I. Einleitung
II. Rechtliche Grundlagen und Verfahren zur Befangenheit
- Verfassungsrechtliche Grundlagen
- Gesetzliche und sonstige Regelungen
a) Landesverwaltungsverfahrensgesetze
b) Landeshochschulgesetze
c) Satzungsrechtliche Regelungen
d) Sonstige hochschulinterne Regelungen
e) Hinweise der Deutschen Forschungsgemeinschaft - Verfahrensgang gem. §§ 20 f. VwVfG in Berufungsverfahren
a) Pflichten der einzelnen Mitglieder der Berufungskommission
b) Amtsermittlungsgrundsatz und Pflichten des oder der Vorsitzenden
c) Beschluss der Berufungskommission über die Befangenheit und Dokumentationspflicht
d) Befangenheit von Personen, die nicht Mitglied der Berufungskommission sind
III. Tatbestand und Rechtsfolgen der Befangenheit - Tatbestand
a) Von Gesetzes wegen ausgeschlossene Personen
b) Besorgnis der Befangenheit - Rechtsfolgen
a) Rechtmäßiger Ausschluss
b) Rechtswidrig unterlassener Ausschluss
c) Rechtswidriger Ausschluss
d) Rügepflicht der Bewerberinnen und Bewerber
IV. Befangenheit in Berufungsverfahren im Lichte des Fachprinzips - Verfassungsrechtliche Grundlagen des Fachprinzips
- Widerstreit von Fachprinzip und Prinzip der Neutralität und Objektivität
- In der Praxis anzutreffende Vorgehensweisen
a) Vorgehensweise A: dauerhafter, vollständiger Ausschluss
b) Vorgehensweise B: vorübergehender, partieller Ausschluss
c) Vorgehensweise C: vorübergehender, vollständiger Ausschluss - Rechtliche Bewertung
V. Zusammenfassung
I. Einleitung
Die Berufungsverfahren an Hochschulen sind ein wesentlicher Baustein für die Gewährleistung der Freiheit von Forschung und Lehre2, denn sie dienen der Auswahl der eigentlichen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG innerhalb der Universität3. Sachfremde Einflüsse auf die Auswahlentscheidung verletzen daher nicht nur den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG4, sondern gefährden auch unmittelbar die Wissenschaftsfreiheit5.
Die Exzellenz ihrer Professorinnen und Professoren ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Hochschule. Bei einem durchschnittlichen Berufungsalter von 42 Jahren6 wirken sich Berufungen bis zur Pensionierung zumeist über Jahrzehnte aus. Die mit einer Berufung einhergehenden Ausstattungs- und Personalkosten sind erheblich und gehen in die Millionen. Sachfremde Einflüsse auf die Auswahlentscheidung stehen somit auch im Gegensatz zum Interesse der Hochschule.
Die Berufungskommissionen müssen nachvollziehbar entscheiden, ob Mitglieder von Gesetzes wegen von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen sind (§ 20 VwVfG) oder die Besorgnis der Befangenheit besteht und sie deshalb von der Mitwirkung auszuschließen sind (§ 21 VwVfG)7. Den Hochschulen kommt dabei weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum
1 Der vorliegende Beitrag fußt auf Neukirchen/Emmrich (Hrsg.), Berufungen, Befangenheit und Bewerbungsverfahrensanspruch: Ein Kompendium für Berufungskommissionen, Bewerberinnen und Bewerber, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden Baden 2021, das gemeinsam von Neukirchen, Emmrich, Büggeln, Kurlemann, Breder und Rockmann verfasst wurde.
2 Detmer, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht – Ein Handbuch für die Praxis, 3. Aufl., Heidelberg 2017, Kap. 4 Rn. 70.
3 BVerfGE 35, 79.
4 Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt, also auch dem eines Hochschulprofessors, vgl. OVG S‑H, B 8.12.2020, 2 MB 28/20, Rn. 6 – juris; Epping/Nölle, in: Epping, NHG, § 26 Rn. 15 m. w. N. Dabei ist es unerheblich, ob ein Beamten- oder ein Angestelltenverhältnis begründet werden soll. Vgl. insoweit auch Feldmann, OdW 2019, S. 55, zur Rechtsprechung bzgl. Rechtsweg bei der Sicherung des aus Art. 33 Abs. 2 GG herrührenden Bewerbungsverfahrensanspruchs, wenn die Anstellung in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis erfolgen soll.
5 BVerfGE 35, 79.
6 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) 2017, 117 – zuletzt abgerufen unter www.buwin.de am 20.6.2020.
7 Im Folgenden werden nur die einschlägigen Normen des VwVfG aufgeführt, die entsprechenden landesrechtlichen Normen müssen mitberücksichtigt werden.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
Mathias Neukirchen, Etienne Emmrich und Hendrik Büggeln
Befangenheit im Berufungsverfahren1
2 3 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
8 OVG NRW, U 24.1.1995, 5 A 1746/91; Wernsmann/Gatzka,
Befangenheit im Berufungsverfahren bei der Neubesetzung
einer Professorenstelle, DÖV 2017, S. 609, 612; Kopp/Ramsauer,
Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 20. Aufl., München,
2019, § 20 Rn. 50, § 21 Rn. 5.
9 Vgl. auch Wissenschaftsrat 2015, Empfehlungen zu wissenschaftlicher
Integrität, Positionspapier, S. 40, für die Begutachtung im
Peer-Review-Verfahren.
10 So Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 609.
11 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609–620.
12 Geis, Probleme bei der Zusammensetzung und Verfahren von
Berufungsausschüssen und Tenure-Track-Gremien, Ordnung der
Wissenschaft 2020, S. 23–32.
13 Burgi/Hagen, Unparteilichkeit versus Fachkompetenz: Zum
Umgang mit befangenen Mitgliedern in Berufungsausschüssen,
Ordnung der Wissenschaft 2021, S. 1–6.
14 Gläser/Krauth/Windbichler/Zürn, Befangenheit und Expertise in
Berufungsverfahren: Ein wissenschaftspolitischer Denkanstoß,
Denkanstöße aus der Akademie, Schriftenreihe der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften, Heft 4, März 2021.
Gläser et al. sehen auf der Grundlage von Interviews „Hinweise
darauf, dass gegebene Befangenheitsregeln […] zunehmend
unerwünschte Nebenfolgen zeitigen“: den Ausschluss „tiefer
Kenntnis eines Fachgebiets“ und damit den Ausschluss der
„qualifizierte[n] Bewertung von fachlicher Kompetenz“ sowie die
verstärkte Instrumentalisierung komplexer Befangenheitsregelwerke.
Sie stellen vier Modelle zum Umgang mit Befangenheit
in Berufungsverfahren vor, die auf einer Unterscheidung starker
und schwacher akademischer Verbindungen sowie interner und
externer Mitglieder beruhen.
15 Geis, OdW 2020, S. 23, 23 m. w. N.
16 Geis, OdW 2020, S. 23, 23.
17 Geis, OdW 2020, S. 23, 23.
zu; die Entscheidungen zur Befangenheit sind im vollen
Umfange durch die Verwaltungsgerichte überprüfbar8.
Schon die mit der Erörterung der möglichen Befangenheit
einhergehende Transparenz kann einer Beeinträchtigung
der Rechtmäßigkeit des Verfahrens entgegenwirken.
Die Offenlegung von Sachverhalten, die geeignet
sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen,
ist zugleich eine Voraussetzung der
Wissenschaftsfreiheit9.
Trotz der Bedeutung für die Berufungsverfahren
scheint die Problematik der Befangenheit bis vor wenigen
Jahren häufig „noch völlig oder weitgehend ausgeblendet“
worden zu sein10. Dieser Artikel will dem, wie
die einschlägigen Publikationen der letzten fünf Jahre
insbesondere von Wernsmann und Gatzka11, Geis12 sowie
Burgi und Hagen13, entgegenwirken. Gläser et al.14
befassen sich mit dem Thema aus wissenschaftspolitischer
Sicht.
Subjektiv ungünstige Auswahlentscheidungen werden
zunehmend gerichtlich angefochten15. Aufgrund
der Einschätzungsprärogative der Hochschule in fachlicher
Hinsicht zielen solche Klagen in der Regel auf Verfahrensfehler,
was zu einer zunehmenden Verrechtlichung
der Verfahren führt16.
Zwar gibt es mehr oder weniger klar etablierte Verfahrensschritte
für Berufungen, die bundesweit ähnlich
sind, da sie sich zum Teil schon aus §§ 42 ff. Hochschulrahmengesetz
(HRG) ableiten lassen. Hinsichtlich der
Details ergeben sich auf der Grundlage der 16 verschiedenen
Landeshochschulgesetze (LHG), die eine unterschiedliche
Regelungsdichte und teilweise divergierende
Regelungen aufweisen, aber vielfältige Abweichungen17.
Eine weitere Ausdifferenzierung erfolgt aufgrund des
Satzungsrechts der Hochschulen in den jeweiligen Berufungsordnungen
der Hochschulen.
Insoweit sind in der Rechtspraxis divergierende Auffassungen
zur Anwendung der einschlägigen Grundsätze
und Normen anzutreffen.
Hinsichtlich der Prüfung der Befangenheit ist sowohl
zwischen der Tatbestands- und der Rechtsfolgenebene
als auch den verschiedenen Stadien innerhalb des Auswahlverfahrens
(Vorauswahl und Auswahl) zu
unterscheiden.
Liegt ein Sachverhalt vor, der unter einen der gesetzlich
detailliert beschriebenen Tatbestände des § 20 VwVfG
zu subsumieren ist oder der geeignet ist, die weniger
klar beschriebene Besorgnis der Befangenheit gem.
§ 21 VwVfG eines Mitglieds der Berufungskommission
(oder einer anderen für die Hochschule tätigen Person)
zu begründen, muss die Hochschule handeln.
Nachfolgend werden drei typische, in der Rechtspraxis
anzutreffende und in den Berufungsordnungen der
Hochschulen normierte Vorgehensweisen vorgestellt
und erörtert:
A) Das betreffende Mitglied wird unwiderruflich von
der weiteren Mitwirkung im Berufungsverfahren
dauerhaft ausgeschlossen.
(Vorgehensweise A: dauerhafter, vollständiger Ausschluss)
B) Das betreffende Mitglied wird allein von der
Behandlung der die Befangenheit auslösenden
Bewerbung bei der Vorauswahl (ersten Sichtung)
ausgeschlossen und bleibt ausgeschlossen, sofern
diese Bewerbung weiterverfolgt wird. Sofern diese
Bewerbung nicht weiterverfolgt wird, kann das
betreffende Mitglied wieder mitwirken.
(Vorgehensweise B: vorübergehender, partieller
Ausschluss)
C) Das betreffende Mitglied wird von der gesamten
Vorauswahl (ersten Sichtung sämtlicher BewerbunNeukirchen/
Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 3 7
18 Das VG Bremen, B. 24.4.2019, 6 V 328/19, hielt es nicht für
lebensfremd, dass eine Berufungskommission in einer sechsstündigen
Sitzung sämtliche 124 Bewerbungen „ausführlich gesichtet
hat“.
19 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG
– Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 5. Aufl., München
2018, § 20 Rn. 1, 158.
20 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, §
20 Rn. 1 m. w. N.
21 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, §
20 Rn. 1 m. w. N.
gen) ausgeschlossen und bleibt ausgeschlossen,
sofern die die Befangenheit auslösende Bewerbung
weiterverfolgt wird. Sofern diese Bewerbung nicht
weiterverfolgt wird, kann das betreffende Mitglied
wieder mitwirken.
(Vorgehensweise C: vorübergehender, vollständiger
Ausschluss)
In der Praxis finden sich weitere Ausdifferenzierungen
und Modifikationen dieser drei generellen
Vorgehensweisen.
Vorgehensweise A stützt sich auf den Wortlaut der
§§ 20 Abs. 1 Satz 1 und 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, ist jedoch
geeignet, das Fachprinzip als Ausfluss von
Art. 5 Abs. 3 GG zu verletzen: Bei Verfahren mit vielen
Bewerbungen – Berufungsverfahren mit bis zu 100 Bewerbungen
sind durchaus kein Einzelfall18 – müssen
fachlich ausgewiesene Mitglieder die Kommission dauerhaft
verlassen und auch externe Fachvertreterinnen
und Fachvertreter können nur schwer als Ersatz gefunden
werden, denn bei einer großen Zahl von Bewerbungen
können sich auch bei diesen Gründe ergeben, Befangenheit
bzgl. einer Bewerbung zu besorgen.
So kann selbst eine Bewerbung, die die gesetzlichen
Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt oder schon bei
der ersten Sichtung ausscheidet, unwiderruflich zum
Ausschluss eines Mitglieds führen. Dabei tritt dieser Fall
sehr häufig auf.
In der Praxis führte dies – um der Rechtsfolge des
dauerhaften Ausschlusses zu entgehen – zu einer Relativierung
auf der Tatbestandsebene, die einem unparteiischen
und neutralen Verfahren gerade nicht dienlich ist.
