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I. Ein­lei­tung
Gem. § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG ist die Lauf­zeit aller befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­se mit mehr als einem Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit auf die Höchst­be­fris­tungs­dau­er gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG anzu­rech­nen. Anrech­nungs­fä­hig sind nur Arbeits­ver­hält­nis­se mit einer deut­schen Hochschule.1 Nach allg. Mei­nung wer­den wei­ter­hin nur Arbeits­ver­hält­nis­se ange­rech­net, die die Erbrin­gung wis­sen­schaft­li­cher Dienst­leis­tun­gen gem. § 1 Abs. 1 WissZeitVG zum Gegen­stand haben.2
Zu die­sen befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­sen zäh­len unter ande­rem befris­te­te Arbeits­ver­hält­nis­se auf Grund­la­ge des § 2 Abs. 2 WissZeitVG (sog. Drittmittelbefristungen).3 Weil Bund und Län­der die Hoch­schul­fi­nan­zie­rung immer stär­ker von einer soli­den Grund­fi­nan­zie­rung hin zu einer Pro­jekt­fi­nan­zie­rung über För­der­fonds u.ä. ver­schie­ben, steigt die Zahl dritt­mit­tel­be­fris­te­ter Beschäf­tig­ter stark an. So fol­gen bei den­sel­ben Beschäf­tig­ten nicht sel­ten meh­re­re Dritt­mit­tel­be­fris­tun­gen auf­ein­an­der und bil­den die Lebens­grund­la­ge in einem Lebens­al­ter, in dem die Fami­li­en­grün­dung ansteht.
Zum Aus­gleich der Här­ten, die damit ein­her­ge­hen, Kin­der und Qua­li­fi­ka­ti­on mit­ein­an­der ver­ein­ba­ren zu müssen4, sieht § 2 Abs. 1 S. 4, 5, Abs. 5 S. 1 Nr. 1, 3 WissZeitVG ver­schie­de­ne Aus­gleichs­me­cha­nis­men vor. Doch ist frag­lich, ob die­se Aus­gleichs­me­cha­nis­men in jedem Fall ihre vom Gesetz­ge­ber beab­sich­tig­te Wir­kung ent­fal­ten kön­nen: § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG könn­te die­se Mecha­nis­men unter­lau­fen.
II. Fall­kon­stel­la­ti­on
Zur Ver­an­schau­li­chung der Pro­blem­stel­lung dient fol­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on:
Arbeit­neh­mer A ist erst­mals wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der deut­schen Hoch­schu­le X. Er ist zur Erbrin­gung wis­sen­schaft­li­cher Dienst­leis­tun­gen im Dritt­mit­tel­pro­jekt „Thinktank Meck­len­bur­gi­sche Seen­plat­te“ beschäf­tigt. Sein Arbeits­ver­trag ist wirk­sam auf­grund § 2 Abs. 2 WissZeitVG befris­tet. Als ver­trag­li­che Arbeits­zeit sind 35 Stunden/Woche ver­ein­bart. A wird nach sechs Mona­ten Beschäf­ti­gungs­zeit Vater und nimmt zur Betreu­ung sei­nes Kin­des ein Jahr Eltern­zeit nach dem Bun­des­el­tern­geld- und Eltern­zeit­ge­setz in Anspruch. Mit Ablauf der Eltern­zeit endet die ver­ein­bar­te Ver­trags­lauf­zeit mit der Hoch­schu­le X. A beab­sich­tigt, sei­ne For­schung nun­mehr im Rah­men einer auf Grund­la­ge von § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG befris­te­ten Beschäf­ti­gung fort­zu­set­zen und fragt sich, wie lang die Höchst­be­fris­tungs­dau­er gem. § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG noch ist.
Abwand­lung: Was ist, wenn A vor Begrün­dung des gegen­ständ­li­chen Arbeits­ver­hält­nis­ses bereits vier Jah­re und sechs Mona­te mehr als ein Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit an einer deut­schen Hoch­schu­le beschäf­tigt war?
