Übersicht
I. Einleitung
II. Praxisfragen im Zusammenhang mit online-Lehre
- Vorüberlegungen zum Softwaresystem
a. Beschaffung
b. Datenschutzrechtliche Vorüberlegungen - Vorüberlegungen für Lehrende
a. Überlegungen zur inhaltlichen und didaktischen Gestaltung
b. Verwendung von open access-Inhalten
c. Information der Studierenden über die Funktionsweise des Systems
d. Sicherung der Lehrmaterialien gegen Missbrauch - Fehlverhalten der Studierenden
a. Staatliches Recht
b. Hochschulrecht
III. Ergebnisse
I. Einleitung
Die Corona-Pandemie hat auch das deutsche Hochschulleben in kürzester Zeit stark verändert.1 Die Mitte März 2020 in Deutschland beginnenden Maßnahmen, Kontakte zu beschränken und Mindestabstände einzurichten, hatte dabei erhebliche organisatorische und rechtliche Konsequenzen. Innerhalb weniger Wochen hatten die Hochschulen die Aufgabe, das anstehende Sommersemester 2020 über online-Angebote zu Lehre und Prüfung abzusichern.2 Diese Absicherung ließ sich nur mit einer intensiven Kraftanstrengung aller Beteiligten bewältigen, zumal die rechtliche Lage unsicher und volatil war und der Prozess der Digitalisierung von Lehre und Prüfung in den deutschen Hochschulen sich weitgehend noch nicht auf der Zielgeraden befindet.3 Immerhin konnten im Verlaufe des Sommersemesters 2020 erste Erfahrungen mit der online-Lehre und einem Prüfungszeitraum im online-Format gesammelt werden.4
Nach einer Beruhigung der Infektionslage über den Sommer 2020, die mit Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen verbunden war,5 stiegen die Zahlen der positiven Testergebnisse deutschlandweit wieder erheblich an. Es galt deshalb, die Erkenntnisse und Erfahrungen der vergangenen Monate zu konsolidieren, sich intensiv mit den Ausgestaltungen des online-Hochschulbetriebs zu befassen und diese in einem sinnvollen Maß dauerhaft zu integrieren.
Diese Abhandlung unternimmt daher den Versuch, die Fortentwicklung des Rechts der online-Lehre nach derzeitigem Stand aufzuarbeiten. Teil 2 wird dann neben einigen grundlegenden Fragestellungen den aktuellen Zwischenstand für online-Prüfungen beleuchten. Hoffentlich kann damit ein kleiner Beitrag geleistet werden, den derzeit nur begrenzt möglichen kollegialen Austausch zu befördern.
II. Praxisfragen im Zusammenhang mit online-Lehre
Obwohl die online-Lehre kein neuartiges Phänomen in der deutschen Wissenschaftslandschaft ist,6 hat die Corona-Situation den Bedarf danach und damit den Klärungsbedarf bezüglich seiner rechtlichen Dimensionen erheblich erhöht. Aus der praktischen Innensicht sollen deshalb die wesentlichen Aspekte angeschnitten werden, zu denen einige Vorüberlegungen zum verwendeten Softwaresystem (1.) und Hinweise für Lehrende für die Erstellung ihrer Lehrunterlagen (2.) gehören. Aber nicht nur die Verantwortungssphäre der HochCarsten
Morgenroth und Barbara Wieczorek
Zwischenbilanz zum Corona-Hochschulrecht aus Sicht der Hochschulpraxis, Teil I – Online-Lehre
Online-Fundstellen wurden zuletzt abgerufen am 24. November 2020.
1 Eine anschauliche Beschreibung der Anforderungen und Reaktionen aus den ersten Monaten vermittelt Sandberger, OdW 2020, 155 ff.
2 Dem Beginn der wesentlichen Corona-Maßnahmen Mitte März 2020 folgte die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Bedeutung nach § 5 IfSG durch den deutschen Bundestag mit Wirkung zum 28. März 2020, s. Rixen, NJW 2020, 1097 ff. Der übliche Semesterstart im Sommersemester liegt ca. Mitte April des Jahres und war von diesen einschneidenden Maßnahmen nur wenige Wochen entfernt.
3 Mit ausführlichen Nachweisen dazu Eisentraut, OdW 2020, 177 ff.
4 Eine Zusammenfassung des ersten Corona-Semesters bietet Hochschulen ziehen Bilanz des Digitalsemesters (faz.net), seitens der Hochschulrektorenkonferenz Stellungnahmen der HRK — Hochschulrektorenkonferenz.
5 Es wurde im Bundestag sogar über eine Aufhebung der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite im Sinne von § 5 IfSG debattiert, s. Deutscher Bundestag — Streit um Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
6 So bieten etwa die Fernuniversität Hagen oder die Virtuelle Hochschule Bayern seit Längerem online-Angebote an.
Ordnung der Wissenschaft 2021, ISSN 2197–9197
8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 7 — 1 8
7 Bei juristischen Personen des Privatrechts hat nach § 99 Nr. 2
GWB eine Feststellung zu erfolgen, dass deren Aufgabenerfüllung
im Allgemeininteresse liegt, s. Ziekow, in: Ziekow/Völlink,
Vergaberecht, Kommentar, 4. Auflage, 2020, § 99 GWB, Rn. 55.
Dies könnte idealerweise durch die Anerkennung der privaten
Hochschule erfolgen.
8 Da die UVgO – wie die VOL – keinen Gesetzescharakter hat, ist
sie von jedem Bundesland gesondert einzuführen, beispielsweise
als Verwaltungsvorschrift zu § 55 Landes-LHO.
9 Der Schwellenwert nach § 3 VgV wird von der EU-Kommission
im Amtsblatt der EU bekanntgegeben, zuletzt am 30. Oktober
2019 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020, s. Amtsblatt der Europäische
Union, Nr. L 279/23.
10 § 50 UVgO nimmt zum Personenkreis freiberuflicher Anbieter
insoweit Bezug auf die Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
11 Variantenreich und instruktiv insoweit Kirch/Kumpf, Vergabe-
News 2014, 94 ff.
12 Der für derartige Leistungen grundsätzlich eröffnete Wettbewerb
könnte natürlich dadurch ausgeschlossen sein, dass sich der
Anbieter Exklusivrechte an der Software zu Grunde liegendem-
Quellcode ausbedungen hat, was bei Software außerhalb der open
source Bewegung sehr wahrscheinlich ist. In diesem Falle kommt
nach der Art der Leistung nur der Verkäufer der Ausgangssoftware
in Frage – es handelt sich hierbei dann um eine privilegierte
Form der gewerblichen Beschaffung.
13 Trutzel, in: Ziekow/Völlink (Fn. 7), § 28 VgV, Rn. 2.
14 OLG Celle, Beschluss vom 22.05.2008, Az. 13 Verg 1/08.
15 OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2011, Az. Verg W 16/10.
16 Gemeint ist hier die Unterscheidung zwischen Oberschwellenund
Unterschwellenvergaberecht, nicht dagegen die danach noch
zu treffende Wahl der konkreten Verfahrensart.
17 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.04.2014, Az. 11 Verg
1/14.
18 Zu den Möglichkeiten und rechtlichen Maßstäben einer Teststellung
vor bzw. nach Vertragsschluss Jennert/Werner, VergabeR
2016, 174 ff.
schule gehört hierhin, sondern auch eine Betrachtung
möglichen Fehlverhaltens der Studierenden mit Bezug
zu den Unterrichtsmaterialien (3.). - Vorüberlegungen zum Softwaresystem
Vorüberlegungen zum Softwaresystem inkludieren dessen
Beschaffung (a.), und dessen bestmögliche datenschutzrechtliche
Absicherung (b.).
a. Beschaffung
Auch für die Beschaffung von Software zu Zwecken der
online-Lehre hat eine Hochschule das geltende Vergaberecht
einzuhalten, zumindest dann, wenn sie ein sog.
öffentlicher Auftraggeber ist. Dies ist für staatliche Hochschulen
immer der Fall. Für private, staatlich anerkannte
Hochschulen bestimmt sich dies nach dem Umfang
ihrer Anerkennung.7
Innerhalb des Vergaberechts ist sodann in zweierlei
Hinsicht zu strukturieren. Wir unterscheiden in erster
Stufe das auf EU-Recht basierende Oberschwellenvergaberecht
gemäß GWB und VgV vom Unterschwellenvergaberecht
nach der UVgO bzw. – soweit die betreffenden
Bundesländer diese noch nicht für gültig erklärt haben8
– die VOL/A. Der aktuelle Schwellenwert9 beträgt für die
hier relevanten Beschaffungsarten 214.000 € netto. Für
den Unterschwellenbereich, also für Gesamtnettokosten
unter 214.000 €, relevant ist eine weitere Unterscheidung
zwischen gewerblichen Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen
einerseits und sog. freiberuflichen Leistungen
andererseits. Freiberufliche Leistungen sind solche Leistungen,
bei denen nach der Art der Leistung freiberufliche
Anbieter10 zumindest auch als Bieter im Vergabeverfahren
in Frage kommen können. Gerade für Softwareprodukte
ist dies mit Bezug zu individueller Entwicklung
bzw. Anpassung sehr wahrscheinlich und
deshalb in der Vorbereitung des Verfahrens immer mit
zu beobachten.11 Für derart komplexe, integrierte Systeme
wie online-Lehrsoftware wird der potenzielle Anbieterkreis
aber wohl doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
ausschließlich aus gewerbetreibenden, industriellen
Anbietern bestehen können, so dass die richtige
Vergabeart die gewerbliche Lieferung bzw. Listung ist.