Vorgehensweise B ist zwar geeignet, die Mitwirkung
fachlich-disziplinär kompetenter Personen am Auswahlverfahren
sicherzustellen, kann jedoch dazu führen, dass
das Prinzip des unparteiischen und neutralen Handelns
in nur ungeeigneter Weise umgesetzt wird, wenn befangene
Mitglieder an der Vorauswahl der übrigen Bewerbungen
mitwirken.
Vorgehensweise C sucht im Wege der praktischen
Konkordanz einen Ausgleich zwischen unparteiischem
und neutralem Verfahren sowie Fachprinzip.
Die Frage, ob ein Sachverhalt geeignet ist, die Besorgnis
der Befangenheit zu begründen, ist in unterschiedlichen
Verwaltungsverfahren unterschiedlich zu beantworten:
So ist der Betreuer oder die Betreuerin einer
Promotion beim Promotionsverfahren durchaus als
Gutachter oder Gutachterin zugelassen, beim Berufungsverfahren
dagegen nicht. Unterschiede und Gemeinsamkeiten
bei den diversen Verwaltungsverfahren
an Hochschulen (Promotionen, Habilitationen, Evaluierungen
und Bewährungsfeststellungen bei Juniorprofessuren,
Verleihung der Würde eines apl. Professors, Bestellung
zum Honorarprofessor, …) herauszuarbeiten,
bleibt künftigen Arbeiten vorbehalten.
II. Rechtliche Grundlagen und Verfahren zur Befangenheit - Verfassungsrechtliche Grundlagen
Das rechtsstaatliche Verfahren verlangt unparteiisches,
neutrales, faires und sachliches Handeln und verbietet
das Handeln in eigener Sache19. Das Unbefangenheitsund
das Unparteilichkeitsgebot folgen aus dem Rechtsstaatsprinzip
gem. Art. 20 GG20.
Bei der Bewerbung um ein öffentliches Amt wie das
einer Professur folgt zudem aus Art. 33 Abs. 2 GG das
Recht der Bewerberinnen und Bewerber auf ermessensund
beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung
und damit auch auf eine ordnungsgemäß zusammengesetzte
Berufungskommission ohne befangene
Mitglieder oder solche, die den Anschein der Befangenheit
erwecken können. Aus Art. 33 Abs. 2 GG und
Art. 5 Abs. 3 GG folgt jedoch ebenso, dass die Berufungskommission
so zusammengesetzt sein muss, dass genügend
fachliche Expertise der Mitglieder vorhanden ist,
um die Einschätzungsprärogative der Berufungskommission
zu rechtfertigen.
Soweit Mitglieder der Berufungskommission Beamtinnen
oder Beamte sind, gehört ihre Verpflichtung zur
unparteiischen Amtsführung zu den hergebrachten
Grundsätzen des Beamtentums gem. Art 33 Abs. 5 GG21
und ist in §§ 60 Abs. 1 Satz 2 und 61 Abs. 1 Satz 2 BBG
bzw. den entsprechenden Landesgesetzen kodifiziert. - Gesetzliche und sonstige Regelungen
Regelungen und Empfehlungen zum Umgang mit Fragen
der Befangenheit finden sich auf unterschiedlichen
Ebenen (Bund und Land) und in unterschiedlichen
Gesetzen (VwVfG und LHG).
2 3 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
22 a. A. Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 611, m. w. N.
23 Vgl. Geis, OdW 2020, S. 23, 25 m. w. N.; Pokorny, Die Bedeutung
der Verwaltungsverfahrensgesetze für die wissenschaftlichen
Hochschulen – unter Berücksichtigung der Rechtslage in
Nordrhein-Westfalen, Frankfurt 2002, S. 14 ff., 36 ff; VGH BW, B
10.9.2020, 4 S 1657/20, Rn. 5 – juris.
24 Aus Gründen der Einheitlichkeit wird im Folgenden allgemein
auf die §§ der bundesgesetzlichen Regelungen des VwVfG abgestellt.
25 Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und
Verwaltungsverfahrensgesetz, Baden-Baden 2002, S. 172 m. w. N.;
Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, §
20 Rn. 9 m. w. N.
26 Kopp/Ramsauer, VwVfG § 20 Rn. 6.
27 OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 19 ff. – juris; VG Stuttgart,
U 30.6.2021, 6 K 1377/20, Rn. 47.
28 VG Halle (Saale), B 29.9.2020, 5 B 222/19, Rn. 17 – juris.
29 Vgl. allg. zum Maßstab Kopp/Ramsauer, VwVfG § 21 Rn. 13, 16;
Epping/Nölle, in: Epping (Hrsg.), Niedersächsisches Hochschulgesetz
mit Hochschulzulassungsgesetz – Handkommentar, 1. Aufl.,
Baden-Baden 2016, § 26 Rn. 61 mit Verweis auf OVG, RhPf B
28.9.2007, 2 B 10825/07, Rn. 5 ff. – juris.
30 VG Münster, B 22.4. 2015, 5 K 2799/12, Rn. 90 – juris. Vgl. auch
BVerfG, B 5.12.2019, 1 BvL 7/18, zur Besorgnis der Befangenheit
eines Richters; VGH BW, B 27.9.2021, 1 VB 85/17, Rn. 8 – juris.
31 OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 25 – juris.
32 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 609.
33 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn. 11.
34 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn. 17; Wernsmann/Gatzka, DÖV
2017, S. 609, 615.
35 Vgl. etwa die eher zurückhaltende Formulierung in § 9 Abs.
5 Satz 1 LHG BW: „Wer eine Tätigkeit in der Selbstverwaltung
übernommen hat, muss die ihm übertragenen Geschäfte uneigennützig
und verantwortungsbewusst führen.“
36 VG Gera, B 20.5.2016, 1 E 1183/15.
37 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 612.
a) Landesverwaltungsverfahrensgesetze
Das Berufungsverfahren beginnt mit der Ausschreibung
und endet i. d. R. mit der Ernennung einer Person aus
dem Kreis der Bewerberinnen und Bewerber – und
damit mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes22. Es ist
somit ein Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9
VwVfG23. Die wesentlichen Regeln zum Umgang mit der
möglichen Befangenheit finden sich in den Verwaltungsverfahrensgesetzen
des Bundes (VwVfG) und der
Länder (LVwVfG)24. §§ 20 f. VwVfG und die entsprechenden
landesrechtlichen Regelungen spezifizieren den
Grundsatz der Objektivität und Neutralität für das Verwaltungsverfahren25:
Nur unparteiische und neutrale
Personen dürfen an einem Verwaltungsverfahren mitwirken26.
§§ 20 f. VwVfG sind bei Berufungsverfahren unmittelbar
anzuwenden, soweit landesgesetzlich nichts anderes
geregelt ist27. In einigen Bundesländern waren oder
sind Hochschulen oder Berufungsverfahren an Hochschulen
von der Anwendung des LVwVfG ganz oder teilweise
ausgenommen. Dann gelten §§ 20 f. VwVfG (bzw.
die entsprechenden landesgesetzlichen Normen) zwar
nicht unmittelbar, aber §§ 20 f. VwVfG kodifizieren die
allgemeinen Regeln, auf die zurückgegriffen werden
kann28.
Bereits von Gesetzes wegen sind bestimmte Personengruppen
von der Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung
in Verwaltungsverfahren ausgeschlossen
(§ 20 VwVfG). Darüber hinaus ist zu prüfen, ob bei den
Mitwirkenden ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen
gegen eine unparteiische Amtsführung zu besorgen
(§ 21 VwVfG). Maßgeblich ist dabei, ob bei vernünftiger
Würdigung der konkreten Umstände aus Sicht eines
abstrakten Mitbewerbers Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit
zu zweifeln29. Tatsächliche
Befangenheit muss nicht vorliegen, schon der böse
Schein ist zu vermeiden30. Auf die Sicht desjenigen, der
eine Befangenheitsrüge erhebt, oder ob das betreffende
Mitglied der Berufungskommission sich selbst für befangen
hält, kommt es nicht an31.
Auswahlkriterien sind allein Eignung, Befähigung
und fachliche Leistung; andere Aspekte sind außer Acht
zu lassen32. Die Besorgnis der Befangenheit kann daher
auch in anderen Verfahrensverstößen begründet sein,
wie z. B. der diskriminierenden Behandlung von Bewerberinnen
und Bewerbern33 oder der frühzeitigen Vorfestlegung
auf eine Bewerberin oder einen Bewerber34.
b) Landeshochschulgesetze
Die Hochschulgesetze der Länder (LHG) können die
Bestimmungen der §§ 20 f. VwVfG als lex specialis
grundsätzlich verdrängen. Hier ist jedoch eine gesetzgeberische
Zurückhaltung zu bemerken35: Soweit sich in
den Hochschulgesetzen Regelungen zu Berufungsverfahren
oder allgemeiner zu Verfahren in den Hochschulgremien
finden, so i. d. R. nicht zur Befangenheit.
c) Satzungsrechtliche Regelungen
Soweit die Hochschulen die gesetzlichen Vorgaben zu
Fragen der Befangenheit von Amtsträgern bzw. Ausschussmitgliedern
konkretisieren, geschieht dies im
Rahmen ihres Satzungsrechts.
Eine (Berufungs-) Satzung kann von der Hochschule
im Rahmen der ihr vom jeweiligen Landesgesetzgeber
verliehenen (Rechtsetzungs-) Autonomie erlassen werden
und bindet die Hochschule36. Die Satzungsautonomie
gewährt einen weiten Spielraum, der allerdings
durch die Vorgaben des LHG (beispielsweise zur Zusammensetzung
der Gremien) und anderes, höherrangiges
Recht begrenzt wird37.
Neukirchen/Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 3 9
In manchen Bundesländern sind die Hochschulen
durch das LHG verpflichtet worden, eine Berufungsordnung
als Satzung zu erlassen38, in anderen ist die Übertragung
des Berufungsrechts an den Erlass einer Berufungsordnung
geknüpft39.
Die Hochschulen sind gut beraten, in den Berufungsordnungen
exemplarisch die Fallgruppen, die mit Blick
auf § 21 VwVfG geeignet sein können, die Besorgnis der
Befangenheit zu begründen, klar und eindeutig zu normieren.
Offene und allgemeine Formulierungen mögen
durch eine jeweils gelungene Auslegung zwar der Vielfalt
der Fälle besser gerecht werden – sie bergen aber auch
ein größeres Risiko für ggf. schwerwiegende Fehler der
Berufungskommissionen und verhindern ein einheitliches,
transparentes und vorhersehbares Handeln der
Hochschule.
d) Sonstige hochschulinterne Regelungen
Die Hochschulleitungen haben – zum Teil schon vor den
Berufungsordnungen bzw. auch parallel dazu – sog.
Berufungsleitfäden oder Handreichungen veröffentlicht.
Dabei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften40,
durch deren regelmäßige Anwendung eine Selbstbindung
entsteht, von der die Hochschule nicht unbegründet
abweichen darf. Auch die Rechtsprechung prüft
Berufungsverfahren an Hand solcher Verwaltungsvorschriften
und geht von einem Fehler aus, wenn die Hochschule
diese sie selbst bindenden Vorschriften verletzt41.
e) Hinweise der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die DFG-Hinweise zu Fragen der Befangenheit (DFGVordruck
10.210–4/10) sind in Berufungsverfahren nicht
einschlägig und können allenfalls zur wissenschaftsspezifischen
Konkretisierung des § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG
herangezogen werden42.
Die Leitlinien der DFG zur Sicherung guter wissenschaftlicher
Praxis umfassen unter anderem Hinweise
zur Autorenschaft. Diese Hinweise können ggf. zur Bewertung
von Sachverhalten im Zusammenhang mit der
Besorgnis der Befangenheit bei gemeinsamen Publikationen
herangezogen werden. - Verfahrensgang gem. §§ 20 f. VwVfG in Berufungsverfahren
Im Berufungsverfahren haben jedes Mitglied, die oder
der Vorsitzende, die Berufungskommission als Ganzes
und die nachfolgenden Gremien die Grundsätze bzgl.
der Befangenheit zu beachten.
a) Pflichten der einzelnen Mitglieder der Berufungskommission
Jedes Mitglied einer Berufungskommission ist verpflichtet,
der oder dem Vorsitzenden sowohl eine Betroffenheit
aus der abschließenden Aufzählung des § 20 VwVfG
als auch solche Sachverhalte, die geeignet sind, die
Besorgnis der Befangenheit gem. § 21 VwVfG zu begründen,
unverzüglich, also in der Regel unmittelbar nach
Kenntnis der eingegangenen Bewerbungen zu offenbaren,
§ 20 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. Auch erst später eintretende
Sachverhalte sind unverzüglich anzuzeigen43.
b) Amtsermittlungsgrundsatz und Pflichten des oder
der Vorsitzenden
Die oder der Vorsitzende ist verpflichtet, die Mitglieder
aufzufordern, entsprechende Angaben zur Befangenheit
zu machen44. Dafür haben die meisten Hochschulen
Merkblätter und Formulare entwickelt, die von den Mitgliedern
einer Berufungskommission auszufüllen sind45.
