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Über­sicht
I. Ein­lei­tung
II. Die Ent­wick­lung des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts im Spie­gel wan­deln­der Leitbilder

  1. Die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on im Leit­bild der Gelehrtenrepublik
  2. Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und Hoch­schul­lei­tung in der Gruppenuniversität
  3. Neu­aus­rich­tung des Leit­bilds nach dem 4. HRG-Ände­rungs­ge­setz 1998 — Das Kon­zept der unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le
    III. Ent­wick­lungs­li­ni­en der Hochschulgesetzgebung
  4. Aus­wir­kun­gen auf den Kata­log der Hochschulaufgaben
  5. Aus­wir­kun­gen auf den Rechts­sta­tus der Hochschulen
  6. Reform der Lei­tungs­struk­tu­ren
    3.1. Grund­prin­zi­pi­en
    3.2. Hoch­schul­lei­tung
    3.3. Hoch­schul­rat –Kura­to­ri­um
    3.4. Senat
    3.5. Unter­blie­be­ne Gestal­tung der Ablauf­pro­zes­se
    3.6 Ver­ti­ka­le Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on — Fakul­tä­ten
    3.7 Stu­di­en­struk­tur­re­form und Qua­li­täts­si­che­rung
    IV. Wei­te­re Ent­wick­lun­gen von 2010 bis 2020
    V. Hoch­schul­re­for­men auf dem Prüf­stand des Hochschulverfassungsrechts
  7. BVerfGE 35, 72 ff.- Nie­der­säch­si­sches Vorschaltgesetz
  8. Fol­ge­ent­schei­dun­gen bis 2000
  9. Ent­schei­dun­gen zu den Hoch­schul­ge­setz­no­vel­len ab 2000
    a) BVerfGE 111, 333- Bran­den­bur­gi­sches Hoch­schul­ge­setz
    b) BVerfGE 127, 87 ff. — Ham­bur­ger Deka­nats­be­schluss
    c) BVerfGE 136, 338 ff. — MHH Han­no­ver
    d) Urteil des VerfGH Baden-Würt­tem­berg v. 16.11.2016- HAW
    e) Kam­mer­be­schluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts v. 5.2.2020 — Dua­le Hoch­schu­le
    VI. Fazit
    I. Ein­lei­tung
    In der poli­ti­schen Begriffs­ge­schich­te wird die sog. per­ma­nen­te Revo­lu­ti­on als „Abfol­ge unter­schied­li­cher sozio­öko­no­mi­scher Trans­for­ma­tio­nen“ defi­niert, die „die Gesell­schaft nicht ins Gleich­ge­wicht kom­men“ lassen.1
    Mit der gebo­te­nen Unter­schei­dung und Distanz gegen­über den poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Zie­len der ver­schie­de­nen Facet­ten des Kon­zepts einer per­ma­nen­ten Revo­lu­ti­on las­sen sich auch die Hoch­schul­rechts­re­for­men der letz­ten Jahr­zehn­te als Trans­for­ma­tio­nen bezeich­nen, die die Hoch­schu­len bis jetzt nicht ins Gleich­ge­wicht kom­men lie­ßen.
    Unter­sucht man die Ände­rungs­ver­zeich­nis­se der Hoch­schul­ge­setz­ge­bung der Bun­des­län­der seit der Jahrtausendwende,2 so fin­den sich neben einer oder meh­re­rer grund­le­gen­der Neu­fas­sun­gen des jewei­li­gen Landeshochschulgesetzes3 in nahe­zu jedem Jahr Novel­lie­run­gen ein­zel­ner Teil­be­rei­che der Auf­ga­ben der Hoch­schu­len, der Hoch­schul­ar­ten, des Orga­ni­sa­ti­ons­rech­tes, des Studien‑, Prü­fungs- und Zulas­sungs­rechts im Zuge der Stu­di­en­struk­tur­re­form (Bolo­gna), der Qua­li­täts­si­che­rung, sowie der Per­so­nal­struk­tur, des Haus­halts­rechts, der Dritt­mit­tel­fi­nan­zie­rung, der Orga­ni­sa­ti­on der Stu­die­ren­den­schaft, des Rechts von Nie­der­las­sun­gen aus­län­di­scher Hoch­schu­len und nicht staat­li­cher Hoch­schu­len. Von beson­de­rem Gewicht für die künf­ti­ge Ent­wick­lung der Hoch­schu­len sind die Rege­lun­gen über den Gleich­stel­lungs­auf­trag und die zu sei­ner Erfül­lung not­wen­di­gen Ver­fah­ren und Maß­nah­men, zur Diver­si­tät, zur Stu­di­en­struk­tur­re­form, zum Zugang zu den Hoch­schu­len, zum Beru­fungs­ver­fah­ren und zu den
    Georg Sand­ber­ger
    Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz
    Zur Ent­wick­lung des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts seit der Jahr­tau­send­wen­de
    1 Wiki­pe­dia unter „Per­ma­nen­te Revo­lu­ti­on“ m.w.N.
    2 Abruf­bar bei Beck online unter den jewei­li­gen Lan­des­ge­set­zen.
    3 Vgl. Baden-Würt­tem­berg: Lan­des­hoch­schul­ge­setz (LHG BW) v. 1.1.2005 (GBl. S. 1), zuletzt geänd. durch Art. 1 Vier­tes Hoch­schul­rechts­än­de­rungsG vom 17.12.2020 (GBl. S. 1204); Bay­ern: Hoch­schulG (BayHG) v. 23.5.2006 (GVBl. S. 245), zuletzt geänd. d. § 1 des Geset­zes vom 9.4.2021 (GVBl. S. 182); Ber­lin: Hoch­schulG (Berl.HG) i.d.F. vom 26.7.2011 (GVBl. S. 378), zuletzt geän­dert d. Art. 1 G vom 4.5.2021 (GVBl. S. 435); Bran­den­burg: Bran­den­bur­gi­sches Hoch­schul­ge­setz (BbgHG) i.d.F. v. 28. 4 2014 (GVBl. I Nr. 18) zuletzt geänd. d. Art. 1 Ers­tes G zur Änd. des Bran­den­bur­gi­schen Hoch­schulG vom 23.9.2020 (GVBl. I Nr. 26); Bre­men: Hoch­schG i.d.F. v. 9.5.2007 (Brem.GBl. S. 339), zuletzt geänd. d. Art. 1 Zwei­tes G zur Änd. hoch­schul­recht­li­cher Bestim­mun­gen im Zusam­men­hang mit den Anfor­de­run­gen aus der Covid-19-Kri­se vom 24.2.2021 (Brem.GBl. S. 216); Ham­burg: Ham­bur­gi­sches Hoch­schulG (HmbHG) v. 18.7.2001 (GVBl. S. 171), zuletzt geänd. d. Art. 1 G zur Änd. von Vor­schrif­ten
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2022, ISSN 2197–9197
    2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    zur digi­ta­len Fort­ent­wick­lung der Hoch­schu­len vom 17.6.2021
    (HmbGVBl. S. 468); Hes­sen: Hoch­schulG i.d.F. v. 14.12.2009
    (GVBl I. S. 666), zuletzt geänd. d. Art. 1 G zur Ermäch­ti­gung
    zum Erlass von Rechts­VOen zur Bewäl­ti­gung der Aus­wir­kun­gen
    der SARSCoV2Pandemie
    im Hoch­schul­be­reich vom 24.6.2020
    (GVBl. S. 435); Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Lan­des­hoch­schulG
    (LHG-MVP) vom 25. Janu­ar 2011 (GVOBl. M‑V S. 18), zuletzt
    geänd. d. Art. 1 Sechs­tes ÄndG zum Lan­des­hoch­schulG vom
    21.6.2021 (GVOBl. M‑V S. 1018); Nie­der­sach­sen: Hoch­schulG
    (NHG) v. 26.2.2007 (GVBl. S. 69, zuletzt geänd. d. Art. 4 G zur
    Änd. ver­schie­de­ner Rechts­vor­schrif­ten aus Anlass der COVID-
    19-Pan­de­mie vom 16.3.2021 (Nds. GVBl. S. 133); Nord­rhein-
    West­fa­len: Hoch­schulG (HG NRW) v. 16. 9 2014 (GV. NRW. S.
    547), zuletzt geänd. d Art. 2 G zur Änd. des Kunst­hoch­schul­ge­set­zes
    und zur Änd. wei­te­rer Vor­schrif­ten im Hoch­schul­be­reich vom
    25.3.2021 (GV. NRW. S. 331); Rhein­land-Pfalz: Hoch­schul­ge­setz
    (Hoch­SchG) v. 23.9.2020 (GVBl. 2020, 461), zuletzt geän­dert
    d. G. vom 22.07.2021 (GVBl. S. 453); Saar­land: Saar­län­di­sches
    Hoch­schul­ge­setz (SHSG) Vom 30.11.2016 (Amts­bl. I S. 1080),
    Zuletzt geän­dert durch Art. 3 Abs. 1 G zur Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der
    Wahr­neh­mung stu­den­ti­scher Ange­le­gen­hei­ten vom 16.6.2021
    (Amts­bl. I S. 1762); Sach­sen: Säch­si­sches Hoch­schul­frei­heits­ge­setz
    (SächsHSFG) vom 15. 1 2013 (SächsGVBl. S. 3), zuletzt geänd.
    d. Art. 11 Haus­halts­be­gleit­ge­setz 2021/2022 vom 21.5.2021
    (SächsGVBl. S. 578); Sach­sen-Anhalt: Hoch­schulG (HG-LSA) v.
  10. 12 2010, (GVBl. LSA S. 600, ber. 2011 S. 561), zuletzt geänd.
    d. § 1 Zwei­tes ÄndG des Hoch­schul­ge­set­zes LSA vom 18.1.2021
    (GVBl. LSA S. 10); Schles­wig-Hol­stein: Hoch­schulG (HG-SH) v.
    5.2.2016, (GVOBl. Schl.-H. S. 39), zuletzt geänd. d. Art. 1 G zur
    Änd. des Hoch­schulG vom 13.12.2020 (GVOBl. Schl.-H. 2021
    S. 2); Thü­rin­gen: Hoch­schulG (ThürHG) v. 10. 5 2018 (GVBl. S.
    149), zuletzt geän­dert d. Art. 7 Zwei­tes Thü­rin­ger Covid-19‑G
    zur Umset­zung erfor­der­li­cher Maß­nah­men im Zusam­men­hang
    mit der Coro­na-Pan­de­mie vom 23.3.2021 (GVBl. S. 115).
    4 G. Sand­ber­ger, Orga­ni­sa­ti­ons­re­form und ‑auto­no­mie: Bewer­tung
    der Refor­men in den Län­dern, WissR 35 (2002), 125 ff.; Neu­ord­nung
    der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len durch die
    Hoch­schul­rechts­no­vel­len der Län­der, WissR 44 (2011), 118–155.
    5 Emp­feh­lun­gen zur Hoch­schul­go­ver­nan­ce v. 19.10.2018, Drs.
    7328–18.
    6 Vgl. z.B. K.F. Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che
    Sys­tem­bil­dung 2010, S. 10 ff.; R. Hend­ler, Die Uni­ver­si­tät
    im Zeit­al­ter von Öko­no­mi­sie­rung und Inter­na­tio­na­li­sie­rung,
    VVDStL 65 (2006), 238 ff.; W. Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004,
    S. 11 ff.; Th. Opper­mann, Ordi­na­ri­en­uni­ver­si­tät, Grup­pen­uni­ver­si­tät,
    Räte­uni­ver­si­tät in: Heß/ Leu­ze (Hrsg.), die janus­köp­fi­ge
    Rechts­na­tur der Uni­ver­si­tät- ein deut­scher Irr­weg, Wis­sen­schafts­recht,
    Son­der­heft 15, 2004, S.1 ff.; D. Mül­ler-Böh­ling, Die
    ent­fes­sel­te Hoch­schu­le, 2000, S. 19 ff.: dem fol­gend A. Mie­chi­el­sen,
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und Wis­sen­schafts­recht, Diss. Mün­chen,
    2013, S. 21 ff.
    7 FAZ- For­schung und Leh­re v. 31.8.2016 S. 4, wie­der­ge­ge­ben in:
    Jahr­buch des Hoch­schul­ver­ban­des 2016.
    Qua­li­fi­ka­ti­ons­pfa­den für den Hoch­schul­leh­rer­be­ruf,
    ins­be­son­de­re zur Ein­füh­rung der Juni­or­pro­fes­sur mit
    Ten­ure-Track.
    Der Kata­log wird zuletzt durch pan­de­mie­be­ding­te
    Rege­lun­gen für die Durch­füh­rung von Lehr­ver­an­stal­tun­gen,
    Prü­fun­gen, Gre­mi­en­sit­zun­gen und Gre­mi­en­ent­schei­dun­gen
    im Online­be­trieb sowie des Daten­schut­zes
    ergänzt.
    Es ist in die­sem Rah­men nicht mög­lich, die­sen Ent­wick­lun­gen
    in der gesam­ten Brei­te nach­zu­ge­hen. Im
    Mit­tel­punkt der nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen ste­hen
    die neu­er­dings mit dem Ter­mi­nus „Hoch­schul­go­ver­nan­ce“
    bezeich­ne­ten Auf­ga­ben der Hoch­schu­len, deren
    Rechts­sta­tus und die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on. Dazu sol­len
    im Anschluss an frü­he­re Quer­schnitts­un­ter­su­chun­gen
    des Verfassers4 und Emp­feh­lun­gen des Wissenschaftsrates5
  • unter Rück­griff auf die in der Hoch­schul­rechts­for­schung
    eta­blier­ten Bezeich­nun­gen und Leitbilder
  • die Gemein­sam­kei­ten und Unter­schie­de der
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung in den ein­zel­nen
    Bun­des­län­dern in ihrer zeit­li­chen Abfol­ge nach­ver­folgt
    wer­den. Ein­be­zo­gen wer­den die rich­tungs­wei­sen­den
    Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und
    ein­zel­ner Lan­des­ver­fas­sungs­ge­rich­te zu den Reform­an­sät­zen
    der jewei­li­gen Lan­des­ge­set­ze und ihre über­grei­fen­de
    Bedeu­tung für die Ent­wick­lung des Hoch­schul­ver­fas­sungs-
    und Hoch­schul­rechts.
    II. Die Ent­wick­lung des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts
    im Spie­gel wan­deln­der Leit­bil­der
    Im Orga­ni­sa­ti­ons­recht der Hoch­schu­len spie­geln sich
    wan­deln­de Leit­bil­der der Hoch­schu­len wie­der.
    Schlag­wort­ar­tig wird deren Ent­wick­lung in den letz­ten
    Jahr­zehn­ten mit dem Para­dig­men­wech­sel von der
    Gelehr­ten­re­pu­blik über die mit­be­stimm­te oder Grup­pen­hoch­schu­le
    zur unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le
    beschrieben.6
    Der in der Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft bis heu­te hoch
    umstrit­te­ne, 2016 von Jür­gen Mit­tel­straß unter dem Titel
    „Die Uni­ver­si­tät zwi­schen Weis­heit und Management“7
    kri­ti­sier­te Wech­sel zur unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le
    beschreibt den im Zuge der Hoch­schul­rechts­ent­wick­lung
    der­zei­tig erreich­ten Rechts­zu­stand. Des­sen Kern­ele­men­te
    sind: Stär­kung der Auto­no­mie der Hoch­schu­len
    gegen­über dem staat­li­chen Trä­ger, kla­re Lei­tungs­und
    Auf­sichts­struk­tu­ren, Orga­ni­sa­ti­ons- und Finanz­au­to­no­mie
    sowie Dienst­her­ren­ei­gen­schaft für das
    Hoch­schul­per­so­nal.
  1. Die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on im Leit­bild der Gelehr­ten­re­pu­blik
    His­to­ri­scher Aus­gangs­punkt kri­ti­scher Ana­ly­sen des
    der­zei­ti­gen Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts ist die Rol­le
    der „Hoch­schu­le als Gelehr­ten­re­pu­blik“. Die­ses Leit­bild
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 3
    8 Exem­pla­risch sei auf die Ein­grif­fe nach den Karls­ba­der Beschlüs­sen
    durch Ein­set­zung von Staats­kom­mis­sa­ren ver­wie­sen,
    s.: „Pro­vi­so­ri­scher Bun­des­be­schluss über die in Anse­hung der
    Uni­ver­si­tä­ten zu ergrei­fen­den Maß­re­geln“ vom 20. Sep­tem­ber
    1819, § 1; vgl. auch G. Roel­le­cke, Geschich­te des Hoch­schul­we­sens
    in: Hand­buch des Wis­sen­schafts­rechts, 2. Aufl. 1996, S. 3, 25 ff.
    9 W. v. Hum­boldt, Antrag auf Errich­tung der Uni­ver­si­tät Ber­lin, Juli
    1809 und Denk­schrift über die inne­re und äuße­re Orga­ni­sa­ti­on
    der höhe­ren wis­sen­schaft­li­chen Anstal­ten in Ber­lin, u.a. abge­druckt
    in: Gele­gent­li­che Gedan­ken über Uni­ver­si­tä­ten, Schrif­ten
    von J.J. Engel, J.B. Erhard, F.A. Wolf, J.G. Fich­te, F.D.E. Schlei­er­ma­cher,
    K. F. v. Savi­gny, W. v. Hum­boldt, G.F.W. Hegel, Leip­zig
    1990 (Reclam).
    10 Vgl. dazu Wolf­gang Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, § 4, S. 11
    ff.
    11 Zur Geschich­te des Kura­to­ren- und Kanz­ler­am­tes vgl. auch
    BVerfGE 149, 1 ff., Rn. 57 ff.
    12 Vgl. z. B. Th. Opper­mann, Fn. 6 S.3 ff.; ders, Selbst­ver­wal­tung
    und staat­li­che Ver­wal­tung in Flä­mig et al. (Hrsg.), Hand­buch
    des Wis­sen­schafts­rechts, 2. Aufl. 1996, § 37, S. 1009 ff., 1016; Th.
    Nip­per­dey, Preu­ßen und die Uni­ver­si­tät in: Nach­den­ken über die
    deut­sche Geschich­te, 1986, S. 140 ff., 147.
    ist jedoch von Nost­al­gi­en und his­to­ri­schen Fehl­deu­tun­gen
    beein­flusst. Es ver­nach­läs­sigt Sys­tem­brü­che, die sich
    im Zuge der Ver­fas­sungs­ge­schich­te des jewei­li­gen Trä­ger­lan­des
    auch auf die Hoch­schul­ver­fas­sun­gen nie­der­ge­schla­gen
    haben.8
    Als Leit­bild der Gelehr­ten­re­pu­blik wird neben dem
    Bezug auf die mit­tel­al­ter­li­chen und post­re­for­ma­to­ri­schen
    Uni­ver­si­täts­ver­fas­sun­gen oft auf die Grün­dung
    der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät auf der Grund­la­ge der Denk­schrift
    von W. von Hum­boldt „Über die inne­re und
    äuße­re Orga­ni­sa­ti­on der höhe­ren wis­sen­schaft­li­chen
    Anstal­ten in Ber­lin“ hingewiesen.9
    Die­se Denk­schrift ent­hält nicht nur eine wis­sen­schafts­theo­re­ti­sche
    Begrün­dung für die Not­wen­dig­keit
    der Staats­fer­ne und aka­de­mi­schen Frei­heit, son­dern
    auch Vor­schlä­ge für eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on
    und das Zusam­men­wir­ken von Staat und
    Hoch­schu­le, z. B. bei Beru­fun­gen.
    Die­se Prin­zi­pi­en der neu­en Uni­ver­si­tät konn­ten aber
    weder an der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät noch an ande­ren
    Stand­or­ten ver­wirk­licht wer­den. Humboldt’sches Ide­al
    und die Rea­li­tät der Uni­ver­si­tät waren nie deckungs­gleich.
    Bereits im Grün­dungs­jahr 1810 ver­lor Hum­boldt
    sei­nen Ein­fluss und spä­ter den Pos­ten als zustän­di­ger
    Lei­ter der Unter­richts­sek­ti­on. Sein Nach­fol­ger v. Schuck­mann
    nahm nicht nur die zur Siche­rung der wirt­schaft­li­chen
    Unab­hän­gig­keit not­wen­di­ge Dota­ti­on der Domä­nen
    zurück, son­dern frag­te beim preu­ßi­schen König
    nach, ob es rat­sam sei, „die Hoch­schu­le nicht nur in ihrem
    frei­en wis­sen­schaft­li­chen Stre­ben und Wir­ken son­dern
    auch ihrer Sub­sis­tenz auf Dau­er vom Ober­haupt
    des Staa­tes unab­hän­gig zu machen und sie von die­ser
    Sei­te gegen das Bestehen der jet­zi­gen Ver­fas­sung des Königs
    und sei­ner Dynas­tie in den Zustand der Gleich­gül­tig­keit
    zu ver­set­zen.“
    Die Sta­tu­ten der Uni­ver­si­tät Ber­lin von 1816 neh­men
    zwar in Tei­len auf die Humboldt’sche Denk­schrift — vor
    allem auf den Grund­satz der Ein­heit von For­schung und
    Leh­re und Bil­dung durch Wis­sen­schaft — Bezug. Sie ent­hal­ten
    jedoch kei­ne Gewähr­leis­tung der insti­tu­tio­nel­len
    und indi­vi­du­el­len Wis­sen­schafts­frei­heit durch den Staat,
    aber Kern­ele­men­te der Selbst­ver­wal­tung.
