Das Landesarbeitsgericht Köln verlangt für die Befristung gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG, eine – über allgemeine Kompetenzzuwächse hinausgehende – Beschäftigung „zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung“ und weicht damit ausdrücklich von der einschlägigen Gesetzesbegründung ab.1 Ob und inwieweit dieses Ergebnis zutreffend ist, soll im Folgenden überprüft werden.
Die Ausführungen gliedern sich hierzu in eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung (I.), die ausschlißend vor dem Hintergrund der maßgeblichen Gesetzesbegründung (II.) gewürdigt wird (III.).
I. Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom
- Oktober 2020 liegt die Entfristungsklage einer Diplom-Ingenieurin mit Weiterbeschäftigungsantrag zugrunde, deren – mit einer staatlich finanzierten Ressortforschungseinrichtung geschlossener – Arbeitsvertrag „ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes gemäß § 2 Absatz 1 Satz 1 und Satz 42 i. V. m. § 1 Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)” befristet wurde. Nach dem als Anlage beigefügten Qualifizierungsplan war unter anderem der Erwerb vertiefter Kenntnisse in den Themenfeldern “Betonstraßenbau/Betontechnologie, insbesondere im Bereich Betonfertigteile für Verkehrsflächen aus Beton” vereinbart, wofür “die fachliche Bearbeitung des BMBF — Drittmittelprojekts HESTER (= Hybrides Entwicklungssystem für die Straßenerhaltung unter Einsatz neuartiger Werkstoffe) inklusive der Erstellung des wissenschaftlichen Abschlussberichtes” sowie der Besuch bei einer Weiterbildungsmaßnahme zum Thema “Kommunizieren und Kooperieren” vorgesehen war.3
Die Klägerin führte an, schließlich nur noch mit einem Prozent ihrer Tätigkeit wissenschaftlich tätig geworden zu sein. Die Beschäftigung diene zudem auch nicht der Förderung ihrer eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung. Mit 43 Jahren gehöre sie nicht mehr zum wissenschaftlichen Nachwuchs.
Das Landesarbeitsgericht gab der Klage – anders als die Vorinstanz4 – statt.
Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handle es sich bei den durch die Novelle 20165 in § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HS 1 WissZeitVG eingefügten Zusätzen um eigenständig zu prüfende Tatbestandsmerkmale, die von der arbeitgebenden Forschungseinrichtung nicht nachgewiesen seien.
Eine Befristung gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG sei bereits nach dem Wortlaut nur „zulässig, wenn die befristete Beschäftigung“ über eine bloße wissenschaftliche Tätigkeit hinaus auch „zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt“. Erforderlich sei daher mehr als ein bloßes wissenschaftliches Arbeiten und die damit typischerweise verbundenen Kompetenzzuwächse. Die bloße Förderung einer
Tobias Mandler und Sabita Banerjee
Die Förderung der eigenen wissenschaftlichen
Qualifizierung als Tatbestandsmerkmal der sachgrundlosen Befristungen gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG? –
Anmerkung zu LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20
1 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris = BeckRS 2020, 39167; Revision derzeit anhängig unter Az. 7 AZR 573/20 (mit einer Entscheidung dürfte im ersten Quartal 2022 zu rechnen sein).
2 Die Angabe des genauen Befristungsgrundes ist nach dem Zitiergebot gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG nicht geschuldet. Ebenso ist es nicht erforderlich auf Satz 4 zu verweisen, wenn Kinder vorhanden sind und diese zur Verlängerung der Höchstbefristungsdauer für eine wirksame Befristung herangezogen werden müssen. Derartige Angaben binden den Arbeitgeber letztendlich nur unnötig – etwa, wenn eine Verlängerung gem. § 2 Abs. 5 Nr. 1 WissZeitVG möglich ist oder erklärt wurde oder die Voraussetzungen gem. § 2 Abs. 2 WissZeitVG vorliegen; vgl. allgemein Müller-Glöge in ErfK, 21. Aufl. 2021, WissZeitVG § 2 Rn. 15.
3 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn. 2–7.
4 Vorinstanz: ArbG Köln, Urteil vom 26. Mai 2020 — 11 Ca 295/20 = BeckRS 2020, 39168 Rn. 31: „Auch ist dem Qualifizierungserfordernis in § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG genügt. … Seit dem Inkrafttreten der Neuregelung zum 17.03.2016 ist Voraussetzung für die Befristung, dass die befristete Beschäftigung „zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung“ erfolgt. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um eine Sachgrundbefristung. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber sie weiterhin als „typisierte Qualifizierungsphase“ und nicht als Sachgrundbefristung konzipiert. Innerhalb des Befristungsrahmens ist auch weiterhin für einzelne Befristungen kein spezifischer Sachgrund erforderlich …“.
5 Vgl. hierzu ausführlich Mandler/Meißner, Entwurfsdiskussion WissZeitVG – Möglichkeiten, Einschränkungen, Verbesserungspotential, OdW 2016, 33 ff.; Meißner, Entstehung und Entwicklung des Hochschulbefristungsrechts, 2016, S. 162 ff.
