Übersicht
I. Einleitung
II. Pauschalisierende Darstellungen in der Forschungsliteratur
III. Das deutsche akademische System im Vergleich
IV. Aspekte ausländischer Systeme
V. Fazit
In der Fachliteratur im Bereich Hochschul- und Wissenschaftsforschung, in Universitätsverwaltungen sowie in akademischen Lebensläufen gibt es eine Tendenz, deutsche akademische Funktions‑, Amts- und Besoldungsbezeichnungen pauschal auf die anglo-amerikanischen academic ranks abzubilden. Insbesondere der deutsche Dreisatz W1-/W2-/W3-Professor/in wird dabei oft eins zu eins als Assistant, Associate und Full Professor übersetzt. Es scheint auch gut zu passen: Beide Systeme haben eine drei-Stufen-Hierarchie und die englischen Bezeichnungen scheinen sowohl für die internationale Darstellung als auch als Kategoriensystem in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung gut brauchbar. Dieser Artikel kritisiert diese Abbildungspraxis dahingehend, dass sie sowohl das deutsche als auch ausländische akademische Systeme stark verzerrt repräsentiert und wesentliche Aspekte dieser Systeme ausblendet. Es wird gezeigt, dass die Abbildung des deutschen Dreisatzes auf die anglo-amerikanischen academic ranks sowohl als wissenschaftliches Kategoriensystem als auch als Grundlage für informelle Übersetzungen akademischer Positionen ungeeignet ist.
I. Einleitung
Auf den ersten Blick scheint die Übersetzung des deutschen Dreisatzes W1-/W2-/W3-Professor/in als Assistant, Associate und Full Professor gut zu passen: Sie scheint sowohl eine praktische Übersetzung deutscher Funktionsbezeichnungen für die internationale Darstellung von Personen und Institutionen als auch ein gutes Kategoriensystem für die Hochschul- und Wissenschaftsforschung zu liefern. Der Schein trügt allerdings und eine solche pauschale Abbildung deutscher Professorenämter ist aus mehreren Gründen problematisch.
Erstens wird die Vielzahl von nicht-professoralen Funktionen und Ämtern (akademische/r (Ober)rat/rätin, Hochschuldozent/in, Privatdozent/in usw.) bei einer solchen Abbildung oft undifferenziert in die Kategorie „übrige“ (d. h. wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in) einsortiert. Zweitens sind ‚W1‘, ‚W2‘ und ‚W3‘ lediglich Bezeichnungen von Besoldungsgruppen in den Besoldungsgesetzen bzw. ‑ordnungen der Länder und des Bundes, und keine Amts- oder Funktionsbezeichnungen oder gar academic ranks. Die gesetzlich geltenden Amtsbezeichnungen sind ‚Juniorprofessor‘ (formal: ‚Professor als Juniorprofessor‘), ‚Professor an einer Fachhochschule‘, ‚Professor an einer Kunsthochschule‘, ‚Universitätsprofessor‘ usw.1 Zwischen Amt und Besoldungsgruppe besteht dementsprechend ein grundlegender Unterschied, wobei Professor/innen in „Personalunion“ sowohl ein Amt als auch eine Stelle in einer bestimmten Besoldungsgruppe innehaben.2 Drittens ist der Vergleich wissenschaftlich problematisch, weil er das Forschungssubjekt viel zu stark vereinfacht und verzerrt repräsentiert. Wesentlich für gute Forschung ist der Gebrauch von Kategorien, die das Forschungssubjekt angemessen repräsentieren: Die verwendeten Kategorien sollen die erforschten Phänomene zwar so vereinfacht repräsentieren, dass sie verallgemeinert beschrieben und verstanden werden können, aber nicht so weit vereinfachen, dass wichtige Unterschiede unsichtbar werden. Letzteres ist hier allerdings der Fall.
In diesem Artikel möchte ich den oben genannten zweiten und dritten Punkt vertiefen und dafür plädieren, das deutsche System für sich sprechen zu lassen, statt zu
Thomas A. C. Reydon
Zur Unvergleichbarkeit akademischer Systeme
- Ich danke Herrn Dr. Simon Lohse sowie dem Gutachtergremium von Ordnung der Wissenschaft für hilfreiche Kommentare zu einer früheren Fassung dieses Artikels.
1 Siehe Bundesbesoldung W (Professorenbesoldungsreformgesetz, Art. 1 § 14, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 11, 22. Februar 2002); Wissenschaftsrat, Empfehlungen zu Karrierezielen und ‑wegen an Universitäten (Drs. 4009–14), Dresden: Wissenschaftsrat, 2014, Tabelle 25, S. 148.
2 Juristisch ist die Sache allerdings noch etwas komplizierter. Siehe dazu weiter unten in Abschnitt III. In den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Verbesserung von akademischen Karrierewegen ist die Trennung von Amt und Stelle auch deutlich sichtbar. Teil der Empfehlungen ist z. B. die Umwidmung vorhandener Stellen in Professuren (Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 14), was nur bei einer entsprechenden Trennung zwischen „Stellenhülsen“, Besoldungsgruppen und Ämtern möglich ist.
Ordnung der Wissenschaft 2021, ISSN 2197–9197
3 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
3 Weitere Beispiele sind einfach zu finden – siehe z. B.: K. Janson,
H. Schomburg & U. Teichler, Wissenschaftliche Wege zur Professur
oder ins Abseits? Strukturinformationen zu Arbeitsmarkt und
Beschäftigung an Hochschulen in Deutschland und den USA,
Kassel: Internationales Zentrum für Hochschulforschung Kassel,
2006, S. 24; E. Berkhout, J. van Leuven, W. Salverda & K. Tijdens,
Beloning van Wetenschappelijk Personeel in Internationaal Perspectief,
Amsterdam: SEO Economisch Onderzoek, 2015, S. 4ff.;
M. Lutter & M. Schröder, Who becomes a tenured professor, and
why? Panel data evidence from German sociology, 1980–2013,
Research Policy 45, 2016, 999‑1013; R. Schürmann, Zwischen
Pluralisierung und Selektion: Die Promotionsphase im Ländervergleich
USA, Frankreich, Deutschland, in: S. Metz-Göckel, R.
Schürmann, K. Heusgen & P. Selent (Hg.), Faszination Wissenschaft
und passagere Beschäftigung: Eine Untersuchung zum
Drop-Out aus der Universität, Opladen: Verlag Barbara Budrich,
2016, 257–290, S. 279; W. Ooms, C. Werker & C. Hopp, Moving up
the ladder: Heterogeneity influencing academic careers through
research orientation, gender, and mentors, Studies in Higher
Education 44, 2019, 1268–1289, S. 1270.
4 R. Kreckel, Karrieremodelle an Universitäten im internationalen
Vergleich Akademie Aktuell 03–2015, 2015, 36–40, S. 37–38; R.
Kreckel, Zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten:
Deutschland im Vergleich mit Frankreich, England, den
USA und Österreich, Beiträge zur Hochschulforschung 38, 2016,
12–40, S. 18.
5 Z. Drozdowicz, Higher Education Institutions in the Process of
Transformation and Modernization: Global and Local Issues,
Zürich: LIT Verlag, 2018, S. 108.
6 B.M. Kehm, Entering academia: Realities for new faculty in
German higher education, in: M. Yudkevich, P.G. Altbach &
L.E. Rumbley (Hg.), Young Faculty in the Twenty-First Century:
International Perspectives, Albany: State University of New York
Press, 2015, 111–139, S. 120; B.M. Kehm, Germany: Unpredictable
career progression but security at the top, in: M.J. Finkelstein &
G.A. Jones (Hg.), Professorial Pathways: Academic Careers in a
Global Perspective, Baltimore: Johns Hopkins University Press,
2019, 21–42, S. 30.
versuchen, es durch eine übervereinfachte und forcierte
Abbildung auf ein völlig andersgeartetes System zu
übersetzen.
II. Pauschalisierende Darstellungen in der Forschungsliteratur
Eine kurze Sichtung neuerer Veröffentlichungen in der
Hochschul- und Wissenschaftsforschung zeigt, dass ausgerechnet
hier manchmal die notwendige Subtilität fehlt
und Autor/innen zu Pauschalisierungen neigen, die die
tatsächliche Situation schlecht widerspiegeln. Ich gebe
hier einige Beispiele um deutlich zu machen, worin die
Problematik besteht.3
In Beiträgen aus 2015 und 2016 erkennt Kreckel die
Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern zwar
an, aber behauptet, dass „[d]ie Hochschullehrerpositionen
am oberen Ende der universitären Laufbahn […] überall
sehr ähnlich strukturiert und deshalb gut vergleichbar“
sind, sodass diese als „archimedischer Punkt“ für die
vergleichende Betrachtung verschiedener Systeme dienen
können.4 Kreckel behauptet, dass in allen Systemen
der Lehrstuhl oder Chair an der Spitze der Hierarchie
steht. Dem Chair dem Rang nach untergeordnet sind die
Senior Lecturer, Reader, Associate Professor sowie W2-
Professuren, so Kreckel. In einer ähnlichen Weise behauptet
Drozdowicz, dass in Deutschland überall die
Funktion des Institutsdirektors oder geschäftsführenden
Leiters durch eine/n W3-Professor/in erfüllt wird und
die W1- und W2-Professuren als Hilfspersonal („socalled
auxiliary academic staff“) der W3-Professur hierarchisch
untergeordnet sind.5 Und Kehm behauptet in
neueren Arbeiten explizit, dass die deutsche Juniorprofessur
mit einer Assistant Professorship, die W2-Professur
mit einer Associate Professorship und die W3-Professur
mit einer Full Professorship und „chair holder“ vergleichbar
wären. Dabei geht Kehm sogar so weit zu behaupten,
dass die W2-Professur die funktionale Äquivalente der
Associate Professorship wäre.6
Diese Beispiele enthalten mehrere problematische
Behauptungen, die ich zunächst nur hervorhebe und
dann in den nächsten Abschnitten dieses Aufsatzes weiter
vertiefen werde. So ist Kreckels Behauptung, dass an
der Spitze der Hierarchie überall der Lehrstuhl oder
Chair steht, faktisch unrichtig. In den USA, z. B., haben
die meisten Full Professors keinen Chair inne und können
umgekehrt Associate Professors und sogar Assistant
Professors einen Chair innehaben. Und auch in Deutschland
haben sehr viele W3-Professor/innen keinen Lehrstuhl
inne. Darüber hinaus ist die Suggestion, dass es
sich beim Unterschied zwischen W2- und W3-Professuren
um eine Rangabstufung handeln würde, problematisch,
weil sie sich nicht mit der Tatsache verträgt, dass es
an deutschen Universitäten (mit sehr wenigen Ausnahmen)
keine Professorenlaufbahn gibt, die in gut definierten
Beförderungsschritten von einem niedrigen Rang
über Zwischenränge zum höchsten akademischen Rang
führen würde. Ein solches Beförderungssystem, in dem
Personen auf der Basis von Leistung und Erfahrung zu
einer höheren Position bei dem gleichen Arbeitgeber
aufsteigen, ist allerdings eine Voraussetzung für die Existenz
von Rängen. Ein solcher Aufstieg ist z. B. im USAmerikanischen
System explizit vorgesehen, in Deutschland
allerdings fast überall explizit ausgeschlossen.
Weiterhin ist die von Kehm behauptete funktionale
Äquivalenz nicht gegeben. Wenn W2-Professor/innen
ihrer Funktion nach mit Associate Professors äquivalent
sein sollen, ist die Frage, welches System dabei überhaupt
als Referenzsystem genommen ist. Es gibt Assistant,
Associate und Full Professors in den USA, aber es
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 3 5
gibt sie auch in Großbritannien, in Australien, in Kanada,
in den Niederlanden, in Dänemark, und in vielen anderen
Ländern. Und der Dreisatz bezeichnet sehr unterschiedliche
Stellenarten in den verschiedenen Systemen,
wobei es oft innerhalb eines Systems noch Unterschiede
zwischen einzelnen Universitäten gibt. Auch wird nirgends
erwähnt, in welchen Aspekten eine Ähnlichkeit
zwischen dem Dreisatz W1-/W2-/W3-Professur und
dem Dreisatz Assistant-Associate-Full Professor bestünde
und in welchen Aspekten die Ebenen nicht vergleichbar
wären. Es bleibt außerdem unklar, worin die angebliche
funktionale Äquivalenz zwischen W2-Professuren und
Associate Professorships, von der Kehm spricht, bestehen
soll. Was ist denn eigentlich die Funktion von deutschen
W2-Professor/innen im Unterschied zu der Funktion aller
W3-Professor/innen? Haben denn überhaupt alle
W2-Professor/innen deutschlandweit die gleiche Funktion
und ist diese deutlich von der Funktion von W3-
Professuren abgetrennt? (Die Antwort ist: nein.) Was ist
eigentlich die Funktion aller Associate Professors in den
USA und wie ist diese von der Funktion aller Full Professors
abgegrenzt? Gibt es dort überhaupt einen funktionalen
Unterschied? (Die Antwort ist wieder: nein.) Und
was ist überhaupt die Begründung von Kehms Behauptung
einer funktionalen Äquivalenz zwischen W2-Professuren
und Associate Professors – wo sind denn die empirischen
Belege?
Der niederländische Bericht von Berkhout et al. ist
ein eklatantes Beispiel solcher pauschalisierenden Aussagen,
die das komplizierte deutsche System zu stark vereinfacht
und z. T. fehlerhaft darstellen.7 So behaupten die
Autoren fälschlicherweise, dass der normale Karrierepfad
die Beförderung vom W1-Juniorprofessor zum
W2-Professor beinhaltet.8 Auch behaupten sie, dass die
Amtsbezeichnung auf der W2-Stufe ‚außerordentlicher
Professor‘ und die auf der W3-Stufe ‘ordentlicher Professor‘
ist, obwohl diese Amtsbezeichnungen schon seit der
Novellierung des Hochschulrahmengesetzes in 1976 keine
rechtliche Bedeutung mehr haben (mit Bayern als
Ausnahme) und sowohl de jure als auch de facto nicht
mehr existieren.9 Darüber hinaus waren außerordentliche
Professuren den ordentlichen Professuren nie akademisch
untergeordnet. Außerordentliche Professuren waren
zwar oft den (von ordentlichen Professor/innen besetzten)
Lehrstühlen zugeordnet, hatten meist selbst keine
Lehrstühle inne (obwohl schon seit den 1930er Jahren
vielerorts außerordentliche Lehrstühle eingerichtet wurden,
deren Inhaber als Extraordinarius ihren Lehrstuhl
innehatten) und hatten korporationsrechtlich etwas weniger
Gestaltungsmacht in der Universität als die ordentlichen
Professuren. Aber sie standen in akademischer
Hinsicht neben den ordentlichen Professuren als Professuren
mit dem gleichen akademischen Status. (Die ordentliche
Professur hatte zwar organisatorisch das Sagen
in der Lehrstuhlgruppe oder im Institut, hatte akademisch
allerdings keinen höheren Rang als die außerordentliche
Professur.)
Solchen pauschalen Abbildungen gegenüber stehen
Autoren, die anerkennen, dass es keinen hierarchischen
oder funktionalen Unterschied zwischen W2- und W3-
Professuren gibt und ‚W2‘ und ‚W3‘ lediglich Besoldungsgruppen
bezeichnen.10 Manche Autor/innen setzen
dabei sowohl die W2- als auch die W3-Professur mit
der Full Professorship im anglo-amerikanischen System
gleich. Diese Beispiele sind insofern der tatsächlichen Situation
besser angemessen als die oben kritisierten Beispiele,
als sie den akademischen Status explizit von der
Besoldungsgruppe trennen.11
In den folgenden Abschnitten werde ich meine Kritik
vertiefen, indem ich erst das deutsche System und dann
einige ausländische Systeme näher beleuchte.
III. Das deutsche akademische System im Vergleich
Schon bei einer sehr kurzen Google-Suche nach englischsprachigen
Anzeigen für in Deutschland ausgeschriebene
Professuren ist eine überraschend große
Diversität zu finden.12 Es gibt Ausschreibungen für Assis-
7 Berkhout et al. (Fn. 3).
8 Berkhout et al. (Fn. 3), S. 5.
9 Dazu: U. Karpen, Akademische Grade, Titel, Würden, in: C. Flämig,
V. Grellert, O. Kimminich, E.-J. Meusel, H.H. Rupp, D. Scheven,
H.J. Schuster & F. Graf Stenbock-Fermor (Hg.): Handbuch
des Wissenschaftsrechts, Band 1, Berlin: Springer-Verlag, 1982,
854–875, S. 865; R. Richter, Studium und Lehre der Wirtschaftswissenschaften:
Westdeutschland nach 1945, Tübingen: Mohr Siebeck,
2018, S. vii; F. Becker, Akademisches Personalmanagement,
Band 1: Grundlagen des Personalmanagements an Hochschulen,
Münster & New York: Waxmann, 2019, S. 114.
10 O. Hüther & G. Krücken, Higher Education in Germany – Recent
Developments in an International Perspective, Cham: Springer,
2018, S. xii, 196; A. Gstöttner, Hochschulkarrieren in Deutschland
und Skandinavien: Eine qualitative Untersuchung der
Erziehungswissenschaft unter Genderperspektive, Wiesbaden:
Springer VS, 2014: 49; S.A. Alawi, R. Luketina, N. Krezdorn, L.F.
Busch, A. Limbourg, L. Branski, P.M. Vogt & A. Jokuszies, How to
become a medical professor – a comparative analysis of academic
requirements in Germany and the United States, Innovative
Surgical Sciences 4, 2019, 108–115, S. 110, 113.
11 Außerdem muss hervorgehoben werden, dass die Besoldungsgruppe
W2 auch für Hochschuldozenturen ohne Professorentitel
gilt (Gstöttner, S. 49) und dementsprechend als solche überhaupt
keine akademische Statusebene definieren kann. Auch Forschungsgruppenleiter/
innen in Max-Planck-Instituten werden
nach W2 bezahlt ohne eine Professur innezuhaben.
12 Der Kürze wegen werden hier keine Fundstellen der Stellenanzeigen
angegeben. Alle erwähnten Anzeigen sind jedoch beim Autor
dieses Aufsatzes verfügbar.