    Viel­mehr set­zen sie die bereits im ALR ver­an­ker­te
    Dop­pel­na­tur der Uni­ver­si­tät als staat­li­che Ein­rich­tung
    und Kör­per­schaft fort.10 For­mell wird der Senat als das
    Lei­tungs­or­gan der Uni­ver­si­tät bezeich­net, dem der vom
    Senat gewähl­te Rek­tor prä­si­diert. Für den Senat wur­de
    bereits eine Reprä­sen­ta­ti­ons­ver­fas­sung ein­ge­führt, in
    dem die Pro­fes­so­ren­schaft durch von ihr gewähl­te Ver­tre­ter
    reprä­sen­tiert, die ande­ren Mit­glie­der­grup­pen aber
    nicht ver­tre­ten waren.
    Das eigent­li­che Macht­zen­trum war der Kura­tor als
    wei­sungs­ab­hän­gi­ger Ver­tre­ter des Minis­ters, dem die gesam­te
    Ver­wal­tung der Uni­ver­si­tät unter­stellt war.11
    Die­ses sog. Kura­tor-Modell, gekenn­zeich­net durch
    eine Tren­nung der aka­de­mi­schen Auf­ga­ben im Kern­be­reich
    von For­schung und Leh­re und der sog. staat­li­chen
    Ange­le­gen­hei­ten, war stil­bil­dend für die Hoch­schul­ver­fas­sung
    der preu­ßi­schen Uni­ver­si­tä­ten und fand nach
    Ende des 2. Welt­kriegs zunächst auch noch Ein­gang in
    die Hoch­schul­ver­fas­sung der preu­ßi­schen Nach­fol­ge­staa­ten
    wie Nie­der­sach­sen und Nord­rhein-West­fa­len.
    Auch die süd­deut­sche Kanz­ler-Ver­fas­sung ging von
    einer Tren­nung der aka­de­mi­schen und staat­li­chen Ange­le­gen­hei­ten
    aus. Im Gegen­satz zur Kura­tor-Ver­fas­sung
    wur­den die Kanz­ler vom jewei­li­gen Herr­scher des Trä­ger­lan­des
    aus dem Krei­se der Pro­fes­so­ren der Uni­ver­si­tät
    ernannt.
    Eine Erklä­rung des Zusam­men­hangs zwi­schen der
    bestehen­den Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on und dem zwei­fel­los
    hohen wis­sen­schaft­li­chen Anse­hen deut­scher Uni­ver­si­tä­ten
    vor dem Natio­nal­so­zia­lis­mus ist ange­sichts des Zusam­men­spiels
    von aka­de­mi­scher Selbst­ver­wal­tung und
    staat­li­chem Ein­fluss nahe­zu unmög­lich. Im Wesent­li­chen
    wird der Erfolg von Uni­ver­si­tä­ten im Rück­blick
    dem Wir­ken weit­sich­ti­ger Per­sön­lich­kei­ten in den zustän­di­gen
    Kul­tus­ver­wal­tun­gen und Kura­to­ren zuge­schrie­ben,
    für die Namen wie Alten­stein, Alt­hoff und
    Becker stehen.12
    Mit der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung durch die
    Pro­fes­so­ren­schaft sind die bereits von W. v. Hum­boldt
    beklag­ten Schwä­chen ver­bun­den:
    „Gelehr­te zu diri­gie­ren ist nicht viel bes­ser als eine
    Kom­mö­di­an­ten­grup­pe unter sich zu haben … Mit wie4
    O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    13 Zitiert von H. Schelsky, Ein­sam­keit und Frei­heit- Idee und Gestalt
    der deut­schen Uni­ver­si­tät und ihrer Refor­men, rororo Taschen­buch­aus­ga­be,
    S. 155.
    14 RMi­nAmts­bl. 1935, S.142
    15 Würt­tem­berg- Hohen­zol­lern 1947, Art. 10; Würt­tem­berg-Baden
    1946, Art. 12; Baden 1947, Art. 12; Baden-Würt­tem­berg 1953,
    Art. 20, 85; Bay­ern 1946, Art. 108, 138; Ber­lin 1950, Art. 21;
    Bre­men 1947, Art. 11; Ham­burg 1952, Art. 1, 5 GG; Hes­sen 1946,
    Art. 60; Nie­der­sa­chen 1951, Art. 5; Nord­rhein-West­fa­len 1950,
    Art. 16; Rhein­land-Pfalz 1947, Art. 39; Saar­land 1947, Art. 33;
    Schles­wig-Hol­stein 1949, Art. 3, 5 GG.
    16 Exem­pla­risch für die ideen­ge­schicht­li­che Dis­kus­si­on Karl Jas­pers:
    Die Idee der Uni­ver­si­tät, Ber­lin 1946; Zur Ideen­ge­schich­te vgl.
    auch H. Schelks­ky, Ein­sam­keit und Frei­heit, Idee und Gestalt der
    deut­schen Uni­ver­si­tät und ihrer Refor­men, Ham­burg 1963, zu
    den Reform­be­stre­bun­gen seit 1945, S. 244; für die wis­sen­schaft­o­li­ti­sche
    Dis­kus­si­on Wis­sen­schafts­rat (1967): Emp­feh­lun­gen
    zum Aus­bau der wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­len bis 1970;
    Wis­sen­schafts­rat (1968): Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­ra­tes
    zur Struk­tur und Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Uni­ver­si­tä­ten;
    zur rechts­wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on A. Kött­gen, Frei­heit der
    Wis­sen­schaft und Selbst­ver­wal­tung der Uni­ver­si­tät in: Neu­mann,
    Nip­per­dey, Scheu­ner, Die Grund­rech­te, 2. Bd. 1954, S. 291 ff.; H.
    J. Wollf, Die Rechts­ge­stalt der Uni­ver­si­tät, 1956.
    17 BVerfGE 35, 72 ff.
    viel Schwie­rig­kei­ten ich … zu kämp­fen habe, wie mich
    die Gelehr­ten, die unbän­digs­te und am schwers­ten zu
    befrie­di­gen­de Men­schen­klas­se mit ihren ewig sich
    durch­kreu­zen­den Inter­es­sen, ihrer Eifer­sucht, ihrem
    Neid … ihren ein­sei­ti­gen Absich­ten umla­gern, wo jeder
    meint, dass nur sein Fall Unter­stüt­zung und För­de­rung
    ver­dient, … davon hast du kei­nen Begriff “. Das schrieb
    1810 Wil­helm von Hum­boldt an sei­ne Frau Caroline.13
    Der Dua­lis­mus zwi­schen dem auf Reprä­sen­ta­ti­ons­auf­ga­ben
    beschränk­ten Rek­tor und dem Kurator/Kanzler
    als Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes bestand bis zur Gleich­schal­tung
    der Uni­ver­si­tä­ten im Natio­nal­so­zia­lis­mus. Als
    Lei­tungs­mo­dell hat der Natio­nal­so­zia­lis­mus Füh­rer und
    Gefolg­schaft pro­pa­giert. Die Frei­heit von For­schung und
    Leh­re wur­de eben­so wie die aka­de­mi­sche Selbst­ver­wal­tung,
    unter dem ste­tig wach­sen­den Ein­fluss von NS-Stu­den­ten­bund,
    SD und schwar­zem Korps zunächst auf
    Län­der­ebe­ne, nach Gleich­schal­tung der Län­der durch
    die Richt­li­ni­en des Reichs- und Preu­ßi­schen Minis­ters
    für Wis­sen­schaft, Erzie­hung und Volks­bil­dung vom 3.
    April 1935 außer Kraft gesetzt.14
  2. Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und Hoch­schul­lei­tung in der
    Grup­pen­uni­ver­si­tät
    In der Nach­kriegs­zeit wur­den zunächst durch die Mili­tär­ver­wal­tun­gen,
    nach Bil­dung der neu­en Bun­des­län­der
    auf der Grund­la­ge ihrer grund­recht­li­chen und insti­tu­tio­nel­len
    Garan­tien der Wis­sen­schafts­frei­heit in den Landesverfassungen15
    die vor der NS-Zeit gel­ten­den, in Sat­zungs­form
    gefass­ten Sta­tu­ten der Uni­ver­si­tä­ten wie­der­her­ge­stellt.
    Eine inten­si­ve wis­sen­schafts­po­li­ti­sche und
    auch rechts­wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on über den
    künf­ti­gen Rechts­sta­tus der Uni­ver­si­tä­ten bzw. Hoch­schu­len
    in den 50-er Jah­ren kam über Kon­zept­ent­wür­fe
    nicht hinaus.16
    Die über­kom­me­ne Struk­tur der Uni­ver­si­tät und ihrer
    Fakul­tä­ten geriet indes bereits durch die Öff­nung der
    Hoch­schu­len, in jedem Fall unter einen uner­war­te­ten
    Druck, als die Stu­den­ten­re­vol­te nicht nur bei den älte­ren
    Ordi­na­ri­en das Trau­ma der NS-Zeit wach­rief, son­dern
    auch den Gesetz­ge­ber auf den Plan rief, die als­bald so genann­te
    „Grup­pen­uni­ver­si­tät“ zu instal­lie­ren.
    Grup­pen­uni­ver­si­tät umschreibt die im Zuge der Stu­den­ten­un­ru­he
    Ende der 60-er Jah­re durch Län­der­ge­set­ze
    ein­ge­führ­te, bis zur sog. Drit­tel­pa­ri­tät rei­chen­de
    Grup­pen­re­prä­sen­ta­ti­on der Mit­glie­der­grup­pen in den
    Kol­le­gi­al­or­ga­nen der Uni­ver­si­tä­ten, wis­sen­schaft­li­chen
    Hoch­schu­len und neu ent­stan­de­nen Fach­hoch­schu­len.
    Im Urteil zum nie­der­säch­si­schen Vor­schalt­ge­setz erklär­te
    das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zwar die Grup­pen­uni­ver­si­tät
    für ver­fas­sungs­kon­form, setz­te aber im Bereich
    wis­sen­schafts­re­le­van­ter Ent­schei­dun­gen dem Gestal­tung­s­piel­raum
    des Gesetz­ge­bers Grenzen.17 Dies betrifft
    vor allem die Mit­wir­kung und den Ein­fluss der
    nicht zur Pro­fes­so­ren­schaft gehö­ren­den Hoch­schul­mit­glie­der
    in den Ent­schei­dungs­gre­mi­en der Hoch­schu­len
    bei Ent­schei­dun­gen im Kern­be­reich von Leh­re und
    For­schung
    Mit dem Hoch­schul­rah­men­ge­setz von 1976 wur­den
    die vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze
    im Ver­bund mit engen Vor­ga­ben für die Gestal­tung
    der Lei­tungs­struk­tu­ren, der Per­so­nal­struk­tur, des Stu­di­en-
    Prü­fungs- und Zulas­sungs­rechts durch die Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze
    umge­setzt. Der Rechts­sta­tus der
    Hoch­schu­len als Kör­per­schaft des öffent­li­chen Rechts
    und zugleich staat­li­che Ein­rich­tun­gen wur­de bei­be­hal­ten.
    Neu war die Ein­füh­rung der sog. Ein­heits­ver­wal­tung
    aka­de­mi­scher und staat­li­cher Ange­le­gen­hei­ten
    durch die zustän­di­gen Hoch­schul­gre­mi­en unter der
    Rechts­auf­sicht des Minis­te­ri­ums im Bereich aka­de­mi­scher
    Ange­le­gen­hei­ten und einer bis in Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen
    gehen­den Fach­auf­sicht in den sog. staat­li­chen
    Ange­le­gen­hei­ten, die neben der Wirt­schafts- und
    Per­so­nal­ver­wal­tung auch Fra­gen der Orga­ni­sa­ti­on, Pla­nung
    und Hoch­schul­zu­las­sung umfasst.
    Die aus der Hoch­schul­tra­di­ti­on über­kom­me­ne Lei­tungs­struk­tur
    mit dem Senat als all­zu­stän­di­gem Ent­schei­dungs­or­gan
    und der auf die Außen­ver­tre­tung, die
    Vor­be­rei­tung und den Voll­zug von Ent­schei­dun­gen des
    Senats beschränk­te Hoch­schul­lei­tung, wur­de bei­be­hal­Sand­ber­ger
    · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 5
    18 V. 18. Sep­tem­ber 1990, GBl. DDR 1990, 1585
    19 Eini­gungs­ver­trag v. 31.8.1990, BGBl. II, 859, Kap. XVI
    20 Vgl. dazu D. Mül­ler-Böl­ing, Die ent­fes­sel­te Hoch­schu­le, 2000;
    ihm fol­gend Mono­pol­kom­mis­si­on, Wett­be­werb als Leit­bild der
    Hoch­schul­po­li­tik, Son­der­gut­ach­ten 30, 2000; Stif­ter­ver­band für
    die deut­sche Wis­sen­schaft, Qua­li­tät durch Wett­be­werb und Auto­no­mie,
    2002; Wis­sen­schafts­rat, Per­spek­ti­ven des Wis­sen­schafts­sys­tems,
    Emp­feh­lun­gen 2013, Drs. 3228/13; aus rechts­wis­sen­schaft­li­cher
    Sicht kri­tisch die Habi­li­ta­ti­ons­schrif­ten von Wolf­gang
    Kahl, Hoch­schu­le und Staat, 2004, § 11 und 12 sowie K.F. Gär­ditz,
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung
    2010, ins­be­son­de­re § 1 II. S. 23 ff., § 3, S. 94 ff, § 4, S. 274 ff. aus
    wis­sen­schafts­his­to­ri­scher und wis­sen­schafts­theo­re­ti­scher kri­tisch
    J. Mit­tel­straß, Die Uni­ver­si­tät zwi­schen Weis­heit und Manage­ment,
    FAZ- For­schung und Leh­re vom 31. August S.4.
    ten. Glei­ches gilt für die dezen­tra­le Orga­ni­sa­ti­on der Fakul­tä­ten
    mit dem Fakul­täts­rat als all­zu­stän­di­gem Organ
    und einem mit der Außen­ver­tre­tung und Lei­tung des Fakul­täts­rats
    betrau­ten Dekans­amt im Neben­amt.
    Aller­dings haben nach dem Inkraft­tre­ten eine Rei­he
    von Hoch­schu­len von der Opti­on einer mono­kra­ti­schen
    Prä­si­di­al­ver­fas­sung mit län­ge­ren Amts­zei­ten der Stel­len­in­ha­ber
    und der Mög­lich­keit der Beset­zung durch nicht
    zur Pro­fes­so­ren­schaft gehö­ren­de Bewer­ber Gebrauch
    gemacht.
    Im Gegen­satz zu den Erwar­tun­gen des Gesetz­ge­bers,
    einen Inter­es­sen­aus­gleich zwi­schen den Sta­tus­grup­pen
    her­zu­stel­len, führ­te das nach den Vor­ga­ben des HRG gestal­te­te
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­recht vie­ler­orts zu einer
    Läh­mung von Ent­schei­dungs­pro­zes­sen. Dies hat zugleich
    den Staats­ein­fluss auf die Hoch­schu­len mas­siv
    ver­stärkt.
    Die Ent­schei­dungs­fä­hig­keit der Hoch­schu­len war in
    die­ser Zeit im Wesent­li­chen davon abhän­gig, dass die
    Hoch­schul­lei­tun­gen auch ohne aus­drück­li­ches recht­li­ches
    Man­dat anstel­le der for­mal all­zu­stän­di­gen Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne
    die stra­te­gi­sche Füh­rung in der
    Hoch­schu­le über­nom­men und dafür ihre per­so­nel­le Legi­ti­ma­ti­on
    aus den Wah­len durch die Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­en
    in Anspruch genom­men haben.
    Dies war nur mög­lich, wenn und soweit die Grund­ord­nun­gen
    län­ge­re Amts­zei­ten für das Amt der Rek­to­ren
    oder die Prä­si­di­al­ver­fas­sung ein­ge­führt haben. War
    dies nicht der Fall, wuchs an vie­len Stand­or­ten den
    Kanz­lern auf­grund ihrer Lebens­zeit­stel­lung oder ihrer
    lan­gen Amts­zei­ten als Wahl­be­am­te ein erheb­li­cher Ein­fluss
    zu.
    Beglei­tet von einer zun­la­neh­men­den Regu­lie­rung
    des Hoch­schul­we­sens wuchs damit zugleich der Ein­fluss
    der Hoch­schul­ver­wal­tung, auf die sich die Hoch­schul­lei­tung
    neu­en Typs als Macht­in­stru­ment statt oder neben
    den Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­nen stütz­te.
    Die damit ver­bun­de­nen Büro­kra­ti­sie­rungs­pro­zes­se
    wur­den in gewis­ser Über­spit­zung als „Muta­ti­on der
    Hoch­schu­le von einer Selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaft
    zur Behör­de“ umschrie­ben.
    Trotz der zuta­ge getre­te­nen Män­gel blie­ben die
    Grund­ele­men­te der durch das HRG vor­ge­ge­be­nen
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on nahe­zu 25 Jah­re erhal­ten. Nach
    der Wie­der­ver­ei­ni­gung waren die neu­en Bun­des­län­der
    zunächst gezwun­gen, ihre durch das DDR-Recht besei­tig­ten,
    nach der Wen­de durch eine vor­läu­fi­ge Hochschulrechtsverordnung18
    wie­der­her­ge­stell­ten Hoch­schul­ver­fas­sun­gen
    nach der Blau­pau­se der HRG-Vor­ga­ben
    zu gestalten.19 Den Gesetz­ge­bun­gen der 90-er Jah­re
    folg­ten nach dem Erlass des 4. HRG- Ände­rungs­ge­set­zes
    im zeit­li­chen Gleich­lauf mit den Novel­len der alten
    Bun­des­län­der wei­te­re Änderungsgesetze.
  3. Neu­aus­rich­tung des Leit­bilds nach dem 4. HRG­Än­de­rungs­ge­setz
    1998 — Das Kon­zept der unter­neh­me­ri­schen
    Hoch­schu­le
    Mit der Auf­he­bung der Rah­men­vor­ga­ben der §§ 60 ff.
    HRG für die Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len und
    die Öff­nung für alter­na­ti­ve Rechts­for­men in der Rege­lung
    des § 58 HRG zum Rechts­sta­tus der Hoch­schu­len
    war der Weg für die danach ein­set­zen­de, meist mit dem
    Leit­bild der „unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le“ bezeich­ne­te
    Reform der Lan­des­hoch­schul­ge­set­ze geöff­net.
    Erwei­ter­te Rah­men­be­din­gun­gen für die Lan­des­ge­setz­ge­ber
    brach­te die Auf­he­bung der Rah­men­kom­pe­tenz im
    Zuge der Föde­ra­lis­mus­re­form im Jahr 2008.
    Ein­fluss- und fol­gen­reich für die neue­re
    Hoch­schul­rechts­ent­wick­lung war das vom CHE als
    Anfüh­rer der Reform­be­we­gung ent­wi­ckel­te Leit­bild der
    Hoch­schu­le als Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men oder
    unter­neh­me­ri­schen Hochschule.20
    Gefor­dert wird dar­in zum einen eine umfas­sen­de
    Neu­ge­stal­tung des Ver­hält­nis­ses von Staat und
    Hoch­schu­le, zum ande­ren eine Neu­ord­nung der
    Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on. Der Zuwachs an exter­ner
    Auto­no­mie soll mit einer Stär­kung der Lei­tungs­or­ga­ne
    zu Las­ten der kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne
    ver­bun­den, der Macht­zu­wachs der Hoch­schul­lei­tung
    durch ein aus­schließ­lich oder über­wie­gend mit Exter­nen
    besetz­ten inter­nes Auf­sichts­or­gan (Hoch­schul­rat,
    Kura­to­ri­um) unter Kon­trol­le gestellt wer­den.
    Bis hin zur Bezeich­nung der Lei­tungs­or­ga­ne als
    Vor­stand und Auf­sichts­rat steht dafür die
    Füh­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on von Unter­neh­men als Vor­bild.
    Die­ses Kon­zept ver­wirk­licht wesent­li­che Ele­men­te
    des New Public Manage­ment — dem Grund­satz der
    Dezen­tra­li­sie­rung und Stär­kung der
    Eigen­ver­ant­wort­lich­keit der öffent­li­chen Ver­wal­tung. Es
    kor­re­spon­diert zugleich in wei­ten Tei­len dem Anglo6
    O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    21 LT-Druck­sa­che 15/4396 v. 6.12.2005.
    ame­ri­ka­ni­schen Modell der Hoch­schul­ver­fas­sung.
