Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat der 19. Bundestag ein neues Bundespersonalvertretungsgesetz (BPerVG) beschlossen.1 Dieses enthält auch für das Personalvertretungsrecht der Länder und damit für deren Hochschulen relevante Änderungen, denen im Folgenden nachgegangen wird.
I. Aufhebung der Rahmenvorschiften
Bislang enthielt das BPersVG in seinem Teil 2 „Personalvertretungen in den Ländern“ in einem ersten Abschnitt Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgebung (§§ 94 bis 106). Die Rahmenvorschiften hatten nach der Föderalismusreform des Jahres 2006 wegen des Wegfalls der bis dahin in Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG enthaltenen Kompetenz des Bundes zur Rahmengesetzgebung für den öffentlichen Dienst der Länder ihre Rechtsgrundlage nur noch in der Übergangsvorschrift des Art. 125 a Abs. 1 GG. Sie galten als Bundesrecht fort, konnten aber durch Landesrecht ersetzt werden. Diese Rahmenvorschiften hat das neue BPersVG aufgehoben. Nach § 131 sind sie aber übergangsweise bis zum 31. 12. 2024 weiter anzuwenden, sofern sie nicht bis dahin durch Landesrecht ersetzt werden.
Die Aufhebung stellt klar, dass ab 1. 1. 2025 die Landesgesetzgeber ihr Personalvertretungsrecht frei von Vorgaben des BPersVG gestalten können. Insbesondere müssen dann auch ohne Tätigwerden des Landesgesetzgebers diejenigen Rahmenvorschriften nicht mehr beachtet werden, denen, wie § 98 Abs. 2 über die gemeinsame Wahl und § 102 Abs. 2 über den gerichtlichen Ausschluss einzelner Mitglieder, der Charakter einer Vollregelung zugemessen worden ist.2 Den Rahmenvorschiften kommt dann auch nicht mehr der Charakter einer Auslegungshilfe zu.
Gebunden sind die Landesgesetzgeber freilich an das Grundgesetz, insbesondere Art. 9 Abs. 3 GG und an die Landesverfassungen. Sehen diese, wie Art. 37 Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen, die Errichtung gemeinsamer Vertretungen der Angestellten, Arbeiter und Beamten der Behörden vor, kann das Landesspersonalvertretungsrecht nicht auf die Errichtung einer Vertretung verzichten oder eine bestimmte Gruppe, etwa die Beamten, von dieser ausnehmen.
Die Aufhebung hat auch zur Folge, dass die Rahmenvorschriften nicht mehr, wie bisher gemäß Art. 31 GG, zur Nichtigkeit ihnen entgegenstehender Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze führen.3 Freilich leben solche entgegenstehenden Vorschriften am 1.1.2025 nicht einfach wieder auf, sondern müssen vom Landesgesetzgeber neu beschlossen werden.4
Nach § 95 Abs. 1 Hs 2 BPersVG konnten die Länder für die Bildung von Personalvertretungen in Dienststellen, die wissenschaftlichen Zwecken dienen, besondere Regelungen vorsehen. Das ist in weitem Umfang geschehen.5 Die für solche Regelungen vorgeschriebene Beachtung von § 104 BPersVG entfällt. Die Landesgesetzgeber brauchen insoweit nicht mehr eine Regelung anzustreben, wie sie im BPersVG für die Personalvertretungen in Bundesbehörden festgelegt ist. Auch kann in diesem Bereich die Etablierung einer unabhängigen Einigungsstelle in Mitbestimmungsfragen unterbleiben.
Unberührt bleibt auf der anderen Seite das vom BVerfG aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitete und bislang in § 104 Satz 3 BPersVG kodifizierte Verbot, Entscheidungen die wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt
Manfred Löwisch und Viktor Kurz
Neues Bundespersonalvertretungsgesetz: Relevanz für das Personalvertretungsrecht der Hochschulen der Länder
1 Gesetz vom 9. Juni 2021, BGBl I 1614.
2 Dazu Richardi/Dörner/Weber in BPersVG, Beck’sche Kommentare zum Arbeitsrecht, 5. Auflage 2020, § 98 Rn. 13; Altvater in BPersVG, Kommentar für die Praxis, 10. Aufl. 2019, § 94 Rn 8.