Die Berufungskommission darf jedoch nicht darauf vertrauen46,
sondern hat dem Amtsermittlungsgrundsatz
entsprechend auch selbst aufklärend zu wirken, soweit
Anhaltspunkte vorliegen.
Die oder der Vorsitzende muss gem. § 89 VwVfG
(oder einer analogen Regelung des LHG, der Grundoder
Berufungsordnung) Hinweisen nachgehen und
nach pflichtgemäßem Ermessen über die Befassung der
Berufungskommission entscheiden47. Bekannt gewordene
Befangenheitsgründe sind unabhängig von der Offenbarungspflicht
auch von Amts wegen zu berücksichtigen48.
Äußern andere Mitglieder der Berufungskommission
einen Verdacht oder geben Hinweise, so hat die
oder der Vorsitzende den Sachverhalt aufzuklären49. Sie
38 So § 101 Abs. 8 BerlHG.
39 Z. B. § 40 Abs. 5 Satz 4 BbgHG.
40 BVerfG, B 2.3.1999, 2 BvF 1/94, Rn. 38 – juris.
41 OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 30 – juris: „Präsidiumshandreichung“;
VG Berlin, B 15.12.2017, 5 L 315/17, Rn. 17 – juris.
Im Rahmen der Rechtsaufsicht können Verwaltungsvorschriften
jedoch nicht durchgesetzt werden, siehe Hailbronner in Geis
(Hrsg.), HochschulR in Bund und Ländern, HRG §59 Rn. 3 (16.
Lfg. 1996).
42 Siehe auch Geis, OdW 2020, S. 23, 24, der die DFG-Hinweise
insoweit als „eigengesetzliche“ Standards der Scientific Community
bezeichnet. Im Hinblick auf schon von Gesetzes wegen
ausgeschlossenen Personen stehen die DFG-Hinweise teils im
Widerspruch zu den Tatbeständen des § 20 VwVfG.
43 Steht das Mitglied in einem Dienstverhältnis zur Hochschule, so
ist dies eine Dienstpflicht.
44 Anders aber VG Stuttgart, U 30.6.2021, 6 K 1377/20, Rn. 50: Eine
Belehrungspflicht bestehe nicht, eine anlasslose Thematisierung
von Befangenheit sei nicht erforderlich.
45 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 616.
46 VG Gera, B 20.5.2016, 1 E 1183/15, Rn. 74 – juris.
47 Geis, OdW 2020, S. 23, 27.
48 Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 21 Rn. 1.
49 Vgl. auch Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser,
VwVfG, § 21 Rn. 23.
2 4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
oder er muss sicherstellen, dass eine Entscheidung der
Berufungskommission gem. §§ 20 f. VwVfG herbeigeführt
und auch vollzogen wird.
c) Beschluss der Berufungskommission über die Befangenheit
und Dokumentationspflicht
Die Berufungskommission ist ein Ausschuss im Sinne
von § 20 Abs. 4 VwVfG und das Berufungsverfahren ein
Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 VwVfG50.
Wenn ein Mitglied der Berufungskommission eine
nach seiner Ansicht bestehende (absolute oder relative)
Befangenheit oder Zweifel darüber anzeigt oder die Berufungskommission
hiervon anderweitig Kenntnis erlangt,
muss daher (soweit nicht landesgesetzlich eine andere
Stelle berufen ist) die Berufungskommission hierüber
beraten und über den Ausschluss entscheiden51.
Gem. § 20 Abs. 4 VwVfG berät und beschließt die Berufungskommission
ohne Mitwirkung der oder des Betroffenen.
Eine geheime Abstimmung ist nicht erforderlich,
aber zu empfehlen. Bei Stimmengleichheit entscheidet je
nach Grund- bzw. Berufungsordnung ggf. die Stimme
der oder des Vorsitzenden oder der Antrag ist abgelehnt52.
Ist die oder der Vorsitzende selbst vom möglichen
Ausschluss betroffen, so ist die Sitzungsleitung an
die Stellvertretung zu übergeben; ggf. ist nach dem Ausschluss
der Vorsitz neu zu bestimmen.
Für die Praxis ist es sinnvoll, dieses Verfahren in den
Berufungsordnungen genauer zu regeln, denn oft sind
mehrere Mitglieder betroffen, so dass sich die Frage der
Reihenfolge der Entscheidung ebenso stellt wie die Frage
der Vertretung durch Sitzungsvertreter. Ob das Mitwirkungsverbot
aus § 20 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ein Verhinderungsgrund
ist, der die Vertretung des betroffenen Mitglieds
bei der Entscheidung über den Ausschluss durch
einen (ohnehin vorgesehenen) Sitzungsvertreter erlaubt,
ist offen53.
Der Ausschluss ist zeitnah im Sitzungsprotokoll substantiiert
zu dokumentieren54. In einigen Berufungsleitlinien
ist für Fälle möglicher Befangenheit eine Informationspflicht
gegenüber der Hochschulleitung vorgesehen55.
Soweit die Berufungskommissionen rechtmäßig
handeln, dürfen jedoch weder Dekanat noch Präsidium
über den Ausschluss entscheiden56.
Die die Berufungskommission einsetzende Stelle – in
der Regel der Fakultäts- bzw. Fachbereichsrat – hat dafür
Sorge zu tragen, dass die Berufungskommission trotz eines
Ausschlusses von Mitgliedern beschlussfähig bleibt.
Ggf. muss ein Ersatzmitglied benannt werden, sofern es
keine Stellvertretung (mehr) gibt57.
d) Befangenheit von Personen, die nicht Mitglied der
Berufungskommission sind
Von Gesetzes wegen oder wegen der Besorgnis der
Befangenheit auszuschließen sind nicht nur stimmberechtigte,
sondern auch nicht stimmberechtigte58 Mitglieder
der Berufungskommission sowie Stellvertreterinnen
und Stellvertreter. Auch Gutachterinnen und
Gutachter sowie all jene, die in anderer Eigenschaft mit
dem Berufungsverfahren befasst sind, dürfen an dem
Verfahren nicht mitwirken, sofern sie von Gesetzes
wegen ausgeschlossen sind oder Gründe vorliegen, die
die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Hierzu
zählen u. a. Gleichstellungs- oder Schwerbehindertenbeauftragte,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fakultäts-
oder Zentralverwaltung oder einer etwaigen Stabsstelle
für Berufungen, Berufungsbeauftragte, die Dekanin
oder der Dekan, Mitglieder des Präsidiums sowie
Mitglieder nachfolgend mit der Berufung befasster Gremien
wie Fakultätsrat oder Senat.
Die Entscheidung hierüber hat die oder der Dienstvorgesetzte
zu treffen, sofern nicht ohnehin das Verfahren
von einer Vertreterin oder einem Vertreter (etwa ei-
50 Vgl. Geis, OdW 2020, S. 23, 25 m. w. N.; Pokorny, Die Bedeutung
der Verwaltungsverfahrensgesetze für die wissenschaftlichen
Hochschulen – unter Berücksichtigung der Rechtslage in
Nordrhein-Westfalen, Frankfurt 2002, S. 14 ff., 36 ff; VGH BW,
B 10.9.2020, 4 S 1657/20, Rn. 5 – juris. Anders aber Wernsmann/
Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 611.
51 Gegen die unmittelbare Anwendung von § 20 VwVfG auf die Berufungsausschüsse:
Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 616.
52 Geis, OdW 2020, S. 23, 27 m. w. N.
53 Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 4. Aufl.,
Stuttgart 2019, § 20 Rn. 21, geht davon aus, dass das betroffene
Mitglied schon ab Selbstanzeige bis zur Entscheidung über seinen
Ausschluss von der Mitwirkung ausgeschlossen ist. Da regelmäßig
mehrere Mitglieder betroffen sind, könnte das in der Praxis
schnell zur Beschlussunfähigkeit der Kommission führen, was für
die Annahme eines Vertretungsgrundes spricht.
54 Zur Dokumentationspflicht vgl. VG Frankfurt (Oder), U
25.8.2014, 3 K 840/11, Rn. 59 f. – juris (und nachfolgend OVG Bln-
Bbg, U 1.3.2016, 4 N 59.14, Rn. 12 – juris); VG Halle, B 29.9.2020, 5
B 222/19.
55 Z. B. KIT, Leitlinien für Berufungsverfahren zur Besetzung von
W1‑, W2- und W3-Professuren und Stellen für leitende Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler, 1.12.2017, s. Anlage 6.
56 Herrmann/Tietze, Ausschließung und Befangenheit von akademischen
Mitarbeitern als Mitglieder einer Berufungskommission,
Landes- und Kommunalverwaltung – LKV 2015, S. 337 m. w. N.;
Geis, OdW 2020, S. 23, 27.
57 OVG RhPf, B 28.9.2007, 2 B 10825/07.
58 Ziekow, VwVfG, § 21 Rn. 4a; VG Düsseldorf, U 3.12.2015, 15 K
7734/13; vgl. auch ThürOVG, U 12.3.2019, 4 KO 128/18 – juris Rn.
44 m. w. N. (zur Mitwirkung im Hochschulrat).
Neukirchen/Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 4 1
ner Prodekanin oder einem Prodekan) betrieben werden
kann59. Bei den (stellvertretenden) Mitgliedern von im
Verfahren befassten Gremien wie Fakultätsrat und Senat
hat das jeweilige Gremium zu entscheiden. Dabei wird
man regelmäßig eine Prüfung der Sachverhalte gem.
§§ 20 f. VwVfG in Bezug auf sämtliche Bewerbungen
nicht durchführen können. Hier ist es angemessen, sich
auf die im Berufungsvorschlag gelisteten Bewerbungen
zu beschränken, sofern nicht darüber hinausgehende
Anhaltspunkte vorliegen. Die Pflicht der Mitglieder des
Gremiums zur Offenlegung entsprechender Sachverhalte
gilt auch hier, und zwar in Bezug auf sämtliche Bewerbungen:
Ist einem Senatsmitglied etwa bekannt, dass
sich ein Angehöriger beworben hat, so muss es dies auch
dann offenbaren, wenn im Senat regelmäßig „nur“ der
Berufungsvorschlag erörtert wird und der Angehörige
nicht gelistet ist.
Selbstverständlich können Personen, die schon in einem
früheren Stadium etwa als Mitglied der Berufungskommission
ausgeschlossen wurden, dann auch nicht
als Mitglied des Fakultätsrats oder Senats mitwirken; sie
bleiben ausgeschlossen. Ebenso ist schon die bloße Anwesenheit
von aufgrund von §§ 20 f. VwVfG ausgeschlossenen
Personen bei einer öffentlichen Vorstellung
(Fachvortrag, Lehrprobe) abzulehnen.
III. Tatbestand und Rechtsfolgen der Befangenheit - Tatbestand
a) Von Gesetzes wegen ausgeschlossene Personen
§ 20 VwVfG geht von der unwiderlegbaren Vermutung
aus, dass bei bestimmten Interessenskollisionen und
Sachverhalten eine neutrale Amtsführung unmöglich ist
und daher bestimmte Personen qua Gesetz von einem
Verfahren ausgeschlossen sind60. Absatz 1 lautet:
In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde
nicht tätig werden, - wer selbst Beteiligter ist;
- wer Angehöriger eines Beteiligten ist;
- wer einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht
allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt; - wer Angehöriger einer Person ist, die einen Beteiligten
in diesem Verfahren vertritt; - wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt
ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrates
oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies
gilt nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte
ist; - wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der
Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder
sonst tätig geworden ist.
Dem Beteiligten steht gleich, wer durch die Tätigkeit
oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil
oder Nachteil erlangen kann. Dies gilt nicht, wenn
der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass jemand
einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren
gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt
werden.
In diesem gesetzlichen Sinne ist das Berufungsverfahren
ein Verwaltungsverfahren, die Hochschule ist Behörde,
die Bewerberin oder der Bewerber ist Beteiligter61.
Wer Angehöriger ist, ist in § 20 Abs. 5 VwVfG
geregelt.
§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwVfG umfasst nicht Gutachten,
die in amtlicher Eigenschaft abgegeben worden sind.
Hierzu zählen regelmäßig Gutachten in Promotionsund
Habilitationsverfahren sowie in anderen Berufungsverfahren.
Der Ausschluss einer Gutachterin oder eines
Gutachters der Promotion oder Habilitation kann mithin
nicht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwVfG gestützt werden,
sondern allenfalls auf § 21 VwVfG, sofern weitere
konkrete Umstände hinzutreten62.
Einem Beteiligten steht gem. § 20 Abs. 1 Satz 2
VwVfG gleich, wer durch die Tätigkeit oder Entscheidung
einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil rechtlicher,
materieller oder immaterieller Art erlangen kann63.
Dies ist zunächst weit auszulegen, damit der Anschein
einer Interessenskollision auf beiden Seiten vermieden
wird64. Vor- oder Nachteile wegen der Zugehörigkeit zu
einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe sind dabei gem.