    Die­ses wur­zelt, anders als das deut­sche Uni­ver­si­täts­sys­tem
    und das der Uni­ver­si­tä­ten Oxford und Cam­bridge, nicht
    im Kör­per­schafts­ge­dan­ken, son­dern in der
    Stif­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on (Trust bzw. Non Pro­fit
    Cor­po­ra­ti­on) als Ver­fas­sung der ursprüng­lich
    kirch­li­chen oder gesell­schaft­li­chen Trä­ger der
    Hoch­schu­len. Eine mit­glied­schaft­li­che Reprä­sen­ta­ti­on
    durch die Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen ist die­ser
    Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur weit­ge­hend fremd.
    Wei­te­res Haupt­ziel der neu­en Orga­ni­sa­ti­ons­ver­fas­sung
    war es, das als Sys­tem staat­li­cher Ein­zel­steue­rung
    beschrie­be­ne und kri­ti­sier­te Ver­hält­nis von Staat und
    Hoch­schu­le zuguns­ten einer Stär­kung der
    Ent­schei­dungs­au­to­no­mie der Hoch­schu­len zu
    ver­än­dern.
    Die Reform der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on steht damit in
    einem engen Zusam­men­hang mit der Stär­kung der
    Ent­schei­dungs­au­to­no­mie der Hoch­schu­le nach außen
    und innen (sog. exter­ne und inter­ne Gover­nan­ce).
    Die Stär­kung der Ent­schei­dungs­au­to­no­mie nach
    außen betrifft den Rechts­sta­tus der Hoch­schu­len
    gegen­über ihrem staat­li­chen Trä­ger. Ansät­ze für die
    Ent­staat­li­chung sind die Auf­he­bung ihres Dop­pel­sta­tus
    als rechts­fä­hi­ge Kör­per­schaft des öffent­li­chen Rechts
    und zugleich staat­li­che Ein­rich­tung, die neben der
    Rechts­auf­sicht über die Wahr­neh­mung der
    Selbst­ver­wal­tungs­an­ge­le­gen­hei­ten die Fach­auf­sicht über
    die Wahr­neh­mung staat­li­cher Ange­le­gen­hei­ten auch das
    Ein­falls­tor für unmit­tel­ba­re Zustän­dig­kei­ten im Bereich
    des Per­so­nal­we­sens, der Finanz­wirt­schaft, der
    Lie­gen­schafts­ver­wal­tung umfasst.
    Mit der Beschrän­kung auf den Rechts­sta­tus der
    Kör­per­schaft wird die For­de­rung nach weit­rei­chen­der
    Orga­ni­sa­ti­ons- und Sat­zungs­au­to­no­mie bei der
    Gestal­tung von Stu­di­en­gän­gen, Per­so­nal­ho­heit,
    Finanz­au­to­no­mie und Bau­her­ren­schaft ver­bun­den.
    Die bis­he­ri­gen Auf­sichts­rech­te, vor allem die auf die
    Finanz­wirt­schaft bezo­ge­nen, sol­len durch Ziel- und
    Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen, Zustim­mungs- und
    Auf­sichts­rech­te im Bereich der Prü­fungs- und
    Stu­di­en­ord­nun­gen sowie durch Maß­nah­men der
    Qua­li­täts­si­che­rung bei Ein­rich­tung von Stu­di­en­gän­gen
    durch eine exter­ne Akkre­di­tie­rung, bei der Durch­füh­rung
    von Stu­di­en­gän­gen durch eine fort­lau­fen­de Eva­lua­ti­on
    abge­löst wer­den.
    Leit­vor­stel­lung für die Neu­aus­rich­tung der Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on
    (sog. inter­ne Gover­nan­ce) ist eine Ver­la­ge­rung
    der bis­her bei den Sena­ten lie­gen­den All- und Auf­fang­zu­stän­dig­keit
    für grund­sätz­li­che Ent­schei­dun­gen
    über die Ent­wick­lung der Hoch­schu­le auf die Hoch­schul­lei­tung.
    Damit ver­bun­den ist die Redu­zie­rung der
    Zustän­dig­kei­ten der Kol­le­gi­al­or­ga­ne auf Sat­zungs­fra­gen,
    auf die Mit­wir­kung bei Wahl­ent­schei­dun­gen sowie auf
    die Stel­lung­nah­me oder Zustim­mung zu wich­ti­gen von
    der Hoch­schul­lei­tung vor­be­rei­te­ten stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen.
    Soweit die Hoch­schul­ge­set­ze einen Auf­sichts­rat
    oder ein Kura­to­ri­um vor­se­hen, wird die Auf­sichts-
    und Zustim­mungs­funk­ti­on bei Ent­schei­dun­gen
    vor­ran­gig finanz­wirt­schaft­li­cher oder orga­ni­sa­to­ri­scher
    Art vom Senat auf die­ses Organ über­tra­gen. Im Mit­tel­punkt
    der Neu­ord­nung der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on ste­hen
    somit die Neu­de­fi­ni­ti­on der Lei­tung, ihre Abgren­zung
    zu den Kom­pe­ten­zen der wei­te­ren zen­tra­len Hoch­schul­or­ga­ne
    und die Zuord­nung der Lei­tungs­kom­pe­tenz zu
    einem kol­le­gia­len oder mono­kra­ti­schen Lei­tungs­or­gan.
    III. Ent­wick­lungs­li­ni­en der Hoch­schul­ge­setz­ge­bung
    seit 2000
    In rascher Abfol­ge wur­den in den Bun­des­län­dern Bau­stei­ne
    die­ses Kon­zep­tes mit unter­schied­li­chen Akzent­set­zun­gen
    umge­setzt.
    Exem­pla­risch dafür steht die Novel­le des Baye­ri­schen
    Hoch­schul­ge­set­zes 2006:21
    „Um den Hoch­schu­len eine kla­re­re Pro­fi­lie­rung und
    zukunfts­fä­hi­ge Ent­wick­lun­gen zu ermög­li­chen, sind Ände­run­gen
    im gesam­ten Gefü­ge der staat­li­chen Steue­rung,
    der Ver­tei­lung der Kom­pe­ten­zen zwi­schen Staat
    und Hoch­schu­len und der staat­li­chen Auf­sicht not­wen­dig.
    Mit der Stär­kung der Auto­no­mie und Erwei­te­rung
    der Kom­pe­ten­zen der Hoch­schu­len ist eine erhöh­te
    Selbst­ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­len für Pro­fil­bil­dung
    und Qua­li­täts­si­che­rung ver­bun­den.
    Bei der Neu­ge­stal­tung des Ver­hält­nis­ses von Staat
    und Hoch­schu­len ist die sich aus Art. 138 Abs. 1 Satz 1 der
    Baye­ri­schen Ver­fas­sung erge­ben­de Ver­ant­wor­tung des
    Staa­tes für die Hoch­schu­len als lan­des­spe­zi­fi­sche Ver­fas­sungs­norm
    für die Aus­ge­stal­tung des Ver­hält­nis­ses zwi­schen
    Staat und Hoch­schu­len zu beach­ten.
    Zen­tra­les Steue­rungs­in­stru­ment bei gleich­zei­ti­ger
    Zurück­nah­me der staat­li­chen Detail­steue­rung ist künf­Sand­ber­ger
    · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 7
    22 BW § 2; BE § 4; BY Art. 2; BB § 3; BR § 4; HH § 3; HE § 3; MVP
    § 3; NI § 3; NRW § 3; RPf § 2; Saar § 2; SA § 5; SN § 3; SH § 3;
    TH § 5.
    23 BVerfG Beschluss v. 13.4. 2010, BVerfGE 126, 1ff. Rn.45 ff.; Kam­mer­be­schluss
    des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts v. 5.2. 2020- Dua­le
    Hoch­schu­le, — 1 BvR 1586/14 -, Rn. 1–37.
    24 Vgl. die Hoch­schul­ge­set­ze: BW, § 8, BY Art.3, BB § 4, BR §§ 7, 7a,
    HH § 2, HE § 1, MVP § 5, NI § 3, RPf § 6, Saar § 2, SA §§ 54–56,
    SN § 2, 6, SH § 4, TH §7.
    25 §§ 2, 76 HG NRW, der Abschaf­fung des Dop­pel­sta­tus fol­gend
    § 2 HmbHG, § 2 SächsHG; § 54 HG-LSA; § 2 HGSH
    26 Art. 12 BayHG: (1) Die Hoch­schu­len neh­men eige­ne Ange­le­gen­hei­ten
    als Kör­per­schaf­ten (Kör­per­schafts­an­ge­le­gen­hei­ten),
    staat­li­che Ange­le­gen­hei­ten als staat­li­che Ein­rich­tun­gen wahr.
    (2) Kör­per­schafts­an­ge­le­gen­hei­ten sind alle Ange­le­gen­hei­ten der
    Hoch­schu­le, soweit nichts ande­res bestimmt ist.
    tig der Abschluss von Ziel­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Staat
    und Hoch­schu­len. Mit der Dele­ga­ti­on weit­ge­hen­der Zustän­dig­kei­ten
    auf die Hoch­schu­len wird kon­se­quent der
    1998 begon­ne­ne Weg fort­ge­setzt und die Eigen­ver­ant­wor­tung
    der Hoch­schu­len, denen neue Hand­lungs­frei­räu­me
    eröff­net wer­den, gestärkt.
    Im Rah­men der Neu­ord­nung der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur
    wer­den den Hoch­schu­len hoch­schul­spe­zi­fi­sche
    Gestal­tungs­spiel­räu­me ein­ge­räumt; Ent­schei­dun­gen
    über die hoch­schul­in­ter­ne Orga­ni­sa­ti­on wer­den
    wei­test­ge­hend vom Staat auf die Hoch­schu­len
    über­tra­gen.“
  4. Aus­wir­kun­gen auf den Kata­log der Hoch­schul­auf­ga­ben
    Im Ver­lauf der Hoch­schul­rechts­no­vel­len ist der Kata­log
    der Auf­ga­ben der Hoch­schu­len rasant gewach­sen, ein
    Ende ist noch nicht abzusehen.22 Neben der Pri­mär­auf­ga­be
    der Pfle­ge und Ent­wick­lung der Wis­sen­schaf­ten
    und Küns­te durch For­schung, Leh­re und Wei­ter­bil­dung
    in einem frei­heit­li­chen und demo­kra­ti­schen Rechts­staat,
    ist ein Kata­log von im Ein­zel­fall mehr als zehn Zif­fern
    und wei­te­ren Absät­zen die Pri­mär­auf­ga­ben kon­kre­ti­sie­ren­der
    und ergän­zen­der Annex­auf­ga­ben und wei­te­rer
    Sekun­där­auf­ga­ben getre­ten, die durch Ver­ord­nungs-
    Ermäch­ti­gung noch erwei­tert wer­den kön­nen. Jüngs­te
    Ände­run­gen betref­fen die Pflicht zur Nach­hal­tig­keit und
    zur Wah­rung des Tier­schut­zes.
    Die gesetz­li­chen Annex­auf­ga­ben und die Sekun­där­auf­ga­ben
    ste­hen zwar unter dem Vor­be­halt der Ver­träg­lich­keit
    mit den Pri­mär­auf­ga­ben und dem Ver­bot
    der Über­for­de­rung.
    In der Hoch­schul­pra­xis sind die­se Beschrän­kun­gen
    aber im Regel­fall wir­kungs­los, weil die Über­tra­gung der
    Auf­ga­ben nicht mit dem Gebot ent­spre­chen­der Finanz­aus­stat­tung
    ver­bun­den wird.
    In den hoch­schul­ar­ten­über­grei­fen­den Hoch­schul­ge­set­zen
    wäre es Auf­ga­be des Gesetz­ge­bers, das jewei­li­ge
    Auf­ga­ben­pro­fil der Hoch­schul­ar­ten zu defi­nie­ren. Im
    Gegen­satz dazu ist bei der For­mu­lie­rung der Auf­ga­ben
    und Bezeich­nung der Hoch­schul­gat­tun­gen ein Annä­he­rungs­pro­zess
    zu beob­ach­ten, der zu einer Ver­wi­schung
    der Pro­fi­le im Wis­sen­schafts­sys­tem führt. Dies gilt für
    die bis­he­ri­gen wis­sen­schaft­li­chen und künst­le­ri­schen
    Hoch­schu­len, ins­be­son­de­re aber für deren Ver­hält­nis zu
    den bis­he­ri­gen Fach­hoch­schu­len, die mit der Erwei­te­rung
    ihrer Auf­ga­ben im Bereich ange­wand­ter For­schung
    inzwi­schen die Bezeich­nung „Hoch­schu­len für Ange­wand­te
    Wis­sen­schaf­ten“, in eng­li­scher Ter­mi­no­lo­gie die
    Bezeich­nung „Uni­ver­si­ty of Appli­ed Sci­ence“ erlangt haben.
    Spie­gel­bild­lich wird die Annä­he­rung zwi­schen den
    Hoch­schu­len für Ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten und den
    Dua­len Hoch­schu­len voll­zo­gen. Die Annä­he­rung der
    Hoch­schul­pro­fi­le setzt sich in den Bil­dungs­zie­len und
    der Gleich­wer­tig­keit der Abschlüs­se fort. Die­se Ent­wick­lung
    hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu der kon­se­quen­ten
    Schluss­fol­ge­rung ver­an­lasst, zunächst den Fach­schu­len
    und deren Hoch­schul­leh­rern, 2020 dann auch
    den Dua­len Hoch­schu­len den Schutz des Art. 5 Abs.3
    GG zuzuerkennen.23
  5. Aus­wir­kun­gen auf den Rechts­sta­tus der Hochschulen24
    Die ein­lei­tend zitier­ten oder ähn­lich for­mu­lier­ten Ziel­set­zun­gen
    der Orga­ni­sa­ti­ons­re­form in den Lan­des­hoch­schul­ge­set­zen
    wur­den aller­dings nur teil­wei­se und halb­her­zig
    ein­ge­löst:
    a) In eini­gen Bun­des­län­dern wur­de der Dop­pel­sta­tus
    der Hoch­schu­len als rechts­fä­hi­ge Kör­per­schaft und
    staat­li­che Ein­rich­tung auf­ge­ho­ben. Am wei­tes­ten ging
    Nord­rhein-West­fa­len im sog. Hoch­schul­frei­heits­ge­setz,
    das den Sta­tus der rechts­fä­hi­gen Kör­per­schaft öffent­li­chen
    Rechts mit der Auf­he­bung der Fach­auf­sicht und
    der Über­tra­gung der bis­lang beim Staat lie­gen­den Finanz‑,
    Per­so­nal- und Orga­ni­sa­ti­ons­ver­ant­wor­tung ver­band.
    25 Dem­ge­gen­über hielt das Baye­ri­sche Hoch­schul­ge­setz
    von 2006 in Art. 11 am bis­he­ri­gen Dop­pel­sta­tus
    der Hoch­schu­len fest und zog in Art. 12 eine schar­fe Abgren­zung
    zwi­schen Kör­per­schafts­an­ge­le­gen­hei­ten und
    staat­li­chen Ange­le­gen­hei­ten. Der in Abs. 3 auf­ge­führ­te
    Kata­log ent­spricht den über­kom­me­nen Defi­ni­tio­nen
    und wird nur bei nicht expli­zi­ten Ent­schei­dungs­ge­gen­stän­den
    durch eine Ver­mu­tung zuguns­ten ihrer Zuge­hö­rig­keit
    zur kör­per­schaft­li­chen Selbst­ver­wal­tung bestimmt.
    26 Auch die Frei­heit der Gestal­tung der Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on
    der zen­tra­len und dezen­tra­len Ebe­ne wur­de
    nur gering­fü­gig erwei­tert. Die Gestal­tung der
    Grund­ord­nung (Orga­ni­sa­ti­ons­sat­zung) der Hoch­schu­le
    8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    27 Gesetz über die Stif­tung Euro­pa Uni­ver­si­tät Via­dri­na v. 14.12.
    2007, GVBl. I Nr. 16, 206.
    28 §§ 81 ff. HHG
    29 Vgl. z.B. § 13 Abs. 3 LHG BW; § 6 HmbHG; § 11 Abs. 4 SächsHG.
    30 § 13 Abs. 3, 8, 9 LHG BW; §§ 10 Abs. 4, 11 Abs. 2, 4, 5 SächsHG.
    31 Z.B. §§ 33, 34 HG NRW. In Sach­sen für die TU Dres­den § 104
    SächsHG.
    32 Z.B. § 11 Abs. 5 LHG BW; § 78 Abs. 2 SächsHG.
    33 Vgl. Art. 13 Abs. 2 BayHG; §§ 34 Abs. 1 LHG BW (Prü­fungsO),
    38 Abs. 5 LHG BW (Pro­mo­ti­onsO), 39 Abs. 5 LHGBW (Habi­li­ta­ti­onsO);
    § 2 Abs. 4 HG NRW; § 13 Abs. 3 SHG 2008; § 13 Abs. 3
    und 4 SächsHG.
    34 Z.B. Art. 15 BayHG; § 13 Abs. 2 LHG BW; §§ 2, 6 HmbHG;
    § 88 Abs. 2 Hess HG; § 6 HG NRW: § 11 SHG; § 57 HSG LSA;
    § 99 Abs. 2 SHG; §§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 7 SächsHG 2008. Zum Instru­ment
    der Ziel­ver­ein­ba­run­gen vgl. G. Sand­ber­ger, Finan­zie­rung
    staat­li­cher Hoch­schu­len über Ziel- und Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen,
    in: Fehling/Kämmerer/Schmidt (Hrsg.), Hoch­schu­len zwi­schen
    Gleich­heit und Eli­te­stre­ben, Schrif­ten der Buc­ce­ri­us Law School,
    Bd. I /5 2005, S. 21 ff. m. w. A.
    35 Aus­nah­men sind NRW: §§ 6 HG, 76 HG NRW. In BW beschränkt
    sich die Fach­auf­sicht bei Bestehen von Ziel­ver­ein­ba­run­gen auf
    deren Ein­hal­tung, § 67 Abs. 2 Nr. 2 LHG BW.
    ist an die Vor­ga­ben des Geset­zes gebun­den und unter­liegt
    staat­li­cher Zustim­mung.
    Auch in der grund­le­gen­den Baden-Würt­tem­ber­gi­schen
    LHG-Novel­le von 2005 wird die Ziel­vor­stel­lung
    der Stär­kung der Hoch­schul­au­to­no­mie nur zum Teil ein­ge­löst.
    Sie hielt am Dop­pel­sta­tus der Hoch­schu­len als
    rechts­fä­hi­ge Kör­per­schaft und staat­li­che Ein­rich­tung
    fest. Orga­ni­sa­ti­ons­au­to­no­mie wur­de mit gesetz­li­chen
    Regel­bei­spie­len nur für wis­sen­schaft­li­che Ein­rich­tun­gen
    und Dienst­leis­tungs­ein­rich­tun­gen auf zen­tra­ler und dezen­tra­ler
    Ebe­ne der Hoch­schu­len ein­ge­räumt. Statt einer
    Dere­gu­lie­rung ist das Gesetz den Weg einer Dele­ga­ti­on
    von Zustän­dig­kei­ten auf die Hoch­schul­lei­tung bei der
    Geneh­mi­gung von Sat­zun­gen, ins­be­son­de­re Prü­fungs­ord­nun­gen,
    in Beru­fungs­an­ge­le­gen­hei­ten und Ernen­nungs­zu­stän­dig­kei­ten
    gegan­gen.
    Die­se Fest­stel­lun­gen las­sen sich auch auf Geset­ze ande­rer
    Bun­des­län­der über­tra­gen, für die die genann­ten
    Hoch­schul­ge­set­ze als Modell gedient haben.
    b) Einen Son­der­weg ist das Nie­der­säch­si­sche Hoch­schul­ge­setz
    von 2002 gegan­gen, das neben dem Modell
    der Hoch­schu­le in staat­li­cher Trä­ger­schaft im 4. Kapi­tel
    die Opti­on der Rechts­form der rechts­fä­hi­gen Stif­tung
    des öffent­li­chen Rechts geschaf­fen hat. Um dem ver­fas­sungs­recht­li­chen
    Gebot der Selbst­ver­wal­tung Rech­nung
    zu tra­gen, wer­den die bis­he­ri­gen staat­li­chen Ange­le­gen­hei­ten
    und Auf­sichts­be­fug­nis­se auf die Stif­tung und deren
    Orga­ne über­tra­gen. Die Selbst­ver­wal­tungs­an­ge­le­gen­hei­ten
    oblie­gen der unter dem Dach der Stif­tung mit­glied­schaft­lich
    ein­ge­rich­te­ten Hoch­schu­le als nicht
    rechts­fä­hi­ger Kör­per­schaft, deren Orga­ne auf der Lei­tungs­ebe­ne
    mit denen der Stif­tung in Per­so­nal­uni­on ver­bun­den
    sind.
    Die­ses Modell wur­de auch in Hoch­schul­ge­set­zen in
    Brandenburg27 und Hessen28 über­nom­men.
