Menü Schließen
Klicke hier zur PDF-Version des Beitrags!

I. Prä­lu­di­um, oder: Vor­spiel auf diver­sen Büh­nen
Schon 2019 gab es Über­le­gun­gen einer umfas­sen­den Reform des baye­ri­schen Hoch­schul­rechts, liegt doch die letz­te gro­ße Ände­rung im Jah­re 2006 – die durch die Föde­ra­lis­mus­re­form I ver­ur­sacht wur­de – doch schon ein­ein­halb Jahr­zehn­te zurück. Ange­sichts der seit­her mas­siv vor­an­schrei­ten­den Inter­na­tio­na­li­sie­rung und Glo­ba­li­sie­rung soll eine wei­te­re Auto­no­mie vor allem durch fle­xi­ble­re Gover­nan­ce­struk­tu­ren, aber auch eine wei­te­re Stär­kung der Hoch­schul­lei­tun­gen die Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen wer­den, um in einer welt­weit immer kom­pe­ti­ti­ve­ren Hoch­schul­welt nicht den Anschluss zu ver­lie­ren. Immer­hin haben es ja auch die ver­schie­de­nen Pha­sen der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve/-stra­te­gie nicht wirk­lich geschafft, den deut­schen Uni­ver­si­tä­ten in den welt­wei­ten Ran­kings Rie­sen­sprün­ge nach vorn zu ver­schaf­fen, was frei­lich auch an der „anglo­phi­len“ Ran­king­me­tho­dik lie­gen mag.
Die Vor­ar­bei­ten zum Geset­zes­ent­wurf düm­pel­ten zunächst etwas vor sich hin, nah­men aber dann Mit­te 2020 mas­siv an Fahrt auf. Anlass war ein Arbeits­pa­pier aus dem Bereich der Tech­ni­schen Hoch­schu­len, das eine Gleich­stel­lung des Wis­sens- und Tech­no­lo­gie­trans­fers mit den Berei­chen For­schung und Leh­re for­der­te, eine deut­li­che (wei­te­re) Stär­kung der Hoch­schul­lei­tung zu Las­ten der kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne ver­lang­te (um angeb­li­che „Blo­cka­den“ der Ent­schei­dungs­pro­zes­se zu ver­hin­dern) und den Hoch­schu­len durch Ein­räu­mung einer weit­ge­hen­den Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie die Mög­lich­keit zu ver­schaf­fen, ihre Bin­nen-Gover­nan­ce auf ihre jewei­li­gen Bedürf­nis­se zuzu­schnei­den. Auch soll­ten die Hoch­schu­len zu rei­nen Kör­per­schaf­ten mit Glo­bal­haus­halt umge­baut wer­den. Die­se Ideen sind frei­lich gar nicht so visio­när, wie behaup­tet, wur­den sie doch in Baden-Würt­tem­berg, in Nord­rhein-West­fa­len und auch ande­ren Bun­des­län­dern unter dem Sie­gel „Unter­neh­me­ri­sche Hoch­schu­le“ schon vor knapp 20 Jah­ren pro­kla­miert (und zwi­schen­zeit­lich in Tei­len auch wie­der revi­diert).
Besag­tes Papier wur­de in die Baye­ri­sche Staats­kanz­lei lan­ciert und dort zur „Chef­sa­che“ auf­ge­baut. Ins­ge­samt blieb der Pro­zess aber reich­lich intrans­pa­rent: Im Minis­te­ri­um exis­tier­te ein – stän­dig fort­ge­schrie­be­nes – Eck­punk­te­pa­pier, das aber zunächst nur Ein­ge­weih­ten bekannt war. Es ver­wun­dert daher nicht, dass teil­wei­se wüs­te Gerüch­te über die mut­maß­li­chen Neu­re­ge­lun­gen bis hin zum Kahl­schlag der Selbst­ver­wal­tung kur­sier­ten. Dies sorg­te zum einen für gro­ßen Ärger bei den meis­ten Hoch­schul­lei­tun­gen, die sich nicht als Ein­ge­weih­te emp­fin­den durf­ten, zum ande­ren zu gro­ßen Sor­gen ins­be­son­de­re bei den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten, die sich schon als Opfer einer neo­li­be­ra­len Öko­no­mi­sie­rung, eines Ver­markt­bar­keits­dog­mas und als Wis­sen­schaf­ten zwei­ter Klas­se, kurz: eines aka­de­mi­schen Kahl­schlags sahen. Zudem wur­de bekannt, dass die Staats­kanz­lei offen­bar ent­schlos­sen war, das Ver­fah­ren in größt­mög­li­cher Schnel­le durch­zu­zie­hen, idea­ler­wei­se schon bis zum Jah­res­en­de. Die­se Unru­he, die sich auch in den Medi­en abbil­de­te, führ­te dazu, dass die Oppo­si­ti­on im Okto­ber 2020 eine Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­rung im Wis­sen­schafts­aus­schuss erwirk­te. Die­se Anhö­rung war in mehr­fa­cher Hin­sicht gro­tesk: Zum einen exis­tier­te ja noch kein Geset­zes­ent­wurf, das Ver­fah­ren beweg­te sich gera­de ein­mal noch auf der minis­te­ri­el­len Refe­ren­ten­ebe­ne, so dass die Befas­sung durch den Wis­sen­schafts­aus­schuss eigent­lich zur Unzeit statt­fand. Zum ande­ren wur­de den 10 gela­de­nen Sach­ver­stän­di­gen (die mehr­heit­lich aus Hoch­schul­prä­si­den­ten bestan­den) ein Fra­gen­ka­ta­log von 77 Fra­gen über­mit­telt, die Zeit der Anhö­rung war mit gut drei Stun­den recht knapp ange­setzt. Aller­dings konn­te man aus der For­mu­lie­rung der Fra­gen recht ein­deu­tig sowohl den unge­fäh­ren Stand des immer noch apo­kry­phen Eck­punk­te­pa­piers als auch der im Hin­ter­grund wir­ken­den Ideen­ge­ber erra­ten.
