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Über­sicht
I. Ein­lei­tung
II. EU-Recht als Maß­stab für IT-basier­te Überwachung

  1. Hin­füh­rung
  2. Vor­han­den­sein eines Gestaltungsspielraums
  3. Gestal­tungs­spiel­raum bei Einwilligung?
  4. Inkon­gru­en­zen des EU-recht­li­chen und des natio­na­len Grund­rechts­schut­zes
    a. Gebot der Chan­cen­gleich­heit
    b. Unver­letz­lich­keit der Wohnung
  5. Ergeb­nis­se
    III. Struk­tu­rel­le Über­le­gun­gen zum Prüfungsrecht
  6. Grund­la­gen der Strukturbildung
  7. Typo­lo­gi­sche Ana­ly­se der neu­en Online-Prü­fungs­ar­ten
    a. Erar­bei­tung fak­ti­scher Typen­bil­dung für Online-Prü­fun­gen
    b. Bewer­tung fak­ti­scher Struk­tu­ren nach recht­li­chen Merk­ma­len
    c. Ein­ord­nung in das gel­ten­de recht­li­che Regime
    d. Ergeb­nis­se
  8. Begriff­li­che Fra­gen
    a. Begriff der „Prü­fungs­form“ als Ober­be­griff?
    b. Bezeich­nung der Klau­sur als „Auf­sichts­ar­beit“?
    c. Benen­nung der IT-basiert durch­ge­führ­ten Prü­fungs-
    gestal­tun­gen
    IV. Ergeb­nis­se
    I. Ein­lei­tung
    Nach einer vor­über­ge­hen­den Ent­span­nung über den Som­mer 2020 hat sich die Situa­ti­on im Zusam­men­hang mit der Coro­na-Pan­de­mie über den Win­ter 2020/21 wie­der dras­tisch ver­schärft. Infek­ti­ons­zah­len haben sich erheb­lich gestei­gert und zu einem zwei­ten sog. Lock-down geführt. Die­se Lage lässt Prü­fun­gen im anste­hen­den Prü­fungs­zeit­raum zwar nicht gänz­lich unmög­lich erschei­nen. Eine Umstel­lung auf IT-basier­te Prü­fun­gen (Online-Prü­fun­gen) scheint aber nahe­zu unaus­weich­lich zu sein, um dem Anspruch der Stu­die­ren­den auf die Durch­füh­rung genü­gen zu können.1 Das Recht der Online-Prü­fun­gen ist des­halb eben­so rele­vant wie vola­til und wur­de fol­ge­rich­tig bereits von eini­gen nam­haf­ten Autoren adressiert.2
    Gleich­zei­tig steht zu erwar­ten, dass Online-Prü­fun­gen auch nach dem Abeb­ben der Pan­de­mie zumin­dest zu einem gewis­sen Grad Bestand­teil der moder­nen deut­schen Hoch­schul­land­schaft blei­ben wer­den. Erfah­run­gen, Judi­ka­te und Netz­wer­ke wer­den das Recht der Online-Prü­fun­gen erwei­tern und ver­fei­nern, es wird jedoch nicht ver­schwin­den.
    Die­ser Ent­wick­lung ent­spre­chend wird sich Teil 2 die­ses Pra­xis­be­richts mit all­ge­mei­nen Fra­gen des Rechts der Online-Prü­fun­gen befas­sen. Zunächst soll hier­bei die Anwend­bar­keit des EU-Rechts im Rah­men der IT-basier­ten Über­wa­chung beleuch­tet wer­den (II.). Es schlie­ßen sich eini­ge begriff­li­che und typo­lo­gi­sche Erwä­gun­gen im Zusam­men­hang mit Prü­fun­gen an (III.). Eine Zusam­men­fas­sung der wesent­li­chen Ergeb­nis­se (IV.) run­det die Dar­stel­lung ab. Teil 3 gestal­tet die­se Fra­ge­stel­lun­gen dann kon­kret aus stellt die­se in Ver­bin­dung mit Aspek­ten der Prü­fungs­di­dak­tik inter­dis­zi­pli­när dar.
    II. EU-Recht als Maß­stab für IT-basier­te Überwachung
  9. Hin­füh­rung
    Die weit­ge­hen­de Schlie­ßung der Hoch­schu­len für den Stu­di­en­be­trieb wäh­rend der Coro­na-Zeit hat es erfor­der­lich wer­den las­sen, Prü­fun­gen in der Form abzu­hal­ten, dass die zu prü­fen­de Per­son in ihrer Pri­vat­woh­nung ver­bleibt. Um das Gebot der Chan­cen­gleich­heit aller zu prü­fen­den Per­so­nen nach Art. 3 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 12 Abs. 1 GG sicher­stel­len zu kön­nen, kam hier­bei der Bedarf auf, über eine IT-basier­te Beauf­sich­ti­gung der zu prü­fen­den Per­son über Kame­ras nach­zu­den­ken (sog. Proc­to­ring). Damit stel­len sich neue daten­schutz­recht­li­che, aber auch per­sön­lich­keits­recht­li­che Fra­ge­stel­lun­gen, war doch der pri­va­te Rück­zugs­ort der Stu­die­ren­den bis­lang nicht Bestand­teil der orga­ni­sa­to­ri­schen und recht­li­chen Betrach­tung durch die Hoch­schu­len.
    Cars­ten Mor­gen­roth
    Zwi­schen­bi­lanz zum Coro­na-Hoch­schul­recht aus Sicht der Hoch­schul­pra­xis, Teil II – Metho­di­sche und recht­li­che Grund­fra­gen zu Online-Prü­fun­gen
    1 Fischer/Dieterich, Refe­rat zum Prü­fungs­recht der Online-Prü­fun­gen am 15. Janu­ar 2021 anläss­lich eines Web­i­nars des Ver­eins zur För­de­rung des deut­schen und euro­päi­schen Wis­sen­schafts­rechts.
    2 Fischer/Dieterich, NVwZ 2020, 657 ff.; Feh­ling, OdW 2020, 137 ff.; Sand­ber­ger, OdW, 2020, 155 ff.; Bot­ta, Grund­rechts­ein­grif­fe durch Online-Proc­to­ring, abruf­bar unter Grund­rechts­ein­grif­fe durch Online-Proc­to­ring – Ver­fas­sungs­blog; aus Sicht eines Rechts­an­walts Hein­ze, https://www.heinze-pruefungsanfechtung.de/pruefungsrecht-corona/, letz­ter Abruf am 4. Febru­ar 2021.
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2021, ISSN 2197–9197
    1 1 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    3 So der renom­mier­te Daten­schutz­recht­ler Schwart­mann anläss­lich
    eines Web­i­nars zum Recht von Online-Leh­re und Online-Prü­fun­gen
    am 30. Okto­ber 2020, hier­zu Haa­ke, OdW 2021, 62 ff.
    4 Aus­führ­lich hier­zu Feh­ling, oben Fn. 2, S. 145 ff.
    5 S. Schwart­mann, oben Fn. Fn. 63.
    6 Bot­ta, oben Fn. 2.
    7 Näher hier­zu Hal­tern, Euro­pa­recht, Band II, 3. Auf­la­ge, 2017, § 10,
    Rn. 1092 ff.
    8 Hoeren/Fischer/Albrecht, Gut­ach­ten zur daten­schutz­recht­li­chen
    Zuläs­sig­keit von Über­wa­chungs­maß­nah­men bei Online-Klau­su­ren,
    Juni 2020, Rn. 47; https://www.itm.nrw/wp-content/uploads/
    RiDHnrw_11.06.20_Gutachten-zur-datenschutzrechtlichen-
    Zul%C3%A4ssigkeit-von-%C3%9Cberwachungsfunktionen-bei-
    Online-Klausuren.pdf.
    9 Beschlüs­se, Az. 1 BvR 16/13 und 1 BvR 276/17, jeweils vom
    6.11.2019.
    10 BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019, Az. 1 BvR 276/17, Rn. 41, 59.
    11 BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019, Az. 1 BvR 16/13, Rn. 43.
    12 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, Kommentar,
  10. Auf­la­ge, 2020, Art. 6 Rn. 196 m.w.N.
    13 Gola, Daten­schutz­grund­ver­or­dung, Kom­men­tar, 2017, Art. 6 Rn.
    175.
    Kame­ra­be­ding­te Wahr­neh­mun­gen von Details der Woh­nung
    der Stu­die­ren­den durch Per­so­nal oder Beauf­trag­te
    der Hoch­schu­le sind nicht nur als per­so­nen­be­zo­ge­ne
    Daten rele­vant und damit dem Daten­schutz­recht zuge­hö­rig;
    die­se Wahr­neh­mun­gen haben gleich­zei­tig auch
    Bezug zum ver­fas­sungs­recht­li­chen Schutz der Woh­nung.
    3
    Bis­lang ist dabei erkenn­bar jedoch von einem Schutz
    aus­schließ­lich durch das Datenschutzrecht4 oder durch
    den Schutz aus den deut­schen Grund­rech­ten aus Art. 13
    GG5 sowie aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG6 aus­ge­gan­gen
    wor­den. Weil sich das Daten­schutz­recht jedoch
    nach der unmit­tel­bar anwend­ba­ren EU-Daten­schutz-
    Grund­ver­ord­nung (nach­fol­gend DSGVO) bestimmt,
    ist frag­lich, ob die dar­in ent­hal­te­ne Abwä­gung
    der Rech­te und Inter­es­sen nicht EU-recht­lich zu gesche­hen
    hat.
    Die Fra­ge nach der Anwend­bar­keit natio­na­ler
    Grund­rech­te im Rah­men der Prü­fung von EU-Recht
    durch das BVerfG ist nicht neu, son­dern bereits Gegen­stand
    meh­re­rer Ent­schei­dun­gen des BVerfG, der sog.
    „Solan­ge-Ent­schei­dun­gen“, gewesen.7 Im Jah­re 2019 hat­te
    das BVerfG nun Bedarf und Gele­gen­heit, die­se Recht­spre­chung
    zu prä­zi­sie­ren. Die Vor­rei­ter der recht­li­chen
    Auf­ar­bei­tung des Coro­na-Hoch­schul­rechts sind hier­zu
    in ers­ter Annä­he­rung davon aus­ge­gan­gen, dass die deut­schen
    Grund­rech­te das Niveau der euro­päi­schen Grund­rech­te
    bereits inkludieren.8 Die­se Fil­te­rung war im dama­li­gen
    Erkennt­nis-Zeit-Kon­ti­nu­um klug und sinn­voll.
    Mög­li­cher­wei­se lohnt sich jedoch mitt­ler­wei­le ein nähe­rer
    Blick auf die The­ma­tik. Die bei­den Ent­schei­dun­gen
    des BVerfG zum „Recht auf Vergessen“9 ver­mit­teln zusam­men­ge­fasst
    eine etwas dif­fe­ren­zier­te Struk­tur. Wen­den
    deut­sche Stel­len EU-Recht an, ohne dass ihnen dabei
    ein Gestal­tungs­spiel­raum obliegt, dann gebie­tet die
    Inte­gra­ti­ons­ver­ant­wor­tung aus Art. 23 Abs. 1 GG, dass
    die­se Maß­nah­men am Maß­stab der EU-Grund­rech­te gemes­sen
    werden.10 Steht den deut­schen staat­li­chen Stel­len
    jedoch ein Gestal­tungs­spiel­raum bei der Umset­zung des
    EU-Rechts zu, dann misst das BVerfG die­se Maß­nah­men
    am Maß­stab der natio­na­len Grund­rech­te, gege­be­nen­falls
    im Lich­te einer Inter­pre­ta­ti­on der GrCh.11 Für den hie­si­gen
    Anwen­dungs­be­reich stel­len sich damit auf meh­re­ren
    Ebe­nen Fra­gen. Bedeu­tet eine lan­des- oder sat­zungs­recht­li­che
    Aus­ge­stal­tung der Online Prü­fungs­durch­füh­rung
    eine Aus­übung eines Gestal­tungs­spiel­rau­mes, die
    den Anwen­dungs­be­reich der natio­na­len Grund­rech­te
    eröff­net? Ist ein Abs. ellen auf eine Ein­wil­li­gung dage­gen
    die rei­ne Aus­übung von Uni­ons­recht, wo aus­schließ­lich
    die EU-Grund­rech­te gel­ten wür­den? Und selbst wenn
    eine Prü­fung durch natio­na­le Grund­rech­te ange­zeigt ist,
    kann tat­säch­lich von einer hin­rei­chen­den Niveau­kon­gru­enz
    EU-recht­li­cher und natio­na­ler Grund­rech­te im
    Sin­ne des BVerfG gespro­chen werden?
  11. Vor­han­den­sein eines Gestal­tungs­spiel­raums
    Auf der ers­ten Ebe­ne ist zu klä­ren, ob über­haupt ein
    Gestal­tungs­spiel­raum ange­nom­men wer­den kann.
    In Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. e EU-DSGVO spricht zunächst
    der Wort­laut „spe­zi­fi­sche­re Bestim­mun­gen“, der
    sich sowohl in Art. 6 Abs. 2 EU-DSGVO als auch in des­sen
    Absatz 3 fin­det, für einen Gestal­tungs­spiel­raum.
    Weil das Ver­hält­nis zwi­schen Art. 6 Absät­zen 2 und 3
    EU-DSGVO noch offen ist, emp­fiehlt es sich, die Vor­aus­set­zun­gen
    bei­der Absät­ze kumu­la­tiv zu beachten.12 In die
    ande­re Rich­tung deu­tet jedoch die Ent­ste­hungs­ge­schich­te
    der Norm, denn im Lau­fe des Gesetz­ge­bungs­ver­fah­rens
    wur­de der ursprüng­lich ange­dach­te Begriff „stren­ge­re
    Bestim­mun­gen“ durch „spe­zi­fi­sche­re Bestim­mun­gen“
    ersetzt, um dem Gebot der Voll­har­mo­ni­sie­rung der
    EU-DSGVO Vor­schub zu leisten.13 Dies könn­te gegen einen
    wirk­li­chen inhalt­li­chen Gestal­tungs­spiel­raum spre­chen.
    Hin­sicht­lich der ins­be­son­de­re in Art. 6 Abs. 3 EUDSGVO
    benann­ten Dimen­sio­nen, etwa der ver­ar­bei­te­ten
    Daten, besteht auch streng genom­men kein Spiel­raum,
    weil die Hoch­schu­le hier die fak­ti­sche Situa­ti­on
    exakt abzu­bil­den hat und nichts dazu erfin­den kann.