3 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
tant Professors in der Besoldungsgruppe W1, Associate
Professors in der Besoldungsgruppe W2 sowie Full Professors
in der Besoldungsgruppe W3, welche die hier kritisierte
Abbildungspraxis zu bestätigen scheinen. Aber
auch Ausschreibungen für Full Professors in der Besoldungsgruppe
W2 sowie Full Professors, die abhängig von
der bisherigen Erfahrung und Leistung in der Besoldungsgruppe
W2 oder W3 eingestellt werden können,
sind in einer großen Anzahl zu finden. Vereinzelt findet
man sogar Ausschreibungen für Associate Professors in
der Besoldungsgruppe W1 und Assistant Professors in
der Besoldungsgruppe W2. Diese Praxis ist nur verständlich
wenn ein deutlicher Unterschied zwischen den
Ämtern (Juniorprofessor/in, Professor/in an einer Fachhochschule,
Universitätsprofessor/in usw.) und den
Planstellen (der Besoldungsgruppen W1, W2 und W3)
gemacht wird.
Auffällig ist weiterhin, dass Erfahrung und Leistung
in Deutschland nicht immer maßgeblich sind für die Besoldungsstufe
(sodass nicht gesagt werden kann, dass
W3-Professuren generell eine höhere Seniorität haben
als W2-Professuren). So hat die Universität Freiburg 2020
eine Full Professorship (W3) for Epistemology and Theory
of Science ausgeschrieben und dabei spezifiziert, dass
„This professorship is particularly suitable for highly
qualified early career researchers.“ Eine Full Professorship
im anglo-amerikanischen Sinne wäre jedoch niemals
für Nachwuchswissenschaftler/innen geeignet –
eine Full Professorship erreicht man in diesem System
frühestens mid-career und ausschließlich auf der Basis
langjähriger Erfahrung sowie Leistungen in Lehre und
Forschung. In den USA fängt man meistens unmittelbar
nach der Promotion als Assistant Professor in einem
Laufbahnsystem (dem tenure track oder tenure stream)
an. Nach mehreren Jahren (typischerweise sechs Jahren,
manchmal früher) kann man mit einem umfangreichen
Dossier aller Lehr‑, Forschungs- und Selbstverwaltungstätigkeiten
tenure beantragen („going up for tenure“), die
eine feste Anstellung mit einer Beförderung zum Associate
Professor beinhaltet. Danach kann man nach einer
weiteren Wartezeit von mehreren Jahren den gleichen
Prozess noch einmal durchmachen („going up for full“)
um zum Full Professor befördert zu werden.
Während also W3-Professuren in einigen Fällen als
Einstiegsprofessuren für Nachwuchswissenschaftler/innen
konzipiert sind, ist umgekehrt die Juniorprofessur
nicht mit dem Assistant Professor vergleichbar. Während
im Regelfall die Stelle als Assistant Professor unmittelbar
nach der Promotion folgt, wird von angehenden Juniorprofessoren
oft eine mehrjährige Lehr- und Forschungserfahrung
erwartet. So schrieb die Universität Hamburg
Anfang 2020 eine Juniorprofessur (W1) für Infektionsbiologie
aus. Im Ausschreibungstext ist zu lesen: „Von
den Bewerberinnen und Bewerbern werden internationale
wissenschaftliche Erfahrungen sowie Erfahrungen
in der Einwerbung und Durchführung von Drittmittelprojekten
erwartet.“ Die Universität Magdeburg schrieb
Anfang 2020 eine Juniorprofessur (W1) für Entzündung
und Immunmetabolismus aus und spezifizierte im Ausschreibungstext,
dass „der Abschluss der Promotion […]
nicht länger als 5 Jahre und nicht weniger als 2 Jahre zurückliegen“
solle. Auch wird spezifiziert: „Der/Die erfolgreiche
Bewerber/-in sollte exzellente Publikationen
im Forschungsfeld vorweisen und bereits erfolgreich
kompetitive Fördermittel eingeworben haben. Er/Sie
sollte mindestens 2 Jahre Postdoktorandenerfahrung in
einem internationalen bzw. kompetitiven nationalen Labor
vorweisen können“. Und die Universität Trier spezifizierte
Anfang 2020 in einer Ausschreibung einer Juniorprofessur
(W1) für allgemeine und angewandte Phonetik:
„Über den durch die Dissertation gesetzten Schwerpunkt
hinaus muss die Beschäftigung mit einem weiteren
Bereich der angewandten Phonetik wie beispielsweise
Soziophonetik oder kontrastive Phonetik z.B. durch Publikationen,
Projekte oder Projektanträge nachgewiesen
werden.“ In allen drei Fällen werden Erfahrungen und
Leistungen erwartet, die deutlich über die einer Promotion
hinausgehen und eine mehrjährige Tätigkeit auf einer
Postdoktorandenstelle erfordern.
Der Logik der hier kritisierten Abbildungspraxis folgend,
müsste der Status des Associate Professors mit dem
Status des Privatdozenten sowie dem Status des erfolgreich
zwischenevaluierten Juniorprofessors übereinstimmen.
Der Schritt vom Assistant zum Associate Professor
beinhaltet ja eine Evaluation, die feststellen soll, ob
man „das Zeug zum Professor“ hat. Aber wenn die Juniorprofessur
pre-Evaluation nicht mit dem Assistant Professor
vergleichbar ist, kann die Juniorprofessur post-
Evaluation auch nicht mit dem Associate Professor verglichen
werden. Außerdem erhalten erfolgreich zwischenevaluierte
Juniorprofessoren/innen in den meisten Fällen
keine feste Stelle – dies im Gegensatz zu Associate
Professors.
Tenure track-Systeme sind leider in Deutschland
noch immer die Ausnahme und dort wo es sie gibt, folgen
sie meistens nicht einem linearen Beförderungspfad
W1-W2-W3. Wenn Juniorprofessuren mit tenure track
ausgeschrieben werden, erfolgt das tenure manchmal auf
eine W2-Professur, manchmal auch auf eine W3-Professur.
Und wenn das tenure auf eine W2-Professur erfolgt,
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 3 7
gibt es danach grundsätzlich keinen weiteren Beförderungsschritt
auf einer W3-Professur mehr: Der Schritt
zu einer W3-Professur muss im Regelfall über den Weg
der Wegbewerbung und Bleibeverhandlungen erlangt
werden, sodass die Erlangung einer W3-Professur nicht
nur von der persönlichen Erfahrung und Leistung abhängig
ist (wie dies im anglo-amerikanischen System explizit
der Fall ist) sondern auch von der zufälligen Lage
auf dem akademischen Arbeitsmarkt. Wissenschaftler/
innen in Fächern, in denen sehr wenig W3-Professuren
ausgeschrieben werden, haben dadurch oft einen systematischen
Karrierenachteil im Vergleich zu Wissenschaftler/
innen in Fächern mit vielen verfügbaren
W3-Professuren.
Vorreiterin bei der Einrichtung eines tenure track-
Systems ist in Deutschland die TU München. Das dort
eingeführte Modell umfasst – genau wie das anglo-amerikanische
Vorbild – den Dreisatz Assistant-Associate-
Full Professor und sieht nach sechs Jahren eine leistungsbasierte
Beförderung von der Assistant Professorship auf
eine Associate Professorship vor, die nach weiteren sechs
Jahren bei ausreichender Leistung zu einer Beförderung
zum Full Professor führen kann.13 Dabei gilt ein „up or
out“-Modell: Bei ausreichender Leistung wird man befördert,
bei nicht ausreichender Leistung muss man gehen.
Die TU München selbst spricht von „einem gestuften
leistungskontrollierten Karrieresystem“, in dem allerdings
Assistant Professors in die Besoldungsgruppe W2
und die Associate und Full Professors beide in die Besoldungsgruppe
W3 eingestuft werden.14
Das „Potsdamer Modell“ implementiert den Dreisatz
W1-W2-W3 auch als eine gestufte Laufbahn.15 Dabei gilt
ein „up or out“-Modell für die Evaluation und ggf. Beförderung
vom W1-Professor zum W2-Professor, aber nicht
für den Schritt vom W2-Professor zum W3-Professor.16
Für den Kontext dieses Aufsatzes ist die folgende Anmerkung
zum Potsdamer Modell interessant:
„Für den Wechsel von W2 nach W3 ohne externen Ruf ist
eine Änderung des brandenburgischen Hochschulgesetzes
notwendig. Eine entsprechende Änderung wurde
beantragt, stößt bei der Landesverwaltung aber auf
grundsätzliche Bedenken, weil die Professur nicht als
Laufbahnamt angesehen wird. Bis zur gewünschten Neuregelung
planen wir das Modell über eine Hilfskonstruktion
umzusetzen, in der die W2-Phase ersetzt wird durch
eine Phase, in der der Stelleninhaber eine W3-Stelle erhält,
die nach W3-Basisgehalt ohne Zulagen besoldet ist
und sich in ihrer Personal- und Sachausstattung an einer
W2-Stelle orientiert.“17
Diese Anmerkung zeigt besonders deutlich, dass die
deutsche Professur im Gegensatz zur anglo-amerikanischen
Professorship explizit nicht als Laufbahnamt konzipiert
ist. Dementsprechend können Bezeichnungen
wie ‚Juniorprofessor‘, ‚Universitätsprofessor‘, ‚W2-Professor‘
usw. im allgemeinen nicht als akademische Ränge
oder Dienstgrade aufgefasst werden. Ränge bzw. Dienstgrade
setzen ein Karrieresystem voraus, das Beförderungen
zu höheren Rängen/Dienstgraden auf der Basis von
klar definierten Leistungen oder Erfahrung vorsieht.
Nur die in Deutschland bereits etablierten tenure track-
Systeme sind solche Karrieresysteme. Außerdem zeigt
die im Zitat genannte „Hilfskonstruktion“, dass Karrierestufe
und Planstelle/Besoldungsgruppe nicht notwendigerweise
zusammengehen: behelfsmäßig kann eine
„nackte“ W3-Stelle als W2-Stelle hinhalten.
Der Wissenschaftsrat hat 2014 Empfehlungen veröffentlicht,
in denen die breite Einführung eines „echten“
tenure track-Systems in Deutschland (im Unterschied zu
lediglich Ausnahmen vom Hausberufungsverbot) empfohlen
wird.18 Auch in diesen Empfehlungen ist eine
deutliche Trennung zwischen akademischem Status und
Besoldungsstufe sichtbar. Der Wissenschaftsrat empfiehlt
ein vierstufiges Karrieresystem bestehend aus einer
Promotionsphase, einer Postdoc-Phase, einer Phase der
befristeten tenure-track Professur (vergütet nach W1
oder W2) und letztlich einer Phase der unbefristeten
Professur (vergütet nach W2 oder W3).19 Die Vergütungsstufen
sind dabei innerhalb der Karrierestufen
nicht mit Unterschieden in Ämtern oder Funktionen
verbunden, sondern mit „bereits erbrachten wissenschaftlichen
Leistungen, Nachfrage und Standort“.20
Die/der Inhaber/in einer befristeten Professur auf der
13 TUM Berufungs- und Karrieresystem – Statut zum Qualitätsmanagement,
München: Technische Universität München, 2012; W.A.
Herrmann, Tenure track: The royal road to professorship?, Angewandte
Chemie 52, 2013, 4700–4701; D. Hrzán, Under construction?!
– Akademische Personalentwicklung als Bestandteil aktiver
Personalpolitik an Hochschulen, in: A. Keller, D. Pöschl & A.
Schütz (Hg.): Baustelle Hochschule: Attraktive Karrierewege und
Beschäftigungsbedingungen gestalten, Bielefeld: W. Bertelsmann
Verlag, 2013, 69–82; K. Zimmermann, Blick über den Tellerrand:
Karrierewege in der Wissenschaft im internationalen Vergleich,
in: A. Keller, D. Pöschl & A. Schütz (Hg.): Baustelle Hochschule:
Attraktive Karrierewege und Beschäftigungsbedingungen
gestalten, Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, 2013, 39–52, S. 44;
Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 115.
14 TUM Berufungs- und Karrieresystem (Fn. 13), S. 5.
15 O. Günther & R. Seckler, Tenure-Track nachhaltig – Das Potsdamer
Modell, Forschung & Lehre 2/2014, 114–115
16 Bei einer negativen Evaluation bleibt die Person auf der W2-
Lebenszeitstelle.
17 Günther & Seckler (Fn. 15), S. 115, Hervorhebung hinzugefügt.
18 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 14.
19 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 10–14, 18, 49.
20 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 12.
3 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
dritten Stufe der Karriereleiter kann also je nach persönlicher
Leistung, Situation auf dem Arbeitsmarkt im betreffenden
Fach und Situation am Standort in eine niedrigere
oder auch höhere Besoldungsgruppe eingestuft
werden, und das Gleiche gilt für die/der Inhaber/in einer
Lebenszeitprofessur auf der vierten Stufe der Karriereleiter.
Die Besoldungsstufe definiert dabei weder eine Karrierestufe
noch ein Amt oder eine Funktion.
Außerdem wird die vierstufige Leiter explizit als Karriereweg
zur – undifferenzierten – Lebenszeitprofessur
verstanden. Die vier Stufen entsprechen dabei den durch
die EU definierten research career stages, wobei die Phase
der befristeten tenure-track Professur („Bewährungsphase“)
der career stage R3 („established researcher“) und
die Phase der unbefristeten Professur der career stage R4
(„leading researcher“) entsprechen.21 Weil die Besoldungsgruppe
W2 sowohl für die dritte als die vierte Stufe
gelten kann, kann sie keine Stufe definieren (es kann
W2-Professor/innen geben, die sich noch formell bewähren
müssen, und solche, die sich bereits bewährt haben
und in die vierte Stufe einzuordnen sind). Nebenbei
bemerkt würde der Vorschlag des Wissenschaftsrats den
derzeit noch existierenden Umstand ändern, dass sich
der akademische Status von Juniorprofessor/innen
durch die Zwischenevaluation (in der die Bewährung als
Hochschullehrer/in formell festgestellt wird) in den
meisten Fällen nicht ändert: Man bleibt Juniorprofessor/
in und erfüllt lediglich die Voraussetzungen für die Berufung
auf eine Lebenszeitprofessur.
Festzuhalten ist, dass W1, W2 und W3 gesetzlich festgelegte
Besoldungsstufen für verbeamtete Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer sind – nicht mehr und
nicht weniger. Sie werden in keinen Gesetzestexten oder
Ordnungen als akademische Ränge bzw. Dienstgrade,
Ämter, Titel o. ä. benannt und sind in dieser Hinsicht
schlichtweg nicht auf anglo-amerikanische academic
ranks abbildbar.
Juristisch ist die Lage allerdings etwas komplizierter.
Erstens sind die akademischen Titel von sowohl den
Ämtern als auch den Planstellen zu unterscheiden: Nach
der Rufannahme folgen z. B. die beurkundete Ernennung
zum/zur Universitätsprofessor/in, die Verleihung
des Titels ‚Professor/in‘ (die nicht separat beurkundet
wird, aber separat im jeweils geltenden Hochschulgesetz
festgelegt ist; die Führung des Titels ist oft unter bestimmten
Voraussetzungen nach dem Ausscheiden aus
dem Amt noch erlaubt) sowie die Einweisung in eine
Planstelle einer bestimmten Besoldungsgruppe. Dabei
ist der Unterschied zwischen dem Professorenamt im
korporationsrechtlichen Sinn, im statusrechtlichen Sinn
und im funktionellen Sinn relevant.22
Korporationsrechtlich gibt es seit 1976 nur einen einheitlichen
Professorenbegriff, d. h., als Mitglieder ihrer
Fakultät und ihrer Hochschule haben alle Professor/innen
den gleichen akademischen Status.23 Statusrechtlich
(d. h. dienstrechtlich) gibt es rein formal eine Differenzierung
zwischen W1‑, W2- und W3-Professuren, da
dienstrechtlich ein Amt „nach allgemeinem Beamtenrecht
durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahngruppe,
das Endgrundgehalt und die Amtsbezeichnung bestimmt
[wird]. Dabei kann ein Amt unter einer Amtsbezeichnung
mehreren Besoldungsgruppen zugeordnet
sein“.24 Da die Laufbahngruppe für alle Professor/innen
die gleiche ist (die Laufbahngruppe ist der höhere
Dienst), ergeben sich die Ämter aus den möglichen
Kombinationen der Amtsbezeichnungen (‚Professor als
Juniorprofessor‘, ‚Universitätsprofessor‘, ‚Professor an einer
Fachhochschule‘ usw.) mit den Besoldungsgruppen.
Rein dienstrechtlich gibt es dementsprechend einen Unterschied
zwischen W2-Universitätsprofessuren und
W3-Universitätsprofessuren (und auch zwischen W2-
Universitätsprofessuren und W2-Professuren an einer
Fachhochschule, usw.), der sich manchmal in einem unterschiedlichen
Recht auf eine bestimmte Anzahl von
Mitarbeiterstellen und eine bestimmte Bürogröße
manifestiert.
Allerdings ist diese Differenzierung nicht akademisch
relevant, da sie nicht mit einem Unterschied in
21 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 60; für die research career stages, siehe
European Commission (DG for Research & Innovation), Towards
a European Framework for Research Careers, 21. Juli 2011, Brüssel:
Europäische Kommission; Webseite des Mobility Patterns and
Career Paths of EU Researchers-Projekts, https://www.more3.eu/
indicator-tool/career-stages-r1-to-r4 (Aufgerufen am 09.07.2020).
22 D. Scheven, Die Ausgestaltung des Rechts der Professoren, in:
C. Flämig, V. Grellert, O. Kimminich, E.-J. Meusel, H.H. Rupp,
D. Scheven, H.J. Schuster & F. Graf Stenbock-Fermor (Hg.):
Handbuch des Wissenschaftsrechts, Band 1, Berlin: Springer-
Verlag, 1982, 423–452; H. Detmer, Das Recht der (Universitäts-)
Professoren, in: H. Detmer & M. Hartmer (Hg.): Hochschulrecht:
Ein Handbuch für die Praxis (3. Auflage), Heidelberg: C.F. Müller,
2017, 139–240, S. 217–218.
23 Scheven (Fn. 22), S. 427; Karpen (Fn. 9), S. 866.
24 Scheven (Fn. 22), S. 428.
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 3 9
akademischer Qualifikation, akademischer Funktion,
akademischen Rechten oder akademischen Pflichten
verbunden ist. Wie Scheven schreibt:
„Nach der Regelung des HRG ist eine dienstrechtliche
Differenzierung der Professoren aufgrund der statusrechtlichen
Stellung mit dem Gleichheitsgrundsatz
nicht mehr vereinbar, denn die Professoren erfüllen gleiche
Einstellungsvoraussetzungen und nehmen gleiche Aufgaben
wahr. […] Soweit solche Differenzierungen auf anderen
Rechtsgebieten noch bestehen […] werden sie
aufgrund des Professorenrechts des HRG aufgehoben
werden müssen. Damit ist das Professorenrecht […] unbeschadet
funktioneller Differenzierungen nach den
Hochschulaufgaben im statusrechtlichen Sinne
einheitlich“.25
Obwohl Scheven diese Sätze bereits lang vor der Einführung
der W‑Besoldung und der Juniorprofessur schrieb,
gilt der Gleichheitsgrundsatz nach wie vor: Weil alle
Professor/innen die gleiche Qualifikation vorweisen
müssen und die gleichen Aufgaben zu erfüllen haben,
müssen sie auch alle den gleichen akademischen Status
besitzen.