Ordnung der Wissenschaft 2021, ISSN 2197–9197
1 9 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 1 ) , 1 9 3 — 2 0 0
6 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
38, 47, 53.
7 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
53.
8 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
42.
9 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
54: „Wenn die Gegenauffassung zuträfe, bliebe diese Vorschrift in
den Fällen, in denen keine formelle Qualifizierung angestrebt wird,
ohne Anwendungsbereich“.
10 BT-Drs. 18/6489 (Gesetzesentwurf); Beschlussempfehlung und
Bericht BT-Drs. 18/7038.
11 BR-Drs. 395/15; BT-Drs. 18/6489.
12 BGBl. I 2016 Nr. 12 S. 442.
13 BR-Drs. 395/15; BT-Drs. 18/6489; BT-Drs. 18/7038.
14 BT-Drs. 18/6489; S. 10.
wissenschaftlichen Qualifizierung, die nicht über eine
bloße Gewinnung zusätzlicher Berufserfahrungen hinausgehe,
genüge demgegenüber nicht.6 Ein „wissenschaftliches
Gepräge der Tätigkeit des Mitarbeiters“ im
Sinne einer wissenschaftlichen Tätigkeit sei mithin „notwendige
aber nicht hinreichende Bedingung.“7
Gegenteiliges folge auch nicht aus der Gesetzesbegründung.
Zwar habe der Gesetzgeber mit dem neu hinzugefügten
Zusatz „alles beim Alten belassen wollen“ und
das Gesetz dann auch unverändert verabschiedet, diesen
Willen aber in den Formulierungen des Gesetzes nicht
hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht.8
Dem rechtssuchenden Bürger sei eine Lektüre der
Gesetzesbegründung insoweit angesichts des klaren
Wortlauts und der abweichenden Formulierung zum
„wissenschaftlichen Personal“ in § 1 Abs. 1 Satz 1 Wiss-
ZeitVG bzw. §§ 4, 5 WissZeitVG nicht zuzumuten.
Darüber hinaus bestätige sich die Existenz eines zusätzlichen
Tatbestandsmerkmals auch in systematischer
Hinsicht: § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG setze eine gegenüber
der „angestrebten Qualifizierung“ angemessene Befristungsdauer
voraus. Ohne ein „formelles Qualifizierungsziel“
in § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG bleibe die Vorschrift
daher mangels Bezugspunkts für die Berechnung
der angemessenen Dauer ohne Anwendungsbereich.9
Diese Voraussetzungen erfüllte die Befristung der
Klägerin nach der Ansicht des Landesarbeitsgerichts
nicht. Zwar habe die Klägerin offensichtlich wissenschaftlich
gearbeitet und es sei auch das Ziel der Parteien
gewesen, die Fähigkeiten der Klägerin weiter auszubilden,
eine darüberhinausgehende Förderung der eigenen
wissenschaftlichen Qualifizierung sei darüber hinaus
aber nicht nachgewiesen und die Befristung damit
unwirksam.
II. Gesetzesbegründung10
Übereinstimmend mit dem Wortlaut der Gesetzesbegründung11
wurde § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 WissZeitVG
gem. Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
(1. WissZeitVGÄndG)
vom 11. März 201612 um die im Folgenden unterstrichenen
Passagen ergänzt13:
„(1) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Absatz
1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert ist,
ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig, wenn die
befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen
oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt.
Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu
einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis
zu einer Dauer von neun Jahren, zulässig, wenn die befristete
Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen
oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt […
] “
In der Gesetzesbegründung des Bundestages vom 28.
Oktober 2015 heißt es zu diesen Änderungen klarstellend
(Hervorhebungen hinzugefügt)14:
„Mit den Ergänzungen in Satz 1 und 2 wird der bei Erlass
des WissZeitVG nur in der Gesetzesbegründung formulierte
Zweck der sachgrundlosen Befristung in den Gesetzestext
übernommen. Damit wird klargestellt, dass diese
Befristungsmöglichkeiten nach ihrer Zwecksetzung ausschließlich
der Qualifizierung des wissenschaftlichen und
künstlerischen Nachwuchses dienen. Die als „typisierte
Qualifizierungsphase” konzipierte sachgrundlose Befristung
wird damit nicht zu einer Sachgrundbefristung. Innerhalb
des Befristungsrahmens ist auch weiterhin für einzelne
Befristungen kein spezifischer Sachgrund erforderlich.
Wie bisher gibt das WissZeitVG deshalb auch künftig
kein formales Qualifizierungsziel vor. So ist nach § 2 Absatz
1 Satz 1 auch weiterhin eine befristete Beschäftigung
von nicht promoviertem Personal, dessen befristete Beschäftigung
zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen
oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt, möglich, wenn
dieses keine Promotion anstrebt (vergleiche BT-Drs.
