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I. Ein­lei­tung

Das deut­sche Wis­sen­schafts­sys­tem befin­det sich im Wan­del. Vor dem Hin­ter­grund einer immer enger zusam­men­rü­cken­den Welt und dem inter­na­tio­na­len Wett­be­werb um die bes­ten Wis­sen­schafts­stand­or­te wer- den die tra­di­tio­nel­len Insti­tu­tio­nen der natio­na­len Wis- sen­schafts­sys­te­me auf den Prüf­stand gestellt. Die Rele- vanz von Bil­dung und For­schung für die wirt­schaft­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit ein­zel­ner Län­der steht heu­te außer Frage.1 Inso­fern sieht sich auch das deut­sche Wis­sen- schafts­sys­tem einem per­ma­nen­ten Ver­än­de­rungs­druck ausgesetzt.

Eine Reak­ti­on dar­auf ist die in den letz­ten Jah­ren in- ten­siv geführ­te Dis­kus­si­on um die rich­ti­ge Gover­nan­ce von Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen. Ihr liegt im Kern die Fest­stel­lung zugrun­de, dass in einer moder­nen wis­sens- basier­ten Gesell­schaft die öffent­li­chen Güter Bil­dung und wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis auf eine ande­re Art und Wei­se pro­du­ziert wer­den müs­sen, als dies bis­her in den staats­kon­zen­trier­ten natio­na­len Kon­zep­ten der Wis- sen­schafts­po­li­tik ange­nom­men wurde.2 Weder die Fo- kus­sie­rung auf ein staat­lich gesteu­er­tes Wis­sen­schafts- sys­tem noch die Ein­gren­zung auf die natio­na­le Per­spek- tive sind geeig­net, ange­mes­se­ne Ant­wor­ten im glo­ba­len Wett­be­werb um Wis­sen und sei­ne Nutz­bar­ma­chung zur Bewäl­ti­gung der Zukunfts­fra­gen zu finden.

Für die nach­hal­ti­ge Leis­tungs­fä­hig­keit ist die Fra­ge nach der geeig­ne­ten Gover­nan­ce der Wis­sen­schaft­sein- rich­tun­gen essen­ti­ell. Der Begriff der Gover­nan­ce geht dabei weit über den rein orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­chen As- pekt der han­deln­den Orga­ne und Gre­mi­en hinaus.3 So- wohl die wis­sen­schafts­po­li­ti­schen Lenkungsmaßnah-

  1. 1  Sie­he z.B. Koali­ti­ons­ver­trag vom Dez. 2013 zwi­schen CDU, CSU und SPD für die 18. Legis­la­tur­pe­ri­ode, Ziff. 1.2, 26; Euro­päi­sche Kom­mis­si­on: „Ein­lei­tung zum neu­en For­schungs­pro­gramm Hori­zon 2020“.
  2. 2  Gran­de et al.: „Die neue Gover­nan­ce der Wis­sen­schaft“ in: Neue Gover­nan­ce der Wis­sen­schaft – Reor­ga­ni­sa­ti­on – exter­ne Anfor- derun­gen – Media­li­sie­rung, hrsg. von Grande/Jansen/Jarren/Rip/ Schimank/Weingart, Bie­le­feld 2013, 21, 22.
  3. 3  Eine gute Beschrei­bung von Gover­nan­ce fin­det sich in: OECD, Prin­ci­ples of Cor­po­ra­te Gover­nan­ce, Paris 2004, Pre­am­ble 11: „Cor­po­ra­te gover­nan­ce invol­ves a set of rela­ti­onships bet­ween a company’s manage­ment, its boards, its share­hol­ders and other stake­hol­ders. Cor­po­ra­te gover­nan­ce also pro­vi­des the struc­tu­re through which the objec­ti­ves of the com­pa­ny are set, and the means of attai­ning tho­se objec­ti­ves and moni­to­ring performance

men als auch die Beein­flus­sung der Ent­schei­dungs- pro­zes­se durch ver­schie­den­ar­ti­ge exter­ne und inter­ne Fak­to­ren sind Teil der Gover­nan­ce einer Wis­sen- schafts­or­ga­ni­sa­ti­on. In die­sem Sin­ne ist die Gover- nan­ce als die Gesamt­heit der Steue­rungs- und Ent- schei­dungs­fin­dungs­me­cha­nis­men von und in Wis­sen- schafts­ein­rich­tun­gen zu verstehen.4

In den deut­schen Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen sind in den ver­gan­gen Jah­ren viel­fach neue Gover­nan­ce-For- men und ‑instru­men­te aus­pro­biert und eva­lu­iert wor- den. Ins­be­son­de­re wur­den Ansät­ze des New Public Ma- nage­ment (NPM) in den Wis­sen­schafts­be­reich über­tra- gen. Eine Bestands­auf­nah­me der Ergeb­nis­se legt die Er- gän­zung und Aus­wei­tung der Dis­kus­si­on in zwei­er­lei Hin­sicht nahe:

- Es fällt auf, dass die vor­lie­gen­den Unter­su­chun- gen sehr hoch­schul­zen­triert sind. Bei der Dis­kus­si­on wird vom klas­si­schen Bild der Erkennt­nis­pro­duk­ti­on in dezen­tra­len (hoch­schul­üb­li­chen) Struk­tu­ren aus- gegangen.5 Vie­le For­men der Wis­sens­ge­ne­rie­rung in außer­uni­ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen wer- den nicht einbezogen.6 Ins­be­son­de­re wer­den die staat­li­che Vor­sor­ge­for­schung für gesell­schaft­lich re- levan­te Gebie­te, wie z.B. Ener­gie­ver­sor­gung oder Ge- sund­heit und Umwelt, die ange­wand­te For­schung und der Trans­fer von For­schungs­er­geb­nis­sen in die Pra­xis, sowie die inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit in Groß­pro­jek­ten und der Betrieb von Groß­ge­rä­ten zu wenig beachtet.

- Inhalt­lich sind die Unter­su­chun­gen häu­fig von der Sor­ge um die Siche­rung der Auto­no­mie des ein-

are deter­mi­ned.”
4 Zum Gover­nan­ce-Begriff in Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen siehe

auch Jan­sen: „Von der Steue­rung zur Gover­nan­ce: Wan­del der Staat­lich­keit?“, in: Hand­buch Wis­sen­schafts­po­li­tik, hrsg. von Simon/Knie/Hornbostel, Wies­ba­den 2010, 40.

Gran­de et al., aaO. (Fn. 2), 23; Heinze/ Krü­cken (Hrsg), Insti­tu­tio­nel­le Erneue­rungs­fä­hig­keit der For­schung , Wies­ba­den 2012, 12.

6 So auch Puch­ta, Auf der Suche nach der rich­ti­gen Cor­po­ra­te Gover­nan­ce für ein For­schungs­zen­trum: Das Bei­spiel Deut­sches Krebs­for­schungs­zen­trum (DKFZ), ZfB Son­der­aus­ga­be 1/2013, 104 f.; eine der weni­gen Publi­ka­tio­nen zur Steue­rung der Helm­holtz- Gemein­schaft: Hel­ling-Moe­gen, For­schen nach Pro­gramm. Die pro­gramm­ori­en­tier­te För­de­rung in der Helm­holtz-Gemein­schaft: Ana­to­mie einer Reform, Mar­burg 2009, 112 ff. Der Bei­trag von Hohn, Außer­uni­ver­si­tä­re For­schungs­ein­rich­tun­gen, in: Handbuch

Niko­laus Blum

Zur Gover­nan­ce pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­ter Forschungseinrichtungen

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2015, ISBN/ISSN 3–45678-222–7

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ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2015), 1–10

zel­nen Wis­sen­schaft­lers geprägt. Dies ist ohne Zwei- fel ein essen­ti­el­ler Aspekt der Wis­sen­schafts­frei­heit. In einer sys­te­mi­schen Betrach­tung geeig­ne­ter For- men von Gover­nan­ce für Wis­sen­schafts­ein­rich­tun- gen soll­ten aber auch ande­re Gesichts­punk­te zum Tra­gen kom­men. Kaum behan­delt wird die im inter- natio­na­len Wett­be­werb zen­tra­le Fra­ge, unter wel­chen Gover­nan­ce-For­men Wis­sen­schafts­frei­heit, Erkennt- nis­ge­winn, Nach­wuchs­för­de­rung und Wis­sens­trans- fer in der Gesell­schaft effi­zi­ent zur Wirk­sam­keit ge- bracht wer­den können.