§ 20 Abs. 1 Satz 3 VwVfG ausgenommen65.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zu besetzenden
Professur fallen weder unter § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr.
5 VwVfG noch unter § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, denn sie
sind bei der Hochschule oder dem Land beschäftigt und
59 Ausgenommen sind Personen, die zwar mit dem Berufungsverfahren
befasst sind, aber nicht entscheidungsbezogen, sondern
nur „rein technisch“ etwa als weisungsgebundene Schreibkraft
tätig werden, vgl. VGH BW, U 9.12.2010, 7 S 3291/08, m. w. N.
60 Kopp/Ramsauer, VwVfG § 20 Rn. 1.
61 VG Darmstadt, Beschl. v. 17.7.2014, 1 L 721/14.DA, Rn. 28 ff. –
juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 K 7734/13 (nachfolgend
OVG NRW, Beschl. v. 27.4.2017, 6 A 277/16).
62 Anders hingegen VG Potsdam, B 7.10.2020, 13 L 354/20, das eine
Befangenheit schon als möglich erachtet, wenn ein Mitglied der
Berufungskommission Zweitgutachter der Dissertation eines
Bewerbers war und dieser an einem vom Mitglied der Berufungskommission
herausgegebenen Buch mitgewirkt hat. Vgl. auch
Kopp/Ramsauer, VwVfG § 20 Rn. 29 f.
63 Ziekow, VwVfG § 20 Rn. 16 f.
64 Kopp/Ramsauer, VwVfG § 20 Rn. 30 ff.
65 Ziekow, VwVfG § 20 Rn. 18.
2 4 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
zu ihren Aufgaben gehört im Rahmen der akademischen
Selbstverwaltung die Vertretung der legitimen Interessen
ihrer Mitgliedergruppe66.
§ 20 VwVfG ist sowohl auf stimmberechtigte Mitglieder
und ihre Vertreterinnen und Vertreter als auch nicht
stimmberechtigte Mitglieder der Berufungskommission
und sonstige Personen anzuwenden, die für die Hochschule
(oder das Ministerium) in dem Berufungsverfahren
tätig werden.
b) Besorgnis der Befangenheit
Über die zwingenden Gründe aus § 20 VwVfG hinaus
kann die sog. relative Befangenheit bzw. Besorgnis der
Befangenheit gem. § 21 VwVfG zu einem Ausschluss führen67.
Die Gründe, die eine Befangenheit besorgen lassen,
müssen individuell, konkret und nachprüfbar sein68.
Nicht hinreichend sind beispielsweise die Staatsangehörigkeit,
das Geschlecht oder die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten wissenschaftlichen Schule. Die Besorgnis
der Befangenheit kann auch erst im Zuge des Verfahrens
eintreten, etwa durch unsachliche Äußerungen oder
Verhaltensweisen, die geeignet sind, Zweifel an der Unvoreingenommenheit
des betreffenden Kommissionsmitglieds
auszulösen69.
Die Verwaltungsgerichte differenzieren zwischen zulässigem
„gelegentlichem beruflichen Zusammenwirken“
gegenüber unzulässiger „besonderer kollegialer
Nähe“ (oder auch Konkurrenz) in dienstlicher Hinsicht
und zwischen zulässigen „gelegentlichen privaten Kontakten“
und unzulässigen „freundschaftlichen Kontakten“ - Den freundschaftlichen Kontakten stehen persönliche
Anfeindungen gleich.
Nicht jede wissenschaftliche Zusammenarbeit oder
frühere wissenschaftliche oder akademische Verbindung
führt „gleichsam automatisch“ zur Annahme der Besorgnis
der Befangenheit71. Gelegentliche private Kontakte
sind unschädlich72.
Die besondere berufliche Nähe kann sich insbesondere
in den folgenden Fallgruppen manifestieren73:
• Lehrer-Schüler-Verhältnis,
• dienstliches Abhängigkeitsverhältnis,
• gemeinsame Assistenzzeit,
• gemeinsame Publikationen,
• wissenschaftliche Kooperationen oder Konkurrenz
oder Konflikte,
• gegenseitige Begutachtungen.
Die bloße Begutachtung (nicht Betreuung74) einer
Promotion oder einer Habilitation wird, wie oben bereits
erwähnt wurde, regelmäßig nicht geeignet sein, die Besorgnis
der Befangenheit zu begründen. Beim dienstlichen
Abhängigkeitsverhältnis wird hingegen das direkte
und unmittelbare Weisungsrecht bzw. die direkte und
unmittelbare Weisungsabhängigkeit die Besorgnis der
Befangenheit begründen können.
Die Zugehörigkeit zu ein und derselben Dienststelle
ist ebenso wenig geeignet, Besorgnis der Befangenheit zu
begründen75 wie die Zugehörigkeit zur gleichen akademischen
Schule76. Die gemeinsame Assistenzzeit am
gleichen Lehrstuhl dagegen kann durchaus ein Indiz
sein77.
Bei gemeinsamen Publikationen können Außenstehende
nicht zwischen den Anteilen der Koautorinnen
und Koautoren unterscheiden und damit auch nicht, ob
das betreffende Mitglied der Berufungskommission seine
eigene Leistung oder die Leistung des Bewerbers oder
66 VG Hannover, B 19.6.2003, 6 B 2398/03. Vgl. auch Ziekow,
VwVfG, § 20 Rn. 17; Herrmann/Tietze, LKV 2015, S. 337, 339 m. w.
N.: Die Mitwirkung akademischer Mitarbeiter aus dem vakanten
Fachgebiet kann auch nicht mit dem Argument beanstandet
werden, die Betreffenden würden sich so ihren künftigen Vorgesetzten
selbst auswählen. VG Gelsenkirchen, B 22.2.2021, 12 L
1183/20, Rn. 42 – juris: Schädlich dagegen ist, wenn ein Mitglied
der Berufungskommission aus der Gruppe der akademischen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Mitwirkung einer der
Bewerberinnen und Bewerber vom Fakultätsrat gewählt wurde.
67 § 20 entfaltet auch keine Sperrwirkung gegenüber § 21 für vergleichbare
Umstände, so Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 21
Rn. 4.
68 Vgl. etwa OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 25 – juris.
69 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, §
21 Rn. 20.
70 Siehe OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 26 – juris; HmbOVG,
B 9.10.1998, 1 Bs 214/98, Rn. 8 – juris; VG Stuttgart, U 30.6.2021,
6 K 1377/20, Rn. 48 – juris: „Im Rahmen von Berufungskommissionen
zur Besetzung von Professuren ist eine Besorgnis der
Befangenheit hinsichtlich eines Kommissionsmitglieds dann zu
bejahen, wenn zwischen dem Kommissionsmitglied und einer
Bewerberin oder einem Bewerber ein besonderes Näheverhältnis
besteht, das über gelegentliches berufliches Zusammenwirken
hinausgeht. Erforderlich sind vielmehr eine besondere kollegiale
Nähe oder freundschaftliche Kontakte.“
71 OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 32 – juris.
72 OVG M‑V, B. v. 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 26 – juris.
73 Vgl. auch Geis, OdW 2020, S. 23, 26 m. w. N.
74 Die noch von Krüger/Leuze, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 45
Rn. 22, vertretene Auffassung, der „Habilitationsvater“ sei als
Gutachter rechtlich zulässig, ist als veraltet anzusehen, vgl. auch
Beaucamp/Seifert, Rechtsschutz von Kandidatinnen und Kandidaten
im Promotions‑, Habilitations- und Berufungsverfahren,
WissR 2011, S. 40.
75 OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 32 – juris.
76 Anders aber VG Halle (Saale), B 29.9.2020, 5 B 222/19, Rn. 17 –
juris, siehe Fn. 107.
77 Vgl. OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 26 – juris; Geis, OdW
2020, S. 23, 26 m. w. N.
Neukirchen/Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 4 3
der Bewerberin beurteilt oder ob die Beurteilung eines
Bewerbers, der zugleich Koautor ist, durch das betreffende
Mitglied der Berufungskommission zu Teilen auf der
Bewertung der eigenen wissenschaftlichen Leistung beruht78.
Insoweit sind gemeinsame Publikationen grundsätzlich
schädlich79, es wird jedoch auch der Zeitraum
seit einer solchen Publikation zu bewerten sein. Inwieweit
fachspezifische Unterschiede bei gemeinsamen Publikationen
geltend gemacht werden können, ist nicht
abschließend geklärt80.
Beiträge im gleichen Sammelband oder eine Herausgeberschaft
hingegen können, müssen aber keine Besorgnis
der Befangenheit begründen81. Die Beziehung
zwischen Autor und Herausgeber oder auch zwischen
Autoren verschiedener Beiträge in einem Sammelband
vermitteln ohne Hinzutreten weiterer Sachverhalte
ebenfalls keine besondere berufliche Nähe.
Bei wissenschaftlichen Kooperationen hingegen wird
eine gegenseitige fachliche Achtung zu unterstellen sein,
die geeignet ist, die Unparteilichkeit zu trüben82. Die
gleichzeitige Projektleitung in einem größeren Forschungsverbund,
wie etwa einem Sonderforschungsbereich,
wird ohne konkrete Zusammenarbeit keinen
Grund darstellen, Befangenheit zu besorgen. Die Beziehung
zwischen (stellvertretendem) Sprecher und Teilprojektleiter
in einem Graduiertenkolleg kann dagegen
durchaus die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Die Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein
Mitglied der Berufungskommission (stellvertretende)
Sprecherin eines DFG-Graduiertenkollegs war, an dem
eine der Bewerberinnen oder Bewerber ebenfalls beteiligt
war83. Hier hat das Gericht die Mitwirkung der Bewerberin
schon bei der Antragstellung für das Graduiertenkolleg
und die Tatsache berücksichtigt, dass die (stellvertretende)
Sprecherin Leistungsbezüge wegen der Förderung
des Graduiertenkollegs erhalten hat.
Grundsätzlich sah das Gericht die Zusammenarbeit in
einem Graduiertenkolleg, das nur von wenigen Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrern getragen werde
und eine enge Zusammenarbeit erfordere, als schädlich
an84. Insoweit verweist das Gericht zutreffend auf die
entsprechenden Richtlinien der DFG zur Beantragung
von Graduiertenkollegs.
Wissenschaftliche Konflikte und Konkurrenz können
ebenso geeignet sein, die Besorgnis der Befangenheit
zu begründen, insbesondere wenn der Disput nicht
allein sachlich ausgetragen wurde oder wird, sondern
die persönliche Ebene erreicht hat85. Hinsichtlich derwissenschaftlichen
Konkurrenz kommt auch die Beantragung
von Drittmitteln im Rahmen einer konkreten
Ausschreibung in Betracht.
Die scheidende Stelleninhaberin oder der scheidende
Stelleninhaber wird i. d. R. nicht Mitglied der Berufungskommission.
Dies ist in einigen Hochschulen in
der Berufungsordnung explizit geregelt86. Ist andererseits
der Ausschluss nicht satzungsrechtlich oder durch
Verwaltungsvorschrift geregelt und wird eine scheidende
Stelleninhaberin oder ein scheidender Stelleninhaber
zum Mitglied einer Berufungskommission bestellt, so
liegen nicht per se Gründe vor, die Befangenheit zu besorgen.
Auch die Ehefrau des bisherigen Stelleninhabers,
die am vom bisherigen Stelleninhaber geleiteten Institut
wissenschaftliche Mitarbeiterin ist, kann nicht ohne weiteres
wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen
werden (schon gar nicht aufgrund von § 20 VwVfG),
wenn sie zuvor durch ihre Mitgliedergruppe für die Berufungskommission
benannt wurde und es keine konkreten
Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit
gibt; allgemeine persönliche Merkmale eines Mitglieds
reichen nicht aus87.
Wann jenseits rein innerdienstlicher Beziehungen
auch „gelegentliche private Kontakte“ zu einer hinsichtlich
einer zu besorgenden Befangenheit problematischen
Freundschaft88 werden bzw. wann auch eine Feindschaft
anzunehmen ist, die geeignet scheint, die Unparteilichkeit
zu bezweifeln, muss im Einzelfall abgewogen werden.
Das „Du“ in der Anrede begründet allein keine problematische
Nähe89. Nichteheliche Partnerschaften bleiben
in der abschließenden Aufzählung des
§ 20 Abs. 1 VwVfG unerwähnt, rechtfertigen aber aufgrund
von § 21 VwVfG den Ausschluss aus dem Verfahren90,
ebenso andauernde oder beendete sexuelle
Beziehungen91.
Eine besondere Nähe können auch gemeinsame wirtschaftliche
Aktivitäten begründen, etwa die gemeinsame
Nebentätigkeit, die gemeinsame Gesellschaftertätigkeit,
78 OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10 – juris, Rn. 28. Vgl. zu Unterschieden
der Publikationspraxis zwischen einzelnen Fachdisziplinen
Geis, OdW 2020, S. 23, 26.
79 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 615.