III. Aus­gangs­punkt: Ver­län­ge­rung der Höchst­be­fris­tungs­dau­er nach § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG
Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG beträgt die Höchst­be­fris­tungs­dau­er der sachgrundlosen5 Befris­tung zur Qua­Si­mon
Pschorr
Die Wech­sel­wir­kung von § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG und § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG –
Zur Betreu­ungs­ver­län­ge­rung und Anre­chen­bar­keit von Unter­bre­chungs­zei­ten bei Dritt­mit­tel­be­fris­tung gem. § 2 Abs. 2 WissZeitVG
1 Geis/Krause § 2 WissZeitVG Rn. 85.
2 BGH AP WissZeitVG § 2 Nr. 10 Rn. 30 ff.; BGH NZA 2020, 42, 46 Rn. 42; BGH NZA 2021, 786, 790 Rn. 34; Geis/Krause § 2 WissZeitVG Rn. 88.
3 BT-Drs. 16/3438, S. 15.
4 BT-Drs. 16/3438, S. 9; BT-Drs. 18/6489, S. 8.
5 BT-Drs. 18/6489, S. 10; Maschmann/Konertz, Das Hoch­schul­be­fris­tungs­recht in der Reform: Die Novel­le des Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­set­zes, NZA 2016, 257, 259; Staudinger/Preis, § 620 Rn. 282b; Pschorr, Qua­li­fi­ka­ti­on durch Beschäf­ti­gung?, RdA 2021, 237, 238.
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2022, ISSN 2197–9197
1 1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 2 ) , 1 1 5 — 1 2 0
6 Zum Begriff Pschorr, Coro­na und Höchst­be­fris­tungs­zei­ten im
Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­recht, COVuR 2020, 573, 574.
7 BT-Drs. 16/3438, S. 13.
8 BGH NZA 2018, 1135, 1138 Rn. 34; BGH NZA 2017, 189, 192 Rn. 27;
Geis/Krause § 2 WissZeitVG Rn. 46; Erf­Kom­m/­Mül­ler-Glö­ge § 2
WissZeitVG Rn. 6a; Laux/Schlachter/Schlachter § 2 WissZeitVG
Rn. 11.
9 BGH NZA 2018, 1135, 1138 Rn. 34; BGH NZA 2017, 189, 192 Rn.
26; BAG NZA 2016, 954, 959 Rn. 53; LAG Sach­sen-Anhalt Beck­RS
2020, 31213 Rn. 36.
10 BT-Drs. 16/3438, S. 12.
11 Vgl. auch BAG NZA 2018, 1135, 1137 Rn. 29; BGH NZA 2017, 189,
192 Rn. 27.
12 Geis/Krause § 2 WissZeitVG Rn. 45.
13 BT-Drs. 16/3438, S. 13.
14 Geis/Krause § 2 WissZeitVG Rn. 45; Erf­Kom­m/­Mül­ler-Glö­ge §
2 WissZeitVG Rn. 6a; so wohl auch Löwisch, Die Ablö­sung der
Befris­tungs­be­stim­mun­gen des Hoch­schul­rah­men­ge­set­zes durch
das Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz, NZA 2007, 479, 483 („nicht
ganz uner­heb­li­cher Zeit­raum“).
15 ArbG Hal­le Beck­RS 2018, 54487 Rn. 54; Erf­Kom­m/­Mül­ler-Glö­ge
§ 2 WissZeitVG Rn. 6a; a.A. wohl LAG Sach­sen-Anhalt Beck­RS
2020, 31213 Rn. 41 Betreu­ung „oft nur an Wochen­en­den“.
16 Laux/Schlachter/Schlachter § 2 WissZeitVG Rn. 12.
17 BGH NZA 2018, 1135, 1138 Rn. 34; BGH NZA 2017, 189, 192 Rn.
26; BAG NZA 2016, 954, 959 Rn. 52; so auch Boecken/Joussen/
Jous­sen § 2 WissZeitVG Rn. 8.
18 BAG NZA 2016, 954, 959 Rn. 54; BGH NZA 2017, 189, 192 Rn. 27;
so auch Boecken/Joussen/Joussen § 2 WissZeitVG Rn. 8; Laux/
Schlachter/Schlachter § 2 WissZeitVG Rn. 12.
19 BGH NZA 2018, 1135, 1138 Rn. 33; LAG Sach­sen-Anhalt Beck­RS
2020, 31213 Rn. 42; so auch Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Boemke
§ 2 WissZeitVG Rn. 16.