16/3438, Seite 11). Promoviertes Personal, dessen befristete
Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen
oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt, kann sich
auch künftig durch Erbringung weiterer wissenschaftlicher
Leistungen und Tätigkeiten in der Lehre für die Übernahme
einer Professur qualifizieren (BT-Drs. 16/3438, Seite 12
[…])
Neben der wissenschaftlichen Qualifizierung im engeren
Sinne geht es vielmehr auch um den Erwerb von Fähigkeiten
und Kenntnissen etwa in Bezug auf Projektmanagement
im Bereich der Wissenschaft. Im Ergebnis muss QuaMandler/
Banerjee · Die Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung 1 9 5
15 BT-Drs. 16/3438 S. 12.
16 § 57b Abs. 1 HRG: „(1) Die Befristung von Arbeitsverträgen des
in § 57a Abs. 1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert
ist, ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach
abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer
von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von
neun Jahren zulässig“.
17 BT-Drs. 16/3438 S. 12.
18 BT-Drs. 18/6489 S. 10.
19 Bspw. BAG, Urteil vom 20. Januar 2021 – 7 AZR 193/20 –, juris;
ArbG Köln, Urteil vom 26. Mai 2020 — 11 Ca 295/20 = BeckRS
2020, 39168 Rn. 31.
20 Löwisch in Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, AR-Kommentar, - Aufl. 2016, § 2 WissZeitVG Rn. 2; Müller-Glöge, ErfK, 21. Aufl.
2021, § 2 WissZeitVG Rn. 2b; Preis/Ulber, WissZeitVG 2 Aufl.
2017, § 2 Rn. 8 ff.; Rambach in Arnold/Gräfl, TzBfG 4. Aufl. 2016,
§ 2 Rn. 1; Mandler/Meißner, Entwurfsdiskussion WissZeitVG –
Möglichkeiten, Einschränkungen, Verbesserungspotential, OdW
2016, 33, 39; Koch in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl.
2019, § 39 Rn. 33; Domke, Das Befristungsrecht des wissenschaftlichen
Personals an deutschen Hochschulen zwischen wissenschaftlicher
Dynamik und sozialer Sicherheit, S. 186 f.; Mandler/
Meißner, Die Angemessenheit der Befristungsdauer nach § 2 Abs.
1 Satz 3 WissZeitVG, OdW 2017, S. 199, 201.
21 aA. Giesen ArbRAktuell 2021, 160: „Die Entscheidung überzeugt“;
Hauck-Scholz, RdA 2016, 262 f.: „Diese Qualifizierung ist
nunmehr der – einzige (neben der Drittmittelbefristung nach § 2
Abs. 2 WissZeitVG) – (Sach-) Grund für eine befristete Beschäftigung
mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal.“;
scheinbar auch Schmidt in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, - Aufl. 2021, § 2 WissZeitVG Rn. 3 ff. „Ergänzung … um
qualitatives Element“; Bötzmann, öAT 2016, 48 „werden durch
den Einschub … erhöhte Anforderungen … zu stellen sein“; Maschmann/
Konertz, NZA 2016, 257, 259 „…muss künftig die Befristung
zur Förderung der eigenen Qualifizierung erfolgen…“.
lifizierung in der Wissenschaft zu einer erfolgreichen beruflichen
Karriere auch und gerade außerhalb der
Wissenschaft befähigen, sei es in der Wirtschaft, als Selbständiger
oder in anderen gesellschaftlichen Lebens- und
Arbeitsbereichen. Vergleichbares gilt für den zweiten Teil
der Qualifizierungsphase, die sogenannte
Postdoc-Phase[…]).
Bei den von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
der Qualifizierungsphase zu erbringenden wissenschaftlichen
Dienstleistungen handelt es sich oftmals und notwendigerweise
um Daueraufgaben der Hochschulen. Durch
die jetzt vorgesehene Ergänzung wird deshalb zugleich
klargestellt, dass die Übertragung von Daueraufgaben auf
nach dem WissZeitVG befristetes Personal nur im Kontext
einer Qualifizierung zulässig ist.”
In der von der vorstehenden Gesetzesbegründung
zur derzeitigen Fassung in Bezug genommenen Begründung
heißt es schließlich weitergehend (Hervorhebungen
hinzugefügt)15:
„Bis auf den neuen Satz 3 entspricht Absatz 1 – abgesehen
von notwendigen redaktionellen Änderungen – dem
bisherigen § 57b Abs. 1 HRG16. Die bisherige Rechtslage
wird insoweit nicht verändert […].
Bei den Mitarbeitergruppen, auf die Absatz 1 Satz 1 Bezug
nimmt, wird unterstellt, dass zum einen ihre Beschäftigung
der eigenen Aus‑, Fort- und Weiterbildung dient
und zum anderen der regelmäßige Austausch des Personals
zur Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre
an den Hochschulen notwendig ist.
Zwar sind die von den entsprechenden Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern wahrgenommenen wissenschaftlichen
Dienstleistungen oftmals Daueraufgaben der Hochschule.
