Durch ein Gesetz des Großen Rathes ist seit 1818 die Hochschule zu Basel nach einer neuen Organisation restaurirt, und die neue Einrichtung rückt allmälig ihrer Vollendung näher. Diese Einrichtung hatte unter andern guten Folgen auch die Benutzung der Lehrkurse von Seite der hiesigen Bürgerschaft herbeigeführt, und es ist eine besonders im Winderhalbjahr bleibende Sitte unter dem schönen Geschlechte und unter Männern geworden, einen solchen Kursus zu besuchen. Die Vortheile sind auffallend. Es wächst nicht nur der Stoff für gesellige Unterhaltung, was wir aus guten Gründen hoch angeschlagen dürfen; die Wissenschaft selbst tritt dem Leben näher und befreundet sich dem Laien, der oft aus unnöthiger Scheu von der gelehrten Zunft sich für unwürdig hält, in die Hallen der Weisheit einzutreten. Aus ängstlichen Zweiflern werden entschlossene Freunde der wissenschaftlichen Forschung. Man fängt an einzusehen, daß die gründliche Untersuchung weder zum Umsturze des anerkannten Guten führt, noch die Frivolität und Tadelsucht befördert; vielmehr vor diesen Fehlern der Halbwisserei verwahrt und eine starke Wehr den Angriffen der Starkgeister (esprits forts) entgegen setzt. Daher die lobenswerthe Theilnahme der Frauen an Vorlesungen über Moral und Geschichte.
Durch solches Beispiel ermuthigt, sind auch zum öftern, wie die Geschichte vieler Städte zeigt, die Männer zu ähnlichem Streben hingerissen worden. Es ist sehr erfreulich, das die Absichten der hohen Obrigkeit, die den Lehrern an der hisigen Hochschule einen weiten Berufskreis zu gemeinnütziger Wirksamkeit verschaffen wollte, daß diese wohlthätigen Absichten in einem solchen Grade und so frühe schon erreicht worden sind.
Es ist merkwürdig, wie in den von aller Bildung sonst fern gehaltenen niedern Classen des Erwerbstandes in England und Schottland seit Kurzem ein wissenschaftliches Streben erwacht, wie sich mit ausserordentlicher Schnelligkeit die Bildungsanstalten und Lehrmittel für diese zahlreichste Volksklasse vermehren. Noch wenige Jahre, und die Folgen dieser Verpflanzung der Wissenschaft aus den Hörsälen der Gelehrten in die Werkstätten des Gewerbstandes werden hervortreten. Die Erleichterung des Vekehrs in Verbindung mit den großen Entdeckungen unserer Zeit wird die wichtigsten und unerwartetsten Veränderungen in den Lebens- und Verkehrsverhältnissen herbeiführen, welche den ungemeinen Werth wissenschaftlicher Bildung für alle Stände ausser Zweifel setzen. Dann wird man deutlich einsehen, wie väterlich unsere Obern für ihre Mitbürger gesorgt, welchen sie zur rechten Zeit die Mittel zur Erwerbung solcher Kenntnisse vervielfältigt haben. Möge die Thätigkeit der Lehrer an der Hochschule, und besonders die wohlthätigen Bemühungen derjenigen Lehrer, welche die Wissenschaft ins Leben einführen und eine stets größere Zahl aus allen Ständen ihr befreunden, als eine höchst gemeinnützige, das Bürgerwohl unmittelbar fördernde anerkannt und durch immer regere Theilnahme gefördert werden
Unterrichtspolizei
Merkwürdiger und nachahmungswerter Gebrauch der Basler Universität1
1 Allgemeine Deutsche Justiz‑, Kameral- und Polizeifam 1826, S. 34
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
7 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 2 6 0 — 2 7 0
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