    Hin­sicht­lich des Erfor­der­nis­ses in Art. 6 Abs. 3 EU-DSGVO,
    die Zwe­cke der Ver­ar­bei­tung in der spe­zi­fi­schen
    Bestim­mung zu benen­nen, dürf­te jedoch ein gewis­ser
    Gestal­tungs­spiel­raum der Hoch­schu­len bestehen, je
    nach orga­ni­sa­to­ri­scher und struk­tu­rel­ler Aus­gangs­la­ge.
    Ob etwa eine Kon­fe­renz- bzw. Prü­fungs­soft­ware nur für
    eine Selbst­ver­wal­tungs­ein­heit oder für die gesam­te
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 1 9
    14 Erwä­gungs­grund 1 zur EU-DSGVO.
    15 Gola (Fn. 13), Art. 6 Rn. 173.
    16 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner (Fn. 12) las­sen inso­weit alle
    Geset­ze im mate­ri­el­len Sin­ne genü­gen und erwäh­nen bei­spiel­haft
    hier­zu die kom­mu­na­le Sat­zung.
    17 Hier­für ist nach BVerfGE 61, 1 ff. eine durch for­mel­les Gesetz
    erfolg­te Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge sowie die Ein­hal­tung des Wesent­lich­keits­grund­sat­zes
    erfor­der­lich; vgl. auch Kühling/Martini,
    Die EU-DSGVO und das natio­na­le Recht, 2016, S. 28.
    18 Neben der Anwend­bar­keit der all­ge­mei­nen Kon­kre­ti­sie­rungs­er­mäch­ti­gung
    in Art. 6 Abs. 2, 3 EU-DSGVO sind die Art. 85 und
    Art. 89 EU-DSGVO rele­vant.
    19 Pau­ly, in: Paal/Pauly, Daten­schutz­grund­ver­ord­nung, Bundesdatenschutzgesetz,
  12. Auf­la­ge, 2018, Art. 85 Rn. 9.
    20 In die­se Rich­tung Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner (Fn. 12),
    Art. 89, Rn. 13 a.
    21 Für Prü­fun­gen wäre dane­ben – in Anleh­nung an Art. 5 Abs. 3
    GG – die recht­li­che Zuord­nung zur wis­sen­schaft­li­chen Leh­re erfor­der­lich,
    s. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grund­ge­setz-Kom­men­tar,
    Art. 5 Abs. 3, Rn. 140.
    22 Inso­weit könn­te das – auf der Vor­gän­ger­re­ge­lung der EUDSGVO
    basie­ren­de – Urteil des EuGH zu daten­schutz­recht­li­cher
    Rele­vanz von Anmer­kun­gen der Prü­fun­gen bei einer Bewer­tung
    einer staat­li­chen Prü­fung zum Wirtschaftsprüfer/Steuerberater
    wich­ti­ge Hin­wei­se für die Über­tra­gung der dor­ti­gen Gedan­ken
    in den Hoch­schul­be­reich sein, s. EuGH, Urteil vom 20.12.2017,
    Az. C 434–16 – Nowak; zur Über­tra­gung ins deut­sche Recht,
    aller­dings für die staat­li­che Prü­fung des zwei­ten juris­ti­schen
    Staats­examens VG Gel­sen­kir­chen, Urteil vom 27.4.2020, Az. 20 K
    6392/18.
    Hoch­schu­le ver­wend­bar sein soll, ver­än­dert die Res­sour­cen­aus­rich­tung
    im Haus min­des­tens spür­bar, mög­li­cher­wei­se
    sogar erheb­lich. Aber auch die­se fak­ti­sche
    Offen­heit geht nicht mit einem genui­nen Gestal­tungs­spiel­raum
    ein­her, weil auch inso­weit die tat­säch­li­che Situa­ti­on
    zu berück­sich­ti­gen und recht­lich zu bewer­ten ist.
    Ob die auf der Grund­la­ge von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. e in
    Ver­bin­dung mit Abs. 2 und 3 EU-DSGVO basie­ren­den
    spe­zi­fi­schen Bestim­mun­gen des­halb einen hin­rei­chen­den
    Gestal­tungs­spiel­raum auf­wei­sen, der den Anwen­dungs­be­reich
    der natio­na­len Grund­rech­te auch im Bereich
    der Anwen­dung der EU-DSGVO eröff­nen wür­de,
    darf in ers­ter Annä­he­rung ten­den­zi­ell eher bezwei­felt
    wer­den.
    Aber auch wenn man davon aus­geht, dass die natio­na­le
    Rege­lung, sei es ein Gesetz,14 eine Rechtsverordnung15
    oder auch eine Hochschulsatzung,16 die Daten­ver­ar­bei­tung
    mit Blick auf die Online-Leh­re bzw. Online-
    Prü­fun­gen inhalt­lich kon­form zur EU-DSGVO regelt,17
    erge­ben sich bis­lang erkenn­bar unge­klär­te Fol­ge­fra­gen.
    Denn für den Bereich der Wis­sen­schaft bestehen in der
    EU-DSGVO an meh­re­ren Stel­len expli­zi­te Öff­nungs­klau­seln.
    18 Ob die hier rele­van­ten Rege­lun­gen des deut­schen
    Hoch­schul­da­ten­schutz­rechts im Lich­te die­ses
    Maß­stabs geeig­net sind, die grund­sätz­lich attes­tier­te
    Voll­har­mo­ni­sie­rung der EU-DSGVO aus­zu­schlie­ßen
    und damit den Bereich der natio­na­len Grund­rech­te wie­der
    zu eröff­nen, ist zwei­fel­haft. Denn es ist der­zeit noch
    nicht ein­deu­tig zu bestim­men, ob die hier ange­spro­che­nen
    Aus­ge­stal­tun­gen der Daten­ver­ar­bei­tung von Online-
    Leh­re bzw. Online-Prü­fung tat­säch­lich unter den
    pri­vi­le­gier­ten Bereich von Art. 85, 89 EU-DSGVO fal­len.
    Das Wis­sen­schafts­pri­vi­leg in Art. 85 EU-DSGVO zielt in
    ers­ter Linie auf einen erleich­ter­ten Infor­ma­ti­ons­zu­gang
    im Rah­men wis­sen­schaft­li­cher Betä­ti­gung ab.19 Art. 89
    EU-DSGVO spricht von „wis­sen­schaft­li­chen bzw. his­to­ri­schen
    For­schungs­zwe­cken“. Erwä­gungs­grund 159 erfasst
    die­sen Begriff zwar denk­bar weit und lässt vie­le Arten
    der For­schung genü­gen. Lehr­ver­an­stal­tun­gen und
    Prü­fun­gen mit Bezug zu For­schung wer­den jedoch die
    Aus­nah­me sein, bei­spiels­wei­se im Zusam­men­hang mit
    Abschluss­ar­bei­ten. Selbst wenn man die wis­sen­schaft­li­che
    Leh­re als privilegierbar20 anse­hen sollte,21 fragt sich
    aber wei­ter­hin, ob die hier in Rede ste­hen­den Rege­lun­gen
    in ihrem Kern wis­sen­schafts- bzw. lehr­spe­zi­fisch
    sind. Denn die Dimen­sio­nen der Rege­lung wären iden­tisch
    für eine inner­halb oder außer­halb des Hoch­schul­be­reichs
    lie­gen­de Prü­fung, bei­spiels­wei­se im Bereich der
    beruf­li­chen Wei­ter­bil­dung oder einer Prü­fung im Bereich
    der staat­li­chen Berufsabschlüsse.22
    Span­nend dürf­te in die­sem Zusam­men­hang sein,
    nach wel­chen Kri­te­ri­en die Zuord­nung vor­ge­nom­men
    wird. So könn­te auf das Rege­lungs­sys­tem abge­stellt und
    die betref­fen­de Rechts­grund­la­ge – als for­mal dem Hoch­schul­recht
    zuge­hö­rig – auch inhalt­lich als Aus­druck des
    wis­sen­schaft­li­chen Gestal­tungs­spiel­raums gese­hen wer­den,
    den Art. 85, 89 EU-DSGVO belas­sen. Mit eben­so
    guten Grün­den ist es jedoch auch denk­bar, die­se etwas
    scha­blo­nen­haf­te Sicht zu ver­las­sen und statt­des­sen auf
    die Rege­lungs­sub­stanz abzu­stel­len. Hier läge es kon­se­quen­ter­wei­se
    näher, eine inhalt­li­che Par­al­le­le zu Prü­fun­gen
    auch außer­halb des Wis­sen­schafts­be­reichs zu sehen
    und eine Wis­sen­schafts­spe­zi­fi­zi­tät und damit einen natio­na­len
    Gestal­tungs­spiel­raum gera­de abzulehnen.
  13. Gestal­tungs­spiel­raum bei Ein­wil­li­gung?
    Nicht anders sieht dies für die ande­re Erlaub­nis­struk­tur
    im Daten­schutz­recht, näm­lich die Ein­wil­li­gung nach
    Art. 7 EU-DSGVO, aus. Hier besteht zunächst kein der
    Hoch­schu­le zuge­wie­se­ner ori­gi­nä­rer Gestal­tungs­spiel­raum
    im Bereich der For­mu­lie­rung, weil die Ein­wil­li­gung
    sei­tens der ein­wil­li­gen­den Per­son for­mu­liert wird.
    Der vom BVerfG beschrie­be­ne Gestal­tungs­spiel­raum
    könn­te sich für die Hoch­schu­le hier ledig­lich aus der
    Prü­fung vor­ge­ge­be­ner Ein­wil­li­gungs­tex­te bzw. für die
    Doku­men­ta­ti­on münd­lich oder kon­klu­dent gege­be­ner
    1 2 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    23 Sel­zer, in: Jandt/Steidle, Daten­schutz im Inter­net, 2018, S. 137.
    24 Plath, BDSG, DSGVO, Kom­men­tar, 2. Auf­la­ge, 2016, Art. 7 Rn. 1.
    25 Heckmann/Paschke, in: Ehmann/Selmayr, Daten­schutz­grund­ver­ord­nung,
    2017, Art. 7 Rn. 10.
    26 Schantz, NJW 2916, 1841, 1844.
    27 Fischer/Dieterich, oben Fn. 2.
    28 Niehues/Fischer/Jeremias, Prü­fungs­recht, 7. Auf­la­ge, 2018, Rn. 4.
    29 BVerwG, NVwZ-RR 2015, 858 ff.
    30 Mor­gen­roth, Hoch­schul­stu­di­en­recht und Hochschulprüfungsrecht,
  14. Aufl., 2020, pas­sim.
    31 Jarass erfasst aus­schließ­lich die wis­sen­schafts­be­zo­ge­ne Leh­re
    und grenzt sie zum Unter­richt an Schu­len ab; s. Jarass, GrCh,
  15. Auf­la­ge, 2016, Art 13, Rn. 8. Stern/Sachs erfas­sen Prü­fun­gen
    eben­falls nicht im Rah­men der Bespre­chung der „aka­de­mi­schen
    Frei­heit“ in Art. 13 Satz 2 GrCh; s. Kem­pen, in: Stern/Sachs GrCh,
    Kom­men­tar, 2016, Art. 13 Rn. 17.
    32 S. Fn. 33.
    33 Scholz, in: Maunz/Dürig Fn. 21), erwähnt Prü­fun­gen immer­hin
    impli­zit im Rah­men der „Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen“ (Rn.
    140) oder der Anfor­de­run­gen an die prü­fen­de Per­son (Rn. 157).
    Beth­ge, in: Sachs, Grund­ge­setz-Kom­men­tar, erwähnt Prü­fun­gen
    dage­gen nicht.
    Einwilligungen23 erge­ben. Um die Ein­wil­li­gung an ihren
    zwin­gen­den Vor­ga­ben der Unmiss­ver­ständ­lich­keit, der
    infor­mier­ten Wei­se und der Frei­wil­lig­keit nach Art. 4 Nr.
    11 EU-DSGVO mes­sen zu können,24 wird es je nach kon­kre­ter
    Ver­ar­bei­tungs­si­tua­ti­on inhalt­lich eine erheb­li­che
    Viel­falt ein­zel­ner For­mu­lie­run­gen, Auf­klä­rungs­maß­nah­men
    und Abläu­fe geben. Damit ist jedoch die Fra­ge
    noch nicht beant­wor­tet, ob dies vom Gestal­tungs­spiel­raum
    im Rah­men der Anwen­dung des Uni­ons­rechts
    (hier der EU-DSGVO) im Sin­ne des BVerfG erfasst ist.
    Dafür spricht die Dis­po­si­ti­ons­ver­ant­wor­tung und
    -befug­nis der Hoch­schu­len bei der Vor­be­rei­tung und
    Behand­lun­gen von Ein­wil­li­gun­gen. Dage­gen spre­chen
    jedoch die im Wege der Har­mo­ni­sie­rung des EU-Daten­schutz­rechts
    erfolg­te Anglei­chung der inter­na­tio­na­len
    Rechts­stan­dards mit Bezug zur Einwilligung25 oder die
    Zuwei­sung der Ver­ant­wor­tung für Kon­tu­rie­rung und
    Kon­kre­ti­sie­rung an die Recht­spre­chung statt an den
    Regelungsgeber.26 Schließ­lich spre­chen auch sys­te­ma­ti­sche
    Grün­de dage­gen, denn in Art. 7 EU-DSGVO ist –
    anders als in Art. 6 Abs. 2, 3 EU-DSGVO – gera­de kei­ne
    gesetz­li­che Ermäch­ti­gung für aus­ge­stal­ten­de natio­na­le
    Rege­lun­gen ent­hal­ten. Die bes­se­ren Grün­de spre­chen
    damit wohl dafür, dass für die Daten­ver­ar­bei­tung infol­ge
    einer Ein­wil­li­gung ein natio­nal­recht­li­cher Gestal­tung­s­piel­raum
    nicht eröff­net wird, die Maß­nah­me des­halb
    aus­schließ­lich anhand der EU-Grund­rech­te­char­ta
    geprüft zu wer­den hat.