In der Anhö­rung selbst wur­de nicht mit Kri­tik gespart, sowohl am dys­funk­tio­na­len Ver­fah­ren also auch an den auf­grund der Fra­gen ver­mu­te­ten, sich abzeich­nen­den Inhal­te. Es fiel sogar das sar­kas­tisch über­höh­te Wort von einer „Ein­füh­rung des Füh­rer­prin­zips“ zu
Max-Ema­nu­el Geis
Das neue baye­ri­sche Hoch­schul­in­no­va­ti­ons­ge­setz
Ein sym­pho­ni­scher Werk­statt­be­richt
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2021, ISSN 2197–9197
2 1 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 1 ) , 2 1 1 — 2 1 6
Guns­ten der Hoch­schul­lei­tun­gen, was auch in der Pres­se
kol­por­tiert wur­de und die Gemü­ter wei­ter erreg­te. Kurz
nach der Anhö­rung wur­de dann die fina­le Fas­sung des
Eck­punk­te­pa­piers ins Netz gestellt. In den Wochen danach
war das Minis­te­ri­um durch eine vor­sorg­li­che
„Charme­of­fen­si­ve“ erst ein­mal an einer Dees­ka­la­ti­on bemüht.
Zwi­schen­zeit­lich wur­den in Gre­mi­en, Ver­bän­den
und sons­ti­gen Grup­pen wie­der­um Zie­le und rote Lini­en
dis­ku­tiert, die von der Gesetz­ge­bung beach­tet wer­den
soll­ten. Zugleich unter­nahm das baye­ri­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um
eine Charme­of­fen­si­ve, in der der Minis­ter
und hoch­ran­gi­ge Minis­te­ri­al­ver­tre­ter sowohl in
Online-Foren als auch unter Teil­nah­me an Hoch­schul­rats­sit­zun­gen
für das Pro­jekt war­ben und den oben geäu­ßer­ten
Gerüch­ten und Ängs­ten ent­ge­gen­wirk­ten. Zugleich
wur­de deut­lich, dass der anfangs über­am­bi­tio­nier­te
Zeit­plan nicht ein­zu­hal­ten sei.
Mit­te Janu­ar 2021 ver­öf­fent­lich­ten dann die gro­ßen
Grup­pen­ver­bän­de (Deut­scher Hoch­schul­ver­band,
Hoch­schul­leh­rer­bund, Lan­des­ver­band Wis­sen­schaft­ler
in Bay­ern, Lan­des­kon­fe­renz der Frau­en- und Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten
an baye­ri­schen Hoch­schu­len, Lan­des-
Asten-Kon­fe­renz) eine gemein­sa­me Stel­lung­nah­me mit
fol­gen­den sie­ben Kernforderungen:

  1. Hoch­schul­auf­trag ist For­schung und Leh­re, die­ser
    muss voll­stän­dig staat­lich finan­ziert sein. Hoch­schu­len
    sol­len nur mit Zustim­mung ihrer aka­de­mi­schen
    Kol­lek­tiv­or­ga­ne rei­ne Kör­per­schaf­ten werden.
  2. Erhalt von selbst­ver­wal­te­ten, fach­li­chen Ein­hei­ten
    mit eige­ner selbst­ge­wähl­ter Lei­tung und Zustän­dig­keit
    für Stu­di­en­gän­ge; die­se haben ein eige­nes,
    selbst­ge­wähl­tes Kol­lek­tiv­or­gan, in dem alle Sta­tus­grup­pen
    ver­tre­ten sind (beruf­li­che und stu­den­ti­sche
    Hei­mat).
  3. Inter­nes, selbst­ge­wähl­tes Kol­lek­tiv­or­gan, in dem alle
    Sta­tus­grup­pen ver­tre­ten sind (Senat), das Haus­halt
    und den Stel­len­plan beschließt sowie die Leit­li­ni­en
    von For­schung und Leh­re und der Hoch­schul­ent­wick­lung
    bestimmt.
  4. Beschrän­kung der Zustän­dig­keit der Hoch­schul­rä­te
    auf Auf­sicht und Bera­tung. Sicher­stel­lung der fach­li­chen
    Eig­nung sei­ner exter­nen Mit­glie­der sowie
    Wahl durch Senat und Vor­schlags­recht aller Statusgruppen.
  5. Haus­halt mit kla­rer Mit­tel­zu­wei­sung zu den Auf­ga­ben
    der Hoch­schu­len und kei­ne Risi­ken in den
    Haus­hal­ten der Hoch­schu­len, ins­be­son­de­re einen
    garan­tier­ten Auf­wuchs bei Kostensteigerungen.
  6. Die Gleich­stel­lung aller Geschlech­ter und die tat­säch­li­che
    Gleich­stel­lung der Frau­en in der Wis­sen­schaft
    sind zen­tra­le Quer­schnitts­auf­ga­be der Hoch­schu­len
    und deren Leitungen.