Diese Frage könnte allerdings für konkrete Weiterentwicklungen
einer bestehenden Software anders zu beurteilen
sein.12
Essenziell für die Beschaffung ist in jedem Fall die
Vorbereitung. Im Rahmen der sog. Bedarfsermittlung13
hat die Hochschule nämlich möglichst genau vorab zu
überlegen, welche Formen der online-Lehre – bzw.: ggf.
inklusive online-Prüfungen — sie einzusetzen plant. Danach
bestimmt sich dann im Rahmen der sog. Markterkundung,
welche potenziellen Anbieter für eine derart
ausgestattete Software in Frage kommen.14 Da die Markterkundung
in der Regel auch einen Schätzungswert für
die Beschaffungskosten beinhaltet,15 ist damit zugleich
auch der zutreffende rechtliche Rahmen16 für das Verfahren
gesichert. Bezüglich der potenziellen Bieter empfiehlt
es sich, im Rahmen des Verfahrens aktuelle, einschlägige
Referenzen abzufordern, um bei den betreffenden
Stellen nach deren Erfahrungen mit dem Bieter und
der Software konkret zu erfragen.17 Hinsichtlich der
Leistung selbst ist es vergaberechtlich zulässig, vor der
Erteilung des Zuschlags eine sog. Teststellung18 zu absolvieren,
in der die Software dann im praktischen Einsatz
getestet werden kann, um die Richtigkeit der Bieterangaben
zum System im konkreten Umfeld der Hochschule
Morgenroth/Wieczorek · Zwischenbilanz zum Hochschulrecht 9
19 Zu den umfangreichen Sonderregelungen von Bund und Ländern
im Zusammenhang mit der Covid-19-Situation s. Braun, in:
Ziekow/Völlink (Fn. 7), § 134 GWB, Rn. 145 a ff.
20 Soweit die Beschaffung Angebote außerhalb der EU betrifft, wird
jedoch auf den Zusammenhang mit der Entscheidung des EuGH
zu Privacy Shield verwiesen, s. Fn. 54–56.
21 So der renommierte Datenschutzrechtler Schwartmann anlässlich
eines Webinars zum Recht von online-Lehre und online-Prüfungen
am 30. Oktober 2020, hierzu Haake, OdW 2021, S. 62 ff.
22 Hierzu Fehling, OdW 2020, 137, 142.
23 Die konkrete Ausgestaltung ist dann Sache der bzw. des Lehrenden,
z. B. über lecture pranks, s. dazu Fn. 59.
24 In Erwägungsgrund 78 zu Art. 25 EU-DSGVO als „Maßnahme
zur Transparenz der Verarbeitung“ bezeichnet.
25 S. auch Fehling (Fn. 22), S. 146 ff.
26 Sollte dagegen eine datenschutzrechtliche Bewertung ein
differenziertes Bild ergeben, so ist dies je nach dem Grad der
Differenzierbarkeit, also etwa nach Fachdisziplinen, Selbstverwaltungseinheiten,
Studiengängen oder sogar Modulen individuell
zu erfassen und den jeweils vorgegebenen Verfahren in den
einzelnen Hochschulen zuzuführen.
verifizieren zu können. Die vergaberechtliche Erleichterung,
infolge unverschuldeter Dringlichkeit nach vereinfachten
Vorgaben zu beschaffen,19 sollte dagegen mit
Blick auf die nunmehr seit mehreren Monaten bekannte
Sonderproblematik Corona nicht mehr zulässig sein.20
b. Datenschutzrechtliche Vorüberlegungen
Datenschutzrechtliche Überlegungen der Hochschule
beinhalten sowohl das formelle als auch das inhaltliche
Datenschutzrecht, letzteres bei Softwareanbietern außerhalb
der EU insbesondere zum Recht des Datentransfers
in Drittstaaten nach Art. 44 ff. EU-DSGVO.
In formeller Hinsicht bestehen Pflichten der Hochschule
im Außenverhältnis zu Studierenden sowie interne
Dokumentationspflichten. Zu letzteren gehört insbesondere
das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten
(VVT) gemäß Art. 30 EU-DSGVO, in dem die wesentlichen
Datenverarbeitungen, Verfahrensabläufe, Beteiligten
und Rechtspositionen im Rahmen des Betriebs des
Softwaresystems aufzuführen sind. Gegenüber den Studierenden
hat die Hochschule dagegen über die Funktionsweise
des Systems und die damit verbundenen Datenverarbeitungen
zu informieren, Art. 13, 14 EU-DSGVO,
sowie diese Information auch zu dokumentieren,
Art. 5 Abs. 2 EU-DSGVO.21 Ob diese Information über
eine allgemeine Internetseite oder für jeden Studierenden
individuell, beispielsweise in einem Fenster vor Nutzung
des Systems, erscheint, bleibt der konkreten Ausgestaltung
überlassen. Zum ebenfalls erforderlichen Nachweis
der Dokumentation der Information bietet sich
möglicherweise die IT-basierte, individualisierte Information
in Verbindung mit der Speicherung der aktiv gesetzten
Kenntnisnahme durch die Studierenden seitens
der Hochschule als effektives Mittel an.
In materieller Hinsicht hat sich die Datenverarbeitung
zunächst allgemein an den Grundsätzen von
Art. 5 EU-DSGVO zu orientieren, insbesondere an den
Geboten der Zweckbindung, Datensparsamkeit und
Verhältnismäßigkeit. Nach dem Zweck der Lehre, interaktiven
Austausch von Wissen zwischen Lehrenden und
Studierenden zu ermöglichen,22 sind dabei bestimmungsgemäß
personenbezogene Daten dieser Beteiligten
zu beachten. Möchte die lehrende Person darüber hinaus
im Rahmen der Lehre personenbezogene Daten
Dritter verwenden, z. B. ein Video mit abgebildeten dritten
Personen, so hat das System dies dem Grunde nach
ebenfalls zu berücksichtigen.23 Die Hochschule hat jedoch
übergeordnet zwei Fragen zu klären: die technischen
Voreinstellungen des Systems und die datenschutzrechtliche
Kompatibilität bei Verwendung von
Software von außerhalb der EU, insbesondere US-amerikanischer
Software.
Die technischen Voreinstellungen des Systems haben
neben der rein technischen Kompatibilität mit anderen
verwendeten Systemen vor allem datenschutzrechtliche
Vorgaben zu beachten. Diese als „technisch-organisatorische
Maßnahmen“ vorgesehenen Anforderungen bestehen
insbesondere in den Vorkehrungen zur Sicherheit
der Datenverarbeitung nach Art. 32 EU-DSGVO sowie
in Voreinstellungen, die von Vornherein das Gebot der
Datensparsamkeit umsetzen wollen und Verarbeitung
nur der für den jeweiligen Zweck wirklich erforderlichen
Daten überhaupt erst ermöglichen, Art. 25 Abs. 2 EUDSGVO.
Zu letzterem gehört – neben einem etablierten
und regelmäßig überprüften Rechte- und Rollenkonzept24
- vor allem die Frage, ob die Hochschule ein Softwaresystem
für online-Lehre von vornherein für eine
Aufzeichnung der betreffenden Veranstaltung sperrt
und diese damit gar nicht erst zulässt.25 Diese Frage stellt
sich in dieser Absolutheit für die Hochschule natürlich
nur dann, wenn unter keinen Umständen ein Vorhalten
der Lehrveranstaltung als datenschutzrechtlich erlaubt,
insbesondere erforderlich für die Erfüllung der öffentlichen
Aufgabe der Hochschullehre, angesehen werden
kann, Art. 6 Abs. 1 lit. e) EU-DSGVO.26 Die in diese Abwägung
einzustellenden Rechte und Interessen der Beteiligten
sind vielfältig. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit
seien im Folgenden einige praktisch wesentliche Aspekte
diskutiert.
So erscheint es als durchaus offen, ob das Vorhalten
digitaler Kopien von Lehrveranstaltungen ein legitimer
Zweck für die Datenverarbeitungsform der „Speicherung“,
die mit der Aufnahme einhergeht, sein kann. Aus
der Verantwortung der Hochschule für die Sicherstel1
0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 7 — 1 8
27 Fehling, in: Kahl/Waldhoff/ Walter, Bonner Kommentar zum
Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 99.
28 Eine anschauliche Darstellung der verschiedenen Ebenen und
Positionen bei VGH Mannheim, Urteil vom 21.11.2017, Az. 9 S
1145/16, Rn. 45 ff. bei juris.
29 BVerfGE 90, 1, 11 ff.
30 Spannagel/Spannagel, Designing In-Class Activities in the
Inverted Classroom Model, in: Handke/ Kiesler/ Wiemeyer. The
Inverted Classroom Model. 2013. S. 113 ff.