80 Vgl. auch Geis, OdW 2020, S. 23, 26.
81 VG Hamburg, B 25.2.2005, 8 E 6091/04; Geis, OdW 2020, S. 26 m.
w. N.; Epping/Nölle, in: Epping, NHG, § 26 Rn. 64 m. w. N., Universität
Hannover (Handreichung von Senat und Präsidium zu
Fragen der Befangenheit in Berufungsverfahren vom 31.1.2018).
82 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 615.
83 OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 33 – juris.
84 OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 38 ff. – juris.
85 Vgl. etwa VG Düsseldorf, B 20.1.2003, 2 L 2627/02, Rn. 17 – juris.
86 Siehe Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 614 m. w. N.
87 VG Hannover, B 19.6.2003, 6 B 2398/03, Rn. 73 – juris.
88 Vgl. OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10, Rn. 26 – juris.
89 BayVGH, B 11.11.2015, 7 CE 15.1737, Rn. 21 – juris.
90 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 615.
91 Geis, OdW 2020, S. 23, 26.
2 4 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
das gemeinsame Ingenieurbüro, gemeinsame künstlerische
Aktivitäten. Ähnlich dem dienstlichen Abhängigkeitsverhältnis
im Hochschulkontext begründen auch
sonstige berufliche bzw. geschäftliche Beziehungen zwischen
einem Amtswalter und einem Beteiligten die Besorgnis
der Befangenheit92, wenn wirtschaftliche Interessen
des Amtswalters tatsächlich berührt sind93. Daher
wird durch die Berufungskommission zu prüfen sein, ob
ein Kommissionsmitglied nebenberuflich ein Unternehmen
führt oder daran beteiligt ist, an dem auch Bewerberinnen
oder Bewerber beteiligt oder beschäftigt sind.
Im umgekehrten Fall dürfte bereits § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr.
5 VwVfG einschlägig sein.
Die Mitglieder der Berufungskommission dürfen
hinsichtlich der Auswahl, Reihung und Liste keine voreiligen
Schlüsse ziehen94 oder gar kommunizieren95. Geschieht
es dennoch, so begründet dies die Besorgnis der
Befangenheit. Gleiches gilt bzgl. wahrheitswidriger, irreführender
Informationen an Bewerber96. Auch unsachliche
und verletzende Äußerungen gegenüber Bewerbern
können die Besorgnis der Befangenheit begründen97.
Die bloße Mitwirkung an einer für eine Bewerberin
oder einen Bewerber früher ergangenen Entscheidung
ist allein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit
zu begründen, auch dann nicht, wenn diese Entscheidung
negativ für die Bewerberin oder den Bewerber war
und sich sogar als rechtswidrig herausgestellt hat (so
auch nicht die Mitwirkung an einem wegen Verfahrensfehlern
abgebrochenen früheren Verfahren)98. Anders
hingegen – und aus Sicht der Verfasser zu weitgehend, –
wenn ein Mitglied der Berufungskommission in einem
kurz zuvor eröffneten und noch laufenden Verfahren zur
Evaluierung (Feststellung der Bewährung) einer Bewerberin
oder eines Bewerbers als Juniorprofessorin oder
Juniorprofessor tätig ist99: Hier ging das Gericht davon
aus, dass das entsprechende Mitglied einen „umfassenden
und tiefgreifenden Eindruck in das wissenschaftliche
Wirken sowie die fachlichen Fähigkeiten und Qualifikationen“
erhalten habe und dies zu der Sorge berechtige,
dass dieses Wissen zugunsten des Bewerbers oder der
Bewerberin Eingang ins Berufungsverfahren finde100.
Werden pflichtwidrig Sachverhalte, die geeignet sein
können die Besorgnis der Befangenheit zu begründen,
nicht (oder nicht rechtzeitig) offengelegt, so begründet
dies für sich bereits die Besorgnis der Befangenheit.
Bei den einzelnen Tatbeständen stellt sich oftmals die
Frage, ob die Befangenheit aus diesen Gründen dauerhaft
zu besorgen ist oder nur zeitweise und ggf. wie lange,
wie also insbesondere länger zurückliegende Sachverhalte
zu werten sind. Hier kann es keine einheitliche
oder gar abschließende Antwort geben. Zeitliche Obergrenzen
dienen der Orientierung, ersetzen jedoch nicht
die Einzelfallbetrachtung.
Die Vorgaben der Hochschulen dafür reichen in den
Berufungsordnungen bzgl. gemeinsamer Publikationen
von drei bis zehn Jahren101. Jedoch können auch sehr
lange zurückliegende gemeinsame Publikationen geeignet
sein, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen,
z. B., wenn diese wesentlich das Renommee einer der
Koautorinnen und Koautoren bestimmen.
Hinsichtlich der Betreuung der Promotion ist darauf
zu verweisen, dass die Betreuerin oder der Betreuer den
ehemaligen Schüler oder die ehemalige Schülerin besser
als andere Bewerberinnen und Bewerber kennt und sich
häufig auch eine gewisse persönliche Nähe entwickelt
haben wird. Dies ist geeignet, die Unparteilichkeit zu gefährden,
insbesondere, wenn man unterstellt, dass ein
persönliches Interesse daran bestehen kann, dass die eigene
Schülerin oder der eigene Schüler reüssiert102. Bei
der Erstbetreuung einer Promotion wird die Besorgnis
der Befangenheit folgerichtig teils ohne zeitliche Begrenzung
angenommen103. Das VG Düsseldorf hat daher zu
Recht die Befangenheit in einem Fall bejaht, in dem der
Bewerber erst wenige Monate vor dem Berufungsverfahren
seine Dissertation und eine fünfjährige Mitarbeit beendet
hatte104. Das VG Bremen hat aber klargestellt,
dass, wenn eine Hochschullehrerin oder ein Hochschullehrer
vor über 15 Jahren eine Studentin oder einen Studenten
unterrichtet hat, daraus keine Besorgnis der Befangenheit
abgeleitet werden kann, auch wenn man sich
danach bei Konferenzen getroffen hat105. In der Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichte ist zu beobachten,
92 Vgl. BVerwG, U 14.6.1963, VII C 44.62, Rn. 37 – juris.
93 Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 21 Rn. 10.
94 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 615 m. w. N.
95 BayVGH, B 11.8.2010, 7 CE 10.1160, Rn. 30 – juris (unzulässige
Mitteilung des gewünschten Ergebnisses durch den Vorsitzenden
an den Gutachter).
96 VG Münster, U 22.4.2015, 5 K 2799/12, Rn. 92 ff. – juris.
97 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 615 m. w. N.
98 Geis, OdW 2020, S. 26; BayVGH, B 18.4.2012, 7 CE 12.166;
HmbOVG, B 9.10.1998, 1 Bs 214/98 m. w. N.; VG Stuttgart, U
30.6.2021, 6 K 1377/20, Rn. 47 – juris.
99 VG Gelsenkirchen, B 22.2.2021, 12 L 1183/20, Rn. 26 – juris.
100 VG Gelsenkirchen, B 22.2.2021, 12 L 1183/20, Rn. 27 – juris.
101 Universität Stuttgart (Handreichung des Rektorats zu Fragen
der Befangenheit in Berufungsverfahren mit Stand vom Februar
2011), siehe hierzu auch m. w. N. aus den Berufungsordnungen
der Universitäten: Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 615.
102 Siehe hierzu Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 614; Geis,
OdW 2020, S. 23, 27.
103 Ordnung zur Qualitätssicherung in Berufungs- und Bestellungsverfahren
der Georg-August-Universität Göttingen (Amtliche
Mitteilungen I, 29/2020, S. 666).
104 VG Düsseldorf, U 3.12.2015, 15 K 7734/13, Rn. 78 – juris (nachfolgend
OVG NRW, B 27.4.2017, 6 A 277/16).
105 VG Bremen, B 12.6.2019, 6 V 596/19, Rn. 34 ff. – juris.
Neukirchen/Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 4 5
dass die Sachverhalte, die geeignet sind, die Besorgnis
der Befangenheit zu begründen, teilweise sehr unterschiedlich
verstanden werden106. Nach einer Entscheidung
des VG Halle (Saale) ist die Besorgnis der Befangenheit
eines Mitglieds der Berufungskommission schon
begründet, wenn es sich bei dem gleichen Hochschullehrer
habilitiert hat wie eine oder einer der Bewerberinnen
und Bewerber und während dieser Zeit am selben Institut
tätig war107. Dieses Verständnis ist aus Sicht der Verfasser
zu weitgehend, zumal es bei der Habilitation keine
Betreuung wie bei der Promotion gibt und hier die Beziehung
zwischen Mitglied der Kommission und Bewerber
nur über die Beziehung zu einer dritten Person konstruiert
wird. Ins andere Extrem fällt beispielsweise das
OVG Hamburg, das trotz langjähriger Assistententätigkeit
eines Bewerbers am Lehrstuhl eines externen Mitglieds
der Berufungskommission, gemeinsam abgehaltenen
Lehrveranstaltungen und gemeinsamen Publikationen
keinen Anlass sah, Befangenheit zu besorgen108. - Rechtsfolgen
a) Rechtmäßiger Ausschluss
Liegt einer der Sachverhalte gem. § 20 Abs. 1 VwVfG vor,
so ist die betreffende Person von Gesetzes wegen vom
weiteren Verfahren ausgeschlossen. Liegen ausreichende
Gründe vor, die Befangenheit zu besorgen, so muss die
betroffene Person gem. § 21 VwVfG i. V. m.
§ 20 Abs. 4 VwVfG ebenfalls vom weiteren Verfahren
ausgeschlossen werden. Ein Verzicht des Mitglieds der
Berufungskommission auf sein Stimm- oder Rederecht
ist nicht ausreichend109. Das betreffende Mitglied darf
sich auch nicht zu anderen Bewerbungen äußern, da
eine indirekte Bevorteilung oder Benachteiligung nicht
ausgeschlossen werden kann110. Auch eine nur beratende
Tätigkeit sowie die physische Anwesenheit wird als
unzulässig erachtet111.
Bei der Entscheidung über den Ausschluss gem. § 20
oder § 21 VwVfG gibt es weder einen Beurteilungs- noch
einen Ermessensspielraum112. Auch die Besorgnis der
Befangenheit unterliegt uneingeschränkt der gerichtlichen
Kontrolle113.
b) Rechtswidrig unterlassener Ausschluss
Wurde ein Mitglied trotz Befangenheit oder Besorgnis
der Befangenheit nicht ausgeschlossen oder unterbleibt
eine entsprechende Beschlussfassung der Berufungskommission,
hat dies die Rechtswidrigkeit der Beschlüsse
der Berufungskommission zur Folge114. Bei einer wie
in einer Berufungskommission kollegial zu treffenden
Entscheidung kann eine von der Mitwirkung ausgeschlossene
Person schon durch ihre Teilnahme an der
Beratung Einfluss auf die anderen Kommissionsmitglieder
ausüben115.
Die fehlerhafte Zusammensetzung der Berufungskommission
schlägt regelmäßig auf die Entscheidungen
der nachfolgenden Gremien durch116. Nur wenn offensichtlich
ist, dass dieser Verfahrensfehler die Entscheidung
nicht beeinflusst hat, kann der Fehler unbeachtlich
sein. Dieser Nachweis wird i. d. R. kaum zu erbringen
sein: das Abstellen auf Abstimmungsergebnisse reicht
dafür nicht aus, da auch die mögliche Einflussnahme
durch die Mitwirkung zu berücksichtigen ist117. Ein solcher
Verfahrensfehler wird daher regelmäßig den Bewerbungsverfahrensanspruch
verletzen118.
Zur Heilung von Beschlüssen, die unter Verstoß gegen
§§ 20 f. VwVfG zustande gekommen sind, muss von
der Kommission in neuer, ordnungsgemäßer Besetzung
erneut beraten und entschieden werden119. Das Verfahren
ist daher in den Status quo ante zu versetzen und –
106 So z. B. VG Potsdam, B 7.10.2020, 13 L 354/20.
107 VG Halle (Saale), B 29.9.2020, 5 B 222/19, Rn. 17 – juris: „Betrachtet
man die allgemein bekannte und deshalb zu erwartende enge
Beziehung zwischen einer akademischen Lehrerin und ihren
Habilitanden, so liegt schon deshalb eine bedenkliche persönliche
Nähe vor. Dabei ist es nicht entscheidend, ob es zugleich
unmittelbare Beziehungen zwischen den Habilitanden gibt. Ein
objektiver Dritter rechnet damit, dass der akademischen Lehrerin
am Fortkommen ihrer Habilitanden gelegen ist, weil sie von
deren Eignung für ein Professorenamt überzeugt ist und dass sich
diese Beurteilung auch auf andere Habilitanden derselben akademischen
Lehrerin überträgt. Hier kommt noch hinzu, dass Frau
Prof. Dr. F. zumindest während der Tätigkeit des Beigeladenen als
wissenschaftlicher Mitarbeiter und während seiner Habilitationszeit
an demselben kleinen Universitätsinstitut tätig war. Das führt
zwangsläufig zu zahlreichen Kontakten und Begegnungen. Beides
zusammen erweckt bei einem objektiven Betrachter durchaus
den Eindruck eines gewissen Zusammenwirkens und zeigt die
Gefahr auf, dass der Beigeladene wegen dieser Umstände milder
beurteilt wird, als andere Bewerber.“
108 HmbOVG, B 8.7.2005, 1 Bs 89/05.
109 Geis, OdW 2020, S. 23, 28.
110 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617.