  7. Es muss aus­rei­chend Zeit für Stel­lung­nah­men der
    Betrof­fe­nen und ihrer Ver­bän­de ein­ge­räumt wer­den.
    Da eine kom­plet­te Neu­fas­sung des Geset­zes
    geplant ist, muss auch allen Hoch­schul­or­ga­nen aus­rei­chend
    Gele­gen­heit gege­ben wer­den, eine Posi­ti­on
    zum Geset­zes­vor­schlag zu ent­wi­ckeln.
    Gera­de die letz­te For­de­rung erschien beson­ders
    wich­tig, war doch schon wie­der das Gerücht auf­ge­kom­men,
    dass der neue Zeit­plan eine Ver­ab­schie­dung im Kabi­nett
    Anfang März 2021 vor­se­he mit einer anschlie­ßen­den
    6‑wöchigen Frist für die Ver­bän­de­an­hö­rung bis
    längs­tens Ende April, so dass das Gesetz noch vor der
    Som­mer­pau­se in Kraft tre­ten kön­ne. Dann wäre aber die
    lei­di­ge (wenn­gleich nicht unbe­kann­te) Situa­ti­on ein­ge­tre­ten,
    dass wegen der in Bay­ern noch andau­ern­den vor­le­sungs­frei­en
    Zeit eine struk­tu­rier­te Befas­sung und Dis­kus­si­on
    in den Sena­ten nahe­zu unmög­lich gewe­sen
    wäre. Da hier­über auch in der Regie­rungs­ko­ali­ti­on unter­schied­li­che
    Auf­fas­sun­gen herrsch­ten, wur­de der Zeit­plan
    noch ein­mal nach hin­ten ver­scho­ben und zwi­schen­zeit­lich
    im Ent­wurf noch ein­mal etli­che Detail­re­ge­lun­gen
    ver­än­dert.
    II. Expo­si­ti­on, oder: der lang erwar­te­te Geset­zes­ent­wurf
    Dann war es soweit: Am 18. Mai 2021 bil­lig­te das baye­ri­sche
    Kabi­nett den Geset­zes­ent­wurf, der am 11.6.2021
    sodann ins Netz gestellt wur­de. Der Leser erlebt ein
    Gesetz, das die inter­ne Orga­ni­sa­ti­on und Gover­nan­ce
    fast völ­lig den ein­zel­nen Hoch­schu­len zur Rege­lung in
    der Grund­ord­nung über­las­sen wird. Ledig­lich die Drei­heit
    von Hoch­schul­lei­tung (Prä­si­di­um), zen­tra­lem Kol­lek­tiv­or­gan
    (nicht zwin­gend Senat genannt) und Hoch­schul­rat
    als inter­nem Auf­sichts­or­gan sind vor­ge­ge­ben,
    nicht dage­gen eine Unter­glie­de­rung in Fakul­tä­ten. Ob
    und wie eine Hoch­schu­le eine „zwei­te Ebe­ne“ ein­zieht,
    bleibt ihr über­las­sen: Sie kann das her­kömm­li­che Fakul­täts­sys­tem
    wäh­len, aber auch eine moder­ne Depar­te­ment­struk­tur;
    auch eine Matrix­or­ga­ni­sa­ti­on ist mög­lich,
    in der nur die For­schung in Depar­te­ments orga­ni­siert
    wird, die Leh­re hin­ge­gen in einer oder meh­re­ren
    „Schools“ statt­fin­det. Die neu zu errich­ten­de TU Nürn­berg
    bie­tet hier­zu in ihrem Errich­tungs­ge­setz den Pro­to­typ,
    der jetzt auch von ande­ren Hoch­schu­len über­nom­Geis
    · Das neue baye­ri­sche Hoch­schul­in­no­va­ti­ons­ge­setz 2 1 3
    men wer­de kön­nen soll. Etwas kryp­tisch for­mu­liert das
    Gesetz, dass eine zwei­te Selbst­ver­wal­tungs­ebe­ne eine
    Lei­tung haben müs­se (hei­ße sie nun Dekan, Dean, Chair
    oder sonst­wie). Aller­dings ver­schweigt das Gesetz, wie
    die­se Lei­tung ins Amt gelangt; theo­re­tisch könn­te das
    auch ein „von oben“ ohne Wahl ein­ge­setz­ter Dekan sein.
    Dass dies kei­ne völ­lig abwe­gi­ge Kon­struk­ti­on ist, beweist
    die jet­zi­ge Rechts­la­ge, bei der ein gewähl­ter Dekan durch
    die Hoch­schul­lei­tung bestä­tigt wer­den muss. Auch in
    ande­ren Bun­des­län­dern gab es immer wie­der Ansät­ze,
    das Durch­re­gie­ren einer über­mäch­ti­gen Hoch­schul­lei­tung
    zu ermög­li­chen.
    Eine nach wie vor aktu­el­le Fra­ge ist, wie der Frei­staat
    auf den MHH-Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts
    vom 24. Juli 2014 (1 BvR 3217/07) reagie­ren wür­de. Danach
    ist eine Stär­kung der Kom­pe­ten­zen der Hoch­schul­lei­tung
    zuläs­sig, wenn im Gegen­zug der Senat rezi­prok
    die Mög­lich­keit erhält, die­se vor­zei­tig abzu­wäh­len. Tat­säch­lich
    hat Bay­ern – im Unter­schied zu den meis­ten ande­ren
    Bun­des­län­dern – bis­lang kei­ne recht­li­chen Kon­se­quen­zen
    aus die­ser Ent­schei­dung gezo­gen. Im jetzt vor­lie­gen­den
    Gesetz­ent­wurf ist neben dem schon bis­he­ri­gen
    Abwahl­recht des Hoch­schul­rats auch ein
    Abwahl­recht durch ein Quo­rum von 40% der Hoch­schul­leh­rer
    und Hoch­schul­leh­re­rin­nen selbst vor­ge­se­hen.