31 van Alten/ Phielix/Janssen/Kester: Effects of flipping the classroom
on learning outcomes and satisfaction: A meta-analysis, Educational
Research Review, 2019, passim.
32 Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, dass etwas mehr
als die Hälfte der Lehrenden, die Blended Learning-Formate einsetzen,
das Konzept „Flipped Classroom“ verwenden, s. Schmid/
Goertz/Radomski/Thom/Behren, Monitor Digitale Bildung. Die
Hochschulen im digitalen Zeitalter, 2017, S. 15.
33 Die Möglichkeiten, auch im Mutterschutz bzw. in Elternzeit,
ggf. auf der Grundlage einer Beurlaubung, Prüfungsleistungen
absolvieren zu dürfen, wodurch eine Verfolgung von Lehrveranstaltungen
auch in diesen Zeiten sinnvoll bzw. erforderlich sein
kann, ist – aufbauend auf dem seit 2019 geltenden MuSchG –
sehr differenziert unter den Hochschulen geregelt.
34 Fehling (Fn. 27).
35 EuGH, MMR 2009, 175, 177.
36 Gola, Datenschutzgrundverordung, Kommentar, 2017, Art. 9 Rn.
12.
lung des Lehrangebots27 wird sich sicherlich ein digitales
Streaming, aber tendenziell keine Aufzeichnung ableiten
lassen. Seitens der Studierenden ist die effektive Verwirklichung
der Studierfreiheit durch nahezu unbegrenzte
Wiederholungsmöglichkeit sowie das erhöhte
Rezeptionspotenzial speziell für auditive bzw. visuelle
Lerntypen sicherlich von Vorteil – ob sich dieser Aspekt
aber rechtsverbindlich aus der Studierfreiheit heraus ableiten
lässt, ist zweifelhaft, zumal bereits die Ebene der
rechtlichen Verankerung einer Studierfreiheit alles andere
als geklärt ist.28 Demgegenüber lässt sich seitens der
Lehrenden anführen, die aus der über Art. 5 Abs.3 GG
vermittelten Lehrfreiheit folgende Wahl der Lehrmethoden29
schließe nicht nur eine Bedienung der virtuellen
Welt an sich über die einmalige, sondern gerade über die
Aufzeichnung eine dauerhafte oder sonst perpetuierte
Rezeptionsmöglichkeit der Lehrinhalte für die Studierenden
ein. Hinsichtlich der Wahl didaktischer Konzepte
für Lehrveranstaltungen ist die Methode des „Flipped
Classroom“30 zu nennen, bei der die Nutzung von Aufzeichnungen
in besonderem Maße relevant ist. Die Tatsache,
dass bei geeigneter Konzeption ein „Flipped
Classroom“-Ansatz zu verbesserten Lernergebnissen im
Vergleich zu traditionellen Ansätzen führt31, unterstreicht
die Bedeutung von Lehrmethoden unter Nutzung
digitaler Hilfsmittel, wie auch Aufzeichnungen zur
Verbesserung der Lehrqualität. Die Bedeutung des Konzeptes
„Flipped Classroom“ wird auch an seiner Verbreitung
sichtbar.32 Jedenfalls auf der Ebene des legitimen
Zwecks beachtlich sind daneben Erwägungen der Teilhabe
von unverschuldet verhinderten Studierenden,
etwa infolge von Krankheit, Schwangerschaft oder Mutterschutz
bzw. Elternzeit33 – insoweit kann der oben angestellte
Vergleich zur analogen Welt verlassen und die
Chancen der digitalen Möglichkeiten in die Abwägung
eingestellt werden. Für die Arbeit mit und am Menschen
kann dieser Gedanke der nicht fortgesetzten Analogie
fortgeführt und ein legitimer Zweck einer Aufnahme
durchaus darin erkannt werden, die Übungsfunktion
derartiger Lehre mit Blick auf die Lebens- bzw. Gesundheitsrisiken
in der späteren beruflichen Praxis als neue,
digital vermittelte Chance der Lehre anzusehen. Zugunsten
einer weiteren Prüfung wird deshalb von der
Verfolgbarkeit legitimer Zwecke durch die Aufnahme
von Lehrveranstaltungen ausgegangen.
Eine hinreichende Eignung der Aufnahme zur Verfolgung
der benannten legitimen Zwecke wird man der
Aufnahme einer Lehrveranstaltung nur dann absprechen
können, wenn man das Maß an erforderlicher Interaktion
als Grundbestandteil wissenschaftlicher Lehre34
auch in Zeiten wie diesen als unverändert hoch ansähe.
Dieser Anspruch wäre für das Sommersemester
2020 angesichts der herrschenden Rahmenbedingungen
verfehlt gewesen. Je länger die Hochschulen mit der Corona-
Situation umgehen und sich adaptieren können,
desto mehr wird dieser Anspruch an Interaktion auch
digitaler Lehre – im Sinne einer vollendeten Transformation
– gelten. Aus jetziger Sicht, zu Beginn des zweiten
„Corona-Semesters“, scheinen gewisse Abstriche von
diesem Maßstab allerdings nach wie vor geboten zu sein.
Die Eignung der Aufnahme wird deshalb zumindest
derzeit nicht bestreitbar sein.
Im Rahmen der Erforderlichkeit der Maßnahme ist
zu fragen, welche der möglichen Varianten die Rechte
der Betroffenen, ihre Grundreche aus Art. 7, 8 GrCh, am
wenigsten einschränkt, die verfolgten legitimen Zwecke
jedoch verwirklichen kann.35 Hierbei ist insbesondere
an Beschränkungen der Verwendung personenbezogener
Daten der Studierenden zu denken, da die lehrende
Person über die Verwendung ihrer eigenen personenbezogenen
Daten im Rahmen ihrer Methodenwahl autonom
bestimmen kann. Im Lichte der Verwirklichung
von Studien- bzw. Teilhaberechten und ‑interessen sind
deshalb Stufungen vorzunehmen zwischen der Verwendung
von studentischen Video- bzw. Bildeinblendungen,
Chatfunktionen, Klarnamen oder Pseudonymen und
anderen denkbaren Varianten. Zu beachten ist hier für
die Teilmenge der sog. biometrischen Daten36 der Studierenden
nach Art. 4 Nr. 11 EU-DSGVO, dass diese datenschutzrechtlich
als besonders sensibel gelten und desMorgenroth/
Wieczorek · Zwischenbilanz zum Hochschulrecht 1 1
37 Von dieser kann aber gegebenenfalls abgesehen werden, wenn die
Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung diese bereits hinreichend
enthält, Art. 35 Abs. 10 EU-DSGVO; s. Jandt, in: Kühling/ Buchner,
DS-GVO, BDSG, Kommentar, 3. Auflage, 2020, Art. 35, Rn.
22 ff.
38 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner (Fn. 37) Art. 6, Rn. 196
m.w.N. lassen insoweit alle Gesetze im materiellen Sinne genügen
und erwähnen beispielhaft hierzu die kommunale Satzung.
39 In seinen aktuellen Urteilen Recht auf Vergessen I (Az. 1 BvR
16/13) und Recht auf Vergessen II (1 BvR 276/17) vom 6. November
2019 hat das BVerfG seine Linie zur Behandlung nationaler
staatlicher Maßnahmen an Hand der Grundrechte der GrCh und
des GG, aufbauend auf der Linie seiner Solange-Entscheidungen,
dahin gehend präzisiert, dass die Ausführung von EU-Recht
(hier der EU-DSGVO) zumindest auch dann an den nationalen
Grundrechten zu messen ist, wenn das betreffende EU-Recht den
Mitgliedsstaaten einen Gestaltungsspielraum einräumt, wie dies
hier über die Öffnungsklauseln nach Art. 85, 89 EU-DSGVO der
Fall ist.
40 Schwartmann (Fn. 21).
41 EuGH, Urt. v. 16.07.2020, Az. C 311/18 – Schrems II.
42 Beschluss 2016/1250 der Europäischen Kommission zur Übermittlung
personenbezogener Daten in die USA.
43 Art. 46 Abs. 2 Nr. c und d EU-DSGVO sieht Standardvertragsklauseln
der EU-Kommission (Alt. c) oder nationaler Aufsichtsbehörden,
die von der EU-Kommission nach Art. 93 Abs. 2
EU-DSGVO genehmigt wurden, vor.