    Im Stif­tungs-Modell wird zwar der über die Auf­sicht
    aus­ge­üb­te unmit­tel­ba­re Staats­ein­fluss durch Betei­li­gung
    von Ver­tre­tern des Minis­te­ri­ums im Stif­tungs­rat media­ti­siert,
    er bleibt aber auf­grund der Abhän­gig­keit von
    staat­li­cher Dotie­rung vor­han­den. Ein end­gül­ti­ges Urteil
    dar­über, ob damit ein Auto­no­mie­ge­winn erzielt wird,
    steht noch aus.
    c) Der im neu­en Steue­rungs­mo­dell gefor­der­te Auto­no­mie­ge­winn
    betrifft vor allem die Finanz­wirt­schaft. In
    finanz­wirt­schaft­li­cher Hin­sicht wur­den den Hoch­schu­len
    zwar durch die Haus­halts­glo­ba­li­sie­rung grö­ße­re Gestal­tungs­spiel­räu­me
    eingeräumt.29 Der Preis dafür sind
    aber detail­lier­te Vor­ga­ben für die Ein­füh­rung von Kos­ten-
    und Leis­tungs­rech­nun­gen und für ein
    Berichtsystem.30
    In per­so­nal­recht­li­cher Hin­sicht haben nur weni­ge
    Hoch­schul­ge­set­ze den Hoch­schu­len die vol­le Dienst­her­ren­ei­gen­schaft
    bzw. Arbeit­ge­ber­stel­lung eingeräumt.31
    Statt­des­sen wer­den Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se des Minis­te­ri­ums
    bei Beru­fun­gen und die Ent­schei­dung über dem
    Dienst­her­ren oblie­gen­de Sta­tus­fra­gen auf die Lei­tung
    der Hoch­schu­le delegiert.32
    Glei­ches gilt für die Geneh­mi­gung von Sat­zun­gen,
    Ein­rich­tung von Stu­di­en­gän­gen und Erlass von Prü­fungs­ord­nun­gen.
    33 Bei die­sen wird die Geneh­mi­gung
    des Minis­te­ri­ums durch exter­ne Akkre­di­tie­rungs­ver­fah­ren
    mit eng gefass­ten Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­gen ersetzt.
    Mit dem Instru­ment der Ziel­ver­ein­ba­rung bzw.
    Hochschulvertrag34 wird ein ergeb­nis­ori­en­tier­tes
    Steue­rungs­sys­tem ein­ge­führt, das nicht nur die Finanz­wirt­schaft,
    son­dern die Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung
    der Hoch­schu­len in ihrem gesam­ten Auf­ga­ben­be­reich
    umfasst und die Finanz­zu­wei­sun­gen mit den in der
    Ver­ein­ba­rung ent­hal­te­nen Ziel­vor­ga­ben ver­knüpft. Nur
    in weni­gen Hoch­schul­ge­set­zen sind auto­no­mie­freund­li­che
    Ver­fah­rens­ga­ran­tien für das Zustan­de­kom­men die­ser
    Ziel­ver­ein­ba­run­gen im Sin­ne eines Initia­tiv­rech­tes
    der Hoch­schu­le ent­hal­ten.
    Die Ein­füh­rung von Ziel­ver­ein­ba­run­gen hat jedoch
    kei­nes­wegs zu einer syn­chro­nen Reduk­ti­on der staat­li­chen
    Fach­auf­sicht geführt.35 Viel­mehr bleibt das Ver­hält­nis
    von Ziel­ver­ein­ba­run­gen und Ein­zel­auf­sicht
    offen.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 9
    36 So auch P. Lynen in: Hartmer/ Det­mer (Hrsg.), Hoch­schul­recht, 3.
    Aufl. 2017, Kap 3, S. 119, Rn. 47
    37 Vgl. dazu auch Mono­pol­kom­mis­si­on, Son­der­gut­ach­ten 30, Wett­be­werb
    als Leit­bild für die Hoch­schul­po­li­tik, 2000, S. 109 ff., Rn.
    138 ff.
    38 So aus­drück­lich die Amt­li­che Begrün­dung zum UG Baden-Würt­tem­berg
    v. 1.2.2000, LT-Druck­sa­che 12/4404, S. 225.
    39 BW §§ 15, 16; BY Art. 19, 20; BE § 52; BB § 64; BR §§ 79, 81;
    HH §§ 79, 84 ff.; HE § 37; MVP § 82; NI §§ 36, 37; NRW § 18
    ff.; SA §§ 68, 70; SN §§ 80, 82; SH §§ 18, 22; TH §§ 28 ff.; dazu
    Wis­sen­schafts­rat, Hoch­schul­go­ver­nan­ce, S. 65 ff.; K.F. Gär­ditz,
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung
    2010, S. 527 ff.
    Auch wenn der mit der Hoch­schul­rechts­re­form erreich­te
    Auto­no­mie­ge­winn spür­bar ist, wäre es des­halb
    ver­fehlt, dar­in einen Quan­ten­sprung zu sehen.
    Der Zuge­winn an Ver­ant­wor­tung dient im Ver­bund
    mit der Neu­ord­nung der Finan­zie­rungs­grund­sät­ze dem
    Ziel, Wett­be­werbs­pro­zes­se zwi­schen Hoch­schu­len zu
    stär­ken. Inner­halb der Hoch­schu­len wird er aller­dings
    viel­fach als Ent­las­tungs­stra­te­gie der Trä­ger­län­der gese­hen,
    im Zei­chen der Finanz­kri­se der staat­li­chen Haus­hal­te
    not­wen­di­ge kon­flikt­träch­ti­ge Ent­schei­dun­gen den
    Hoch­schu­len zu überlassen.36
    Jeden­falls ver­lan­gen die neu­en Steue­rungs­sys­te­me
    aber von den Hoch­schu­len eine stär­ke­re stra­te­gi­sche
    Aus­rich­tung ihrer Struk­tu­ren und Res­sour­cen auf Gesamt­zie­le,
    37 die in mit­tel­fris­tig aus­zu­rich­ten­den Struk­tur­und
    Ent­wick­lungs­plä­nen, dar­auf aus­ge­rich­te­ten Ziel­ver­ein­ba­run­gen
    mit dem Trä­ger­land und inter­nen Ziel­ver­ein­ba­run­gen
    mit den Unter­glie­de­run­gen der Hoch­schu­le
    kon­kre­ti­siert wer­den müs­sen.
    Die­se Auf­ga­be kann nach der Kon­zep­ti­on der Reform­ge­setz­ge­bung
    nur von Ent­schei­dungs­or­ga­nen der
    Hoch­schu­len mit klar defi­nier­ten Kom­pe­ten­zen und
    Ver­ant­wort­lich­kei­ten geleis­tet werden.
  6. Reform der Lei­tungs­struk­tu­ren
    Die Reform der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on steht damit in
    einem engen Zusam­men­hang mit der Stär­kung der Ent­schei­dungs­au­to­no­mie
    der Hoch­schu­le nach außen.38
    3.1. Grund­prin­zi­pi­en
    Leit­ge­dan­ke der Orga­ni­sa­ti­ons­re­form ist es, die gestärk­ten
    Hand­lungs­frei­hei­ten der Hoch­schu­len mit einer effi­zi­en­ten
    Ent­schei­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on zu ver­bin­den. Bau­stei­ne
    die­ses Kon­zepts sind:
    – eine kla­re Tren­nung der Auf­ga­ben und Ver­ant­wort­lich­kei­ten
    von Lei­tungs­or­ga­nen auf zen­tra­ler Ebe­ne
    und der Ebe­ne der Fakul­tä­ten,
    – die Ver­la­ge­rung der Zustän­dig­kei­ten für die Res­sour­cen­zu­tei­lung
    und bis­he­ri­gen All­zu­stän­dig­keit
    der Kol­le­gi­al­or­ga­ne auf die zen­tra­len und dezen­tra­len
    Lei­tungs­or­ga­ne,
    – eine kla­re Tren­nung von Lei­tungs- und Auf­sichts­ver­ant­wor­tung,
    – schließ­lich die Beschrän­kung der Kol­le­gi­al­or­ga­ne
    auf die Wahl der Hoch­schul- bzw. Fakul­täts­lei­tung,
    auf Sat­zungs­an­ge­le­gen­hei­ten ein­schließ­lich der
    Orga­ni­sa­ti­ons­sat­zung und auf die Zustim­mung zu
    Ent­schei­dungs­ge­gen­stän­den von grund­sätz­li­cher
    stra­te­gi­scher Bedeu­tung wie dem Abschluss von
    Ziel­ver­ein­ba­run­gen oder den Struk­tur- und Ent­wick­lungs­plä­nen
    der Hoch­schu­le.
    Damit wer­den die bereits ein­gangs erwähn­ten Defi­zi­te
    der bis­he­ri­gen Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le
    beho­ben. Bei die­ser klaff­ten Recht und Wirk­lich­keit aus­ein­an­der.
    Die Auf­ga­ben der zen­tra­len und dezen­tra­len
    Lei­tungs­or­ga­ne umfass­ten de jure die Außen­ver­tre­tung,
    die Füh­rung der lau­fen­den Geschäf­te, per­so­nal­recht­li­che
    Kom­pe­ten­zen, die Lei­tung der Ver­wal­tung, die Lei­tung
    der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne, die Vor­be­rei­tung und
    Durch­füh­rung ihrer Beschlüs­se. Die stra­te­gi­schen Kom­pe­ten­zen
    obla­gen dage­gen den Kol­le­gi­al­or­ga­nen. De fac­to
    fiel aber die eigent­li­che stra­te­gi­sche Funk­ti­on, d. h. die
    Pla­nung und Durch­füh­rung des Ziel­fin­dungs­pro­zes­ses
    schon bis­her der zen­tra­len Hoch­schul­lei­tung zu.
    Die Orga­ni­sa­ti­ons­re­form zeich­net damit in der
    Hoch­schul­wirk­lich­keit vor­weg­ge­nom­me­ne Struk­tu­ren
    eines Hoch­schul­ma­nage­ments nach und besei­tigt die in
    der bis­he­ri­gen Hoch­schul­ge­setz­ge­bung ange­leg­te Kluft
    von Kom­pe­tenz und Ver­ant­wor­tung, die für die all­seits
    kri­ti­sier­te Intrans­pa­renz der Ent­schei­dungs­pro­zes­se ver­ant­wort­lich
    ist.
    3.2. Hochschulleitung39
    Die recht­li­che Umschrei­bung des Funk­ti­ons­wan­dels der
    Hoch­schul­lei­tung spie­gelt sich in der umfas­send ange­leg­ten
    Lei­tungs­kom­pe­tenz wie­der.
    Neben der ope­ra­ti­ven wird die stra­te­gi­sche Gesamt­ver­ant­wor­tung
    der Hoch­schul­lei­tung für die Struk­tur­und
    Ent­wick­lungs­pla­nung ein­schließ­lich der Per­so­nal­ent­wick­lung
    und Bau­pla­nung beson­ders
    her­vor­ge­ho­ben.
    Eben­so wur­de die bis­her über­wie­gend bei Kol­le­gi­al­or­ga­nen
    (Senats­aus­schüs­sen, Ver­wal­tungs­rat) ange­sie­del­te
    Res­sour­cen­ver­ant­wor­tung auf die Hoch­schul­lei­tung
    über­tra­gen. Die Grund­sät­ze der leis­tungs- und belas­tungs­be­zo­ge­nen
    Mit­tel­ver­tei­lung wur­den mit den
    1 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    Vor­ga­ben der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­plä­ne und den
    Ergeb­nis­sen von For­schungs- und Lehr­eva­lua­tio­nen
    ver­knüpft.
    Wegen des erheb­li­chen Macht­zu­wach­ses ist gesetz­li­cher
    Regel­ty­pus die kol­le­gia­le Hoch­schul­lei­tung (Rek­to­rat,
    Prä­si­di­um, Vor­stand). Ihr gehö­ren neben dem Rektor/
    Prä­si­den­ten, meh­re­re Prorektoren/Vizepräsidenten
    und die Kanzlerin/der Kanzler/ die (der)
    Vizepräsident(in) für Ver­wal­tung an. Dabei wer­den für
    die aka­de­mi­schen Mit­glie­der der Hoch­schul­lei­tung Geschäfts­be­rei­che
    zur selb­stän­di­gen Wahr­neh­mung durch
    Orga­ni­sa­ti­ons­akt fest­ge­legt, wäh­rend die Auf­ga­be der
    Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung gesetz­lich zum
    Geschäfts­be­reich der Kanzlerin/des Kanz­lers gehört. Soweit
    das Gesetz nicht der Rektorin/dem Rek­tor, der Präsidentin/
    dem Prä­si­den­ten nicht beson­de­re Kom­pe­ten­zen
    ein­räumt, han­delt das Rek­to­rat als Kol­le­gi­al­or­gan.
    Inner­halb der Hoch­schul­lei­tung kommt dem Rek­tor
    /Präsidenten eine her­aus geho­be­ne, über den Sta­tus des
    Vor­stands­vor­sit­zen­den eines Unter­neh­mens hin­aus­ge­hen­de
    Funk­ti­on zu. Die­se äußert sich in der Außen­ver­tre­tung
    der Hoch­schu­le, der Stel­lung als Dienst­vor­ge­setz­ter,
    in Vor­schlags­rech­ten bei der Bestel­lung der wei­te­ren
    Mit­glie­der des Rek­to­rats und der Deka­ne, Veto­rech­ten
    und in der Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz.
    Die Posi­ti­on des Kanz­lers (Vize­prä­si­den­ten für Ver­wal­tung)
    wird dabei ten­den­zi­ell durch Redu­zie­rung des
    Auf­ga­ben­be­reichs in Wirt­schafts- und Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten,
    befris­te­te und rela­tiv kur­ze Amts­zei­ten und
    das Bestel­lungs­ver­fah­ren geschwächt. Dies geht teil­wei­se
    so weit, dass das Rek­to­rat für die Bestel­lung und Abbe­ru­fung
    des Kanz­lers zustän­dig ist (Bay­ern, Bran­den­burg).
    Ob dies die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der wahr­zu­neh­men­den
    Auf­ga­ben, vor allem eine effi­zi­en­te Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on
    stärkt, muss nach allen Erfah­run­gen
    bezwei­felt wer­den. Dies hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt
    aus beam­ten- und hoch­schul­ver­fas­sungs­recht­li­chen
    Grün­den ver­an­lasst, den Beam­ten­sta­tus auf Zeit an
    die Vor­aus­set­zung gleich­be­rech­tig­ter Funk­tio­nen und
    die Wahl und Abwahl durch die Wahl­or­ga­ne der Hoch­schu­le
    zu knüpfen.40
    3.3. Hoch­schul­rat –Kuratorium41
    Neben der Trans­for­ma­ti­on der Hoch­schul­lei­tung nach
    dem Modell eines Unter­neh­mens­vor­stands ist die Ein­füh­rung
    von Hochschulräten/Kuratorien als Auf­sichts­und
    Wahl­or­gan für die Hoch­schul­lei­tung und als
    Zustim­mungs­or­gan für stra­te­gisch bedeut­sa­me Ent­schei­dun­gen
    die nach­hal­tigs­te Ände­rung der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on.
    Ursprüng­lich als Ersatz der exter­nen Auf­sicht der
    Minis­te­ri­en oder als Platt­form des Zusam­men­wir­kens
    von Staat und Hoch­schu­le kon­zi­piert, übt der Hoch­schul­rat
    neben der wei­ter bestehen­den Rechts- und
    Fach­auf­sicht des Lan­des über­wie­gend nicht mehr staat­li­che
    Auf­sichts­auf­ga­ben, son­dern kör­per­schafts­in­ter­ne
    Aufsichts‑, Ent­schei­dungs- und Bera­tungs­funk­tio­nen
    aus. Inso­weit ist mit der Ein­füh­rung des Hoch­schul­rats /
    der Kura­to­ri­en kei­ne Ver­min­de­rung, son­dern eine Ver­meh­rung
    von Ent­schei­dungs­ebe­nen ein­ge­tre­ten.
    In eini­gen Bun­des­län­dern, z. B. in Bran­den­burg, hat
    der Hoch­schul­rat hoch­schul­über­grei­fen­de Bera­tungs­o­der
    Ent­schei­dungs­funk­tio­nen.
    Auf­fal­lend ist die gro­ße Band­brei­te der Auf­ga­ben, die
    der Hoch­schul­rat / das Kura­to­ri­um im Ent­schei­dungs­sys­tem
    der Hoch­schu­len wahr­nimmt. Die Geset­ze sehen
    dabei ein abge­stuf­tes Sys­tem von Bera­tung, Stel­lung­nah­men,
    Mit­wir­kung, Zustim­mung und End­ent­schei­dun­gen
    vor.
    Bei der Bestel­lung der Hoch­schul­lei­tung erhält der
    Hoch­schul­rat / das Kura­to­ri­um in den meis­ten Bun­des­län­dern
    ein Mit­ent­schei­dungs­recht, die end­gül­ti­ge Ent­schei­dung
    über den Ernen­nungs­vor­schlag liegt beim
    Staat. Gera­de die­se Kom­pe­tenz wird als Ein­griff in die
    Selbst­ver­wal­tung ange­se­hen. Dabei ist aber zu beden­ken,
    dass die Hoch­schul­lei­tung zugleich staat­li­che Auf­ga­ben
    wahr­zu­neh­men hat und des­halb als Kon­se­quenz
    des Demo­kra­tie­prin­zips (Art. 20 Abs. 2 GG) neben der
    Legi­ti­ma­ti­on durch die Wahl des Senats/Konzils auch
    staat­li­cher Legi­ti­ma­ti­on bedarf (per­so­nel­le
    Legi­ti­ma­ti­on)
    End­ent­schei­dun­gen trifft der Hochschulrat/das Kura­to­ri­um
    bei der Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses, bei
    der Beschluss­fas­sung über die Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung,
    über die Grund­sät­ze der Mit­tel­ver­tei­lung
    In eini­gen Bun­des­län­dern ist er auch bei der Fest­le­gung
    der Funk­ti­ons­be­schrei­bung von Pro­fes­su­ren betei­ligt.
    Eine zen­tra­le Auf­ga­be des Hoch­schul­rats / des Kura­to­ri­ums
    ist die Auf­sicht über die Geschäfts­füh­rung des
    Rek­to­rats und die Ver­ant­wor­tung für die Ent­wick­lung
    der Gesamt­uni­ver­si­tät, ins­be­son­de­re für Maß­nah­men
    40 Beschluss des Zwei­ten Senats vom 24. April 2018- 2 BvL 10/16
  • BVerfGE 149, 1 ff., dazu G. Sand­ber­ger, Der Funk­ti­ons­wan­del
    des Kanz­ler­am­tes an Hoch­schu­len — vom Hoch­schul­or­gan zum
    wei­sungs­ge­bun­de­nen Ver­wal­tungs­lei­ter? , DÖV 2018, 963 ff.
    41 BW § 20; BY Art. 26; BE §§ 64, 65; BB § 77; BR § 80; HH § 84;
    HE § 42; MVP § 86; NI § 52; NRW § 21; RPf §§ 74, 75; Saar § 20;
    SA § 74; SN § 86; SH § 19; TH § 34; vgl. dazu Wis­sen­schafts­rat,
    Hoch­schul­go­ver­nan­ce, S. 80 ff.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 1 1
    der Pro­fil­bil­dung und Stär­kung der
    Wett­be­werbs­fä­hig­keit.
    Kei­ne ein­heit­li­che Linie ver­fol­gen die Län­der bei der
    Zusam­men­set­zung des Hochschulrats/Kuratoriums.
    Hochschulräte/Kuratorien mit Bera­tungs­funk­tio­nen
    sind meist extern besetzt. Bei Hoch­schul­rä­ten mit Ent­schei­dungs­funk­tio­nen
    wird über­wie­gend eine Betei­li­gung
    von Hoch­schul­mit­glie­dern bei mehr­heit­lich exter­ner
    Beset­zung vor­ge­se­hen. Als Anfor­de­rungs­pro­fil an
    exter­ne Mit­glie­der wer­den Erfah­run­gen im Bereich von
    Wirt­schaft, Gesell­schaft und Wis­sen­schaft gefor­dert.
    Eine beson­de­re Kon­struk­ti­on hat der Hoch­schul­rat
    in Bay­ern erfah­ren. Ihm gehö­ren neben den exter­nen,
    vom Senat zu wäh­len­den Mit­glie­dern die Wahl­mit­glie­der
    des Senats an. Dies erleich­tert die Ver­net­zung der
    stra­te­gi­schen Ent­schei­dungs­ver­ant­wor­tung und ver­min­dert
    die Legi­ti­ma­ti­ons­pro­ble­me.
    Die Funk­ti­on des Hoch­schul­rats / des Kura­to­ri­ums
    als Hoch­schul­or­gan erfor­dert sei­ne Legi­ti­ma­ti­on durch
    ein hoch­schul­in­ter­nes Bestel­lungs- und Mit­wir­kungs­ver­fah­ren,
    aber zugleich eine Mit­wir­kung des Trä­ger­lan­des.
    Soweit eine Eini­gung nicht erzielt wird, ste­hen
    Hoch­schu­le und Staat meist pari­tä­ti­sche Vor­schlags­rech­te
    zu. Im Regel­fall und bei Aus­ge­stal­tung als Organ der
    Kör­per­schaft auch ver­fas­sungs­recht­lich (Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie)
    gebo­ten, bedarf die Bestel­lung der Bestä­ti­gung
    durch den Senat.