  16. Inkon­gru­en­zen des EU-recht­li­chen und des natio­na­len
    Grund­rechts­schut­zes
    Im Fol­gen­den soll wei­ter­hin von den Ergeb­nis­sen aus
    Nr. 2 abge­wi­chen und ange­nom­men wer­den, dass eine
    Prü­fung des Proc­to­rings am Maß­stab der natio­na­len
    Grund­rech­te mög­lich ist. Hier­bei erge­ben sich inter­es­san­te
    Stu­fun­gen des deut­schen und des EU-recht­li­chen
    Grund­rechts­schut­zes min­des­tens in zwei­er­lei Hin­sicht.
    a) Gebot der Chan­cen­gleich­heit
    Sei­tens der Hoch­schu­le ist hier­bei das Gebot der Chan­cen­gleich­heit
    im Prü­fungs­ver­fah­ren in zen­tra­ler Wei­se
    rele­vant. Die­ser Grund­satz prägt das Prü­fungs­ver­fah­ren
    bereits in der ana­lo­gen Welt bestim­mend und dient auch
    in den bis­he­ri­gen Ver­laut­ba­run­gen für Online-Prü­fun­gen
    als zen­tra­les Kri­te­ri­um im Kanon der Legi­ti­ma­ti­ons­grund­la­gen
    und Hand­lungs­spiel­räu­me der Hoch­schu­le.
    27 Die ver­fas­sungs­recht­li­che Her­lei­tung des Gebots der
    Chan­cen­gleich­heit erfolgt ent­we­der aus­schließ­lich aus
    dem Gebot der Gleich­be­hand­lung nach Art. 3 Abs. 1
    GG28 oder aus des­sen Ver­bin­dung mit der Berufs­frei­heit
    der Stu­die­ren­den nach Art. 12 Abs. 1 GG.29 Aus dem
    Gebot der Chan­cen­gleich­heit wer­den mehr oder weni­ger
    unmit­tel­bar aus den genann­ten Grund­rech­ten diver­se
    Ver­pflich­tun­gen der Betei­lig­ten zuein­an­der abge­lei­tet.
    Die Hoch­schu­le hat dar­aus etwa für zumut­ba­re äuße­re
    Prü­fungs­be­din­gun­gen zu sor­gen, Prü­fungs­for­men, –
    arten und –zei­ten gleich zu hand­ha­ben und Nach­teils­aus­glei­che
    bzw. Prü­fungs­rück­trit­te bei ent­spre­chen­der
    Gefahr für die Leis­tungs­fä­hig­keit der Stu­die­ren­den zu
    gewäh­ren. Zu den wesent­li­chen Ablei­tun­gen für die Stu­die­ren­den
    zäh­len die Ver­pflich­tung, eigen­stän­di­ge Prü­fungs­leis­tun­gen
    nur unter Ver­wen­dung der zuge­las­se­nen
    Hilfs­mit­tel abzu­lie­fern sowie die Oblie­gen­heit,
    unzu­mut­ba­re Stö­run­gen im Zusam­men­hang mit der
    Leis­tungs­er­mitt­lung, bei­spiels­wei­se Bau­lärm, die eige­ne
    Prü­fungs­un­fä­hig­keit oder die Befan­gen­heit des Prü­fers,
    selbst und unver­züg­lich anzuzeigen.30 Dage­gen fällt die
    Auf­ar­bei­tung des EU-recht­li­chen Pen­dants weni­ger dif­fe­ren­ziert
    aus. So ist bereits offen, inwie­weit prü­fungs­recht­li­che
    Erwä­gun­gen über­haupt vom Anwen­dungs­be­reich
    des EU-Grund­rechts auf „aka­de­mi­sche Frei­heit“
    nach Art. 13 Satz 2 GrCh erfasst sind.31 Dass die Frei­heit
    der Leh­re mit ihren aus dem deut­schen Ver­fas­sungs­recht
    bekann­ten Dimen­sio­nen und Impli­ka­tio­nen erfasst sein
    dürf­te, ist weit­ge­hend konsensual.32 Jedoch ist es auch
    nach deut­schem Ver­fas­sungs­ver­ständ­nis kei­nes­falls
    selbst­ver­ständ­lich, die Gestal­tungs­frei­hei­ten von Leh­ren­den
    bzw. Prü­fun­gen aus der Frei­heit der Leh­re auch
    für Prü­fun­gen heranzuziehen.33 Erst Recht bleibt dies in
    der Kon­kre­ti­sie­rung des EU-Grund­rechts offen. Wie soll
    also mit dem Fall umge­gan­gen wer­den, dass ein deut­sches
    Grund­recht wei­ter gefasst ist als das ent­spre­chen­de
    EU-Grund­recht?
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 2 1
    34 S. oben. Fn. 6.
    35 Küh­ne, in: Sachs (Fn. 33), Art. 13, Rn. 13 m.w.N.
    36 BVerfGE 65, 1 (41 ff.) – Volks­zäh­lung.
    37 Erfasst wer­den erhöh­te indi­vi­du­el­le Gefah­ren, etwa die Lebens­ge­fahr
    von Per­so­nen, oder all­ge­mei­ne Gefah­ren, z. B. die Raum­not,
    s. Art. 13 Abs. 7 GG.
    38 Jarass (Fn. 31), Art. 7, Rn. 30.
    39 Näher dazu Weber, in: Stern/ Sachs (Fn. 31), Art. 7 Rn. 42.
    40 EGMR Nr. 9063/80, Series A 190, Rn. 47.
    41 EGMR NVwZ 2004, 1465,
    42 Zu einer ande­ren gelun­ge­nen struk­tu­rel­len Auf­be­rei­tung recht­li­cher
    Fra­ge­stel­lun­gen mit Blick auf Online-Prü­fun­gen s. Fn. 10.
    43 So lässt sich die­se Kon­stel­la­ti­on des Proc­to­rings unter das
    Sam­mel­be­cken der mög­li­chen Ein­grif­fe brin­gen; etwa beschreibt
    Berns­dorff die­ses als „jede Art des Ein­drin­gens oder Ver­wei­lens
    gegen den Wil­len des Woh­nungs­in­ha­bers“, s. Berns­dorff, in: Mey­er,
    Char­ta der Grund­rech­te der Euro­päi­schen Uni­on, 3. Auf­la­ge,
    2016, Art. 7, Rn. 22. Jarass sieht opti­sche bzw. akus­ti­sche Über­wa­chun­gen
    aber nur dann als Ein­griff an, sofern mit der Über­wa­chungs­maß­nah­me
    eine vor­ge­se­he­ne Abs. hir­mung über­wun­den
    wird, s. Jarass, Char­ta der Grund­rech­te der Euro­päi­schen Union,
  17. Auf­la­ge, 2016, Art. 7, Rn. 30. Wesent­li­che Aus­ge­stal­tun­gen eines
    Ein­griffs in Art. 7 GrCh ist nach Weber außer­dem das Betre­ten,
    Ein­schrän­ken oder Zer­stö­ren der Woh­nung ohne Ein­wil­li­gung
    des Woh­nungs­in­ha­bers, nicht dage­gen eine im Rah­men des Proc­to­rings
    vor­ge­fun­de­ne Abbil­dung von Merk­ma­len der Woh­nungs­ge­stal­tung
    in einer plan­mä­ßi­gen Prü­fungs­si­tua­ti­on, s. Weber, in:
    Stern/Sachs (Fn. 31) Art. 7, Rn. 44.
    b) Unver­letz­lich­keit der Woh­nung
    Spie­gel­bild­lich wird sei­tens der Stu­die­ren­den deren
    Recht auf Unver­letz­lich­keit der Woh­nung aus Art. 13 GG
    dis­ku­tiert, wenn Prü­fun­gen im pri­va­ten Wohn­be­reich
    der Stu­die­ren­den am Hei­mat- oder Stu­di­en­ort statt­fin­den
    müssen.34 Eine nähe­re Betrach­tung wirft dabei
    bereits Zwei­fel an der Ein­schlä­gig­keit des natio­na­len
    Grund­rechts auf. Denn das Grund­recht aus Art. 13 GG
    unter­liegt auf meh­re­ren Ebe­nen Beson­der­hei­ten, die für
    die­se Kon­stel­la­ti­on rele­vant wer­den. Auf der Ebe­ne des
    Schutz­be­reichs hat Art. 13 GG in der Ver­gan­gen­heit eine
    Rei­he von Beschrän­kun­gen erfah­ren, die zu einer
    „Abwan­de­rung“ bestimm­ter, tra­di­tio­nell mit Art. 13 GG
    ver­bun­de­ner Schutz­ge­hal­te in ande­re Grund­rech­te
    geführt haben.35 Vor die­sem Hin­ter­grund lie­ße sich
    bereits fra­gen, ob die Abbil­dun­gen der Pri­vat­sphä­re der
    Stu­die­ren­den durch die Kame­ra­füh­rung wäh­rend der
    Prü­fun­gen neben dem infor­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­ge­halt
    über­haupt eine wei­te­re Schutz­sub­stanz
    bean­spru­chen oder ob hier nicht aus­schließ­lich das all­ge­mei­ne
    Per­sön­lich­keits­recht nach Art. 2 Abs. 1 in Ver­bin­dung
    mit Art. 1 Abs. 1 GG, das nach deut­schem Ver­fas­sungs­ver­ständ­nis
    den grund­recht­li­chen Daten­schutz
    vermittelt,36 allein aktiv ist. Ein Blick auf die Ebe­ne des
    Grund­rechts­ein­griffs unter­mau­ert die­se The­se. Denn die
    Struk­tur von Art. 13 GG regelt der­ar­ti­ge Maß­nah­men
    nicht unmit­tel­bar. Beson­ders ein­griffs­in­ten­si­ve oder
    typi­sche Maß­nah­men, bei­spiels­wei­se Lausch­grif­fe zu
    Zwe­cken der Straf­ver­fol­gung, wer­den in Art. 13 Abs. 2 bis
    5 GG erfasst. Die Auf­fang­klau­sel von Art. 13 Abs. 7 GG
    setzt das Vor­lie­gen einer Gefahr von enger Inten­si­tät
    voraus,37 die im Rah­men regu­lä­rer Durch­füh­rung von
    Hoch­schul­bil­dung erkenn­bar nicht vor­liegt. Das EUrecht­li­che
    Pen­dant, Art. 7 GrCh, wird dem­ge­gen­über
    von einer Rei­he abwei­chen­der Struk­tu­ren und Erwä­gun­gen
    getra­gen. Zunächst weicht der Wort­laut von­ein­an­der
    ab: EU-recht­lich wird nicht die „Unver­letz­lich­keit“,
    son­dern die „Ach­tung“ der Woh­nung erfasst. Ent­spre­chend
    uni­ver­sel­ler ist das Ein­griffs­ver­ständ­nis – er kann
    bei jeder belie­bi­gen Maß­nah­me vor­lie­gen, wel­che die
    Pri­vat­heit der geschütz­ten Räu­me beeinträchtigt.38
    Außer­dem ist der Schutz der Woh­nung in Anleh­nung an
    Art. 8 EMRK39 struk­tu­rell anders geprägt und erfasst
    auch eigentumsrechtliche40 und umweltbezogene41
    Belan­ge, die Art. 13 GG fremd sind. In die­ser Kon­stel­la­ti­on
    schei­nen wir also – anders als oben zum Gebot der
    Chan­cen­gleich­heit – von einem exten­si­ven EU-Grund­recht
    im Ver­gleich zu sei­nem deut­schen Pen­dant spre­chen
    zu kön­nen.
    Die­se kom­ple­xe Gemenge­la­ge kann wegen der Viel­falt
    mög­li­cher Gestal­tungs­for­men weder ent­schie­den
    noch in die­sem Rah­men struk­tu­rell auf­be­rei­tet werden.42
    Den Hoch­schu­len wird des­halb bis zur Gene­rie­rung
    wei­te­rer belast­ba­rer Erkennt­nis­se und Erfah­run­gen
    emp­foh­len, bei der Bewer­tung der Recht­mä­ßig­keit des
    Proc­to­rings und bei der Aus­ge­stal­tung ihrer ent­spre­chen­den
    Rege­lun­gen die EU-Grund­rech­te mit ein­zu­be­zie­hen.
    Inso­weit darf eine EU-recht­li­che Auf­ar­bei­tung
    der The­ma­tik mit Span­nung erwar­tet wer­den – der­zeit
    ist eine geplan­te opti­sche bzw. akus­ti­sche Über­wa­chung
    in der Ein­griffs­dog­ma­tik von Art. 7 GrCh erkenn­bar
    nicht vorgesehen.43
  18. Ergeb­nis­se
    Im Ergeb­nis bleibt fest­zu­hal­ten, dass gute Grün­de dafür
    spre­chen, einen Anwen­dungs­be­reich der natio­na­len
    Grund­rech­te nach den Vor­ga­ben des BVerfG für die
    daten­schutz­recht­li­che Behand­lung von Online-Leh­re
    und Online-Prü­fung nicht eröff­net zu haben bzw. unter­schied­li­che
    Hoch­schul­pra­xis für Ver­ar­bei­tun­gen auf
    gesetz­li­cher Grund­la­ge und mit­tels Ein­wil­li­gung ein­zu­rich­ten.
    Selbst wenn der Anwen­dungs­be­reich für natio­na­le
    Grund­rech­te gese­hen wer­den soll­te, so erge­ben sich
    meh­re­re Inkon­gru­en­zen im recht­li­chen Maß­stab von
    Grund­ge­setz und EU-Grund­rech­te­char­ta, min­des­tens
    mit Blick auf das prü­fungs­recht­li­che Gebot der Chan­cen­gleich­heit
    und das Grund­recht auf Unver­letz­lich­keit
    der Woh­nung.
    1 2 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    44 Aus­führ­lich Jere­mi­as, jM 2018, 25 ff.
    45 Sog. Begriff­ju­ris­pru­denz, s. Mey­er-Lade­wig, DRiZ 1963, 255 ff.
    46 Die­se Ent­wick­lungs­li­nie nach­zeich­nend Kuh­len, Typus­kon­zep­tio­nen
    in der Rechts­theo­rie, 1977.
    47 Müller/Christensen, Juris­ti­sche Metho­dik, Band I, Grund­le­gung
    für die Arbeits­me­tho­den der Rechts­pra­xis, 11. Auf­la­ge, 2013,
    Rn. 230.
