
die Leitungsebene der privaten Hochschulen; hierzu kritisch
Würtenberger, Privathochschulfreiheit – Auch bei der Organisation
der Leitungsebene?, OdW 2019, S. 15, 18 ff., 23 ff., 26.
79 Für die Universität Freiburg: https://www.uni-freiburg.de/universitaet/
portrait/leitbild/Uni-Freiburg-Leitbild.pdf.
80 Für die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen
Ludwigsburg: https://www.hs-ludwigsburg.de/fileadmin/Seitendateien/
hochschule/Rechtsvorschriften/Hochschulorganisation/
04–07-01_Leitbild_HVF.pdf; für die Hochschule Kehl: http://
www.hs-kehl.de/hochschule-kehl/; für die Hochschule Karlsruhe:
https://www.hs-karlsruhe.de/studieninteressierte/die-hochschulekennenlernen/
leitbild/
81 BeckOK Hochschulrecht BW/Haug, Stand 1. 5. 2020,
§ 7 LHG Rn. 7.
82 Wiss Rat Drs. 8533–20, S. 13.
83 Wiss Rat Drs. 4395–15, S. 28, hier auch die folgenden Zitate.
84 So etwa im Fall der nicht akkreditierten Hochschule für angewandte
Wissenschaften Bamberg, der vorgeworfen wurde, ihr
Leitbild sei nicht klar konturiert (Wiss Rat Drs. 3146–13, S. 12).
85 Selbst die weithin hoch geschätzten Forschungsleistungen der
Bucerius Law School werden vom Wissenschaftsrat angezweifelt:
„Aus Sicht der Arbeitsgruppe hat die Hochschule ihr Forschungsprofil
hinsichtlich der angestrebten internationalen Sichtbarkeit
und insbesondere mit Blick auf die interdisziplinäre Schwerpunktsetzung
in den letzten Jahren nicht in dem zu erwartenden
Maße entwickelt. Die Forschung an der Hochschule ist stark
national geprägt und bietet über die Rechtswissenschaft hinaus
insgesamt nur wenige Anknüpfungspunkte.“ Dies ist Anlass, der
Hochschule wenig überzeugende Empfehlungen zur Optimierung
der Forschung in das Stammbuch zu schreiben (Wiss Rat Drs.
6974–18, S. 17, 59 ff.).
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 2 9
verweigern.86 Inwieweit der Wissenschaftsrat dazu berufen
sein kann, mit der erforderlichen Sachkunde die Forschungsleistungen
privater Hochschulen in Akkreditierungsverfahren
zu evaluieren und dabei ihre Positionierung
im nationalen und internationalen Kontext zu
bewerten, mag an dieser Stelle offen bleiben. Problematischer
ist es, wenn der Wissenschaftsrat die Forschungsleistungen
von Professoren in Masterstudiengängen an
Hochschulen für angewandte Wissenschaften negativ
bewertet und dies bei der Begründung, die Akkreditierung
dieser Hochschule abzulehnen, explizit anführt.87
Bei Masterstudiengängen88 bedürfe es, so der Wissenschaftsrat,
aus Gründen der Einheit von Forschung und
Lehre, dass sich die hauptamtlichen Hochschullehrer
durch besondere Forschungsleistungen im Bereich der
von ihnen unterrichteten Fächer auszeichnen.89
Zwar bestimmt das Hochschulrecht der Länder90,
dass die Hochschulen für angewandte Wissenschaften
anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung betreiben.
Diese Regelung eröffnet den Freiraum, den Art.