3 Siehe insoweit zur derzeitigen Rechtslage Altvater aaO § 94 Rn 14.
4 Vgl. BVerfGG 4. 6. 1969, 2 BvR 173, NJW 1969, 1806, 1807; BVerfG 19. 12. 2017,1 BvL 3/14, NJW 2018, 361, Rn 234.
5 Nachweise bei Altvater aaO § 95 Rn 15a f.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
3 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 3 5 — 3 8
6 BVerfG 24.5.1995, 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574.
7 Ilbertz/Widmaier/Sommer in BPersVG, Rechtswissenschaften
und Verwaltung, 14. Auflage 2018, § 8 vor Rn 1; Altvater/Nöll aaO,
§ 107 Rn 5 und § 8 Rn 23.
8 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache 19/26820
S. 147; BAG 27. 6. 2019, 2 AZR 28/19, NZA 2019, 1343 Rn 24.
9 Art. 2 des Gesetzes vom 14. 6. 2021, BGBL I 1762.
sind, wie die in personellen Angelegenheiten der Beamten,
in der Gestaltung von Lehrveranstaltungen im Rahmen
des Vorbereitungsdienstes und in organisatorischen
Angelegenheiten, den der Volksvertretung verantwortlichen
Stellen zu entziehen.6
Auch die Rahmenvorschrift des § 97 BPersVG entfällt.
Die Länder können eine von ihren gesetzlichen
Vorschriften abweichende Regelung des Personalvertretungsrechts
durch Tarifvertrag oder Dienstvereinbarung
zulassen. Eine entsprechende Regelung könnte sich an
§ 3 BetrVG orientieren. Insbesondere könnte entsprechend
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zugelassen werden, dass
durch Tarifvertrag andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen
bestimmt werden. So könnte in Abweichung
von der Dienststellendefinition des betreffenden Landespersonalvertretungsgesetzes
für einzelne Bereiche,
etwa die verschiedenen Kliniken eines Universitätsklinikums,
die Bildung eigener Personalvertretungen zugelassen
werden.
§ 106 BPersVG bestimmt bislang, dass zur gerichtlichen
Entscheidung in Personalvertretungssachen die
Verwaltungsgerichte berufen sind. Nach Wegfall dieser
Vorschrift am 31. 12. 2024 greift an sich
§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, nach dem in allen öffentlichrechtlichen
Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher
Art der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Doch ermöglicht
§ 40 Abs. 1 Satz 2 die Zuweisung öffentlich-rechtlicher
Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts, zu
denen personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten gehören,
an eine andere Gerichtsbarkeit. Den Ländern
steht es also offen, alle oder einen Teil personalvertretungsrechtlicher
Streitigkeiten den Arbeitsgerichten
zuzuweisen.
II. Aufhebung unmittelbar geltender Vorschriften
Auch die unmittelbar geltenden Vorschriften des
§ 107 S. 1 über das Behinderungs‑, Benachteiligungs- und
Begünstigungsverbot und des § 109 BPersVG über die
Unfallfürsorge für in einer Landespersonalvertretung
tätige Beamte (für welche die früher in Art. 74a Abs. 1 GG
enthaltene Kompetenz des Bundes zur konkurrierenden
Gesetzgebung in der Föderalismusreform weggefallen
ist) werden aufgehoben, sind aber nach § 131 BPersVG
n.F. bis zum 31. 12. 2024 weiter anzuwenden.
Landespersonalvertretungsgesetze enthalten schon
bislang eigene Behinderungs‑, Benachteiligungs- und
Begünstigungsverbote.7 In den anderen Ländern ist die
Aufnahme entsprechender Bestimmungen in die Landespersonalvertretungsgesetze
angezeigt. Insbesondere
das dem Schutz der Unabhängigkeit dienende Begünstigungsverbot
lässt sich mit Vorschriften außerhalb des
Personalvertretungsrechts nicht begründen.