Die nähe­re Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gover- nan­ce-Struk­tu­ren außer­uni­ver­si­tä­rer For­schung­sein- richtungen7 kann hier eine Erwei­te­rung des Blick­fel­des schaf­fen und neue For­men und Instru­men­te für die wis- sen­schafts­ad­äqua­te Gestal­tung von Wis­sen­schaft­sein- rich­tun­gen in pri­va­ter Rechts­form erschlie­ßen. Mit den nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen soll dazu ein Bei­trag ge- leis­tet wer­den. Dabei ist ein­lei­tend klar­zu­stel­len, dass mit der Wahl der Rechts­form zwar wich­ti­ge Rah­men­be- din­gun­gen gesetzt wer­den, die Gover­nan­ce einer Ein- rich­tung aber noch lan­ge nicht aus­rei­chend fest­ge­legt ist.

II. Viel­falt der Rechts­for­men außer­uni­ver­si­tä­rer For- schungseinrichtungen

Die funk­tio­na­le und insti­tu­tio­nel­le Viel­fäl­tig­keit des deut­schen Wis­sen­schafts­sys­tems ist eine unbe­dingt zu erhal­ten­de Stärke.8 Neben den Hoch­schu­len und Uni- ver­si­tä­ten, die das „Orga­ni­sa­ti­ons­zen­trum des Wis­sen- schafts­sys­tems“ darstellen,9 gibt es eine Viel­zahl wei­te­rer Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen, die in unter­schied­li­chen Rechts­for­men orga­ni­siert sind. Einer brei­te­ren Öffent- lich­keit sind als „big four“10 die Max-Planck-Gesell- schaft, die Fraun­ho­fer Gesell­schaft, die Zen­tren der Helm­holtz-Gemein­schaft und der Leib­niz-Gemein- schaft bekannt. Wei­te­re Wis­sen­schafts­in­sti­tu­te befin­den sich zum Bei­spiel unter dem Dach der Arbeits­ge­mein- schaft der indus­tri­el­len For­schungs­ein­rich­tun­gen (AIF).

Wäh­rend Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len in der Re- gel Kör­per­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts sind, wer­den vie­le außer­uni­ver­si­tä­re For­schungs­ein­rich­tun­gen in Pri-

Wis­sen­schafts­po­li­tik, hrsg. von Simon/Knie/Hornbostel, Wies­ba- den 2010, 457 ff. beschränkt sich auf for­schungs­po­li­ti­sche Aspek­te und unter­sucht nicht näher die Gover­nan­ce Strukturen.

  1. 7  In die­sem Auf­satz vor­ran­gig der Helmholtz-Zentren.
  2. 8  So der Wis­sen­schafts­rat in sei­nen Emp­feh­lun­gen vom 12.7.2013,Perspektiven des deut­schen Wis­sen­schafts­sys­tems, unter B. II, 26.
  3. 9  Wis­sen­schafts­rat, aaO. (Fn. 8), B. IV, 28.
  4. 10  So Hor­vath, Stra­te­gie, Steue­rung und Gover­nan­ce außer­uni­ver­si-tärer For­schungs­ein­rich­tun­gen, ZfB Son­der­aus­ga­be 1/2013, 15.

vat­rechts­for­men betrie­ben. So sind die Max-Planck-Ge- sell­schaft und die Fraun­ho­fer Gesell­schaft als ein­ge­tra­ge- ne Ver­ei­ne kon­sti­tu­iert. Von 18 For­schungs­ein­rich­tun- gen der Helm­holtz-Gemein­schaft sind elf in pri­va­ter Rechts­form (GmbH, e.V., Stif­tung) orga­ni­siert, wei­te­re fünf sind als Stif­tun­gen des öffent­li­chen Rechts errichtet.

Die Grün­de für die Rechts­for­men­wahl sind meist his­to­ri­scher Natur. Die ältes­te pri­vat­recht­li­che Form au- ßer­uni­ver­si­tä­rer Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen ist der ein- getra­ge­ne Ver­ein. Der Ver­ein als Zusam­men­schluss von ein­zel­nen Per­so­nen zur mit­glied­schaft­lich-orga­ni­sier­ten Ein­rich­tung war die geeig­ne­te Rechts­form für die Grün- dungderAkademien.ErfanddannauchbeiderGrün- dung ande­rer gro­ßer außer­uni­ver­si­tä­rer Wis­sen­schafts- ein­rich­tun­gen, wie der Max-Planck-Gesell­schaft, der Fraun­ho­fer Gesell­schaft oder des Deut­schen Zen­trums für Luft- und Raum­fahrt (DLR) Anwen­dung. Hin­ter- grund waren in die­sen Fäl­len die Bestre­bun­gen, neben staat­li­chen Geld­ge­bern Pri­vat­per­so­nen und Unter­neh- men als För­de­rer zu gewin­nen und in die Orga­ni­sa­ti­on zu integrieren.

In der Nach­kriegs­zeit wur­de ver­mehrt die Rechts- form der GmbH für die Neu­grün­dung von For­schungs- ein­rich­tun­gen genutzt. Zwi­schen 1956 und 1965 sind acht Groß­for­schungs­ein­rich­tun­gen als GmbHs gegrün­det wor­den. In eini­gen Fäl­len waren Unter­neh­men als Ge- sell­schaf­ter betei­ligt. Alle Gesell­schaf­ten ver­fol­gen einen genau­er beschrie­be­nen For­schungs­zweck, der in den je- wei­li­gen Sat­zun­gen fest­ge­hal­ten wur­de. In den 60er Jah- ren hat man sich mit den unter­schied­li­chen pri­vat­recht- lichen Rechts­for­men, die für Wis­sen­schafts­ein­rich­tun- gen in Betracht kom­men, ver­tieft aus­ein­an­der­ge­setzt. Das Gut­ach­ten von Cartellieri11 aus dem Jah­re 1969 kann aus heu­ti­ger Sicht als her­aus­ra­gen­de Gover­nan­ce-Stu­die für die außer­uni­ver­si­tä­ren Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen ein­ge­ord­net wer­den, die schon damals mit gro­ßem Weit- blick die euro­päi­sche und inter­na­tio­na­le Dimen­si­on auf- griff und rechts­ver­glei­chen­de Struk­tur­ana­ly­sen betrieb.

Neben der Rechts­form der GmbH wur­den ande­re Rechts­for­men wie die Stif­tung des öffent­li­chen oder pri- vaten Rechts ein­ge­setzt. Nicht in allen Fäl­len lässt sich eine strin­gen­te Begrün­dung für die jewei­li­ge Rechts-

11 Gut­ach­ten „Die Groß­for­schung und der Staat, Gut­ach­ten über die zweck­mä­ßi­ge recht­li­che und orga­ni­sa­to­ri­sche Aus­ge­stal­tung der Insti­tu­tio­nen für die Groß­for­schung“, erstat­tet von Wolf­gang Car­tel­lie­ri, Teil I (1967) und Teil II (1968), Gers­bach & Sohn Ver­lag, München.

12 Vgl. Meu­sel, Außer­uni­ver­si­tä­re For­schung im Wis­sen­schafts­recht, 2. Aufl. 1999, Rn. 21.

Blum · Gover­nan­ce pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­ter For­schungs­ein­rich­tun­gen 3

form­wahl finden.12 Gele­gent­lich waren es ein­fa­che Über- legun­gen der Prak­ti­ka­bi­li­tät, die jeweils den Aus­schlag gege­ben haben. So ist für die Zen­tren der Helm­holtz-Ge- mein­schaft nach heu­ti­gem Stand fest­zu­hal­ten, dass sie- ben Zen­tren als GmbHs fir­mie­ren, drei Zen­tren als ein- getra­ge­ne Ver­ei­ne, ein Zen­trum als Stif­tung bür­ger­li­chen Rechts, fünf Zen­tren wer­den als Stif­tun­gen öffent­li­chen Rechts geführt und ein Zen­trum ist orga­ni­sa­to­risch un- ter dem Dach der Max-Planck-Gesell­schaft ohne eige­ne Rechts­per­sön­lich­keit ange­sie­delt. Das frü­he­re For- schungs­zen­trum Karls­ru­he, das auch als GmbH fir­mier- te, wur­de im Rah­men der Fusi­on mit der Uni­ver­si­tät Karls­ru­he in eine Kör­per­schaft öffent­li­chen Rechts überführt.