    Bei­de Fäl­le erfül­len die ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen
    Vor­ga­ben nicht hin­rei­chend. Zum einen sind nach dem
    neu­en Gesetz – anders als die noch gel­ten­de Fas­sung –
    die pro­fes­so­ra­le Sei­te Mit­glie­der des Hoch­schul­rats nicht
    mehr auto­ma­tisch Hoch­schul­rats­mit­glie­der, was die Zustän­dig­keit
    des kol­lek­ti­ven Selbst­ver­wal­tungs­or­gans aus­höhlt.
    Zudem hat die pro­fes­so­ra­le Sei­te auch in die­sem
    Fall kei­ne Mehr­heit. Die statt­des­sen ange­bo­te­ne Abwahl­mög­lich­keit
    durch die Pro­fes­so­ren­schaft ist kaum
    prak­ti­ka­bel und unrea­lis­tisch, da kaum zu erwar­ten ist,
    dass die Pro­fes­so­ren­schaft, die in der Mit­tel­zu­wei­sung
    letzt­lich von der Hoch­schul­lei­tung abhän­gig sind – v.a.
    an den Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten –
    sich zu einer „Rebel­li­on“ ver­stän­di­gen kann. Außer­dem
    sieht der Ent­wurf ein außer­or­dent­li­ches Abbe­ru­fungs­recht
    des/der Prä­si­den­ten/-in durch den Staatsminister/
    die Staats­mi­nis­te­rin vor, wenn diese/r seine/ihre Pflich­ten
    gröb­lich ver­letzt oder sich eines außer­dienst­li­chen
    oder wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens schul­dig macht.
    Die­ses Abbe­ru­fungs­recht ist aller­dings mit dem Sys­tem
    des Beam­ten­rechts inkom­pa­ti­bel, da jeden­falls bei ver­be­am­te­ten
    Präsidenten/Präsidentinnen das in die­sen
    Fäl­len eigent­lich statt­haf­te, strikt for­ma­li­sier­te Dis­zi­pli­nar­recht
    schlicht umgan­gen wird.
    Eine wei­te­re Ände­rung des Ent­wurfs sieht vor, den
    Hoch­schu­len die Rechts­form einer rei­nen Kör­per­schaft
    zu ermög­li­chen, also den Sta­tus einer staat­li­chen Ein­rich­tung
    zu can­celn. War dies im Vor­feld noch als obli­ga­to­ri­sche
    Kon­struk­ti­on nach dem Vor­bild des nord­rhein-
    west­fä­li­schen Hoch­schul­frei­heits­ge­set­zes 2006 geplant
    wor­den, wur­de dies nach erheb­li­chem Gegen­wind
    im Geset­zes­ent­wurf zu einer Opti­ons­klau­sel gemacht –
    frei­lich ver­bun­den mit der eben­falls optio­na­len Ent­schei­dung
    für einen Glo­bal­haus­halt, was dog­ma­tisch
    auch durch­aus Sinn macht. Aller­dings wur­de – nach
    mas­si­ven Initia­ti­ven – eine wesent­li­che Kom­po­nen­te
    hier­von aus­ge­nom­men, näm­lich die Dienst­her­ren­ei­gen­schaft:
    Das pro­fes­so­ra­le Per­so­nal ver­bleibt beim Frei­staat
    Bay­ern und wird defi­ni­tiv nicht den Hoch­schu­len als
    Dienst­her­ren zuge­ord­net. Hier spie­geln sich Erfah­run­gen
    aus der nie­der­säch­si­schen Hoch­schul­re­form 2001,
    die einen Über­gang der Beam­ten auf die Stif­tungs­uni­ver­si­tä­ten
    vor­sah, was sei­ner­zeit extre­men Ärger infol­ge
    eines – eher psy­cho­lo­gi­schen – Gefühls der Abge­scho­ben­heit
    erzeug­te. In meh­re­ren Dis­kus­si­ons­run­den wur­de
    daher der ganz über­wie­gen­de Wunsch an das Minis­te­ri­um
    geäu­ßert, dass der Frei­staat Dienst­herr blei­ben
    sol­le. Dies wur­de im Geset­zes­ent­wurf auch auf­ge­nom­men,
    frei­lich mit dem Effekt, dass bei einem Wech­sel in
    die rei­ne Kör­per­schafts­form mit dem Per­so­nal­sek­tor ein
    gro­ßer Bereich aus dem Glo­bal­haus­halt wie­der her­aus­ge­nom­men
    wird und so die ange­streb­te Fle­xi­bi­li­tät ver­rin­gert
    wird.