20 BAG NZA 2016, 954, 959 Rn. 53.
21 Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Boemke § 2 WissZeitVG Rn. 15;
Laux/Schlachter/Schlachter § 2 WissZeitVG Rn. 11; a.A. wohl
Erf­Kom­m/­Mül­ler-Glö­ge § 2 WissZeitVG Rn. 6a.
lifi­ka­ti­on grund­sätz­lich sechs Jah­re bis zum Abschluss
der Pro­mo­ti­on. Gem. § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG wird
die Höchst­be­fris­tungs­dau­er um zwei Jah­re je betreu­tem
Kind unter 18 Jah­ren ver­län­gert. Die­se Ver­län­ge­rung
erwei­tert die Gesamthöchstbefristungsdauer6, ver­län­gert
also die maxi­mal mög­li­che Gesamt­be­fris­tungs­dau­er
bei einem betreu­ten Kind von 12 Jah­ren vor und nach
der Pro­mo­ti­on auf 14 Jahre.7 Kann die Pro­mo­ti­on ange­sichts
der Kin­der­be­treu­ung z.B. erst nach 7 Jah­ren statt 6
Jah­ren abge­schlos­sen wer­den, kann nach der Pro­mo­ti­on
höchs­tens für wei­te­re 7 Jah­re befris­tet beschäf­tigt werden.

  1. Zusam­men­hang zwi­schen Befris­tungs­zeit und Kin­der­be­treu­ung
    Umstrit­ten ist, ob es eines Zusam­men­hangs zwi­schen
    Befris­tungs­zeit und Kin­der­be­treu­ung bedarf. Anders
    gesagt: Ver­län­gert sich die Höchst­be­fris­tungs­dau­er nur
    dann, wenn das Kind wäh­rend der Ver­trags­lauf­zeit eines
    Arbeits­ver­hält­nis­ses zur Qua­li­fi­ka­ti­on gem. § 2 Abs. 1
    WissZeitVG betreut wird?
    In Lite­ra­tur und Recht­spre­chung besteht Einig­keit,
    Betreu­ungs­zei­ten vor Beginn der wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit
    sei­en nicht zu berücksichtigen.8 Kin­der­be­treu­ungs­zei­ten
    nach Ende der Höchst­be­fris­tungs­dau­er begrün­den
    eine Aus­wei­tung nach § 2 Abs. 1 S. 4 Wiss-
    ZeitVG eben­falls nicht.9 Dies ist ange­sichts des Norm­wort­lauts
    nach­voll­zieh­bar: „Bei Betreu­ung“ impli­ziert,
    dass eine Betreu­ung gera­de statt­fin­den muss, nicht statt­ge­fun­den
    hat oder statt­fin­den wird. Auch der Gesetz­ge­ber
    will eine Ver­län­ge­rung der Höchst­be­fris­tungs­zeit für
    bei­de Eltern­tei­le nur gewäh­ren, wenn sie selbst betreu­en.
    10 Die Dop­pel­be­las­tung von Kin­der­be­treu­ung und
    Qua­li­fi­ka­ti­on, die mit der Vor­schrift kom­pen­siert wer­den
    soll, kann auch nur ein­tre­ten, wenn die Betreu­ung
    wäh­rend eines Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses erfolgt.11
    Betreu­ungs­zei­ten nach Beginn der wis­sen­schaft­li­chen
    Tätig­keit wer­den kon­tro­vers dis­ku­tiert. Teil­wei­se
    wird ver­tre­ten, sofern die Betreu­ung nur wäh­rend eines
    Zeit­raums statt­fin­de, in dem eine Ver­trags­ver­län­ge­rung
    nach § 2 Abs. 5 WissZeitVG in Anspruch genom­men
    wür­de, fän­de § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG kei­ne Anwen­dung.