Hervorgehoben werden muss erstens, dass mit den
funktionellen Differenzierungen in Schevens Zitat explizit
nicht einen Unterschied zwischen einer allgemeinen
Funktion von W2-Professuren und einer allgemeinen
Funktion von W3-Professuren gemeint wird. Ein solcher
Unterschied existiert nach dem Gleichheitsgrundsatz ja
nicht: Beide haben als Professuren die gleiche Funktion.
Gemeint sind vielmehr Unterschiede in den Aufgaben
„vor Ort“ zwischen sog. abstrakt-funktionellen Ämtern
(z. B.: Professor an der Universität X, Professor an der
Kunsthochschule Y usw.) und konkret-funktionalen
Ämtern (z. B.: Professor für theoretische Philosophie an
der Universität X, Professor für Festkörperphysik an der
Universität Y usw.).26 Hier geht es also um konkrete Rollen
an bestimmten Institutionen, die funktional sehr unterschiedlich
sein können, und nicht um generelle funktionale
Unterschiede, die zwischen W2-Professuren und
W3-Professuren bestehen würden.27
Zweitens muss der Qualifikationsaspekt hervorgehoben
werden. Scheven weist darauf hin, dass alle Professor/
innen die gleichen Einstellungsvoraussetzungen erfüllen
– d. h. die gleiche Qualifikation vorweisen – müssen.
Dies ist im Einklang mit dem im Grundgesetz festgelegten
Leistungsprinzip. Für Universitätsprofessuren
gelten unabhängig von der Besoldungsstufe die gleichen
Voraussetzungen bezüglich Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung, sodass die Besoldungsstufen nicht
generell Unterschiede in der Leistung zum Ausdruck
bringen können.28 Umgekehrt gelten für W2-Professuren
an einer Fachhochschule und für W2-Universitätsprofessuren
unterschiedliche Voraussetzungen (FH-Professuren
setzen Erfahrungen in der Berufspraxis voraus),
sodass auch hier die Besoldungsstufe nicht die fachliche
Leistung abbildet. Diesbezüglich besteht auch ein deutlicher
Unterschied mit dem anglo-amerikanischen System,
in dem beide Beförderungsschritte (vom Assistant
Professur zum Associate Professor zum Full Professor) auf
eine Leistungsbeurteilung beruhen. Sowohl für die Beförderung
vom Assistant Professur zum Associate Professor
als auch für die Beförderung zum Full Professor müssen
wissenschaftliche Leistungen in einem Umfang und
einer Qualität erbracht sein, die eine bestimmte Seniorität
(und damit einen akademischen Status) begründen.
Eine solche Leistungsbeurteilung findet im deutschen
System jedoch nur einmal statt, nämlich bei der Zwischenevaluation
der Juniorprofessor, der Habilitation
(verbunden mit der Ernennung zum Privatdozenten
oder der Verleihung des Titels ‚Dr. habil.‘) oder der Erstberufung
auf eine Professur (unter der Voraussetzung
der Habilitation oder habilitationsäquivalenter Leistungen).
In allen drei Fällen geht es um die Feststellung, dass
ein/e Kandidat/in wissenschaftliche Leistungen in einem
Umfang und einer Qualität erbracht hat, die einer bestimmten
fachlichen Seniorität (nämlich der Seniorität
der Professur) entsprechen. Weil es im deutschen System
nur einen solchen Qualifikationsschritt gibt, der gleichermaßen
für W2- und W3-Professuren qualifiziert,
kann ein entsprechender Status- oder Senioritätsunterschied
zwischen W2- und W3-Professuren auch nicht
begründet werden. Die deutschen Besoldungsstufen
sind dementsprechend für den internationalen Vergleich
ohne Relevanz.
25 Scheven (Fn. 22), S. 428; Kursivsetzung eingefügt.
26 Scheven (Fn. 22), S. 429; Karpen (Fn. 9), S. 863–864.
27 Dieser kurze juristische Exkurs zeigt, dass Kehms in Abschnitt
II erwähnte Pauschalbehauptung, dass W2-Professuren mit
Associate Professorships funktional äquivalent seien, nicht mit der
Rechtslage übereinstimmt und völlig fehlgeleitet ist. Wenn es um
Professorenämter geht, ist der funktionale Unterschied vielmehr
mit den Ämtern ‚Professor als Juniorprofessor‘, ‚Universitätsprofessor‘,
‚Professor an einer Fachhochschule‘ usw. verbunden. So
gibt z. B. es keinen funktionalen Unterschied zwischen einer nach
W2 vergüteten Universitätsprofessur und einer nach W3 vergüteten
Universitätsprofessur, aber wohl zwischen einer nach W2
vergüteten Professur an einer Fachhochschule und einer nach W2
vergüteten Universitätsprofessur. Das Amt, nicht die Vergütung,
macht den Unterschied.
28 Art. 33 Abs. 2 GG. Persönliche Leistungen können dementsprechend
auch nicht durch eine ad hoc Beförderung von einer W2-
Professur zu einer W3-Professur honoriert werden, aber werden
durch Leistungszulagen honoriert.
4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
Mit Hinblick auf eine Abbildung der deutschen Situation
auf die drei anglo-amerikanischen academic ranks
müsste außerdem zuerst bestimmt werden, was es abzubilden
gilt: das eine, einheitliche Professorenamt; die
drei Besoldungsgruppen (die selbst keine Ämter sind),
die Ämter, die sich aus den möglichen Kombinationen
der Amtsbezeichnungen mit den Besoldungsgruppen
ergeben (auf jeden Fall mehr als drei); die (sehr vielen)
abstrakt-funktionelle Ämter; oder die (auch sehr vielen)
konkret-funktionelle Ämter. Ein Argument für eine bestimmte
Wahl fehlt bislang.
Erwähnt werden muss, dass für statistische Zwecke
manchmal ein hierarchischer Unterschied zwischen
W2- und W3-Professuren auf Basis von Seniorität gemacht
wird. Die von der Europäischen Kommission
jährlich herausgegebenen She Figures-Berichte zur Genderverteilung
in akademischen Funktionen sind ein einschlägiges
Beispiel. Dabei wird eine vierstufige Einteilung
von Funktionen verwendet. Die höchste Stufe (grade
A) ist definiert als die höchste Position oder Stelle, in
der Forschung betrieben wird, und die zweithöchste Stufe
(grade B) als die Gruppe der Forschenden in Positionen
mit weniger Seniorität als die höchste Position (A),
aber mit höherer Seniorität als neu promovierte Forschende.
29 Während grade A für Deutschland lediglich
die W3- und C4-Professuren umfasst, ist grade B ein
Sammelbecken für alle Stellenarten zwischen der ersten
Stelle unmittelbar nach der Promotion (grade C) und der
Position mit der höchsten Seniorität. Allerdings lässt
sich diese Einteilung dahingehend kritisieren, dass mangels
einer „Karriereleiter“, die einen Aufstieg durch Erfahrung
von der W2-Ebene auf die W3-Ebene ermöglichen
würde, einen Senioritätsunterschied zwischen den
Ebenen nicht sinnvoll gemacht werden kann. Außerdem
sind die Besoldungskategorien W2 und W3 weder de
jure noch de facto mit Seniorität oder Erfahrung verbunden:
Besoldungsrechtlich sind keine Erfahrungsstufen in
der W‑Besoldung spezifiziert und in der Praxis gelten
auch keine unterschiedlichen Erfahrungsanforderungen
für W2- und W3-Professuren.30 Auch muss diesbezüglich
erwähnt werden, dass die She Figures-Berichte alle
Gastprofessuren pauschal in grade B eingeordnen (wobei
She Figures 2012 explizit die Besoldungsgruppen W3 und
W2 für Gastprofessuren in grade B erwähnt, die letzte
Ausgabe, She Figures 2019, allerdings nicht). Dies ist zumindest
merkwürdig, weil Gastprofessuren oft dazu dienen,
herausragende und etablierte Wissenschaftler/innen
für einen bestimmten Zeitraum an eine Universität
zu holen. So wird z. B. die Leibniz-Professur an der Universität
Leipzig „an besonders renommierte und vorwiegend
internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
vergeben und gehört zu den höchsten Auszeichnungen
unserer Universität“.31 Wie ein solcher Status
mit einer niedrigeren Senioritätsstufe als die von
regulären W3-Professuren vereinbar sein soll, ist nicht
ersichtlich.
Festzuhalten ist, dass mit dem Amt einer nach W2
besoldeten Professur genau die gleichen Aufgaben,
Pflichten und Rechte verbunden sind als mit den Amt einer
nach W3 besoldeten Professur. Die Gründe für den
Unterschied in Vergütung zwischen liegen oft darin, dass
nach W3 besoldete Professor/innen oft neben ihrem eigentlichen
Amt als Professor weitere Aufgaben übernehmen,
wie z. B. die Leitung einer Lehrstuhlgruppe, eines
Labors usw., oder ihre Professur für einen besonderen
Zweck geschaffen wurde (z. B. als Gastprofessur für die
Stärkung internationaler Kooperationen oder für die
Stärkung der Verbindungen mit Wirtschaft und Industrie,
als Stiftungsprofessur zur Stärkung eines Lehr- oder
Forschungsgebiets, als Professur mit einer spezifischen
Aufgabe in der Öffentlichkeitsarbeit usw.). Aber diese
Aufgaben sind eben Aufgaben neben dem eigentlichen
Professorenamt, sodass sie keinen Unterschied zwischen
academic ranks begründen können. Wer einen Lehrstuhl
innehat, hat diesen in „Personalunion“ neben der Professur
inne, und wer geschäftsführende Direktorin eines Instituts
ist, ist dies in „Personalunion“ neben der Professur.
Unterschiede in Vergütung können durch solche zusätzliche
Tätigkeiten begründet werden, aber Unterschiede
zwischen academic ranks folgen daraus nicht.
IV. Aspekte ausländischer Systeme
Betrachten wir jetzt den Vergleich mit dem anglo-amerikanischen
System näher. Meistens werden die US-Amerikanischen
Bezeichnungen als international-englischsprachige
Standardbezeichnungen verwendet ohne
dabei explizit auf das akademische System in den USA
zu verweisen. Allerdings impliziert die Verwendung dieser
academic ranks sowie Behauptungen wie die, dass es
29 European Commission, She Figures 2012 – Gender in Research
and Innovation, Luxembourg: Publications Office of the European
Union, 2013, S. 87.
30 Die oben genannte Ausschreibung in Freiburg einer für „highly
qualified early career researchers“ geeignete W3-Professur ist
vielleicht das beste Beispiel in diesem Kontext.
31 Siehe https://www.ral.uni-leipzig.de/unterstuetzung/leibniz-programm/
leibniz-professur/#c137414 (Aufgerufen am 08.07.2020).
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 4 1
funktionale Äquivalenzen zwischen den Stufen in den
verschiedenen Systemen gibt, sehr wohl, dass die Verwendung
englischsprachiger Bezeichnungen eine Verbindung
mit dem US-Amerikanischen System herstellen
soll. Es wird in dieser Praxis stillschweigend angenommen,
dass (1) das amerikanische System als Maßstab
aller anderen akademischen Systeme geeignet wäre und
(2) die Bezeichnungen Assistant Professor, Associate Professor
und Full Professor auch außerhalb des spezifisch
US-amerikanischen Kontexts vollständig klar definiert
werden können. Für (1) fehlt dabei in der Literatur jegliches
Argument. Und bezüglich (2) wird meistens ignoriert,
dass die academic ranks des Assistant, Associate
und Full Professors in einem System eingebettet sind, das
dem deutschen (oder niederländischen, oder französischen,
oder italienischen, oder britischen, oder …) System
kaum entspricht.
Zuerst zu Punkt (1). Ein mögliches Argument dafür,
die Kategorien Assistant, Associate und Full Professor als
maßgebliche Bezugspunkte für die Betrachtung aller
akademischer Systeme weltweit anzusehen, wäre die
weltweite Dominanz der anglo-amerikanischen Wissenschaft.
Man kann dies befürworten oder ablehnen, aber
es lässt sich schlecht leugnen, dass die englischsprachigen
Länder eine führende Rolle in der Wissenschaft einnehmen.
Englisch ist die lingua franca der Wissenschaft,
die internationalen Ranglisten von Universitäten werden
stets von US-Amerikanischen und Britischen Universitäten
angeführt und wenn nach Beispielen für exzellente
Universitäten gefragt wird, werden (zu Recht oder auch
nicht) Institutionen wie Harvard, MIT, Oxford und Cambridge
genannt. Ein Argument ist dies zwar nicht, aber es
ist ein Sachverhalt, der die herausgehobene Stellung des
anglo-amerikanischen Systems vielleicht verständlich
macht.
Allerdings folgt aus dieser Sachlage nicht, dass das
anglo-amerikanische System als weltweiter Standard für
akademische Systeme gelten kann oder soll (Punkt (2)).
Dagegen spricht z. B., dass es das anglo-amerikanische
System gar nicht gibt. Die Kategorien Assistant, Associate
und Full Professor stammen aus dem US-Amerikanischen
System und haben im Kontext dieses Systems sehr
spezifische Bedeutungen. Allerdings werden diese Bezeichnungen
auch an einigen (aber nicht allen) Universitäten
in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland
verwendet, bezeichnen dort allerdings manchmal
andere Kategorien als in den USA. So kannte das
System in Großbritannien schon immer die Professur als
höchste Ebene, aber haben einige Universitäten erst vor
Kurzem die Kategorie Associate Professor eingeführt, die
manchmal statt der älteren Kategorie Reader verwendet
wird, manchmal aber auch statt der Kategorie Senior
Lecturer. Die Kategorie des Assistant Professors gibt es typischerweise
nicht und die Kategorie des Associate Professors
wird auch nur durch eine Minderheit der Universitäten
verwendet.
Auch kennt das US-Amerikanische System noch weitere
ranks, die in der hier kritisierten Abbildungspraxis
typischerweise ignoriert werden. So gibt es unterhalb des
Assistant Professors meistens den Instructor und/oder
Lecturer (innerhalb dieser manchmal Diversifizierungen
wie Senior Lecturer und Master Lecturer), und oberhalb
des Full Professors oft den University Professor, Distinguished
Professor usw. Während die drei Kategorien Assistant
Professor, Associate Professor und Full Professor immer
den Kern des Systems ausmachen, sind die anderen
Kategorien zwischen Universitäten sehr unterschiedlich.
So hat z. B. die Vanderbilt University ein stark diversifiziertes
System, das innerhalb des tenure tracks die akademischen
Titel von University Distinguished Professor, Distinguished
Professor, University Professor, Professor, Associate
Professor, Assistant Professor und Instructor kennt,
sowie außerhalb des tenure tracks noch die Titel von
Principal Senior Lecturer, Senior Lecturer und Lecturer.32
In diesem Beispiel fällt auf, dass der einfache Dreisatz
von Assistant-Associate-Full Professor die tatsächliche
akademische Hierarchie vor Ort stark verkürzt abbildet.
Auch fällt auf, dass statt ‚Full Professor‘ die Bezeichnung
‚Professor‘ verwendet wird.33 Außerdem ist hier ein weiterer
Unterschied zum deutschen System sichtbar: Während
in Deutschland der Unterschied zwischen Universitätsprofessor
und Professor typischerweise ein Unterschied
zwischen Ämtern ist (Professor an einer Universität
bzw. Professor an einer Fachhochschule), ist in den
vereinigten Staaten der Unterschied zwischen University
Professor und Professor ein hierarchischer unterschied
(ein Professor kann aufgrund herausragender Leistungen
zum University Professor ernannt werden).
Der wichtigste Faktor allerdings, der den Vergleich
zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen
System höchst problematisch macht, ist der leistungsbasierte
Aufstieg. Der Normalfall im US-Amerikanischen
tenure track-System beinhaltet die Evaluation der persönlichen
Leistung und die persönliche Beförderung
32 https://www.vanderbilt.edu/faculty-manual/part-ii-appointmentand-
tenure/ch1-academic-titles-at-vanderbilt/ (Aufgerufen am
09.04.2020).
33 Tatsächlich ist ‚Full Professor‘ in den Vereinigten Staaten eher eine
umgangssprachliche Bezeichnung und ist die offizielle Bezeichnung
meistens nur ‚Professor‘.
4 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
ohne dass man dabei mit anderen in Konkurrenz steht
oder von der Verfügbarkeit einer höher vergüteten Planstelle
abhängig wäre. Auch beinhaltet es seitens des Arbeitgebers
eine explizite Absicht der Beförderung bei
ausreichender Leistung. Im deutschen System, hingegen,
konkurriert man mit allen anderen Bewerber/innen um
die eine ausgeschriebene Professur. Es geht dabei nicht
primär um die persönlichen Leistungen der Bewerber/
innen, sondern um Passung zum Profil der ausgeschriebenen
Stelle. Leistung ist in Deutschland zwar eine notwendige
Voraussetzung für das akademische Weiterkommen,
aber (anders als im US-Amerikanischen System)
keine hinreichende Voraussetzung.
Zum Schluss dieser Betrachtung des US-Amerikanischen
Systems möchte ich noch kurz auf den Begriff des
Lehrstuhls eingehen. Wie in Abschnitt II bereits erwähnt,
behauptet Kreckel, dass „[a]n der Spitze […] überall
der auf Lebenszeit besetzte „Lehrstuhl“ oder „Chair““
stünde.34 Kreckel und Zimmermann setzen sogar ‚W3‘
systematisch mit ‚Lehrstuhlinhaber‘ gleich.35 Und auch
die Junge Akademie setzt in ihrem Debattenbeitrag zur
Department- statt Lehrstuhlstruktur die Bezeichnungen
‚W3‘ und ‚Lehrstuhlinhaber‘ gleich, und suggeriert
gleichzeitig eine allgemeine hierarchische Unterordnung
der W1- und W2-Professuren unter den W3-Professuren.