    48 Larenz, Metho­den­leh­re der Rechts­wis­sen­schaft, 6. Auf­la­ge, 1991,
    S. 303.
    III. Struk­tu­rel­le Über­le­gun­gen zum Prü­fungs­recht
    Hoch­schul­prü­fun­gen wer­den der­zeit über­wie­gend in
    Prü­fungs­for­men und Prü­fungs­ar­ten unter­teilt. Der
    Begriff der Prü­fungs­form stellt dabei den Ober­be­griff
    dar, unter den sich dann ver­schie­de­ne Prü­fungs­ar­ten
    brin­gen las­sen. Als Prü­fungs­ober­ka­te­go­rien weit­ge­hend
    unstrei­tig aner­kannt sind die schrift­li­che Prü­fung, die
    münd­li­che Prü­fung und die prak­ti­sche Prü­fung, wäh­rend
    dies für die neu­ar­ti­ge Form der elek­tro­ni­schen Prü­fung
    unter­schied­lich beur­teilt wird.44 Prü­fungs­recht­li­che
    Rele­vanz hat dies für die Fra­ge, ob die betref­fen­de Prü­fungs­form
    eine eigen­stän­di­ge Rechts­grund­la­ge in der
    Prü­fungs­ord­nung erfor­dert, was für Prü­fungs­for­men,
    nicht aber für Prü­fungs­ar­ten ange­nom­men wird.
    Durch das Hin­zu­tre­ten der Online-Dimen­si­on wer­den
    aber nicht nur die bekann­ten ana­lo­gen For­men und
    Arten von Prü­fun­gen eben IT-basiert durch­ge­führt.
    Hin­zu kom­men dane­ben wei­te­re, bis­her in Deutsch­land
    weit­ge­hend unbe­kann­te Prü­fungs­ge­stal­tun­gen, so etwa
    die sog. open book Prü­fung oder die sog. take home Prü­fung.
    Bei­den neu­en Gestal­tun­gen ist gemein­sam, dass sie
    – mit Abwei­chun­gen im Detail – fach­li­che Hilfs­mit­tel in
    der Form all­ge­mei­ner Infor­ma­ti­ons­quel­len oder Stu­di­en­ma­te­ria­li­en
    zulas­sen, was für Klau­su­ren nicht zuläs­sig
    ist. Die Online-Welt der Prü­fun­gen bewirkt damit dane­ben
    auch eine erheb­li­che Auf­fä­che­rung der ohne­hin bereits
    reich­hal­ti­gen Gestal­tungs­viel­falt.
    Wel­che Aus­wir­kun­gen hat die­se Berei­che­rung für die
    fak­ti­sche Struk­tur der Prü­fungs­land­schaft an deut­schen
    Hoch­schu­len? Und erge­ben sich dar­aus Erkennt­nis­se für
    die recht­li­che Erfas­sung oder für die ope­ra­ti­ve Gestal­tung
    von Prü­fun­gen? Die­sen Fra­gen wid­met sich die­ser
    Abschnitt. Nach einer Auf­be­rei­tung der wesent­li­chen
    rechts­theo­re­ti­schen und rechts­me­tho­di­schen Fra­gen zur
    Struk­tur­bil­dung (1.) wird die erwei­ter­te fak­ti­sche Gestal­tungs­viel­falt
    spe­zi­ell mit Blick auf Online-Prü­fun­gen einer
    Betrach­tung unter­zo­gen (2.). Infol­ge des­sen erge­ben
    sich wei­te­re inter­es­san­te begriff­li­che Kon­se­quen­zen (3.).
  19. Grund­la­gen der Struk­tur­bil­dung
    Struk­tur­bil­dung ist kein Selbst­zweck, son­dern Mit­tel
    zum Zweck. Sie dient dazu, die ein­zel­nen in der Rechts­wirk­lich­keit
    vor­find­ba­ren Vari­an­ten trenn­scharf von­ein­an­der
    abgren­zen und die aus ihrer fak­ti­schen Spe­zi­fik
    erwach­sen­den Risi­ko­po­ten­zia­le ord­nungs­ge­mäß erfas­sen
    zu kön­nen. Im Lau­fe der Zeit lässt sich dabei eine
    gewis­se Ent­wick­lungs­li­nie erken­nen, Ablei­tun­gen aus
    immer durch­läs­si­ge­ren Struk­tu­ren zu ermög­li­chen. War
    die voll­stän­di­ge Erfas­sung der Rechts­wirk­lich­keit in
    einem geschlos­se­nen Sys­tem von auf­ein­an­der bezo­ge­nen
    Begrif­fen noch das Ide­al des 19. Jahrhunderts,45 so
    hat sich die Legi­ti­mi­tät mehr und mehr unbe­stimm­ter
    Begrif­fe als taug­li­ches Erfas­sungs­ob­jekt von Struk­tu­ren
    im Recht etabliert.46 Mitt­ler­wei­le erlaubt die moder­ne
    Logik, auf der auch die Rechts­theo­rie und –metho­dik
    auf­baut, sogar Ent­schei­dun­gen auf der Grund­la­ge nicht
    voll­stän­di­ger oder unge­nau­er Infor­ma­tio­nen, etwa in
    der Form der fuz­zy logic.47 Struk­tur­bil­dung im moder­nen
    Recht darf des­halb durch­aus auch etwas weni­ger
    dezi­diert sein und annä­hern­de oder zuord­nen­de Ele­men­te
    ent­hal­ten.
    Spe­zi­ell für die Land­schaft deut­scher Hoch­schul­prü­fun­gen
    ist dies eben­so pas­send wie nötig. Denn es besteht
    eine kaum über­schau­ba­re Viel­zahl an Mög­lich­kei­ten,
    Prü­fun­gen aus­zu­ge­stal­ten. Je nach zu erfas­sen­den
    Lern­zie­len und Kom­pe­ten­zen, Prü­fungs­funk­tio­nen gemäß
    der Lehr­di­dak­tik und Fach­dis­zi­plin sind der Aus­ge­stal­tung
    von Prü­fun­gen nahe­zu kei­ne Gren­zen gesetzt.
    Struk­tur­bil­dung ist damit gera­de­zu gezwun­gen, annä­hernd
    zu arbei­ten und Öff­nun­gen bzw. Ent­wick­lungs­ten­den­zen
    in ihre Arbeits­wei­se ein­zu­be­zie­hen.
    Eine für genau die­se auf­ge­fä­cher­ten, diver­si­fi­zier­ten
    Situa­tio­nen pas­sen­de Metho­de der Struk­tur­bil­dung in
    der Rechts­tech­nik und ‑pra­xis ist die Bil­dung von Typen.
    Typen im Recht sind Phä­no­me­ne, die sich dadurch aus­zeich­nen,
    dass Anzahl, Aus­ge­stal­tung und Inten­si­tät der
    sie prä­gen­den Ele­men­te nicht fest ste­hen. Häu­fig vor­kom­men­den
    gemein­sa­men oder den Typus sogar prä­gen­den
    Aspek­ten des Typus ste­hen auch Facet­ten gegen­über,
    die nicht in jeder Aus­ge­stal­tung des Typus vor­han­den
    sein wer­den und sich sogar wech­sel­sei­tig ver­tre­ten
    können.48 Die Typen­bil­dung ist stark an Witt­gen­steins
    phi­lo­so­phi­sches Modell der Fami­li­en­ähn­lich­keit ange­lehnt,
    wonach bei hin­rei­chend vor­han­de­nen und inten­si­ven
    Ähn­lich­kei­ten meh­re­rer Gestal­tungs­for­men ein
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 2 3
    49 Witt­gen­stein, Phi­lo­so­phi­sche Unter­su­chun­gen, 1953, S. 66 f.
    Einer der gedank­li­chen Aus­gangs­punk­te Witt­gen­steins für sei­ne
    Unter­su­chun­gen zur Fami­li­en­ähn­lich­keit war dabei die Gefahr,
    aus einem gemein­sa­men Begriff vor­schnell Schlüs­se auf ver­meint­li­che
    gemein­sa­me Merk­ma­le zu zie­hen: „We are incli­ned to
    think that the­re must be some­thing in com­mon to all games, say,
    and that this com­mon pro­per­ty is the jus­ti­fi­ca­ti­on for app­ly­ing
    the term „game“ to the various games, s. Witt­gen­stein, The Blue
    Book, 1965, S. 17.
    50 Von einer rein fak­ti­schen Rele­vanz des Typus aus­ge­hend Rüthers/
    Fischer/Birk, Rechts­theo­rie, 11. Auf­la­ge, 2020, Rn. 933.
    51 Larenz, oben Fn. 48, Müller/Christensen, oben Fn. 47, Paw­low­ski,
    Metho­den­leh­re für Juris­ten, 3. Auf­la­ge, 1999, Rn. 149.
    52 Larenz, oben Fn. 48.
    53 Paw­low­ski, oben Fn. 51, Rn. 152.
    54 10 Tipps für dei­ne erfolg­rei­che Online Klau­sur (uniturm.de), s.
    Punkt 1.
    55 Gut vor­be­rei­tet in die münd­li­che Online-Prü­fung — uni­vie
    bloggt.
    56 Schwart­mann, Refe­rat zum Daten­schutz­recht der Online-Prü­fun­gen
    am 15. Janu­ar 2021 anläss­lich eines Web­i­nars des Ver­eins
    zur För­de­rung des deut­schen und euro­päi­schen Wis­sen­schafts­rechts.
    57 Bit­te beach­ten Sie abwei­chen­de Num­me­rie­run­gen für die Län­der
    Ber­lin und Schles­wig-Hol­stein.
    58 Fischer/Dieterich, oben Fn. 1.
    gemein­sa­mes Merk­mal sogar gänz­lich feh­len kann.49
    Überwiegend50 wird der Typus im Recht als Ver­bin­dung
    zwi­schen Sein und Sol­len auf­ge­fasst, also mit fak­ti­schen
    und zugleich nor­ma­ti­ven Elementen.51 Wei­ter­ent­wick­lung
    von Typen­bil­dung baut sowohl auf fak­ti­schen als
    auch auf bestehen­den recht­li­chen Struk­tu­ren auf – dies
    darf für die Erfas­sung der Online-Prü­fun­gen eben­falls
    erwar­tet wer­den. Die Arbeits­wei­se der Typen­bil­dung
    muss des­halb zum Ziel haben, gera­de auch die Ver­bin­dung
    von Tat­be­stands­er­fas­sung als recht­li­cher Abbil­dung
    sozia­ler Sach­ver­hal­te und der nor­ma­ti­ven Rege­lungs­an­ord­nung
    als sach­ge­recht und angemessen52 zu legi­ti­mie­ren.
    Dies geschieht ins­be­son­de­re durch die Behand­lung
    von Par­al­lel­ent­schei­dun­gen, Fall­ab­wand­lun­gen
    und ver­wand­ten Fällen.53 In die­sem Sin­ne wer­den nun
    die wesent­li­chen neu­en Online-Prü­fungs­ge­stal­tun­gen
    einer typo­lo­gi­schen Ana­ly­se unterzogen.
  20. Typo­lo­gi­sche Ana­ly­se der neu­en Online-Prü­fungs­ar­ten
    Will man die Diver­si­tät vor­han­de­ner Prü­fungs­ge­stal­tun­gen
    an deut­schen Hoch­schu­len im Sin­ne der Typen­leh­re
    struk­tu­rell erfas­sen, so bie­tet sich eine Her­an­ge­hens­wei­se
    in drei Schrit­ten an. Der ers­te Schritt soll der fak­ti­schen
    Erfas­sung der Prü­fungs­land­schaft im Sin­ne der
    Typen­eh­re die­nen (a). Ob die­se fak­ti­schen Prü­fungs­struk­tu­ren
    jedoch einer eigen­stän­di­gen Rege­lung zuge­führt
    wer­den müs­sen, bestimmt sich pri­mär nach recht­li­chen
    Merk­ma­len, deren Erar­bei­tung der zwei­te Schritt
    dient (b). Schließ­lich wird bestimmt, ob die vor­ge­fun­de­nen
    fak­ti­schen Struk­tu­ren unter die aktu­el­len recht­li­chen
    Rege­lun­gen pas­sen ©.
    a) Erar­bei­tung fak­ti­scher Typen­bil­dung für Online-Prü­fun­gen
    Der Her­aus­ar­bei­tung fak­ti­scher Prü­fungs­ty­pen die­nen
    vor­wie­gend sach­li­che Dimen­sio­nen wie Häu­fig­keit oder
    orga­ni­sa­to­ri­sche Regel­mä­ßig­keit hin­sicht­lich der Vor­be­rei­tung,
    Durch­füh­rung und Bewer­tung der Prü­fung.
    aa) Vor­be­rei­tung
    Die Vor­be­rei­tung betrach­tend, bestehen für Prä­senz­prü­fun­gen
    und Online-Prü­fun­gen eini­ge Gemein­sam­kei­ten.
    Die kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­tra­gung über IT-basier­te
    Sys­te­me hat für sich genom­men noch kei­nen Ein­fluss auf
    die Dau­er und den Schwie­rig­keits­grad der Prü­fung. Es
    steht des­halb nicht zu erwar­ten, dass die Vor­be­rei­tung
    auf die Prü­fung in inhalt­li­cher Hin­sicht weni­ger zeitund
    arbeits­in­ten­siv wäre als bei Präsenzprüfungen.54
    Ande­rer­seits bie­tet die Online-Situa­ti­on hin­rei­chend
    Anlass für ver­än­der­te oder zusätz­li­che orga­ni­sa­to­ri­sche
    Vor­be­rei­tungs­maß­nah­men der Stu­die­ren­den wie bei­spiels­wei­se
    einen Tech­nik-Check oder die bewuss­te
    Wahl der Prüfungsumgebung.55 Sei­tens der Hoch­schu­le
    bie­tet die Vor­be­rei­tung der Prü­fung eine Rei­he von Ver­än­de­run­gen
    im Ver­gleich zu Prä­senz­prü­fun­gen: Statt
    Prü­fungs­räu­men sind vir­tu­el­le Räu­me zu orga­ni­sie­ren,
    gege­be­nen­falls sind den bedürf­ti­gen Stu­die­ren­den tech­ni­sche
    Leih­ge­rä­te zur Ver­fü­gung zu stel­len, Fra­ge­stel­lun­gen
    für Online-Klau­su­ren sind gege­be­nen­falls in einem
    didak­tisch etwas ande­ren For­mat vor­zu­be­rei­ten. Die­se
    fak­ti­schen Abwei­chun­gen von den Gege­ben­hei­ten einer
    Prä­senz­prü­fung sind erheb­lich und für die Betrach­tung
    fak­ti­scher Typo­lo­gien von nicht zu unter­schät­zen­der
    Bedeu­tung. Da die Prü­fungs­vor­be­rei­tung aber kei­nen
    Ein­fluss auf ihre prü­fungs­recht­li­che Erfas­sung hat, spie­len
    die­se Erwä­gun­gen eher eine flan­kie­ren­de Rol­le.