44 EuGH, Fn. 20, 41.
45 Gola, in: Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 1. Auflage, 2010, §
11 Rn. 2.
halb durch besondere Mechanismen zu schützen sind,
insbesondere die Datenschutz-Folgenabschätzung nach
Art. 35 EU-DSGVO.37 Speziell diese personenbezogenen
Daten sind deshalb besonders sorgfältig zu prüfen, bevor
deren flächendeckende Verwendung freigegeben werden
kann. Ebenso ist in die Abwägung einzustellen, welchen
Grad von Öffentlichkeit die verarbeiteten personenbezogenen
Daten erfahren werden, also etwa die Stufen des
Internets, des hochschulweiten Intranets oder auch lediglich
einer Fakultäts- bzw. Kursöffentlichkeit. Für den
Bereich der Arbeit mit und am Menschen sei hier auf
den rechtlich ebenfalls besonders sensiblen Bereich der
Arbeit mit Patientendaten hingewiesen und eine entsprechende
Stufung der Verwendung personenbezogener
Patientendaten entsprechend des Ausbildungszwecks
angeregt. Welche dieser Stufen im Rahmen der
Erforderlichkeitsprüfung beschritten zu werden hat,
richtet sich nach den in den Studienordnungen verankerten
Zielen der Lehre. Da diese Regelungen als spezifische
Bestimmungen im Sinne von Art. 6 Abs.1 Satz 1 Nr. b)
in Verbindung mit Absätzen 2 und 3 EU-DSGVO zu sehen
sind38 und auch einen genuin wissenschaftsspezifischen
Bereich regeln, die nationalen Grundrechte also
herangezogen werden dürfen,39 sind diese Erwägungen
als Ausgestaltungen der einzelnen Grundrechtsträger
der nationalen Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG
vollwertig in die Abwägung einstellbar. Teilweise wird
gegen die Erforderlichkeit der Aufzeichnung angeführt,
der Zweck der Wiederholung sei durch andere Maßnahmen,
beispielsweise virtuelle Sprechstunden, ebenso erreichbar.
40 Dieser Ansatz trifft jedoch in Fällen nicht zu,
in denen die Adressaten nicht wirkungsvoll über derartige
Maßnahmen zu erreichen sind. Zu denken wäre etwa
an die Einstellung in einen Pool von Lehrinhalten ohne
feste Rezeptionsstrukturen, beispielsweise in großen
OER-Netzwerken oder überregionalen Lehrverbünden.
Findet ein Datentransfer in ein Land außerhalb des
Geltungsbereichs der EU-DSGVO statt, so sind die zusätzlichen
inhaltlichen Vorgaben für eine Datenübermittlung
in ein Drittland nach Art. 44 ff. DSGVO zu beachten.
Prominente Beispiele sind hierbei sicherlich die
Konferenzsoftwares Zoom, Skype oder Microsoft Teams,
die von US-amerikanischen Firmen vertrieben werden.
Diese Fragestellung hat für das laufende Wintersemester
2020/21 an Bedeutung gewonnen , denn der EuGH hat
mit Urteil vom 16. Juli 202041 die bisher geltende datenschutzrechtliche
Legitimation für den transatlantischen
Datentransfer zwischen der EU und den USA (sog. Privacy
Shield)42 mangels hinlänglichem Datenschutzniveau
in den USA für unwirksam erklärt. Der EuGH hat
außerdem zur zweiten Säule rechtmäßiger transatlantischer
Datenübermittlung, den sog. Standardschutzklauseln,
43 Stellung bezogen: Diese seien nach dem Scheitern
von Privacy Shield zwar weiterhin zulässig und denkbar,
im Verhältnis zu den USA in der konkreten Fallgestaltung
jedoch nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen
tragfähig.44 Damit stehen die deutschen Hochschulen
vor einem erheblichen Legitimationsproblem, personenbezogene
Daten ihrer Bediensteten bzw. Studierenden in
die USA weiterzuleiten oder deren direkte Erhebung in
den USA zu verantworten.
Die nach wie vor mögliche und erforderliche Auftragsdatenverarbeitungsvereinbarung
nach Art. 28 EUDSGVO
vermag diese Defizite nach aktuellem Stand
nicht vollständig zu kompensieren. Sie bezieht sich inhaltlich
auf die operative Abwicklung der Datenverarbeitung,
lässt die materiell-rechtliche Zulässigkeit des
Datentransfers dagegen unberührt. Vor Geltung der EUDSGVO
ging das deutsche Datenschutzrecht zwar von
einer Privilegierungswirkung der ADV dergestalt aus,
dass eine Einheit von Verantwortlichem und Auftragsdatenverarbeiter
angenommen wurde, sodass die Erlaubnis
der Verarbeitung beim Verarbeiter direkt genügte,
der Transfer zum Auftragsdatenverarbeiter also nicht
mehr gesondert legitimationsbedürftig war.45 Mangels
erkennbarer gerichtlicher Klärung unter Geltung der
1 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 7 — 1 8
46 Für einen Wegfall der Privilegierungswirkung Roßnagel/ Kroschmann,
ZD 2014, 495 ff.; dagegen Koos/Englisch, ZD 2014, 276 ff.
47 Zu den Implikationen mit Bezug auf den Standard der Wissenschaftlichkeit
der Hochschullehre s. oben, Fn. 27; zum freien Datenverkehr
als eigenständigem Ziel der EU-DSGVO und dessen
Besonderheiten Fehling (Fn. 22), S. 143.
48 Exemplarisch die Universität Kiel, abrufbar unter Informationen
zu Datenschutz und Sicherheit — Rechenzentrum (uni-kiel.de).
49 Ausführlich zum bereits im Römischen Recht entwickelten „nulla
obligatio – Grundsatz“ Seong, Der Begriff der nicht gehörigen
Erfüllung aus dogmengeschichtlicher und rechtsvergleichender
Sicht, Diss., Frankfurt, 2004.
50 Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act des US-Kongresses
vom 22. März 2018, s. Cording/Götzinger, CR 2018, 636 ff.
51 Schwartmann (Fn. 21).
52 Auf eine eigenständige Rechtspersönlichkeit, etwa als eigenständige
Tochtergesellschaft innerhalb einer Konzernstruktur, kommt
es nicht an, s. Zerdick, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutzgrundverordnung,
2017, Art. 3, Rn.8.
53 Berengaut/Lensdorf, CR-Beilage 2019, 111 ff.
54 https://www.sueddeutsche.de/digital/datenschutz-facebookschrems-
privacy-shield‑1.4730186.
55 Zur Bedeutung der Schlussanträge der Generalanwälte beim
EuGH für Findung und Darstellung der Entscheidung Oppermann/
Claasen/Nettesheim, Europarecht, 8. Auflage, 2018, § 5 Rn.
143; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Kommentar, 5.
Auflage, 2016, Art. 252 AEUV, Rn. 3
EU-DSGVO ist offen, ob diese Privilegierung noch besteht
– bis auf Weiteres ist deshalb von einer rechtlichen
Unsicherheit auszugehen.46
Sind die Hochschulen durch diese Sach- und Rechtslage
gezwungen, auf Angebote aus den USA zu verzichten,
bis eine tragfähige Folgeregelung in Kraft getreten
ist? Oder lässt sich möglicherweise doch eine Rechtfertigung
für die Verwendung von Zoom & Co. finden? Eine
ganze Reihe von Gründen scheinen dies jedenfalls
nahezulegen.
Zunächst kann hierbei auch auf das Erfordernis der
Aufrechterhaltung funktionsfähiger Hochschulen trotz
der Ausnahmesituation Corona zugegriffen werden.47
Die Pandemie und ihre Folgen sind zwar seit mittlerweile
einem guten halben Jahr bekannt. Seriöse Prozesse
zum Umstieg ganzer Hochschulen auf flächendeckende
online-Lehre benötigen jedoch erheblich mehr Zeit. Das
parallele Argument lässt sich finden für Hochschulen,
die den Datentransfer in die USA praktiziert und sich
hierbei auf Privacy Shield berufen haben48 – auch diesen
Hochschulen ist ein rechtlich gesicherter und technischinhaltlich
reibungsloser Umstieg in den wenigen Monaten
vom Urteil des EuGH bis zum Beginn des Wintersemester
2020/21 schlicht nicht möglich gewesen. Einer
sehr schnell beschaffbaren, im Grundbetrieb und damit
trotz geringeren performativen Potenzials sicheren EUDSGVO-
kompatiblen Software an sich könnte daneben
entgegenstehen, dass die Lehrenden für den Umgang mit
einer neuen Software flächendeckend und hinreichend
geschult werden müssen, um qualitativ hinreichende
wissenschaftliche Lehre anbieten zu müssen. Neben einer
schnellen und sicheren Durchdringung der neuen
Materie durch das technische Personal der Hochschule
könnte in Zeiten mobiler Arbeit eine hinreichend breite
und gründliche Einweisung des Lehrpersonals einer solche
Maßnahme (vorübergehend) entgegenstehen. Könnte
für diesen Kontext nicht der allgemeisne Rechtsgrundsatz
herangezogen werden, dass Unmögliches
rechtlich nicht gefordert werden darf?49
Darüber hinaus wird auch teleologisch damit argumentiert,
ein Vergleich der US-amerikanischen Software
(z. B. Zoom) mit in der EU hergestellten Produkten weise
ein vergleichbares Produktivrisiko auf, wobei dem sicherlich
entgegengehalten werde könnte, dass das hauptsächliche
Datenschutzrisiko in der Zugriffsmöglichkeit
von US-Behörden infolge des Cloud Act50 und nicht
durch technische Unzulänglichkeiten besteht.51 Aus dem
gleichen Grund genügt es auch nicht, dass die US-amerikanischen
Anbieter den Vertrieb an Abnehmer in der
EU über in der EU ansässige Zweigstellen52 abwickeln.