    12 Die­se Ansicht ten­diert dazu, Betreu­ungs­stun­den
    zu zäh­len und wider­spricht dem aus­drück­li­chen Wil­len
    des Gesetz­ge­bers, der § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG von
    § 2 Abs. 5 WissZeitVG unab­hän­gig betrach­tet wis­sen
    will.13 Bei nur kur­zer Dop­pel­be­las­tung mit Qua­li­fi­ka­ti­on
    und Kin­der­be­treu­ung, z. B. bei früh­zei­ti­gem Tod des
    Kin­des, ver­län­ge­re sich nach einer wei­te­ren Ansicht die
    Höchst­be­fris­tungs­dau­er nur um den Zeit­raum der tat­säch­li­chen
    Doppelbelastung.14 Schließ­lich wird ver­tre­ten,
    § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG käme nur bei einer Kin­der­be­treu­ung
    wäh­rend der Arbeits­wo­che, nicht bei „Wochen­end­kin­dern“
    zur Anwendung.15 Das Bun­des­ar­beits­ge­richt
    wen­det § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG
    zutref­fen­der­wei­se ent­spre­chend sei­nem Wort­laut als
    pauschalen16 Ver­län­ge­rungs­tat­be­stand an: Unge­ach­tet
    der noch übri­gen Höchst­be­fris­tungs­dau­er bei Ein­tritt
    der Kinderbetreuung17 oder des tat­säch­li­chen Betreuungsbedarfs18
    ver­län­gert sich die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    automatisch19 um zwei Jah­re. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt
    weist zu Recht dar­auf hin, dass das Gesetz kei­ne nur
    antei­li­ge Ver­län­ge­rung der Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    vorsieht.20
    Bei Abschluss des Ver­tra­ges kön­nen Kin­der­be­treu­ungs­zei­ten
    wäh­rend der Ver­trags­lauf­zeit bei kon­kre­ten
    Anhalts­punk­ten anti­zi­piert wer­den – bei­spiels­wei­se bei
    einer fort­ge­schrit­te­nen Schwangerschaft.21 Die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    ver­län­gert sich dann bereits vor Ein­tritt
    der Kin­der­be­treu­ung um zwei Jah­re. Auch dies erfüllt
    den Zweck des Geset­zes zur Fami­li­en­för­de­rung; es
    wäre künst­lich, die Ver­län­ge­rung erst bei Geburt des
    Pschorr · Wech­sel­wir­kung von § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG und § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG 1 1 7
    22 Vgl. BT-Drs. 18/6489, S. .
    23 BGH NZA 2018, 1135, 1137 Rn. 34.
    24 Geis/Krause § 2 WissZeitVG Rn. 89.
    25 Gro­by­s/­Pan­zer-Heemei­er/­Fohr­mann Eltern­zeit Rn. 18; Ran­cke,
    Mut­ter­schutz – Eltern­geld – Eltern­zeit – Betreu­ungs­geld, 5. Auf­la­ge
    2018, § 15 BEEG Rn. 50; vgl. auch § 22 S. 1 MuSchG.
    26 BT-Drs. 18/11782, S. 36; Beck­OK ArbR/Dahm § 3 MuSchG Rn. 7.
    27 BAG AP WissZeitVG § 2 Nr. 10 Rn. 19; BAG NZA 2020, 42, 46
    Rn. 41.
    Kin­des ein­tre­ten zu las­sen, denn dann droh­ten Kurz­zeit­be­fris­tun­gen
    bis zum Geburts­ter­min ent­ge­gen des
    Gesetzgeberwillens.22
  2. Ver­län­ge­rung der Höchst­be­fris­tungs­dau­er nur bei
    Qua­li­fi­ka­ti­ons­be­schäf­ti­gung?
    Frag­lich ist schließ­lich, ob die Betreu­ung wäh­rend einer
    befris­te­ten Beschäf­ti­gung gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG
    erfol­gen muss. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt wen­det
    § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG an, wenn Kin­der wäh­rend
    einer anrech­nungs­fä­hi­gen Beschäf­ti­gung betreut wer­den.
    23 Das Gericht wen­det die Vor­schrift mit­hin auf alle
    Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se i.S.d. § 2 Abs. 1, Abs. 3 S. 1
    WissZeitVG an. Lei­der begrün­det es dies nicht geson­dert.