Die Befristungsmöglichkeit wird aber bei diesen
Mitarbeitergruppen ausnahmslos im Interesse der Nachwuchs-
und Qualifikationsförderung eröffnet […].
Die Einbeziehung [der wissenschaftlichen und künstlerischen
Hilfskräfte] ist gerechtfertigt, weil auch wissenschaftliche
und künstlerische Hilfskräfte Dienstleistungen
in Forschung und Lehre erbringen und typischerweise
auch zur eigenen Qualifizierung beschäftigt werden. Sie
unterscheiden sich von den wissenschaftlichen und künstlerischen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur darin,
dass sie ihre Dienstleistungen zu weniger als der Hälfte der
regelmäßigen Arbeitszeit der im öffentlichen Dienst Beschäftigten
zu erbringen haben.“
Nach der Vorstellung des Normgebers handelt es sich
daher bei den Ergänzungen in § 2 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2
WissZeitVG lediglich um Klarstellungen des bereits der
vorherigen Fassung zugrundliegenden Zwecks im Wortlaut
der sachgrundlosen Befristungstatbestände. Neue
Tatbestandsmerkmale – oder gar eine Rechtsnaturänderungen
der Befristungen – waren demgegenüber nicht
intendiert und schließlich auch nicht erforderlich. Der
Gesetzgeber geht mithin auch weiterhin in typisierender
Betrachtung davon aus, dass die Tätigkeiten wissenschaftlichen
Personals im persönlichen Anwendungsbereich
des WissZeitVG „der eigenen Aus‑, Fort- und Weiterbildung
dienen“17 und kein „formales Qualifizierungsziel“
18 erforderlich ist.
III. Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und die
Gesetzesbegründung stehen sich diametral gegenüber.
Der bestehende Widerspruch ist zugunsten der Gesetzesbegründung
– und wohl herrschenden Meinung19
und Lehre20 – aufzulösen:21
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts übergeht
im Kern die Voraussetzungen des persönlichen Anwendungsbereiches
des WissZeitVG und überspannt die
Anforderungen des Gesetzes ohne die erforderliche
Rückbindung an Wortlaut (1.), Systematik (2.), den Gesetzgeberwillen
(3.) und Telos (4.). Im Einzelnen:
1 9 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 1 ) , 1 9 3 — 2 0 0
22 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
48 f., 53.
23 Zum Verhältnis zum WissZeitVG siehe Mandler/Wegmann, Der
Befristungsgrund gem. § 14 Abs. 2 TzBfG im Anwendungsbereich
des WissZeitVG, OdW 2018, 201 ff.; weiterführend Löwisch/
Schubert, Beschränkung befristeter Arbeitsverträge nach dem Koalitionsvertrag:
Auswirkungen auf Hochschulen und Forschungseinrichtungen,
OdW 2018, 263 ff.
24 Vgl. Preis/Ulber, WissZeitVG, § 2 Rn. 12; Maschmann/Konertz,
NZA 2016, 257, 259.
25 Ob sich der Beschäftigte tatsächlich qualifiziert, ist freilich irrelevant.
Entscheidend ist die (typisierende) Prognose des Arbeitgebers
bei Vertragsschluss.
26 BAG, Urteil vom 24. Februar 2016 – 7 AZR 182/14 –, juris Rn. 32
= NZA 2016, 949; vgl. auch BAG, Urteil vom 29. April 2015 – 7
AZR 519/13 und Mandler/Meißner, Der persönliche Anwendungsbereich
des WissZeitVG, OdW 2016, 127 ff. - Wortlaut
Dem Landesarbeitsgericht ist zunächst zuzugeben, dass
der geänderte Wortlaut in § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Wiss-
ZeitVG im ersten Zugang die Annahme eines weiteren
Tatbestandsmerkmals trägt.22
So ist die modale Verknüpfung „zulässig, wenn“
bspw. in den Sachgrundbefristungen gem. § 14 Abs. 1
TzBfG („[… ] zulässig, wenn sie durch einen sachlichen
Grund gerechtfertigt ist…“) oder gem. § 2 Abs. 2 Wiss-
ZeitVG („[…]zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend
aus Mitteln Dritter finanziert wird […]”) zu finden,
die hingegen bei den sachgrundlosen Befristungen in
§ 14 Abs. 2 TzBfG23 („Die Befristung […] ist bis zur Dauer
von zwei Jahren zulässig“) oder § 6 WissZeitVG („Befristete
Arbeitsverträge [… ] bis zur Dauer von insgesamt
sechs Jahren zulässig.“) fehlt.
Allerdings muss beachtet werden, dass die Wortlautauslegung
nicht bei der Verknüpfung der beiden Satzteile
stehen bleiben darf. Vielmehr ist der gesamte Sinngehalt
der Norm zu erfassen, der zunächst die „Befristung
von Arbeitsverträgen des in § 1 Absatz 1 Satz 1 genannten
Personals“ voraussetzt. Der Zusatz „wenn die befristete
Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen
oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt“, kann danach
seinem Wortlaut nach auch nur dahingehend verstanden
werden, dass hierdurch lediglich die bereits
durch den Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG erforderlichen
Tatbestandsmerkmale – als rechtliches Nullum
– wiederholt werden.