36 Solche pauschalen Gleichsetzungen sind jedoch
irreführend, weil sich die Situation zwischen den einzelnen
Bundesländern und sogar zwischen den einzelnen
Fakultäten innerhalb einer Universität stark unterscheiden
kann. Erstens gibt es heutzutage in Deutschland rein
formell überhaupt keine Lehrstühle mehr und kommt
der Begriff des Lehrstuhls in den Landeshochschulgesetzen
nicht mehr vor. Der Begriff ‚Lehrstuhl‘ wird vielmehr
informell als Bezeichnung für die Organisationseinheit
unter der Leitung einer Professur verwendet, wobei
es sich um eine nach W1, W2 oder W3 vergütete Professur
handeln kann. Institute und Seminare umfassen
oft mehrere Professuren und werden durch einen mehrköpfigen
Vorstand statt einer Professur geleitet, wobei
die Professuren des Instituts (W1, W2 und W3) einander
nebengeordnet sind. Dabei werden oft die thematisch
zentralere Professuren nach W3 vergütet und die thematisch
weniger zentralen Professuren nach W2, aber die
ersteren Planstellen gelten nicht als Lehrstühle in einem
Unterschied zu den letzteren Planstellen. Solche Institute
und Seminare sind zwar keine Departments im Sinne
des Debattenbeitrags der Jungen Akademie, aber sie implementieren
die Organisationsstruktur von Departments
dahingehend, dass alle Juniorprofessuren und
Professuren hierarchisch auf der gleichen Ebene stehen.
Auch in Fällen, in denen sich jemand im Rahmen von
Bleibeverhandlungen von der Besoldungsstufe W2 auf
die Besoldungsstufe W3 „hochverhandelt“, ist mit der
neuen Planstelle kein Lehrstuhl verbunden. Man bleibt
Universitätsprofessor/in und wechselt lediglich die
Besoldungsgruppe.
Darüber hinaus ist der Vergleich mit US-Amerikanischen
Chairs problematisch, weil diese nicht den traditionellen
deutschen Lehrstühlen entsprechen. In den USA
sind Chairs nicht an academic ranks gekoppelt und können
Associate Professors und sogar vereinzelt Assistant
Professors einen Chair innehaben. Ein Chair ist eher mit
einer Planstelle mit besonderer Ausstattung zu vergleichen,
die eine Person unabhängig vom academic rank
befristet oder auch auf Lebenszeit innehaben kann. Es
gibt Chairs die ein bestimmtes unterrepräsentiertes Fach
oder Teilgebiet vertreten sollen, es gibt Chairs für spezifische
Forschungszwecke (ohne Lehrverpflichtung), es
gibt Chairs zur Förderung des Nachwuchses (die dann
auch durch Assistant Professors besetzt werden können),
es gibt Stiftungsprofessuren (Named Chairs oder Endowed
Chairs) usw. Es gibt dementsprechend Full Professors
mit Chair, Full Professors ohne Chair (und das ist der
Normalfall für Full Professors in den USA), Associate
Professors mit Chair usw. Auch kommt es vor, dass Chairs
getaktet innerhalb eines Departments oder eines Colleges
neu vergeben werden. Wer einige Jahre einen Chair
innehatte und diesen dann wieder an die nächste Person
weitergeben muss, behält dabei selbstverständlich den
eigenen academic rank. Und auch wenn es um den Chair
im Sinne des Institutsleiters (Department Chair) geht,
passt der Vergleich nicht. Viele Departments an USAmerikanischen
Universitäten werden von Associate
Professors geleitet (die oft gerade deswegen nicht zum
Full Professor aufsteigen, weil durch die viele Verwaltungsarbeit
zu wenig Zeit für die Forschung bleibt).
34 Kreckel (Fn. 4), 2016, 18.
35 R. Kreckel & K. Zimmermann, Hasard oder Laufbahn: Akademische
Karrierestrukturen im internationalen Vergleich, Leipzig:
Akademische Verlagsanstalt, 2014, S. 22–27.
36 J. Specht, C. Hof, J. Tjus, W. Pernice & U. Endesfelder, Departments
statt Lehrstühle: Moderne Personalstruktur für eine zukunftsfähige
Wissenschaft, Berlin: Die Junge Akademie an der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften und der Deutschen
Akademie der Naturforscher Leopoldina, 2017, S. 6.
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 4 3
Kreckels “archimedischer Punkt“ für die vergleichende
Betrachtung37 ist daher als Fiktion zu betrachten. Die
Organisation der verschiedenen Gruppen innerhalb der
professoralen Ebene ist für das Verständnis lokaler akademischer
Systeme besonders wichtig. Aber gerade diese
Organisationsstrukturen sind zwischen den verschiedenen
Systemen – und manchmal sogar innerhalb eines
Systems – sehr unterschiedlich.
Sehen wir uns zum Vergleich einige andere europäische
Systeme an. In den Niederlanden gibt es drei
Hauptebenen in der akademischen hierarchie: universitair
docent, universitair hoofddocent und hoogleraar. Es
ist dort gängige Praxis, diese auf den drei academic ranks
in den USA abzubilden, wobei universitair docent üblicherweise
mit Assistant Professor, universitair hoofddocent
mit Associate Professor und hoogleraar mit Full Professor
gleichgesetzt wird. Allerdings gibt es auch hier im
Vergleich zu den USA große Unterschiede. So ist eine
Stelle als universitair docent in den Niederlanden nicht
unbedingt eine Qualifikationsstelle: Wer unmittelbar
nach der Promotion eine Stelle antritt, wird typischerweise
befristet als universitair docent eingestellt. Wer sich
bewährt, kann entfristet werden, bleibt dabei allerdings
oft universitair docent und manche bleiben ihr ganzes
Leben lang universitair docent. Das niederländische System
ist diesbezüglich weniger ein up or out als ein up or
not-System. Auch sind niederländische hoogleraren etwas
Besonderes: Nur sie tragen Talare (die es dort zum
Glück noch gibt), nur sie halten Antrittsvorlesungen und
nur sie haben traditionell das ius promovendi – das
Recht, Personen zum Doktor zu promovieren, also als
Doktormutter/vater aufzutreten. Vor Kurzem hat eine
Gesetzesänderung zwar die Möglichkeit für universitair
hoofddocenten eröffnet, das ius promovendi zu erlangen,
aber der Professorenstatus bleibt hoogleraren vorbehalten.
Im Übrigen gibt es auch in den Niederlanden zwei
Vergütungsstufen für hoogleraren, nämlich hoogleraar 2
und hoogleraar 1, die allerdings kaum in Stellenausschreibungen
oder Lebensläufen erwähnt werden. Die
Vergütungsstufe hoogleraar 1 ist für Professoren mit einer
Leitungs- oder höheren administrativen Funktion gedacht,
aber sie ist explizit nicht mit einem Unterschied in
Rang, Dienstgrad oder professoraler Würde verbunden.
Was würde dies nun für die Vergleichbarkeit der
deutschen und niederländischen Systeme heißen? In
Deutschland können Juniorprofessoren eigenständig als
Doktormutter/vater auftreten und haben demnach ein
mit dem niederländischen ius promvendi vergleichbares
Recht. Im Vergleich wären daher alle deutschen Professuren
(W1, W2 und W3) auf der niederländischen Ebene
von hoogleraar (also: Full Professor) anzusetzen.38 Tatsächlich
kennen in den Niederlanden auch einige Universitäten
die Kategorie von hoogleraar auf Probe: den
adjunct hoogleraar, der in einigen Aspekten mit der
deutschen Juniorprofessur vergleichbar wäre.39 Wenn
man schon eine Abbildung vornehmen möchte, müsste
man eigentlich sagen, dass deutsche Juniorprofessuren
der niederländischen Kategorie adjunct hoogleraar und
deutsche Universitätsprofessuren der niederländischen
Kategorie hoogleraar entsprechen. Die Vergütungsstufen
W2 und W3 würden dabei allenfalls den niederländischen
Vergütungsstufen hoogleraar 2 und hoogleraar 1
entsprechen.
Als weitere Beispiele möchte ich noch kurz Belgien,
Frankreich und Italien betrachten. In Flandern gibt es im
Unterschied zu den Niederlanden vier Ebenen: docent,
hoofddocent, hoogleraar und gewoon hoogleraar – oft
übersetzt als Lecturer, Associate Professor, Professor und
Full Professor. Ein solches Vierstufiges System ist kaum
auf den deutschen Dreisatz abbildbar. In der Wallonie
gibt es drei Ebenen, wobei allerdings die Associate Professorship
als Einstiegsrang gilt! Die Université Catholique
de Louvain z. B. spezifiziert:
„1. Every faculty member with little or no academic experience
will be appointed at the rank of Associate Professor
(entry rank for an academic career in Belgium). 2.
Those with several years of academic experience gained
since completing their PhD may immediately be appointed
at the rank of Professor, based on analysis of
their academic career to date. 3. The rank of Full Professor,
on the other hand, is not available upon appointment,
only by internal promotion.“40
37 Kreckel (Fn. 4), 2016, 18.
38 Van der Meulen stellt z. B. fest, dass es im deutschen akademischem
System keine mit dem universitair hoofddocent vergleichbare
Ebene gibt und das ius promovendi bei den Juniorprofessoren
und Professoren liegt. Siehe B. van der Meulen, Quick Scan
Internationale Vergelijking Ius Promovendi, Den Haag: Rathenau
Instituut, 2015, S. 4.
39 Hier zeigt sich übrigens auch, wie begriffliche Vergleiche schiefgehen
können: Während in den Niederlanden ein adjunct hoogleraar
den höchsten akademischen Rang einnimmt (aber lediglich
Professor auf Probe ist), sind amerikanische Adjunct Professors
eher mit deutschen Lehrbeauftragten vergleichbar.
40 https://onderwijs.vlaanderen.be/nl/graden-academisch-personeel-
en-administratief-en-technisch-personeel (Aufgerufen am
09.04.2020); https://uclouvain.be/en/discover/faq-reponses-auxquestions-
des-candidats.html (Aufgerufen am 09.04.2020).
4 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
Wegen der Handhabung des Associate Professors als Einstiegsebene
und der ausschließlichen Zugänglichkeit des
Full Professors über den Weg der internen Beförderung
(und ausdrücklich nicht über Bewerbungen von außen)
ist auch hier ein Vergleich mit dem deutschen System
nur schwer möglich.
In Frankreich und Italien gibt es gesetzlich festgelegte
Äquivalenztabellen, die ausländische akademische
Funktionsbezeichnungen auf inländische abbilden. In
der französischen Tabelle werden deutsche W2- und
W3-Professuren beide auf der höchsten Ebene, dem „niveau
PR“, angesiedelt, in der sowohl der flämische hoogleraar
als auch der gewoon hoogleraar, der niederländische
hoogleraar und der US-Amerikanische Professor
und Full Professor angesiedelt sind (der Associate Professor
befindet sich auf der Ebene darunter).41 Die italienische
Tabelle beinhaltet eine etwas stärker differenzierter
Einteilung.42 In dieser Tabelle sind W3-Professuren auf
der höchsten Ebene (Grade a) zusammen mit dem USAmerikanischen
Professor und dem niederländischen
hoogleraar eingeordnet. W2-Professuren sind sowohl auf
der höchsten Ebene (Grade a) als auch der zweithöchsten
Ebene eingeordnet (Grade b, wo auch der US-Amerikanische
Associate Professor und der niederländische
universitair hoofddocent eingeordnet sind). Der Eintrag
der W2-Professoren in der Tabelle ist mit einer Fußnote
versehen, die sagt: „Equivalence to be assessed on the basis
of CV and home institution“. Hier versucht man dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass die W2-Professur in
einigen wenigen Fällen (wie an der TU München) eher
als Einstieg in die Universitätsprofessur gilt, in den meisten
Fällen jedoch als „volle“ Professur.
V. Fazit
In diesem Aufsatz habe ich die weit verbreitete Tendenz,
die anglo-amerikanischen academic ranks als Maßstab
für deutsche akademische Karrieren zu nehmen und
deutsche akademische Funktions‑, Amts- und Besoldungsbezeichnungen
auf anglo-amerikanischen academic
ranks abzubilden, kritisiert. Ich habe versucht zu zeigen,
dass diese Praxis das deutsche akademische System
dermaßen stark verzerrt darstellt, dass sie als wissenschaftlich
fehlerhaft gelten muss.
Insgesamt ergibt sich aus den angeführten Beispielen
keine eindeutige Abbildung der verschiedenen akademischen
Systeme auf einander. Vielmehr zeigen die Beispiele,
wie schwierig es eigentlich ist, die akademischen
Systeme verschiedener Länder miteinander zu vergleichen.
Es gibt keinen guten Grund, das US-Amerikanische
System als Maßstab für solche Vergleichungen zu
nehmen. Aber selbst wenn man kein Bezugssystem
wählt und die Systeme einzelner Länder paarweise vergleicht,
stößt man auf große Probleme. Akademische
Karrieresysteme sind weltweit sehr unterschiedlich und
lassen sich nicht auf den einfachen Dreisatz Assistant-
Associate-Full Professor reduzieren. Sogar das US-Amerikanische
System ist wesentlich komplizierter als der
Dreisatz suggeriert und die academic ranks in diesem
System sind wesentlich mit Bedingungen und Wertungen
verknüpft, die es in den meisten anderen Systemen
nicht gibt.
Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass die gängige Praxis,
die drei deutschen Besoldungsstufen für Professuren
ohne weitere Erläuterung auf die drei anglo-amerikanischen
academic ranks abzubilden, in mehreren Hinsichten
problematisch ist. Erstens ist diese Praxis wissenschaftlich
fehlerhaft. In den Wissenschaften werden Phänomene
immer vereinfacht dargestellt – das muss so sein
und ist auch nicht das Problem, auf das ich hier aufmerksam
machen möchte. Aber wer sich bei der Vereinfachung
für ein Modell entscheidet, das die Phänomene
zu stark verzerrt und wesentliche Subtilitäten in den untersuchten
Phänomenen einfach ignoriert, macht es sich
zu leicht. Modelle und begriffliche Strukturen sollen die
erforschten Phänomene so vereinfacht darstellen, dass
sie handhabbar werden, ohne jedoch die Phänomene zu
verzerren oder zu verfälschen. Aber genau eine solche
Verzerrung bzw. Verfälschung liegt in der hier kritisierten
Praxis vor. In akademischen Systemen weltweit gibt
es eine formale Trennung zwischen akademischen Funktionen
(Rängen, Ämtern usw.) und Gehaltsstufen. Zwar
sind meistens bestimmte Gehaltsstufen mit bestimmten
Funktionen verbunden, aber eine Gehaltstufe als definierend
für eine Funktion oder ein Amt anzusehen, ist ein
gravierender Fehler, welche die vergleichende Wissenschafts-
und Hochschulforschung behindert.
Außerdem schafft die kritisierte Abbildungspraxis
Fakten: Je größer die Anzahl von Publikationen und
Vorträgen, in denen die übervereinfachte Abbildung
präsentiert wird, desto etablierter wird die Abbildung in
der Literatur sowie in der Alltagspraxis. Für international
mobile Wissenschaftler/innen heißt dies allerdings,
dass sie durch außerhalb des deutschen Systems stehen-
41 Comparaison des Carrieres des Enseignants-Chercheurs de Pays
Etrangers (Arrêté du 10 Février 2011).
42 Gesetz DM 662/2016.
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 4 5
de Akademiker/innen und Verwaltungsmitarbeiter/innen
in Kategorien eingeordnet werden können, zu denen
sie formell gar nicht gehören. Der academic rank
von Assistant, Associate oder Full Professor sagt primär
etwas über die wissenschaftliche Leistung einer Person
aus, während die Bezeichnungen ‚W2-Professor‘ und
‚W3-Professor‘ primär etwas über das Geld, das eine Person
verdient, aussagen. Die mit der Praxis, die Begriffe
‚W2-Professor‘ pauschal als ‚Associate Professor‘ und
‚W3-Professor‘ als ‚Full Professor‘ zu übersetzen, verbundene
hierarchische Perspektive trägt außerdem zur impliziten
Abwertung der Leistung aller W2-Professor/innen
bei (durch die Suggestion, dass sie noch keine vollwertige
Professur innehätten und noch mehr Leistung
erbringen und Erfahrung sammeln müssen bevor sie befördert
werden) und kann so zu erheblichen Nachteilen
bei internationalen Bewerbungen und Antragstellungen
führen. Die Abbildungspraxis kann somit für eine Gruppe
von Wissenschaftler/innen in Deutschland schädliche
Konsequenzen haben.
Aber es gibt in der Literatur auch Ausnahmen. Die
League of European Research Universities ordnet (wie die
oben besprochene italienische Tabelle) die Besoldungsgruppe
W2 sowohl der Ebene des Associate Professors als
auch der des Full Professors zu, um damit die komplizierte
deutsche Situation besser abzubilden.43 Im Eurydice-
Bericht 2017 der Europäischen Kommission kommen die
Bezeichnungen ‚W1‘, ‚W2‘ und ‚W3‘ überhaupt nicht
vor.44 Der Bericht enthält Ländergrafiken, die die jeweilige
Situation schematisch darstellen. Die Ländergrafik
für Deutschland enthält nur die Bezeichnungen „Juniorprofessorinnen
und Juniorprofessoren“ sowie „Professorinnen
und Professoren (einschließlich Juniorprofessorinnen
und Juniorprofessoren)“ ohne dabei eine Übersetzung
in die anglo-amerikanischen Bezeichnungen zu
versuchen. Insbesondere die Herangehensweise der Europäischen
Union, die Ländersysteme für sich sprechen
zu lassen ohne forcierte Übersetzungen in andere Sprachen
vorzunehmen, ist m. E. beispielhaft.
Das Fazit kann einfach sein: Man sollte nicht versuchen,
die akademischen Systeme verschiedener Länder
mithilfe eines einfachen one size fits all-Modells auf einander
abzubilden. Stattdessen sollten einzelne Systeme
in einer solchen Weise mit einander verglichen werden,
die es zulässt, die subtilen Unterschiede der Systeme angemessen
hervorzuheben. Alle akademische Systeme
weltweit pauschal aus einer anglo-amerikanischen Perspektive
hinaus zu betrachten (die darüber hinaus auch
noch nicht einmal das US-Amerikanische System adäquat
abbildet), ist wissenschaftlich fehlerhaft und kann
außerdem schädliche Folgen für die Alltagspraxis
haben.
Thomas Reydon ist Professor für Wissenschafts- und
Technikphilosophie im Institut für Philosophie und im
Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS)
der Leibniz Universität Hannover.
Web: www.reydon.info, Email: reydon@ww.uni-hannover.
de
43 LERU, Harvesting Talent: Strengthening Research Careers in
Europe, Leuven: LERU Office, 2010, S. 23; G. Boulton, Harvesting
talent: Strengthening research careers in Europe, Procedia Social
and Behavioral Sciences 13, 2011, 3–34, S. 25.
44 European Commission / EACEA / Eurydice (2017): Modernisation
of Higher Education in Europe: Academic Staff – 2017 (Eurydice
Report), Luxembourg: Publications Office of the European
Union.