    Etwas anders könn­te dies aller­dings für das Daten­schutz­recht
    aussehen.56 Denn sehr bedeut­sam ist der
    Wech­sel der Daten­ver­ar­bei­tung in die vir­tu­el­le Welt im
    zeit­lich unmit­tel­ba­ren Vor­feld der Prü­fung, also bei der
    Anmel­dung bzw. der Ein­wahl der Stu­die­ren­den im Prü­fungs­sys­tem
    oder die Iden­ti­täts­kon­trol­le der Stu­die­ren­den.
    Lie­gen die daten­schutz­recht­li­chen Erlaub­nis­se hier­für
    nicht vor, so steht die Prü­fung in der Gefahr, einem
    Ver­fah­rens­feh­ler nach § 46 LVwVfG57 zu unterliegen.58
    Inso­fern haben die­se fak­ti­schen Ver­än­de­run­gen durch­aus
    Rele­vanz für die recht­li­che Erfas­sung der Prü­fung.
    1 2 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    59 Infor­ma­tio­nen für Stu­die­ren­de (https://www.uni-jena.de/digitalesprüfen_
    infor­ma­tio­nen­stu­die­ren­de).
    60 Online-Proc­to­ring — Beauf­sich­ti­gung digi­ta­ler Prü­fun­gen (https://
    hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/online-proctoring).
    61 Open-Book-Klau­su­ren und was sich dahin­ter ver­birgt – @LLZ
    (https://blog.llz.uni-halle.de/2021/01/open-book-klausuren-undwas-
    sich-dahin­ter-ver­birg­t/).
    62 Frölich-Stef­fen, Hand­rei­chung zur Online-Leh­re, Stand: Win­ter­se­mes­ter
    2020/21, S. 12 (https://www.profil.uni-muenchen.de/
    profil-start/profil_hands-on-lehre_prüfung.pdf).
    63 Open Book Prü­fun­gen Juri­di­cum: Tipps, Tricks & Survivalpackages
  • Lexis­Ne­xis Öster­reich (https:www.lexisnexis.at/blogpost/
    open-book-prue­fun­gen-juri­di­cum-tipps-tricks-sur­vi­val­packa­ge­s/)
    64 Open Book Klau­su­ren — Uni­ver­si­tät Bie­le­feld (https://www.
    uni-bielefeld.de/einrichtungen/bits/elearningmedien/
    lernplattformen/e‑pruefungen/openbook/).
    65 Open Book Take-Home Exam Down­load and Upload Quick Gui­de
    (https://www.jura.uni-mannheim.de/media/Lehrstuehle/jura/
    Klement/Quick_Guide_fu__r_Download_und_Upload.pdf_).
    66 Win­ter­se­mes­ter 2020/2021 | Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des (https://
    tu-dresden.de/tu-dresden/organisation/rektorat/prorektorbildung/
    zil­l/e‑­lear­nin­g/­co­ro­na/­di­gi­ta­le-prue­fun­gen).
    Ob sie jedoch geeig­net sind, ent­schei­den­den Ein­fluss auf
    die prü­fungs­recht­li­che Typo­lo­gie zu haben, bleibt für
    den Moment offen.
    Eine wei­te­re wesent­li­che Neue­rung im Rah­men der
    Vor­be­rei­tung und Orga­ni­sa­ti­on der Online-Prü­fun­gen
    ist die Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le, für Mög­lich­kei­ten
    zu sor­gen, wie die Stu­die­ren­den eine Online-Prü­fung
    absol­vie­ren kön­nen, die nicht über das ent­spre­chen­de
    tech­ni­sche Equip­ment verfügen.59 Neben der Bereit­stel­lung
    von räum­li­chen Ersatz­ka­pa­zi­tä­ten in der
    Hoch­schu­le kommt hier vor allem in Betracht, den Stu­die­ren­den
    ent­spre­chen­de Leih­ge­rä­te zur Ver­fü­gung zu
    stel­len. Das ist nicht nur mit orga­ni­sa­to­ri­schem Auf­wand,
    son­dern auch mit finan­zi­el­lem Ein­satz für deren
    Beschaf­fung und per­so­nel­len Res­sour­cen zum Nach­hal­ten
    von Rück­lauf, Repa­ra­tur etc. ver­bun­den, was bis­lang
    so nicht bestand.
    bb) Durch­füh­rung
    Hin­sicht­lich der Durch­füh­rung der Prü­fung bestehen
    eini­ge fak­ti­sche Beson­der­hei­ten.
    Einer der wesent­li­chen Unter­schie­de zur Prä­senz­prü­fung
    ist die Durch­füh­rung der Prü­fung mit Hil­fe einer
    tech­nisch-visu­el­len Über­wa­chung, sog. Proctoring.60
    Hier­für wer­den bei den Betei­lig­ten Web­cams ein­ge­setzt,
    die eine effek­ti­ve Prü­fungs­auf­sicht erset­zen und die ord­nungs­ge­mä­ße
    Absol­vie­rung der Prü­fung sicher­stel­len
    sol­len. Das Proc­to­ring kann in vie­len ver­schie­de­nen
    Aus­ge­stal­tun­gen vor­kom­men, etwa mit oder ohne Wahr­neh­mung
    der Geräu­sche im Prü­fungs­raum. All dies ist
    nicht nur mit neu­en tech­ni­schen Gege­ben­hei­ten und Risi­ko­po­ten­zia­len,
    son­dern auch bis­her unbe­kann­ten Dimen­sio­nen
    von Daten­ver­ar­bei­tungs­vor­gän­gen ver­bun­den.
    So ist es bei­spiels­wei­se beim haupt­säch­lich ver­tre­te­nen
    Pen­dant zur ana­lo­gen Klau­sur, der sog. open book
    Prü­fung, erlaubt und üblich, inhalt­li­che Hilfs­mit­tel zuzu­las­sen.
    61 Dies ver­än­dert auf nahe lie­gen­de Wei­se tra­gen­de
    Pfei­ler der schrift­li­chen Klau­sur­ar­beit, wer­den
    doch nicht nur das qua­li­ta­ti­ve Poten­zi­al der Leis­tung,
    son­dern auch das Recher­che-Per­for­mance-Ver­hält­nis
    und damit die Her­an­ge­hens­wei­se an die Bear­bei­tung auf
    fun­da­men­ta­le Wei­se ver­än­dert. Eine gewis­se Dif­fe­ren­zie­rung
    wird inner­halb des­sen durch eine Begren­zung
    der Hilfs­mit­tel erreicht.62 Dadurch stellt sich auto­ma­tisch
    die Fol­ge­fra­ge, ob die ver­wen­de­ten Quel­len als
    frem­de Gedan­ken anzu­zei­gen sind.63 Dafür spricht sicher­lich
    die struk­tu­rel­le Nähe zur Haus­ar­beit und das
    Lern­ziel, die Gebo­te der guten wis­sen­schaft­li­chen Pra­xis
    ein­zu­üben; dage­gen spricht mög­li­cher­wei­se die ver­füg­ba­re
    Zeit.
    Eine wei­te­re fak­ti­sche Unter­schei­dung bei open book
    Prü­fun­gen ist die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen der frei­en
    Bear­bei­tung und der Bear­bei­tung direkt im Prü­fungs­sys­tem.
    64 Ers­te­re Vari­an­te beinhal­tet das Her­un­ter­la­den
    der Prü­fungs­auf­ga­ben aus dem Prü­fungs­sys­tem und das
    spä­te­re Hoch­la­den der bear­bei­te­ten Prü­fung durch die
    Studierenden.65 Das Hoch­la­den invol­viert dabei in eini­gen
    Fäl­len die Ver­wen­dung eige­ner tech­ni­scher Gerä­te
    der Stu­die­ren­den, etwa das Smart­phone für den Scan der
    Prüfungsdatei.66 Spe­zi­ell Letz­te­res trägt neben den fak­ti­schen
    Neue­run­gen auch recht­li­che Impli­ka­tio­nen, denn
    in der ana­lo­gen Welt muss­ten Papier und Stift der Stu­die­ren­den
    funk­ti­ons­fä­hig sein, wäh­rend nun auch die
    tech­ni­sche und gege­be­nen­falls daten­schutz­recht­li­che Inte­gri­tät
    der Gerä­te in den regu­lä­ren Prü­fungs­ab­lauf fällt.
    Im Rah­men der frei­en Bear­bei­tung kann sogar noch dahin­ge­hend
    dif­fe­ren­ziert wer­den, dass die Prü­fung selbst
    dann am tech­ni­schen End­ge­rät oder hand­schrift­lich ange­fer­tigt
    wird, was sich bei­spiels­wei­se für Prü­fun­gen im
    Zusam­men­hang mit For­meln oder Zeich­nun­gen anbie­ten
    könn­te. Auch für all dies wird zu zei­gen sein, inwie­weit
    sich dies recht­lich und spe­zi­ell prü­fungs­recht­lich
    aus­wirkt.
    Eine der­ar­tig inten­si­ve Ver­än­de­rung der fak­ti­schen
    Struk­tu­ren ist dage­gen bei münd­li­chen Prü­fun­gen nicht
    zu ver­zeich­nen. Der regu­lä­re Ablauf der Prü­fung erfolgt
    wie in der Prä­senz­ge­stal­tung auch, nur eben auf einem
    tech­nisch gestütz­ten Über­tra­gungs­weg. Aller­dings kann
    die Durch­füh­rung von viel­fäl­ti­gen tech­ni­schen Stö­run­gen
    beglei­tet sein, die das Ver­ständ­nis für die Auf­ga­ben­stel­lung,
    die Leis­tungs­er­brin­gung und ins­ge­samt die
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 2 5
    67 BVerfGE 13, 97 ff. 68 Frölich-Stef­fen, oben Fn. 62, D. 9.
    Kom­mu­ni­ka­ti­on stark beein­flus­sen kön­nen. Die münd­li­che
    Online-Prü­fung wür­de zudem erlau­ben, dass die
    Prü­fung auf­ge­zeich­net wird, um gege­be­nen­falls ver­hin­der­ten
    Prü­fen­den eine spä­te­re Anschau­ung und Bewer­tung
    zu ermög­li­chen.
    cc) Bewer­tung
    Die Bewer­tung vor allem schrift­li­cher Prü­fun­gen ist
    durch die IT-basier­te Ein­sen­dung auch inner­halb des
    tech­ni­schen Sys­tems mög­lich. Zudem besteht nun­mehr
    die soeben ange­spro­che­ne Mög­lich­keit einer spä­te­ren
    Bewer­tung, wo sonst die tat­säch­li­che Anwe­sen­heit und
    Anschau­ung zwin­gend erfor­der­lich war.
    dd) Abgren­zung zu bestehen­den Struk­tu­ren
    In Anwen­dung des ers­ten Schritts der Vor­über­le­gun­gen
    lässt sich des­halb Fol­gen­des konstatieren.
  1. Es bestehen gute Grün­de, den gän­gi­gen neu­en Online-
    Prü­fungs­ge­stal­tun­gen open book Prü­fung und take
    home Prü­fung eige­ne fak­ti­sche Typus­merk­ma­le im Ver­gleich
    zur Klau­sur und der Haus­ar­beit zuzu­bil­li­gen:
    a. Open book Prü­fung und take home Prü­fung unter­schei­den
    sich von der ana­log absol­vier­ten Klau­sur in
    Anwe­sen­heit erheb­lich. Denn ers­tens sind inhalt­li­che
    Hilfs­mit­tel zuge­las­sen, was die Mög­lich­kei­ten, aber auch
    die Arbeits­wei­se der zu prü­fen­den Per­so­nen erheb­lich
    ver­än­dert. Und zwei­tens ent­fällt wegen der Arbeit in Abwe­sen­heit
    die Mög­lich­keit und das Erfor­der­nis einer Beauf­sich­ti­gung
    durch die Hoch­schu­le, was orga­ni­sa­to­ri­sche
    Ver­än­de­run­gen für die Hoch­schu­le in Sachen Prü­fungs­pla­nung
    und Fra­ge­stel­lun­gen für die zu prü­fen­den
    Per­so­nen bei der Prü­fungs­vor­be­rei­tung nach sich zieht.
    b. Eine Zuord­nung von open book Prü­fung und take
    home Prü­fung zur ande­ren haut­säch­li­chen Spiel­art der
    schrift­li­chen Prü­fung, der Haus­ar­beit, ergibt dage­gen
    gewis­se Über­ein­stim­mun­gen. Hier wie dort sind die Fra­ge­stel­lun­gen
    der Prü­fung in einer vor­ge­ge­be­nen Zeit
    selbst­stän­dig und mit allen ver­füg­ba­ren Hilfs­mit­ten zu
    bear­bei­ten.
    c. Open book Prü­fung und take home Prü­fung tei­len
    ande­rer­seits auch eini­ge Gemein­sam­kei­ten mit der Klau­sur.
    Denn wegen der begrenz­ten Bear­bei­tungs­zeit sind
    abzu­prü­fen­de Kom­pe­ten­zen oder die Inhal­te der Prü­fung
    nach Brei­te und Tie­fe eher mit einer Klau­sur ver­gleich­bar
    als mit denen einer Haus­ar­beit. Eben­so sind
    die beglei­ten­den Anfor­de­run­gen, etwa an Inhalts­ver­zeich­nis,
    Glie­de­rung oder Quel­len­ver­zeich­nis, eher der
    Klau­sur ähn­lich als der Hausarbeit.
  2. Die münd­li­che Prü­fung im per­sön­li­chen Gespräch
    und in IT-basiert durch­ge­führ­ter Form sind hin­sicht­lich
    ihrer fak­ti­schen Typi­zi­tät weit­ge­hend ver­gleich­bar, was
    Vor­be­rei­tung, Durch­füh­rung und Bewer­tung angeht.