    III. Durch­füh­rung, oder: Die Anhö­rung und ihre
    Fol­gen
    Nach der Ver­ab­schie­dung des Geset­zes­ent­wurfs im
    Kabi­nett wur­de eine wei­te­re 2‑tägige Anhö­rung im Wis­sen­schafts­aus­schuss
    für den 14./15. Juni 2021 (ursprüng­lich
    Mai) ange­setzt. Die­se spreng­te die Rekor­de: Sie war
    nicht nur mit zwei vol­len Tagen die längs­te Anhö­rung in
    der Geschich­te des Baye­ri­schen Land­tags, sie stell­te auch
    mit 15 Sach­ver­stän­di­gen (!) das bei wei­tem größ­ten Panel
    aller Zei­ten. Deut­lich war aber auch hier wie­der das
    Über­ge­wicht der Funk­ti­ons­trä­ger und Ver­bän­de, die
    vor­nehm­lich die Grup­pen­in­ter­es­sen, erst in zwei­ter
    Linie die (ver­fas­sungs-) recht­li­chen Pro­ble­me arti­ku­lier­ten.
    Zum Teil wur­den hier auch wie­der die seit den 70er
    Jah­ren kur­sie­ren­den For­de­run­gen auf­ge­frischt. So
    monier­ten die zahl­reich ver­tre­te­nen Hoch­schul­prä­si­den­ten,
    dass die gleich drei­fach gege­be­ne Mög­lich­keit
    einer vor­zei­ti­gen Abbe­ru­fung den Stel­len­wert des Amtes
    2 1 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 1 ) , 2 1 1 — 2 1 6
    1 Das steht schon unmiss­ver­ständ­lich im berühm­ten „1. Hoch­schul­ur­teil“
    (BVerfGE 35, 79/ 116 ff.) und wur­de seit­dem gebets­müh­len­haft
    wie­der­holt
    kon­ter­ka­rie­re. Die Ver­tre­tung des Mit­tel­baus monier­te
    die pre­kä­re Situa­ti­on der zeit­lich befris­te­ten Beschäf­tig­ten,
    was in der Sache durch­aus berech­tigt, aber für die
    gro­ße Mehr­heit als arbeits­recht­li­che Fra­ge gar nicht in
    die Lan­des­kom­pe­tenz fällt. Die Stu­die­ren­den­ver­tre­ter
    der Lan­desAs­ten­kon­fe­renz for­der­ten rou­ti­ne­mä­ßig die –
    ver­fas­sungs­recht­lich nicht begründ­ba­re – Vier­tel­pa­ri­tät
    ein und nah­men die Gele­gen­heit wahr, über die neu­for­mu­lier­ten
    Hoch­schul­auf­ga­ben der gesell­schaft­li­chen
    Rele­vanz und der Nach­hal­tig­keit ein­schließ­lich des Kli­ma­schut­zes
    über die Hin­ter­tür ein hoch­schul­recht­li­ches
    Man­dat in ein all­ge­mein­po­li­ti­sches Man­dat umzu­deu­ten
    – eben­falls ein alt­be­kann­tes Déja­vu. Der Ver­band der
    Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten beschränk­te sich auf Gen­der-
    und Kas­ka­den­fra­gen.
    Als wirk­li­ches ver­fas­sungs­recht­li­ches Pro­blem kris­tal­li­sier­te
    sich jedoch immer deut­li­cher die Fra­ge der
    Wesent­lich­keits­theo­rie her­aus: Was muss der Gesetz­ge­ber
    selbst regeln, was kann er auf die Sat­zungs­ebe­ne dele­gie­ren?
    Die­ses Grund­the­ma durch­zieht letzt­lich den
    gesam­ten Geset­zes­ent­wurf. So sind etwa die Fakul­tä­ten,
    deren Rela­ti­vie­rung weit­ge­hend beklagt wur­de, kei­nes­wegs
    ver­fas­sungs­fest. Die renom­mier­te, der fran­zö­si­schen
    ENA nach­ge­bil­de­te Deut­sche Uni­ver­si­tät für Ver­wal­tungs­wis­sen­schaf­ten
    in Spey­er hat von vorn­her­ein kei­ne
    Fakul­tä­ten; Matrix­or­ga­ni­sa­tio­nen – wie oben beschrie­ben
    – unter­lie­gen dem vom
    Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt immer wie­der beton­ten Gestal­tungs­spiel­raum
    des Gesetz­ge­bers, der eben kei­ner
    Bin­dung an eine alt­her­ge­brach­te Orga­ni­sa­ti­ons­form unter­liegt.
    1 Anders ist es hin­ge­gen mit der Amts­zeit des
    Prä­si­den­ten: Nach dem Geset­zes­ent­wurf wird die­se
    durch die Grund­ord­nung fest­ge­legt. Mög­lich wäre danach
    auch eine sehr lan­ge Amts­pe­ri­ode. Dies wider­spricht
    aber dem Prin­zip demo­kra­ti­scher Legi­ti­ma­ti­on,
    deren unver­zicht­ba­res Pen­dant die Kon­trol­le ist. Eine effek­ti­ve
    Kon­trol­le kann aber nur statt­fin­den, wenn die
    Amts­pe­ri­oden über­schau­bar sind, da ansons­ten die
    Kon­trol­le durch das Ver­ges­sen und Ver­blas­sen über­la­gert
    wird. Dies zeigt ein Blick auf ver­gleich­ba­re Fäl­le: Die
    Amts­zei­ten der ers­ten Bür­ger­meis­ter in Gemein­den
    (eben­falls Selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaf­ten) sind in der
    Regel auf sechs Jah­re limi­tiert, die längs­te Amts­zeit hat
    der Bür­ger­meis­ter in Baden-Würt­tem­berg mit acht Jah­ren.