    Die Funk­ti­on des Hochschulrats/Kuratoriums war
    und ist in der hoch­schul­po­li­ti­schen und hoch­schul­recht­li­chen
    Dis­kus­si­on umstrit­ten. Im Mit­tel­punkt ste­hen die
    ihm über­tra­ge­nen Kom­pe­ten­zen in wis­sen­schafts­re­le­van­ten
    Ange­le­gen­hei­ten, sei­ne Zusam­men­set­zung mit
    beherr­schen­dem Ein­fluss nicht zu den Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen
    gehö­ren­den Mit­glie­dern und die feh­len­de oder
    unzu­rei­chen­de per­so­nel­le Legi­ti­ma­ti­on durch den Senat
    als zen­tra­lem Kollegialorgan.42 Der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof
    hat eine Popu­lar­kla­ge gegen sei­ne Ein­rich­tung
    mit der Begrün­dung ver­wor­fen, dass der Hoch­schul­rat
    kei­ne Auf­ga­ben aus dem Kern­be­reich der aka­de­mi­schen
    Selbst­ver­wal­tung erfüllt.43 Die umfas­sen­de
    Kri­tik an den Auf­ga­ben, der Zusam­men­set­zung und Bestel­lung
    des Hoch­schul­rats durch den VerfGH von Baden-
    Würt­tem­berg im Urteil vom 16. 11. 2016 hat nur die
    Bedeu­tung von obiter dic­ta, war aber nicht
    Entscheidungsgegenstand.44
    Die Arbeit des Hoch­schul­rats / des Kura­to­ri­ums hat
    sich nach den zwi­schen­zeit­li­chen Erfah­run­gen der
    Hoch­schul­pra­xis über­wie­gend als ein wich­ti­ger Fak­tor
    für die Hoch­schul­ent­wick­lung her­aus­ge­stellt. Die Betei­li­gung
    Exter­ner kann zur Erwei­te­rung der Per­spek­ti­ven,
    zur Ver­an­ke­rung der Hoch­schu­le in ihrem Umfeld und
    zur Schlich­tung schwie­ri­ger inter­ner Kon­flik­te bei­tra­gen.
    Vor­aus­set­zung für eine erfolg­rei­che Tätig­keit ist
    aber, dass die Mit­glie­der des Hoch­schul­rats bei Ent­schei­dun­gen
    mit aka­de­mi­schem Bezug den inter­nen Sach­ver­stand
    der Hoch­schu­le respek­tie­ren und Sen­si­ti­vi­tät für
    die hoch­schul­in­ter­nen Wil­lens­bil­dungs­pro­zes­se
    ent­wi­ckeln, die die Inte­gra­ti­on und Über­zeu­gung der
    Hoch­schul­mit­glie­der zu gemein­sa­men Hand­lungs­zie­len
    und ihrer Rea­li­sie­rung in For­schung und Leh­re zu gewähr­leis­ten
    haben. Hier­bei kann Füh­rungs­er­fah­rung
    aus ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen hilf­reich, bei undif­fe­ren­zier­ter
    Über­tra­gung von deren Ent­schei­dungs­mo­del­len
    auf Hoch­schu­len aber auch hin­der­lich sein.
    Die Inte­gra­ti­on des Hoch­schul­rats in das Ent­schei­dungs­sys­tem
    der Hoch­schu­le ist also ein wech­sel­sei­ti­ger
    Lern­pro­zess der Mit­glie­der des Hoch­schul­rats und der
    tra­di­tio­nel­len Selbst­ver­wal­tung, inner­halb des­sen Gespür
    für die jewei­li­gen Ver­ant­wort­lich­kei­ten ent­wi­ckelt
    wer­den muss.
    Dies impli­ziert auch die Ent­wick­lung infor­mel­ler
    Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tu­ren neben den gesetz­li­chen
    Ver­fah­rens­re­ge­lun­gen. Wenn die­se bei wich­ti­gen Per­so­nal­ent­schei­dun­gen
    und für die Ent­wick­lung der Hoch­schu­le
    bedeut­sa­men stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen nicht
    ein­ge­hal­ten wer­den, kön­nen — wie Erfah­run­gen in ein­zel­nen
    Hoch­schu­len bele­gen — läh­men­de Frik­tio­nen
    ent­ste­hen.
    3.4. Senat45
    Die Stär­kung der Hoch­schul­lei­tung und die Ein­füh­rung
    des Hochschulrats/Kuratoriums haben erheb­li­che Ver­schie­bun­gen
    von Zustän­dig­kei­ten der zen­tra­len Kol­le­gi­al­or­ga­ne
    zur Fol­ge. Die Zustän­dig­keit des Senats wur­de
    in den Län­dern mit Hoch­schul­rä­ten mas­siv redu­ziert.
    Dies stößt wegen der gerin­gen Ver­an­ke­rung des Hoch-
    42 Vgl. dazu aus der Zeit der Ein­füh­rung Fitt­schen, Wider die
    Ein­füh­rung von Hoch­schul­rä­ten Fitt­schen, Wider die Ein­füh­rung
    von Hoch­schul­rä­ten, WissR (39) 1997, 325 ff.; Hart­mer,
    in Hartmer/Detmer, Hoch­schul­recht 2004, S. 200, Rn. 149 ff.;
    J. Kers­ten, Alle Macht den Hoch­schul­rä­ten?, DVBl. 1999, 1704
    ff..; umfas­sen­de Dar­stel­lung des Streit­stan­des bei K.F. Gär­ditz,
    Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys­tem­bil­dung
    2010, S. 545 ff.; W. Kahl, Hoch­schul­rä­te – Demo­kra­tie­prin­zip
    – Selbst­ver­wal­tung unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung des
    Auf­sichts­rats­mo­dells in Baden-Würt­tem­berg, AöR 2005, 225 ff.
    43 Beschluss v. 7.5.2008, NVwZ 2009, 177.
    44 ESVGH 67, 124, Rn. 203 ff.
    45 BW § 19; BY Art. 25; BE §§ 60, 61; BB § 64; BR § 80; HH § 85;
    HE § 36; MVP § 81; NI § 41; NRW § 22; RPf §§ 76, 77; Saar § 19;
    SA § 67; SN § 81; SH § 27; TH § 35; vgl. dazu Wis­sen­schafts­rat,
    Hoch­schul­go­ver­nan­ce, S. 75 ff.
    1 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    schul­rats in der Selbst­ver­wal­tung auch auf ver­fas­sungs­recht­li­che
    Kri­tik. In die Zustän­dig­keit des Senats fal­len
    nun­mehr in der Regel neben der Mit­wir­kung bei der
    Wahl der Hoch­schul­lei­tung vor allem Satzungs‑, Beru­fungs-
    und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen.
    3.5. Unter­blie­be­ne Gestal­tung der Ablauf­pro­zes­se
    Bei den dem Hoch­schul­rat / dem Kura­to­ri­um oblie­gen­den
    stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen erhält der Senat im
    Regel­fall das Recht der Stel­lung­nah­me, ins­be­son­de­re bei
    der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung. Da inner­halb
    der Struk­tur­pla­nung die Fest­le­gung von Schwer­punk­ten
    in For­schung und Leh­re, auch die Ent­schei­dung über
    Prio­ri­tä­ten ver­langt wird, die wis­sen­schaft­li­chen Sach­ver­stand
    vor­aus­setzt, kommt einem breit ange­leg­ten
    Infor­ma­ti­ons­aus­tausch und der Her­stel­lung eines Kon­sen­ses
    zwi­schen bei­den Gre­mi­en in allen Fra­gen mit
    vor­ran­gig aka­de­mi­schem Inhalt ein hoher Rang zu. Den
    dabei gebo­te­nen Ablauf­pro­zes­sen wird in den neu­en
    Hoch­schul­ge­set­zen viel­fach kei­ne oder nur unter­ge­ord­ne­te
    Bedeu­tung beigemessen.46
    3.6 Ver­ti­ka­le Aufbauorganisation47 – Fakultäten48
    Die Neu­aus­rich­tung der Fakul­täts­or­ga­ni­sa­ti­on als der
    ope­ra­ti­ven Grund­ein­heit für For­schung und Leh­re ist
    neben der Neu­ge­stal­tung der zen­tra­len Ebe­ne das wich­tigs­te
    Anlie­gen der Hoch­schul­re­form.
    Für die fach­li­che Glie­de­rung gibt es meist — außer vagen
    For­mu­lie­run­gen wie: „Zusam­men­fas­sung glei­cher
    oder ver­wand­ter Fach­ge­bie­te“ — kei­ne Vor­ga­ben, dafür
    wer­den Min­dest­grö­ßen wie eine bestimm­te Anzahl von
    Pro­fes­su­ren fest­ge­legt.
    Deut­lich erkenn­bar ist die Absicht des Gesetz­ge­bers,
    die Fakul­tät nach­hal­tig auf stra­te­gi­sche Zie­le, Effi­zi­enz
    des Mit­tel­ein­sat­zes und auf die Qua­li­täts­kon­trol­le aus­zu­rich­ten.
    Der Zuwachs an Auf­ga­ben wird mit der Stär­kung
    der Lei­tungs­funk­ti­on der Fakul­täts­lei­tung ver­bun­den.
    Die meis­ten Hoch­schul­ge­set­ze haben sich für eine
    kol­le­gia­le Fakul­täts­lei­tung durch den Fakul­täts­vor­stand
    ent­schie­den.
    Um die Ein­bin­dung in die Loya­li­tät gegen­über der
    Hoch­schul­lei­tung zu errei­chen, sieht das Gesetz die dop­pel­te
    Legi­ti­ma­ti­on der Fakul­täts­lei­tung durch ein Vor­schlags­recht
    des Rektorats/Präsidiums und die Wahl
    durch den Fakul­täts­rat vor. Spie­gel­bild­lich zum Zuwachs
    der Auf­ga­ben der Fakul­täts­lei­tung ist die Reduk­ti­on des
    Fakul­täts­rats auf Wahl‑, Auf­sichts- und Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen
    in grund­sätz­li­chen Ange­le­gen­hei­ten, ins­be­son­de­re
    die Beschluss­fas­sung über Beru­fungs­vor­schlä­ge,
    Sat­zun­gen und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen
    vor­ge­se­hen.
    Unter­halb der Fakul­täts­ebe­ne las­sen die neu­en Hoch­schul­ge­set­ze
    erheb­li­che Gestal­tungs­spiel­räu­me zwi­schen
    den nach fach­li­chen Kri­te­ri­en zuge­schnit­te­nen Insti­tu­ten
    und neu­en Ent­wick­lun­gen in der Wis­sen­schaft offe­nen,
    häu­fig inter­dis­zi­pli­nä­ren und auf Zeit ein­ge­rich­te­ten
    Zen­tren.
    Dies erlaubt vor allem eine unter­schied­li­chen Ord­nungs­prin­zi­pi­en
    fol­gen­de Orga­ni­sa­ti­on des Lehr- und
    For­schungs­an­ge­bots.
    3.7. Stu­di­en­struk­tur­re­form und Qualitätssicherung49
    Die Ein­füh­rung gestuf­ter Stu­di­en­gän­ge im Rah­men der
    Bolo­gna-Reform hat­te nicht nur eine inhalt­li­che Neu­aus­rich­tung
    der Stu­di­en­gän­ge und Prü­fun­gen mit einem
    inter­na­tio­nal trans­fe­rier­ba­ren Leis­tungs­punk­te­sys­tem
    zur Fol­ge. Im Zuge der Reform wur­de auch das bis­he­ri­ge
    Sys­tem von der KMK koor­di­nier­ter Modell­stu­di­en­gän­gen
    durch weit­ge­hen­de Über­tra­gun­gen der Ent­schei­dun­gen
    über die Ein­rich­tung und inhalt­li­che Gestal­tung
    auf die Hoch­schu­len abge­löst. Damit ver­bun­den ist die
    Ein­füh­rung von Qua­li­täts­si­che­rungs­maß­nah­men wie
    der Sys­tem­ak­kre­di­tie­rung, Akkre­di­tie­rung von Stu­di­en­gän­gen
    nach Maß­ga­be von ver­ein­heit­lich­ten Vor­ga­ben
    und Ver­fah­ren durch exter­ne Akkre­di­tie­rungs­or­ga­ne
    sowie eine inter­ne Qua­li­täts­si­che­rung in Form lau­fen­der
    Lehr­ver­an­stal­tungs­eva­lua­tio­nen.
    In das deut­sche Hoch­schul­sys­tem wur­den damit
    Maß­nah­men der Qua­li­täts­si­che­rung über­nom­men, die
    im angel­säch­si­schen Hoch­schul­sys­tem schon seit Jahr­zehn­ten
    eta­bliert sind. Obwohl über die Not­wen­dig­keit
    inzwi­schen weit­ge­hen­de Einig­keit besteht, wur­den bei
    der Insti­tu­tio­na­li­sie­rung die mit ihr ver­bun­de­nen Ein­grif­fe
    in die Lehr- und Stu­dier­frei­heit, die dafür not­wen­di­ge
    gesetz­li­che Grund­la­ge und ver­fah­rens­mä­ßi­gen Siche­run­gen
    durch hin­rei­chen­de Teil­ha­be der Wis­sen­schaft
    vernachlässigt.50 Der Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts
    vom 17.2.2016 hat zwar der Not­wen­dig­keit
    46 Auf die­se Pro­ble­ma­tik weist auch der Wis­sen­schafts­rat in sei­nen
    Emp­feh­lun­gen zur Hoch­schul­go­ver­nan­ce, S. 79 hin.
    47 Orga­ni­sa­ti­ons­grund­sät­ze ent­hal­ten fol­gen­de Lan­des­ge­set­ze: BW
    § 15; BE § 75a; BB § 71; BR § 86; HH § 92; HE § 47; NRW § 36;
    NI § 36; RPf § 71; Saar § 13; SA § 66; SH § 18; TH §§ 38- 40.
    48 BW §§ 22–26; BY Art. 27, 28; BE §§ 69–72; BB §§ 71–73; BR
    86–90; HH §§ 89–92; HE §§ 43–47; MVP §§ 90–92 a; NI §§ 43–45;
    NRW §§ 27–28; RPf §§ 85–88; Saar §§ 26–29; SA §§ 76–79; SN
    §§ 87–91; SH §§ 28–31; TH §§ 38–41.
    49 Vgl. dazu A. Kalous, Stu­di­um, Leh­re Prü­fun­gen in Haug, Das
    Hoch­schul­recht Baden- Würt­tem­berg, 3. Aufl. 2020, Kap. 3 A, S.
    290 ff. m.w.N.; G. Sand­ber­ger, Qua­li­täts­si­che­rung, in Haug, aaO.
    Kap. 3 E, S. 369 ff. m.w.N.
    50 Vgl. dazu die Hin­wei­se bei Sand­ber­ger, vori­ge Fn. Rn. 848.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 1 3
    der Akkre­di­tie­rung von Stu­di­en­gän­gen kei­ne Absa­ge erteilt
    und die Qua­li­täts­si­che­rung unter der Vor­aus­set­zung
    der Ein­hal­tung wis­sen­schafts­kon­for­mer Ver­fah­ren für
    gebo­ten und ver­fas­sungs­kon­form erklärt. Die­sen Anfor­de­run­gen
    genüg­te das bis­her auf einem Staat­ver­trag der
    Bun­des­län­der beru­hen­de Sys­tem nicht. Vor allem war
    die von Hoch­schul­leh­rern zu ver­ant­wor­ten­de wis­sen­schaft­li­che
    Sach­kom­pe­tenz bei der Zusam­men­set­zung
    der Gre­mi­en nicht gewähr­leis­tet. Die im Beschluss des
    BVerfG ent­hal­te­nen Anfor­de­run­gen wur­den inzwi­schen
    durch den Stu­di­en­ak­kre­di­tie­rungs­staat­ver­trag vom 7. 11.
    2017 mit Wir­kung zum 1.1.2018 umgesetzt.51
    IV. Wei­te­re Ent­wick­lun­gen von 2010 bis 2020
    Die Novel­len in den Jah­ren 2010–2020 betref­fen idR
    nicht die Grund­kon­zep­ti­on der Hoch­schul­ver­fas­sung,
    son­dern die in der Ein­lei­tung auf­ge­führ­ten anlass­be­zo­ge­nen
    Ergän­zun­gen. Schwer­punk­te sind der Gleich­stel­lungs­auf­trag,
    För­de­rung von Fami­lie und Stu­di­um,
    Schutz behin­der­ter Stu­die­ren­der, die Haus­halts­fle­xi­bi­li­sie­rung,
    die Qua­li­täts­si­che­rung, ins­be­son­de­re Akkre­di­tie­rung
    das Pro­mo­ti­ons­we­sen, der Hoch­schul­zu­gang,
    die Wie­der­ein­füh­rung der Stu­die­ren­den­schaft, das Beru­fungs­we­sen,
    die leis­tungs­be­zo­ge­ne Besol­dung, Kor­rek­tu­ren
    der Per­so­nal­struk­tur im wis­sen­schaft­li­chen Dienst
    und die Ein­füh­rung der Juni­or­pro­fes­sur als Qua­li­fi­ka­ti­ons­pfad
    zum Hoch­schul­leh­rer­be­ruf.
    Grund­sätz­li­che Kor­rek­tu­ren seit 2010 ste­hen dem­ge­gen­über
    in der Regel im Zusam­men­hang mit einem Regie­rungs­wech­sel
    oder sind durch Vor­ga­ben der Ver­fas­sungs­ju­di­ka­tur
    des BVerfG und der Län­der­ver­fas­sungs­ge­rich­te
    ver­an­lasst. Dane­ben haben eini­ge Bun­des­län­der
    die zahl­rei­chen Ände­run­gen in einer Neu­fas­sung kon­so­li­diert.
    52 Vom Regie­rungs­wech­sel ver­an­lasst sind ins­be­son­de­re
    die Hoch­schul­ge­setz­no­vel­len in Nord­rhein-
    West­fa­len in den Jah­ren 2014 und 2019.
    Unter dem Titel „Hoch­schul­zu­kunfts­ge­setz“ hat die
    von der rot-grü­nen Mehr­heit im Land­tag getra­ge­ne Lan­des­re­gie­rung
    trotz eines Bekennt­nis­ses zur Grund­kon­zep­ti­on
    wesent­li­che Reform­ele­men­te des Geset­zes von
    2006 zurück­ge­nom­men. Dies betrifft vor allem den
    Rechts­sta­tus der Hoch­schu­len und die in ihm erreich­te
    Hoch­schul­au­to­no­mie. Die­se wur­de wie­der ein­ge­schränkt,
    “weil staat­li­che Dere­gu­lie­rung im Hoch­schul­we­sen
    nicht dazu füh­ren dür­fe, das Land gänz­lich aus
    sei­ner Ver­ant­wor­tung zu ent­las­sen und Gemein­wohl­in­ter­es­sen
    weni­ger Beach­tung einzuräumen.53 Die bis­her
    auf eine blo­ße Recht­mä­ßig­keits­kon­trol­le beschränk­te
    staat­li­che Auf­sicht, wur­de für die Per­so­nal­ver­wal­tung
    und die Haus­halts- und Wirt­schafts­an­ge­le­gen­hei­ten
    wie­der ein­ge­führt (§ 33 Abs. 2 und 3 HG 2014). Die gra­vie­rends­te
    Beschrän­kung stel­len „Rah­men­vor­ga­ben“
    nach § 6 Abs. 5 LHG dar, die nicht nur für den Ein­zel­fall
    gel­ten, son­dern eine Gesamt­steue­rung der Hoch­schu­len
    ermög­li­chen sol­len (vgl. auch § 5 Abs. 9 LHG). Ver­stö­ße
    gegen Rah­men­vor­ga­ben konn­ten das Minis­te­ri­um berech­ti­gen,
    einen ange­mes­se­nen Teil des jähr­li­chen Zuschus­ses
    (zeit­wei­lig) zurück­zu­be­hal­ten oder (gänz­lich)
    ein­zu­be­hal­ten (§ 76 Abs. 6 S. 2 NRWHG 2014). Als
    Instru­ment der Steue­rung dien­te ein Lan­des­hoch­schul­ent­wick­lungs­plan,
    der die lan­des­po­li­tisch bedeut­sa­men
    Auf­ga­ben der Hoch­schu­len beschrieb und den ver­bind­li­chen
    Rah­men für Hoch­schul­ver­trä­ge zwi­schen dem
    Minis­te­ri­um und den Hoch­schu­len bil­de­te. Den Lan­des­hoch­schul­ent­wick­lungs­plan
    beschloss das Minis­te­ri­um
    auf der Grund­la­ge vom Land­tag gebil­lig­ter Pla­nungs­grund­sät­ze
    als Rechts­ver­ord­nung im Ein­ver­neh­men
    mit dem Land­tag (§ 6 Abs. 2 NRWHG 2014).