    Dass sich bei der IT-basiert durch­ge­führ­ten münd­li­chen
    Prü­fung durch den nur bedingt für die Hoch­schu­le ein­seh­ba­ren
    Prü­fungs­raum ande­re, erwei­ter­te Täu­schungs­po­ten­zia­le
    erge­ben, ist auf die­ser gedank­li­chen Ebe­ne
    noch nicht zu betrach­ten. Als Zwi­schen­er­geb­nis sind
    also die­se bei­den Aus­ge­stal­tun­gen unter einen fak­ti­schen
    Prü­fungs­typ „münd­li­che Prü­fung“ zu brin­gen.
    b) Bewer­tung fak­ti­scher Struk­tu­ren nach recht­li­chen
    Merk­ma­len
    Die­se fak­ti­schen Beson­der­hei­ten sol­len nun in das bestehen­de
    recht­li­che Gefü­ge ein­ge­ord­net und auf ihre Pass­fä­hig­keit
    inner­halb des­sen über­prüft wer­den.
    aa) Art. 12 Abs. 1 GG — Qua­li­täts­an­for­de­run­gen
    Ers­ter haupt­säch­li­cher recht­li­cher Maß­stab für die Erfas­sung
    von Prü­fun­gen ist dabei die Aus­rich­tung der Prü­fung
    an den qua­li­ta­ti­ven Anfor­de­run­gen der Gesell­schaft
    im Hin­blick auf die mit der kon­kre­ten Aus­bil­dung
    ver­folg­ten typi­schen Berufsbilder.67 Die­ser Maß­stab
    scheint zunächst indif­fe­rent zu wir­ken, da die Art der
    kom­mu­ni­ka­ti­ven Über­tra­gung einer Prü­fungs­leis­tung
    gedank­lich unab­hän­gig von den inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen
    an die Prü­fung ist. Aller­dings beseht spe­zi­ell für
    open book Prü­fun­gen eine gewis­se Ver­bin­dung zwi­schen
    tech­ni­scher Über­tra­gung und inhalt­li­cher Aus­ge­stal­tung.
    Denn durch die Zuläs­sig­keit von Hilfs­mit­teln
    tritt eine reel­le Mög­lich­keit der Abfra­ge von Wis­sens­kom­pe­ten­zen
    weit­ge­hend in den Hin­ter­grund. Statt­des­sen
    wer­den Fra­ge­stel­lun­gen, die auf Trans­fer- bzw. Syn­the­se­kom­pe­ten­zen
    ein­wir­ken, wichtiger.68 Jedoch ist die­se
    Auf­fä­che­rung von Prü­fungs­ge­stal­tun­gen auch ohne
    die Betrach­tung von Online-Prü­fun­gen bereits vor­han­den
    und in der Hoch­schul­land­schaft ver­brei­tet. Die digi­ta­len
    Über­tra­gungs­we­ge der Online-Prü­fun­gen und die
    damit ver­bun­de­nen Neu­ge­stal­tun­gen von Prü­fungs­fra­gen
    wer­den die­sen Pro­zess der Auf­fä­che­rung und Diver­si­fi­zie­rung
    sicher­lich wei­ter modi­fi­zie­ren und vor­an­brin­gen.
    Ob sie aller­dings eine Inten­si­tät errei­chen, die
    zu der Annah­me ver­lei­tet, der Qua­li­täts­maß­stab aus
    1 2 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    Art. 12 GG sei nicht mehr hin­rei­chend für die prü­fungs­recht­li­che
    Erfas­sung der inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen an
    eine Prü­fung, darf bezwei­felt wer­den.
    bb) Art. 3 Abs. 1 GG – Gebot der Chan­cen­gleich­heit
    Der zwei­te bedeut­sa­me, eher auf das Prü­fungs­ver­fah­ren
    ein­wir­ken­de recht­li­che Maß­stab ist das Gebot prü­fungs­recht­li­cher
    Chan­cen­gleich­heit. Die­ser wird aus Art. 3
    Abs. 1 GG,69 teil­wei­se in Ver­bin­dung mit Art. 12 Abs. 1
    GG,70 abge­lei­tet und beinhal­tet das Erfor­der­nis weit­ge­hend
    glei­cher Prü­fungs­be­din­gun­gen und Bewer­tungs­maß­stä­be
    für ver­gleich­ba­re Prüfungen.71 Hier­bei ist zu
    dif­fe­ren­zie­ren. Soweit die orga­ni­sa­to­ri­sche Durch­füh­rung
    für alle Prüf­lin­ge einer Prü­fungs­kam­pa­gne nach
    glei­chen äuße­ren Bedin­gun­gen arbei­tet, soll­te der admi­nis­tra­ti­ve
    Anteil der Chan­cen­gleich­heit auch bei Online-
    Prü­fun­gen gewahrt wer­den kön­nen. Inhalt­li­cher Aus­fluss
    des Gebots der Chan­cen­gleich­heit ist aller­dings
    auch, dass kei­ne unzu­läs­si­gen Hilfs­mit­tel ver­wen­det
    wer­den dür­fen. Hier­zu zählt auch die Erbrin­gung der
    Leis­tung in eige­ner Per­son sowie ohne frem­de per­sön­li­che
    Hilfe.72 Ein Abgleich der soeben her­aus­ge­ar­bei­te­ten
    fak­ti­schen Beson­der­hei­ten am Maß­stab der Chan­cen­gleich­heit,
    spe­zi­ell mit Blick auf die vor­han­de­nen Täu­schungs­po­ten­zia­le,
    ergibt dabei die nach­fol­gen­den
    Betrach­tun­gen:
  3. Die stark ver­än­der­te Orga­ni­sa­ti­on und Vor­be­rei­tung
    der Prü­fung hat kei­ne unmit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen
    auf die Chan­cen­gleich­heit, soweit sie für alle betei­lig­ten
    Stu­die­ren­den glei­cher­ma­ßen ange­wen­det werden.
  4. Auch die Pflicht der Hoch­schu­le, tech­ni­sche Ersatz­ge­rä­te
    zur Ver­fü­gung zu stel­len, trägt kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten
    im Hin­blick auf die Chan­cen­gleich­heit in sich, zumin­dest
    so lan­ge nicht, wie die erfor­der­li­chen (Grund)-
    Funk­tio­na­li­tä­ten für die Prü­fung bei den End­ge­rä­ten
    vor­han­den sind.
  5. Die tech­ni­sche Über­wa­chung (Proc­to­ring) der
    Prü­fung birgt neue, bis­her unge­ahn­te Mög­lich­kei­ten für
    die Prüf­lin­ge, uner­laub­te Hilfs­mit­tel zu ver­wen­den. Der
    gerin­ge Über­wa­chungs­win­kel der Web­cam lässt Mög­lich­kei­ten,
    in ande­ren Zim­mern als dem eigent­li­chen
    Prü­fungs­raum, im Prü­fungs­raum selbst oder sogar am
    Arbeits­platz uner­laub­te Hilfs­mit­tel auf­zu­be­wah­ren und
    zu ver­wen­den. Die­se Mög­lich­kei­ten bestan­den bis­her in
    inhalt­li­cher Hin­sicht eben­falls, etwa in Klei­dungs­stü­cken
    oder in Taschen, wer­den bei Online-Prü­fun­gen
    aber nicht uner­heb­lich erwei­tert. Die Mög­lich­keit, uner­laub­te
    per­sön­li­che Hil­fe in Anspruch zu neh­men, ist außer­dem
    ins­be­son­de­re bei Proc­to­ring­sys­te­men ohne Audio­funk­ti­on
    erheb­lich gestiegen.
  6. Die Zulas­sung von Hilfs­mit­teln ver­än­dert die Anfor­de­run­gen
    an die Sicher­stel­lung der Chan­cen­gleich­heit
    eben­falls gra­vie­rend. Denn im glei­chen Maße ist die
    Hoch­schu­le von einer ent­spre­chen­den Beweis­last im
    Streit­fall befreit, was zum Weg­fall der Not­wen­dig­keit für
    ent­spre­chen­de Über­wa­chungs­maß­nah­men führt.
    Gleich­zei­tig wird das Täu­schungs­po­ten­zi­al und damit
    die Gefähr­dungs­la­ge für die Chan­cen­gleich­heit wäh­rend
    der Prü­fung herabgesenkt.
  7. Die Ein­füh­rung der Kenn­zeich­nungs­pflicht frem­der
    Gedan­ken bei Online-Prü­fungs­for­ma­ten hat Aus­wir­kun­gen
    auf die Qua­li­tät der Arbeit und ist damit eher
    für den Maß­stab der Qua­li­täts­er­war­tun­gen rele­vant als
    für die Chan­cen­gleich­heit aller Prüf­lin­ge im Verfahren.
  8. Die Ver­wen­dungs­pflicht eige­ner tech­ni­scher Gerä­te
    im Rah­men der frei­en Bear­bei­tung birgt zwar kein nähe­res
    Gefähr­dungs­po­ten­zi­al für Täu­schun­gen. Eine
    funk­tio­na­le Min­der- oder Fehl­funk­ti­on die­ser Gerä­te
    wäh­rend der Prü­fung kann jedoch einen ande­ren Aspekt
    der Chan­cen­gleich­heit akti­vie­ren, näm­lich die Pflicht
    zum Aus­gleich unver­schul­de­ter Nach­tei­le der Prüf­lin­ge
    in deren Dar­stel­lung der Prü­fungs­leis­tung, sog. Nach­teils­aus­gleich.
    73 Die­se Fall­grup­pe von Nach­teils­aus­glei­chen
    wäh­rend der Prü­fung, ins­be­son­de­re in der Form
    der Ver­län­ge­rung der Prü­fungs­dau­er, ist zwar nicht unbe­kannt
    aus der ana­lo­gen Welt, denkt man etwa an vor­über­ge­hen­den
    Lärm im Umfeld des Prüfungsraums.74
    Hier wären jedoch nicht nur die Ebe­ne der Gewäh­rung
    ver­schie­den — indi­vi­du­ell statt gene­rell, son­dern auch die
    Wahr­neh­mungs- und Auf­klä­rungs­struk­tur anders.
    Nach­teils­aus­glei­che durch tech­ni­sche Stö­run­gen, ins­ge­samt
    und spe­zi­ell mit Blick auf die stu­den­ti­schen End­ge­rä­te
    bei der frei­en Bear­bei­tung, tra­gen des­halb eher die
    Struk­tur der übli­chen, vor Beginn der Prü­fung gewähr­ten
    indi­vi­du­el­len Nach­teils­aus­glei­che als von sol­chen
    wäh­rend der Prü­fung.
    69 Niehues/Fischer/Jeremias, oben Fn. 28, Rn. 402.
    70 BVerwG DVBl. 2020, 125 ff.
    71 Niehues/Fischer/Jeremias, oben Fn. 28, Rn. 402.
    72 Mor­gen­roth, oben Fn. 30, Rn. 45 ff.
    73 Niehues/Fischer/Jeremias, oben Fn. 28, Rn. 259.
    74 Mor­gen­roth, oben Fn. 30, Rn. 441.
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 2 7
    cc) Daten­schutz­recht
    Durch die IT-basier­te Über­tra­gung weit­ge­hen­der Infor­ma­tio­nen
    bzw. Daten mit Bezug zur Prü­fung haben sich
    neue Berei­che daten­schutz­recht­li­cher Betrach­tung erge­ben.
    75 Dazu zäh­len nicht nur Ver­ar­bei­tung bekann­ter
    Daten­ka­te­go­rien in neu­en, IT-basier­ten Kon­tex­ten, etwa
    von Name oder Matri­kel­num­mer in IT-Sys­te­men statt
    einer Papier-Teil­neh­mer­lis­te. Dane­ben bestehen auch
    und vor allem kom­plett neue Daten­ka­te­go­rien, etwa IPAdres­sen
    oder bio­me­tri­sche Daten wie Gesicht oder
    Stimme,76 wobei letz­te­re zusätz­lich noch beson­ders zu
    schüt­zen sind, Art. 9, 35 EU-DSGVO.77 Schließ­lich stel­len
    sich auch neue Fra­gen der Inten­si­tät der Ver­ar­bei­tung
    per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten, etwa räum­lich – Erfas­sung
    des kom­plet­ten (pri­va­ten) Prü­fungs­raums oder von
    Tei­len des­sen, zeit­lich – Fre­quenz der Proc­to­ring-Auf­nah­men
    – oder inhalt­lich – Proc­to­ring mit oder ohne
    Audio­funk­ti­on.
    All dies eröff­net nicht nur neue recht­li­che Wel­ten im
    Zusam­men­hang mit dem Daten­schutz. Die daten­schutz­recht­lich
    gesetz­ten Gren­zen wir­ken dane­ben auch auf
    die Gestal­tung der Prü­fung ein und prä­gen die fak­ti­schen
    Prü­fungs­ty­pen und –struk­tu­ren gleich­zei­tig mit.
    Das Absol­vie­ren der Prü­fung im ansons­ten vor Ein­bli­cken
    der Hoch­schu­le geschütz­ten pri­va­ten Prü­fungs­raum,
    Ver­kür­zun­gen von Wahr­neh­mung der Prü­fungs­in­hal­te
    oder Nach­tei­le bei Leis­tungs­er­brin­gung (münd­li­che
    Online-Prü­fung) oder Über­tra­gung (schrift­li­che
    Online-Prü­fung) wir­ken auf Inhalt und Ver­fah­ren der
    Prü­fung ein.
    c) Ein­ord­nung in das gel­ten­de recht­li­che Regime
    Wel­che Fol­ge­run­gen für die recht­li­che Erfas­sung der
    Typo­lo­gie von Online-Hoch­schul­prü­fun­gen kön­nen aus
    den erar­bei­te­ten Erkennt­nis­sen abge­lei­tet werden?
  9. Die open book Prü­fung unter­schei­det sich von der
    Prä­senz­klau­sur fak­tisch spür­bar in ihrer Vor­be­rei­tung
    und Durch­füh­rung, dabei vor allem mit Blick auf die Zuläs­sig­keit
    von Hilfs­mit­teln. In recht­li­cher Hin­sicht bedeut­sam
    sind die neue daten­schutz­recht­li­che Erfas­sung
    der Prü­fungs­leis­tung, bei vor­ge­schal­te­ter IT-basier­ter
    Iden­ti­täts­kon­trol­le zusätz­lich von Kate­go­rien wie Prü­fungs­raum,
    IP-Adres­se oder bio­me­tri­scher Daten, die
    Bedeut­sam­keit der Kenn­zeich­nung frem­der Gedan­ken
    für die inhalt­li­che Qua­li­tät der Arbeit, das abge­senk­te
    Täu­schungs­po­ten­zi­al durch die zuge­las­se­nen Hilfs­mit­tel
    sowie die neue Dimen­si­on des indi­vi­du­el­len Nach­teils­aus­gleichs
    wäh­rend der Prüfung.