5 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich schützt, nämlich
forschend tätig zu werden. Eine andere Frage ist, ob diese
Freiheit zur Forschung zugleich eine Verpflichtung zur
Publikation von Forschungsergebnissen umfasst. Dies ist
abzulehnen. Wer als Hochschullehrer durch seine Publikationen
hinreichend qualifiziert über die Einstellungsvoraussetzungen
verfügt, mag zwar im Feld seiner Lehrtätigkeit
forschend tätig sein, zur Publikation seiner Forschungsergebnisse
ist er jedoch nicht verpflichtet. Der
Wissenschaftsrat verkennt den klassischen Schutzbereich
des Art. 5 Abs. 3 GG, dass die Forschungsfreiheit
nämlich auch die negative Freiheit91 des Forschers umfasst,
über das „Ob“ und „Wann“ einer Veröffentlichung
autonom zu entscheiden.92
Der Wissenschaftsrat geht offensichtlich vom Leitbild
eines in kurzer Abfolge publizierenden Forschers
aus; über dieses mitunter übliche Forscherbild hinaus
fehlt ihm aber das Verständnis für andere Forscherpersönlichkeiten
mit einem anderen Forschungsprofil.
Denn der Wissenschaftsrat will offensichtlich nicht zwischen
dem Publizieren von Mengen an Aufsätzen, vielfach
bloße Shorties, und größeren Arbeiten nach langer
Forschungsarbeit differenzieren. Gerade die Arbeit an
einer grundlegenden Monographie oder an einem innovativen
Lehrbuch erfordert ein Höchstmaß an Selbstdisziplin,
nämlich das Publizieren von Beiträgen zu den
vergänglichen Themen des Tages abzulehnen. Wenn
vom Wissenschaftsrat erkannt würde, dass die Publikation
von grundlegenden wissenschaftlichen Werken oft einer
längeren Reifezeit bedarf, würde er für die Lehrtätigkeit
in Masterstudiengängen nicht besondere Publikationslisten
fordern. Es wäre gut, wenn der Wissenschaftsrat
sein Bild vom deutschen Hochschullehrer offenlegen
würde, bevor er besondere Publikationspflichten aufstellt,
um in Masterstudiengängen lehren zu dürfen.
b) Zur Kritik an der Zahl der bestellten Honorarprofessoren
Der Wissenschaftsrat kritisiert bei einigen privaten
Hochschulen, sie hätten eine zu große Zahl an Honorarprofessoren
bestellt.93 Wie viele Honorarprofessoren von
einer privaten Hochschule bestellt werden dürfen, um
das Kriterium der Hochschulförmigkeit noch zu erfüllen,
wird allerdings nicht genauer ausgeführt. Bei staatlichen
Universitäten ist niemals davon ausgegangen worden,
dass die Zahl der von einer Fakultät bestellten
Honorarprofessoren limitiert sei. So steht an der Rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Freiburg den
hauptamtlich tätigen Professoren fast die gleiche Zahl an
Honorarprofessoren gegenüber. Dass die Begrenzung
der Zahl von Honorarprofessoren zur Hochschulförmigkeit
einer Fakultät oder Hochschule gehört, ist eine
durch nichts gestützte Forderung des Wissenschaftsrates.
Zudem wird nicht hinreichend beachtet, dass gerade
an Hochschulen für angewandte Wissenschaften über
die Honorarprofessoren Praxiskontakte hergestellt und
86 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 12, 49 zu den Anforderungen an Forschungsleistungen
von Lehrenden in Masterstudiengängen unter
Verweis auf Wiss Rat Drs. 2264-12, S. 105 zur Differenzierung
individueller Forschungsleistungen, um in einem Bachelor- oder
in einem Masterstudiengang lehren zu dürfen.
87 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 12, 44, — allerdings hatte der Wissenschaftsrat
nicht zur Kenntnis genommen, dass Publikationslisten
der Professoren vorlagen.
88 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 12, 49, wobei der Wissenschaftsrat auf
sein Papier „Private und kirchliche Hochschulen aus Sicht der
Institutionellen Akkreditierung, Drs. 2264-12, S. 104 verweist.