Denn hier wäre zwar nach Art. 3 EU-DSGVO der europäische
Datenschutz auch bei einem Transfer in die USA
anwendbar, was den Cloud Act mit den entsprechenden
Befugnissen der US-Behörden jedoch nicht berührt.53
Ein weiteres Argument für eine zumindest vorübergehende
Verwendung von US-amerikanischen Systemen
könnte sein, dass die derart konsequente Ablehnung
datenschutzrechtlicher Möglichkeiten durch den
EuGH so nicht absehbar war. Denn der Generalanwalt
beim EuGH hatte in seinem Gutachten zum Fall zwar
Privacy Shield ebenfalls kritisch gewürdigt, einen Transfer
über die Standardvertragsklauseln dagegen nach wie
vor als zulässig bewertet.54 Berücksichtigt man den Erfahrungswert,
dass der EuGH oft dem Gutachten des zugewiesenen
Generalanwalts folgt,55 so bestärkt dieser Erfahrungssatz
in der konkreten Anwendung für die deutschen
Hochschulen neben dem Eileffekt, der durch das
Urteil ohnehin eingetreten war, auch den
Überraschungseffekt.
Dieser Überraschungseffekt wirkt sich vergaberechtlich
dagegen tendenziell privilegierend aus. Denn die
Tatsache, erst im Juli 2020 vom Erfordernis einer EUDSGVO-
kompatiblen Software erfahren zu können, die
mit Wirkung zum Oktober 2020 funktionsfähig sein soll,
erlaubt keine langen Vergabeverfahren. Mit dem Plädoyer
des Generalanwalts vor dem EuGH und der davon
abweichenden Entscheidung des Gerichtshofs rückt der
Fall argumentativ auch stärker in die Nähe einer „unverMorgenroth/
Wieczorek · Zwischenbilanz zum Hochschulrecht 1 3
56 Vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 3 VgV, § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO.
57 Fehling (Fn. 22).
58 Schneider/ Preckel, Variables Associated With Achievement
in Higher Education: A Systematic Review of Meta-Analyses,
Psychological Bulletin, 2017, S. 8 weisen einen Cohens d‑Wert
für das Feedback von 0,47 aus, was auf einen mittleren Effekt
schließen lässt.
59 Ein effektives Mittel zur Auflockerung von Lehrinhalten können
dabei auch sog. lecture pranks sein, also Videosequenzen, in
denen Lehrveranstaltungen mit überraschenden, humorvollen
Elementen überzogen werden, z.B. das Erscheinen von Zorro
oder Superman im Hörsaal.
schuldeten“ Dringlichkeit, die für eine privilegierte Beschaffung
erforderlich ist.56 Dieser zeitnahen Beschaffung
standen, nicht nur angesichts der Urlaubszeit im relevanten
Zeitraum, jedoch organisatorische Erfordernisse
der technisch sicheren Implementierung, vor allem
aber der Einführung und Schulung der bearbeitenden
Personen in so gravierendem Maße entgegen, dass auch
die privilegierte Beschaffung der Software den Bereich
der faktischen Unmöglichkeit einer Umstellung nicht
verlassen ließ.
Letztlich ist aber auch diese Abwägung in erster Linie
zu messen an den individuellen Gegebenheiten jeder
Hochschule, insbesondere der Frage, ob und ggf. inwieweit
die Etablierung vom Umstieg auf eine Struktur der
online-Lehre, die EU-DSGVO-kompatibel ist, möglich
und zumutbar ist. Für diese Abwägung kann dabei die
Entscheidung für oder gegen eine Aufzeichnung von
Lehrveranstaltungen, mit erheblicher Wirkung für die
performative Beanspruchung des Systems, relevant sein.
Insgesamt sprechen gute Gründe dafür, sich gegen
datenschutzrechtliche Angriffe effektiv wehren zu können,
zumindest für einen vorübergehenden Zeitraum.
Belastbare Entscheidungen hierzu werden abzuwarten
bleiben. Die Hochschulen scheinen darüber hinaus gut
beraten, diese Materie nicht aus den Augen zu verlieren
und an dieser Frage zu arbeiten sowie den Prozessfortschritt
zu dokumentieren. Flankierend könnten die politischen
Interessenvertretungsstrukturen des deutschen
Hochschulsystems auf die Brisanz der derzeitigen
Rechtslage hinweisen und neue Lösungen für eine Legitimierung
des wichtigen Datenaustauschs zwischen den
USA und der EU fördern.
- Vorüberlegungen für Lehrende
Zu den Vorüberlegungen, die sich Lehrende vor Beginn
einer online-Lehrveranstaltung machen sollten, zählen
die inhaltliche bzw. didaktische Gestaltung (a.), die Verwendung
von Materialien im Wege von open access (b.),
die Information der Studierenden über die Funktionsweise
des Systems (c.) und die rechtliche Sicherung der
Lehrmaterialien gegen Missbrauch (d.).
a. Überlegungen zur inhaltlichen bzw. didaktischen
Gestaltung
Inhaltliche bzw. didaktische Planungen und Gestaltungen
sind kein neues Thema, sondern aus der bisherigen
Abwicklung der Hochschullehre bekannt. Neu ist dagegen
die Anforderung an viele Lehrende, innerhalb kurzer
Zeit eine Umstellung vieler Lehrveranstaltungen und
Lehrmaterialien auf die online-Variante zu bewerkstelligen.
In inhaltlicher Hinsicht ist dabei maßgeblich, das
erforderliche Niveau an Wissenschaftlichkeit der Lehre
sicherzustellen.57 Didaktisch gilt es, die neuen Herausforderungen
der online-Vermittlung zu meistern.
Prägende Merkmale für die didaktische Annäherung
an die online-Lehre können dabei die räumlichen und
zeitlichen Verschiebungen im Vergleich zur Präsenzlehre
sein. Der räumlichen Verlagerung curricularer Kommunikation
und Interaktion entsprechen dabei digitale
Tools wie Chats oder Umfragen. Der Möglichkeit in zeitlicher
Hinsicht, Lehre in vor- bzw. nachbereitende Zeiträume
zu verlagern, kommt beispielsweise der Ansatz
des „Flipped Classroom“-Konzepts entgegen. Denn hiermit
können Elemente zur Vorbereitung, die asynchron
bearbeitet werden, mit der Abbildung der Präsenzphasen
im digitalen Raum miteinander verknüpft werden.
Für die Zeit nach der Lehrveranstaltung bzw. für Zeiten
zwischen Lehrveranstaltungen bieten sich E‑Learning-
Plattformen58 an. Hier könnten wesentliche didaktische
Erwägungen, die sich gerade durch den Umstieg auf digitale
Formate ergeben, eingebaut werden.59
In inhaltliche und methodische bzw. didaktische
Überlegungen einbezogen werden können dabei auch
urheberrechtliche Fragestellungen. Denn es ist anerkannt,
dass Urheberrechte an Arbeitsergebnissen, die auf
freier wissenschaftlicher Tätigkeit beruhen, nicht nach
1 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 7 — 1 8
60 Götting/Leuze, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht – Ein Handbuch
für die Praxis, 3. Auflage, 2017, § 13, Rn. 124 ff.; s. bereits
Leuze, Urheberrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
und in den Hochschulen, 1998, S. 113 ff.
61 Leuze (Fn. 60), S. 124 ff.
62 Schwartmann (Fn. 21).
63 Sandberger (Fn. 1), S. 167.
64 van den Berk/Tan, ePortfolio-Prüfung, 2018, abrufbar unter: https://
www.researchgate.net/publication/322519665_E-Portfolio-
Prufung.
65 Sosnitza, Rechtswissenschaft 2010, 225 ff.
66 Für den Wissenschaftsbereich einführend Eisentraut (Fn. 3), S.
179 f.; Zu gesetzlichen Regelungen im Rahmen eines Zweitverwertungsrechts
von Forschungsergebnissen Haug, OdW 2019, 89
ff.
67 Vgl. Informationsplattform Open Access: Rechtsfragen in
Deutschland (open-access.net).
68 Exemplarisch hierzu Lizenzbestimmungen für die sehr liberale
Creative Commons Lizenz CC BY: Creative Commons — Namensnennung
2.0 Deutschland — CC BY 2.0 DE.
69 Kreutzer/Hirche, Rechtsfragen zur Digitalisierung in der Lehre,
2017, S. 25 ff.; Eisentraut (Fn. 3), S. 179 m.w.N.
70 Grundlegend Krujatz, Open Access, Diss. 2012, Tübingen, S. 125
ff.
§ 43 UrhG auf den Dienstherrn übergehen, sondern bei
den Urhebern verbleiben.60 Soweit eine lehrende Person
also wissenschaftlich tätig ist und dabei keinem inhaltlichen
Weisungsrecht unterliegt, bleiben die Urheberrechte
daran dieser Person zugewiesen. Für Lehrmaterialien
von Hochschullehrern ist dies deshalb immer der Fall,
für wissenschaftliche Mitarbeitende im Rahmen ihrer
freien Anteile im Arbeitsvertrag, nicht dagegen für Inhalte,
die durch nichtwissenschaftliches Personal erstellt
wurden.61 Sollte eine gemeinsame Erstellung von Inhalten
von weisungsfreiem und weisungsgebundenem Personal
geben, so ergeben sich Abgrenzungsfragen im
Einzelfall.