III. Die Gover­nan­ce der Helmholtz-Zentren

Die recht­li­che Selbst­stän­dig­keit der Helm­holtz-Zen­tren wird sowohl von staat­li­cher Sei­te als auch von Sei­te der Zen­tren immer wie­der betont und unter­stri­chen. Der Zusam­men­schluss der Zen­tren in der Helm­holtz Gemein­schaft als ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein hat dies­be­züg­lich kei­ne Ände­run­gen her­bei­ge­führt. Im Gegen­teil: star­ke und selb­stän­di­ge Zen­tren sind gera­de gewünscht und zeich­nen die­se Gemein­schaft aus.

Die Finan­zie­rung der Zen­tren aus über­wie­gend öf- fent­li­chen Mit­teln bedingt aller­dings eine erheb­li­che staat­li­che Ein­fluss­nah­me. Sie mani­fes­tiert sich einer­seits durch die domi­nie­ren­de Stel­lung des Bun­des und der je- wei­li­gen Sitz­län­der in den Gre­mi­en (Gesell­schaf­ter­ver- samm­lung, Auf­sichts­rat), ande­rer­seits durch die An- wend­bar­keit vie­ler öffent­li­cher Nor­men, die durch inter- ne Rege­lun­gen und finan­zi­el­le Bewil­li­gungs­be­schei­de auf­er­legt werden.

Für die Steue­rung der Zen­tren hat sich über vie­le Jah- re eine Grund­struk­tur ent­wi­ckelt, die sich in den Sat­zun- gen und Gesell­schafts­ver­trä­gen unab­hän­gig von der kon­kre­ten Rechts­form über­grei­fend wiederfindet.13 Es ent­spricht dem erklär­ten Wil­len der öffent­li­chen Gesell- schaf­ter, dass die Sat­zun­gen der ver­schie­de­nen Helm- holtz-Zen­tren zumin­dest ver­gleich­bar gestal­tet sind. Je- doch kommt es wegen der unter­schied­li­chen Rechts­for- men und der zum Teil sehr unter­schied­li­chen Zweck­set- zung der Zen­tren unge­wollt immer wie­der zu Wider­sprü­chen und Frik­tio­nen auf sat­zungs­recht­li­cher Ebene.

Die durch die Sat­zun­gen fest­ge­leg­ten Struk­tu­ren und Abläu­fe wer­den im Fol­gen­den als sat­zungs­recht­li­che Gover­nan­ce bezeich­net. Dane­ben gibt es wei­te­re Steue-

  1. 13  Sie­he dazu auch Meu­sel, aaO. (Fn. 12), Rn. 111 ff.
  2. 14  Auf die­sen wich­ti­gen Aspekt für die Kon­for­mi­tät mit den Anfor-

rungs­pro­zes­se. Da die Zen­tren wie erwähnt über­wie- gend aus öffent­li­chen Mit­teln finan­ziert sind, hat sich in der Pra­xis eine zwei­te Gover­nan­ce-Ebe­ne in Form des Haus­halts- und Zuwen­dungs­rechts eta­bliert. Schließ­lich ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren eine drit­te Steue­rungs­e­be- ne durch die pro­gramm­ori­en­tie­re För­de­rung der Helm- holtz-Gemein­schaft auf­ge­baut wor­den, die eher die in- halt­li­che und wis­sen­schafts­po­li­ti­sche Aus­rich­tung der Zen­tren betrifft.

Die­se drei Gover­nan­ce-Ebe­nen kön­nen wie folgt nä- her beschrie­ben werden:

1. Sat­zungs­recht­li­che Steuerung

Die lega­le Gover­nan­ce ist in dem jewei­li­gen, meist pri- vat­recht­li­chen Grün­dungs­do­ku­ment fest­ge­legt (Gesell- schafts­ver­trag, Grün­dungs­sat­zung, Stif­tungs­ur­kun­de etc.). Die Orga­ne sind in aller Regel ein Exe­ku­tiv­or­gan, ein Auf­sichts­or­gan und ein wis­sen­schaft­li­ches Bera- tungs­or­gan. In den Auf­sichts­or­ga­nen sind neben den Ver­tre­tern der Gesell­schaf­ter oder der staat­li­chen Mit­tel- geber in der Regel auch Wis­sen­schaft­ler der Zentren14 und exter­ne Per­so­nen aus Wis­sen­schaft und Wirt­schaft ver­tre­ten. Letz­te­re sol­len nicht nur als fach­kun­di­ge Auf- sichts­per­so­nen fun­gie­ren, son­dern als „Stake­hol­der“, die Inter­es­sen ande­rer Berei­che in die Wis­sen­schafts­ein­rich- tun­gen ein­brin­gen. Das wis­sen­schaft­li­che Bera­tungs­or- gan über­nimmt in aller Regel die Funk­ti­on einer exter- nen wis­sen­schaft­li­chen Qualitätssicherung.

In die­sen lega­len Struk­tu­ren ist dem Grun­de nach ein voll­stän­di­ges und funk­tio­nie­ren­des Gover­nan­ce-Sys­tem ange­legt, das den Anfor­de­run­gen an eine pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­te juris­ti­sche Per­son völ­lig Genü­ge tut. Durch die exter­nen Beset­zun­gen der Auf­sichts- und Bera­tungs- gre­mi­en wird den beson­de­ren Umstän­den einer öffent- lich geför­der­ten Wis­sen­schafts­ein­rich­tung Rech­nung getragen.

2. Haus­halts- und zuwen­dungs­recht­li­che Steuerung

Die zwei­te Gover­nan­ce-Ebe­ne ergibt sich aus den Finan- zie­rungs­be­stim­mun­gen. Alle Zen­tren haben ein von Bund und Län­dern ver­ab­schie­de­tes Finanz­sta­tut zu beach­ten, das sie ver­pflich­tet, bestimm­te Vor­ga­ben für die Ver­wen­dung öffent­li­cher Mit­tel ein­zu­hal­ten. Soweit ist das noch kei­ne Beson­der­heit, son­dern aus der poli­ti- schen Ver­ant­wor­tung und Rechen­schafts­pflicht beim Ein­satz öffent­li­cher Mit­tel begrün­det. Dane­ben hat sich aber im Lau­fe der Zeit eine Viel­zahl von Detail­vor­schrif- ten ange­sam­melt, die wei­te­re Rand­be­din­gun­gen für die Mit­tel­ver­wen­dung auf­stel­len, den Entscheidungsspiel-

derun­gen aus Art. 5 III Satz 1 GG wird wei­ter unten ein­ge­gan­gen: sie­he unten V. 4.

ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2015), 1–10

raum ein­engen und umfang­rei­che Berichts­pflich­ten auf- erle­gen. Sol­che Vor­schrif­ten wer­den den Zen­tren über Bewil­li­gungs­be­schei­de und Ein­zel­er­mäch­ti­gun­gen bzw. ‑ver­bo­te auf­er­legt und geben den öffent­li­chen Geldge- bern weit­ge­hen­de Steue­rungs- und Ein­wir­kungs­mög- lich­kei­ten. Begrün­det durch die Finan­zie­rung gel­ten auch die Bun­des­haus­halts­ord­nung und das Haus- haltsgrundsätzegesetz.AufdieserBasisübenauchdie Rech­nungs­hö­fe immer wie­der ihren Ein­fluss auf die tat­säch­li­chen Ent­schei­dun­gen und das geschäfts­mä­ßi- ge Han­deln der For­schungs­zen­tren aus, die neben den inter­nen Revi­si­ons­ab­tei­lun­gen und den exter­nen Wirt- schafts­prü­fern als wei­te­res Kon­troll- und Prü­fungs­or­gan fungieren.