111 Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1, 2 ff.
112 OVG NRW, U 24.1.1995, 5 A 1746/91; Wernsmann/Gatzka, DÖV
2017, S. 609, 612; Kopp/Ramsauer, VwVfG § 20 Rn. 50, § 21 Rn. 5.
113 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 613 m. w. N.
114 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 618; Kopp/Ramsauer,
VwVfG § 21 Rn. 26 ff. OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 27
– juris.
115 OVG Nds., B 28.6.2021, 5 ME 50/21, Rn. 54 – juris m. w. N.
116 VG Gelsenkirchen, B 22.2.2021, 12 L 1183/20, Rn. 35 – juris.
117 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 618 m. w. N. in der Rspr.
mit ähnlich gelagerten Normen aus dem Kommunalrecht.
118 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 619.
119 Geis, OdW 2020, S. 23, 28; Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/
Funke-Kaiser, VwVfG, § 21 Rn. 54.
2 4 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
ggf. nach Bestellung eines Ersatzmitglieds – von diesem
Punkt an neu durchzuführen. Ist dies nicht möglich, so
ist das Verfahren abzubrechen.
c) Rechtswidriger Ausschluss
Der unbegründet erfolgte Ausschluss eines Mitglieds
führt nicht zu einer Angreifbarkeit des weiteren Verfahrens,
sofern die Kommission weiterhin rechtskonform
zusammengesetzt war120. Das Verfahren leidet dann
zwar ebenfalls an einem Fehler121, der aber nicht notwendig
auf die Auswahlentscheidung durchschlagen
muss. Die Berufungskommission darf allerdings auch
nicht „vorsorglich“ Mitglieder ausschließen122.
Ein ausgeschlossenes Mitglied kann seine Teilnahme
rechtlich nicht erzwingen123, da mangels Außenwirkung
eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht
nicht in Betracht kommt und die Tätigkeit in einer Berufungskommission
ausschließlich objektiven Zwecken
dient und nicht subjektive Rechte vermittelt124. Das ausgeschlossene
Mitglied ist darauf beschränkt, der Rechtsaufsicht
einen zu Unrecht erfolgten Ausschluss anzuzeigen125,
die allerdings nicht einschreiten muss, da die
staatliche Aufsicht allein dem allgemeinen öffentlichen
Interesse dient und kein subjektives Recht vermittelt126.
d) Rügepflicht der Bewerberinnen und Bewerber
Bewerberinnen und Bewerber sind zur Vermeidung des
Verlusts ihres Rügerechts gehalten, Gründe, die für den
Ausschluss eines Mitglieds der Berufungskommission
nach §§ 20 f. VwVfG sprechen, frühzeitig geltend und
ggf. glaubhaft zu machen127, da sie sich sonst widersprüchlich
verhalten würden. Unterbleibt das, kann die
Fehlerhaftigkeit später nicht gerügt werden128, zumal
„interessenwidriges Zuwarten die Plausibilität später
behaupteter Besorgnis und ihrer Gründe infrage stellen“ - Es gehört zu den Mitwirkungspflichten von
Bewerberinnen und Bewerbern, den Verdacht der
(Besorgnis der) Befangenheit unverzüglich, also ohne
schuldhaftes Zögern zu rügen, sogar im Rahmen der
persönlichen Vorstellung130.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Berufungsverfahren
in Teilen prüfungsähnlichen Charakter
hat131, namentlich Lehrprobe und Vorstellungsvortrag.
Eine Rüge noch während der persönlichen Vorstellung
als prüfungsähnliche Situation zu fordern, erscheint mithin
überzogen132.
IV. Befangenheit in Berufungsverfahren im Lichte
des Fachprinzips - Verfassungsrechtliche Grundlagen des Fachprinzips
Zwar besteht kein Kooptationsrecht der Hochschule,
und der zuständigen staatlichen Stelle (Ministerium bzw.
Hochschulleitung) kommt bei der Ernennung von
Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern ein eigenes
Ermessen zu133. Das Berufungsverfahren verwirklicht
jedoch das Selbstergänzungsrecht der Hochschule
(genauer: der Fakultät bzw. des Fachbereichs) und dient
der Bestimmung der eigentlichen Träger der freien Forschung
und Lehre innerhalb der Universität134. Es ist
deshalb mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit aus
Art. 5 Abs. 3 GG besonders eng verknüpft135. Der Hochschule
steht daher grundsätzlich eine verfassungsrechtlich
geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation
der Bewerberinnen und Bewerber zu136. Auch
geht es um das Recht der Selbstbestimmung der Hochschule137.
Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich zudem die
Anforderung an eine fachlich-disziplinär kompetente
120 Geis, OdW 2020, S. 23, 28. Vgl. aber VG Hannover, B 19.6.2003, 6
B 2398/03, zu den Rechten des Mitglieds.
121 Herrmann/Tietze, LKV 2015, S. 337 m. w. N.; Kopp/Ramsauer,
VwVfG § 21 Rn. 25b.
122 Kopp/Ramsauer, VwVfG § 21 Rn. 25b.
123 Anders VG Hannover, B 19.6.2003, 6 B 2398/03, das ein durchsetzbares
subjektives organschaftliches Recht eines Mitglieds
einer Berufungskommission annimmt, das fehlerhaft wegen
Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen wurde; vgl. auch
Wendelin, Der Hochschulverfassungsstreit – subjektive Organrechte
im Binnenbereich der Hochschule und deren verwaltungsprozessuale
Behandlung, Baden-Baden 2010, 2010, S. 52 f.
124 Geis, OdW 2020, S. 23, 28.
125 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 618.
126 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 619.
127 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG,
§ 21 Rn. 37 ff.; OVG RhPf, B 28.9.2007, 2 B 10825/07, Rn. 11 – juris;
OVG MV, B 21.4.2010, 2 M 14/10; Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017,
S. 609, 619.
128 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 619; anders aber und
gegen ein Verwirken des Rügerechts Geis, OdW 2020, S. 23, 27
mit ausführlicher Begründung.
129 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, §
21 Rn. 40; Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 619.
130 BayVGH, B 1.2.2022, 3 CE 22.19, Rn. 5.
131 Nach Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 610, handelt es sich
bei der Berufung einer Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers
um eine Prüfungsentscheidung, vgl. auch Schmitz, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 2 Rn. 127–129.
132 Kuntze/Beichel-Benedetti, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, §
21 Rn. 42: „Während einer mündlichen Prüfung ist die Geltendmachung
grundsätzlich unzumutbar.“ m. w. N.
133 BVerwG, U 9.5.1985, 2 C 16.83.
134 BVerfGE 35, 79; Neuhäuser, Formelle Vorgaben des Art. 33 GG für
die Berufung von Hochschullehrern, Wissenschaftsrecht 2012, S.
248, 267 m. w. N.
135 BVerfGE 35, 79.
136 OVG RhPf, B 6.8.2018, 2 B 10742/18, Rn. 5 – juris; Epping/Nölle,
in: Epping, NHG, § 26 Rn. 1; Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz,
GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 250 (96. EL November 2021).
137 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 252; Geis,
Das Selbstbestimmungsrecht der Universitäten, Wissenschaftsrecht
2004, S. 2 ff..
Neukirchen/Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 4 7
Zusammensetzung der Berufungskommission, die in
der Lage ist, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung
wissenschaftsadäquat zu beurteilen138. Bei der
Berufungskommission liegt die fachliche Einschätzungsprärogative,
die die Bewertung der fachlichen Qualifikation
der Bewerberinnen und Bewerber umfasst und der
gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, solange die Anforderungen
aus der Stellenausschreibung gewahrt bleiben
und keine sachfremden Erwägungen in die Entscheidung
eingehen139. Gärditz betont, dass allein die Mehrheit
von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern
nicht reiche: „Es muss sich vielmehr zur Sicherung einer
wissenschaftsadäquaten Auswahl auch um eine Mehrheit
fachlich-disziplinär kompetenter Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer handeln.“140 Die wissenschaftlich-
fachliche Beurteilung sei „unvertretbar an die
Beurteilung durch Hochschullehrinnen und Hochschullehrer
der jeweiligen Disziplin gebunden und kann nicht
extern ersetzt werden“141. Zwar ist die Beteiligung externer
Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer nicht
ausgeschlossen und teils landesgesetzlich oder satzungsrechtlich
sogar gefordert. Sie muss aber aus verfassungsrechtlichen
Gründen begrenzt sein142. Externe Mitglieder
einer Berufungskommission könnten insoweit „eine
bereits durch interne Mitglieder sichergestellte Hochschullehrermehrheit
nur ergänzen“, so Gärditz143. Eine
Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn
die Hochschule aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen
nicht in der Lage ist, die erforderliche Mehrheit der
fachlich-disziplinären Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer
selbst zu stellen144, namentlich wenn „fachlich
kompetente Mitglieder der Hochschule, an der das
Berufungsverfahren stattfindet, wegen Befangenheit
(nach den im Einklang mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auszulegenden
§§ 20, 21 VwVfG) an einer Mitwirkung gehindert
sind […]“145.
In fachlich heterogenen Fakultäten kommt der Gewährleistung
der Fachlichkeit in der Berufungskommission
eine besondere Bedeutung zu, denn wegen der regelmäßig
fehlenden fachlichen Nähe der Mehrheit der
Mitglieder des Fakultätsrats ist ein Abweichen vom Votum
der Berufungskommission bei der Entscheidung
über den Berufungsvorschlag erschwert146. Das vorab
festgelegte Verfahren und die Organisation der Entscheidungsfindung
stellen die Legitimität der Entscheidungen
her. Hieraus ergeben sich Anforderungen an die
fachliche Zusammensetzung der zur Entscheidung berufenen
Organe und mithin auch der entscheidungsvorbereitenden
Gremien147. - Widerstreit von Fachprinzip und Prinzip der Neutralität
und Objektivität
Der Ausschluss von Mitgliedern aufgrund von §§ 20
f. VwVfG kann dazu führen, dass die korrekte Zusammensetzung
der Berufungskommissionen und die Wahrung
des verfassungsrechtlich gebotenen Fachprinzips
durch eine ausreichende Anzahl von fachlich-disziplinär
kompetenten Mitgliedern der Hochschule gefährdet ist.
Hierdurch kann der Bewerbungsverfahrensanspruch
genauso verletzt werden wie durch die Nichtbeachtung
der Vorschriften über die Befangenheit.
Gerade „große“ Disziplinen sind durch eine zunehmende
Spezialisierung und Ausdifferenzierung gekennzeichnet,
die trotz einer gemeinsamen Sprache eine Bewertung
insbesondere der aktuellen Forschung anderer
Teildisziplinen als der eigenen fast unmöglich macht.
Zugleich werden die wissenschaftlichen Kooperationen
intensiviert. Je nach Fachkultur publiziert eine Vielzahl
von Autorinnen und Autoren gemeinsam. Dies kann im
Extremfall zum Ausschluss aller fachnahen Mitglieder
einer Berufungskommission führen, vor allem dann,
wenn eine große Zahl von Bewerbungen eingegangen
ist. Ersatzmitglieder zu finden, stellt sich in der Praxis
daher nicht nur für kleine Fächer als schwierig dar.
Verschärft werden kann das Problem dadurch, dass
die Hochschulen zur Sicherung einer ganzheitlichen
strategischen Ausrichtung Auflagen hinsichtlich der Bildung
von Berufungskommissionen erlassen haben. Oft
sollen neben den fachnahen Mitgliedern auch Hochschullehrerinnen
oder Hochschullehrer benachbarter
Fächer oder anderer Fakultäten stimmberechtigt in der
Berufungskommission mitwirken, die Anzahl stimmbe-
138 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 250;
Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1–6.
139 BayVGH, B 11.8.2010, 7 CE 10.1160, Rn. 28 – juris.
140 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 250.
141 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 251. Vgl.
auch Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche
Systembildung, Mohr Siebeck, Tübingen, 2009, S. 484 f.
142 Ausführlich hierzu Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5
Abs. 3 Rn. 252.
143 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 252.
144 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 253.
145 Gärditz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 5 Abs. 3
Rn. 253 m. w. N.
146 Vgl. BVerwG, NVwZ 1994, S. 1209 für die Entscheidung in Habilitationsverfahren.
147 Vgl. ausführlich Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche
Systembildung, S. 480, und zum Fachprinzip S.
478 ff. (auch mit einer Erörterung der Notwendigkeit schon eines
gemeinsamen sprachlichen Verständnisses zum fachlich-disziplinären
Austausch).