Schließlich können auch datenschutzrechtliche Erwägungen
die inhaltlichen bzw. methodisch-didaktischen
Gestaltungen beeinflussen. Dies betrifft beispielsweise
die Konstellation, dass die lehrende Person den
reinen Lernfortschritt der Studierenden IT-basiert messen
und zu diesem Zweck massenweise Bearbeitungen
der Studierenden speichern möchte, z.B. in Form von interaktiven
Quiz-Aufgaben in Lernplattformen oder eingereichten
Aufgaben inklusive dem entsprechenden
Feedback. Diese Speicherungen werden in aller Regel
Verarbeitungen personenbezogener Daten sein, da die
lehrende Person sie ja den betreffenden Studierenden
zuordnen können muss. Datenschutzrechtlich sind diese
Speicherungen nach verbreiteter Auffassung bedenklich,
weil ihre Erforderlichkeit für Zwecke der ordnungsgemäßen
Ausübung der Hochschullehre im Zweifel steht.62
Eine andere Bewertung ließe sich dagegen dann rechtfertigen,
wenn der reine Lernerfolg durch didaktische
Überlegungen Relevanz für die Prüfung bekommen
würde, z. B. als Prüfungsvorleistung, Teilprüfungsleistung
oder auch als Studienleistung63, zum Beispiel in
Form von E‑Portfolios64. Diese Erkenntnis hat nicht nur
Auswirkungen auf die (Um-)Gestaltung dieser Module
durch Fakultät bzw. Fachbereich, sondern auch für den
methodischen Aufbau und die inhaltliche Planung der
Abfolge durch die lehrende Person im konkreten
Einzelfall.
b. Verwendung von open access Inhalten
Die digitale Verwendung von Lehrinhalten bringt ein
erhöhtes Potenzial ihrer Verbreitung und damit auch
erhöhte rechtliche Risiken mit sich. Ist ein urheberrechtlich
geschütztes Werk durch eine Sicherungspanne im
Internet einsehbar, so bedeutet dies weltweiten Zugriff.65
Es kann deshalb allein aus rechtlichen Gründen sinnvoll
sein, auf Inhalte zurückzugreifen, die rechtlich ganz oder
weitgehend freigegeben sind. Zudem bilden die im Rahmen
der open access Bewegung mittlerweile entstandenen
Werksammlungen auch eine große Chance für
inhaltliche oder visuelle Anregungen, Ergänzungen oder
Bereicherungen der eigenen Gedanken und Strukturen.
Open access (dt. freier Zugang) bedeutet den unbeschränkten
und kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen
Informationen.66 Hinsichtlich der Unbeschränktheit
könnte schnell das Missverständnis aufkommen,
dass dies tatsächlich automatisch die Befreiung von
sämtlichen Rechten dritter Personen bedeuten könnte.
Dem ist jedoch nicht so. Die weitgehende Rechtsfreiheit
der open access Bewegung bezieht sich stattdessen
hauptsächlich auf das Urheberrecht.67 Andere relevante
Rechtsgebiete, beispielsweise das Bildnisschutzrecht
nach dem KUG oder das Datenschutzrecht, bleiben davon
unberührt und sind nach wie vor vollständig zu beachten.
68 Speziell mit Blick auf Materialien in der Hochschullehre
spricht man häufig auch von open educational
ressources (OER).69
Hauptanwendungsfall für eine urheberrechtlich weitgehend
befreite Be- und Verarbeitungsmöglichkeit von
fremden Inhalten im Rahmen von OER sind die Creative
Commons Lizenzen.70 Die Creative Commons Bewegung
hat eine Serie von Lizenzformen hervorgebracht,
die eine Verwendung der lizensierten Inhalte mit mehr
oder weniger großen rechtlichen Beschränkungen beMorgenroth/
Wieczorek · Zwischenbilanz zum Hochschulrecht 1 5
71 OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, Az. 6 U 60/14; ausführlich
Rauer/Ettig, WRP 2015, 94 ff.
72 Some Rights Reserved Archives — Creative Commons.
73 Die Ernst-Abbe-Hochschule Jena bietet ihren Lehrenden einen
solchen Vermerk an.
74 Leuze (Fn. 60, 61).
75 § 36 Abs. 1 BeamtStG.
deuten. In der am stärksten urheberrechtlich befreiten
Lizenz namens CC BY hat die verwendende Person nur
noch den Namen des Urhebers zu nennen, ansonsten
sind alle Nutzungsmöglichkeiten erlaubt, also z. B. die
Bearbeitung, die Verbreitung oder die Verwendung zu
eigenen kommerziellen Zwecken. In derjenigen Variante
mit den stärksten rechtlichen Vorbehalten darf der verwendete
fremde Inhalt weder kommerziell genutzt noch
bearbeitet werden, zudem ist auch hier der Name des
Urhebers zu nennen, sog. Lizenz CC BY-NC-ND. Vereinzelt
findet sich dagegen auch die sog. Creative Commons
Zero (CCO) Lizenz, in der alle urheberrechtlichen
Beschränkungen aufgehoben sind. Hinsichtlich anderer
Rechte gilt hierzu jedoch der soeben gezeigte Hinweis.
Die Verwendung von OER-Materialien und speziell
Creative Commons Lizenzen bringt eine Reihe von
Chancen und Potenzialen hervor, können fremde Inhalte
doch vermeintlich schnell und rechtssicher in die eigenen
Unterlagen eingepflegt werden. Dennoch bergen
auch die CC-Lizenzen und andere OER-Materialien eine
Reihe von rechtlichen Herausforderungen. So kann die
Frage des zutreffenden Klägers, die Erfüllung der Lizenzbedingungen
oder auch die Schadensberechnung
im Falle einer Pflichtverletzung Gegenstand diffiziler
Streitfragen sein.71 Nicht umsonst ist der Leitspruch der
Creative Commons Bewegung auch „some rights reserved“
(dt. einige Rechte vorbehalten).72
Die Hochschulen sollten deshalb überlegen und ggf.
regulieren, ob sie für die Verwendung von fremden
OER-Materialien grundlegende Kontrollstrukturen wie
z. B. Informationspflichten etablieren oder sogar die
Verwendung aller oder einzelner Lehrmaterialien von
einer fachlichen Freigabe abhängig machen wollen.
c. Information der Studierenden über die Funktionsweise
des Systems
Soweit nicht die Hochschule als Institution die datenschutzrechtliche
Information über die verwendeten
Softwaresysteme der online-Lehre vornimmt, könnte
sich eine individuelle Information, vermittelt und verantwortet
durch die lehrende Person, anbieten. Auch
hierzu sind mehrere Varianten denkbar, beispielsweise
eine automatische, auf das betreffende System individualisierte
Information zu Beginn jedes Semesters oder
auch eine IT-basierte oder mündliche Information durch
die lehrende Person zu Beginn der Veranstaltungsreihe.
Um die erforderlichen Nachweise der Information
sicherzustellen, könnte sich ein individueller Aufruf,
verbunden mit einer per opt-in betätigten Kenntnisnahme
durch die Studierenden und die interne Speicherung
dieser Aktionen, als effektives Mittel anbieten.
d. Sicherung der Lehrmaterialien gegen Missbrauch
Zu einer abgerundeten Planung der Verwendung von
Lehrmaterialien gehört auch, diese bestmöglich gegen
Missbrauch zu schützen. Typischer Fall ist dabei das
Informationsleck infolge einer unverschuldeten technischen
Panne und das daraufhin erfolgende Hinausschwemmen
der Inhalte ins Internet, wo sie dann unkontrollierbar
verwendet werden können. Denkbar sind in
Ausnahmefällen jedoch leider auch unbefugte Nutzungshandlungen
durch die Adressaten der Lehrveranstaltung.
Auf die technischen Dimensionen der Datensicherung
durch Strukturen der globalen Hochschularchitektur
hat die einzelne lehrende Person in aller Regel keinen
Einfluss. Jedoch ist zu überlegen, ob sich die Lehrmaterialien
effektiv und elegant durch einen prägnanten Vermerk
zur rechtlichen Zugehörigkeit in hohem Maße sichern
lassen.73 Wegen der bereits behandelten Problematik,
wem die Rechte an den Lehrmaterialien zugewiesen
sind,74 kann sich dabei durchaus die Frage stellen, ob
der „copyright-Vermerk“ als Rechtsträger die lehrende
Person oder nicht lieber doch die Hochschule beinhalten
sollte. Dies soll der Gestaltung der Hochschule im Ergebnis
überlassen bleiben, zumal in vielen Fällen die
Lehrmaterialien komplett von der lehrenden Person erstellt
und deshalb dieser rechtlich zugewiesen sein werden.
Aus Sicht eines Verwenders ist dagegen möglicherweise
die Sichtweise interessanter, wer im Falle einer
Rechtsverletzung als haftende Person in Frage kommt.