In der Pra­xis tre­ten nicht sel­ten Kon­flik­te zwi­schen den bis­her beschrie­be­nen Gover­nan­ce-Ebe­nen auf. Wäh­rend auf der sat­zungs­recht­li­chen Ebe­ne immer wie- der „unter­neh­me­ri­sches Han­deln“ der Zen­tren ein­ge­for- dert wird, wer­den ent­spre­chen­de Ansät­ze auf der zu- wen­dungs­recht­li­chen Ebe­ne in enge Schran­ken gewie- sen und erheb­lich erschwert. Die not­wen­di­ge Syn­ch­ro- nisie­rung bei­der Ebe­nen erfolgt nur unzureichend.15

3. Inhalt­li­che Steuerung

Neben die­sen zwei lega­len und for­ma­len Gover­nan­ce- Ebe­nen ist eine drit­te zur inhalt­li­chen Steue­rung inner- halb der Helm­holtz Gemein­schaft eta­bliert wor­den. Unter der Bezeich­nung „Pro­gramm­ori­en­tier­te För­de- rung“ wer­den die staat­li­chen För­der­mit­tel zen­tren­über- grei­fend für die Bear­bei­tung stra­te­gi­scher Pro­gram­me bereitgestellt.16 Die Zen­tren leis­ten Bei­trä­ge zu den über- grei­fen­den Pro­gram­men, die inter­na­tio­nal eva­lu­iert und ent­spre­chend der Begut­ach­tungs­er­geb­nis­se finan­zi­ell aus­ge­stat­tet wer­den. Dadurch sol­len gezielt und unter Vor­ga­be staat­li­cher Rah­men­be­din­gun­gen stra­te­gi­sche For­schungs­schwer­punk­te geschaf­fen werden.17 Über die­se För­de­rung wer­den daher wei­te­re Steue­rungs­im- pul­se auf die Zen­tren aus­ge­übt. Die­se Steue­rungs­ebe­ne steht vom Grund­an­satz her in einem gewis­sen Span- nungs­ver­hält­nis zur wis­sen­schaft­li­chen Selbstverant-

  1. 15  In der Regel erfolgt sie durch par­ti­el­le Per­so­nen­iden­ti­tät. Ein- zel­ne Ver­tre­ter der Minis­te­ri­en in den Auf­sichts­gre­mi­en ste­hen gleich­zei­tig in der zuwen­dungs­recht­li­chen Ver­ant­wor­tung für den Mit­tel­ein­satz. Das führt zwin­gend zu Inter­es­sens- und Funk­ti­ons- konflikten.
  2. 16  Näher dazu: Helm­holtz-Gemein­schaft, „Die pro­gramm­ori­en­tier­te För­de­rung der Helm­holtz-Gemein­schaft – Eine Leis­tungs­bi­lanz“, August 2010, 2.
  3. 17  Sie­he auch Bra­de, Stra­te­gi­sches Manage­ment in der außer­uni­ver- sitä­ren For­schung – Ent­wick­lung einer Kon­zep­ti­on am Bei­spiel der Helm­holtz-Gemein­schaft, 2005, 15 ff.
  4. 18  Näher dazu Hel­ling-Moe­gen, aaO. (Fn. 6), 75 ff.
  5. 19  Zu den Begriff­lich­kei­ten und dem Modell der exter­nen und

wor­tung der Zentren.18
Beschrei­ben die­se drei Ebe­nen im Wesent­li­chen die

exter­ne Gover­nan­ce der Helm­holtz-Zen­tren, so ist die inter­ne Gover­nan­ce, die die zen­trums­in­ter­nen Pro­zes­se der Mei­nungs­bil­dung und Ent­schei­dungs­fin­dung um- fasst, noch weit­aus differenzierter.19 Leit­li­nie für die in- ter­ne Gover­nan­ce waren in den 70iger Jah­ren soge­nann- te Rah­men­ord­nun­gen, die die Grund­prin­zi­pi­en der Grup­pen­uni­ver­si­tät ein­heit­lich in den Sta­tu­ten der For- schungs­zen­tren abbil­den wollten.20 Die­se Bestre­bun­gen sind in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren nicht wei­ter ver­tieft wor­den. Aus die­ser Zeit fin­den sich aller­dings bis heu­te in „alten“ Zen­tren ent­spre­chen­de Ele­men­te der Grup- pen­uni­ver­si­tät wieder.21 Kenn­zeich­nend für die­se Ele- men­te sind gro­ße Gre­mi­en, deren Wir­kungs­wei­se durch eine ver­gleichs­wei­se gerin­ge Gestal­tungs­kraft, dage­gen durch eine gro­ße Ver­hin­de­rungs­macht cha­rak­te­ri­siert ist. Die Ver­ant­wort­lich­keit für Ent­schei­dun­gen oder Nicht­ent­schei­dun­gen und deren Fol­gen lässt sich in sol- chen Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren der wis­sen­schaft­li­chen Selbst­ver­wal­tung nur schwer fest­ma­chen. In moder­ne- ren und refor­mier­ten Zen­tren sind mitt­ler­wei­le klei­ne und hand­lungs­fä­hi­ge Ent­schei­dungs­gre­mi­en eta­bliert wor­den, bei denen auch die Ver­ant­wort­lich­kei­ten allo- kiert sind. Beglei­tet und bera­ten wer­den sie von wis­sen- schaft­li­chen Bei­rä­ten und inter­nen, mit Wis­sen­schaft- lern beset­zen Meinungsbildungsgremien.22

Es gehört kei­ne gro­ße Vor­stel­lungs­kraft dazu, dass bei drei Ebe­nen der exter­nen Gover­nan­ce und einer ggf. sehr kom­ple­xen inter­nen Gover­nan­ce die Gefahr der Über­be­stim­mung groß ist. Die pri­vat­recht­li­che Orga­ni- sati­ons­form führt also nicht per se zu gestal­te­ri­scher Hand­lungs­frei­heit und Ent­schei­dungs­ge­schwin­dig­keit. Wei­te­re Her­aus­for­de­run­gen brin­gen neue Orga­ni­sa­ti- ons­mo­del­le mit sich, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ent- stan­den sind oder mit bestehen­den Struk­tu­ren kom­bi- niert wur­den. Das ist z.B. bei der Ver­schmel­zung uni­ver- sitä­rer und außer­uni­ver­si­tä­rer Struk­tu­ren der Fall, wie im Karls­ru­he Insti­tut für Tech­no­lo­gie (KIT)23 oder dem künf­ti­gen Ber­li­ner Insti­tut für Gesund­heit (BIG).24 Dar-

inter­nen Gover­nan­ce sie­he Jan­sen, aaO. (Fn. 4), 43 ff.
20 Sie­he dazu auch Meu­sel, aaO. (Fn. 12), Rn. 112.
21 Z.B. der sog. Wis­sen­schaft­lich-Tech­ni­sche Rat (WTR), der aus

allen Insti­tuts­lei­tern und einer glei­chen Zahl gewähl­ter wis­sen- schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter besteht. In den Zen­tren, in denen er heu­te noch als Gre­mi­um besteht, hat er in der Regel bera­ten­de Funk­ti­on und kei­ne zwin­gen­den Mit­be­stim­mungs­rech­te mehr.

22 Zur Umge­stal­tung der inter­nen Gover­nan­ce eines Helm­holtz- Zen­trums sie­he Blum, Neue Gover­nan­ce für Wis­sen­schaft­sein- rich­tun­gen, Wis­sen­schafts­ma­nage­ment 2010, Heft 4, 20 ff.