89 Auch hier bleibt festzuhalten, dass diese besondere Form der
Gleichwertigkeit nicht gesetzlich als Akkreditierungsvoraussetzung
bzw. als Voraussetzung für die staatliche Anerkennung
geregelt ist. Der Wissenschaftsrat geht zur näheren Begründung
von einem Konzept der Verbindung von Forschung und Lehre
aus, das er, obwohl kritisch diskutiert, seiner Akkreditierungspraxis
zu Grunde legt.
90 Vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 LHG BW.
91 Maunz/Dürig/Gärditz, Grundgesetz, 90. EL Februar 2020, Art. 5
Abs. 3 GG, Rn. 111: Die Wissenschaftsfreiheit umfasst die Wahl
von Ort, Zeitpunkt und Modalität der Publikation; allgemein zur
negativen Freiheit als Element des Freiheitsschutzes Maunz/Dürig/
Grabenwarter, Grundgesetz, 90. EL Februar 2020, Art. 5 Abs.
1 und 2 GG, Rn. 95 ff.
92 So bemängelte der Wissenschaftsrat bei der Akkreditierung
der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft
(HMKW) Berlin die „Steigerungsbedürftigkeit“ der Forschungsleistungen
(Wiss Rat Drs. 7832–19, S. 15, 17).
93 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 14: Die Zahl von fünf Honorarprofessoren
ist nach Meinung des Wissenschaftsrates im Verhältnis zu
neun hauptberuflichen Professoren „deutlich zu hoch“.
2 3 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2
institutionalisiert werden können, die der Hochschule
im Bereich der Forschungskooperation und ihren Studierenden
zum Beispiel bei der Vermittlung von Praktikumsplätzen
von Nutzen sein können.
Was, soweit erforderlich, evaluiert werden mag, ist,
ob die bestellten Honorarprofessoren hinreichend qualifiziert
waren und ob sie auch zur Lehre an der Hochschule
beitragen. Aber auch dann wäre zu fragen: Warum
geschieht eine solche Kontrolle nur bei privaten und
nicht auch bei staatlichen Hochschulen? Stehen die privaten
Hochschulen etwa unter einem Generalverdacht,
sich bei der Bestellung von Honorarprofessoren nicht
von den gesetzlich geregelten Voraussetzungen leiten zu
lassen?
d) Zur Kritik am Mangel überzeugender konzeptioneller
Vorstellungen zur inhaltlichen Weiterentwicklung
und zur Förderung von Forschung
Der Wissenschaftsrat hält es für besonders schwerwiegend,
wenn private Hochschulen „keine überzeugenden
konzeptionellen Vorstellungen zur inhaltlichen Weiterentwicklung
der Forschung“ an ihrer Hochschule vorgelegt
haben.94 Mit „inhaltlicher Weiterentwicklung von
Forschung“ wird gefordert, dass Hochschulen ein besonderes
Forschungsprofil entwickeln müssen. So wird etwa
bei einer privaten Hochschule kritisiert, dass die „große
Anzahl an Forschungsschwerpunkten … dazu (führt),
dass das Forschungsprofil der Hochschule noch recht
unscharf ist“.95 Für eine Pflicht zu scharfen
Forschungsprofilen gibt es weder eine normative
Grundlage noch gehört es zum Proprium der
Hochschulen in Deutschland, mit scharfen
Forschungsprofilen aufzutreten.
Für die privaten Hochschulen hat dies einen guten
Grund: Man will sich nicht, geschützt durch das Grundrecht
der Wissenschaftsfreiheit, das enge und oft innovationsfeindliche
Korsett einer Forschungsplanung anziehen.
Und ebenso wie an einer staatlichen kann auch an einer
privaten Hochschule kein Hochschullehrer gezwungen
werden, seine Forschung am Forschungsprofil seiner
Hochschule oder seiner Fakultät auszurichten. Von
Hochschulen eine Festlegung auf Forschungsprofile zu
fordern, steht zudem in Widerspruch zu den jüngsten
Forderungen des Wissenschaftsrates, die Freiheitsgrade
in der Forschung zu erhöhen, die Souveränität der Forscher
zu stärken sowie eine agilere und responsivere
Hochschulforschung auf den Weg zu bringen.96 Von besonderen
Forschungsprofilen der Hochschulen für angewandte
Wissenschaften wird im jüngsten Positionspapier
des Wissenschaftsrates nicht ausführlich gehandelt,
in Akkreditierungsverfahren werden jedoch in Widerspruch
hierzu scharfe Forschungsprofile gefordert.