Vergleicht man die Reichweite des „wissenschaftlichen
und künstlerischen Personals“ in § 1 Abs. 1 Satz 1
WissZeitVG mit dem ergänzten Satzteil in § 2 Abs. 1 Satz 1
WissZeitVG, wird deutlich, dass lediglich die „Förderung
der eigenen Qualifizierung“ über die ansonsten in beiden
Normen enthaltene „wissenschaftliche Tätigkeit“
hinausgeht.
Weder dem Begriff „Förderung“, noch der Konkretisierung
„eigenen“ kommt dabei aber gegenüber der wissenschaftlichen
Tätigkeit gem. § 1 Abs. 1 WissZeitVG
eine eigenständige, zusätzliche Bedeutung zu:
Qualifiziert sich der Beschäftigte im Rahmen seines
Beschäftigungsverhältnisses, fördert ihn dies stets selbst
und damit zwingend seine eigene Qualifizierung. Eine
Qualifizierung „zugunsten Dritter“ gibt es nicht. Eine
Qualifizierung durch die Mitarbeit an fremder Forschung
ist daher auch ohne weiteres möglich und
anerkannt.24
Es verbleibt mithin die Frage, ob zwischen dem Begriff
der „Qualifizierung“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG
und der „wissenschaftlichen Tätigkeit“ gem.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ein materieller Unterschied
besteht. Das wird man verneinen müssen.
Wissenschaftliche Qualifizierung ist ihrem Inhalt
und Umfang nach von der jeweiligen wissenschaftlichen
Tätigkeit abhängig und beschreibt damit lediglich deklaratorisch
die Folge der konkret geschuldeten wissenschaftlichen
Tätigkeit.25 Wissenschaftliche Qualifizierung
und wissenschaftliche Tätigkeit beschreiben mithin
nur verschiedene Seiten derselben Medaille und setzen
in materieller Abhängigkeit zueinander dasselbe
voraus.
Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht
bspw. im Urteil vom 24. Februar 2016 zutreffend festgestellt,
dass die Qualifizierung aus der Beschäftigung mit
wissenschaftlicher Arbeit statt folgt.26
„Für die Wirksamkeit der Befristung genügt dazu aber
die Beschäftigung mit wissenschaftlicher Arbeit, die das
wissenschaftliche Personal unabhängig von einem während
der Tätigkeit in Aussicht genommenen oder erzielten
akademischen Grad qualifiziert. Deshalb ist weder das
Anstreben einer Promotion Voraussetzung für den Abschluss
eines befristeten Arbeitsvertrags nach
§ 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG (BT-Drs. 14/6853 S. 32; ), noch
setzt die Zulässigkeit der Befristung nach § 2 Abs. 1 Satz 2
WissZeitVG das Anstreben einer Habilitation voraus.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dem wissenschaftlichen
Personal im Rahmen einer befristeten Beschäftigung
nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG lediglich die Möglichkeit
eröffnet werden, Forschungsleistungen und wissenschaftliche
Tätigkeiten in der Lehre zu erbringen und
sich auf diese Weise für die Übernahme einer Professur zu
Mandler/Banerjee · Die Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung 1 9 7
27 Vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2021 – 7 AZR 193/20 –, juris
Rn. 38: „Die angemessene Befristungsdauer ist daher einzelfallbezogen
(„jeweils“) unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei
Vertragsschluss zu ermitteln. Dabei kommt es insbesondere auf die
Verhältnisse im jeweiligen Fach, das angestrebte Qualifizierungsziel
und den Stand der individuellen Qualifizierung des Arbeitnehmers
an“; vgl. auch ausführlich Mandler/Meißner, Die Angemessenheit
der Befristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG, OdW
2017, 199 ff.
28 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
54.
29 Vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2021 – 7 AZR 193/20 –, juris Rn.
19 mwN.
30 BT-Drs. 16/3438, S. 12.
31 Vgl. Müller-Glöge, ErfK, 21. Aufl. 2021, § 2 WissZeitVG Rn. 2b.
32 Beachte: BAG, Urteil vom 20. Januar 2021 – 7 AZR 193/20 –,
juris; aA. LAG Niedersachsen, Urteil vom 4. September 2020 – 14
Sa 864/19 –, juris: „Beschäftigungsphasen, die zum Zwecke der
Anfertigung einer Doktorschrift genutzt werden, sind im Rahmen
des § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG auch dann auf die gesamte zulässige
Befristungsdauer nach § 2 Abs. 1 S. 1 und 4 WissZeitVG anzurechnen,
wenn es sich um befristete Arbeitsverhältnisse mit nicht mehr
als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit handelt“; vgl. hierzu
schon Mandler/Meißner, Entwurfsdiskussion WissZeitVG – Möglichkeiten,
Einschränkungen, Verbesserungspotential, OdW 2016,
33, 46.
qualifizieren (vgl. BT-Drs. 14/6853 S. 33; BT-Drs. 16/3438 S.