23 KIT-Gesetz (KITG) vom 14. Juli 2009, GBl BaWü 2009, 317 ff. 24 Pres­se­mit­tei­lung 064/2013, BMBF 18. Juni 2013.

Blum · Gover­nan­ce pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­ter For­schungs­ein­rich­tun­gen 5

über hin­aus sind neue Orga­ni­sa­ti­ons­for­men wie der Na- tio­na­le Kohor­te e. V., die Deut­schen Zen­tren der Ge- sund­heits­for­schung oder inter­na­tio­na­le ESFRI-Ein­rich- tun­gen (X‑FEL oder FAIR) ent­stan­den, die an bestehen- de Zen­tren ange­glie­dert wur­den. Auch im Hin­blick auf die Gover­nan­ce die­ser neu­en For­men in ihrer Wech­sel- wir­kung mit den bestehen­den „Alt­struk­tu­ren“ stel­len sich Fra­gen, die heu­te wohl nur unzu­rei­chend beant­wor- tet wer­den kön­nen. Fest­zu­stel­len ist eine Ten­denz, die Lösung die­ser Fra­gen unter dem Dach öffent­lich-recht­li- cher Orga­ni­sa­ti­ons­for­men zu suchen. Sowohl das KIT als auch das künf­ti­ge BIG wer­den als Kör­per­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts orga­ni­siert. Ob auf die­sem Weg die Gover­nan­ce-Fra­gen zufrie­den­stel­lend beant­wor­tet wer- den kön­nen, wird die Zukunft die­ser Insti­tu­tio­nen zeigen.

IV. Pri­vat­rechts­form von Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen und wis­sen­schafts­ad­äqua­te Governance

In einer Art Zwi­schen­fa­zit kann fest­ge­stellt wer­den, dass es de fac­to vie­le pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­te Wis­sen- schafts­ein­rich­tun­gen im deut­schen Wis­sen­schafts­sys­tem gibt und dass bei Neu­grün­dun­gen oder der Über­füh- rung von Koope­ra­tio­nen in eige­ne Rechts­per­sön­lich­kei- ten ger­ne auf die bewähr­ten Rechts­for­men des Pri­vat- rechts zurück­ge­grif­fen wird. Es bestehen jedoch im Hin- blick auf die Aus­ge­stal­tung die­ser Rechts­for­men erheb­li­che Unsi­cher­hei­ten. Das betrifft sowohl die recht- lichen Gren­zen der Gestal­tungs­frei­heit als auch die Eta- blie­rung einer geeig­ne­ten Gover­nan­ce zur best­mög­li- chen Ver­fol­gung der wis­sen­schaft­li­chen Auf­ga­bens­tel- lung der jewei­li­gen Orga­ni­sa­ti­on. Auch im Sin­ne der Ent­wick­lung neu­er Koope­ra­ti­ons­for­ma­te und Ver­bund- struk­tu­ren auf natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ebene25 wäre die ver­tief­te Bear­bei­tung die­ser Fra­ge­stel­lun­gen eine loh­nens­wer­te Auf­ga­be und von hoher prak­ti­scher Relevanz.

Die Vor­tei­le der pri­vat­recht­li­chen Orga­ni­sa­ti­ons­for- men von Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen sind dar­in zu se- hen, dass für aktu­el­le wis­sen­schaft­li­che Fra­ge­stel­lun­gen schnell neue Ein­hei­ten ins Leben geru­fen wer­den kön- nen, die auf die beson­de­re Fra­ge­stel­lung zuge­schnit­ten sind. Sol­che Ein­hei­ten haben eine dem Grun­de nach

  1. 25  Die­sen Bedarf unter­streicht auch der Wis­sen­schafts­rat, aaO. (Fn. 8) unter C.V., 88 ff.
  2. 26  Zuletzt wie­der Mit­tel­strass: Die Ver­hält­nis­se zum Tan­zen brin­gen, FAZ vom 22.9.2014, 6.
  3. 27  Dar­auf weist auch schon Meu­sel hin, aaO. (Fn. 12), Rn. 21.
  4. 28  Bei­spie­le: Ein­glie­de­rung der GMD in die FhG 2001, Fusi­on Bes­sy– HMI 2007, Grün­dung von JARA 2007, Fusi­on der Uni­ver­si­tät Karls­ru­he mit dem FZK zum KIT 2009, DESY – XFEL als inter- natio­na­le Erwei­te­rung 2009, Vor­ha­ben der Grün­dung des BIG

zeit­lich begrenz­te Exis­tenz­be­rech­ti­gung und kön­nen in die Lage ver­setzt wer­den, mit den zur Ver­fü­gung gestell- ten Res­sour­cen ihre Zie­le schnell und effi­zi­ent zu ver­fol- gen. Die mit dem Pri­vat­recht ver­bun­de­nen Prin­zi­pi­en der „unter­neh­me­ri­schen“ Hand­lungs­frei­heit auf der ei- nen und der zivil­recht­lich Ver­ant­wort­lich­keit (Haf­tung) auf der ande­ren Sei­te wir­ken sich auch im Wis­sen­schafts- bereich aus. Auf die­se Wei­se wird die öffent­li­che Hand von eige­nen Hand­lungs­zwän­gen ent­las­tet und zugleich eine Risi­ko­be­schrän­kung erreicht. Von daher eig­net sich die pri­vat­recht­li­che Orga­ni­sa­ti­ons­form beson­ders für mis­si­ons- und auf­ga­ben­ge­trie­be­ne For­schungs­ak­ti­vi­tä- ten sowie für den Betrieb gro­ßer Forschungsinfrastrukturen.

Es wird immer wie­der kri­ti­siert, dass sich die ge- nann­ten Vor­tei­le in der Pra­xis nicht rea­li­sie­ren lassen.26 Eine „spek­ta­ku­lä­re“ Schlie­ßung einer grö­ße­ren Ein­rich- tung hat in der Tat noch nicht statt­ge­fun­den. Das liegt u.a. wohl auch dar­an, dass auf der haus­halts­recht­li­chen Gover­nan­ce-Ebe­ne vie­le Ele­men­te des öffent­li­chen Be- reichs ein­ge­führt wur­den, die eine Schlie­ßung extrem teu­er und zum Teil unmög­lich machen.27 Exem­pla­risch sei nur auf die gemein­sa­men Beru­fun­gen der lei­ten­den Wis­sen­schaft­ler mit den Uni­ver­si­tä­ten hin­ge­wie­sen. Ihre Wand­lungs- und Anpas­sungs­fä­hig­keit haben jedoch vie- le Ein­rich­tun­gen ein­drucks­voll unter Beweis gestellt.28 Die Gover­nan­ce der außer­uni­ver­si­tä­ren For­schung­sein- rich­tun­gen hat sich also bei allem Ver­bes­se­rungs­be­darf als funk­ti­ons­fä­hig und effi­zi­ent erwiesen.

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren gab es zwei wich­ti­ge Im- pul­se, die die eigen­ver­ant­wort­li­che Hand­lungs­wei­se und pri­vat­recht­lich aus­ge­stal­te­te Gover­nan­ce der außer­uni- ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen gestärkt haben: das Wis­sen­schafts­frei­heits­ge­setz, das im Rah­men der Um- set­zung des Koali­ti­ons­ver­tra­ges für die 17. Legis­la­tur­pe- riode („Wis­sen­schafts­frei­heits­in­itia­ti­ve“) am 12.12.2012 in Kraft getre­ten ist, und der Public Cor­po­ra­te Gover- nan­ce Kodex (PCGK), der in der aktu­el­len Fas­sung am 1.Juli 2009 von der Bun­des­re­gie­rung ver­ab­schie­det wurde.29

Das Wis­sen­schafts­frei­heits­ge­setz hat den außer­uni- ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen auf der Gover- nan­ce-Ebe­ne der haus­halts- und zuwen­dungs­recht­li- chen Steue­rung mehr Frei­räu­me in Personal‑, Finanz-

zwi­schen MDC und Cha­ri­té 2013. Wei­te­re Bei­spie­le, wenn­gleich mit kri­ti­schem Unter­ton, bei Hohn, Hand­buch für Wis­sen­schafts- poli­tik (Fn.6), 469 ff.