    Der Norm­wort­laut ist für eine Anwen­dung auf
    anrech­nungs­fä­hi­ge Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se offen,
    deu­tet aber nicht dar­auf hin. Die Norm­sys­te­ma­tik
    spricht dage­gen: § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG steht im sys­te­ma­ti­schen
    Zusam­men­hang mit § 2 Abs. 1 S. 1, 2 Wiss-
    ZeitVG und nicht mit § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG. Für die
    Aus­le­gung des Bun­des­ar­beits­ge­richts strei­tet aber klar
    der Norm­zweck: Eine kom­pen­sa­ti­ons­fä­hi­ge Dop­pel­be­las­tung
    mit Arbeit und Kin­der­be­treu­ung ist unab­hän­gig
    vom Befris­tungs­grund. Regel­mä­ßig fin­det auch in drit­mit­tel­be­fris­te­ten
    Arbeits­ver­hält­nis­sen Qua­li­fi­ka­ti­on
    statt, sodass der Gesetz­ge­ber­wil­le zur Fami­li­en­för­de­rung
    nur dann effek­tiv erreicht wird, wenn § 2 Abs. 1 S. 4
    WissZeitVG durch Kin­der­be­treu­ung wäh­rend jeder
    Form wis­sen­schaft­li­cher Beschäf­ti­gung aus­ge­löst wird.
  3. Anwen­dung auf die Fall­kon­stel­la­ti­on
    In der Aus­gangs­fall­kon­stel­la­ti­on wird A wäh­rend eines
    dritt­mit­tel­be­fris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­ses Vater. Die
    Lauf­zeit des Arbeits­ver­hält­nis­ses ist grund­sätz­lich gem.
    § 2 Abs. 3 WissZeitVG auf die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    anre­chen­bar. Des­halb ver­län­gert sich die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    von sechs auf acht Jah­re.
    Glei­ches gilt in der Abwand­lung: Zwar kann A hier
    zu Beginn der Kin­der­be­treu­ung nur noch maxi­mal ein
    Jahr gem. § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG befris­tet beschäf­tigt
    wer­den: Er war vor Begrün­dung des Arbeits­ver­hält­nis­ses
    vier Jah­re und sechs Mona­te beschäf­tigt und das bestehen­de
    Arbeits­ver­hält­nis dau­ert zum Zeit­punkt der
    Vater­schaft wei­te­re sechs Mona­te an. Somit ver­blie­be
    grund­sätz­lich nur ein Jahr zur sach­grund­lo­sen Befris­tung
    gem. § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG. Den­noch ver­län­gert
    sich sei­ne Höchst­be­fris­tungs­dau­er pau­schal um
    zwei Jah­re, die voll­stän­dig oder teil­wei­se vor Abschluss
    der Pro­mo­ti­on aus­ge­schöpft wer­den kön­nen.
    IV. Anre­chen­bar­keit von Eltern­zeit und Mut­ter­schutz
    Auf die Höchst­be­fris­tungs­zeit könn­te schließ­lich gem.
    § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG die Eltern­zeit von einem Jahr
    anzu­rech­nen sein.
  4. Anrech­nungs­fä­hi­ges Arbeits­ver­hält­nis i.S.d. § 2 Abs. 3
    S. 1 WissZeitVG
    Das wäre der Fall, wenn wäh­rend der Eltern­zeit ein
    anrech­nungs­fä­hi­ges Arbeits­ver­hält­nis i.S.d. § 2 Abs. 3 S.
    1 WissZeitVG bestün­de. Nach dem Norm­wort­laut sind
    alle „befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­se mit mehr als einem
    Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit, die mit einer deut­schen
    Hoch­schu­le oder einer For­schungs­ein­rich­tung im
    Sin­ne des § 5 abge­schlos­sen wur­den“ anzu­rech­nen. Dies
    ist hier in zwei­er­lei Hin­sicht frag­lich: Besteht über­haupt
    ein Arbeits­ver­hält­nis (fort) und hat dies einen anrech­nungs­fä­hi­gen
    Umfang ?
    Ein befris­te­tes Arbeits­ver­hält­nis wur­de vor­lie­gend
    abge­schlos­sen. Die Tätig­keit des A erfolg­te nicht allein
    auf­grund eines (nicht anrech­nungs­fä­hi­gen) Sti­pen­di­ums.