Weil die Durchführung von Hochschullehre eine dienstliche
Tätigkeit, damit eine Amtshandlung im Sine des
Staatshaftungsrechts ist, haftet bei Verletzungen im Außenverhältnis
zur anspruchsführenden Person zunächst
die Hochschule als Dienstherr nach den Grundsätzen
der Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG. Außerdem
zählt es zu den dienstlichen Pflichten wissenschaftlichen
Personals, Recht und Gesetz einzuhalten,75 so
dass im Falle bekannt werdender Rechtsverletzungen
auch der jeweilige Dienstvorgesetzte auf Abhilfe drängen
darf. Insgesamt sprechen deshalb gute Gründe dafür, in
diesem Kontext eher eine rechtliche Zugehörigkeit der
Hochschule in den Vermerk einzuflechten.
1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 7 — 1 8
76 Botta, Datenschutz bei E‑Learning-Plattformen, Rechtliche
Herausforderungen digitaler Hochschulbildung am Beispiel der
Massive Open Online Courses (MOOCs), 2020; Besprechung bei
Golla, OdW 2020, 209 ff.
77 Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 30. Auflage,
2018, § 201, Rn. 7 f.
78 Heuchemer/Paul, JA 2004, Heft 4, 1, 4.
79 Eisele, in: Schönke/Schröder (Fn. 77), § 201, Rn. 29 ff.
80 S. oben, Nr. II 1 b.
81 Dies bietet sich unabhängig von bestehenden Teilhaberechten
der unverschuldet abwesenden Studierenden, s. oben, Fn. 33, aus
Gründen effektiver Verfahrensgestaltung an.
82 § 76 ThürHG. - Fehlverhalten der Studierenden
Das Mitgliedschaftsverhältnis der Studierenden zur
Hochschule ist weniger intensiv ausgestaltet als ein
Beschäftigungsverhältnis. Die verbindlichen Rechtsverhältnisse
sind deshalb wenig allgemein und abstrakt,
sondern verstärkt an einzelne Regelungsbereiche angebunden.
Hauptanwendungsfall hierfür ist die Prüfung.
Aber auch außerhalb dieser sind konkrete Verhaltenspflichten
und zugehörige Sanktionen denkbar. Für die
Lehre sind dies zum Einen der rechtliche Rahmen des
staatlichen Zivil- bzw. Strafrechts (a.), sowie spezielle
hochschulrechtliche Mechanismen in Anlehnung an das
Ordnungsrecht (b.).
a. Staatliches Recht
So kann bereits die Aufnahme einer Lehrveranstaltung
auf einem dauerhaften Datenträger, beispielsweise einem
Smartphone, strafbar sein. Denn § 201 Abs.1 Nr. 1 StGB
verbietet die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen
Wortes. Soweit eine online-Lehrveranstaltung nicht
einer breiten und unbestimmbaren Öffentlichkeit
zugänglich ist, wie dies etwa bei den sog. MOOCs76 der
Fall ist, sollte der Teilnehmerkreis einer Lehrveranstaltung
hinreichend nichtöffentlich sein.77 Problematisch
ist das Merkmal „unbefugt“, das nicht Bestandteil des
Tatbestands der Norm, sondern ein Hinweis auf die
Rechtswidrigkeit des Handelns ist.78 Die Unbefugtheit
des Handelns kann deshalb durch eine rechtfertigende
Einwilligung79 oder andere Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen
werden. Hierbei stellen sich interessante
Abgrenzungsfragen. Ist nämlich nur die lehrende Person
zu hören, so kommt es ausschließlich auf ihren Willen
an. Werden dagegen auch Redebeiträge anderer Studierender
mit aufgefangen, so sind alle ihre Einwilligungen
erforderlich. Außerdem ist offen, wie sich die lehrende
Person zu einer Aufnahme positioniert, ob dies also als
sinnvolle Bereicherung je nach Lerntyp oder als übergriffige
Ambush-Aktion gesehen wird. Aus der Einwilligung
der lehrenden Person in die Aufzeichnung der Veranstaltung,
die aus ihrem Verhalten folgt,80 kann insoweit
nicht ohne Weiteres auch auf die Einwilligung zur
Speicherung durch Studierende ausgegangen werden. In
jedem Fall ist es ratsam, diese Konstellation vor Beginn
einer Lehrveranstaltungsreihe belastbar zu besprechen
und möglicherweise zusätzlich auch schriftlich für diejenigen
Studierenden vorzuhalten, die bei der Besprechung
nicht anwesend waren.81
Etwas eindeutiger ist die Rechtslage dann bei
§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der das Zur-Verfügung-Stellen
dieser Materialien unter Strafe stellt. Hauptanwendungsfall
dessen ist sicherlich der Upload auf öffentlich zugänglichen
Plattformen. Dass dies vom Willen aller hörbaren
Personen gedeckt bzw. sonst gerechtfertigt werden
kann, dürfte sich auf Ausnahmesituationen
beschränken.
Die Gelegenheit für eine strategische Überlegung der
Hochschule bietet in diesem Zusammenhang noch, dass
Straftaten nach § 201 Abs. 1 StGB nur auf Strafantrag verfolgt
werden, § 205 StGB. Die Hochschule hat in diesem
Zusammenhang das Recht und gleichzeitig auch die
Verantwortung, sich mit dem Zusammenspiel von Strafrecht
und Hochschulrecht mit Blick auf die Gegebenheiten
vor Ort zu befassen. Dabei könnte das Interesse an
einer Durchsetzungsfähigkeit angesichts des eher lockeren
rechtlichen Bandes der Hochschulmitgliedschaft für
eine stärkere Strafverfolgung ebenso eine Rolle spielen
wie der Kontrollverlust durch das staatliche Strafverfolgungsmonopol
dagegen. Hochschulen in Bundesländern,
denen ordnungsrechtliche Regelungssysteme wie
das Ordnungsverfahren82 zur Seite stehen, könnten dieses
Element in ihre Abwägung ebenfalls einfließen
lassen.
Parallel zum Schutz persönlicher Rechtsgüter wird
auch das Urheberrecht als geistiges Eigentum geschützt.
Denn § 106 UrhG stellt mit der Vervielfältigung ebenfalls
bereits die Aufnahme sowie mit der öffentlichen Wiedergabe
das Hochladen auf öffentlich zugängliche Plattformen
ebenso unter Strafe wie § 201 StGB, solange die
Lehrmaterialien urheberrechtlich geschützt sind und
keine Einwilligung aller Beteiligten vorliegt. Die inhaltliche
Strafbarkeit ist deshalb weitgehend parallel zu
§ 201 StGB. Anders als dort unterliegt eine Verfolgung
von Taten nach § 106 UrhG aber nicht der ausschließlichen
Dispositionsbefugnis der Hochschulen, denn nach
§ 109 UrhG kann die Staatsanwaltschaft bei besonderem
öffentlichen Interesse die Strafverfolgung auch von Amts
wegen einleiten. Soweit jedoch keine Präzedenz- oder
Morgenroth/Wieczorek · Zwischenbilanz zum Hochschulrecht 1 7
sonstigen gravierenden Fälle vorliegen, sollten die soeben
genannten Erwägungen gleichermaßen gelten
können.
Daneben können diejenige Person, welche die Verletzungshandlung
zu verantworten hat, auch zivilrechtliche
Ansprüche treffen, z. B. Unterlassungsansprüche hinsichtlich
des Urheberrechts aus § 97 UrhG,83 bezüglich
anderer Aspekte, etwa des Bildnisschutzrechts aus §§ 823
in Verbindung mit 1004 BGB,84 oder Schadensersatzansprüche
aus § 98 UrhG für Urheberrechtsverletzungen
oder aus §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
§ 201 StGB.85 Spannende Konstellationen ergeben sich
hierbei dann, wenn die widerrechtlich verwendeten Inhalte
zumindest auch der lehrenden Person zugewiesen
sind und diese deshalb mindestens teilweise selbst berechtigt
ist, Ansprüche geltend zu machen, sog. Aktivlegitimation.
Hier könnte die Hochschule ein Interesse daran
haben, das Verfahren selbst zu führen. Im Falle einer
ausschließlichen Rechtsinhaberschaft der lehrenden
Person kommt dabei die Abtretung der Forderung gegen
den Verletzer von Seiten der lehrenden Person auf die
Hochschule nach § 398 BGB in Betracht. Befinden sich
beide in einer Rechtsgemeinschaft bezüglich der Lehrinhalte,
so sollte eine Streitgenossenschaft nach § 59 ZPO
im Prozess eine taugliche Alternative zur alleinigen Prozessführung
der Hochschule nach Abtretung sein.
b. Hochschulrecht
Den Hochschulen steht entweder auf der Grundlage
eigener Regelungen, etwa einer Hausordnung, oder kraft
funktionalen Annexes der Selbstverwaltungstätigkeit
das Hausrecht zur Seite. Dieses berechtigt den Inhaber,
die Benutzung der der Hochschule zugewiesenen Liegenschaften
unter bestimmte Bedingungen zu stellen
bzw. die Nutzung zu untersagen.