    Mit dem Gesetz zur Ände­rung des Hoch­schul­ge­set­zes
    v. 12.7.2019 wur­den die­se Beschrän­kun­gen, vor allem
    das Instru­ment der Rah­men­vor­ga­ben durch die von
    CDU und FDP getra­ge­ne Lan­des­re­gie­rung wie­der weit­ge­hend
    besei­tigt. Die Abstim­mung von stra­te­gi­schen
    Zie­len erfolgt wie­der gemein­sam zwi­schen den Hoch­schu­len
    und dem Minis­te­ri­um. Im Bereich des Hoch­schul­baus
    wer­den die Befug­nis­se der Hoch­schu­len gestärkt:
    Ein „Opti­ons­mo­dell“ erlaubt den Hoch­schu­len,
    selbst zu Bau­her­ren zu wer­den (§ 2 Abs. 8 NRWHG
    2019).
    Mit der Regie­rungs­über­nah­me durch eine grün-rote
    Mehr­heit im Jahr 2011 und eine grün-schwar­ze Mehr­heit
    im Jahr 2016 sind auch die zahl­rei­chen Kor­rek­tu­ren des
    Lan­des­hoch­schul­ge­set­zes am Leit­bild der unter­neh­me­ri­schen
    Hoch­schu­le in Baden-Würt­tem­berg
    ver­bun­den.
    Das 3. HRÄG setz­te sich in sei­nem hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­schen
    Teil zum Ziel, die Lei­tungs­struk­tu­ren der
    Hoch­schu­le neu zu jus­tie­ren. Dies äußer­te sich zum einen
    in der Erset­zung der an die Ent­schei­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on
    von Unter­neh­men erin­nern­den Bezeich­nun­gen
    Vor­stand durch Rek­to­rat bzw. Prä­si­di­um, Auf­sichts­rat
    51 Für Baden-Würt­tem­berg abge­druckt GBl. 2017, 584.
    52 Dazu gehö­ren von den in Fn. 3 Auf­ge­führ­ten fol­gen­de Lan­des­ge­set­ze:
    Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Rhein­land-
    Pfalz, Saar­land, Schles­wig-Hol­stein und Thü­rin­gen.
    53 LTDrs. 16/5410, 293.
    1 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    durch Hoch­schul- oder Uni­ver­si­täts­rat, Fakul­täts­vor­stand
    durch Deka­nat. Zum ande­ren wur­de die per­so­nel­le
    Legi­ti­ma­ti­on der Hoch­schul­lei­tung aus der Selbst­ver­wal­tung
    durch ein Fin­dungs- Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren
    mit maß­geb­li­chem Ein­fluss des Senats gestärkt.
    Schließ­lich wur­de dem Senat beim Abschluss von Hoch­schul­ver­trä­gen
    und Ziel­ver­ein­ba­run­gen das Recht der
    Stel­lung­nah­me ein­ge­räumt.
    Die for­mal zur Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des Wahl- und
    Abwahl­ver­fah­rens der Hoch­schul­lei­tung ergan­ge­ne Ent­schei­dung
    des Ver­fas­sungs­ge­richts­ho­fes, stell­te den Gesetz­ge­ber
    vor die Wahl, die Mit­wir­kungs­rech­te des Senats
    in Ange­le­gen­hei­ten der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung,
    Bau­pla­nung, Abschluss von Hoch­schul­ver­trä­gen,
    Auf­stel­lung und Voll­zug des Haus­halts- und
    Wirt­schafts­plans und der Orga­ni­sa­ti­on wis­sen­schaft­li­cher
    Ein­rich­tung im Sin­ne von Mit­ent­schei­dungs­ko­me­ten­zen
    zu stär­ken oder für das Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren
    einen ent­schei­den­den Ein­fluss eines aus Wahl­mit­glie­dern
    der Pro­fes­so­ren­schaft zusam­men­ge­setz­ten
    Fin­dungs- und Wahl­gre­mi­ums zu sichern.
    Das HRWei­tEG ent­schied sich für die Bei­be­hal­tung
    des bis­he­ri­gen Kom­pe­tenz­ge­fü­ges, für die Neu­ge­stal­tung
    des Wahl- und Abwahl­ver­fah­rens ent­spre­chend den
    Vor­ga­ben des VerfGH.
    Neben dem Abwahl­ver­fah­ren durch Senat und Hoch­schul­rat
    wird die Mög­lich­keit einer Urab­wahl durch die
    Pro­fes­so­ren­schaft geschaf­fen.
    Ein­be­zo­gen wur­de auch das Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren
    der Fakul­täts­lei­tun­gen.
    Neu gestal­tet wur­de die bis­her von Amts­mit­glie­dern
    (Rek­to­rat, Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te, Deka­ne) beherrsch­te
    Zusam­men­set­zung des Senats mit dem Ziel
    der Siche­rung der Mehr­heit der gewähl­ten Pro­fes­so­ren.
    Um eine ange­mes­se­ne Ver­tre­tung der Fächer zu sichern,
    ist statt einer Lis­ten­wahl eine Wahl für eine nach Fakul­täts­grö­ße
    bestimm­te Zahl von Sit­zen vor­ge­se­hen.
    Mit dem Regie­rungs­wech­sel in Nie­der­sach­sen ver­bun­den
    ist das Gesetz zur Stär­kung der Betei­li­gungs­kul­tur
    inner­halb der Hoch­schu­len vom 15.12.2015 (Nds.
    GVBl. 384). Inhalt ist u.a. eine Stär­kung der Betei­li­gungs­rech­te
    der Stu­die­ren­den, Pro­mo­vie­ren­den und
    Per­so­nal­ver­tre­tun­gen bezüg­lich der Ent­schei­dun­gen der
    Hoch­schu­le. Zugleich wur­de den Auf­la­gen des Beschlus­ses
    des BVerfG zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der MH Han­no­ver
    Rech­nung getra­gen.
    Wesent­li­che Ver­än­de­run­gen sind von dem im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren
    befind­li­chen Ent­wurf des baye­ri­schen
    Hochschulinnovationsgesetzes54 zu erwar­ten.
    Der bis­he­ri­ge Dop­pel­sta­tus der Hoch­schu­len soll durch
    ein Kör­per­schafts­mo­dell abge­löst wer­den. Damit ist aber
    nur eine Opti­on für einen Glo­bal­haus­halt ver­bun­den,
    wäh­rend die Dienst­her­ren­ei­gen­schaft beim Frei­staat
    ver­blei­ben soll. In orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­cher Hin­sicht neu
    ist, dass das Gesetz die inter­ne Orga­ni­sa­ti­on und Lei­tungs­struk­tur
    auf der dezen­tra­len Ebe­ne weit­ge­hend der
    Grund­ord­nung über­lässt. Vor­ge­ge­ben ist dem­ge­gen­über
    die Lei­tungs­struk­tur auf der zen­tra­len Ebe­ne mit einer
    kol­le­gia­len Hoch­schul­lei­tung, einem kol­le­gi­al ver­fass­ten
    zen­tra­len Organ (Senat) und dem Hoch­schul­rat als inter­nem
    Auf­sichts­or­gan.
    Für die dezen­tra­le Ebe­ne blei­ben die Anfor­de­run­gen
    an die Kom­pe­tenz­ge­stal­tung und Bestel­lungs­ver­fah­ren
    weit­ge­hend offen.
    Auf zen­tra­ler Ebe­ne folgt der Ent­wurf weit­ge­hend
    der in Baden-Würt­tem­berg rea­li­sier­ten Opti­on, die im
    MHH-Beschluss monier­te Betei­li­gung des Senats in wis­sen­schafts­re­le­van­ten
    Fra­gen durch ein neben dem bestehen­den
    Abwahl­ver­fah­ren durch ein Urab­wahl­ver­fah­ren
    einer Mehr­heit von 40 % der Pro­fes­so­ren­schaft zu
    ergän­zen.
    An die­sem Ent­wurf hat M. E. Geis neben dem Pro­blem
    der Kon­for­mi­tät der zen­tra­len Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on
    mit den Anfor­de­run­gen des MHH-Beschlus­ses die Fra­ge
    auf­ge­wor­fen, ob die vor­ge­se­he­ne Rege­lungs­of­fen­heit mit
    der Wesent­lich­keits­theo­rie (Art. 20 Abs.2 GG) ver­ein­bar
    ist.55
    Das 2021 ver­ab­schie­de­te Ber­li­ner Hochschulgesetz56
    behält den Dop­pel­sta­tus der Hoch­schu­len
    (§ 2 Abs. 1) und die Dienst­her­ren-/Ar­beit­ge­ber­stel­lung
    für das Hoch­schul­per­so­nal (§ 2 Abs. 4) bei. Die Auf­ga­be
    der Dienst­be­hör­de wird vom Kura­to­ri­um auf die Prä­si­den­tin
    oder den Prä­si­den­ten über­tra­gen (§ 67). Eben­so
    wird die Rechts­auf­sicht und Fach­auf­sicht bei der Wahr­neh­mung
    staat­li­cher Ange­le­gen­hei­ten auf­recht­erhal­ten.
    In orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­cher Hin­sicht ori­en­tiert sich das
    Gesetz an der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung der ande­ren
    Bun­des­län­der. In die Rege­lung der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on
    gehen zugleich die Erfah­run­gen ein, die auf der Grund­la­ge
    der Expe­ri­men­tier­klau­sel mit den Lei­tungs­mo­del­len
    in ein­zel­nen Ber­li­ner Hoch­schu­len gewon­nen wur­den.
    Schließ­lich trägt die Novel­le den im MHH-Beschluss
    nie­der­ge­leg­ten Maß­stä­ben an eine ver­fas­sungs­kon­for­me
    Gestal­tung Rech­nung.
    Regel­ty­pus für die Lei­tung der Hoch­schu­le (§ 56) ist
    künf­tig eine kol­le­gia­le Prä­si­di­al­ver­fas­sung (§ 52), der der
    54 Bay­ri­sches Staats­mi­nis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Kunst, Baye­ri­sches
    Hoch­schul­in­no­va­ti­ons­ge­setz (Bay­HIG), Dok- Nr-2210–1-
    3 WK.
    55 M. E. Geis, Das neue baye­ri­sche Hoch­schul­in­no­va­ti­ons­ge­setz,
    OdW 2021, 211 ff., 216.
    56 GVBl. 2021, S. 1039 ff.; RegE Drs. 18/ 3818.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 1 5
    Kanz­ler mit der Auf­ga­be der Wirt­schafts- und Per­so­nal­ver­wal­tung
    und Lei­tung der Hoch­schul­ver­wal­tung
    gleich­be­rech­tigt ange­hört (§ 58).
    An die Stel­le des Kon­zils tritt der für die Wahl- und
    Abwahl der Hoch­schul­lei­tung und den Erlass der Grund­ord­nung
    zustän­di­ge erwei­ter­te Aka­de­mi­sche Senat
    (§ 63). Die Zustän­dig­kei­ten des Aka­de­mi­schen Senats
    wer­den ent­spre­chend den Maß­stä­ben des MHH-Beschlus­ses
    in wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ange­le­gen­hei­ten
    gestärkt (§ 61), der weit­rei­chen­de Ein­fluss des Kura­to­ri­ums
    wird ent­spre­chend redu­ziert (§ 65). Glei­ches gilt für
    die Zustän­dig­kei­ten für das Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren
    der Hoch­schul­lei­tung. Zu den Zustän­dig­kei­ten des Senats
    gehö­ren auch Ent­schei­dun­gen über die Fle­xi­bi­li­sie­rung
    des Haus­halts­we­sens (§ 88a). Im Kura­to­ri­um sind
    künf­tig die Ver­tre­ter der Senats­ver­wal­tung nur noch mit
    bera­ten­der Stim­me ver­tre­ten. Bei der Zusam­men­set­zung
    des Senats ist die Pro­fes­so­rin­nen-Mehr­heit zu
    gewähr­leis­ten.
    Für die Orga­ni­sa­ti­on auf der Ebe­ne der Fach­be­rei­che
    (§§ 69 ff.) sieht § 75a eine weit­rei­chen­de Gestal­tungs­frei­heit
    nach einem vor­ge­se­he­nen Rege­lungs­ka­ta­log vor.
    Im Rah­men des jetzt als Inno­va­ti­ons­klau­sel bezeich­ne­ten
    § 75a kön­nen die Hoch­schu­len mit Zustim­mung
    der Senats­ver­wal­tung abwei­chen­de Rege­lun­gen tref­fen,
    soweit die­se der Ver­bes­se­rung der Betei­li­gungs­struk­tu­ren,
    der Orga­ni­sa­ti­on der Ent­schei­dungs­fin­dung und
    Wirt­schaft­lich­keit die­nen.
    V. Hoch­schul­re­for­men auf dem Prüf­stand des Hochschulverfassungsrechts57
    Bei allen bis­he­ri­gen Reform­schrit­ten der Hoch­schul­ge­setz­ge­bung
    war die Ver­än­de­rung des Orga­ni­sa­ti­ons­rech­tes
    Gegen­stand ver­fas­sungs­ge­richt­li­cher Ent­schei­dun­gen,
    meist auf­grund von Ver­fas­sungs­be­schwer­den von
    Mit­glie­dern von Hoch­schul­grup­pen, die sich durch die
    Orga­ni­sa­ti­ons­än­de­run­gen in ihren Grund­rech­ten beein­träch­tigt
    sahen.
  1. BVerfGE 35, 72 ff.- Nie­der­säch­si­sches Vor­schalt­ge­setz
    Grund­le­gen­de Bedeu­tung für die wei­te­re Ent­wick­lung
    des Hoch­schul­ver­fas­sungs­rechts hat die Ent­schei­dung
    des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum sog. Vor­schalt­ge­setz
    zum Nie­der­säch­si­schen Hoch­schul­ge­setz aus dem Jah­re
    1973.58 Gegen­stand waren diver­se Ver­fas­sungs­be­schwer­den
    gegen die Ein­füh­rung der Grup­pen­uni­ver­si­tät in der
    Form drit­tel­pa­ri­tä­tisch zusam­men­ge­setz­ter Kol­le­gi­al­or­ga­ne
    auf der zen­tra­len und dezen­tra­len Ebe­ne der Uni­ver­si­tät.
    Das BVerfG nahm dies zum Anlass grund­le­gen­der,
    aber auch ins orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­che Detail gehen­der
    Aus­füh­run­gen zum Inhalt der Wis­sen­schafts­frei­heit, dar­aus
    zu zie­hen­der Kon­se­quen­zen für das Ver­hält­nis von
    Staat und Uni­ver­si­tät sowie der Gestal­tung des Orga­ni­sa­ti­ons­rechts
    und den dabei vom Gesetz­ge­ber zu beach­ten­den
    Gren­zen der Gestal­tungs­frei­heit.
    Aus­gangs­punkt ist die Fest­stel­lung des Gerichts, dass
    Art. 5 Abs. 3 GG neben sei­nem abwehr­recht­li­chen indi­vi­du­al­recht­li­chen
    Gehalt eine objek­ti­ve Wert­ord­nung
    ver­kör­pert, die als ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­ent­schei­dung
    alle Berei­che des Rechts bin­det.
    Dabei lässt das Gericht unter Hin­weis auf die lan­des­ver­fas­sungs­recht­li­che
    Garan­tie der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung
    offen, ob Art. 5 Abs, 3 GG auch ein Grund­recht
    der deut­schen Uni­ver­si­tät gewähr­leis­tet oder gar
    eine insti­tu­tio­nel­le Garan­tie der tra­di­tio­nel­len Uni­ver­si­täts­or­ga­ni­sa­ti­on
    gewähr­leis­tet.
    Kon­se­quenz der objek­ti­ven Gewähr­leis­tung der Wis­sen­schafts­frei­heit
    ist im Ver­hält­nis zum Staat zum einen
    ein Inge­renz­ver­bot in den Kern­be­reich von For­schung
    und Leh­re, zum ande­ren eine Bestands­ga­ran­tie und Ali­men­ta­ti­onpflicht
    des Staa­tes, soweit und solan­ge freie
    Wis­sen­schaft auf ein aus­rei­chen­des Ange­bot staat­li­cher
    Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen ange­wie­sen ist. Bezo­gen auf
    die Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on defi­niert das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt
    die indi­vi­du­el­ler Ent­schei­dung vor­be­hal­te­nen
    Frei­heits­räu­me der Lehr- und For­schungs­frei­heit
    und grenzt die­se von Beschrän­kun­gen ab, die für den
    ein­zel­nen Grund­rechts­trä­ger auf­grund der orga­ni­sa­to­ri­schen
    Ein­bin­dung in den Wis­sen­schafts­be­trieb unver­meid­lich
    sind. Es betont Rege­lun­gen der Hoch­schul­ver­fas­sung
    sei­en grund­sätz­lich wis­sen­schafts­neu­tral und
    stün­den folg­lich zur Dis­po­si­ti­on des Gesetz­ge­bers, stellt
    aber zugleich klar, dass eine wis­sen­schafts­i­nad­äqua­te
    Orga­ni­sa­ti­on, Ent­schei­dungs­struk­tu­ren die sach­wid­ri­ge
    57 Die nach­fol­gen­den Zusam­men­fas­sun­gen beru­hen auf dem
    Bei­trag von H. Goer­lich und Georg Sand­ber­ger, Hochschulverfassungsrecht
  • Kon­ti­nui­tät oder Para­dig­men­wech­sel in der Recht­spre­chung
    des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, in: Fest­schrift f. F. J.
    Pei­ne zum 70. Geburts­tag, 2016, S. 297 ff. sowie dies., Zurück zur
    Pro­fes­so­ren­uni­ver­si­tät, Neue Lei­tungs­struk­tu­ren auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen
    Prüf­stand, DVBl. 2017, S. 667 ff.; zur Ent­wick­lung
    der Judi­ka­tur des BVerfG vgl. auch Th. Wür­ten­ber­ger, zur
    Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung nach
    dem Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg, OdW 2016, 1
    ff.: W. Löwer, Orga­ni­sa­ti­ons­vor­ha­ben für das Hoch­schul­recht in
    der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, Fest­schrift f.
    P.M. Lynen, Schif­ten zum Kunst- und Kul­tur­recht Bd. 28, 2018, S.
    191 ff.
    58 BVerfGE 35, 79, 115 ff.).
    1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    Ein­fluss­nah­me auf wis­sen­schafts­re­le­van­te Ent­schei­dun­gen
    ermög­li­chen, gegen Art. 5 Abs. 3 GG ver­sto­ßen. Dies
    schlie­ße eine Betei­li­gung von nicht durch Art. 5 Abs. 3
    GG pri­vi­le­gier­ten Grup­pen bei Ent­schei­dun­gen der
    Hoch­schul­gre­mi­en nicht aus, jedoch müs­se die Betei­li­gung
    der Sta­tus­grup­pen nach dem Grad der Betrof­fen­heit
    in die­sem Grund­recht, der Sach­kom­pe­tenz und
    Dau­er der Zuge­hö­rig­keit zur Uni­ver­si­tät aus­dif­fe­ren­ziert
    wer­den. Dar­aus fol­gert das Gericht, dass bei Ent­schei­dun­gen
    von Kol­le­gi­al­or­ga­nen über Ange­le­gen­hei­ten
    von Leh­re und For­schung eine Pro­fes­so­ren­mehr­heit in
    dem Ent­schei­dungs­gre­mi­um gesetz­lich gesi­chert sein
    muss.
    Eben­so lässt Art. 5 Abs. 3 GG Gestal­tungs­spiel­räu­me
    zwi­schen einer unmit­tel­ba­ren Mit­wir­kung oder Ver­tre­tung
    in durch Wah­len der Mit­glie­der legi­ti­mier­ten Reprä­sen­ta­ti­ons­or­ga­nen.
    Jedoch for­de­re Art. 5 Abs. 3 GG
    ein indi­vi­du­el­les Anhö­rungs­recht des ein­zel­nen Hoch­schul­leh­rers
    bei Ent­schei­dun­gen der Hoch­schul­or­ga­ne,
    soweit sie ihn indi­vi­du­ell betref­fen.
    Aus­ge­hend von einer weit gezo­ge­nen Defi­ni­ti­on wis­sen­schafts­re­le­van­ter
    Ent­schei­dun­gen, die neben der Abstim­mung
    des Lehr­an­ge­bots und der Koor­di­na­ti­on der
    For­schung Beru­fungs­ver­fah­ren, die Gestal­tung der Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on
    in den Fakul­tä­ten und Insti­tu­ten, Beschlüs­se
    über die Struk­tur- und Finanz­pla­nung sowie
    den Haus­halts­voll­zug umfas­sen und inso­weit eine Pro­fes­so­ren­mehr­heit
    vor­aus­set­zen, erklärt es eine Rei­he von
    Bestim­mun­gen des Vor­schalt­ge­set­zes bis hin zu Beru­fungs­kom­mis­sio­nen
    für ver­fas­sungs­wid­rig.
  1. Fol­ge­ent­schei­dun­gen bis 2000
    Die Kern­sät­ze die­ser Ent­schei­dung fin­den sich ste­reo­typ
    in Fol­ge­ent­schei­dun­gen zum hessischen59 und nord­rhein­west­fä­li­schen
    Hochschulgesetz,60 bei denen durch­gän­gig
    die Kom­pe­tenz­ab­gren­zun­gen zwi­schen Lei­tungs­äm­tern
    und Kol­le­gi­al­or­ga­nen vom Grund­satz der All­zu­stän­dig­keit
    der Kol­le­gi­al­or­ga­ne bestimmt sind.