    24 Die­ses ist durch Inan­spruch­nah­me der Eltern­zeit
    auch nicht auf­ge­ho­ben wor­den. Rechts­fol­ge der Inan­spruch­nah­me
    der Eltern­zeit ist (nur) das Ruhen der
    Haupt­leis­tungs­pflich­ten des Arbeitsverhältnisses.25 Glei­ches
    gilt für Zei­ten des Mut­ter­schut­zes bzw. für Tätig­keits­ver­bo­te
    gem. § 16 Abs. 1 MuSchG.26
    Aller­dings könn­te der Umfang des Arbeits­ver­hält­nis­ses
    nicht mehr ein Vier­tel der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit
    i.S.d. § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG betra­gen.
    Dabei ist genau­er in den Blick zu neh­men, wor­auf die
    Vor­schrift abstellt: Nach dem Norm­wort­laut kommt es
    auf Arbeits­ver­hält­nis­se an, die mit deut­schen Hoch­schu­len
    „abge­schlos­sen“ wur­den. § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG
    stellt sei­nem Norm­wort­laut nach auf das ver­ein­bar­te,
    nicht auf das geleb­te Arbeits­ver­hält­nis ab. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt
    legt § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG so aus, dass die
    „Arbeits­zeit­ver­pflich­tung“ maß­geb­lich dafür ist, ob das
    Arbeits­ver­hält­nis anrech­nungs­fä­hig ist.27 Des­halb
    kommt es allein auf die ver­ein­bar­te Arbeits­zeit und nicht
    1 1 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 2 ) , 1 1 5 — 1 2 0
    28 BAG NZA 2021, 786, 790 Rn. 33; so auch Erf­Kom­m/­Mül­ler-Glö­ge
    § 2 WissZeitVG Rn. 13b.
    29 BT-Drs. 16/3438, S. 15.
    30 BT-Drs. 16/3438, S. 15.
    31 BT-Drs. 18/6489, S. 13; Boecken/Joussen/Joussen § 2 WissZeitVG
    Rn. 20.
    32 BT-Drs. 18/6489, S. 13.
    33 BT-Drs. 16/3438, S. 15.
    auf den Umfang tat­säch­lich erbrach­ter wis­sen­schaft­li­cher
    Arbeits­auf­ga­ben an.28 Dem­nach ist die Lauf­zeit ruhen­der
    Arbeits­ver­hält­nis­se grund­sätz­lich eben­falls gem.
    § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG anre­chen­bar; dass die tat­säch­li­che
    Arbeits­zeit null Stun­den beträgt, steht dem nicht
    ent­ge­gen.
  5. Anrech­nungs­sper­re nach § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG
    Aller­dings könn­te § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG einer
    Anrech­nung ent­ge­gen­ste­hen. Hier­nach wer­den Zei­ten
    nach § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 6 WissZeitVG in dem
    Umfang, in dem sie zu einer Ver­län­ge­rung eines befris­te­ten
    Arbeits­ver­tra­ges füh­ren kön­nen, nicht auf die nach
    § 2 Abs. 1 WissZeitVG zuläs­si­ge Befris­tungs­dau­er ange­rech­net.
    Eltern­zeit, Mut­ter­schutz und Beschäf­ti­gungs­ver­bo­te
    nach § 16 Abs. 1 MuSchG unter­fal­len § 2 Abs. 5 S.
    1 Nr. 3 WissZeitVG.
    Pro­ble­ma­tisch ist aller­dings, ob § 2 Abs. 5 S. 3 Wiss-
    ZeitVG auf Unter­bre­chungs­zei­ten i.S.d. § 2 Abs. 5 S. 1
    WissZeitVG Anwen­dung fin­det, die wäh­rend eines dritt­mit­tel­be­fris­te­ten
    Arbeits­ver­hält­nis­ses ein­tre­ten. Hier­ge­gen
    spricht die Norm­sys­te­ma­tik: § 2 Abs. 5 S. 1 Wiss-
    ZeitVG a.A. führt nach dem Norm­wort­laut (nur) zur
    Ver­län­ge­rung von Arbeits­ver­hält­nis­sen nach § 2 Abs. 1
    WissZeitVG. Nach­dem § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG an
    Zei­ten nach § 2 Abs. 5 S. 1 WissZeitVG anknüpft, liegt es
    nahe, dass nur Unter­bre­chungs­zei­ten wäh­rend Qua­li­fi­ka­ti­ons­be­schäf­ti­gun­gen
    erfasst wer­den. Auch der Gesetz­ge­ber­wil­le
    deu­tet auf eine Anwend­bar­keit des
    § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG nur auf Ver­hin­de­run­gen wäh­rend
    der Qua­li­fi­ka­ti­ons­be­fris­tung hin: § 2 Abs. 5 Wiss-
    ZeitVG soll eine Anrech­nung von Eltern- und Mut­ter­schutz­zeit
    auf die Lauf­zeit eines kon­kre­ten Ver­tra­ges
    verhindern.29 Die­se Wir­kung hat der Gesetz­ge­ber bewusst
    auf Arbeits­ver­hält­nis­se nach § 2 Abs. 1 Wiss-
    ZeitVG beschränkt und Arbeits­ver­hält­nis­se nach
    § 2 Abs. 2 WissZeitVG vom Anwen­dungs­be­reich
    aus­ge­schlos­sen.