12).“
Eine auf die Satzverbindung „zulässig, wenn“ beschränkte
Auslegung greift daher hier zu kurz und würdigt
den verbleibenden Wortlaut des Befristungstatbestandes
in § 2 Abs. 1 WissZeitVG nicht hinreichend, der
auf den persönlichen Anwendungsbereich in § 1 Abs. 1
WissZeitVG verweist. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1
WissZeitVG trägt das vom Landesarbeitsgericht gefundene
Ergebnis danach nicht. - Systematik
Das nach dem Wortlaut gefundene Ergebnis bestätigt
sich auch in systematischer Hinsicht.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG verweist auf § 1 Abs. 1
WissZeitVG und stellt im ergänzten Satzteil lediglich die
bereits aus der wissenschaftlichen Tätigkeit gem.
§ 1 Abs. 1 WissZeitVG folgende Konsequenz klar. Die erneute
Prüfung desselben Tatbestandes ist redundant und
wird daher von § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG nicht
eingefordert.
Das Landesarbeitsgericht beruft sich insoweit darauf,
dass ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal schon deshalb
aus § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG folgen müsse, weil die
Angemessenheitsprüfung in § 2 Abs. 1 Satz 3 Wiss-
ZeitVG27 ein „formales Qualifizierungsziel“ voraussetze
und andernfalls ohne Anwendungsbereich bliebe.28
Auch diesem Argument ist nicht zu folgen.
Zwischen dem Befristungsgrund und der Höchstdauer
besteht weder normativ noch systematisch ein
zwingender Zusammenhang. Die Befristungshöchstgrenze
beschränkt eine zulässige Beschäftigung lediglich
in zeitlicher Hinsicht und stellt so sicher, dass auch für
die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses
ausreichend Stellen zur Verfügung stehen und diese Mittel
nicht durch sich weiterqualifizierende Beschäftigte
dauerhaft gebunden werden.29 Dass ein Beschäftigter
bspw. auch nach dem Überschreiten der Regel-Befristungshöchstgrenze
weiter wissenschaftlich tätig werden
kann, dürfte unstreitig sein. Dem Gesetz liegt anerkanntermaßen
eine typisierende Betrachtungsweise
zugrunde.
Ebenso verlangt weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung
ein „formales Qualifizierungsziel“ für die
Befristung oder die Angemessenheitsprüfung. Dies stellt
auch die Gesetzesbegründung noch einmal klar. Dass
die Bestimmung der „angemessenen Dauer“ bei einem
formalen Qualifizierungsziel einfacher sein mag, ist hier
kein Argument. Gerade die Forschung ist regelmäßig
durch eine Vielzahl unterschiedlicher Qualifizierungsziele
gekennzeichnet. Es geht nicht immer um den Erwerb
einer bestimmten Fertigkeit oder eines bestimmten
Abschlusses, sondern oft um den Erwerb von Kenntnissen
über die wissenschaftliche Methodik und Arbeitsweise
in einem oder mehreren Fachbereichen.
Darüber hinaus könnte man in dem Zusatz „Förderung
der eigenen“ wissenschaftlichen Qualifizierung einen,
gegenüber dem persönlichen Anwendungsbereich
abweichenden Gehalt vermuten, und systematisch darauf
schließen, dass § 2 Abs. 1 WissZeitVG aufgrund seines
abweichenden Wortlautes damit „mehr verlange“ als
bloße wissenschaftliche Tätigkeiten. Wie bereits erläutert,
wäre aber auch dies unzutreffend. Die wissenschaftliche
Tätigkeit des befristet Beschäftigten führt immer
zu seiner eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung und
fördert diese. Aus diesem Grund konnte der Gesetzgeber
das Merkmal auch im persönlichen Anwendungsbereich
weglassen und im Lichte des Gesetzeszwecks unterstellen,
dass die Beschäftigung immer „der eigenen Aus‑,
Fort- und Weiterbildung dient“30, zumal die wissenschaftliche
Tätigkeit bei Mischtätigkeiten ohnehin überwiegen
muss.31
Dieses Ergebnis bestätigt sich auch mit Blick auf
§ 2 Abs. 332, 4 und 5 WissZeitVG. Das WissZeitVG geht
erkennbar von einer typisierenden Betrachtung und
sachgrundlosen Befristung aus, die ihre Grenzen in den
1 9 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 1 ) , 1 9 3 — 2 0 0
33 Vgl. zum Rechtsmissbrauch Mandler, Rechtsmissbrauch bei
Drittmittelbefristungen gem. § 2 Abs. 2 WissZeitVG, OdW 2015,
217 ff.; zur Berechnung der Höchstbefristungsgrenze Mandler/
Wegmann, Berechnung der Höchstbefristungsgrenze gem. § 2
Abs. 1 Satz 1 und 2 WissZeitVG –Anmerkung zu LAG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 16. August 2018 – 21 Sa 201/18, OdW
2019, 125 ff.; juris; Mandler/Wegmann, Wie viele Tage hat das
Jahr? Berechnung der Höchstbefristungsgrenzen gem. § 2 Wiss-
ZeitVG – Anmerkungen zu BAG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 7
AZR 72/19 und LAG Hamm, Urteil vom 28. November 2019 – 11
Sa 381/19, OdW 2021, 53.