4 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
Übersicht
I. Einleitung
II. Pauschalisierende Darstellungen in der Forschungsliteratur
III. Das deutsche akademische System im Vergleich
IV. Aspekte ausländischer Systeme
V. Fazit
In der Fachliteratur im Bereich Hochschul- und Wissenschaftsforschung, in Universitätsverwaltungen sowie in akademischen Lebensläufen gibt es eine Tendenz, deutsche akademische Funktions‑, Amts- und Besoldungsbezeichnungen pauschal auf die anglo-amerikanischen academic ranks abzubilden. Insbesondere der deutsche Dreisatz W1-/W2-/W3-Professor/in wird dabei oft eins zu eins als Assistant, Associate und Full Professor übersetzt. Es scheint auch gut zu passen: Beide Systeme haben eine drei-Stufen-Hierarchie und die englischen Bezeichnungen scheinen sowohl für die internationale Darstellung als auch als Kategoriensystem in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung gut brauchbar. Dieser Artikel kritisiert diese Abbildungspraxis dahingehend, dass sie sowohl das deutsche als auch ausländische akademische Systeme stark verzerrt repräsentiert und wesentliche Aspekte dieser Systeme ausblendet. Es wird gezeigt, dass die Abbildung des deutschen Dreisatzes auf die anglo-amerikanischen academic ranks sowohl als wissenschaftliches Kategoriensystem als auch als Grundlage für informelle Übersetzungen akademischer Positionen ungeeignet ist.
I. Einleitung
Auf den ersten Blick scheint die Übersetzung des deutschen Dreisatzes W1-/W2-/W3-Professor/in als Assistant, Associate und Full Professor gut zu passen: Sie scheint sowohl eine praktische Übersetzung deutscher Funktionsbezeichnungen für die internationale Darstellung von Personen und Institutionen als auch ein gutes Kategoriensystem für die Hochschul- und Wissenschaftsforschung zu liefern. Der Schein trügt allerdings und eine solche pauschale Abbildung deutscher Professorenämter ist aus mehreren Gründen problematisch.
Erstens wird die Vielzahl von nicht-professoralen Funktionen und Ämtern (akademische/r (Ober)rat/rätin, Hochschuldozent/in, Privatdozent/in usw.) bei einer solchen Abbildung oft undifferenziert in die Kategorie „übrige“ (d. h. wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in) einsortiert. Zweitens sind ‚W1‘, ‚W2‘ und ‚W3‘ lediglich Bezeichnungen von Besoldungsgruppen in den Besoldungsgesetzen bzw. ‑ordnungen der Länder und des Bundes, und keine Amts- oder Funktionsbezeichnungen oder gar academic ranks. Die gesetzlich geltenden Amtsbezeichnungen sind ‚Juniorprofessor‘ (formal: ‚Professor als Juniorprofessor‘), ‚Professor an einer Fachhochschule‘, ‚Professor an einer Kunsthochschule‘, ‚Universitätsprofessor‘ usw.1 Zwischen Amt und Besoldungsgruppe besteht dementsprechend ein grundlegender Unterschied, wobei Professor/innen in „Personalunion“ sowohl ein Amt als auch eine Stelle in einer bestimmten Besoldungsgruppe innehaben.2 Drittens ist der Vergleich wissenschaftlich problematisch, weil er das Forschungssubjekt viel zu stark vereinfacht und verzerrt repräsentiert. Wesentlich für gute Forschung ist der Gebrauch von Kategorien, die das Forschungssubjekt angemessen repräsentieren: Die verwendeten Kategorien sollen die erforschten Phänomene zwar so vereinfacht repräsentieren, dass sie verallgemeinert beschrieben und verstanden werden können, aber nicht so weit vereinfachen, dass wichtige Unterschiede unsichtbar werden. Letzteres ist hier allerdings der Fall.
In diesem Artikel möchte ich den oben genannten zweiten und dritten Punkt vertiefen und dafür plädieren, das deutsche System für sich sprechen zu lassen, statt zu
Thomas A. C. Reydon
Zur Unvergleichbarkeit akademischer Systeme
- Ich danke Herrn Dr. Simon Lohse sowie dem Gutachtergremium von Ordnung der Wissenschaft für hilfreiche Kommentare zu einer früheren Fassung dieses Artikels.
1 Siehe Bundesbesoldung W (Professorenbesoldungsreformgesetz, Art. 1 § 14, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 11, 22. Februar 2002); Wissenschaftsrat, Empfehlungen zu Karrierezielen und ‑wegen an Universitäten (Drs. 4009–14), Dresden: Wissenschaftsrat, 2014, Tabelle 25, S. 148.
2 Juristisch ist die Sache allerdings noch etwas komplizierter. Siehe dazu weiter unten in Abschnitt III. In den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Verbesserung von akademischen Karrierewegen ist die Trennung von Amt und Stelle auch deutlich sichtbar. Teil der Empfehlungen ist z. B. die Umwidmung vorhandener Stellen in Professuren (Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 14), was nur bei einer entsprechenden Trennung zwischen „Stellenhülsen“, Besoldungsgruppen und Ämtern möglich ist.
Ordnung der Wissenschaft 2021, ISSN 2197–9197
3 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
3 Weitere Beispiele sind einfach zu finden – siehe z. B.: K. Janson,
H. Schomburg & U. Teichler, Wissenschaftliche Wege zur Professur
oder ins Abseits? Strukturinformationen zu Arbeitsmarkt und
Beschäftigung an Hochschulen in Deutschland und den USA,
Kassel: Internationales Zentrum für Hochschulforschung Kassel,
2006, S. 24; E. Berkhout, J. van Leuven, W. Salverda & K. Tijdens,
Beloning van Wetenschappelijk Personeel in Internationaal Perspectief,
Amsterdam: SEO Economisch Onderzoek, 2015, S. 4ff.;
M. Lutter & M. Schröder, Who becomes a tenured professor, and
why? Panel data evidence from German sociology, 1980–2013,
Research Policy 45, 2016, 999‑1013; R. Schürmann, Zwischen
Pluralisierung und Selektion: Die Promotionsphase im Ländervergleich
USA, Frankreich, Deutschland, in: S. Metz-Göckel, R.
Schürmann, K. Heusgen & P. Selent (Hg.), Faszination Wissenschaft
und passagere Beschäftigung: Eine Untersuchung zum
Drop-Out aus der Universität, Opladen: Verlag Barbara Budrich,
2016, 257–290, S. 279; W. Ooms, C. Werker & C. Hopp, Moving up
the ladder: Heterogeneity influencing academic careers through
research orientation, gender, and mentors, Studies in Higher
Education 44, 2019, 1268–1289, S. 1270.
4 R. Kreckel, Karrieremodelle an Universitäten im internationalen
Vergleich Akademie Aktuell 03–2015, 2015, 36–40, S. 37–38; R.
Kreckel, Zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten:
Deutschland im Vergleich mit Frankreich, England, den
USA und Österreich, Beiträge zur Hochschulforschung 38, 2016,
12–40, S. 18.
5 Z. Drozdowicz, Higher Education Institutions in the Process of
Transformation and Modernization: Global and Local Issues,
Zürich: LIT Verlag, 2018, S. 108.
6 B.M. Kehm, Entering academia: Realities for new faculty in
German higher education, in: M. Yudkevich, P.G. Altbach &
L.E. Rumbley (Hg.), Young Faculty in the Twenty-First Century:
International Perspectives, Albany: State University of New York
Press, 2015, 111–139, S. 120; B.M. Kehm, Germany: Unpredictable
career progression but security at the top, in: M.J. Finkelstein &
G.A. Jones (Hg.), Professorial Pathways: Academic Careers in a
Global Perspective, Baltimore: Johns Hopkins University Press,
2019, 21–42, S. 30.
versuchen, es durch eine übervereinfachte und forcierte
Abbildung auf ein völlig andersgeartetes System zu
übersetzen.
II. Pauschalisierende Darstellungen in der Forschungsliteratur
Eine kurze Sichtung neuerer Veröffentlichungen in der
Hochschul- und Wissenschaftsforschung zeigt, dass ausgerechnet
hier manchmal die notwendige Subtilität fehlt
und Autor/innen zu Pauschalisierungen neigen, die die
tatsächliche Situation schlecht widerspiegeln. Ich gebe
hier einige Beispiele um deutlich zu machen, worin die
Problematik besteht.3
In Beiträgen aus 2015 und 2016 erkennt Kreckel die
Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern zwar
an, aber behauptet, dass „[d]ie Hochschullehrerpositionen
am oberen Ende der universitären Laufbahn […] überall
sehr ähnlich strukturiert und deshalb gut vergleichbar“
sind, sodass diese als „archimedischer Punkt“ für die
vergleichende Betrachtung verschiedener Systeme dienen
können.4 Kreckel behauptet, dass in allen Systemen
der Lehrstuhl oder Chair an der Spitze der Hierarchie
steht. Dem Chair dem Rang nach untergeordnet sind die
Senior Lecturer, Reader, Associate Professor sowie W2-
Professuren, so Kreckel. In einer ähnlichen Weise behauptet
Drozdowicz, dass in Deutschland überall die
Funktion des Institutsdirektors oder geschäftsführenden
Leiters durch eine/n W3-Professor/in erfüllt wird und
die W1- und W2-Professuren als Hilfspersonal („socalled
auxiliary academic staff“) der W3-Professur hierarchisch
untergeordnet sind.5 Und Kehm behauptet in
neueren Arbeiten explizit, dass die deutsche Juniorprofessur
mit einer Assistant Professorship, die W2-Professur
mit einer Associate Professorship und die W3-Professur
mit einer Full Professorship und „chair holder“ vergleichbar
wären. Dabei geht Kehm sogar so weit zu behaupten,
dass die W2-Professur die funktionale Äquivalente der
Associate Professorship wäre.6
Diese Beispiele enthalten mehrere problematische
Behauptungen, die ich zunächst nur hervorhebe und
dann in den nächsten Abschnitten dieses Aufsatzes weiter
vertiefen werde. So ist Kreckels Behauptung, dass an
der Spitze der Hierarchie überall der Lehrstuhl oder
Chair steht, faktisch unrichtig. In den USA, z. B., haben
die meisten Full Professors keinen Chair inne und können
umgekehrt Associate Professors und sogar Assistant
Professors einen Chair innehaben. Und auch in Deutschland
haben sehr viele W3-Professor/innen keinen Lehrstuhl
inne. Darüber hinaus ist die Suggestion, dass es
sich beim Unterschied zwischen W2- und W3-Professuren
um eine Rangabstufung handeln würde, problematisch,
weil sie sich nicht mit der Tatsache verträgt, dass es
an deutschen Universitäten (mit sehr wenigen Ausnahmen)
keine Professorenlaufbahn gibt, die in gut definierten
Beförderungsschritten von einem niedrigen Rang
über Zwischenränge zum höchsten akademischen Rang
führen würde. Ein solches Beförderungssystem, in dem
Personen auf der Basis von Leistung und Erfahrung zu
einer höheren Position bei dem gleichen Arbeitgeber
aufsteigen, ist allerdings eine Voraussetzung für die Existenz
von Rängen. Ein solcher Aufstieg ist z. B. im USAmerikanischen
System explizit vorgesehen, in Deutschland
allerdings fast überall explizit ausgeschlossen.
Weiterhin ist die von Kehm behauptete funktionale
Äquivalenz nicht gegeben. Wenn W2-Professor/innen
ihrer Funktion nach mit Associate Professors äquivalent
sein sollen, ist die Frage, welches System dabei überhaupt
als Referenzsystem genommen ist. Es gibt Assistant,
Associate und Full Professors in den USA, aber es
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 3 5
gibt sie auch in Großbritannien, in Australien, in Kanada,
in den Niederlanden, in Dänemark, und in vielen anderen
Ländern. Und der Dreisatz bezeichnet sehr unterschiedliche
Stellenarten in den verschiedenen Systemen,
wobei es oft innerhalb eines Systems noch Unterschiede
zwischen einzelnen Universitäten gibt. Auch wird nirgends
erwähnt, in welchen Aspekten eine Ähnlichkeit
zwischen dem Dreisatz W1-/W2-/W3-Professur und
dem Dreisatz Assistant-Associate-Full Professor bestünde
und in welchen Aspekten die Ebenen nicht vergleichbar
wären. Es bleibt außerdem unklar, worin die angebliche
funktionale Äquivalenz zwischen W2-Professuren und
Associate Professorships, von der Kehm spricht, bestehen
soll. Was ist denn eigentlich die Funktion von deutschen
W2-Professor/innen im Unterschied zu der Funktion aller
W3-Professor/innen? Haben denn überhaupt alle
W2-Professor/innen deutschlandweit die gleiche Funktion
und ist diese deutlich von der Funktion von W3-
Professuren abgetrennt? (Die Antwort ist: nein.) Was ist
eigentlich die Funktion aller Associate Professors in den
USA und wie ist diese von der Funktion aller Full Professors
abgegrenzt? Gibt es dort überhaupt einen funktionalen
Unterschied? (Die Antwort ist wieder: nein.) Und
was ist überhaupt die Begründung von Kehms Behauptung
einer funktionalen Äquivalenz zwischen W2-Professuren
und Associate Professors – wo sind denn die empirischen
Belege?
Der niederländische Bericht von Berkhout et al. ist
ein eklatantes Beispiel solcher pauschalisierenden Aussagen,
die das komplizierte deutsche System zu stark vereinfacht
und z. T. fehlerhaft darstellen.7 So behaupten die
Autoren fälschlicherweise, dass der normale Karrierepfad
die Beförderung vom W1-Juniorprofessor zum
W2-Professor beinhaltet.8 Auch behaupten sie, dass die
Amtsbezeichnung auf der W2-Stufe ‚außerordentlicher
Professor‘ und die auf der W3-Stufe ‘ordentlicher Professor‘
ist, obwohl diese Amtsbezeichnungen schon seit der
Novellierung des Hochschulrahmengesetzes in 1976 keine
rechtliche Bedeutung mehr haben (mit Bayern als
Ausnahme) und sowohl de jure als auch de facto nicht
mehr existieren.9 Darüber hinaus waren außerordentliche
Professuren den ordentlichen Professuren nie akademisch
untergeordnet. Außerordentliche Professuren waren
zwar oft den (von ordentlichen Professor/innen besetzten)
Lehrstühlen zugeordnet, hatten meist selbst keine
Lehrstühle inne (obwohl schon seit den 1930er Jahren
vielerorts außerordentliche Lehrstühle eingerichtet wurden,
deren Inhaber als Extraordinarius ihren Lehrstuhl
innehatten) und hatten korporationsrechtlich etwas weniger
Gestaltungsmacht in der Universität als die ordentlichen
Professuren. Aber sie standen in akademischer
Hinsicht neben den ordentlichen Professuren als Professuren
mit dem gleichen akademischen Status. (Die ordentliche
Professur hatte zwar organisatorisch das Sagen
in der Lehrstuhlgruppe oder im Institut, hatte akademisch
allerdings keinen höheren Rang als die außerordentliche
Professur.)
Solchen pauschalen Abbildungen gegenüber stehen
Autoren, die anerkennen, dass es keinen hierarchischen
oder funktionalen Unterschied zwischen W2- und W3-
Professuren gibt und ‚W2‘ und ‚W3‘ lediglich Besoldungsgruppen
bezeichnen.10 Manche Autor/innen setzen
dabei sowohl die W2- als auch die W3-Professur mit
der Full Professorship im anglo-amerikanischen System
gleich. Diese Beispiele sind insofern der tatsächlichen Situation
besser angemessen als die oben kritisierten Beispiele,
als sie den akademischen Status explizit von der
Besoldungsgruppe trennen.11
In den folgenden Abschnitten werde ich meine Kritik
vertiefen, indem ich erst das deutsche System und dann
einige ausländische Systeme näher beleuchte.
III. Das deutsche akademische System im Vergleich
Schon bei einer sehr kurzen Google-Suche nach englischsprachigen
Anzeigen für in Deutschland ausgeschriebene
Professuren ist eine überraschend große
Diversität zu finden.12 Es gibt Ausschreibungen für Assis-
7 Berkhout et al. (Fn. 3).
8 Berkhout et al. (Fn. 3), S. 5.
9 Dazu: U. Karpen, Akademische Grade, Titel, Würden, in: C. Flämig,
V. Grellert, O. Kimminich, E.-J. Meusel, H.H. Rupp, D. Scheven,
H.J. Schuster & F. Graf Stenbock-Fermor (Hg.): Handbuch
des Wissenschaftsrechts, Band 1, Berlin: Springer-Verlag, 1982,
854–875, S. 865; R. Richter, Studium und Lehre der Wirtschaftswissenschaften:
Westdeutschland nach 1945, Tübingen: Mohr Siebeck,
2018, S. vii; F. Becker, Akademisches Personalmanagement,
Band 1: Grundlagen des Personalmanagements an Hochschulen,
Münster & New York: Waxmann, 2019, S. 114.
10 O. Hüther & G. Krücken, Higher Education in Germany – Recent
Developments in an International Perspective, Cham: Springer,
2018, S. xii, 196; A. Gstöttner, Hochschulkarrieren in Deutschland
und Skandinavien: Eine qualitative Untersuchung der
Erziehungswissenschaft unter Genderperspektive, Wiesbaden:
Springer VS, 2014: 49; S.A. Alawi, R. Luketina, N. Krezdorn, L.F.
Busch, A. Limbourg, L. Branski, P.M. Vogt & A. Jokuszies, How to
become a medical professor – a comparative analysis of academic
requirements in Germany and the United States, Innovative
Surgical Sciences 4, 2019, 108–115, S. 110, 113.
11 Außerdem muss hervorgehoben werden, dass die Besoldungsgruppe
W2 auch für Hochschuldozenturen ohne Professorentitel
gilt (Gstöttner, S. 49) und dementsprechend als solche überhaupt
keine akademische Statusebene definieren kann. Auch Forschungsgruppenleiter/
innen in Max-Planck-Instituten werden
nach W2 bezahlt ohne eine Professur innezuhaben.
12 Der Kürze wegen werden hier keine Fundstellen der Stellenanzeigen
angegeben. Alle erwähnten Anzeigen sind jedoch beim Autor
dieses Aufsatzes verfügbar.
3 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
tant Professors in der Besoldungsgruppe W1, Associate
Professors in der Besoldungsgruppe W2 sowie Full Professors
in der Besoldungsgruppe W3, welche die hier kritisierte
Abbildungspraxis zu bestätigen scheinen. Aber
auch Ausschreibungen für Full Professors in der Besoldungsgruppe
W2 sowie Full Professors, die abhängig von
der bisherigen Erfahrung und Leistung in der Besoldungsgruppe
W2 oder W3 eingestellt werden können,
sind in einer großen Anzahl zu finden. Vereinzelt findet
man sogar Ausschreibungen für Associate Professors in
der Besoldungsgruppe W1 und Assistant Professors in
der Besoldungsgruppe W2. Diese Praxis ist nur verständlich
wenn ein deutlicher Unterschied zwischen den
Ämtern (Juniorprofessor/in, Professor/in an einer Fachhochschule,
Universitätsprofessor/in usw.) und den
Planstellen (der Besoldungsgruppen W1, W2 und W3)
gemacht wird.