    Die Geset­zes­ge­schich­te steht die­ser Aus­le­gung jedoch
    ent­ge­gen. § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG hat sei­ne Wur­zeln
    in § 57b Abs. 4 S. 2 HRG a.F.30 Der Norm­wort­laut
    der gel­ten­den Rege­lung ist jedoch mit § 57b Abs. 4 S. 2
    HRG a.F. nicht mehr iden­tisch. Nach der nicht mehr gel­ten­den
    Norm waren „Verlängerung[en]“ gem.
    § 57b Abs. 4 S. 1 WissZeitVG nicht auf die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    anzu­rech­nen. Dies wur­de zunächst in
    § 2 Abs. 5 S. 2 WissZeitVG a.F. über­nom­men. 2016 änder­te
    der Gesetz­ge­ber den Norm­wort­laut. Mitt­ler­wei­le
    sind „Zei­ten nach Satz 1 Num­mer 1 bis 6 […] in dem
    Umfang, in dem sie zu einer Ver­län­ge­rung eines befris­te­ten
    Arbeits­ver­tra­ges füh­ren kön­nen“ nicht anrech­nungs­fä­hig.
    Das Erfor­der­nis einer tat­säch­li­chen Ver­län­ge­rung
    fiel weg. Die­se Geset­zes­än­de­rung erfolg­te, um Arbeit­neh­me­rin­nen
    nicht zu benach­tei­li­gen, die auf eine Ver­trags­ver­län­ge­rung
    aus pri­va­ten Grün­den, bei­spiels­wei­se
    wegen eines beab­sich­tig­ten Umzugs, verzichten.31 Aller­dings
    sperrt der Wort­laut der jet­zi­gen Norm­fas­sung eine
    Anwen­dung von § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG auf Fäl­le des
    § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG: Aus­drück­lich soll § 2 Abs. 5 S.
    3 WissZeitVG nur auf sol­che Zei­ten (in dem Umfang)
    Anwen­dung fin­den, die zu einer Ver­län­ge­rung eines befris­te­ten
    Arbeits­ver­trags füh­ren kön­nen. Zei­ten außer­halb
    von Qua­li­fi­ka­ti­ons­be­schäf­ti­gun­gen kön­nen aber
    ange­sichts § 2 Abs. 5 S. 1 WissZeitVG a.A. (voll­um­fäng­lich)
    nicht zu einer Ver­län­ge­rung eines befris­te­ten Arbeits­ver­trags
    füh­ren. Die Ein­schrän­kung, die eigent­lich
    nur zur Über­tra­gung der quan­ti­ta­ti­ven Beschrän­kung
    des § 2 Abs. 5 S. 2 WissZeitVG auf die Nicht­an­rech­nung
    gem. § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG gedacht war32, steht der
    Norm­an­wen­dung nun­mehr aus­drück­lich entgegen.
  6. Teleo­lo­gi­sche Exten­si­on
    Auf das Fall­bei­spiel ange­wandt hie­ße dies: Die Eltern­zeit
    des A wür­de gem. § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG voll­um­fäng­lich
    auf die Höchst­be­fris­tungs­dau­er ange­rech­net.
    Dies hie­ße, dass A im Aus­gangs­fall noch sechs Jah­re und
    sechs Mona­te Höchst­be­fris­tungs­dau­er, in der Abwand­lung
    zwei Jah­re Höchst­be­fris­tungs­dau­er ver­blie­ben.