2 4 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 3 5 — 2 5 4
rechtigter Hochschullehrerinnen soll eine bestimmte
Quote nicht unterschreiten und Kommissionen sollen
eine gewisse Größe haben, um die Auswahlentscheidung
nicht nur in einem exklusiven Kreis vorzubereiten.
Um dem Ausfall fachnaher Mitglieder in der Berufungskommission
zu begegnen reicht es nicht aus, auf
die fachnahen Gutachterinnen und Gutachter zu verweisen,
denn die Berufungskommission muss sich mit den
Gutachten fachlich eingehend auseinandersetzen und
diese bewerten können. Externe Einschätzungen dürfen
nicht schematisch übernommen werden, sondern müssen
durch die Berufungskommission differenziert bewertet
und ggf. auch verworfen werden148.
Zwar können Professorinnen und Professoren aus
Nachbarfächern oder anderen Teildisziplinen in die Berufungskommission
berufen werden. Wenn die Kommission
aber nicht aus Fachleuten besteht, sondern nur
aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit nahen
Fachgebieten, dann ist die verfassungsrechtlich gebotene
fachliche Einschätzungsprärogative der Berufungskommission
nicht mehr gewährleistet. Auch in der
überwiegenden Besetzung durch externe Mitglieder ist
eine Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit zu sehen,
denn Art. 5 Abs. 3 GG garantiert das Selbstergänzungsrecht
der Kollegien, das mit einer solchen „Externalisierung“
der Entscheidung ausgehebelt würde.
Das dauerhafte Ausscheiden von Mitgliedern wegen
(der Besorgnis der) Befangenheit kann somit dazu führen,
dass in der Berufungskommission zwar noch die
Hochschullehrermehrheit gegeben ist, aber nicht mehr
hinreichend fachlich-disziplinär kompetent oder nicht
mehr hinreichend durch Mitglieder der eigenen
Hochschule. - In der Praxis anzutreffende Vorgehensweisen
In Berufungsverfahren ist nach alledem sicherzustellen,
dass von Gesetzes wegen ausgeschlossene Personen oder
Personen, bei denen Befangenheit zu besorgen ist, nicht
mitwirken, und dennoch eine ausreichende Anzahl
fachlich-disziplinär kompetenter Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer der eigenen Hochschule mitwirken.
Die Auswirkungen eines Ausschlusses fachlich-disziplinär
kompetenter Mitglieder der Kommission hängen
dabei auch vom Stand des Berufungsverfahrens ab.
Dieses Spannungsverhältnis zwischen der Gewährleistung
des Fachprinzips und dem Erfordernis eines unparteiischen
und unvoreingenommenen Verfahrens tritt
bereits bei der ersten Sichtung der Bewerbungen zutage:
Bei einer breiten Denomination und entsprechend zahlreichen
Bewerbungen ist es nahezu die Regel, dass Mitglieder
der Berufungskommission mit mindestens einer
Bewerberin oder einem Bewerber gemeinsam publiziert
haben oder ein anderer Grund besteht, Befangenheit zu
besorgen. Wenn bereits jetzt ein Mitglied wegen der Besorgnis
der Befangenheit dauerhaft ausscheiden muss,
obgleich schon offensichtlich ist oder nach einer ersten
Sichtung klar wird, dass die dafür ursächliche Bewerbung
nicht weiter berücksichtigt wird, so geht der Kommission
wichtiges Fachwissen verloren, das für das weitere
Verfahren und die engere Auswahl womöglich vonnöten
wäre, um die Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG
zu gewährleisten.
In der Praxis wird hiermit, wie eingangs erwähnt, unterschiedlich
umgegangen. Allen Ansätzen zur Auflösung
des Dilemmas „Befangenheit – Fachprinzip“ ist jedoch
gemein, dass ein Mitglied der Berufungskommission
vom weiteren Verfahren jedenfalls dann vollständig
und dauerhaft auszuschließen ist, wenn die den Ausschluss
auslösende Bewerbung in die engere Wahl
kommt149. Der Ausschluss von befangenen Mitgliedern
bei der Beratung und Entscheidung über die jeweils die
Besorgnis der Befangenheit indizierende Bewerbung im
Zuge der Vorauswahl, ist gängige Praxis und in den Leitfäden
mehrerer Hochschulen auch explizit vorgesehen.
Wie aber ist zu verfahren, wenn sich z. B. eine Koautorin
oder ein Koautor eines Kommissionsmitglieds bewirbt
und bereits bei der Vorauswahl ausscheidet: Erledigt sich
damit die Besorgnis der Befangenheit und kann das ausgeschlossene
Mitglied durch einen actus contrarius wieder
Mitglied der Kommission werden150?
In der Praxis sind im Wesentlichen die drei folgenden
Vorgehensweisen anzutreffen:
a) Vorgehensweise A: dauerhafter, vollständiger Ausschluss
Das betroffene Kommissionsmitglied wird aus dem
gesamten weiteren Verfahren ausgeschlossen151.
148 VG München, B 8.7.2010, M 3 E 09.3182.
149 Vgl. Epping/Nölle, in: Epping, NHG, § 26 Rn. 63.
150 Geis, OdW 2020, S. 23, 28.
151 So RWTH Aachen (Handbuch Berufungsverfahren vom
1.3.2019), TU Berlin (Berufungsordnung vom 16.1.2019), TU
Dortmund (Berufungsleitfaden mit Stand vom Juli 2013), Universität
Freiburg (Leitfaden zu Berufungsverfahren vom 1.8.2016),
Universität zu Köln (Grundsätze der Universität zu Köln zu Fragen
der Befangenheit vom 7.6.2018), Universität Leipzig (Berufungsordnung
vom 2.1.2019), Universität Stuttgart (Handreichung
des Rektorats zu Fragen der Befangenheit in Berufungsverfahren
mit Stand vom Februar 2011). Siehe hierzu auch Burgi/Hagen,
OdW 2021, S. 1, 2 ff. m. w. N.
Neukirchen/Emmrich/Büggeln · Befangenheit im Berufungsverfahren 2 4 9
Dies wird auch damit begründet, dass ein Ausschluss
abschließend sei, und die mögliche Befangenheit nicht
mit dem Ausscheiden beispielsweise der eigenen Schülerin
oder des eigenen Schülers ende, sondern deren Lehrerin
oder Lehrer den Ausschluss als Affront verstehen
und dann „Retourkutschen im weiteren Verfahren fahren
könne“152. In Teilen wird der dauerhafte Ausschluss
bzw. ein Mitwirkungsverbot gefordert, um sachfremde
Verwaltungsentscheidungen auch durch indirekte Einflussnahme
zu verhindern. Die Vorgehensweise kann in
der Praxis zur Auswechslung einer Vielzahl von Mitgliedern
und damit auch zu einer fachlich-disziplinär nicht
mehr kompetenten Besetzung der Berufungskommission
führen153.
Will die Kommission dabei der Rechtsfolge des dauerhaften
Ausscheidens von Mitgliedern entgehen, besteht
das Risiko, dass sie die den Tatbestand gem.
§ 21 VwVfG und die die Besorgnis der Befangenheit begründenden
Sachverhalte „großzügig“ auslegt bzw. nicht
anwendet. Dies kann zu einer eher nachlässigen bzw. falschen
und damit rechtswidrigen Entscheidung über die
Besorgnis der Befangenheit führen und so der Integrität
des Verfahrens schaden. Es kann darüber hinaus zu einer
begründeten Konkurrentenklage und einer entsprechenden
Entscheidung des Verwaltungsgerichts führen.
Rechtstechnisch betrachtet wird damit die unliebsame
Rechtsfolge (Ausschluss von fachkundigen Mitgliedern)
durch eine rechtlich kaum zu vertretende Einschränkung
des Tatbestands der Besorgnis der Befangenheit
vermieden.
Zugleich ist die Vorgehensweise geeignet, an den
Hochschulen zu einem eher uneinheitlichen und kaum
vorhersehbaren Verwaltungshandeln zu führen, das sich
auch nicht damit begründen lässt, jeder Einzelfall liege
anders. Richtig ist vielmehr, dass sich die in der Praxis
anzutreffenden Sachverhalte durchaus in Fallgruppen
kategorisieren lassen und nicht nachzuvollziehen ist, warum
– selbst innerhalb ein und derselben Fachdisziplin –
etwa gemeinsame Publikationen einmal zum Ausschluss
führen und einmal nicht.
b) Vorgehensweise B: vorübergehender, partieller Ausschluss
Nicht auf der Tatbestands‑, sondern auf der Rechtsfolgenseite
wird das Problem gelöst, wenn der Ausschluss
der betroffenen Person nur temporär und nur bzgl. der
den Ausschluss auslösenden Bewerbung erfolgt154.
Wird Befangenheit besorgt, so dürfen die betreffenden
Kommissionsmitglieder zwar an der Vorauswahl
grundsätzlich mitwirken. Sie dürfen sich zu den Bewerbungen,
die Anlass zum Ausschluss oder zur Besorgnis
der Befangenheit gegeben haben, jedoch nicht äußern155.
Außerdem haben sie während der Erörterung und Abstimmung
über diese Bewerbungen den Sitzungsraum
zu verlassen. Verbleibt die Bewerbung, die Anlass für
den zunächst temporären Ausschluss gegeben hat, im
Auswahlverfahren, so ist das betreffende Mitglied der
Berufungskommission dauerhaft auszuschließen und
ggf. zu ersetzen, andernfalls verbleibt das Mitglied in der
Berufungskommission156. Eine Entscheidung über den
vollständigen Ausschluss wird also erst nach der Vorauswahl
bzw. ersten Sichtung getroffen.
Ein solcher partieller Ausschluss verhindert zwar die
direkte Bevorteilung oder Benachteiligung der betreffenden
Bewerberinnen und Bewerber, nicht jedoch die indirekte
Einflussnahme durch die – bewusst oder unbewusst
– voreingenommene Bewertung der übrigen
Bewerbungen157.
Nach Ansicht einiger Stimmen aus der Literatur ist
eine solche Ausnahme nur dann zulässig, wenn sich weder
national noch international Mitglieder für die Berufungskommission
finden lassen, die nicht befangen
sind158, was mindestens schwierig nachzuweisen sein
wird.
152 So Geis, OdW 2020, S. 23, 28.
153 Kritisch hierzu Epping/Nölle, in: Epping, NHG, § 26 Rn. 63 ff.;
Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1, 2 ff. m. w. N.
154 So Universität Bonn (Berufungsordnung vom 28.11.2018),
Universität Braunschweig (Berufungsordnung vom 16.1.2019),
Universität Frankfurt (Satzung zur Durchführung von Berufungsverfahren
vom 27.7.2015), Universität Göttingen (Ordnung
zur Qualitätssicherung in Berufungs- und Bestellungsverfahren
i. d. F. vom 15.2.2018, zuletzt geändert am 20. und 28.5.2020),
Universität Greifswald (Berufungsrichtlinie vom 26.6.2015),
Universität Hamburg (Empfehlungen und Informationen zur
Durchführung von Berufungsverfahren mit Stand vom Februar
2015), Universität Hannover (Handreichung von Senat und Präsidium
zu Fragen der Befangenheit in Berufungsverfahren vom
31.1.2018), Universität Hohenheim (Richtlinie zur Regelung der
Befangenheit in Berufungsverfahren vom 6.2.2019), Universität
Osnabrück (Berufungsordnung vom 9.11.2005, zuletzt geändert
am 26.2.2020), Universität der Bundeswehr München (Leitfaden
der Universität der Bundeswehr München zu Fragen der Befangenheit
in Berufungsverfahren vom 10.6.2015), Universität Münster
(Ordnung über das Verfahren zur Berufung von Professoren
und Professorinnen und Junior-Professoren und Junior-Professorinnen
vom 11.2.2008 in der Fassung vom 20.2.2018, abhängig
vom Schweregrad). Siehe hierzu Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1, 2
ff. m. w. N.
155 Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1, 2 ff.
156 So auch Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1. 3.
157 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617.
158 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617.
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Rechtlich ist die Möglichkeit der Rückkehr durch
eine teleologische Reduktion der Vorschriften des
VwVfG im Rahmen einer praktischen Konkordanz mit
dem jeweiligen LHG möglich und wird von Hochschulen
in ihren Berufungsordnungen auch so geregelt159.
c) Vorgehensweise C: vorübergehender, vollständiger
Ausschluss
Als dritte, vermittelnde Vorgehensweise160 wird das
betroffene Kommissionsmitglied für die gesamte Vorauswahl
ausgeschlossen. Eine Rückkehr in die Berufungskommission
kommt in Betracht, sofern die Bewerbung,
die Anlass für den Ausschluss gab, im Ergebnis der
Vorauswahl bzw. ersten Sichtung nicht weiter berücksichtigt
wird161.