29 Vgl. Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Finan­zen, Infor­ma­ti­on zum The­ma Bun­des­ver­mö­gen, URL: http://www.bundesfinanzministerium. de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/ Pri­va­ti­sie­rungs­_un­d_­Be­tei­li­gungs­po­li­ti­k/­Grund­saet­ze_­gu­ter_Un- ter­neh­mens­fueh­run­g/­un­ter­neh­mens­fueh­rung-in-oef­fent­li­chen- unternehmen.html (22.10.2014).

ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2015), 1–10

und Bau­an­ge­le­gen­hei­ten zuge­stan­den: nach Maß­ga­be der jähr­li­chen Haus­halts­ge­set­ze sind Betriebs- und In- ves­ti­ti­ons­aus­ga­ben nun voll­stän­dig gegen­sei­tig de- ckungs­fä­hig und zuge­wie­se­ne Mit­tel kön­nen über das lau­fen­de Wirt­schafts-/Haus­halts­jahr in Anspruch ge- nom­men wer­den (Glo­bal­haus­halt). Wei­ter­hin wur­de das Bes­ser­stel­lungs­ver­bot gelo­ckert, so dass aus nicht-öf- fent­lich finan­zier­ten Dritt­mit­tel­ge­häl­ter gezahlt wer­den kön­nen, die markt­ge­recht sind. Die im Gel­tungs­be­reich des Geset­zes genann­ten For­schungs­ein­rich­tun­gen pro­fi- tie­ren außer­dem von einer Locke­rung der Vor­schrif­ten für Betei­li­gungs­vor­ha­ben und kön­nen Bau­maß­nah­men mit einer Grö­ße von 1 bis 5 Mio. € ohne Beglei­tung der staat­li­chen Bau­ver­wal­tung umset­zen, vor­aus­ge­setzt ein adäqua­tes Con­trol­ling ist gewährleistet.30

Weni­ger Beach­tung hat der PCGK gefun­den. Er stellt eine Leit­li­nie für die Unter­neh­men dar, an denen der Bund mehr­heit­lich betei­ligt ist. Nach dem Wort­laut des PCGK und nach dem erklär­ten Wil­len der Bun­des­re­gie- rung ist die­ses Nor­men­werk auch auf die außer­uni­ver­si- tären Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen anzu­wen­den, soweit sie als Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten orga­ni­siert sind.

Der PCGK stellt Leit­li­ni­en für die gute Unter­neh- mens­füh­rung auf. Er ori­en­tiert sich an ande­ren Leit­li­ni- en zur „best prac­ti­ce“, die im pri­vat­wirt­schaft­li­chen Sek- tor für Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten ent­wi­ckelt wur­den. Der Ge- stal­tungs­spiel­raum, den die jewei­li­gen gesetz­li­chen Grund­la­gen (Akti­en­ge­setz, GmbH-Gesetz etc.) ein­räu- men, wird kon­kre­ti­siert, die Rol­len­bil­der der han­deln- den Orga­ne defi­niert und ihr Zusam­men­wir­ken im Rah- men der Unter­neh­mung näher bestimmt. Im PCGK wer­den daher die Anfor­de­run­gen an das pri­vat­recht­li­che Auf­tre­ten der öffent­li­chen Hand aus­for­mu­liert, zumin- dest in Bezug auf die orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­che Aus­ge­s­tal- tung der Orga­ne von Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten. Die betrof­fe- nen Unter­neh­men sind zur regel­mä­ßi­gen Bericht­erstat- tung über die Ein­hal­tung des PCGK verpflichtet.

Die Auf­for­de­rung der Bun­des­re­gie­rung, den PCGK auch in den als Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten orga­ni­sier­ten Wis- sen­schafts­ein­rich­tun­gen umzu­set­zen, war Chan­ce und Her­aus­for­de­rung zugleich, die Gover­nan­ce die­ser Ein- rich­tun­gen zu über­prü­fen und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Bis- lang ist die­se Her­aus­for­de­rung aller­dings nur unzu­rei- chend bewäl­tigt wor­den. Wur­de der PCGK zunächst im Wis­sen­schafts­be­reich gar nicht zur Kennt­nis genom- men, ver­such­te man spä­ter, als die Ver­an­ke­rung des PCGK in den Sat­zun­gen und die Erfül­lung entsprechen-

  1. 30  Über­blick auch bei Hor­váth, Stra­te­gie, Steue­rung und Gover- nan­ce außer­uni­ver­si­tä­rer For­schungs­ein­rich­tun­gen, ZfB Son­der- aus­ga­be 1/2013, 17.
  2. 31  Z.B. Sat­zung des Helm­holtz Zen­trum Pots­dam – Deut­sches Geo-

der Berichts­pflich­ten ein­ge­for­dert wur­den, schnell die for­ma­len Anfor­de­run­gen zu erfül­len ohne jedoch eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Leit­bild des PCGK und sei­ne Anwen­dung im Wis­sen­schafts­be­reich zu wagen. Hier hat sich die bereits oben kon­sta­tier­te Ver- unsi­che­rung im Umgang mit der Pri­vat­rechts­form be- son­ders deut­lich gezeigt. Die Fol­ge war, dass rela­tiv un- dif­fe­ren­ziert die Berichts­pflich­ten des PCGK in die Sat- zun­gen eini­ger Helm­holtz Ein­rich­tun­gen auf­ge­nom­men wur­den, die kei­ne Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten, ggf. nicht ein- mal pri­vat­recht­lich orga­ni­siert sind.31 Bei ande­ren pri- vat­recht­lich orga­ni­sier­ten Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen, wie der Max-Planck-Gesell­schaft oder der Fraun­ho­fer Gesell­schaft, wur­de das The­ma dem Ver­neh­men nach über­haupt nicht diskutiert.

Die gründ­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem PCGK, in dem das Rol­len­bild öffent­lich-recht­li­cher Gesell­schaf- ter in pri­vat­recht­li­chen Gesell­schaf­ten ide­al­ty­pisch dar- gestellt wird, wäre für den Wis­sen­schafts­be­reich eine Be- rei­che­rung. Dabei könn­ten einer­seits die mög­li­chen Ge- stal­tungs­frei­hei­ten bei der Grün­dung und Steue­rung von pri­vat­recht­li­chen Ein­rich­tun­gen aus­ge­lo­tet wer­den, die von der öffent­li­chen Hand ins Leben geru­fen wer­den. Ande­rer­seits müss­ten spe­zi­fisch für Wis­sen­schaft­sein- rich­tun­gen die Gestal­tungs­an­for­de­run­gen kon­kre­ti­siert wer­den, die aus der Wis­sen­schafts­frei­heit resul­tie­ren. Sie set­zen den pri­vat­recht­li­chen Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten Gren­zen. In die­sem Dia­log ist zu kon­kre­ti­sie­ren, wie eine pri­vat­recht­li­che Gover­nan­ce-Struk­tur mit den An- for­de­run­gen an einen frei­heit­li­chen Wis­sen­schafts­be- trieb, wie er von Art. 5 III Satz 1 GG gefor­dert wird, in Ein­klang gebracht wer­den kann.

V. Zen­tra­le Ele­men­te der pri­vat­recht­li­chen Gover- nan­ce von Wissenschaftseinrichtungen

Aus der jün­ge­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas- sungs­ge­richts las­sen sich für die­se Fra­ge­stel­lung eini­ge Grund­ele­men­te ablei­ten. In dem Beschluss vom 20. Juli 2010 zum Ham­bur­gi­schen Universitätsgesetz32 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) die orga­ni­sa­ti­ons- recht­li­chen Anfor­de­run­gen aus Art. 5 III Satz 1 GG wei- ter­ent­wi­ckelt. Sie bezie­hen sich im kon­kre­ten Fall auf die direk­te gesetz­ge­be­ri­sche Gestal­tung des öffent­lich-recht- lichen Hoch­schul­be­reichs. Das Gericht gesteht der öffent­li­chen Hand eine gro­ße Gestal­tungs­frei­heit zu, die auch die pri­vat­recht­li­che Aus­ge­stal­tung von Wissen-

For­schungs­Zen­trum GFZ, Stif­tung des öffent­li­chen Rechts.
32 BVerfG, 1 BvR 748/06, Beschluss 20.7.2010; sie­he dazu auch die zustim­men­den Bespre­chun­gen von Gär­ditz, JZ 2011, 314 ff. und

von Hufen, JuS 2011, 1052, kri­tisch Sie­we­ke, DÖV 2011, 472 ff.