  2. Ent­schei­dun­gen zu den Hoch­schul­ge­setz­no­vel­len ab
    2000
    Bereits im Urteil zu § 27 UG NRW61 hat das BVerfG die
    Ten­denz erken­nen las­sen, die Kon­troll­dich­te sei­ner Prü­fungs­maß­stä­be
    zurück­zu­neh­men und die Stär­kung der
    Lei­tungs­or­ga­ne unter der Vor­aus­set­zung einer Rück­bin­dung
    an die Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne bei grund­sätz­li­chen
    Ange­le­gen­hei­ten für unbe­denk­lich zu erklä­ren.
    a) BVerfGE 111, 333 — Bran­den­bur­gi­sches Hoch­schul­ge­setz
    Erst­mals hat­te der 1. Senat des BVerfG mit Beschluss
    vom 26.4.200462 über Ver­fas­sungs­be­schwer­den gegen
    das 1999 novel­lier­te Bran­den­bur­gi­sche Hoch­schul­ge­setz
    die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit eines Lan­des­ge­set­zes “neu­en
    Typs“ zu ent­schei­den.
    Angriffs­punkt der Ver­fas­sungs­be­schwer­de sind ins­be­son­de­re
    die weit rei­chen­den Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen
    des Prä­si­den­ten bei der Wahl der Deka­ne, der Res­sour­cen­zu­wei­sung
    an die Fakul­tä­ten bei der Auf­lö­sung
    von Insti­tu­ten, die Mit­wir­kung des als hoch­schul­über­grei­fen­den
    Lan­des­hoch­schul­ra­tes bei der Struk­tur­pla­nung
    und Wahl des Prä­si­den­ten, die feh­len­de Ver­tre­tung
    der Fach­be­rei­che im Senat und die Kom­pe­ten­zen des
    Dekans für die Koor­di­na­ti­on von For­schung und Leh­re
    sowie für die fakul­täts­in­ter­ne Res­sour­cen­ver­tei­lung.
    Die mate­ri­el­len Prü­fungs­maß­stä­be lie­gen im Grund­an­satz
    auf der Linie der Recht­spre­chung seit dem Nie­der­sach­sen­ur­teil.
    Aus der objek­tiv-recht­li­chen Pflicht
    des Staa­tes, für funk­ti­ons­tüch­ti­ge Insti­tu­tio­nen eines
    frei­en Wis­sen­schafts­be­trie­bes zu sor­gen, erwächst ein
    Recht auf Maß­nah­men orga­ni­sa­to­ri­scher Art, die dafür
    uner­läss­lich sind, anders gewen­det auf eine wis­sen­schafts­ad­äqua­te
    Orga­ni­sa­ti­on.
    Dafür bleibt dem Gesetz­ge­ber aber ein erheb­li­cher
    Gestal­tungs­spiel­raum. Die Gren­ze dafür ist erst über­schrit­ten,
    wenn durch Orga­ni­sa­ti­ons­nor­men die Auf­ga­ben­er­fül­lung
    struk­tu­rell, also nicht indi­vi­du­ell gefähr­det
    ist. Deut­li­cher als in den vor­aus­ge­hen­den Ent­schei­dun­gen
    wird aber unter der Vor­aus­set­zung eines hin­rei­chen­den
    Maßes orga­ni­sa­to­ri­scher Selbst­be­stim­mung der
    Grund­rechts­trä­ger die Prä­ro­ga­ti­ve des par­la­men­ta­ri­schen
    Gesetz­ge­bers vor der Selbst­ver­wal­tung betont, die
    Auf­ga­ben der Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen und der Inter­es­sen
    der Betei­lig­ten unter Wah­rung sei­ner gesamt­ge­sell­schaft­li­chen
    Ver­ant­wor­tung zum Aus­gleich zu
    brin­gen.
    Dies umfasst die Kom­pe­tenz und die Pflicht des Gesetz­ge­bers,
    bis­he­ri­ge Orga­ni­sa­ti­ons­for­men kri­tisch zu
    beob­ach­ten und zeit­ge­recht zu refor­mie­ren, neue Model­le
    und Steue­rungs­tech­ni­ken zu ent­wi­ckeln und zu
    erpro­ben.
    Dabei ist er nicht an über­kom­me­ne hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­sche
    Struk­tu­ren gebun­den, son­dern frei, die Art
    der Betei­li­gung der Grund­rechts­trä­ger durch direk­te
    59 BVerfGE 47, 327, bes. S. 403 ff.
    60 BVerfGE 61, 261, 277ff.
    61 BVerfGE 93, 85, 96 ff. Dies fand sei­ne Fort­set­zung im Beschluss
    der 2. Kam­mer des 1. Senats zum SHHG, DVBl. 2001, 1137.
    62 BVerfGE 111, 333.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 1 7
    oder reprä­sen­ta­ti­ve Betei­li­gung, Ent­schei­dungs,- Mitwirkungs‑,
    Auf­sichts- Infor­ma­ti­ons- oder Kon­troll­rech­te
    zu regeln, je nach­dem wel­che Struk­tu­ren dem Gesetz­ge­ber
    für eine funk­ti­ons­fä­hi­ge Wis­sen­schafts­ver­wal­tung
    geeig­net erschei­nen. Dafür steht dem Gesetz­ge­ber die
    Ein­schät­zungs­prä­ro­ga­ti­ve zu.
    Der Kern­satz der Schluss­fol­ge­rung dar­aus lau­tet:
    „Die zur Siche­rung der Wis­sen­schafts­ad­äquanz von
    hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ent­schei­dun­gen gebo­te­ne
    Teil­ha­be muss nicht in jedem Fall im Sin­ne der her­kömm­li­chen
    Selbst­ver­wal­tung erfol­gen. Auch hoch­schul­ex­ter­ne
    Insti­tu­tio­nen kön­nen dazu bei­tra­gen, einer­seits
    staat­li­che Steue­rung wis­sen­schafts­frei­heits­si­chernd
    zu begren­zen, ande­rer­seits der Ver­fes­ti­gung von
    Sta­tus quo- Inter­es­sen bei rei­ner Selbst­ver­wal­tung zu
    begegnen.63
    Dies ist zwei­fels­oh­ne ein Para­dig­men­wech­sel gegen­über
    der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung, in der die ver­fas­sungs­recht­li­che
    Unbe­denk­lich­keit von Modi­fi­ka­tio­nen
    rein kol­le­gia­ler Selbst­ver­wal­tung stets mit dem Hin­weis
    der Legi­ti­ma­ti­on und Rück­bin­dung der Lei­tungs­or­ga­ne
    an die Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne begrün­det wur­de.
    Ent­schei­dend war aber bei der Beur­tei­lung des Geset­zes,
    dass die Kom­pe­ten­zen der Hoch­schul­lei­tung und
    des Dekans im Bereich von For­schung und Leh­re nur
    koor­di­nie­ren­der Natur sind und Wei­sungs­rech­te in wis­sen­schafts­re­le­van­ten
    Tätig­kei­ten, die über das durch die
    Not­wen­dig­keit des Zusam­men­wir­kens von Grund­rechts­trä­gern
    not­wen­di­ge Maß hin­aus­ge­hen, nicht
    bestan­den.
    b) BVerfGE 127, 87 ff. — Ham­bur­ger Deka­nats­be­schluss
    Im Fall des sog. Ham­bur­ger Deka­nats­be­schlus­ses des
    BVerfG vom 20.7.201064 stand aus ver­fah­rens­recht­li­chen
    Grün­den nicht die zen­tra­le, son­dern die Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on
    der Fakul­tät nach deren Umwand­lung auf dem
    ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüf­stand.
    Die­se Ent­schei­dung greift zwar in ihrem Aus­gangs­punkt
    auf die bis­he­ri­gen Prü­fungs­maß­stä­be zurück,65
    ent­wi­ckelt die­se aber in zwei wesent­li­chen Punk­ten mit
    der Fol­ge einer wei­ter­ge­hen­den Kon­troll­dicht fort. Bei
    der Beur­tei­lung der Ver­fas­sungs­kon­for­mi­tät der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on
    ist das „Gesamt­ge­fü­ge“ der Hoch­schul­ver­fas­sung
    in den Blick zu nehmen.“66 Das Gesamt­ge­fü­ge
    kann ins­be­son­de­re dann ver­fas­sungs­wid­rig
    sein, wenn dem Lei­tungs­or­gan sub­stan­ti­el­le per­so­nel­le
    und sach­li­che Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se im wis­sen­schafts­re­le­van­ten
    Bereich zuge­wie­sen wer­den, dem mit
    Hoch­schul­leh­rern besetz­ten Ver­tre­tungs­gre­mi­um im
    Ver­hält­nis hier­zu jedoch kaum Kom­pe­ten­zen und auch
    kei­ne maß­geb­li­chen Mit­wir­kungs- und Kon­troll­rech­te
    ver­blei­ben.“ Der Gesetz­ge­ber hat die Opti­on, die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit
    ent­we­der durch eine Rück­ver­la­ge­rung
    der wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen
    auf die Kol­le­gi­al­or­ga­ne oder Stär­kung von Mit­wir­kungs-
    und Kon­troll­rech­ten zu ver­mei­den oder den mit
    Pro­fes­so­ren­mehr­heit besetz­ten Kol­le­gi­al­or­ga­nen einen
    ent­schei­den­den Ein­fluss bei der Wahl und der Abwahl
    der Hoch­schul­lei­tung einzuräumen.67
    Bei der Beur­tei­lung der auf das Deka­nat über­tra­ge­nen
    Ein­zel­kom­pe­ten­zen hat das BVerfG vor allem die
    abschlie­ßen­den Ent­schei­dungs­zu­stän­dig­kei­ten über die
    Ver­tei­lung von Mit­teln und Stel­len und die Auf­fang­zu­stän­dig­keit
    in gesetz­lich nicht expli­zit dem Fakul­täts­rat
    zuge­wie­se­nen Ange­le­gen­hei­ten bean­stan­det, die nicht
    durch geeig­ne­te gesetz­li­che Mit­wir­kungs­mög­lich­kei­ten
    des Fakul­täts­ra­tes oder die Mög­lich­keit vor­zei­ti­ger Abbe­ru­fung
    der Fakul­täts­lei­tung aus dem Amt kom­pen­siert
    war.68
    c) BVerfGE 136, 338 ff. — MHH Han­no­ver
    Eine wei­te­re Wei­chen­stel­lung erfolg­te durch den
    Beschluss zur Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der MHH Han­no­ver
    v. 24. Juni 201469 Der Beschluss führt den Ansatz der
    Prü­fung des Gesamt­ge­fü­ges der Kom­pe­tenz­ver­tei­lung
    mit einem hoch­dif­fe­ren­zier­ten Prü­fungs­ras­ter fort.
    Auf dem Prüf­stand steht das Kom­pe­tenz­ge­fü­ge zwi­schen
    dem mit der Dop­pel­funk­ti­on als Lei­tung der
    Hoch­schu­le und des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums betrau­ten
    Prä­si­di­um und dem Senat als deren zen­tra­lem Kol­le­gi­al­or­gan
    und dem Hoch­schul­rat. Das zu prü­fen­de Kom­pe­tenz­ge­fü­ges
    betrifft das Bestel­lungs- und Abbe­ru­fungs­ver­fah­ren
    der Mit­glie­der der Hoch­schul­lei­tung durch
    Senat und Hoch­schul­rat. Des Wei­te­ren sind Prü­fungs­ge­gen­stand
    die Zustän­dig­keit und Ver­fah­ren der Abstim­mung
    der Belan­ge von medi­zi­ni­scher For­schung, Leh­re
    und Kran­ken­ver­sor­gung zwi­schen den Vor­stands­mit­glie­dern
    für For­schung und Leh­re, Kran­ken­ver­sor­gung
    und Haus­halt. Gegen­stand der wei­te­ren Prü­fung ist die
    Fra­ge hin­rei­chen­der Kom­pen­sa­ti­on von Ent­schei­dungs­zu­stän­dig­kei­ten
    des Prä­si­di­ums und sei­ner Mit­glie­der
    durch Mitwirkungs‑, Kon­troll- und Abwahl­rech­te des
    Senats. Gegen­über der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung wird
    neben dem hoch­dif­fe­ren­zier­ten Prü­fungs­ras­ter der Kreis
    63 Rn. 141.
    64 BVerfG 127, 87 ff.
    65 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 88 ff.
    66 Leit­satz 2 und Ent­schei­dungs­grün­de Rn. 95 ff.
    67 Ent­schei­dungs­grün­de
    68 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 118 ff.
    69 BVerfG 136, 338 ff.
    1 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    wis­sen­schafts­re­le­van­ter Ent­schei­dun­gen über den Kern­be­reich
    wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Leh­re auf
    Ent­schei­dun­gen über die Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung,
    den Abschluss von Ziel­ver­ein­ba­run­gen, die
    Auf­stel­lung und den Voll­zug des Haus­halts und Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen
    über die Ein­rich­tung, Zusam­men­le­gung
    und Auf­he­bung wis­sen­schaft­li­cher Ein­rich­tun­gen
    und Ein­rich­tun­gen der Kran­ken­ver­sor­gung erwei­tert.
    Zugleich ent­wi­ckeln die Ent­schei­dungs­grün­de
    wei­ter­ge­hen­de Kri­te­ri­en, für wel­che Gegen­stän­de Mit­wir­kungs-
    und Kon­troll­rech­te des Senats als ver­fas­sungs­recht­lich
    hin­rei­chen­de Kom­pen­sa­ti­on ange­se­hen
    wer­den kön­nen und wel­che abschlie­ßen­der Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen
    des Senats bedür­fen.
    Eine struk­tu­rel­le Gefähr­dung der Wis­sen­schafts­frei­heit
    sieht das BVerfG in den nicht hin­rei­chen­den Mit­wir­kungs­be­fug­nis­sen
    des Senats an den Ent­schei­dun­gen
    des Vor­stands über den Wirt­schafts­plan (§ 63e Abs. 2
    Nr. 3 NHG), und die Auf­tei­lung der Sach‑, Inves­ti­ti­ons­und
    Per­so­nal­bud­gets auf die Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten
    (§ 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG), sowie über die Bereit­stel­lung
    von Mit­teln für zen­tra­le Lehr- und For­schungs­fonds
    (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG).70
    „Grund­le­gen­de öko­no­mi­sche Ent­schei­dun­gen wie
    die­je­ni­ge über den Wirt­schafts­plan einer Hoch­schu­le
    sind nicht etwa wis­sen­schafts­fern, son­dern ange­sichts
    der Ange­wie­sen­heit von For­schung und Leh­re auf die
    Aus­stat­tung mit Res­sour­cen wis­sen­schafts­re­le­vant.
    Haus­halts- und Bud­get­ent­schei­dun­gen müs­sen die ver­fas­sungs­recht­lich
    in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garan­tier­ten
    Anfor­de­run­gen an den Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit
    hin­rei­chend beach­ten. Den­noch hat der Gesetz­ge­ber bei
    der Ent­schei­dung über den Wirt­schafts­plan neben dem
    Veto­recht des Vor­stands­mit­glieds für Wirt­schafts­füh­rung
    und Admi­nis­tra­ti­on kein Veto­recht zuguns­ten des
    Vor­stands für For­schung und Leh­re vorgesehen.“71
    Die Zuwei­sung von Ent­schei­dungs­be­fug­nis­sen über
    die Orga­ni­sa­ti­on und Wei­ter­ent­wick­lung von For­schung
    und Leh­re nach § 63e Abs. 4 S. 1 Nr. 1 NHG an das zustän­di­ge
    Mit­glied des Vor­stands hält nach Auf­fas­sung
    des Gerichts im hier maß­geb­li­chen Gesamt­ge­fü­ge einer
    ver­fas­sungs­recht­li­chen Prü­fung nicht stand.
    Des­glei­chen sei jeden­falls im vor­lie­gen­den Gesamt­ge­fü­ge
    die Ent­schei­dungs­be­fug­nis über die Auf­tei­lung
    der Mit­tel für For­schung und Leh­re nach § 63e Abs. 4 S. 1
    Nr. 2, § 63e Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und 4 NHG zu bean­stan­den.
    Auch hier ent­schei­det das Vor­stands­mit­glied ledig­lich
    im Beneh­men mit dem Senat und unter­liegt, soweit ersicht­lich,
    kei­nen wei­te­ren nor­ma­ti­ven Vor­ga­ben (anders
    als bei­spiels­wei­se in Ham­burg, wo die Grund­sät­ze für
    die Aus­stat­tung und die Mit­tel­ver­tei­lung vom Hoch­schul­rat
    beschlos­sen werden).72
    Schließ­lich stößt aus der Sicht des BVerfG die Aus­ge­stal­tung
    der Krea­ti­on des Lei­tungs­or­gans der Hoch­schu­le
    bei der der­zei­ti­gen Aus­ge­stal­tung der Befug­nis­se des
    Vor­stands inso­fern auf ver­fas­sungs­recht­li­che Beden­ken,
    als das für Wirt­schafts­füh­rung und Admi­nis­tra­ti­on zustän­di­ge
    Vor­stands­mit­glied ohne hin­rei­chen­de Mit­wir­kung
    des Senats auf Vor­schlag des exter­nen Hoch­schul­rats
    im Ein­ver­neh­men mit dem für For­schung und Leh­re
    zustän­di­gen Vor­stands­mit­glied bestellt wird.
    Durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Beden­ken
    begeg­net es schließ­lich, der Bestel­lung einer wie hier mit
    weit­rei­chen­den Befug­nis­sen aus­ge­stat­te­ten Hoch­schul­lei­tung
    ein Fin­dungs­ver­fah­ren vor­zu­schal­ten, in dem –
    anders als nach dem für sons­ti­ge Hoch­schu­len gel­ten­den
    § 38 Abs. 2 S. 2 NHG – eine Mit­wir­kung der Wis­sen­schaft­ler
    und Wis­sen­schaft­le­rin­nen nicht hin­rei­chend
    gesi­chert ist.73
    Im Ergeb­nis bedeu­tet dies zum einen das Erfor­der­nis
    einer per­so­nel­len Legi­ti­ma­ti­on bei der Wahl und Abwahl
    von Mit­glie­dern des Lei­tungs­or­gan mit Zustän­dig­kei­ten
    im Bereich wis­sen­schafts­re­le­van­ter Ent­schei­dun­gen
    durch das Selbst­ver­wal­tungs­or­gan als Reprä­sen­ta­ti­ons­or­gan
    der Grund­rechts­trä­ger, zum ande­ren die sach­li­che
    Legi­ti­ma­ti­on wis­sen­schafts­re­le­van­ter
    Ent­schei­dun­gen des Lei­tungs­or­gans durch Rück­bin­dung
    an das Selbst­ver­wal­tungs­or­gan oder gesetz­li­che Vor­ga­ben
    zum Schut­ze der Belan­ge von For­schung und Leh­re.
    Zu den wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ent­schei­dun­gen gehö­ren
    neben der Bestel­lung und Abbe­ru­fung des lei­ten­den
    ärzt­li­chen Per­so­nals auch die Struk­tur- und Finanz­pla­nung
    sowie Ent­schei­dun­gen über die Auf­tei­lung des
    Bud­gets für For­schung, Leh­re und Kran­ken­ver­sor­gung
    und die Grund­sät­ze der Mit­tel­ver­tei­lung.
    Der Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts führt
    damit die im Beschluss zur Fakul­täts­or­ga­ni­sa­ti­on nach
    Ham­bur­gi­schen Hoch­schul­ge­setz erkenn­ba­re Ten­denz
    fort, die einer­seits die Lei­tung einer Hoch­schu­le oder Fakul­tät
    durch einen Vor­stand (Rek­to­rat, Prä­si­di­um, Deka­nat)
    für grund­ge­setz­kon­form erklärt, die­se Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on
    ande­rer­seits einer per­so­nel­len und sach­li­chen
    70 Beschluss vom 24.6.2014 – BVerfGE 136, 338 ff., 371 Rn. 70.
    71 Beschluss vom 24.6.2014 – BVerfGE 136, 338 ff., 371 Rn. 71.
    72 Beschluss vom 24.6.2014 – BVerfGE 136, 338 ff., 373 Rn. 76 u. 77.
    73 Beschluss vom 24.6.2014 – BVerfGE 136, 338 ff., 375 Rn. 82 ff.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 1 9
    Legi­ti­ma­ti­on durch die aka­de­mi­sche Selbst­ver­wal­tung
    unter­wirft.
    Die Orga­ni­sa­ti­on der Kran­ken­ver­sor­gung (Vor­stand,
    Auf­sichts­rat) ist davon nur inso­weit betrof­fen, als es um
    Ent­schei­dun­gen im Schnitt­stel­len­be­reich zu For­schung
    und Leh­re geht.
    d) Urteil des VerfGH Baden-Würt­tem­berg v. 16.11. 2016
  • HAW
    Mit der 2015 ein­ge­führ­ten Lan­des­ver­fas­sungs­be­schwer­de
    eines Hoch­schul­leh­rers einer Hoch­schu­le für Ange­wand­te
    Wis­sen­schaf­ten wur­de der Ver­stoß der das 3.