Auffällig ist weiterhin, dass Erfahrung und Leistung
in Deutschland nicht immer maßgeblich sind für die Besoldungsstufe
(sodass nicht gesagt werden kann, dass
W3-Professuren generell eine höhere Seniorität haben
als W2-Professuren). So hat die Universität Freiburg 2020
eine Full Professorship (W3) for Epistemology and Theory
of Science ausgeschrieben und dabei spezifiziert, dass
„This professorship is particularly suitable for highly
qualified early career researchers.“ Eine Full Professorship
im anglo-amerikanischen Sinne wäre jedoch niemals
für Nachwuchswissenschaftler/innen geeignet –
eine Full Professorship erreicht man in diesem System
frühestens mid-career und ausschließlich auf der Basis
langjähriger Erfahrung sowie Leistungen in Lehre und
Forschung. In den USA fängt man meistens unmittelbar
nach der Promotion als Assistant Professor in einem
Laufbahnsystem (dem tenure track oder tenure stream)
an. Nach mehreren Jahren (typischerweise sechs Jahren,
manchmal früher) kann man mit einem umfangreichen
Dossier aller Lehr‑, Forschungs- und Selbstverwaltungstätigkeiten
tenure beantragen („going up for tenure“), die
eine feste Anstellung mit einer Beförderung zum Associate
Professor beinhaltet. Danach kann man nach einer
weiteren Wartezeit von mehreren Jahren den gleichen
Prozess noch einmal durchmachen („going up for full“)
um zum Full Professor befördert zu werden.
Während also W3-Professuren in einigen Fällen als
Einstiegsprofessuren für Nachwuchswissenschaftler/innen
konzipiert sind, ist umgekehrt die Juniorprofessur
nicht mit dem Assistant Professor vergleichbar. Während
im Regelfall die Stelle als Assistant Professor unmittelbar
nach der Promotion folgt, wird von angehenden Juniorprofessoren
oft eine mehrjährige Lehr- und Forschungserfahrung
erwartet. So schrieb die Universität Hamburg
Anfang 2020 eine Juniorprofessur (W1) für Infektionsbiologie
aus. Im Ausschreibungstext ist zu lesen: „Von
den Bewerberinnen und Bewerbern werden internationale
wissenschaftliche Erfahrungen sowie Erfahrungen
in der Einwerbung und Durchführung von Drittmittelprojekten
erwartet.“ Die Universität Magdeburg schrieb
Anfang 2020 eine Juniorprofessur (W1) für Entzündung
und Immunmetabolismus aus und spezifizierte im Ausschreibungstext,
dass „der Abschluss der Promotion […]
nicht länger als 5 Jahre und nicht weniger als 2 Jahre zurückliegen“
solle. Auch wird spezifiziert: „Der/Die erfolgreiche
Bewerber/-in sollte exzellente Publikationen
im Forschungsfeld vorweisen und bereits erfolgreich
kompetitive Fördermittel eingeworben haben. Er/Sie
sollte mindestens 2 Jahre Postdoktorandenerfahrung in
einem internationalen bzw. kompetitiven nationalen Labor
vorweisen können“. Und die Universität Trier spezifizierte
Anfang 2020 in einer Ausschreibung einer Juniorprofessur
(W1) für allgemeine und angewandte Phonetik:
„Über den durch die Dissertation gesetzten Schwerpunkt
hinaus muss die Beschäftigung mit einem weiteren
Bereich der angewandten Phonetik wie beispielsweise
Soziophonetik oder kontrastive Phonetik z.B. durch Publikationen,
Projekte oder Projektanträge nachgewiesen
werden.“ In allen drei Fällen werden Erfahrungen und
Leistungen erwartet, die deutlich über die einer Promotion
hinausgehen und eine mehrjährige Tätigkeit auf einer
Postdoktorandenstelle erfordern.
Der Logik der hier kritisierten Abbildungspraxis folgend,
müsste der Status des Associate Professors mit dem
Status des Privatdozenten sowie dem Status des erfolgreich
zwischenevaluierten Juniorprofessors übereinstimmen.
Der Schritt vom Assistant zum Associate Professor
beinhaltet ja eine Evaluation, die feststellen soll, ob
man „das Zeug zum Professor“ hat. Aber wenn die Juniorprofessur
pre-Evaluation nicht mit dem Assistant Professor
vergleichbar ist, kann die Juniorprofessur post-
Evaluation auch nicht mit dem Associate Professor verglichen
werden. Außerdem erhalten erfolgreich zwischenevaluierte
Juniorprofessoren/innen in den meisten Fällen
keine feste Stelle – dies im Gegensatz zu Associate
Professors.
Tenure track-Systeme sind leider in Deutschland
noch immer die Ausnahme und dort wo es sie gibt, folgen
sie meistens nicht einem linearen Beförderungspfad
W1-W2-W3. Wenn Juniorprofessuren mit tenure track
ausgeschrieben werden, erfolgt das tenure manchmal auf
eine W2-Professur, manchmal auch auf eine W3-Professur.
Und wenn das tenure auf eine W2-Professur erfolgt,
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 3 7
gibt es danach grundsätzlich keinen weiteren Beförderungsschritt
auf einer W3-Professur mehr: Der Schritt
zu einer W3-Professur muss im Regelfall über den Weg
der Wegbewerbung und Bleibeverhandlungen erlangt
werden, sodass die Erlangung einer W3-Professur nicht
nur von der persönlichen Erfahrung und Leistung abhängig
ist (wie dies im anglo-amerikanischen System explizit
der Fall ist) sondern auch von der zufälligen Lage
auf dem akademischen Arbeitsmarkt. Wissenschaftler/
innen in Fächern, in denen sehr wenig W3-Professuren
ausgeschrieben werden, haben dadurch oft einen systematischen
Karrierenachteil im Vergleich zu Wissenschaftler/
innen in Fächern mit vielen verfügbaren
W3-Professuren.
Vorreiterin bei der Einrichtung eines tenure track-
Systems ist in Deutschland die TU München. Das dort
eingeführte Modell umfasst – genau wie das anglo-amerikanische
Vorbild – den Dreisatz Assistant-Associate-
Full Professor und sieht nach sechs Jahren eine leistungsbasierte
Beförderung von der Assistant Professorship auf
eine Associate Professorship vor, die nach weiteren sechs
Jahren bei ausreichender Leistung zu einer Beförderung
zum Full Professor führen kann.13 Dabei gilt ein „up or
out“-Modell: Bei ausreichender Leistung wird man befördert,
bei nicht ausreichender Leistung muss man gehen.
Die TU München selbst spricht von „einem gestuften
leistungskontrollierten Karrieresystem“, in dem allerdings
Assistant Professors in die Besoldungsgruppe W2
und die Associate und Full Professors beide in die Besoldungsgruppe
W3 eingestuft werden.14
Das „Potsdamer Modell“ implementiert den Dreisatz
W1-W2-W3 auch als eine gestufte Laufbahn.15 Dabei gilt
ein „up or out“-Modell für die Evaluation und ggf. Beförderung
vom W1-Professor zum W2-Professor, aber nicht
für den Schritt vom W2-Professor zum W3-Professor.16
Für den Kontext dieses Aufsatzes ist die folgende Anmerkung
zum Potsdamer Modell interessant:
„Für den Wechsel von W2 nach W3 ohne externen Ruf ist
eine Änderung des brandenburgischen Hochschulgesetzes
notwendig. Eine entsprechende Änderung wurde
beantragt, stößt bei der Landesverwaltung aber auf
grundsätzliche Bedenken, weil die Professur nicht als
Laufbahnamt angesehen wird. Bis zur gewünschten Neuregelung
planen wir das Modell über eine Hilfskonstruktion
umzusetzen, in der die W2-Phase ersetzt wird durch
eine Phase, in der der Stelleninhaber eine W3-Stelle erhält,
die nach W3-Basisgehalt ohne Zulagen besoldet ist
und sich in ihrer Personal- und Sachausstattung an einer
W2-Stelle orientiert.“17
Diese Anmerkung zeigt besonders deutlich, dass die
deutsche Professur im Gegensatz zur anglo-amerikanischen
Professorship explizit nicht als Laufbahnamt konzipiert
ist. Dementsprechend können Bezeichnungen
wie ‚Juniorprofessor‘, ‚Universitätsprofessor‘, ‚W2-Professor‘
usw. im allgemeinen nicht als akademische Ränge
oder Dienstgrade aufgefasst werden. Ränge bzw. Dienstgrade
setzen ein Karrieresystem voraus, das Beförderungen
zu höheren Rängen/Dienstgraden auf der Basis von
klar definierten Leistungen oder Erfahrung vorsieht.
Nur die in Deutschland bereits etablierten tenure track-
Systeme sind solche Karrieresysteme. Außerdem zeigt
die im Zitat genannte „Hilfskonstruktion“, dass Karrierestufe
und Planstelle/Besoldungsgruppe nicht notwendigerweise
zusammengehen: behelfsmäßig kann eine
„nackte“ W3-Stelle als W2-Stelle hinhalten.
Der Wissenschaftsrat hat 2014 Empfehlungen veröffentlicht,
in denen die breite Einführung eines „echten“
tenure track-Systems in Deutschland (im Unterschied zu
lediglich Ausnahmen vom Hausberufungsverbot) empfohlen
wird.18 Auch in diesen Empfehlungen ist eine
deutliche Trennung zwischen akademischem Status und
Besoldungsstufe sichtbar. Der Wissenschaftsrat empfiehlt
ein vierstufiges Karrieresystem bestehend aus einer
Promotionsphase, einer Postdoc-Phase, einer Phase der
befristeten tenure-track Professur (vergütet nach W1
oder W2) und letztlich einer Phase der unbefristeten
Professur (vergütet nach W2 oder W3).19 Die Vergütungsstufen
sind dabei innerhalb der Karrierestufen
nicht mit Unterschieden in Ämtern oder Funktionen
verbunden, sondern mit „bereits erbrachten wissenschaftlichen
Leistungen, Nachfrage und Standort“.20
Die/der Inhaber/in einer befristeten Professur auf der
13 TUM Berufungs- und Karrieresystem – Statut zum Qualitätsmanagement,
München: Technische Universität München, 2012; W.A.
Herrmann, Tenure track: The royal road to professorship?, Angewandte
Chemie 52, 2013, 4700–4701; D. Hrzán, Under construction?!
– Akademische Personalentwicklung als Bestandteil aktiver
Personalpolitik an Hochschulen, in: A. Keller, D. Pöschl & A.
Schütz (Hg.): Baustelle Hochschule: Attraktive Karrierewege und
Beschäftigungsbedingungen gestalten, Bielefeld: W. Bertelsmann
Verlag, 2013, 69–82; K. Zimmermann, Blick über den Tellerrand:
Karrierewege in der Wissenschaft im internationalen Vergleich,
in: A. Keller, D. Pöschl & A. Schütz (Hg.): Baustelle Hochschule:
Attraktive Karrierewege und Beschäftigungsbedingungen
gestalten, Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, 2013, 39–52, S. 44;
Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 115.
14 TUM Berufungs- und Karrieresystem (Fn. 13), S. 5.
15 O. Günther & R. Seckler, Tenure-Track nachhaltig – Das Potsdamer
Modell, Forschung & Lehre 2/2014, 114–115
16 Bei einer negativen Evaluation bleibt die Person auf der W2-
Lebenszeitstelle.
17 Günther & Seckler (Fn. 15), S. 115, Hervorhebung hinzugefügt.
18 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 14.
19 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 10–14, 18, 49.
20 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 12.
3 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
dritten Stufe der Karriereleiter kann also je nach persönlicher
Leistung, Situation auf dem Arbeitsmarkt im betreffenden
Fach und Situation am Standort in eine niedrigere
oder auch höhere Besoldungsgruppe eingestuft
werden, und das Gleiche gilt für die/der Inhaber/in einer
Lebenszeitprofessur auf der vierten Stufe der Karriereleiter.
Die Besoldungsstufe definiert dabei weder eine Karrierestufe
noch ein Amt oder eine Funktion.
Außerdem wird die vierstufige Leiter explizit als Karriereweg
zur – undifferenzierten – Lebenszeitprofessur
verstanden. Die vier Stufen entsprechen dabei den durch
die EU definierten research career stages, wobei die Phase
der befristeten tenure-track Professur („Bewährungsphase“)
der career stage R3 („established researcher“) und
die Phase der unbefristeten Professur der career stage R4
(„leading researcher“) entsprechen.21 Weil die Besoldungsgruppe
W2 sowohl für die dritte als die vierte Stufe
gelten kann, kann sie keine Stufe definieren (es kann
W2-Professor/innen geben, die sich noch formell bewähren
müssen, und solche, die sich bereits bewährt haben
und in die vierte Stufe einzuordnen sind). Nebenbei
bemerkt würde der Vorschlag des Wissenschaftsrats den
derzeit noch existierenden Umstand ändern, dass sich
der akademische Status von Juniorprofessor/innen
durch die Zwischenevaluation (in der die Bewährung als
Hochschullehrer/in formell festgestellt wird) in den
meisten Fällen nicht ändert: Man bleibt Juniorprofessor/
in und erfüllt lediglich die Voraussetzungen für die Berufung
auf eine Lebenszeitprofessur.
Festzuhalten ist, dass W1, W2 und W3 gesetzlich festgelegte
Besoldungsstufen für verbeamtete Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer sind – nicht mehr und
nicht weniger. Sie werden in keinen Gesetzestexten oder
Ordnungen als akademische Ränge bzw. Dienstgrade,
Ämter, Titel o. ä. benannt und sind in dieser Hinsicht
schlichtweg nicht auf anglo-amerikanische academic
ranks abbildbar.
Juristisch ist die Lage allerdings etwas komplizierter.
Erstens sind die akademischen Titel von sowohl den
Ämtern als auch den Planstellen zu unterscheiden: Nach
der Rufannahme folgen z. B. die beurkundete Ernennung
zum/zur Universitätsprofessor/in, die Verleihung
des Titels ‚Professor/in‘ (die nicht separat beurkundet
wird, aber separat im jeweils geltenden Hochschulgesetz
festgelegt ist; die Führung des Titels ist oft unter bestimmten
Voraussetzungen nach dem Ausscheiden aus
dem Amt noch erlaubt) sowie die Einweisung in eine
Planstelle einer bestimmten Besoldungsgruppe. Dabei
ist der Unterschied zwischen dem Professorenamt im
korporationsrechtlichen Sinn, im statusrechtlichen Sinn
und im funktionellen Sinn relevant.22
Korporationsrechtlich gibt es seit 1976 nur einen einheitlichen
Professorenbegriff, d. h., als Mitglieder ihrer
Fakultät und ihrer Hochschule haben alle Professor/innen
den gleichen akademischen Status.23 Statusrechtlich
(d. h. dienstrechtlich) gibt es rein formal eine Differenzierung
zwischen W1‑, W2- und W3-Professuren, da
dienstrechtlich ein Amt „nach allgemeinem Beamtenrecht
durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahngruppe,
das Endgrundgehalt und die Amtsbezeichnung bestimmt
[wird]. Dabei kann ein Amt unter einer Amtsbezeichnung
mehreren Besoldungsgruppen zugeordnet
sein“.24 Da die Laufbahngruppe für alle Professor/innen
die gleiche ist (die Laufbahngruppe ist der höhere
Dienst), ergeben sich die Ämter aus den möglichen
Kombinationen der Amtsbezeichnungen (‚Professor als
Juniorprofessor‘, ‚Universitätsprofessor‘, ‚Professor an einer
Fachhochschule‘ usw.) mit den Besoldungsgruppen.
Rein dienstrechtlich gibt es dementsprechend einen Unterschied
zwischen W2-Universitätsprofessuren und
W3-Universitätsprofessuren (und auch zwischen W2-
Universitätsprofessuren und W2-Professuren an einer
Fachhochschule, usw.), der sich manchmal in einem unterschiedlichen
Recht auf eine bestimmte Anzahl von
Mitarbeiterstellen und eine bestimmte Bürogröße
manifestiert.
Allerdings ist diese Differenzierung nicht akademisch
relevant, da sie nicht mit einem Unterschied in
21 Wissenschaftsrat (Fn. 1), S. 60; für die research career stages, siehe
European Commission (DG for Research & Innovation), Towards
a European Framework for Research Careers, 21. Juli 2011, Brüssel:
Europäische Kommission; Webseite des Mobility Patterns and
Career Paths of EU Researchers-Projekts, https://www.more3.eu/
indicator-tool/career-stages-r1-to-r4 (Aufgerufen am 09.07.2020).
22 D. Scheven, Die Ausgestaltung des Rechts der Professoren, in:
C. Flämig, V. Grellert, O. Kimminich, E.-J. Meusel, H.H. Rupp,
D. Scheven, H.J. Schuster & F. Graf Stenbock-Fermor (Hg.):
Handbuch des Wissenschaftsrechts, Band 1, Berlin: Springer-
Verlag, 1982, 423–452; H. Detmer, Das Recht der (Universitäts-)
Professoren, in: H. Detmer & M. Hartmer (Hg.): Hochschulrecht:
Ein Handbuch für die Praxis (3. Auflage), Heidelberg: C.F. Müller,
2017, 139–240, S. 217–218.
23 Scheven (Fn. 22), S. 427; Karpen (Fn. 9), S. 866.
24 Scheven (Fn. 22), S. 428.
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 3 9
akademischer Qualifikation, akademischer Funktion,
akademischen Rechten oder akademischen Pflichten
verbunden ist. Wie Scheven schreibt:
„Nach der Regelung des HRG ist eine dienstrechtliche
Differenzierung der Professoren aufgrund der statusrechtlichen
Stellung mit dem Gleichheitsgrundsatz
nicht mehr vereinbar, denn die Professoren erfüllen gleiche
Einstellungsvoraussetzungen und nehmen gleiche Aufgaben
wahr. […] Soweit solche Differenzierungen auf anderen
Rechtsgebieten noch bestehen […] werden sie
aufgrund des Professorenrechts des HRG aufgehoben
werden müssen. Damit ist das Professorenrecht […] unbeschadet
funktioneller Differenzierungen nach den
Hochschulaufgaben im statusrechtlichen Sinne
einheitlich“.25
Obwohl Scheven diese Sätze bereits lang vor der Einführung
der W‑Besoldung und der Juniorprofessur schrieb,
gilt der Gleichheitsgrundsatz nach wie vor: Weil alle
Professor/innen die gleiche Qualifikation vorweisen
müssen und die gleichen Aufgaben zu erfüllen haben,
müssen sie auch alle den gleichen akademischen Status
besitzen.