  10. Es bestehen auch Dif­fe­ren­zie­rungs­mög­lich­kei­ten
    der open book Prü­fung zur Haus­ar­beit. Die hier wie dort
    ver­wend­ba­ren Hilfs­mit­tel las­sen zwar Auf­sichts­maß­nah­men
    glei­cher­ma­ßen ent­fal­len. Abzu­prü­fen­de Kom­pe­ten­zen
    und Begleit­leis­tun­gen sind jedoch wegen der
    stark abwei­chen­den Prü­fungs­dau­er ver­schie­den. Bedeut­sa­me
    recht­li­che Abwei­chun­gen, abge­se­hen von den
    daten­schutz­recht­li­chen Impli­ka­tio­nen bei Iden­ti­täts­kon­trol­le
    im Rah­men der open book Prü­fung, bestehen dage­gen
    nicht.
  11. Die­se bei­den Aus­sa­gen gel­ten ent­spre­chend für die
    take home Prü­fung mit der Beson­der­heit, dass eine Iden­ti­täts­kon­trol­le
    hier in aller Regel nicht statt­fin­det und die
    ent­spre­chen­den daten­schutz­recht­li­chen Impli­ka­tio­nen
    nicht typus­prä­gend sind.
  12. Die münd­li­che Online-Prü­fung unter­schei­det sich
    von der münd­li­chen Prä­senz­prü­fung fak­tisch spür­bar in
    ihrer Vor­be­rei­tung, dage­gen kaum in ihrer Durch­füh­rung.
    Recht­lich bedeut­sam ist dage­gen sowohl die stark
    ver­än­der­te, durch­gän­gi­ge daten­schutz­recht­li­che Erfas­sung
    als auch die neue indi­vi­dua­li­sier­te Form des Nach­teils­aus­gleichs
    wäh­rend der Prü­fung infol­ge von tech­ni­scher
    Stö­run­gen.
    d) Ergeb­nis­se
    Aus die­sen Ablei­tung las­sen sich fol­gen­de Ergeb­nis­se
    extra­hie­ren.
    aa) Open book Prü­fung und take home Prü­fung
    Open book Prü­fung und take home Prü­fung ste­hen in
    ihrer fak­ti­schen Aus­ge­stal­tung und recht­li­chen Erfas­sung
    zwi­schen Klau­sur und Haus­ar­beit. Sie ver­die­nen
    des­halb jeden­falls eine Aner­ken­nung als jeweils eigen­stän­di­ge
    Prü­fungs­art inner­halb des Typus der schrift­li­chen
    Prü­fun­gen.
    Das rechts­theo­re­tisch-rechts­me­tho­di­sche Erfor­der­nis,
    einen neu­en Prü­fungs­ty­pus abzu­lei­ten, scheint dage­gen
    für open book Prü­fung und take home Prü­fung
    noch nicht gege­ben zu sein. Die prü­fungs­recht­li­chen
    Maß­stä­be sind im Ver­gleich zu Klau­sur und Haus­ar­beit
    zwar modi­fi­ziert. Die Abwei­chun­gen las­sen eine Erfas­sung
    unter dem Typus der schrift­li­chen Prü­fun­gen jedoch
    weder als unan­ge­mes­sen im Sin­ne von Larenz78 erschei­nen,
    noch lässt sich die Ver­bin­dung von Tat­be­stand
    und (prü­fungs­recht­li­cher) Rechts­fol­ge im Sin­ne von
    75 Die Bay­ri­sche Fern­prü­fungs­er­pro­bungs­ver­ord­nung (Bay­FEV)
    vom 16.9.2020 erfasst als erkenn­bar ers­te inte­grier­te staat­li­che
    Rege­lung die ver­schie­de­nen Aspek­te des Daten­schut­zes bei
    Online-Prü­fun­gen; Sand­ber­ger, oben Fn. 2, S. 157 f.
    76 Feh­ling, oben Fn. 2, S. 146.
    77 Morgenroth/ Wiec­zo­rek, OdW 2021, 7, 10.
    78 Oben, Fn. 52.
    1 2 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    Pawlowski79 nicht mehr plau­si­bel erklä­ren. Zwar besteht
    inso­weit die Mög­lich­keit einer Ein­wir­kung daten­schutz­recht­li­cher
    Ver­kür­zun­gen auf die Prü­fung nach § 46 LVwVfG.
    Es wird aber wei­te­rer fak­ti­scher Ver­dich­tung,
    prak­ti­scher Erfah­rung und vor allem wis­sen­schaft­li­cher
    und foren­si­scher Auf­ar­bei­tung bedür­fen, um belast­ba­re,
    anders­lau­ten­de typo­lo­gi­sche Erkennt­nis­se zu gene­rie­ren.
    Bis dahin wird hier davon aus­ge­gan­gen, dass open
    book Prü­fung und take home Prü­fung, weder ein­zeln
    noch in ihrer Zusam­men­schau, einen eigen­stän­di­gen
    Prü­fungs­ty­pus bil­den.
    Die vor allem durch das Daten­schutz­recht beding­ten
    abwei­chen­den fak­ti­schen Struk­tu­ren legen jedoch in jedem
    Fal­le eine eigen­stän­di­ge Erfas­sung in der Prü­fungs­ord­nung
    durch eige­ne Rege­lun­gen nahe. Denn es bestehen
    hin­rei­chen­de, fak­tisch und recht­lich beding­te Risi­ko­po­ten­zia­le,
    die es durch Rege­lung zu steu­ern gilt.
    bb) Münd­li­che Online-Prü­fun­gen
    Die fak­ti­schen und recht­li­chen Abwei­chun­gen der
    münd­li­chen Prü­fung in der Online-Vari­an­te im Ver­gleich
    zur Prä­senz­prü­fung fal­len dage­gen stär­ker aus.
    Die IT-Dimen­si­on bewirkt sowohl für die Vor­be­rei­tung
    als auch für die Durch­füh­rung erheb­li­che Modi­fi­zie­run­gen
    im Ver­gleich zur münd­li­chen Prä­senz­prü­fung mit
    Wir­kung für Nach­teils­aus­glei­che und Per­for­mance.
    Zudem besteht hier auch noch die fak­ti­sche Mög­lich­keit
    der spä­te­ren Bewer­tung einer auf­ge­zeich­ne­ten Prü­fung,
    der recht­lich ent­spre­chend zu begeg­nen ist. All dies
    führt sicher zu einer Aner­ken­nung als eigen­stän­di­ge
    Prü­fungs­art und auch zum Erfor­der­nis einer eigen­stän­di­gen
    Rechts­grund­la­ge in der Prü­fungs­ord­nung.
    Ob eine Aner­ken­nung der münd­li­chen Online-Prü­fung
    als eigen­stän­di­ger Prü­fungs­ty­pus gerecht­fer­tigt ist,
    kann noch nicht abschlie­ßend beant­wor­tet wer­den, liegt
    nach Lage der Din­ge aber deut­lich näher als für open
    book Prü­fung oder take home Prü­fung. Denn die visu­el­le
    Über­wa­chung bewirkt nicht nur das Erfor­der­nis der
    Betrach­tung neu­er daten­schutz­recht­li­cher Aspek­te, son­dern
    auch von Grund­rech­ten mit Bezug zum Schutz der
    Wohnung.80 Vie­les wird des Wei­te­ren davon abhän­gen,
    wel­chen Ein­fluss die prü­fungs­recht­li­chen Betei­lig­ten in
    den Gerich­ten, in der Wis­sen­schaft und aus der Hoch­schul­pra­xis
    den daten­schutz­recht­li­chen Gege­ben­hei­ten
    bei­mes­sen. Auf den ers­ten Blick schei­nen die Abwei­chun­gen
    zur münd­li­chen Prä­senz­prü­fung nicht gerin­ger
    zu sein als etwa die­je­ni­gen einer elek­tro­ni­schen Prü­fung
    zu einer schrift­li­chen Prü­fung, die aner­kann­ter­ma­ßen
    als ver­schie­de­ne Prü­fungs­for­men bestehen.81 Auch hier
    darf die wei­te­re Ent­wick­lung und Auf­ar­bei­tung mit
    Span­nung abge­war­tet und beglei­tet werden.
  13. Begriff­li­che Fra­gen
    Impul­se für Ver­än­de­run­gen der ver­wen­de­ten Begriff­lich­kei­ten
    gibt es aus dem Vor­ge­sag­ten für die Ver­wen­dung
    des Ober­be­griffs „Prü­fungs­form“ (a), für die syn­onym
    ver­wen­de­te Bezeich­nung „Auf­sichts­ar­beit“ für die
    Klau­sur (b), und für die Benen­nung der Online durch­ge­führ­ten
    Prü­fun­gen als „Fern­prü­fun­gen“, „digi­ta­le Prü­fun­gen“
    oder Online Prü­fun­gen“ ©.
    a) Begriff der „Prü­fungs­form“ als Ober­be­griff?
    Aus zwei Grün­den erscheint der Begriff „Prü­fungs­typ“
    gegen­über dem Ter­mi­nus „Prü­fungs­form“ tref­fen­der
    und mit weni­ger Miss­ver­ständ­nis­po­ten­zi­al behaf­tet zu
    sein. Denn ers­tens ist – unab­hän­gig von den soeben
    ange­stell­ten typo­lo­gi­schen Betrach­tun­gen – die Form im
    Recht ihrer­seits eines von vie­len Ver­fah­rens­be­stand­tei­len,
    nicht aber eine Ober­ka­te­go­rie selbst. Für die Schrift­form
    (§§ 125 f. BGB) und für die elek­tro­ni­sche Form
    (§ 126 BGB) gibt es dezi­dier­te recht­li­che Vor­ga­ben, die
    jedoch mit der Ein­hal­tung die­ser For­men auf Ele­men­te
    des Ver­fah­rens abzie­len, ohne das Gesamt­phä­no­men zu
    erfas­sen, in das die­se For­men ein­ge­bet­tet sind. Der
    Begriff „Form“ ist im Recht des­halb tra­di­tio­nell anders
    besetzt, sei­ne Ver­wen­dung für Ober­ka­te­go­rien kon­train­tui­tiv.
    Und zwei­tens ist die begriff­li­che Ver­knüp­fung von
    Typus und Rege­lungs­be­darf im Recht bereits sehr ver­brei­tet,
    denkt man bei­spiels­wei­se an Vertragstypen82
    oder Straf­tat­be­stän­de. Anstel­le von „Prü­fungs­for­men“
    erscheint des­halb eine Ober­struk­tur von „Prü­fungs­ty­pen“
    sowohl Sinn­ge­halt als auch Erkennt­nis­in­ter­es­se
    bes­ser zu erfas­sen.
    Dass gege­be­nen­falls meh­re­re Prü­fungs­ar­ten unter einen
    Ober­be­griff, nach hier ver­tre­te­ner Auf­fas­sung des
    „Prü­fungs­typs“ zu brin­gen sind, wie das bis­her ver­brei­tet
    ver­tre­ten wird, ist dage­gen unschäd­lich und wegen der
    Kür­ze und Prä­gnanz gegen­über ande­ren, ähn­lich geeig­ne­ten
    Begrif­fen wie „Prü­fungs­aus­ge­stal­tung“ auch
    vor­zugs­wür­dig.
    79 Oben, Fn. 53.
    80 S. oben, Nr. II.
    81 Jere­mi­as, oben Fn. 44.
    82 S. oben, Fn. 48, 51.
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 2 9
    b) Bezeich­nung der Klau­sur als „Auf­sichts­ar­beit“?
    Trotz einer ver­brei­te­ten defi­ni­to­ri­schen Zuord­nung der
    Beauf­sich­ti­gung zum Begriff der Klausur83 erscheint die
    syn­ony­me Set­zung der Begrif­fe Auf­sichts­ar­beit und
    Klau­sur frag­wür­dig. Ein Blick auf die ety­mo­lo­gi­sche
    Ent­wick­lung des Begriffs „Klau­sur“ zeigt zunächst, wie
    weit sich des­sen Bedeu­tung zumin­dest für Prüfungen84
    von sei­nem Ursprung ent­fernt hat. Der ursprüng­lich
    essen­zi­el­le Teil des Begriffs, die Ablei­tung aus den latei­ni­schen
    Wör­tern „clau­de­re“ (dt. schlie­ßen) und „clau­su­ra“
    (dt. Ver­schluss), ver­deut­licht die Abge­schlos­sen­heit
    und Unzu­gäng­lich­keit des Klau­sur­ge­gen­stands als das
    pri­mä­re namens­ge­ben­de Ele­ment.
    Zudem hat sich gezeigt, dass die struk­tu­rel­le Erfas­sung
    des Prü­fungs­sys­tems durch die Online-Prü­fun­gen
    eine Erwei­te­rung erfah­ren hat. Die­se bewirkt, dass ande­re
    Abgren­zungs­ka­te­go­rien an Bedeu­tung gewin­nen und
    zuneh­mend prä­gend wer­den. Für die hier rele­van­te Betrach­tungs­grup­pe
    der schrift­li­chen Prü­fun­gen mit Aus­nah­me
    der Haus­ar­beit scheint es nun­mehr ten­den­zi­ell
    auf die Unter­schei­dung der Prü­fung mit und ohne zuge­las­se­ne
    Hilfs­mit­tel als auf die Auf­sicht anzu­kom­men.
    Schließ­lich spricht auch die gedank­li­che Gegen­pro­be
    eher gegen eine Gleich­set­zung der Begrif­fe. Denn soll­te
    es im Ein­zel­fall vor­kom­men, dass eine ein­ge­plan­te Beauf­sich­ti­gung
    – sei es durch Krank­heit des Per­so­nals
    oder durch Aus­fall der Proc­to­ring­sys­te­me – ganz oder
    vor­über­ge­hend nicht ein­ge­setzt wer­den kann, so wird es
    den­noch fern­lie­gend sein, die durch­ge­führ­te Prü­fung
    des­halb nicht als Klau­sur anzu­se­hen oder sogar gericht­lich
    mit der Begrün­dung einer feh­ler­haft durch­ge­führ­ten
    Prü­fung zu argu­men­tie­ren.