Auch diese Vorgehensweise ist nicht frei von Nachteilen:
Wenn der vorübergehende Ausschluss mehrere
fachkundige Mitglieder der Berufungskommission trifft,
kann der Fall eintreten, dass die Kommission nicht mehr
beschlussfähig oder für die Vorauswahl nicht ausreichend
fachlich-disziplinär kompetent besetzt ist. Hier ist
aber einzuwenden, dass die für die Vorauswahl erforderliche
Beurteilung von Bewerbungen weit weniger Spezialkenntnisse
erfordert als die Auswahl der einzuladenden
oder zu begutachtenden oder danach der für den
Berufungsvorschlag zu platzierenden Bewerberinnen
und Bewerber. Auch mögen Mitglieder, die vom nur vorübergehenden
Ausschluss betroffen waren – bewusst
oder unbewusst – die verbleibenden Bewerberinnen und
Bewerber im weiteren Verfahren unangemessen kritisch
beurteilen. Die Berufungskommission ist jedoch nicht
gehindert, erneut wegen Besorgnis der Befangenheit
auszuschließen.
In der Praxis sind bei dieser und der vorhergehenden
Vorgehensweise folgende Aspekte zu regeln:
• Was ist unter Vorauswahl162 zu verstehen und wann
endet diese? (z. B. erste Sichtung und Kategorisierung
oder Auswahl der einzuladenden Bewerberinnen und
Bewerber)
• Zu welchem Zeitpunkt ist ein Wiedereintritt in die
Kommission vorgesehen?
• Soll der Wiedereintritt automatisch erfolgen oder
auf Beschluss der Berufungskommission oder in der
gleichen Weise durch das die Berufungskommission einsetzende
Organ (etwa den Fakultätsrat)?
• Soll der Wiedereintritt nur im Falle der Besorgnis
der Befangenheit möglich sein oder auch für von Gesetzes
wegen ausgeschlossene Personen? - Rechtliche Bewertung
Zahlreiche Hochschulen haben satzungsrechtliche Regelungen
erlassen, die dem Wortlaut der §§ 20 f. VwVfG
vermeintlich entgegenstehen und den Wiedereintritt wie
beschrieben vorsehen.
§ 20 Abs. 4 VwVfG ordnet nach seinem Wortlaut
zwar eine nicht revidierbare Entscheidung an163 und
auch das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke
ist fraglich. § 20 Abs. 4 Satz 4 VwVfG („Das ausgeschlossene
Mitglied darf bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung
nicht zugegen sein“) ist aufgrund unterschiedlichster
Gegenstände und Varianten von Verwaltungsverfahren,
auf die die §§ 20 f. VwVfG Anwendung
finden, aber weniger eindeutig, als es zunächst scheint.
Sinn und Zweck der Regelungen dürfen daher bei der
Auslegung – gerade auch angesichts der Mehrstufigkeit
von Berufungsverfahren und der oben geschilderten
Problemlagen – nicht außer Betracht bleiben.
Da die §§ 20 f. VwVfG sicherstellen sollen, dass Verwaltungsverfahren
von unvoreingenommenen Entscheidungsträgerinnen
und ‑trägern durchgeführt werden,
erscheint eine teleologische Reduktion in der Weise
sachgerecht, dass der Ausschluss (auch nur) soweit reichen
muss, wie ein Befangenheitsgrund bzw. die Besorgnis
der Befangenheit besteht. In Berufungsverfahren
wird i. d. R. jedoch dann von einem Wegfall der Befangenheit
ausgegangen werden können, wenn nach der
Vorauswahl die Bewerbung nicht mehr berücksichtigt
wird, die die Besorgnis der Befangenheit ausgelöst
hatte164.
Eine teleologische Auslegung der Befangenheitsregelungen
im Lichte der Wissenschaftsfreiheit und des
Selbstergänzungsrechts der Fakultäten ist geboten165,
159 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617 m. w. N.
160 So Universität Bayreuth (Leitfaden für Berufungsverfahren
vom 12.1.2016), BTU Cottbus-Senftenberg (Berufungsordnung
vom 11.4.2018), Universität Duisburg-Essen (Berufungsleitfaden
vom 26.2.2020, Vorgehensweise C bei Besorgnis der Befangenheit
gem. § 21 VwVfG, jedoch vollständiger und dauerhafter
Ausschluss bei Vorliegen von Gründen gem. § 20 VwVfG), PH
Heidelberg (Richtlinie zum Umgang mit Fragen der Befangenheit
in Berufungsverfahren vom 17.7.2013), Universität Kiel (Satzung
zur Durchführung von Berufungsverfahren vom 2.2.2017, ein
Mitglied kann vollständig oder nur zeitweise ausgeschlossen werden),
Universität Potsdam (Berufungsordnung vom 20.10.2014 i.
V. m. Berufungsleitfaden, S. 6).
161 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617.
162 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617, verwenden den Begriff
der Vorauswahl etwas anders und verstehen hierunter eher
den Schritt der Auswahl der einzuladenden Bewerberinnen und
Bewerber und nicht die erste Sichtung.
163 So Geis, OdW 2020, S. 23, 28.
164 Vgl. auch Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617, die eine
Rückkehr als möglich ansehen, wenn die die Besorgnis auslösende
Bewerbung nicht in den Kreis der Einzuladenden kommt.
165 Wernsmann/Gatzka, DÖV 2017, S. 609, 617.
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Eine gerichtliche Entscheidung zu der Vorgehensweise
eines wegen „Wegfall der Befangenheit“169 nur vorübergehenden
Ausschlusses liegt – soweit ersichtlich –
bislang nicht vor170. Bislang sind die Gerichte eher mit
der Tatbestandsebene befasst und folgen hier sowohl
den satzungsrechtlichen Vorgaben der Hochschulen als
auch ihren Handreichungen und sonstigen
Verwaltungsvorschriften.
Nach Abwägung der konkurrierenden Rechtsgüter
könnte schon durch den Landesgesetzgeber die Möglichkeit
des Wiedereintritts in die Berufungskommission
für den Fall eröffnet werden, dass eine die Befangenheit
indizierende Bewerbung nach der Vorauswahl nicht
weiter berücksichtigt wird. Jedenfalls könnte der Landesgesetzgeber
für das Berufungsverfahren an Hochschulen
spezielle Regelungen zur Befangenheit etwa im
LVwVfG oder LHG treffen. Die Hochschulen wären
dann nicht mehr auf eine verfassungsrechtlich gebotene
Auslegung des LVwVfG angewiesen.
V. Zusammenfassung
In Berufungsverfahren müssen die Berufungskommissionen
rechtlich überprüfbar entscheiden, ob eines ihrer
Mitglieder von Gesetzes wegen vom Verfahren ausgeschlossen
ist oder wegen der Besorgnis der Befangenheit
auszuschließen ist. Der Bewerbungsverfahrensanspruch
garantiert, dass wirtschaftliche Interessen, Verwandtschaft
oder Freundschaft bzw. Feindschaft und im Wissenschaftsbereich
darüber hinaus ein – auch früheres –
akademisches Betreuungsverhältnis oder eine wissenschaftliche
Zusammenarbeit oder Konkurrenz auf die
Entscheidung keinen Einfluss haben. Schon den bösen
Schein gilt es zu vermeiden.
Dabei muss ein Ausgleich mit dem Fachprinzip erfolgen:
Das Prinzip des neutralen und unparteiischen
Verfahrens konkurriert mit dem Prinzip des fachlichdisziplinär
kompetenten Verfahrens zur Selbstergänzung
der Fakultät. Es ist daher ebenfalls sicherzustellen,
um ein faires und transparentes Auswahlverfahren zu
gewährleisten, ohne dabei die für die Bestenauslese
rechtlich gebotene Fachkunde der eigenen Hochschule
übermäßig zu beeinträchtigen.
Hinsichtlich von Kommissionen zur Evaluierung bei
Tenure-Track-Professuren wird in der Literatur eine
Auslegung in ähnlicher Weise für möglich erachtet166:
Da das die Befangenheitsregeln normierende (Landes-)
VwVfG und das jeweilige LHG gleichrangige Normen
seien und sich hier „gegenüberstehen“, seien die Befangenheitsvorschriften
im Lichte der Aufgabe der Evaluierungskommission
im Sinne praktischer Gesetzeskonkordanz
auszulegen. Im Grundsatz wird eine solche
teleologische Reduktion also für möglich und nötig
gehalten.
Nach alledem ist Vorgehensweise C – aufgrund der
Auslegung167 von § 20 Abs. 4 Satz 4 VwVfG im Lichte
von Art. 5 Abs. 3 GG – verfassungsrechtlich möglich und
damit vorzuziehen.
Diese Vorgehensweise führt auch nicht zu einer tatbestandlichen
Revidierung der Feststellung der Befangenheit,
sondern nur zu einer temporären Beschränkung.
Die Befangenheit eines Kommissionsmitglieds
wird nur angenommen solange die Bewerbung, welche
zur Besorgnis der Befangenheit Anlass gibt, für die Besetzung
der Professur noch in Betracht kommt.
Auch dass das Berufungsverfahren beim Wiedereintritt
bereits weiter fortgeschritten ist, spricht nicht gegen
die Vorgehensweise C, denn das Wissen wird über die
erforderliche Dokumentation der Kommissionsarbeit
weitergegeben168. Es ist nicht erforderlich, dass sämtliche
Kommissionsmitglieder an sämtlichen Sitzungen
und Beratungen teilgenommen haben. Unproblematisch
ist schließlich, dass das zeitweise mitwirkende Ersatzmitglied
(stellvertretendes Mitglied) bei Wiedereintritt
des zunächst ausgeschiedenen Mitglieds wieder die Rolle
des Ersatz- bzw. stellvertretenden Mitglieds einnimmt.
Das wäre bei zeitweiser Verhinderung eines Mitglieds
und dessen Sitzungsvertretung nicht anders.
166 Geis, OdW 2020, S. 23, 30, wenngleich der Spielraum beschränkt
sei, da §§ 20 f. VwVfG „weithin unmittelbarer Ausfluss des
Rechtsstaatsprinzip sind“.
167 Ausnahmen von der Anwendung der §§ 20 f. VwVfG bzw. von
der Setzung der Rechtsfolge durch Verzicht auf den ggf. auch nur
vorübergehenden Ausschluss befangener Amtsträgerinnen und
-träger werden in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
allenfalls dann als zulässig erachtet, wenn bei Würdigung
der Bedeutung der gesetzlichen Ausschlussregelung und unter
Anlegung eines strengen Maßstabs keine alternative Verfahrensgestaltung
zumutbar ist, vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG
§ 20 Rn. 61 f. D. h. im Falle eines befangenen Mitglieds einer
Berufungskommission müsste im Streitfall der Nachweis geführt
werden, dass das Berufungsverfahren andernfalls mangels einer
ordnungsgemäß besetzten Kommission nicht durchführbar
gewesen wäre.
168 OVG RhPf, Beschl. v. 28.9.2007, 2 B 10825/07, Rn. 10 – juris: „Eine
lückenlose Anwesenheit sämtlicher Kommissionsmitglieder
während aller Verfahrensschritte kann nämlich nicht verlangt
werden. Dies gilt auch im Hinblick auf Vorträge von Lehrstuhlbewerbern.“
169 Geis, OdW 2020, S. 23, 28.
170 Vgl. auch VG Ansbach, B 16.8.2016, AN 2 E 16.00307, das die
Frage offenlässt. Auch Burgi/Hagen, OdW 2021, S. 1, erkennen
hierzu keine einschlägige Rechtsprechung. Das VG Berlin, B
15.12.2017, 5 L 315/17, Rn. 18 – juris, zitiert Vorgehensweise B, ohne
sie zu kritisieren. Das VG Potsdam, B 7.10.2020, 13 L 354/20, hat
die Vorgehensweise B abgelehnt, weil die Berufungskommission
an die im Berufungsleitfaden der Universität beschriebene
Vorgehensweise gebunden sei und diese der Vorgehensweise C
entspreche.
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dass die fachliche Einschätzungsprärogative bei der
fachlich-disziplinär kompetent zusammengesetzten Berufungskommission
liegt.
Im Ergebnis ist der Landesgesetzgeber gefordert, eine
entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen. Andernfalls
sind die Hochschulen gefordert, das Berufungsverfahren
in ihren Berufungsordnungen entsprechend
auszugestalten. Jedenfalls müssen die Hochschulen
die gesetzlichen Regelungen bei ihrer Anwendung
verfassungskonform dahingehend auslegen, dass zwar
bei der gesamten Vorauswahl (ersten Sichtung) der Bewerbungen
Personen, deren Befangenheit zu besorgen
ist, nicht mitwirken, eine Mitwirkung der fachlich-disziplinär
kompetenten Mitglieder einer Berufungskommission
bei der weiteren Auswahl aber dann wieder möglich
ist, wenn die die Befangenheit auslösende Bewerbung
nach der Vorauswahl nicht weiter berücksichtigt wird.
Mathias Neukirchen ist Director Academic Service des
European University Institute in Florenz. Etienne Emmrich
ist Professor an der Technischen Universität Berlin
und Dekan der Fakultät II – Mathematik und Naturwissenschaften.
Hendrik Büggeln ist Kanzler der Pädagogischen
Hochschule Freiburg. Der vorliegende Beitrag
gibt allein die Meinung und Auffassung der Autoren
wieder.
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