Hervorgehoben werden muss erstens, dass mit den
funktionellen Differenzierungen in Schevens Zitat explizit
nicht einen Unterschied zwischen einer allgemeinen
Funktion von W2-Professuren und einer allgemeinen
Funktion von W3-Professuren gemeint wird. Ein solcher
Unterschied existiert nach dem Gleichheitsgrundsatz ja
nicht: Beide haben als Professuren die gleiche Funktion.
Gemeint sind vielmehr Unterschiede in den Aufgaben
„vor Ort“ zwischen sog. abstrakt-funktionellen Ämtern
(z. B.: Professor an der Universität X, Professor an der
Kunsthochschule Y usw.) und konkret-funktionalen
Ämtern (z. B.: Professor für theoretische Philosophie an
der Universität X, Professor für Festkörperphysik an der
Universität Y usw.).26 Hier geht es also um konkrete Rollen
an bestimmten Institutionen, die funktional sehr unterschiedlich
sein können, und nicht um generelle funktionale
Unterschiede, die zwischen W2-Professuren und
W3-Professuren bestehen würden.27
Zweitens muss der Qualifikationsaspekt hervorgehoben
werden. Scheven weist darauf hin, dass alle Professor/
innen die gleichen Einstellungsvoraussetzungen erfüllen
– d. h. die gleiche Qualifikation vorweisen – müssen.
Dies ist im Einklang mit dem im Grundgesetz festgelegten
Leistungsprinzip. Für Universitätsprofessuren
gelten unabhängig von der Besoldungsstufe die gleichen
Voraussetzungen bezüglich Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung, sodass die Besoldungsstufen nicht
generell Unterschiede in der Leistung zum Ausdruck
bringen können.28 Umgekehrt gelten für W2-Professuren
an einer Fachhochschule und für W2-Universitätsprofessuren
unterschiedliche Voraussetzungen (FH-Professuren
setzen Erfahrungen in der Berufspraxis voraus),
sodass auch hier die Besoldungsstufe nicht die fachliche
Leistung abbildet. Diesbezüglich besteht auch ein deutlicher
Unterschied mit dem anglo-amerikanischen System,
in dem beide Beförderungsschritte (vom Assistant
Professur zum Associate Professor zum Full Professor) auf
eine Leistungsbeurteilung beruhen. Sowohl für die Beförderung
vom Assistant Professur zum Associate Professor
als auch für die Beförderung zum Full Professor müssen
wissenschaftliche Leistungen in einem Umfang und
einer Qualität erbracht sein, die eine bestimmte Seniorität
(und damit einen akademischen Status) begründen.
Eine solche Leistungsbeurteilung findet im deutschen
System jedoch nur einmal statt, nämlich bei der Zwischenevaluation
der Juniorprofessor, der Habilitation
(verbunden mit der Ernennung zum Privatdozenten
oder der Verleihung des Titels ‚Dr. habil.‘) oder der Erstberufung
auf eine Professur (unter der Voraussetzung
der Habilitation oder habilitationsäquivalenter Leistungen).
In allen drei Fällen geht es um die Feststellung, dass
ein/e Kandidat/in wissenschaftliche Leistungen in einem
Umfang und einer Qualität erbracht hat, die einer bestimmten
fachlichen Seniorität (nämlich der Seniorität
der Professur) entsprechen. Weil es im deutschen System
nur einen solchen Qualifikationsschritt gibt, der gleichermaßen
für W2- und W3-Professuren qualifiziert,
kann ein entsprechender Status- oder Senioritätsunterschied
zwischen W2- und W3-Professuren auch nicht
begründet werden. Die deutschen Besoldungsstufen
sind dementsprechend für den internationalen Vergleich
ohne Relevanz.
25 Scheven (Fn. 22), S. 428; Kursivsetzung eingefügt.
26 Scheven (Fn. 22), S. 429; Karpen (Fn. 9), S. 863–864.
27 Dieser kurze juristische Exkurs zeigt, dass Kehms in Abschnitt
II erwähnte Pauschalbehauptung, dass W2-Professuren mit
Associate Professorships funktional äquivalent seien, nicht mit der
Rechtslage übereinstimmt und völlig fehlgeleitet ist. Wenn es um
Professorenämter geht, ist der funktionale Unterschied vielmehr
mit den Ämtern ‚Professor als Juniorprofessor‘, ‚Universitätsprofessor‘,
‚Professor an einer Fachhochschule‘ usw. verbunden. So
gibt z. B. es keinen funktionalen Unterschied zwischen einer nach
W2 vergüteten Universitätsprofessur und einer nach W3 vergüteten
Universitätsprofessur, aber wohl zwischen einer nach W2
vergüteten Professur an einer Fachhochschule und einer nach W2
vergüteten Universitätsprofessur. Das Amt, nicht die Vergütung,
macht den Unterschied.
28 Art. 33 Abs. 2 GG. Persönliche Leistungen können dementsprechend
auch nicht durch eine ad hoc Beförderung von einer W2-
Professur zu einer W3-Professur honoriert werden, aber werden
durch Leistungszulagen honoriert.
4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
Mit Hinblick auf eine Abbildung der deutschen Situation
auf die drei anglo-amerikanischen academic ranks
müsste außerdem zuerst bestimmt werden, was es abzubilden
gilt: das eine, einheitliche Professorenamt; die
drei Besoldungsgruppen (die selbst keine Ämter sind),
die Ämter, die sich aus den möglichen Kombinationen
der Amtsbezeichnungen mit den Besoldungsgruppen
ergeben (auf jeden Fall mehr als drei); die (sehr vielen)
abstrakt-funktionelle Ämter; oder die (auch sehr vielen)
konkret-funktionelle Ämter. Ein Argument für eine bestimmte
Wahl fehlt bislang.
Erwähnt werden muss, dass für statistische Zwecke
manchmal ein hierarchischer Unterschied zwischen
W2- und W3-Professuren auf Basis von Seniorität gemacht
wird. Die von der Europäischen Kommission
jährlich herausgegebenen She Figures-Berichte zur Genderverteilung
in akademischen Funktionen sind ein einschlägiges
Beispiel. Dabei wird eine vierstufige Einteilung
von Funktionen verwendet. Die höchste Stufe (grade
A) ist definiert als die höchste Position oder Stelle, in
der Forschung betrieben wird, und die zweithöchste Stufe
(grade B) als die Gruppe der Forschenden in Positionen
mit weniger Seniorität als die höchste Position (A),
aber mit höherer Seniorität als neu promovierte Forschende.
29 Während grade A für Deutschland lediglich
die W3- und C4-Professuren umfasst, ist grade B ein
Sammelbecken für alle Stellenarten zwischen der ersten
Stelle unmittelbar nach der Promotion (grade C) und der
Position mit der höchsten Seniorität. Allerdings lässt
sich diese Einteilung dahingehend kritisieren, dass mangels
einer „Karriereleiter“, die einen Aufstieg durch Erfahrung
von der W2-Ebene auf die W3-Ebene ermöglichen
würde, einen Senioritätsunterschied zwischen den
Ebenen nicht sinnvoll gemacht werden kann. Außerdem
sind die Besoldungskategorien W2 und W3 weder de
jure noch de facto mit Seniorität oder Erfahrung verbunden:
Besoldungsrechtlich sind keine Erfahrungsstufen in
der W‑Besoldung spezifiziert und in der Praxis gelten
auch keine unterschiedlichen Erfahrungsanforderungen
für W2- und W3-Professuren.30 Auch muss diesbezüglich
erwähnt werden, dass die She Figures-Berichte alle
Gastprofessuren pauschal in grade B eingeordnen (wobei
She Figures 2012 explizit die Besoldungsgruppen W3 und
W2 für Gastprofessuren in grade B erwähnt, die letzte
Ausgabe, She Figures 2019, allerdings nicht). Dies ist zumindest
merkwürdig, weil Gastprofessuren oft dazu dienen,
herausragende und etablierte Wissenschaftler/innen
für einen bestimmten Zeitraum an eine Universität
zu holen. So wird z. B. die Leibniz-Professur an der Universität
Leipzig „an besonders renommierte und vorwiegend
internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
vergeben und gehört zu den höchsten Auszeichnungen
unserer Universität“.31 Wie ein solcher Status
mit einer niedrigeren Senioritätsstufe als die von
regulären W3-Professuren vereinbar sein soll, ist nicht
ersichtlich.
Festzuhalten ist, dass mit dem Amt einer nach W2
besoldeten Professur genau die gleichen Aufgaben,
Pflichten und Rechte verbunden sind als mit den Amt einer
nach W3 besoldeten Professur. Die Gründe für den
Unterschied in Vergütung zwischen liegen oft darin, dass
nach W3 besoldete Professor/innen oft neben ihrem eigentlichen
Amt als Professor weitere Aufgaben übernehmen,
wie z. B. die Leitung einer Lehrstuhlgruppe, eines
Labors usw., oder ihre Professur für einen besonderen
Zweck geschaffen wurde (z. B. als Gastprofessur für die
Stärkung internationaler Kooperationen oder für die
Stärkung der Verbindungen mit Wirtschaft und Industrie,
als Stiftungsprofessur zur Stärkung eines Lehr- oder
Forschungsgebiets, als Professur mit einer spezifischen
Aufgabe in der Öffentlichkeitsarbeit usw.). Aber diese
Aufgaben sind eben Aufgaben neben dem eigentlichen
Professorenamt, sodass sie keinen Unterschied zwischen
academic ranks begründen können. Wer einen Lehrstuhl
innehat, hat diesen in „Personalunion“ neben der Professur
inne, und wer geschäftsführende Direktorin eines Instituts
ist, ist dies in „Personalunion“ neben der Professur.
Unterschiede in Vergütung können durch solche zusätzliche
Tätigkeiten begründet werden, aber Unterschiede
zwischen academic ranks folgen daraus nicht.
IV. Aspekte ausländischer Systeme
Betrachten wir jetzt den Vergleich mit dem anglo-amerikanischen
System näher. Meistens werden die US-Amerikanischen
Bezeichnungen als international-englischsprachige
Standardbezeichnungen verwendet ohne
dabei explizit auf das akademische System in den USA
zu verweisen. Allerdings impliziert die Verwendung dieser
academic ranks sowie Behauptungen wie die, dass es
29 European Commission, She Figures 2012 – Gender in Research
and Innovation, Luxembourg: Publications Office of the European
Union, 2013, S. 87.
30 Die oben genannte Ausschreibung in Freiburg einer für „highly
qualified early career researchers“ geeignete W3-Professur ist
vielleicht das beste Beispiel in diesem Kontext.
31 Siehe https://www.ral.uni-leipzig.de/unterstuetzung/leibniz-programm/
leibniz-professur/#c137414 (Aufgerufen am 08.07.2020).
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 4 1
funktionale Äquivalenzen zwischen den Stufen in den
verschiedenen Systemen gibt, sehr wohl, dass die Verwendung
englischsprachiger Bezeichnungen eine Verbindung
mit dem US-Amerikanischen System herstellen
soll. Es wird in dieser Praxis stillschweigend angenommen,
dass (1) das amerikanische System als Maßstab
aller anderen akademischen Systeme geeignet wäre und
(2) die Bezeichnungen Assistant Professor, Associate Professor
und Full Professor auch außerhalb des spezifisch
US-amerikanischen Kontexts vollständig klar definiert
werden können. Für (1) fehlt dabei in der Literatur jegliches
Argument. Und bezüglich (2) wird meistens ignoriert,
dass die academic ranks des Assistant, Associate
und Full Professors in einem System eingebettet sind, das
dem deutschen (oder niederländischen, oder französischen,
oder italienischen, oder britischen, oder …) System
kaum entspricht.
Zuerst zu Punkt (1). Ein mögliches Argument dafür,
die Kategorien Assistant, Associate und Full Professor als
maßgebliche Bezugspunkte für die Betrachtung aller
akademischer Systeme weltweit anzusehen, wäre die
weltweite Dominanz der anglo-amerikanischen Wissenschaft.
Man kann dies befürworten oder ablehnen, aber
es lässt sich schlecht leugnen, dass die englischsprachigen
Länder eine führende Rolle in der Wissenschaft einnehmen.
Englisch ist die lingua franca der Wissenschaft,
die internationalen Ranglisten von Universitäten werden
stets von US-Amerikanischen und Britischen Universitäten
angeführt und wenn nach Beispielen für exzellente
Universitäten gefragt wird, werden (zu Recht oder auch
nicht) Institutionen wie Harvard, MIT, Oxford und Cambridge
genannt. Ein Argument ist dies zwar nicht, aber es
ist ein Sachverhalt, der die herausgehobene Stellung des
anglo-amerikanischen Systems vielleicht verständlich
macht.
Allerdings folgt aus dieser Sachlage nicht, dass das
anglo-amerikanische System als weltweiter Standard für
akademische Systeme gelten kann oder soll (Punkt (2)).
Dagegen spricht z. B., dass es das anglo-amerikanische
System gar nicht gibt. Die Kategorien Assistant, Associate
und Full Professor stammen aus dem US-Amerikanischen
System und haben im Kontext dieses Systems sehr
spezifische Bedeutungen. Allerdings werden diese Bezeichnungen
auch an einigen (aber nicht allen) Universitäten
in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland
verwendet, bezeichnen dort allerdings manchmal
andere Kategorien als in den USA. So kannte das
System in Großbritannien schon immer die Professur als
höchste Ebene, aber haben einige Universitäten erst vor
Kurzem die Kategorie Associate Professor eingeführt, die
manchmal statt der älteren Kategorie Reader verwendet
wird, manchmal aber auch statt der Kategorie Senior
Lecturer. Die Kategorie des Assistant Professors gibt es typischerweise
nicht und die Kategorie des Associate Professors
wird auch nur durch eine Minderheit der Universitäten
verwendet.
Auch kennt das US-Amerikanische System noch weitere
ranks, die in der hier kritisierten Abbildungspraxis
typischerweise ignoriert werden. So gibt es unterhalb des
Assistant Professors meistens den Instructor und/oder
Lecturer (innerhalb dieser manchmal Diversifizierungen
wie Senior Lecturer und Master Lecturer), und oberhalb
des Full Professors oft den University Professor, Distinguished
Professor usw. Während die drei Kategorien Assistant
Professor, Associate Professor und Full Professor immer
den Kern des Systems ausmachen, sind die anderen
Kategorien zwischen Universitäten sehr unterschiedlich.
So hat z. B. die Vanderbilt University ein stark diversifiziertes
System, das innerhalb des tenure tracks die akademischen
Titel von University Distinguished Professor, Distinguished
Professor, University Professor, Professor, Associate
Professor, Assistant Professor und Instructor kennt,
sowie außerhalb des tenure tracks noch die Titel von
Principal Senior Lecturer, Senior Lecturer und Lecturer.32
In diesem Beispiel fällt auf, dass der einfache Dreisatz
von Assistant-Associate-Full Professor die tatsächliche
akademische Hierarchie vor Ort stark verkürzt abbildet.
Auch fällt auf, dass statt ‚Full Professor‘ die Bezeichnung
‚Professor‘ verwendet wird.33 Außerdem ist hier ein weiterer
Unterschied zum deutschen System sichtbar: Während
in Deutschland der Unterschied zwischen Universitätsprofessor
und Professor typischerweise ein Unterschied
zwischen Ämtern ist (Professor an einer Universität
bzw. Professor an einer Fachhochschule), ist in den
vereinigten Staaten der Unterschied zwischen University
Professor und Professor ein hierarchischer unterschied
(ein Professor kann aufgrund herausragender Leistungen
zum University Professor ernannt werden).
Der wichtigste Faktor allerdings, der den Vergleich
zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen
System höchst problematisch macht, ist der leistungsbasierte
Aufstieg. Der Normalfall im US-Amerikanischen
tenure track-System beinhaltet die Evaluation der persönlichen
Leistung und die persönliche Beförderung
32 https://www.vanderbilt.edu/faculty-manual/part-ii-appointmentand-
tenure/ch1-academic-titles-at-vanderbilt/ (Aufgerufen am
09.04.2020).
33 Tatsächlich ist ‚Full Professor‘ in den Vereinigten Staaten eher eine
umgangssprachliche Bezeichnung und ist die offizielle Bezeichnung
meistens nur ‚Professor‘.
4 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
ohne dass man dabei mit anderen in Konkurrenz steht
oder von der Verfügbarkeit einer höher vergüteten Planstelle
abhängig wäre. Auch beinhaltet es seitens des Arbeitgebers
eine explizite Absicht der Beförderung bei
ausreichender Leistung. Im deutschen System, hingegen,
konkurriert man mit allen anderen Bewerber/innen um
die eine ausgeschriebene Professur. Es geht dabei nicht
primär um die persönlichen Leistungen der Bewerber/
innen, sondern um Passung zum Profil der ausgeschriebenen
Stelle. Leistung ist in Deutschland zwar eine notwendige
Voraussetzung für das akademische Weiterkommen,
aber (anders als im US-Amerikanischen System)
keine hinreichende Voraussetzung.
Zum Schluss dieser Betrachtung des US-Amerikanischen
Systems möchte ich noch kurz auf den Begriff des
Lehrstuhls eingehen. Wie in Abschnitt II bereits erwähnt,
behauptet Kreckel, dass „[a]n der Spitze […] überall
der auf Lebenszeit besetzte „Lehrstuhl“ oder „Chair““
stünde.34 Kreckel und Zimmermann setzen sogar ‚W3‘
systematisch mit ‚Lehrstuhlinhaber‘ gleich.35 Und auch
die Junge Akademie setzt in ihrem Debattenbeitrag zur
Department- statt Lehrstuhlstruktur die Bezeichnungen
‚W3‘ und ‚Lehrstuhlinhaber‘ gleich, und suggeriert
gleichzeitig eine allgemeine hierarchische Unterordnung
der W1- und W2-Professuren unter den W3-Professuren.