Nicht einmal der Gesetzgeber kann verlangen, dass
Hochschulen konzeptionelle Vorstellungen zur inhaltlichen
Weiterentwicklung eines hochschulinternen Forschungskonzepts
vorlegen.97 Denn für Eingriffe in die
verfassungsrechtlich geschützte Forschungsfreiheit von
privaten Hochschulen bedarf es der Erhaltung und Funktionsfähigkeit
der Hochschulen als rechtfertigenden verfassungsimmanenten
Grund. Hochschulen sind aber
auch ohne inhaltlich ausdifferenzierte hochschulinternen
Forschungskonzepte voll und ganz funktionsfähig.
e) Zur Kritik an der professoralen Personalausstattung
Der Wissenschaftsrat rügt in zahlreichen Akkreditierungsverfahren,
dass die Bachelor- und Masterstudiengänge
mit einer unterkritischen Personalausstattung
durchgeführt würden. Meist nicht in den Blick kommen
allerdings die erheblichen Schwierigkeiten, qualifizierte
Professoren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften
zu berufen. Dies gilt ebenfalls für Berufungsverfahren
an staatlichen Hochschulen für angewandte
Wissenschaften, führt dort aber nicht zur Verweigerung
der Akkreditierung oder zu besonderen ministeriellen
Auflagen.98
Davon abgesehen gibt es keine klaren Maßstäbe, in
welchem Umfang Lehre von hauptberuflich angestellten
Professoren zu erbringen ist. So verlangt zum Beispiel §
70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LHG BW nur sehr allgemein, dass ein
ausreichendes Lehrangebot sichergestellt ist. Andere Bundesländer,
wie etwa Bayern, fordern, dass die Lehraufgaben
überwiegend von hauptberuflich angestellten Lehrkräften
wahrgenommen werden, die ebenso wie die Lehrenden
an staatlichen Hochschulen qualifiziert sind99.
94 Wiss Rat Drs. 8257–20, S. 13.
95 Wiss Rat Drs. 5639–16, S. 14.
96 Wiss Rat Drs. 8289–20 zu „Anwendungsorientierung in der
Forschung“, S. 46 ff.
97 Auch eine Verpflichtung zu „Deputatsreduktionen zur Durchführung
von Forschungsvorhaben“ kann der Wissenschaftsrat
privaten Hochschulen nicht auferlegen, wenn 18% der Arbeitszeit
für Forschungsvorhaben aufgewendet wird (so aber Wiss Rat Drs.
8518–20, S. 34). Die Realität individueller Forschung an Hochschulen,
die in diesem Heft im Beitrag von Thomas Skowronek
beleuchtet wird, ist den Akkreditierungsstellungnahmen des
Wissenschaftsrates offensichtlich fremd.
98 Bei der Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat wird durchgehend
eine Ausstattung der Studiengänge mit 50% hauptberuflich
beschäftigten Lehrenden gefordert, was vielfach zur Auflage
für die Akkreditierung gemacht wird (vgl. Wiss Rat Drs. 4560–15,
S. 13).
99 Art. 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Bay HG.
Würtenberger · Die institutionelle Akkreditierung privater Hochschulen 2 3 1
Weitergehend wird in Hamburg geregelt100, dass „die
Lehraufgaben der Bildungseinrichtung in der Regel von
hauptberuflich Lehrenden als ständige Aufgabe erfüllt
werden“.