Blum · Gover­nan­ce pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­ter For­schungs­ein­rich­tun­gen 7

schafts­ein­rich­tun­gen umfasst. Die Bin­dung an den orga- nisa­ti­ons­recht­li­chen Gehalt von Art. 5 III Satz 1 GG als wert­ent­schei­den­der Grund­satz­norm der Ver­fas­sung besteht für die öffent­li­che Hand aber auch im pri­vat- recht­li­chen Bereich. Die wis­sen­schafts­ad­äqua­te Aus­ge- stal­tung der Gover­nan­ce muss in jedem Fall gewähr­leis- tet sein. Es kann an die­ser Stel­le nicht im Ein­zel­nen unter­sucht wer­den, in wel­cher Wei­se die für den Hoch- schul­be­reich gel­ten­den Grund­sät­ze auf pri­vat­recht­li­che Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen über­trag­bar sind und in wie weit sie den ver­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen ange- passt wer­den müs­sen. Hier sol­len abschlie­ßend nur eini- ge Ele­men­te der pri­vat­recht­li­chen Orga­ni­sa­ti­ons­form ange­spro­chen wer­den, die bei der wis­sen­schafts­ad­äqua- ten Aus­ge­stal­tung zen­tra­le Bedeu­tung haben. Ihre Aus- balan­cie­rung ist ent­schei­dend, um einer­seits die unter- neh­me­ri­sche Hand­lungs­mög­lich­keit der Orga­ni­sa­ti­on zur Gel­tung kom­men zu las­sen und ande­rer­seits die sich aus der Wis­sen­schafts­frei­heit erge­ben­den Betei­li­gungs- rech­te der Wis­sen­schaft­ler zu gewährleisten.

1. Das Exekutivorgan

Auf­ga­ben- und mis­si­ons­ge­trie­be­ne Wis­sen­schafts­or­ga- nisa­tio­nen benö­ti­gen ein ent­schei­dungs- und hand- lungs­fä­hi­ges Exe­ku­tiv­or­gan. Die­ses Organ, in der Regel ein Kol­le­gi­al­or­gan mit meh­re­ren Mit­glie­dern, hat die Funk­ti­on, die Stra­te­gie der Orga­ni­sa­ti­on aus­zu­ar­bei­ten und umzu­set­zen. Dar­an wer­den die Mit­glie­der des Exe- kutiv­or­gans gemes­sen und tra­gen für Erfol­ge und Miss- erfol­ge die Ver­ant­wor­tung. In den pri­vat­recht­li­chen Orga­ni­sa­ti­ons­for­men kön­nen die Aus­ge­stal­tung der Hand­lungs­frei­heit, das per­sön­li­che Risi­ko und die haf- tungs­recht­li­che Situa­ti­on der han­deln­den Per­so­nen maß­ge­schnei­dert für die jewei­li­ge Orga­ni­sa­ti­on aus­gear- bei­tet werden.

Aller­dings soll­ten auch inner­halb des Pri­vat­rechts die Cha­rak­te­ris­ti­ken der unter­schied­li­chen Rechts­for­men beach­tet wer­den. Nicht immer bie­tet z. B. die ein­fach zu rea­li­sie­ren­de Rechts­form des ein­ge­tra­ge­nen Ver­eins die geeig­ne­te Struk­tur für eine neue Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa- tion. Beim Ver­ein ist der Vor­stand von der Mei­nungs­bil- dung der Ver­eins­mit­glie­der abhän­gig. Sind die Inte­res- sen der Mit­glie­der nicht homo­gen oder sogar gegen­läu- fig, kann es zu läh­men­den Kon­flikt­la­gen kom­men. Es soll­te daher gut über­legt wer­den, ob die­se Rechtsform

33 Über eine akti­ve Aus­übung der Auf­sichts­funk­ti­on könn­te z.B. die oben erwähn­te zwei­te Gover­nan­ce-Ebe­ne des Haus­halts­rechts hin­fäl­lig wer­den und die immer wie­der auf­tre­ten­den Unstim­mig- kei­ten ver­mie­den werden.

für eher pro­jekt­ar­ti­ge For­schungs­vor­ha­ben, bei denen Inves­ti­ti­ons- und Zeit­plä­ne ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen, wirk­lich geeig­net sind.

2. Das Aufsichtsorgan

Einem hand­lungs­fä­hi­gen Exe­ku­tiv­or­gan soll­te immer ein qua­li­fi­zier­tes Auf­sichts­or­gan zur Sei­te gestellt wer- den. Dabei ist zu beach­ten, dass sich das Ver­ständ­nis von Auf­sicht in öffent­lich-recht­lich und pri­vat­recht­lich gepräg­ten Orga­ni­sa­tio­nen grund­le­gend unter­schei­det. Die klar defi­nier­ten Rol­len der Fach- und Rechts­auf­sicht im öffent­lich-recht­li­chen Bereich sind mit dem moder- nen Rol­len­ver­ständ­nis von Auf­sichts­rä­ten in pri­vat- recht­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen nicht kom­pa­ti­bel. Letz­te­res ist im PCGK anschau­lich beschrie­ben. Die Rol­le des Auf­sichts­gre­mi­ums erschöpft sich eben nicht in einer Kon­troll­funk­ti­on wie bei der Rechts­auf­sicht, son­dern sieht das Gre­mi­um in einer akti­ven Ver­ant­wor­tung für die Ent­wick­lung der Orga­ni­sa­ti­on, als mode­rie­ren­des und aus­glei­chen­des Ele­ment gegen­über dem im Tages- geschäft gefan­ge­nen Exe­ku­tiv­or­gan. Die Chan­cen, die sich mit die­sem Rol­len­ver­ständ­nis ver­bin­den, sind den Ver­tre­tern der öffent­li­chen Gesell­schaf­ter in den pri­vat- recht­li­chen Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen nicht immer präsent.33

Dar­über hin­aus besteht die Mög­lich­keit, über eine ent­spre­chen­de Beset­zung des Auf­sichts­gre­mi­ums auch ein Ele­ment der Mit­be­stim­mung in die Gover­nan­ce- Struk­tur ein­zu­füh­ren, indem z.B. unab­hän­gi­ge oder aus der Orga­ni­sa­ti­on benann­te Wis­sen­schaft­ler als Auf- sichts­rats­mit­glie­der die Ent­schei­dun­gen des Exe­ku­ti- vor­gans überwachen.34

3. Betei­li­gung wei­te­rer „Stake­hol­der“

Die Ein­be­zie­hung wei­te­rer Inter­es­sens­grup­pen in die Bera­tungs- und Ent­schei­dungs­pro­zes­se einer Wis­sen- schafts­ein­rich­tung, die in den Hoch­schul­ge­set­zen z.B. durch die Eta­blie­rung von Hoch­schul­rä­ten Ein­zug gefun­den hat, lässt sich in pri­vat­recht­li­cher Form sehr ein­fach durch die Kon­sti­tu­ie­rung von Bei­rä­ten oder Kura­to­ri­en errei­chen. Ob das sinn­voll ist und sol­che Gre­mi­en einen Bei­trag zur effek­ti­ven und effi­zi­en­te Ver- fol­gung der Mis­si­on leis­ten, muss im jewei­li­gen Ein­zel- fall ent­schie­den wer­den. Die Qua­li­täts­si­che­rung kann ggf. auch durch exter­ne Eva­lu­ie­run­gen erfolgen.