36 Solche pauschalen Gleichsetzungen sind jedoch
irreführend, weil sich die Situation zwischen den einzelnen
Bundesländern und sogar zwischen den einzelnen
Fakultäten innerhalb einer Universität stark unterscheiden
kann. Erstens gibt es heutzutage in Deutschland rein
formell überhaupt keine Lehrstühle mehr und kommt
der Begriff des Lehrstuhls in den Landeshochschulgesetzen
nicht mehr vor. Der Begriff ‚Lehrstuhl‘ wird vielmehr
informell als Bezeichnung für die Organisationseinheit
unter der Leitung einer Professur verwendet, wobei
es sich um eine nach W1, W2 oder W3 vergütete Professur
handeln kann. Institute und Seminare umfassen
oft mehrere Professuren und werden durch einen mehrköpfigen
Vorstand statt einer Professur geleitet, wobei
die Professuren des Instituts (W1, W2 und W3) einander
nebengeordnet sind. Dabei werden oft die thematisch
zentralere Professuren nach W3 vergütet und die thematisch
weniger zentralen Professuren nach W2, aber die
ersteren Planstellen gelten nicht als Lehrstühle in einem
Unterschied zu den letzteren Planstellen. Solche Institute
und Seminare sind zwar keine Departments im Sinne
des Debattenbeitrags der Jungen Akademie, aber sie implementieren
die Organisationsstruktur von Departments
dahingehend, dass alle Juniorprofessuren und
Professuren hierarchisch auf der gleichen Ebene stehen.
Auch in Fällen, in denen sich jemand im Rahmen von
Bleibeverhandlungen von der Besoldungsstufe W2 auf
die Besoldungsstufe W3 „hochverhandelt“, ist mit der
neuen Planstelle kein Lehrstuhl verbunden. Man bleibt
Universitätsprofessor/in und wechselt lediglich die
Besoldungsgruppe.
Darüber hinaus ist der Vergleich mit US-Amerikanischen
Chairs problematisch, weil diese nicht den traditionellen
deutschen Lehrstühlen entsprechen. In den USA
sind Chairs nicht an academic ranks gekoppelt und können
Associate Professors und sogar vereinzelt Assistant
Professors einen Chair innehaben. Ein Chair ist eher mit
einer Planstelle mit besonderer Ausstattung zu vergleichen,
die eine Person unabhängig vom academic rank
befristet oder auch auf Lebenszeit innehaben kann. Es
gibt Chairs die ein bestimmtes unterrepräsentiertes Fach
oder Teilgebiet vertreten sollen, es gibt Chairs für spezifische
Forschungszwecke (ohne Lehrverpflichtung), es
gibt Chairs zur Förderung des Nachwuchses (die dann
auch durch Assistant Professors besetzt werden können),
es gibt Stiftungsprofessuren (Named Chairs oder Endowed
Chairs) usw. Es gibt dementsprechend Full Professors
mit Chair, Full Professors ohne Chair (und das ist der
Normalfall für Full Professors in den USA), Associate
Professors mit Chair usw. Auch kommt es vor, dass Chairs
getaktet innerhalb eines Departments oder eines Colleges
neu vergeben werden. Wer einige Jahre einen Chair
innehatte und diesen dann wieder an die nächste Person
weitergeben muss, behält dabei selbstverständlich den
eigenen academic rank. Und auch wenn es um den Chair
im Sinne des Institutsleiters (Department Chair) geht,
passt der Vergleich nicht. Viele Departments an USAmerikanischen
Universitäten werden von Associate
Professors geleitet (die oft gerade deswegen nicht zum
Full Professor aufsteigen, weil durch die viele Verwaltungsarbeit
zu wenig Zeit für die Forschung bleibt).
34 Kreckel (Fn. 4), 2016, 18.
35 R. Kreckel & K. Zimmermann, Hasard oder Laufbahn: Akademische
Karrierestrukturen im internationalen Vergleich, Leipzig:
Akademische Verlagsanstalt, 2014, S. 22–27.
36 J. Specht, C. Hof, J. Tjus, W. Pernice & U. Endesfelder, Departments
statt Lehrstühle: Moderne Personalstruktur für eine zukunftsfähige
Wissenschaft, Berlin: Die Junge Akademie an der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften und der Deutschen
Akademie der Naturforscher Leopoldina, 2017, S. 6.
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 4 3
Kreckels “archimedischer Punkt“ für die vergleichende
Betrachtung37 ist daher als Fiktion zu betrachten. Die
Organisation der verschiedenen Gruppen innerhalb der
professoralen Ebene ist für das Verständnis lokaler akademischer
Systeme besonders wichtig. Aber gerade diese
Organisationsstrukturen sind zwischen den verschiedenen
Systemen – und manchmal sogar innerhalb eines
Systems – sehr unterschiedlich.
Sehen wir uns zum Vergleich einige andere europäische
Systeme an. In den Niederlanden gibt es drei
Hauptebenen in der akademischen hierarchie: universitair
docent, universitair hoofddocent und hoogleraar. Es
ist dort gängige Praxis, diese auf den drei academic ranks
in den USA abzubilden, wobei universitair docent üblicherweise
mit Assistant Professor, universitair hoofddocent
mit Associate Professor und hoogleraar mit Full Professor
gleichgesetzt wird. Allerdings gibt es auch hier im
Vergleich zu den USA große Unterschiede. So ist eine
Stelle als universitair docent in den Niederlanden nicht
unbedingt eine Qualifikationsstelle: Wer unmittelbar
nach der Promotion eine Stelle antritt, wird typischerweise
befristet als universitair docent eingestellt. Wer sich
bewährt, kann entfristet werden, bleibt dabei allerdings
oft universitair docent und manche bleiben ihr ganzes
Leben lang universitair docent. Das niederländische System
ist diesbezüglich weniger ein up or out als ein up or
not-System. Auch sind niederländische hoogleraren etwas
Besonderes: Nur sie tragen Talare (die es dort zum
Glück noch gibt), nur sie halten Antrittsvorlesungen und
nur sie haben traditionell das ius promovendi – das
Recht, Personen zum Doktor zu promovieren, also als
Doktormutter/vater aufzutreten. Vor Kurzem hat eine
Gesetzesänderung zwar die Möglichkeit für universitair
hoofddocenten eröffnet, das ius promovendi zu erlangen,
aber der Professorenstatus bleibt hoogleraren vorbehalten.
Im Übrigen gibt es auch in den Niederlanden zwei
Vergütungsstufen für hoogleraren, nämlich hoogleraar 2
und hoogleraar 1, die allerdings kaum in Stellenausschreibungen
oder Lebensläufen erwähnt werden. Die
Vergütungsstufe hoogleraar 1 ist für Professoren mit einer
Leitungs- oder höheren administrativen Funktion gedacht,
aber sie ist explizit nicht mit einem Unterschied in
Rang, Dienstgrad oder professoraler Würde verbunden.
Was würde dies nun für die Vergleichbarkeit der
deutschen und niederländischen Systeme heißen? In
Deutschland können Juniorprofessoren eigenständig als
Doktormutter/vater auftreten und haben demnach ein
mit dem niederländischen ius promvendi vergleichbares
Recht. Im Vergleich wären daher alle deutschen Professuren
(W1, W2 und W3) auf der niederländischen Ebene
von hoogleraar (also: Full Professor) anzusetzen.38 Tatsächlich
kennen in den Niederlanden auch einige Universitäten
die Kategorie von hoogleraar auf Probe: den
adjunct hoogleraar, der in einigen Aspekten mit der
deutschen Juniorprofessur vergleichbar wäre.39 Wenn
man schon eine Abbildung vornehmen möchte, müsste
man eigentlich sagen, dass deutsche Juniorprofessuren
der niederländischen Kategorie adjunct hoogleraar und
deutsche Universitätsprofessuren der niederländischen
Kategorie hoogleraar entsprechen. Die Vergütungsstufen
W2 und W3 würden dabei allenfalls den niederländischen
Vergütungsstufen hoogleraar 2 und hoogleraar 1
entsprechen.
Als weitere Beispiele möchte ich noch kurz Belgien,
Frankreich und Italien betrachten. In Flandern gibt es im
Unterschied zu den Niederlanden vier Ebenen: docent,
hoofddocent, hoogleraar und gewoon hoogleraar – oft
übersetzt als Lecturer, Associate Professor, Professor und
Full Professor. Ein solches Vierstufiges System ist kaum
auf den deutschen Dreisatz abbildbar. In der Wallonie
gibt es drei Ebenen, wobei allerdings die Associate Professorship
als Einstiegsrang gilt! Die Université Catholique
de Louvain z. B. spezifiziert:
„1. Every faculty member with little or no academic experience
will be appointed at the rank of Associate Professor
(entry rank for an academic career in Belgium). 2.
Those with several years of academic experience gained
since completing their PhD may immediately be appointed
at the rank of Professor, based on analysis of
their academic career to date. 3. The rank of Full Professor,
on the other hand, is not available upon appointment,
only by internal promotion.“40
37 Kreckel (Fn. 4), 2016, 18.
38 Van der Meulen stellt z. B. fest, dass es im deutschen akademischem
System keine mit dem universitair hoofddocent vergleichbare
Ebene gibt und das ius promovendi bei den Juniorprofessoren
und Professoren liegt. Siehe B. van der Meulen, Quick Scan
Internationale Vergelijking Ius Promovendi, Den Haag: Rathenau
Instituut, 2015, S. 4.
39 Hier zeigt sich übrigens auch, wie begriffliche Vergleiche schiefgehen
können: Während in den Niederlanden ein adjunct hoogleraar
den höchsten akademischen Rang einnimmt (aber lediglich
Professor auf Probe ist), sind amerikanische Adjunct Professors
eher mit deutschen Lehrbeauftragten vergleichbar.
40 https://onderwijs.vlaanderen.be/nl/graden-academisch-personeel-
en-administratief-en-technisch-personeel (Aufgerufen am
09.04.2020); https://uclouvain.be/en/discover/faq-reponses-auxquestions-
des-candidats.html (Aufgerufen am 09.04.2020).
4 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6
Wegen der Handhabung des Associate Professors als Einstiegsebene
und der ausschließlichen Zugänglichkeit des
Full Professors über den Weg der internen Beförderung
(und ausdrücklich nicht über Bewerbungen von außen)
ist auch hier ein Vergleich mit dem deutschen System
nur schwer möglich.
In Frankreich und Italien gibt es gesetzlich festgelegte
Äquivalenztabellen, die ausländische akademische
Funktionsbezeichnungen auf inländische abbilden. In
der französischen Tabelle werden deutsche W2- und
W3-Professuren beide auf der höchsten Ebene, dem „niveau
PR“, angesiedelt, in der sowohl der flämische hoogleraar
als auch der gewoon hoogleraar, der niederländische
hoogleraar und der US-Amerikanische Professor
und Full Professor angesiedelt sind (der Associate Professor
befindet sich auf der Ebene darunter).41 Die italienische
Tabelle beinhaltet eine etwas stärker differenzierter
Einteilung.42 In dieser Tabelle sind W3-Professuren auf
der höchsten Ebene (Grade a) zusammen mit dem USAmerikanischen
Professor und dem niederländischen
hoogleraar eingeordnet. W2-Professuren sind sowohl auf
der höchsten Ebene (Grade a) als auch der zweithöchsten
Ebene eingeordnet (Grade b, wo auch der US-Amerikanische
Associate Professor und der niederländische
universitair hoofddocent eingeordnet sind). Der Eintrag
der W2-Professoren in der Tabelle ist mit einer Fußnote
versehen, die sagt: „Equivalence to be assessed on the basis
of CV and home institution“. Hier versucht man dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass die W2-Professur in
einigen wenigen Fällen (wie an der TU München) eher
als Einstieg in die Universitätsprofessur gilt, in den meisten
Fällen jedoch als „volle“ Professur.
V. Fazit
In diesem Aufsatz habe ich die weit verbreitete Tendenz,
die anglo-amerikanischen academic ranks als Maßstab
für deutsche akademische Karrieren zu nehmen und
deutsche akademische Funktions‑, Amts- und Besoldungsbezeichnungen
auf anglo-amerikanischen academic
ranks abzubilden, kritisiert. Ich habe versucht zu zeigen,
dass diese Praxis das deutsche akademische System
dermaßen stark verzerrt darstellt, dass sie als wissenschaftlich
fehlerhaft gelten muss.
Insgesamt ergibt sich aus den angeführten Beispielen
keine eindeutige Abbildung der verschiedenen akademischen
Systeme auf einander. Vielmehr zeigen die Beispiele,
wie schwierig es eigentlich ist, die akademischen
Systeme verschiedener Länder miteinander zu vergleichen.
Es gibt keinen guten Grund, das US-Amerikanische
System als Maßstab für solche Vergleichungen zu
nehmen. Aber selbst wenn man kein Bezugssystem
wählt und die Systeme einzelner Länder paarweise vergleicht,
stößt man auf große Probleme. Akademische
Karrieresysteme sind weltweit sehr unterschiedlich und
lassen sich nicht auf den einfachen Dreisatz Assistant-
Associate-Full Professor reduzieren. Sogar das US-Amerikanische
System ist wesentlich komplizierter als der
Dreisatz suggeriert und die academic ranks in diesem
System sind wesentlich mit Bedingungen und Wertungen
verknüpft, die es in den meisten anderen Systemen
nicht gibt.
Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass die gängige Praxis,
die drei deutschen Besoldungsstufen für Professuren
ohne weitere Erläuterung auf die drei anglo-amerikanischen
academic ranks abzubilden, in mehreren Hinsichten
problematisch ist. Erstens ist diese Praxis wissenschaftlich
fehlerhaft. In den Wissenschaften werden Phänomene
immer vereinfacht dargestellt – das muss so sein
und ist auch nicht das Problem, auf das ich hier aufmerksam
machen möchte. Aber wer sich bei der Vereinfachung
für ein Modell entscheidet, das die Phänomene
zu stark verzerrt und wesentliche Subtilitäten in den untersuchten
Phänomenen einfach ignoriert, macht es sich
zu leicht. Modelle und begriffliche Strukturen sollen die
erforschten Phänomene so vereinfacht darstellen, dass
sie handhabbar werden, ohne jedoch die Phänomene zu
verzerren oder zu verfälschen. Aber genau eine solche
Verzerrung bzw. Verfälschung liegt in der hier kritisierten
Praxis vor. In akademischen Systemen weltweit gibt
es eine formale Trennung zwischen akademischen Funktionen
(Rängen, Ämtern usw.) und Gehaltsstufen. Zwar
sind meistens bestimmte Gehaltsstufen mit bestimmten
Funktionen verbunden, aber eine Gehaltstufe als definierend
für eine Funktion oder ein Amt anzusehen, ist ein
gravierender Fehler, welche die vergleichende Wissenschafts-
und Hochschulforschung behindert.
Außerdem schafft die kritisierte Abbildungspraxis
Fakten: Je größer die Anzahl von Publikationen und
Vorträgen, in denen die übervereinfachte Abbildung
präsentiert wird, desto etablierter wird die Abbildung in
der Literatur sowie in der Alltagspraxis. Für international
mobile Wissenschaftler/innen heißt dies allerdings,
dass sie durch außerhalb des deutschen Systems stehen-
41 Comparaison des Carrieres des Enseignants-Chercheurs de Pays
Etrangers (Arrêté du 10 Février 2011).
42 Gesetz DM 662/2016.
Reydon · Unvergleichbarkeit akademischer Systeme 4 5
de Akademiker/innen und Verwaltungsmitarbeiter/innen
in Kategorien eingeordnet werden können, zu denen
sie formell gar nicht gehören. Der academic rank
von Assistant, Associate oder Full Professor sagt primär
etwas über die wissenschaftliche Leistung einer Person
aus, während die Bezeichnungen ‚W2-Professor‘ und
‚W3-Professor‘ primär etwas über das Geld, das eine Person
verdient, aussagen. Die mit der Praxis, die Begriffe
‚W2-Professor‘ pauschal als ‚Associate Professor‘ und
‚W3-Professor‘ als ‚Full Professor‘ zu übersetzen, verbundene
hierarchische Perspektive trägt außerdem zur impliziten
Abwertung der Leistung aller W2-Professor/innen
bei (durch die Suggestion, dass sie noch keine vollwertige
Professur innehätten und noch mehr Leistung
erbringen und Erfahrung sammeln müssen bevor sie befördert
werden) und kann so zu erheblichen Nachteilen
bei internationalen Bewerbungen und Antragstellungen
führen. Die Abbildungspraxis kann somit für eine Gruppe
von Wissenschaftler/innen in Deutschland schädliche
Konsequenzen haben.
Aber es gibt in der Literatur auch Ausnahmen. Die
League of European Research Universities ordnet (wie die
oben besprochene italienische Tabelle) die Besoldungsgruppe
W2 sowohl der Ebene des Associate Professors als
auch der des Full Professors zu, um damit die komplizierte
deutsche Situation besser abzubilden.43 Im Eurydice-
Bericht 2017 der Europäischen Kommission kommen die
Bezeichnungen ‚W1‘, ‚W2‘ und ‚W3‘ überhaupt nicht
vor.44 Der Bericht enthält Ländergrafiken, die die jeweilige
Situation schematisch darstellen. Die Ländergrafik
für Deutschland enthält nur die Bezeichnungen „Juniorprofessorinnen
und Juniorprofessoren“ sowie „Professorinnen
und Professoren (einschließlich Juniorprofessorinnen
und Juniorprofessoren)“ ohne dabei eine Übersetzung
in die anglo-amerikanischen Bezeichnungen zu
versuchen. Insbesondere die Herangehensweise der Europäischen
Union, die Ländersysteme für sich sprechen
zu lassen ohne forcierte Übersetzungen in andere Sprachen
vorzunehmen, ist m. E. beispielhaft.
Das Fazit kann einfach sein: Man sollte nicht versuchen,
die akademischen Systeme verschiedener Länder
mithilfe eines einfachen one size fits all-Modells auf einander
abzubilden. Stattdessen sollten einzelne Systeme
in einer solchen Weise mit einander verglichen werden,
die es zulässt, die subtilen Unterschiede der Systeme angemessen
hervorzuheben. Alle akademische Systeme
weltweit pauschal aus einer anglo-amerikanischen Perspektive
hinaus zu betrachten (die darüber hinaus auch
noch nicht einmal das US-Amerikanische System adäquat
abbildet), ist wissenschaftlich fehlerhaft und kann
außerdem schädliche Folgen für die Alltagspraxis
haben.
Thomas Reydon ist Professor für Wissenschafts- und
Technikphilosophie im Institut für Philosophie und im
Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS)
der Leibniz Universität Hannover.
Web: www.reydon.info, Email: reydon@ww.uni-hannover.
de
43 LERU, Harvesting Talent: Strengthening Research Careers in
Europe, Leuven: LERU Office, 2010, S. 23; G. Boulton, Harvesting
talent: Strengthening research careers in Europe, Procedia Social
and Behavioral Sciences 13, 2011, 3–34, S. 25.
44 European Commission / EACEA / Eurydice (2017): Modernisation
of Higher Education in Europe: Academic Staff – 2017 (Eurydice
Report), Luxembourg: Publications Office of the European
Union.
4 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 3 3 – 4 6