    Dar­über hin­aus ist nur noch das Amt eines Bun­des­ver­fas­sungs­rich­ters
    auf zwölf Jah­re befris­tet, hier gibt es
    jedoch kei­ne Wie­der­wahl als Akt der Kon­trol­le. Dar­aus
    kann man die Leh­re zie­hen, dass der Gesetz­ge­ber selbst
    die Län­ge der Amts­pe­ri­ode (nicht die Zahl der Amts­pe­ri­oden!)
    bestim­men muss, um nicht durch eine “Putin-
    Klau­sel“ die Effek­ti­vi­tät der peri­odi­schen Kon­trol­len zu
    unter­lau­fen.
    Zwei­tes ver­fas­sungs­recht­li­ches Pro­blem ist das immer
    noch nicht stim­mig gelös­te Drei­ecks­ver­hält­nis zwi­schen
    Hoch­schul­lei­tung, Senat und Hoch­schul­rat. Der
    Gedan­ke eines aus­ge­wo­ge­nen sys­tem of checks and balan­ces
    wird nach wie vor durch die ver­steck­te par­ti­el­le
    Zir­kel­le­gi­mi­ta­ti­on kon­ter­ka­riert: Die Hoch­schul­lei­tung
    sucht die exter­nen Mit­glie­der des Hoch­schul­rats aus, die
    anschlie­ßend bei der Wahl der Mit­glie­der des Hoch­schul­rats
    mit­wir­ken. Die­ser – lei­der bun­des­weit ver­brei­te­te
    – Geburts­feh­ler bei der funk­tio­na­len Selbst­ver­wal­tung
    wird durch die Zustim­mung des Senats und die Bestel­lung
    durch den Wissenschaftsminister/die Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin
    zwar abge­schwächt, aber nicht
    besei­tigt.
    Kri­ti­siert wur­de auch die Mög­lich­keit, dass die inter­nen
    Mit­glie­der des Hoch­schul­ra­tes mit den Senats­mit­glie­dern
    nicht mehr auto­ma­tisch iden­tisch sein müs­sen
    – eine der wesent­li­chen Vor­ga­ben, die den Baye­ri­schen
    Ver­fas­sungs­ge­richts­hof 2008 ver­an­lass­te, die dama­li­ge
    Rege­lung als (gera­de noch) ver­fas­sungs­ge­mäß zu erklä­ren.
    Unge­ach­tet der Fra­ge, ob dies ver­fas­sungs­recht­lich
    noch zuläs­sig ist, ist die­se Fra­ge unter Gover­nan­ce-Gesichts­punk­ten
    höchst zwei­fel­haft: Es besteht die nicht zu
    unter­schät­zen­de Gefahr, dass die inter­nen Mit­glie­der
    eine Art Gegen­se­nat oder Par­al­lel­se­nat bil­den, der die
    Ent­schei­dungs­ab­läu­fe blo­ckiert und die Hoch­schul­lei­tun­gen
    befä­higt, bei­de „Ver­tre­tun­gen“ gegen­ein­an­der
    aus­zu­spie­len.
    Ganz mas­siv – aller­dings nicht von den prä­si­den­ti­el­len
    Sach­ver­stän­di­gen – wur­de gefor­dert, dass die Lei­tung
    der nach­ge­ord­ne­ten Selbst­ver­wal­tungs­ein­hei­ten durch
    Wahl deren Orga­ne erfol­gen muss. Es ist genui­ner „Job“
    eines Dekans, die Inter­es­sen einer Fakul­tät auch ein­mal
    gegen­über der zen­tra­len Ebe­ne zu ver­tre­ten und ver­tre­ten
    zu müs­sen. Eine Ein­set­zung „von oben“ wür­de dies
    dys­funk­tio­nal unter­lau­fen.
    Ein wei­te­rer strit­ti­ger Punkt ist die Ein­räu­mung eines
    (begrenz­ten) Pro­mo­ti­ons­rechts an qua­li­fi­zier­te Fach­hoch­schu­len.
    Die baye­ri­sche Gesetz­ge­bung knüpft hier –
    unter star­kem Lob­by­druck – an bereits bestehen­de Par­Geis
    · Das neue baye­ri­sche Hoch­schul­in­no­va­ti­ons­ge­setz 2 1 5
    2 Wis­sen­schafts­rat, Leit­fa­den der insti­tu­tio­nel­len Akkre­di­tie­rung
    nicht­staat­li­cher Hoch­schu­len v. 30.1.2015, Drs. 4395–15, sub B V,
    S. 39 ff.
    3 Erhält­lich pos­ta­lisch beim Sekre­ta­ri­at der Stän­di­gen Kon­fe­renz
    der Kul­tus­mi­nis­ter der Län­der in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land,
    Grau­rhein­dor­fer Str. 157, 53117. Selt­sa­mer­wei­se wur­de der
    Beschluss nicht – wie ansons­ten vie­le ande­re – auf www.kmk.org
    oder an einer ande­re Stel­le ein­seh­bar ins Netz gestellt
    allel­vor­schrif­ten in Hes­sen, Nord­rhein-West­fa­len und
    Schles­wig-Hol­stein an; wei­te­re Bun­des­län­der schi­cken
    sich an, zu fol­gen. Aller­dings ist unüber­seh­bar, dass der
    Geset­zes­ent­wurf die Vor­aus­set­zun­gen für die tem­po­rä­re
    Ein­räu­mung des Pro­mo­ti­ons­rechts deut­lich abschwächt.