Ein Textvergleich der hochschulrechtlichen Regelungen
ergibt, dass die Landesgesetzgeber bei ihren Anforderungen
an die Lehre durch hauptberufliche Professoren
von ihrer föderalen Autonomie im Hochschulbereich
Gebrauch gemacht haben. Die landesrechtlichen
Regelungen des Mindestmaßes an professoraler Lehre
bleiben bei der Kritik des Wissenschaftsrates an der professoralen
Ausstattung privater Hochschulen außer Betracht
– ein weiteres Beispiel für hochschulrechtliche
Bindungen übergehende Akkreditierungsverfahren des
Wissenschaftsrates.
VI. Schlussbemerkung
Trotz aller Kritik an den Akkreditierungsstellungnahmen
des Wissenschaftsrates darf man seine Leistungen
bei der Kontrolle des Zugangs und des Verbleibs von privaten
Hochschulen im „Markt der Hochschulen“ nicht
unterschätzen. Seine Kontrolltätigkeit hat dazu beigetragen,
die Qualität des Sektors der privaten Hochschulen
dem traditionellen Sektor der staatlichen Hochschulen
anzugleichen. Dies wird nicht nur durch die Begutachtungen
einzelner Hochschulen erreicht. Ebenso wichtig
ist ein gewisser Vorauskonformismus, in dem sich die
privaten Hochschulen mit unterschiedlichem Erfolg
üben, die vom Wissenschaftsrat festgelegten Akkreditierungsvoraussetzungen
einzuhalten.
Die mangelnde rechtliche Grundlage für Eingriffe in
die Wissenschafts- und Lehrfreiheit erfordern Reaktionen
des Gesetzgebers. Ein Schritt in die richtige Richtung
ist der Anhörungsentwurf der Landesregierung
von Baden-Württemberg zum 4. Hochschulrechtsänderungsgesetz.
101 Nach der erheblichen Kritik an den Akkreditierungsverfahren
des Wissenschaftsrates sind die
vorgeschlagenen Regeln zu dessen Selbstkontrolle zu begrüßen.
Er muss ein Beschwerdeverfahren einschließlich
der einzuhaltenden Fristen regeln und eine interne Beschwerdestelle
mit drei Wissenschaftlern einrichten.102
Dass die Maßstäbe der Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat
und der staatlichen Anerkennung durch
das Land erheblich differieren, ist zu korrigieren. Die öffentlich
gemachte Diskrepanz zwischen einer Ablehnung
von Akkreditierungen durch den Wissenschaftsrat
und gleichwohl nachfolgender staatlicher Anerkennung
verunsichert die Studierenden und ist ein tiefer Eingriff
in die Privathochschulfreiheit sowie in die Wettbewerbsfreiheit
zwischen privaten und öffentlichen Hochschulen.
Zu hoffen bleibt, dass eine gesetzliche Neuordnung
der Akkreditierungsverfahren des Wissenschaftsrates zu
präzisen rechtlichen und mit der Privathochschulfreiheit
vereinbaren Rahmensetzungen führt.
Und nicht zuletzt sollten die Leistungen des Wissenschaftsrates
bei der Akkreditierung privater Hochschulen
evaluiert werden. Wie vor einiger Zeit103 sollte eine
internationale Kommission die Akkreditierungsverfahren
unter anderem darauf begutachten, ob die vom Wissenschaftsrat
formulierten Maßstäbe der Akkreditierung
sachgerecht sind, ob die Verfahren der Akkreditierung
den Maßstäben guter Verwaltung entsprechen und ob
bei der Entscheidung über Auflagen oder bei der Ablehnung
einer Akkreditierung mit gleichem Maß gemessen
wird.
Thomas Würtenberger ist Professor an der Albert-Ludwigs-
Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle
für Hochschulrecht.
100 § 114 Abs. 1 Nr. 5 Hmbg HG.
101 Vgl. Fn. 3.
102 So § 70a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 und 4 Anhörungsentwurf (vgl. Fn. 3).
103 Vgl. Fn. 8.
2 3 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 0 ) , 2 1 5 — 2 3 2