34 Von die­ser Mög­lich­keit wird in vie­len Wis­sen­schafts­ein­rich­tun- gen bereits Gebrauch gemacht.

ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2015), 1–10

4. Betei­li­gung der betrof­fe­nen Wis­sen­schaft­ler und Gewähr­leis­tung der Wissenschaftsfreiheit

Die zen­tra­le Fra­ge bei der pri­vat­recht­li­chen Orga­ni­sa­ti- on ist, wie weit betrof­fe­ne Wis­sen­schaft­ler in die Ent- schei­dungs­pro­zes­se ein­be­zo­gen wer­den müs­sen und was wis­sen­schaft­li­cher Selbst­ver­wal­tung in die­sem Kon­text sowohl in mate­ri­el­ler als auch pro­zes­sua­ler Hin­sicht bedeu­tet. Nach den Aus­füh­run­gen des BVerfG im Beschluss zum Ham­bur­gi­schen Uni­ver­si­täts­ge­setz ist ent­schei­dend, dass ein „hin­rei­chen­des Niveau der Par­ti- zipa­ti­on der Grundrechtsträger“35 gewähr­leis­tet ist. Ein star­kes und ent­schei­dungs­be­fug­tes Lei­tungs­or­gan ist nicht von vor­ne­her­ein durch die Wis­sen­schafts­frei­heit aus­ge­schlos­sen. „Je stär­ker jedoch der Gesetz­ge­ber das Lei­tungs­or­gan mit Kom­pe­ten­zen aus­stat­tet, des­to stär- ker muss er im Gegen­zug die direk­ten oder indi­rek­ten Mitwirkungs‑, Einfluss‑, Infor­ma­ti­ons- und Kon­troll- rech­te der Kol­le­gi­al­or­ga­ne aus­ge­stal­ten, damit Gefah­ren für die Frei­heit von Leh­re und For­schung ver­mie­den werden“.36 Es darf nach den Wor­ten des BVerfG nicht zu einer struk­tu­rel­len Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei- heit37 kommen.

Eine im Sin­ne der Wis­sen­schafts­frei­heit aus­ba­lan- cier­te Gover­nan­ce ver­langt also nicht eine Betei­li­gung von Wis­sen­schaft­lern an allen Ent­schei­dun­gen, schon gar nicht eine mehr­heit­li­che Beset­zung aller Entsch­ei- dungs­or­ga­ne durch Wis­sen­schaft­ler. Viel­mehr muss ein aus­ge­wo­ge­nes Gesamtgefüge38 bestehen, das struk­tu­rell die Wis­sen­schafts­frei­heit schützt. Um dies im Ein­zel­fall zu beur­tei­len, müs­sen zutref­fen­der Wei­se die Entsch­ei- dungs­be­fug­nis­se und ‑pro­zes­se genau ana­ly­siert wer­den. Zwi­schen der Ent­schei­dung selbst, der Mit­be­stim­mung oder Mit­wir­kung bei dem Ent­schei­dungs­fin­dungs­pro- zess und der Beglei­tung der Ent­schei­dungs­um­set­zung soll­te dif­fe­ren­ziert werden.39 So dürf­te es bei­spiels­wei­se unter dem Gesichts­punkt der Wis­sen­schafts­frei­heit nicht zu bean­stan­den sein, dass in der Helm­holtz-Ge- mein­schaft die letz­te Ent­schei­dung über die For­schungs- pro­gram­me einem eher poli­tisch besetz­ten Gre­mi­um zusteht, solan­ge gewähr­leis­tet ist, dass der Pro­zess der Auf­stel­lung und Eva­lu­ie­rung der Pro­gram­me in der Hand der Wis­sen­schaft liegt. Bei der Gestal­tung der in- ter­nen Gover­nan­ce gibt es durch­aus ver­schie­de­ne Opti- onen, eine ange­mes­se­ne struk­tu­rel­le Betei­li­gung der

  1. 35  BVerfG, aaO. (Fn. 32), amt­li­cher Leit­satz und Rz 92.
  2. 36  BVerfG, aaO. (Fn. 32), Rz 95.
  3. 37  Vgl. BVerfG, aaO. (Fn. 32), Rz 90; sie­he auch BVerfG, 26.10.2004,1 BvR 911/00, BVerfGE 111, 333 (335).
  4. 38  Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt stellt in sei­nem Beschluss zum­Ham­bur­gi­schen Hoch­schul­ge­setz auf das „hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri-

Wis­sen­schaft zu gewähr­leis­ten, ohne die Ent­schei­dungs- befug­nis­se und Ver­ant­wort­lich­kei­ten des Exe­ku­ti- vor­gans zu stark einzuschränken.40 In for­ma­ler Hin­sicht muss nicht jeder Ent­schei­dungs­pro­zess auf der Ebe­ne der Sat­zung oder des Gesell­schafts­ver­trags fest­ge­schrie- ben, son­dern kann auch in Geschäfts­ord­nun­gen ver­an- kert sein.

Auch inhalt­lich müs­sen die Betei­li­gungs­er­for­der­nis- se der Wis­sen­schaft kon­kre­ti­siert wer­den. Nicht jede Ent­schei­dung, die ein Exe­ku­tiv­or­gan tref­fen muss, tan- giert die Frei­heit der wis­sen­schaft­li­chen Arbeit. Für die Kern­be­rei­che der Wis­sen­schafts­frei­heit muss dage­gen die Par­ti­zi­pa­ti­on der Wis­sen­schaft sicher­ge­stellt sein. Als sol­che kön­nen ins­be­son­de­re bezeich­net werden:

• Die Fest­le­gung der For­schungs­in­hal­te, der wis­sen- schaft­li­chen Vor­ge­hens­wei­se und der ange­wand­ten Metho­den
• Die Ent­schei­dung über die Ver­öf­fent­li­chung und Wei­ter­ga­be von Forschungsergebnissen

• Die Beur­tei­lung (Eva­lua­ti­on) von wis­sen­schaft­li- chen Leis­tun­gen – auch und ins­be­son­de­re, wenn die Beur­tei­lung als Grund­la­ge für Mit­tel­zu­wei­sun­gen dient.

• Die Aus­wahl der wis­sen­schaft­li­chen Füh­rungs­kräf- te (Beru­fungs­ver­fah­ren, Fach­be­reichs­lei­tun­gen etc.) • Die Aus­wahl und Aus­ge­stal­tung der Zusam­men­ar- beit mit wis­sen­schaft­li­chen Kooperationspartnern

• Die wis­sen­schafts­ad­äqua­te Aus­ge­stal­tung von Anreiz– und Beloh­nungs­sys­te­men
• Die Ver­tei­lung und Zuwei­sung von For­schungs­mit- teln (Par­ti­zi­pa­ti­on in Form von Betei­li­gungs- und Kontrollrechten)

VI. Fazit

Die Pri­vat­rechts­form bie­tet eine Viel­zahl von Ges­tal- tungs­mög­lich­kei­ten für Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen. Es eröff­nen sich neue Per­spek­ti­ven für Koope­ra­tio­nen und Ver­bün­de auf natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne. Ins­be­son­de­re kön­nen dem jewei­li­gen Ein­rich­tungs- zweck ange­pass­te Gover­nan­ce-Struk­tu­ren ent­wi­ckelt wer­den. Aller­dings müs­sen die Gren­zen kon­kre­ti­siert wer­den, die sich in orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­sicht aus der Wis­sen­schafts­frei­heit erge­ben. Es bleibt zu wünschen,

sche Gesamt­ge­fü­ge“ ab (vgl. BVerG, aaO. (Fn. 32), Rz 129).
39 So auch Zech­lin, Was ist gute Hoch­schul­go­ver­nan­ce?, Forschung

& Leh­re, Aus­ga­be 7/14, 550.
40 Vgl. Puch­ta, aaO. (Fn. 6), 109 ff, zur Ein­rich­tung eines „Stra­tegy

Board“ 118; Blum, aaO. (Fn. 22), 22 ff.

Blum · Gover­nan­ce pri­vat­recht­lich orga­ni­sier­ter For­schungs­ein­rich­tun­gen 9

dass sich Leh­re und Pra­xis des Wis­sen­schafts­rechts die– Der Autor ist Kauf­män­ni­scher Geschäfts­füh­rer des

ser Fra­gen anneh­men. Die Ergeb­nis­se wür­den dem deut­schen Wis­sen­schafts­sys­tem ins­ge­samt zugu­te­kom- men und es in sei­ner Diver­si­tät stärken.

Helm­holtz Zen­trums München.

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