    HRÄG gestal­te­ten Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len
    in Baden-Würt­tem­berg gegen die Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie
    des Art. 20 LV gel­tend gemacht. Da der größ­te
    Teil der ange­grif­fe­nen Vor­schrif­ten über die Kom­pe­ten­zen
    der Hoch­schul- und Deka­nats­lei­tung durch das 3.
    HRÄG unver­än­dert geblie­ben waren, war die Ver­fas­sungs­be­schwer­de
    nur zuläs­sig, soweit das Wahl- und
    Abwahl­ver­fah­ren der Hoch­schul­lei­tung betrof­fen war.
    Gleich­wohl nahm der VerfGH die Ver­fas­sungs­be­schwer­de
    zum Anlass der Prü­fung der gesetz­li­chen
    Kom­pe­tenz­zu­wei­sun­gen in wis­sen­schafts­re­le­van­ten Fra­gen
    zwi­schen den Lei­tungs­or­ga­nen und Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­nen
    auf zen­tra­ler und dezen­tra­ler Ebe­ne, um
    aus der Fest­stel­lung unzu­rei­chen­der Betei­li­gung der
    Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne in Fort­füh­rung der Judi­ka­tur
    des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und auf die Aus­le­gung
    des Art. 20 LV über­tra­gen, die Not­wen­dig­keit einer
    Kom­pen­sa­ti­on des bestim­men­den Ein­flus­ses der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne
    auf die Wahl und Abwahl der Hoch­schul-
    und Fakul­täts­lei­tung zu begründen.74 75
    In Über­ein­stim­mung mit dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt
    wei­ten die Ent­schei­dungs­grün­de den Begriff der
    „Ent­schei­dun­gen über wis­sen­schafts­re­le­van­te Fra­gen“,
    an denen eine Letzt- oder Mit­ent­schei­dung der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne
    aus Art. 5 Abs. 3, 20 LV gebo­ten ist,
    über den Kern­be­reich der aka­de­mi­schen Ange­le­gen­hei­ten
    und Sat­zungs­an­ge­le­gen­hei­ten, Wahl- und Abwahl,
    Beru­fung von Pro­fes­so­ren auf Ent­schei­dun­gen im Bereich
    der Struk­tur- und Ent­wick­lungs­pla­nung, Funk­ti­ons­be­schrei­bung
    von Pro­fes­su­ren, Bau­pla­nung, Aus­stat­tungs­plä­ne,
    Abschluss von Hoch­schul­ver­trä­gen, Qua­li­täts­si­che­rung,
    Eva­lua­ti­on, Haus­halts­auf­stel­lung, Haus­halts­voll­zug
    und Mit­tel­ver­tei­lung, Abschluss von
    Ziel­ver­ein­ba­run­gen, Grund­stücks- und Raum­ver­tei­lung,
    Besol­dungs­fra­gen und Orga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le
    aus.
    Den größ­ten Teil der Ent­schei­dungs­grün­de nimmt
    eine umfas­sen­de Ana­ly­se der gesetz­li­chen Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on
    und Ablauf­pro­zes­se von Ent­schei­dun­gen ein­schließ­lich
    der Abstu­fung von Mit­ent­schei­dungs- und
    Mit­wir­kungs­kom­pe­ten­zen im Ver­hält­nis von Lei­tungs­und
    Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­nen ein. Obwohl nicht mit
    der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ange­grif­fen, wer­den auch
    die Zusam­men­set­zung und die Kom­pe­ten­zen des Hoch­schul­rats
    in wis­sen­schafts­re­le­van­ten Fra­gen und sei­ne
    Kom­pe­ten­zen bei Wahl- und Abwahl der Hoch­schul­lei­tung
    einbezogen.76
    Der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof des Lan­des Baden-Würt­tem­berg
    ver­langt in Abwand­lung der Recht­spre­chung
    des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zusätz­lich, dass der Senat
    als ent­schei­den­des Wahl­or­gan mehr­heit­lich von gewähl­ten
    Mit­glie­dern der Pro­fes­so­ren­grup­pe zusam­men­ge­setzt
    sein und Wahl- und Abwahl der Hoch­schul­lei­tung
    von einer Pro­fes­so­ren­mehr­heit getra­gen sein muss.77
    Die Ent­schei­dungs­grün­de mün­den in die Fest­stel­lung,
    dass die bestehen­de Kom­pe­tenz­ver­tei­lung zwi­schen
    Lei­tungs­or­ga­nen und Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­nen
    den Anfor­de­run­gen an die durch Art. 20 LV, Art. 5 Abs. 3
    GG gebo­te­ne Mit­wir­kung der Grund­rechts­trä­ger nicht
    genügt. Eben­so wenig sei in dem bis­he­ri­gen Wahl- und
    Abwahl­ver­fah­ren deren bestim­men­der Ein­fluss
    gewährleistet.78
    Dem­entspre­chend wur­den § 18 Abs. 1 bis 3, 5 S. 1 bis 4
    und Abs. 6 S. 1 und 5 des LHG mit Art. 20 Abs. 1 der Lan­des­ver­fas­sung
    für unver­ein­bar erklärt.
    74 VerfGH BW, Urt. v. 14.11.2016, VB 16/15, ESVGH 67, 124 (Leit­satz),
    WissR 2016, 302–332 (Leit­satz und Grün­de); dazu Micha­el
    Feh­ling, Unzu­rei­chen­de Kom­pe­ten­zen des Senats im refor­mier­ten
    Lan­des­hoch­schul­ge­setz Baden-Würt­tem­berg? – Anmer­kun­gen
    zum Urt. des VerfGH BW vom 14.11.2016, OdW 2017, 63 ff.;
    Hel­mut Goer­lich und Georg Sand­ber­ger, Zurück zur Pro­fes­so­ren-
    Uni­ver­si­tät? – Neue Lei­tungs­struk­tu­ren auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen
    Prüf­stand – Zum Urt. des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs für
    das Land Baden-Würt­tem­berg, vom 14.11.2016, DVBl. 2017, 667
    ff.; Fried­helm Hufen, JuS 2017, 279–281 (Anmer­kung); Hen­drik
    Jacob­sen, VBlBW 2017, 69–70 (Anmer­kung); Jörg Ennu­schat,
    RdJB 2017, 34–46 (Ent­schei­dungs­be­spre­chung); Timo Rademacher/
    Jens-Peter Schnei­der, Die „Hoch­schul­leh­rer­mehr­heit“ des
    § 10 Abs. 3 LHG in der Recht­spre­chung des baden-würt­tem­ber­gi­schen
    Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs, VBlBW 2017, 155 ff; zur
    Beur­tei­lung der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on vor dem Urt. des VerfGH
    Tho­mas Wür­ten­ber­ger, Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen
    der Hoch­schul­lei­tung im LHG von Baden-Würt­tem­berg, OdW
    2016, 1 ff.
    75 Ent­schei­dungs­grün­de unter E II, Rn. 93 ff. Dazu Hel­mut Goer­lich
    und Georg Sand­ber­ger, Zurück zur Professoren-Universität?
  • Neue Lei­tungs­struk­tu­ren auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen
    Prüf­stand- Zum Urt. des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs für das Land
    Baden-Würt­tem­berg, vom 14.11.2016, DVBl. 2017, 667 ff.
    76 Ent­schei­dungs­grün­de unter E II, Rn. 142 ff.
    77 Ent­schei­dungs­grün­de unter E II, Rn.158.
    78 Ent­schei­dungs­grün­de unter E II, Rn. 163 ff.
    2 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2
    Dem Gesetz­ge­ber wur­de eine Frist auf­er­legt, die ver­fas­sungs­wid­ri­gen
    Rege­lun­gen über das Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren
    bis zum 31.3.2018 durch eine ver­fas­sungs­kon­for­me
    Neu­re­ge­lung zu ersetzen.79 Der VerfGH ließ
    dabei die Opti­on offen, statt der „Krea­ti­on und Abbe­ru­fung
    der Rek­to­rats­mit­glie­der“ die Sach­ent­schei­dungs­be­fug­nis­se
    der Hoch­schul­leh­rer im Senat anzu­pas­sen.
    Eben­so hält es der VerfGH für mög­lich, statt einer Ände­rung
    der Zusam­men­set­zung des Senats die Abstim­mungs­re­ge­lun­gen
    mit der Hoch­schul­lei­tung so zu ändern,
    dass ein bestim­men­der Ein­fluss der gewähl­ten
    Hoch­schul­leh­rer gesi­chert wird.80
    e) Kam­mer­be­schluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts v.
    5.2. 2020 — Dua­le Hochschule81
    Eine bereits 2014 beim BVerfG ein­ge­reich­te Ver­fas­sungs­be­schwer­de
    eines Hoch­schul­leh­rers der DHBW rich­te­te
    sich zunächst gegen die Ände­run­gen des LHG durch das
  1. HRÄG. Nach dem Urteil des VerfGH v. 16.11.2016 wur­de
    die Ver­fas­sungs­be­schwer­de modi­fi­ziert und rich­te­te
    sich, erwei­tert um Ver­fas­sungs­be­schwer­den von 80 wei­te­ren
    Beschwer­de­füh­rern, gegen § 18 Abs. 2 S. 3 bis 6
    und Abs. 5 S. 1 bis 4, § 18a und § 16 Abs. 3 S. 2 Nr. 15 LHG,
    hilfs­wei­se gegen § 27a Abs. 3 S. 1 bis 4, Abs. 4 S. 6 bis 7
    LHG i.d.F. des 3. HRÄG sowie § 27e Lan­des­hoch­schul­ge­setz
    HRWei­tEG.
    Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de wur­de z.T. wegen Unzu­läs­sig­keit,
    in der Sache aber wegen man­geln­der grund­sätz­li­cher
    Bedeu­tung nicht ange­nom­men.
    Den­noch ent­hal­ten die Ent­schei­dungs­grün­de des Beschlus­ses
    eine zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung der bis­he­ri­gen
    Judi­ka­tur des Gerichts zum Hoch­schul­ver­fas­sungs­recht
    und grund­sätz­li­che Hin­wei­se zur Ver­fas­sungs­kon­for­mi­tät
    der auch für ande­re Hoch­schu­len gel­ten­den
    zen­tra­len Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on und der
    dezen­tra­len Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on der DHBW. Zugleich
    setzt sich das Gericht in eini­gen Punk­ten von der Ent­schei­dung
    des VerfGH v. 16.11.2016 ab:
    Am Anfang der Ent­schei­dungs­grün­de stellt der Beschluss
    klar, dass die Reprä­sen­ta­ti­on der Hoch­schul­leh­rer
    in Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­en nur durch von die­sen
    gewähl­te Ver­tre­ter, sich nicht aus der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung
    des BVerfG ergäbe.82 Bestä­tigt wird dies
    durch die Bezug­nah­me auf die For­mu­lie­run­gen vor­aus­ge­hen­der
    Ent­schei­dun­gen, dass „für die Beur­tei­lung
    der nöti­gen Mit­wir­kung der Ein­fluss der wis­sen­schaft­lich
    Täti­gen bezie­hungs­wei­se der Wis­sen­schaft­le­rin­nen
    und Wis­sen­schaft­ler ins­ge­samt ent­schei­dend“ sei.83
    In einer Gesamt­schau der Zustän­dig­kei­ten zum
    Wahl­ver­fah­ren und der Abstim­mung der Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se
    zwi­schen kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­nen
    und Lei­tungs­or­ga­nen kommt der Beschluss
    zum Ergeb­nis, dass das Gesamt­ge­fü­ge der Orga­ni­sa­ti­on
    der DHBW den Anfor­de­run­gen des BVerfG an
    die Kom­pen­sa­ti­on von Lei­tungs­kom­pe­ten­zen der Hoch­schul­lei­tung
    durch Mit­wir­kungs­pro­zes­se, Kon­troll­rech­te,
    Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren der Selbst­ver­wal­tungs­gre­mi­en
    unter maß­geb­li­chem Ein­fluss der Hoch­schul­leh­rer
    als Grund­rechts­trä­ger genügt.84
    Beim Wahl- und Abwahl­ver­fah­ren sieht der Beschluss
    durch die Neu­fas­sung des § 18 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5
    und § 10 Abs. 3 in Ver­bin­dung mit Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LHG
    den hin­rei­chen­den Ein­fluss der Hoch­schul­leh­rer auf die
    Wahl- und Abwahl gesichert.85
    Nach einer Ana­ly­se der Ent­schei­dungs- und Abstim­mungs­pro­zes­se
    zwi­schen Hoch­schul­lei­tung und Senat in
    wis­sen­schafts­re­le­van­ten Ange­le­gen­hei­ten, wie den
    Struk­tur- und Ent­wick­lungs­plä­nen, der Vor­be­rei­tung
    und dem Abschluss von Hoch­schul­ver­trä­gen, Funk­ti­ons­be­schrei­bun­gen
    von Pro­fes­su­ren, Beru­fun­gen, Haus­halts-
    und Bud­get­ent­schei­dun­gen, Sat­zun­gen sowie der
    bestehen­den Berichts­pflich­ten der Hoch­schul­lei­tung
    und Infor­ma­ti­ons­rech­te des Senats sieht die Kam­mer die
    vom BVerfG auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze für eine wis­sen­schafts­kon­for­me
    Orga­ni­sa­ti­on gewahrt.
    Die Ent­schei­dungs­grün­de zum Wahl­ver­fah­ren der
    Hoch­schul­lei­tung, zum Ver­hält­nis von Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen
    zwi­schen Hoch­schul­lei­tung und Senat
    betref­fen­de Bestim­mun­gen, gel­ten nicht nur für die
    DHBW, son­dern für alle Hoch­schu­len. Sie set­zen sich
    zugleich von der Bewer­tung der umfang­rei­chen obiter
    dic­ta des baden-würt­tem­ber­gi­schen VerfGH zum Zusam­men­spiel
    der Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen und Abstim­mungs­ver­fah­ren
    zwi­schen Hoch­schul­lei­tung und
    Selbst­ver­wal­tungs­re­mi­en ab. Das bedeu­tet, dass es bei
    der Fra­ge der Lei­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on bei der jet­zi­gen Rege­lung
    des baden-würt­tem­ber­gi­schen HRWei­tEG blei­ben
    kann.
    79 Ent­schei­dungs­grün­de unter E II, Rn. 170.
    80 Ent­schei­dungs­grün­de unter E II, Rn. 169.
    81 1 BvR 1586/14, vgl. dazu die Ent­schei­dungs­ana­ly­se von R. Pen­ßel,
    Zu den Anfor­de­run­gen der Wis­sen­schafts­frei­heit an die Rechts­stel­lung
    des kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs­or­gans — Anmer­kun­gen
    zu den Nicht­an­nah­me­be­schlüs­sen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts
    vom 5.2. und 6.3.2020, OdW 2020, 253 ff.
    82 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 8.
    83 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 15, 19.
    84 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 15 ff.
    85 Ent­schei­dungs­grün­de, Rn. 27.
    Sand­ber­ger · Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz 2 1
    Ein in den Ent­schei­dungs­grün­den und im Ergeb­nis
    weit­ge­hend gleich­lau­ten­der Beschluss ist am 6. März
    1920 zum Nie­der­säch­si­schen Hoch­schul­ge­setz idF. von
    2015 ergangen.86
    VI. Fazit
    Die Ent­wick­lungs­ge­schich­te des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rech­tes
    in den Bun­des­län­dern weist trotz erkenn­ba­rer
    gemein­sa­mer Struk­tu­ren, bezo­gen auf den Rechts­sta­tus
    der Hoch­schu­len, auf den Grad der Organisations‑,
    Sat­zungs- und Finanz­au­to­no­mie und der
    Bin­nen­or­ga­ni­sa­ti­on, ein hete­ro­ge­nes Bild auf. Die Auf­ga­be
    des Dop­pel­sta­tus der Hoch­schu­len als Kör­per­schaft
    und staat­li­che Ein­rich­tung in eini­gen Bun­des­län­dern ist
    ohne Ein­schrän­kung der Auf­sichts­rech­te und ohne Stär­kung
    der inter­nen Auto­no­mie nicht ziel­füh­rend. Von der
    in Aus­sicht genom­me­nen Dere­gu­lie­rung ist wenig zu
    erken­nen. Der Auto­no­mie­ge­winn liegt vor­ran­gig in der
    Finanz­wirt­schaft. Die gewon­ne­ne Fle­xi­bi­li­tät wird mit
    dem Risi­ko unter­fi­nan­zier­ter Haus­hal­te erkauft.
    Ein Urteil über den Erfolg der Orga­ni­sa­ti­ons­re­for­men
    ist von den dabei anzu­le­gen­den Maß­stä­ben und
    dem jewei­li­gen Blick­win­kel abhän­gig.
    Aus exter­ner Sicht und aus der Sicht der Hoch­schul­lei­tun­gen
    und der sie reprä­sen­tie­ren­den HRK wird als
    wesent­li­cher Erfolg die Stär­kung der Stra­te­gie­fä­hig­keit
    der Hoch­schu­len ange­se­hen, die als Vor­aus­set­zung maß­geb­lich
    zum Gelin­gen der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve bei­getra­gen
    hat. Die­ser Zusam­men­hang wird auch durch den
    Imbo­den-Bericht betont, der in die­sem Zusam­men­hang
    zu gerin­ge Reform­be­reit­schaft im deut­schen Hoch­schul­sys­tem
    anmahnt, von einer Bau­stel­le spricht, aber auch
    die Wir­kun­gen der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve für die Ver­bes­se­rung
    der Lei­tungs­struk­tu­ren würdigt.87
    Dem steht die Sicht der durch die Ver­schie­bung der
    Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen um ihre Mit­wir­kungs­mög­lich­kei­ten
    besorg­ten Mit­glie­der der Uni­ver­si­tät gegen­über.
    Aus die­ser Sicht besteht der Auto­no­mie­ge­winn der
    Hoch­schu­len nur in einem Auto­no­mie­ge­winn der Hoch­schul­lei­tun­gen.
    88 Aus die­ser Per­spek­ti­ve stellt sich die
    Orga­ni­sa­ti­ons­re­form als eine Gefähr­dung ihrer wis­sen­schaft­li­chen
    Tätig­keit dar, die mit einem bis zur Indo­lenz
    rei­chen­den Moti­va­ti­ons­ver­lust ver­bun­den sein kann.
    Die­se Ein­wän­de haben Gewicht. Gute Füh­rung einer
    Hoch­schu­le kann nur gelin­gen, wenn sich die Hoch­schul­lei­tung
    bei der Aus­übung ihrer Lei­tungs­auf­ga­be
    von den Prin­zi­pi­en der Wis­sen­schaft lei­ten lässt, sich
    stän­dig um Ein­ver­neh­men in der Bestim­mung und Ver­wirk­li­chung
    der Zie­le bemüht, dabei wech­sel­sei­ti­ges
    Ver­trau­en, Loya­li­tät und Offen­heit unter­ein­an­der prak­ti­ziert,
    sich der durch weit­ge­hen­de Frei­hei­ten der Mit­glie­der
    und vom Wesen der Wis­sen­schaft bestimm­ten
    Struk­tur einer wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schu­le bewusst
    ist, die­se in ange­mes­se­ner Wei­se an den Ent­schei­dun­gen
    teil­ha­ben lässt und Wis­sen­schaft mit wis­sen­schafts­kon­for­men
    Mit­teln unter­stützt.
    Mit dem „neu­en Leit­bild“ wur­de das bis­her die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on
    beherr­schen­de Kol­le­gi­al­prin­zip durch
    eine das ange­mes­se­ne Maß über­schrei­ten­de Hier­ar­chi­sie­rung
    abge­löst. Ver­stärkt wird die­se durch die Ein­füh­rung
    von Hoch­schul­rä­ten, deren per­so­nel­le Legi­ti­ma­ti­on
    in eini­gen Bun­des­län­dern nicht auf Wahl- und Bestel­lungs­ak­ten
    der Kol­le­gi­al­or­ga­ne beruht. Der Judi­ka­tur
    des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist es zu ver­dan­ken, dass
    im Zuge der Ent­wick­lung die Balan­ce zwi­schen den
    Kom­pe­ten­zen der Lei­tungs­or­ga­ne, Mit­wir­kung und
    Kon­trol­le der Kol­le­gi­al­or­ga­ne bei grund­sätz­li­chen wis­sen­schafts­re­le­van­ten
    Ent­schei­dun­gen wie­der­her­ge­stellt
    wur­de.
    Uni­ver­si­täts­kanz­ler a.D. Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Sand­ber­ger,
    Juris­ti­sche Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Tübin­gen.
    86 BVerfG Beschluss v. 6.3.2020, 1 BvR 2862/16, Rn. 7 ff. und 12 ff.
    87 Eva­lua­ti­on der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, End­be­richt der inter­na­tio­na­len
    Exper­ten­kom­mis­si­on, 2016, S. 20 ff.
    88 So die For­mu­lie­rung von Ch. Scholz und Vol­ker Stein, Sag mir wo
    die Uni ist…, Eine Sys­tem­dia­gno­se am Ran­de der Resi­gna­ti­on,
    F&L 2015, S. 552. Dar­auf nimmt W. Löwer, in Fest­schrift Lynen
    2018, S. 194, Bezug.
    2 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 1 — 2 2