Vor allem für die derzeit so stark frequentierten online-
Aktionswelten ist das Hausrecht insbesondere in
seiner Ausgestaltung als virtuelles Hausrecht86 interessant.
So kann auch der virtuelle Kommunikations- und
Interaktionsraum unter Spielregeln gestellt und die Teilnahme
daran von deren Einhaltung abhängig gemacht
werden. Da das klassische Hausrecht physisch wirkt und
möglicherweise nicht alle hausrechtsbezogenen Regelungen
die virtuelle Dimension bereits enthalten, empfiehlt
sich eine konkrete Ausgestaltung in einer Regelung.
Soweit das reguläre Hochschulrecht oder auch das
spezielle Corona-Recht für derartige Regelungen eine
Rechtsgrundlage bieten, kann diese Fixierung darauf gestützt
werden.
In einigen Bundesländern besteht darüber hinaus
auch die Möglichkeit, gegen Studierende nach Durchführung
eines Ordnungsverfahrens bestimmte Ordnungsmaßnahmen
zu verhängen.87 Durch die Verbindung
nichtakademischen Fehlverhaltens mit akademischen
Sanktionen trägt dieses Ordnungsverfahren damit
zumindest in Ansätzen ordnungsrechtliche Züge. Diese
Sanktionsmöglichkeiten stehen damit gewissermaßen
zwischen dem eng begrenzten prüfungsrechtlichen Regelungssystem
und dem allgemein geltenden staatlichen
Recht. Zum Schutz der Studierenden sind diese Ordnungsverfahren
sehr formal ausgestaltet.
III. Ergebnisse
Zusammengefasst seien abschließend nochmals die
nachfolgenden wesentlichen Ergebnisse genannt: - Die Beschaffung von Konferenzsystemen für online-
Lehre ist mittlerweile wohl im regulären Vergabeverfahren
für gewerbliche Lieferungen und sonstige
Leistungen zu tätigen. Unmittelbar nach dem Ausbruch
der Corona-Pandemie im März 2020 sowie möglicherweise
auch mit Blick auf die wenig vorhersehbare Entscheidung
des EuGH über die Unwirksamkeit von Privacy
Shield war dagegen mit einiger Wahrscheinlichkeit
eine privilegierte Beschaffung wegen unverschuldeter
Dringlichkeit möglich (oben, Nr. II 1 a). - Für die Frage der Zulässigkeit einer Speicherung
personenbezogener Daten von Studierenden im Rahmen
der online-Lehre im Wege der Aufzeichnung von
Lehrveranstaltungen ist die rechtliche Gemengelage zwischen
der Verantwortung der Hochschule für qualitativ
hinreichend wissenschaftliche Lehre, der Lehrfreiheit
der lehrenden Person unter Einschluss didaktischer Elemente
und der Verwirklichung der Studierfreiheit der
Studierenden maßgeblich. Die konkrete Abwägung
hängt von vielen verschiedenen Faktoren, etwa der Art,
Anzahl und Schutzwürdigkeit der personenbezogenen
Daten, dem speziellen Verwendungszweck oder dem
Grad der vermittelten Öffentlichkeit, ab. Online-Lehre
kann jedoch mehr sein als die virtuelle Abbildung von
analog verwendeten Strukturen, angereichert um neue
didaktische Elemente. Online-Lehre vermittelt die
83 BGH, Urteil vom 24.09.2014, Az. I ZR 35/11.
84 BAG, Urteil vom 11.12.2014, Az. 8 AZR 1010/13.
85 OLG Köln, Urteil vom 18.07.2019, Az. 15 W 21/19.
86 LG Bremen, Urteil vom 20.06.2019, Az. 7 O 1618/18 m.w.N.
87 § 15 BbgHG, § 51 a HG NRW, § 76 ThürHG.
1 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 1 ) , 7 — 1 8
Chance, unverschuldet abwesende Personengruppen
wirksam teilhaben zu lassen. Nicht nur online-Lehre an
sich, sondern auch die Abbildung gespeicherter Inhalte
im Wege der Aufnahme erhält dadurch einen neuen
Charakter und Zweck sowie eine andere Wertigkeit im
Gefüge der bestehenden Interessen und Rechte (oben,
Nr. II 1 b). - Mit guten Gründen lassen sich Produkte von außerhalb
der EU auch nach der Kassierung von Privacy
Shield durch den EuGH im Juli 2020 zumindest noch für
eine gewisse Zeit aufrechterhalten. Zu diesen Gründen
zählen etwa das Erfordernis, einen funktionsfähigen
Wissenschaftsbetrieb aufrechtzuerhalten, die Unvorhersehbarkeit
der Entscheidung in dieser Konsequenz oder
die latent vorhandene Privilegierungswirkung einer Vereinbarung
über Auftragsdatenverarbeitung (oben, Nr. II
1 b). - Online-Lehre bedeutet die Chance und die Verantwortung,
die sich verschiebenden räumlichen, zeitlichen
und inhaltlichen Gegebenheiten anzunehmen und sie zu
neuen inhaltlich-didaktischen Einheiten zu formen. Dabei
stehen bereits viele verschiedene Elemente zur Verfügung.
Rechtliche Aspekte, etwa die urheberrechtliche
Zuweisung von Arbeitsinhalten oder die datenschutzrechtliche
Bedenklichkeit der Messung reinen Lernfortschritts
ohne Bewertungsbezug, sind hierbei einzuflechten
(oben, Nr. II 2 a). - Die Möglichkeiten der open access-Bewegung sind
groß und sind Teil des Selbstverständnisses des wissenschaftlichen
Systems. Da die Begriffe „open“ access oder
Creative „Commons“ komplette Rechtefreiheit suggerieren,
in der Praxis aber selten mit einer faktischen Rechtefreiheit
in diesem Ausmaß verbunden sind, bietet es sich
für die Hochschulen an, Informations- und ggf. Prüfprozesse
einzurichten bzw. auszubauen, um Rechtsverletzungen
und daraus entstehende Vermögens- und Reputationsschäden
zu vermeiden (oben, Nr. II 2 b). - Art. 5 Abs. 2 EU-DSGVO sieht nicht nur eine Information
der Studierenden über ihre verarbeiteten personenbezogenen
Daten, sondern auch deren Dokumentation,
also Nachweisführung, vor. Dies kann je nach
konkreten Gegebenheiten allgemein oder auch spezifisch
für jedes verwendete System erfolgen (oben, Nr. II
2 c). - Arbeitsinhalte von weisungsfrei handelndem wissenschaftlichen
Personal bleiben diesen Personen rechtlich
zugewiesen. Im Falle einer Rechtsverletzung im
Rahmen von deren Tätigkeit wird wegen der Solvenz des
Dienstherrn und dessen staatshaftungsrechtlicher Verantwortlichkeit
in aller Regel der Dienstherr Gegner von
Ansprüchen sein. Kennzeichnungen von Lehrmaterialien
könnten deshalb sinnvollerweise nicht die wissenschaftlich
tätige Person, sondern die Hochschule als
Rechteinhaber ausweisen (oben. Nr. II 2 d). - Studierende, die Lehrmaterialien ohne Erlaubnis
aufzeichnen bzw. insbesondere weiterverbreiten, begeben
sich in die Gefahr einer zivil- bzw. strafrechtlichen
Erfassung. Für die Hochschulen ergeben sich dabei strategische
Möglichkeiten. So kann durch die Stellung eines
Strafantrages die Ahndungsmöglichkeit von Verhalten
innerhalb des ansonsten rechtlich eher wenig verflochtenen
Mitgliedschaftsverhältnisses erhöht werden. Im Verhältnis
zur lehrenden Person, deren Rechte ganz oder
teilweise verletzt wurden, bieten sich die Forderungsabtretung
oder die Streitgenossenschaft als forensische Gestaltungsmittel
an (oben, Nr. II 3 a). - Der im Rahmen der online-Lehre betretene virtuelle
Raum setzt virtuelle Steuerungsbefugnisse voraus,
die über ein virtuelles Hausrecht zu verwirklichen sind,
etwa bei Störungen von Lehrveranstaltungen. In Ländern,
in denen über ein Ordnungsverfahren die Möglichkeit
der Verhängung curricularer Sanktionen bei
nicht notwendig curricular angebundenem ordnungswidrigem
Verhalten von Studierenden möglich ist, erhält
die strategische Ausrichtung zwischen Ordnung und
Mitgliedschaft, die sonst über Elemente wie Strafanträge
oder eidesstattliche Erklärungen zu lösen sind, eine weitere
Facette (oben, Nr. II 3 b).
Prof. Dr. rer. nat. Barbara Wieczorek ist Vizepräsidentin
der Ernst-Abbe-Hochschule Jena für Studium, Lehre
und Weiterbildung und Leiterin des Teilprojekts „Hochschuldidaktik“
an der Hochschule. Dr. iur. Carsten Morgenroth
ist Justiziar der Ernst-Abbe-Hochschule sowie
Referent und Fachautor im Hochschulstudien- bzw.
-prüfungsrecht. Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung
der Autorin und des Autors wieder.