    Ver­gleicht man die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen mit
    den Anfor­de­run­gen, die etwa der Wis­sen­schafts­rat an
    die Ver­lei­hung eines Pro­mo­ti­ons­rechts an pri­va­te Hoch­schu­len
    stellt.2 Zwar haben die Emp­feh­lun­gen und Leit­fä­den
    des Wis­sen­schafts­rats kei­ne unmit­tel­ba­re nor­ma­ti­ve
    Wir­kung, gleich­wohl genie­ßen sie ein erheb­li­ches
    wis­sen­schafts­recht­li­ches und ‑poli­ti­sches Renom­mée.
    Daher hat die Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz durch Beschluss
    vom 13.02.2020 einen Mus­ter­pa­ra­gra­phen (KMK-MP)
    geschaf­fen, in dem die wesent­li­chen Vor­ga­ben der Insti­tu­tio­nel­len
    Akkre­di­tie­rung nicht­staat­li­cher Hoch­schu­len
    nor­ma­ti­viert wurden.3 Dar­in setzt auf der Grund­la­ge
    der o.g. Kri­te­ri­en in § 1 Abs. 4 KMK-MP die Ver­lei­hung
    des Pro­mo­ti­ons­rechts an eine Hoch­schu­le als recht­li­che
    Min­dest­kri­te­ri­en vor­aus, dass
    (1) sie auf der Grund­la­ge von For­schungs­schwer­punk­ten
    ein erkenn­ba­res wis­sen­schaft­li­ches Pro­fil ent­wi­ckelt
    hat, das an ande­re Hoch­schu­len anschluss­fä­hig
    ist,
    (2) die an der Hoch­schu­le erbrach­ten For­schungs­leis­tun­gen
    der Pro­fes­so­ren sowie die For­schungs­ba­sie­rung
    der Stu­di­en­gän­ge den für pro­mo­ti­ons­be­rech­tig­te
    staat­li­chen Hoch­schu­len gel­ten­den Maß­stä­ben
    ent­spre­chen und
    (3) die Hoch­schu­le über ein gere­gel­tes, trans­pa­ren­tes
    Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren ver­fügt.
    Die­se Kri­te­ri­en wer­den als unab­ding­bar gese­hen,
    um die Qua­li­täts­si­che­rung der Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren
    zu garan­tie­ren.
    Der Ent­wurf des Bay­HIG hat die Rege­lun­gen des
    KMK-MP in Art. 93 Abs. 2 wört­lich über­nom­men: Als
    zwin­gen­de Vor­aus­set­zung ver­langt Art. 93 Abs. 4 Satz 1
    BayHIG‑E eine gut­ach­ter­li­che Stel­lung­nah­me des Wis­sen­schafts­rats
    oder einer ver­gleich­ba­ren Akkre­di­tie­rungs­ein­rich­tung
    zur Über­prü­fung der in Art. 93 Abs. 2
    genann­ten Kri­te­ri­en. Die For­mu­lie­rung ist so gewählt,
    um – auch aus euro­pa­recht­li­chen Grün­den – kei­ne Mono­pol­stel­lung
    des Wis­sen­schafts­rats zu begrün­den. Unge­ach­tet
    des­sen dürf­te der Wis­sen­schafts­rat der­zeit auf­grund
    sei­ner lang­jäh­rig gewach­se­nen, insti­tu­tio­na­li­sier­ten
    Sach­kun­de die ein­zi­ge Ein­rich­tung sein, die eine ent­spre­chen­de
    Stel­lung­nah­me objek­tiv und
    wis­sen­schafts­ad­äquat abzu­ge­ben ver­mag. Auch ist der
    wesent­li­che Inhalt der Stel­lung­nah­me im Sin­ne größt­mög­li­cher
    Trans­pa­renz nach Art. 94 Satz 2 BayHIG‑E zu
    ver­öf­fent­li­chen; ergän­zend wird auf Art. 87 Abs. 2 bis 4
    HIG ver­wie­sen.
    Ver­gleicht man nun Art. 93 Abs. 2 und
    Art. 80 Abs. 7 BayHIG‑E, so ist die Dis­kre­panz zwi­schen
    den Anfor­de­run­gen sofort greif­bar: Bei den Hoch­schul­for­men
    für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten (HaW) soll – ledig­lich
    – eine „ange­mes­se­ne For­schungs­stär­ke“ und die
    Ein­bet­tung in eine grund­stän­di­ge aka­de­mi­sche Leh­re
    aus­rei­chend sein; weder kommt es auf ein erkenn­ba­res
    wis­sen­schaft­li­ches Pro­fil noch auf eine Anschluss­fä­hig­keit
    der Hoch­schu­le an. Die her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen
    der Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren in der anwen­dungs­be­zo­ge­nen
    Leh­re sol­len nach Art. 80 Abs. 7 Satz 2 Zf. 1
    BayHIG‑E höchs­tens fünf Jah­re zurück­lie­gen dür­fen;
    das liest sich zunächst acht­bar, schließt aber nicht aus,
    dass eben in den letz­ten fünf Jah­ren kei­ne sub­stan­ti­el­len
    For­schungs­er­geb­nis­se erbracht wur­den. Im Fal­le der
    nicht-staat­li­chen Hoch­schu­len wäre das ein K.-o.-Kriterium.