34 Vgl. hierzu Mandler, Die Verlängerung von Arbeitsverhältnissen
gem. § 2 Abs. 5 WissZeitVG, OdW 2014, 221.
35 BT-Drs. 16/3438, S. 12.
36 BT-Drs. 18/6489, S. 10.
37 BT-Drs. 18/6489, S. 10.
38 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris Rn.
46.
39 LAG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 5 Sa 451/20 –, juris
Rn. 42 ff.; die zitierten Entscheidungen des BGH und BAG sind
insofern unergiebig. BAG, Urteil vom 20. November 2019 – 5
AZR 39/19 — Rn. 20 betrifft die Auslegung eines – zweiseitigen
– Tarifvertrages; BGH, Urteil vom 5. November 2019 — XI ZR
650/18 — Rn. 30 betrifft den umgekehrten Fall, in dem die Gesetzesbegründung
zusätzliche Anforderungen in den Normtext
hineinliest – was allerdings mit der Richtlinie nicht vereinbar
oder praktisch umsetzbar gewesen wäre.
40 Vgl. bspw. BT-Drs. 16/3438, S. 10.
jeweiligen Höchstbefristungsgrenzen findet und kalendermäßig
bestimmt wird.33 § 2 Abs. 5 WissZeitVG ermöglicht
zudem eine einseitige Verlängerung durch den
Arbeitnehmer,34 die von einer eventuellen weiteren
Qualifizierung des Arbeitnehmers losgelöst zu beurteilen
ist und ihre Rechtfertigung wiederum in der bereits
nach § 1 Abs. 1 WissZeitVG vorausgesetzten wissenschaftlichen
Tätigkeit findet. Auch die Systematik spricht
daher gegen weitere Tatbestandsmerkmale. - Wille des Gesetzgebers
Der Wille des Gesetzgebers ist klar und bestätigt das
nach Wortlaut und Systematik gefundene Ergebnis:
Eine wissenschaftliche Qualifizierung wird bei wissenschaftlicher
Tätigkeit gem. § 1 Abs. 1 WissZeitVG unterstellt,
35 ohne dass sich hieran durch die Ergänzungen
etwas ändern sollte.36 Die Ergänzungen in § 2 Abs. 1 Satz 1
und 2 WissZeitVG sind daher auch nach dem Willen des
Gesetzgebers lediglich unbeachtliche Klarstellungen des
Gesetzeszwecks.37
Abweichendes kann auch nicht aus dem Ziel der Novellierung
im Übrigen geschlossen werden. Mit den Anpassungen
des WissZeitVG sollte Kurzbefristungen im
Wissenschaftsbereich entgegengewirkt werden. Dies
wird unter anderem durch § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG
sichergestellt, erfordert aber nicht, dass die sachgrundlose
Befristung von weiteren Bedingungen abhängig gemacht
wird.
Darüber hinaus kann den Überlegungen des Landesarbeitsgerichts
zur Verfügbarkeit und Lektüre der Gesetzesbegründung
nicht zugestimmt werden. Es ist zwar
zutreffend, dass der „normunterworfene Bürger“ Mühe
haben mag die – online abrufbare – Gesetzesbegründung
ausfindig zu machen und daraus das für ihn Maßgebliche
zu gewinnen;38 dies ist jedoch keine Ausnahme‑,
sondern der Regelfall und Rechtsberatung (ggf.
auch kostenfreie) verfügbar. Die Gesetzesbegründung
weicht insofern – wie erläutert – auch nicht von demjenigen
ab, was für den „Bürger“ ohnehin gilt und hat danach
lediglich klarstellenden Charakter. Zudem steht neben
dem „normunterworfenen Bürger“ auch die Forschungseinrichtung,
die sich auf den in der Gesetzesbegründung
niedergeschriebenen Willen des Gesetzgebers
für ihre Auslegung verlassen können muss.
Ebenso ist dem Landesarbeitsgericht darin nicht zu
folgen, dass der Wille des Gesetzgebers in § 2 Abs. 1 Satz 1
WissZeitVG keinen Niederschlag gefunden habe und
deshalb nicht berücksichtigt werden dürfe39. Der Gesetzgeberwille
ist ausdrücklich in den Normtext mit aufgenommen
worden und führt – wie die Analyse des
Wortlauts zeigt – nicht zu einer tatbestandlichen Ergänzung
der hervorgebrachten Befristungstatbestände. Lediglich
der Gesetzeszweck wird noch einmal erinnernd
wiederholt, ohne dass hiermit neue Tatbestandsmerkmale
gegenüber der Prüfung nach § 1 Abs. 1 WissZeitVG
formuliert werden oder werden sollten.
Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend feststellt, ist
eine Gesetzesinterpretation, die sich über den klar erkennbaren
Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, unzulässig.
Das Gericht wäre daher selbst bei seiner Interpretation
des Wortlautes der Norm gehalten gewesen, dem
erkannten Willen des Gesetzgebers größtmögliche Geltung
zu verschaffen – etwa durch eine teleologische Reduktion
der erkannten Tatbestandsmerkmale. Die Begründung
des Gerichts überzeugt daher auch insoweit
nicht. - Sinn und Zweck
Mit den Befristungstatbeständen in § 2 Abs. 1 Wiss-
ZeitVG soll den Hochschulen, Universitätsklinika und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen auch weiterhin
ein rechtssicherer und verlässlicher Rahmen für
die befristete Beschäftigung des wissenschaftlichen oder
künstlerischen Personals an die Hand gegeben werden,
Mandler/Banerjee · Die Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung 1 9 9
41 BT-Drs. 18/6489, S. 10.
42 Vgl. BAG, Urteil vom 24. Februar 2016 – 7 AZR 182/14 –, juris
Rn. 32 mwN.
43 BT-Drs. 18/6489, S. 10.
um die Qualifizierung des wissenschaftlichen und künstlerischen
Nachwuchses einerseits und die Innovation in
Forschung und Lehre anderseits sicherzustellen.40
Diese Zwecke würden vereitelt, wenn über die aus
der wissenschaftlichen Tätigkeit folgende Qualifkation
hinaus eine weitere Qualifizierung verlangt und damit
aus der sachgrundlosen eine Sachgrundbefristung mit
erheblichem Prüfungsaufwand für die Hochschulen,
Universitätsklinika und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
würde.
Wie die Gesetzesbegründung zutreffend erläutert,
geht es zudem „neben der wissenschaftlichen Qualifizierung
im engeren Sinne … auch um den Erwerb von Fähigkeiten
und Kenntnissen … im Bereich der Wissenschaft“,
die „im Ergebnis zu einer erfolgreichen beruflichen Karriere
auch und gerade außerhalb der Wissenschaft befähigen“ - Eine Qualifizierung allein um der Wissenschaft
Willen (Qualifizierung im engeren Sinne) ist daher nicht
der Regelfall und wird vom Gesetz dementsprechend
auch nicht zur wirksamen Befristung vorausgesetzt. - Zur Entscheidung im Übrigen
Was materiell in dem neuen Tatbestandsmerkmal gefordert
wird, ist der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
nicht klar zu entnehmen. Insoweit heißt es lediglich
abgrenzend, dass sich die Qualifizierung „nicht in
der bloßen Gewinnung zusätzlicher Berufserfahrungen
erschöpfen“ dürfe, sondern darüber hinausgehen müsse.
Was hiermit gemeint ist und was die Forschungseinrichtung
konkret hätte vortragen müssen, bleibt hingegen
offen. Die Wissenschaftlichkeit der Tätigkeit erfordert
nicht unbedingt das Bemühen um eigene, neue wissenschaftliche
Erkenntnisse.42
Nur weil ein Beschäftigter eine bestimmte wissenschaftliche
Tätigkeit schon einmal ausgeübt hat, ist deren
erneute Vornahme nicht der wissenschaftlich qualifizierende
Effekt abzuerkennen. Das wissenschaftliche
Arbeiten und die hieraus folgende wissenschaftliche
Qualifizierung ist weithin durch Wiederholung, Reflexion
und Verbesserung bereits bekannter Vorgänge und
Methoden geprägt und von – nicht wissenschaftlichen –
Daueraufgaben abzugrenzen (die hier nicht geprüft wurden).
Der Erwerb zusätzlicher Berufserfahrungen ist insofern
zwingende und zudem erwünschte Folge, die einer
weiteren wissenschaftlichen Qualifizierung nicht
entgegensteht, sondern mit ihr notwendigerweise
einhergeht.43
IV. Ausblick
Der Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu folgen.
Die mit der Novelle 2016 eingeführten Ergänzungen
in § 2 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 WissZeitVG beinhalten
gegenüber der wissenschaftlichen Tätigkeit in
§ 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG nach Wortlaut, Systematik,
Historie und Telos lediglich eine Klarstellung des Gesetzeszwecks,
aber keine weiteren Tatbestandsmerkmale.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision selbst zugelassen.
Mit einer klärenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
dürfte im ersten Quartal 2022 zu rechnen
sein (Az. 7 AZR 573/20).
Dr. Tobias Mandler ist Rechtsanwalt bei Jones Day in
München. Sabita Banerjee ist wissenschaftliche Mitarbeiterin
ebenda. Der Beitrag gibt ausschließlich die
persönliche Auffassung der Autoren wieder.
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