III. Aufrechterhaltung unmittelbar geltender Vorschriften
Die bisher in § 108 Abs. 1 und 2 sowie in § 107 Satz 2 in
Verbindung mit § 9 BPersVG enthaltenen Vorschriften
über den Schutz von Organmitgliedern, Wahlvorständen
und Wahlbewerbern bei außerordentlichen Kündigungen,
über die Unwirksamkeit von Kündigungen bei
fehlender Beteiligung des Personalrats und über die
Übernahme Auszubildender, welche Mitglied des Personalrats
sind, werden aufrechterhalten. Sie sind nunmehr
in § 127 Abs. 1, § 128 und § 127 Abs. 2 in Verbindung mit
§ 56 BPersVG n.F. enthalten. Die Aufrechterhaltung hat
ihre Grundlage in der Auffassung, dass es sich um Vorschiften
des Kündigungsrechts als Teil des Arbeitsrechts
handelt, für welches dem Bund gemäß Art.
74 Abs. 1 Nr. 12GG nach wie vor konkurrierende Gesetzgebungskompetenz
zukommt.8
Auch in Zukunft bedarf also die außerordentliche
Kündigung von Organmitgliedern, Wahlvorständen und
Wahlbewerbern grundsätzlich der Zustimmung der zuständigen
Personalvertretung, die aber gerichtlich ersetzt
werden kann. Dagegen ist der durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz9
in Gestalt der Einfügung eines
Absatzes 3a in § 15 KSchG eingeführte Kündigungsschutz
von Arbeitnehmern, die eine Betriebsratswahl
vorbereiten, nicht auf Beschäftigte erstreckt worden,
welche gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BPersVG n.F. die Initiative
zur Einberufung einer Personalversammlung ergreifen,
die einen Wahlvorstand wählen soll.
Unabhängig von den Regelungen der Landespersonalvertretungsgesetze
bleibt es weiter dabei, dass eine
ohne die vorgeschriebene Anhörung des Personalrats
ausgesprochene ordentliche oder außerordentliche Kündigung
unwirksam ist. Zweifelhaft geblieben ist allerdings,
ob auch das Unterbleiben der in manchen Landespersonalvertretungsgesetzen
vorgeschriebenen Anhörung
zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu dessen
Unwirksamkeit führt, wie das etwa
§ 74 Abs. 3 LPersVG NRW vorsieht. Der AufhebungsverLöwisch
/ Kurz · Relevanz des neuen Bundespersonalvertretungsgesetzes 3 7
trag ist, wie § 623 BGB zeigt, ebenso wie das Kündigungsrecht
Teil des bundesrechtlichen Arbeitsrechts.
Weder § 128 BPersVG n.F. noch eine andere bundesrechtliche
Regelung ordnen aber die Unwirksamkeit von
Aufhebungsverträgen bei mangelnder Anhörung des
Personalrats an. Deshalb liegt es nicht fern, in
§ 128 BPersVG n.F. eine abschließende Regelung der Frage
zu sehen, in welchen Fällen die Nichtbeachtung eines
Anhörungsrechts des Personalrats zur Unwirksamkeit
einer das Arbeitsverhältnis beendenden Maßnahme
führt.
Unverändert bestehen bleibt der Anspruch Auszubildender,
welche Mitglied des Personalrats sind, auf Übernahme
nach erfolgreicher Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses.
Die ins Einzelne gehende Regelung
ist nunmehr in § 56 BPersVG n.F. enthalten.
IV. Fazit
Das neue BPersVG trägt mit der Aufhebung der Rahmenvorschriften
für die Landespersonalvertretungsgesetze
den Vorgaben der Föderalismusreform für das
Recht des öffentlichen Dienstes der Länder abschließend
Rechnung.
Es ist Aufgabe der Länder, den gewonnenen Freiraum
für eigene Regelungen des Personalvertretungsrechts
auch für Universitäten, andere Hochschulen und
für öffentlich-rechtlich organisierte Universitätsklinika
zu nutzen.
Die Hochschulen selbst haben nach wie vor die jetzt
in § 127 Abs. 1, § 128 und § 127 Abs. 2 in Verbindung mit
§ 56 BPersVG neu enthaltenen, in der Sache unverändert
gebliebenen unmittelbar geltenden Vorschriften über
den Schutz von Wahlbewerbern und Organmitgliedern
bei außerordentlichen Kündigungen, über die Unwirksamkeit
von Kündigungen bei fehlender Beteiligung des
Personalrats und über die Übernahme von Auszubildenden,
die Mitglied des Personalrats sind, zu beachten.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwigs-
Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle
für Hochschularbeitsrecht. Viktor Kurz ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht.
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