    Wäre A nicht in einem Dritt­mit­tel­pro­jekt, son­dern zur
    Qua­li­fi­ka­ti­on beschäf­tigt wor­den, betrü­ge sei­ne Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    im Aus­gangs­fall sie­ben Jah­re und sechs
    Mona­te bzw. in der Abwand­lung drei Jah­re. Im Ergeb­nis
    wer­den Arbeit­neh­mer auf Dritt­mit­tel­stel­len somit bei
    der Berech­nung der Höchst­be­fris­tungs­dau­er anders
    behan­delt als zur Qua­li­fi­ka­ti­on befris­te­te Arbeit­neh­mer.
    Dies wider­spricht dem Gesetz­ge­ber­wil­len. Die­ser beab­sich­tig­te
    mit § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG zu ver­hin­dern,
    dass die Befris­tungs­höchst­gren­zen durch Wech­sel des
    Befris­tungs­grun­des mehr­fach aus­ge­schöpft würden.33
    § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG soll­te also eine Gleich­be­hand­lung
    ver­schie­de­ner Befris­tungs­grün­de errei­chen.
    § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG dient nach dem Gesetz­ge­Ps­chorr
    · Wech­sel­wir­kung von § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG und § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG 1 1 9
    34 BT-Drs. 16/3438, S. 16.
    ber­wil­len dazu, dass die gesam­te Qua­li­fi­ka­ti­ons­pha­se
    aus­ge­schöpft wer­den kann.34 Dem Gesetz­ge­ber­wil­len
    kann nur Rech­nung getra­gen wer­den, wenn § 2 Abs. 5 S.
    3 WissZeitVG in ent­spre­chen­der Anwen­dung auch die
    Anrech­nung von Unter­bre­chungs­zei­ten i.S.d. § 2 Abs. 5
    S. 1 WissZeitVG ver­mit­tels § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG
    sperrt. Die­se ana­lo­ge Anwen­dung der Vor­schrift ist
    schließ­lich ver­fas­sungs­recht­lich gebo­ten, nach­dem es an
    einem Sach­grund zur Ungleich­be­hand­lung der bei­den
    wesent­lich glei­chen Fall­kon­stel­la­tio­nen i.S.d. Art.
    3 Abs. 1 GG fehlt.
    V. End­ergeb­nis
    Im Aus­gangs­fall ver­län­gert sich die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    des A von sechs Jah­ren durch Kin­der­be­treu­ung
    gem. § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG auf acht Jah­re. § 2 Abs. 1
    S. 4 WissZeitVG ver­län­gert die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    auch dann, wenn die Kin­der­be­treu­ung in einem befris­te­ten
    wis­sen­schaft­li­chen Arbeits­ver­hält­nis ein­tritt, das
    nicht gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG befris­tet ist. Auf die­se
    Höchst­be­fris­tungs­dau­er ist nur die Beschäf­ti­gungs­zeit
    von sechs Mona­ten bis zur Eltern­zeit gem. § 2 Abs. 3 S. 1
    WissZeitVG anre­chen­bar. Der Zeit­raum der Eltern­zeit
    ist ent­spre­chend § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG nicht auf die
    Höchst­be­fris­tungs­dau­er anzu­rech­nen. Ihm ver­blei­ben
    des­halb noch sie­ben Jah­re und sechs Mona­te Höchst­be­fris­tungs­dau­er.
    In der Abwand­lung wird die Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    genau­so gem. § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG
    um vol­le zwei Jah­re ver­län­gert, obschon bei Beginn der
    Kin­der­be­treu­ung nur noch ein Jahr Höchst­be­fris­tungs­dau­er
    ver­blie­ben war. Nach ana­lo­ger Anwen­dung des
    § 2 Abs. 5 S. 3 WissZeitVG ver­blei­ben A hier noch drei
    Jah­re Höchst­be­fris­tungs­dau­er.
    Simon Pschorr ist Staats­an­walt bei der Staats­an­walt­schaft
    Kon­stanz und abge­ord­ne­ter Prak­ti­ker an der
    Uni­ver­si­tät Kon­stanz. Er kom­men­tiert §§ 53 ff. HRG in
    Geis, Hoch­schul­recht in Bund und Län­dern.
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