    Wegen der tra­di­tio­nell übli­chen Aus­übungs­form ist
    eine syn­ony­me Ver­wen­dung der Begrif­fe „Auf­sichts­ar­beit“
    und „Klau­sur“ des­halb eine geeig­ne­te begriff­li­che
    Annä­he­rung, soll­te in rechts­ver­bind­li­chen Tex­ten jedoch
    ins­be­son­de­re dann nicht ver­wen­det wer­den, wenn
    es gera­de um die recht­li­che Bewer­tung von Details die­ses
    Prü­fungs­typs geht.
    c)Benennung der IT-basiert durch­ge­führ­ten Prü­fungs­ge­stal­tun­gen
    Die durch die Coro­na-Situa­ti­on ver­stärkt ver­wen­de­ten
    IT-basiert durch­ge­führ­ten Prü­fungs­for­men wer­den in
    ver­schie­de­ner begriff­li­cher Aus­ge­stal­tung ver­wen­det,
    etwa als „Fern­prü­fung“, „digi­ta­le Prü­fung“ oder „Online-
    Prü­fung“. Hier­zu soll im Fol­gen­den begriff­lich Stel­lung
    genom­men wer­den.
    Die „Fernprüfung“85 ist für sich genom­men kein genau
    abge­grenz­tes Phä­no­men, son­dern kann in vie­len ver­schie­de­nen
    Gestal­tun­gen auf­tre­ten. Inso­weit unter­liegt
    der Begriff auch nach dem Wil­len sei­ner Schöp­fer noch
    einem Kon­kre­ti­sie­rungs- bzw. Kon­so­li­die­rungs­pro­zess.
    Den­noch scheint die gedank­li­che Nähe zum „Fern­un­ter­richt“
    nach dem Fer­nUSG nicht opti­mal, um begriff­li­chen
    Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen. Zwar ver­wen­det
    das Fer­nUSG selbst den Begriff der „Fern­prü­fung“ nicht.
    Es erscheint jedoch durch­aus nahe­lie­gend, die „Über­wa­chung
    des Lern­erfolgs“ nach absol­vier­tem Fern­un­ter­richt
    im Sin­ne von § 2 Abs. 1 Fer­nUSG als Fern­prü­fung zu begrei­fen.
    Um die­ser Ver­knpü­fung, die kei­ne inhalt­li­che
    Ent­spre­chung hät­te, zu ver­mei­den, soll des­halb von der
    Ver­wen­dung des Begriffs „Fern­prü­fung“ abge­ra­ten
    wer­den.
    Auch die Ver­wen­dung des Begriffs „digi­ta­le Prü­fung“
    scheint den Kern des zu erfas­sen­den Sach­ver­halts nicht
    voll­stän­dig zu erfas­sen. „Digi­tal“ bedeu­tet die Abbil­dung
    von Infor­ma­tio­nen als Zahlenkombinationen.86 Dies erfasst
    zwar den Pro­zess der Infor­ma­ti­ons­über­tra­gung
    nach bei­den Sei­ten, der sowohl für das Ver­fah­ren als auch
    für die Bewer­tung der Prü­fung wesent­lich ist. Den Cha­rak­ter
    der neu­en Prü­fungs­ar­ten gera­de als Sub­sti­tut für
    die nicht mehr durch­führ­ba­ren Prü­fungs­ar­ten erfasst
    die­se Bedeu­tung jedoch in wei­ten Tei­len nicht, etwa die
    Dimen­sio­nen An- oder Abwe­sen­heit oder A/Synchronizität
    in zeit­li­cher Hin­sicht. Der Begriff „digi­ta­le Prü­fung“
    scheint damit für die Zwe­cke der voll­stän­di­gen Ein­ord­nung
    der neu­en Prü­fungs­ar­ten etwas zu kurz zu grei­fen.
    83 So Fischer/ Die­te­rich, oben Fn. 1, in Abgren­zung zur kei­ne Auf­sicht
    erfor­dern­den Haus­ar­beit.
    84 Die Rede­wen­dung „in Klau­sur gehen“ ist dage­gen in ande­ren
    Kon­tex­ten noch ver­brei­tet, bei­spiels­wei­se mit Blick auf die all­jähr­li­chen
    Klau­sur­sit­zun­gen der poli­ti­schen Par­tei­en.
    85 S. Bay­FEV, oben Fn. 75.
    86 Duden | digi­tal | Recht­schrei­bung, Bedeu­tung, Defi­ni­ti­on, Her­kunft,
    letz­ter Abruf am 4. Febru­ar 2021.
    1 3 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2
    Bis­wei­len wird auch das Kür­zel „e“ vor der Benen­nung
    der ein­zel­nen Prü­fungs­art ver­wen­det, z. B. als „e-
    Klau­sur“. Das Kür­zel ver­weist hier­bei auf „elec­tro­nic“
    oder „elek­tro­nisch“. Wegen der begriff­li­chen und gedank­li­chen
    Nähe zur elek­tro­ni­schen Form wird auch hier
    emp­foh­len, in rechts­ver­bind­li­chen Doku­men­ten dar­auf
    zu ver­zich­ten.
    Auch der Begriff „IT-basiert“ scheint den Wesens­ge­halt
    des zu Erfas­sen­den nur unzu­rei­chend abzu­bil­den.
    Denn IT-basiert als „auf Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie beru­hend“
    erfasst auch eta­blier­te Prü­fungs­ar­ten aus der ana­lo­gen
    Welt, bei­spiels­wei­se die Haus­ar­beit oder den Essay,
    die mitt­ler­wei­le in den aller­meis­ten Fäl­len auf dem Com­pu­ter
    und damit IT-basiert ver­fasst wer­den dürf­ten.
    Der Erfas­sung der viel­fäl­ti­gen neu­en Gestal­tungs­for­men
    von Prü­fun­gen am nächs­ten zu kom­men scheint
    der Begriff „Online-Prü­fung“. „Online“ meint hier die
    akti­ve Ver­bin­dung des die Prü­fungs­leis­tung haut­säch­lich
    über­tra­gen­den Geräts der Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie,
    87 etwa von Com­pu­ter oder Kame­ra also, zur Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tungs­an­la­ge.
    Die­ser Begriff inhä­riert bereits
    die digi­ta­le Infor­ma­ti­ons­um­wand­lung und –über­tra­gung,
    geht aber bezüg­lich der Inter­ak­ti­on zwi­schen
    prü­fen­der und zu prü­fen­der Per­son ent­schei­dend dar­über
    hin­aus. Dass in Ein­zel­fäl­len zur Mini­mie­rung von
    Täu­schungs­ri­si­ken Prü­fun­gen ganz oder teil­wei­se off­line,
    z. B. im Flug­mo­dus, zu absol­vie­ren sind, scha­det
    der begriff­li­chen Pass­ge­nau­ig­keit von „Online“ nicht,
    weil der Begriff die Anwen­dungs­fäl­le den­noch alle abs­trakt
    kor­rekt erfasst.
    Im Ergeb­nis wird des­halb emp­foh­len, für die infol­ge
    der Coro­na-Situa­ti­on auf­ge­kom­me­nen Prü­fungs­ty­pen
    bzw. ‑arten die Bezeich­nung „Online-Prü­fun­gen“ zu
    ver­wen­den.
    IV. Ergeb­nis­se
    Zusam­men­ge­fasst sei­en abschlie­ßend noch­mals die
    nach­fol­gen­den wesent­li­chen Ergeb­nis­se genannt:
  14. Es bestehen gute Grün­de dafür, die daten­schutz­recht­li­chen
    Rege­lun­gen zur Bewäl­ti­gung der Coro­na-Situa­ti­on,
    ins­be­son­de­re zur Erfas­sung von Online-Leh­re
    und Online-Prü­fun­gen, in Anwen­dung der Vor­ga­ben
    des BVerfG zumin­dest auch, mög­li­cher­wei­se aus­schließ­lich,
    am Maß­stab von EU-Grund­rech­ten prü­fen zu müs­sen.
    (oben, II. 2). Dies gilt beson­ders, wenn die daten
    schutz­recht­li­che Legi­ti­ma­ti­on der Daten­ver­ar­bei­tung
    auf der Grund­la­ge einer Ein­wil­li­gung erfolgt (s. oben,
    II. 3). Den Hoch­schu­len wird des­halb emp­foh­len, den
    Maß­stab der EU-Grund­rech­te zu berücksichtigen.
  15. Für den Fall, dass eine Anwend­bar­keit natio­na­ler
    Grund­rech­te neben den EU-Grund­rech­ten ange­nom­men
    wird, so ist zu beach­ten, dass die rele­van­ten Grund­rech­te
    unter­schied­li­che Schutz­ge­hal­te, Struk­tu­ren und
    Inten­si­tä­ten auf­wei­sen: Im Rah­men des prü­fungs­recht­li­chen
    Gebots der Chan­cen­gleich­heit steht einer tra­di­tio­nell
    aner­kann­ten und detail­liert aus­ge­stal­te­ten deut­schen
    Grund­rechts­ver­bür­gung aus Art. 3 Abs. 1 GG eine
    bes­ten­falls rudi­men­tär vor­han­de­ne EU-recht­li­che
    Grund­rechts­er­fas­sung gegen­über (s. oben, II. 4 a.). Umge­kehrt
    ist das EU-Grund­recht auf Ach­tung der Woh­nung
    in Art. 7 GrCh euro­pa­recht­lich soli­de ent­wi­ckelt
    und struk­tu­rell leicht zu erfas­sen, wäh­rend die Anwend­bar­keit
    des deut­schen Pen­dants aus Art. 13 GG infol­ge
    fort­schrei­ten­der Grund­rechts­kon­kur­ren­zen zuneh­mend
    ero­diert und zudem struk­tu­rell die hie­si­ge Pro­ble­ma­tik
    bes­ten­falls am Ran­de erfasst (s. oben, II. 4 b.).
  16. Die neu­ar­ti­gen Gestal­tun­gen schrift­li­cher Online-
    Prü­fun­gen in den For­men der open book Prü­fung und
    der take home Prü­fung wei­sen eigen­stän­di­ge, fak­ti­sche
    und recht­li­che Cha­rak­ter­merk­ma­le auf, die sowohl eine
    Zubil­li­gung als eigen­stän­di­ge Prü­fungs­ar­ten als auch das
    Erfor­der­nis einer Erfas­sung in eigen­stän­di­gen Rechts­grund­la­gen
    in der Prü­fungs­ord­nung recht­fer­ti­gen. Die
    Iden­ti­fi­zie­rung die­ser Prü­fungs­ge­stal­tun­gen als eige­ner
    Prü­fungs­ty­pus im Sin­ne einer rechts­theo­re­tisch-rechts­me­tho­di­schen
    Ein­ord­nung scheint dage­gen vor­erst nicht
    ange­zeigt (s. oben, III. 2 d aa.)
  17. Eben­so sind Online absol­vier­te, münd­li­che Prü­fun­gen
    wegen Art und Inten­si­tät ihrer Beson­der­heit sowohl
    als eige­ne Prü­fungs­art als auch als Gegen­stand eige­ner
    Rege­lung in der Prü­fungs­ord­nung zu betrach­ten.
    Zudem spre­chen gute Grün­de für ihre Erfas­sung als eigen­stän­di­ger
    Prü­fungs­ty­pus, vor allem wegen der star­ken
    Impli­ka­tio­nen des Gebots der Chan­cen­gleich­heit bei
    tech­ni­schen Stö­run­gen sowie der erheb­li­chen Erwei­te­rung
    der grund­recht­li­chen Rele­vanz im Daten­schutz­recht
    und im Recht des räum­li­chen Schut­zes der Pri­vat­heit.
    Die wei­te­re Ent­wick­lung wird zei­gen, inwie­weit
    sich die­se Annah­me veri­fi­ziert (s. oben, III. 2 d bb.).
  18. Statt des Begriffs „Prü­fungs­form“ wird der Begriff
    des „Prü­fungs­typs“ als Ober­be­griff für die Erfas­sung
    87 Duden | Online | Recht­schrei­bung, Bedeu­tung, Defi­ni­ti­on, Her­kunft,
    letz­ter Abruf am 4. Febru­ar 2021.
    Mor­gen­roth · Coro­na in der Hoch­schul­pra­xis, Teil II: Online-Prü­fun­gen 1 3 1
    hin­rei­chend gleich­ar­ti­ger Prü­fungs­for­men vor­ge­schla­gen,
    da die Ver­wen­dung von „Form“ im Recht übli­cher­wei­se
    eher ein­zel­ne Ver­fah­rens­ele­men­te als Gesamt­phä­no­me­ne
    beschreibt und die­ser Begriff der metho­di­schen
    Her­an­ge­hens­wei­se der Typen­bil­dung auch näher ist (s.
    oben, III. 3 a.).
  19. Die ver­brei­te­te syn­ony­me Ver­wen­dung der Begrif­fe
    „Auf­sichts­ar­beit“ und „Klau­sur“ ist als seman­ti­sche
    Annä­he­rung gut geeig­net, vor allem in metho­di­schen
    Kon­tex­ten jedoch aus ety­mo­lo­gi­schen, aktu­el­len struk­tu­rel­len
    und auch prak­ti­schen Erwä­gun­gen her­aus unge­nau
    (s. oben, III. 3 b.).
  20. Für die Bezeich­nung von auf der Grund­la­ge von
    IT-Sys­te­men durch­ge­führ­ten Prü­fun­gen erscheint der
    Ter­mi­nus der „Online-Prü­fung“ gegen­über eben­falls
    ver­wen­de­ten Begrif­fen wie „Fern­prü­fung“, „digi­ta­le Prü­fung“
    oder „e‑Prüfung“ vor­zugs­wür­dig, weil er die Beson­der­hei­ten
    gera­de die­ser Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tur
    am bes­ten erfasst (s. oben, III. 3 c.).
    Dr. iur. Cars­ten Mor­gen­roth ist Jus­ti­zi­ar der Ernst-
    Abbe-Hoch­schu­le sowie Refe­rent und Fach­au­tor im
    Hoch­schul­stu­di­en- bzw. –prü­fungs­recht. Der Bei­trag
    gibt die per­sön­li­che Auf­fas­sung des Autors wider.
    1 3 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 1 7 — 1 3 2