    Auch die wei­te­ren Maß­ga­ben des Wis­sen­schafts­rats
    wer­den nicht hin­rei­chend auf­ge­nom­men und durch
    weit vage­re Rege­lun­gen ersetzt. Des­glei­chen sind Aus­sa­gen
    zu dem Begut­ach­tungs­ver­fah­ren ganz auf die intrans­pa­ren­te
    Rechts­ver­ord­nungs­ebe­ne ver­scho­ben. Der
    Vor­sit­zen­de des Wis­sen­schafts­aus­schus­ses ver­such­te
    dies in der Anhö­rung damit zu recht­fer­ti­gen, dass es ja
    beim Wis­sen­schafts­rat „immer so lang daue­re“. Gleich­wohl
    ist im Sin­ne der Qua­li­täts­si­che­rung und Gleich­be­hand­lung
    zu for­dern, dass das vor­ge­se­he­ne Begut­ach­tungs­ver­fah­ren
    – wie bei den nicht­staat­li­chen Hoch­schu­len
    – eben­falls nur durch den Wis­sen­schafts­rat oder
    ver­gleich­ba­re Akkre­di­tie­rungs­ein­rich­tun­gen (die es –
    wie erwähnt – der­zeit nicht gibt) durch­ge­führt wer­den
    dür­fen bzw. sol­len, um aus­zu­schlie­ßen, dass eine (womög­lich
    adhoc und ergeb­nis­ori­en­tiert zusam­men­ge­stell­te)
    Feld-Wald-und-Wie­sen-Kom­mis­si­on das gewünsch­te
    Ergeb­nis „her­bei­gut­ach­tet“. Die­se Anfor­de­run­gen
    müs­sen ana­log Art. 93 Abs. 4 Bay­HIG eben­falls auf der
    for­mal­ge­setz­li­chen Ebe­ne gere­gelt wer­den. Ins­ge­samt
    zeigt sich hier eine ganz mas­si­ve Schwach­stel­le des Geset­zes.
    Dass sich hier die Fach­hoch­schul­lob­by sys­te­ma­tisch
    in Sala­mi­tak­tik zum unein­ge­schränk­ten Pro­mo­ti­ons­recht
    vor­ar­bei­tet, zeigt im Übri­gen der Blick nach
    2 1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 1 ) , 2 1 1 — 2 1 6
    4 Vgl. dazu die – natür­lich posi­ti­ve – Stel­lung­nah­me des CHE als
    Influen­cer auf www.che.de (der der­zei­ti­ge Chef des CHE, Frank
    Zie­ge­le, ist Pro­fes­sor an einer nie­der­säch­si­schen Hoch­schu­le für
    ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten)..
    Hes­sen, wo gera­de still­klamm­heim­lich der Über­gang
    von der tem­po­rä­ren Aus­nah­me­re­ge­lung zu einer Ver­ste­ti­gung
    geplant ist.4
    IV. Coda, oder: Wie geht es wei­ter?
    Eine Zwi­schen­bi­lanz zeigt: Wesent­li­che grund­sätz­li­che
    Vor­be­hal­te gegen das Bay­HIG konn­ten in der Tat ent­schärft
    wer­den, es kommt jetzt vor­nehm­lich auf die
    Fein­ab­stim­mung an. Dabei hat die letz­te Anhö­rung
    durch­aus effek­tiv gewirkt: So sol­len dem Ver­neh­men
    nach wie­der die Senats­mit­glie­der im Hoch­schul­rat sein.
    Auch ist das Son­der­ab­be­ru­fungs­s­recht des Minis­ters im
    Bezug auf den Prä­si­den­ten offen­bar wie­der gestri­chen
    wor­den. Zwin­gend ist es auch, das Gesetz mit den beam­ten­recht­li­chen
    Nor­men zu har­mo­ni­sie­ren. So sind z.B.
    die Rege­lun­gen über die For­cie­rung des Wis­sens- und
    Tech­no­lo­gie­trans­fers weit­ge­hend kon­ter­ka­riert, wenn
    nicht im glei­chen Zug eine fun­da­men­ta­le Libe­ra­li­sie­rung
    ins­be­son­de­re des beam­ten­recht­li­chen Neben­tä­tig­keits­rechts
    erfolgt, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der Abfüh­rungs­pflicht.
    Wenn die zahl­rei­chen, bis­lang unter dem
    Radar blei­ben­den, beam­ten­recht­li­chen Rege­lun­gen, im
    Rah­men die­ser Hoch­schul­re­form an den Telos des Bay-
    HIG‑E ange­passt wür­den, hät­te die­ses tat­säch­lich die
    Chan­ce auf einen „gro­ßen Wurf “; ande­ren­falls bringt
    der krei­ßen­de Berg wie­der ein­mal mehr nur ein Mäus­chen
    her­vor. Aller­dings scheint sich die End­fas­sung des
    Geset­zes­ent­wurfs deut­lich in den Herbst 2021 zu ver­la­gern.
    Jeden­falls inso­fern ist von einem bom­bas­ti­schen
    Schnell­schuss kei­ne Rede mehr. Unge­ach­tet des­sen dürf­ten
    die Popu­lar­kla­gen vor dem Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hof
    erwart­bar sein.
    Prof. Dr. Max-Ema­nu­el Geis
    Mit­glied des Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs
    Direk­tor der For­schungs­stel­le für Wis­sen­schafts- und
    Hoch­schul­recht
    Lehr­stuhl für Deut­schen und Baye­ri­sches Staats- und
    Ver­wal­tungs­recht an der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät
    Erlan­gen-Nürn­berg
    Lan­des­vor­sit­zen­der Bay­ern des Deut­schen Hochschulverbandes