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Über­sicht
I. Ein­lei­tung
II. Grund­ge­setz­li­che Regelungen

  1. Aus­gangs­kon­stel­la­ti­on
  2. Neu­fas­sung von Art. 91b GG
    III. Dis­kus­si­on
  3. Grund­sätz­li­che Überlegungen
  4. Bes­se­re Bil­dungs­po­li­tik?
    a) Kon­zep­ti­on einer Gemein­schafts­auf­ga­be
    b) Durch­füh­rung einer Gemeinschaftsaufgabe
  5. Mehr Geld für die Bil­dung?
    IV. Fazit
    Die föde­ra­len Zustän­dig­kei­ten in Bil­dung und Wis­sen­schaft wer­den seit Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik dis­ku­tiert. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren ist die Debat­te beson­ders inten­siv geführt wor­den und hat zu einer Serie von Grund­ge­setz­än­de­run­gen geführt. Die Ampel­ko­ali­ti­on hat sich in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag nun für ein „Koope­ra­ti­ons­ge­bot“ in der Bil­dung aus­ge­spro­chen, ohne aller­dings die grund­ge­setz­li­che Umset­zung zu kon­kre­ti­sie­ren. In die­sem Bei­trag wird zunächst die kom­pe­tenz­recht­li­che Aus­gangs­la­ge im Bil­dungs­be­reich skiz­ziert. Es wird eine Neu­fas­sung des Art. 91b GG vor­ge­stellt, mit der sich das „Koope­ra­ti­ons­ge­bot“ ver­wirk­li­chen lie­ße. Im Anschluss wer­den die grund­le­gen­den Vor- und Nach­tei­le von Gemein­schafts­auf­ga­ben beleuch­tet.
    I. Ein­lei­tung
    Der Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel­par­tei­en benennt eine „enge­re, ziel­ge­naue­re und ver­bind­li­che Koope­ra­ti­on aller Ebe­nen (Koope­ra­ti­ons­ge­bot)“ in der Bil­dungs­po­li­tik als Ziel. „Soweit erfor­der­lich“ wer­den Gesprä­che über eine Grund­ge­setz­än­de­rung ange­bo­ten. Eine Arbeits­grup­pe von Bund, Län­dern und Kom­mu­nen zur künf­ti­gen Zusam­men­ar­beit soll instal­liert und ein „Bil­dungs­gip­fel“ orga­ni­siert wer­den. Damit sol­len eine „neue Kul­tur der Bil­dungs­zu­sam­men­ar­beit“ begrün­det und „neue For­men der Zusam­men­ar­beit“ eta­bliert werden.1 Jen­seits der bil­dungs­be­zo­ge­nen Zie­le ist geplant, den Föde­ra­lis­mus ins­ge­samt zu refor­mie­ren. Um eine „trans­pa­ren­te­re und effi­zi­en­te­re Ver­tei­lung der Auf­ga­ben“ zu errei­chen, soll ein „Föde­ra­lis­mus­dia­log“ zu ver­schie­de­nen Poli­tik­fel­dern geführt werden.2
    Die Koali­tio­nä­re beken­nen sich zwar nicht unkon­di­tio­niert zu einer Grund­ge­setz­än­de­rung im Bil­dungs­be­reich. Dass sie für erfor­der­lich gehal­ten wird, zei­gen aber die beglei­ten­den Wort­mel­dun­gen. Die neue Bil­dungs­mi­nis­te­rin Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger (FDP) hat sich mehr­fach dazu bekannt und ein bal­di­ges Ange­bot an die Län­der angekündigt.3 Natur­ge­mäß noch deut­li­cher fie­len die Äuße­run­gen vor der Wahl aus.4 Ob und wie eine Grund­ge­setz­än­de­rung poli­tisch umge­setzt wer­den kann, ist eine hier nicht zu ver­tie­fen­de Fra­ge. Die erfor­der­li­chen Mehr­hei­ten in Bun­des­tag und Bun­des­rat, die tat1
    Alle: SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP, Mehr Fort­schritt wagen — Bünd­nis für Frei­heit, Gerech­tig­keit und Nach­hal­tig­keit (Koali­ti­ons­ver­trag 2021–2025), https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf (zuletzt abge­ru­fen am 10.3.2022), S. 94.
    2 Bei­de: SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP (Fn. 1), S. 11.
    3 In: Wiar­da, Jan-Mar­tin, „So, wie es ist, kann es nicht blei­ben“ — Inter­view mit Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger (9.2.2022), https://www.jmwiarda.de/2022/02/09/so-wie-es-ist-kann-es-nicht-bleiben/ (zuletzt abge­ru­fen am 17.2.2022); in: Scholz, Anna-Len­a/­Spie­wak, Mar­tin, „Wir blei­ben unter unse­ren Mög­lich­kei­ten“ – Inter­view mit Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger, in: Die Zeit (13.1.2022), S. 40; in: Schmoll, Heike/Thiel, Tho­mas, „Kei­ne zen­tra­le Bil­dungs­po­li­tik“ – Inter­view mit Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger, Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung (11.12.2021), S. 4.
    4 „Der Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus ist über­for­dert. […] Es ist Zeit für einen grund­le­gen­den Sys­tem­wech­sel […] Für die Frei­en Demo­kra­ten hät­te eine Reform des Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus bei einer Regie­rungs­be­tei­li­gung höchs­te Prio­ri­tät.“ In: Stark-Watz­in­ger, Bet­ti­na, Das ist das Ergeb­nis von 16 Jah­ren bil­dungs­po­li­ti­schem Still­stand (6.8.2021), https://www.welt.de/debatte/kommentare/article233379177/Bettina-Stark-Watzinger-Wir-brauchen-eine-Bildungsrevolution.html (zuletzt abge­ru­fen am 2.2.2022). Vgl. den FDP-Par­tei­chef, in: Lind­ner, Chris­ti­an, Mehr Ver­ant­wor­tung für den Bund, in: FAZ (21.2.2020), S. 8; FDP-Anträ­ge: BT-Drs. 19/31173, S. 2; BT-Drs. 19/15767, S. 3. Auch in ihrem Wahl­pro­gramm sprach sich die FDP für eine „Reform des Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus“ und eine „Grund­ge­setz­än­de­rung“ aus (FDP, Nie gab es mehr zu tun — Wahl­pro­gramm der FDP, https://www.fdp.de/sites/default/files/2021–08/FDP_BTW2021_Wahlprogramm_1.pdf (zuletzt abge­ru­fen am 13.2.2022), S. 13). SPD und Grü­ne for­mu­lier­ten in ihren Wahl­pro­gram­men jeweils etwas offe­ner, hat­ten sich aber zuvor immer wie­der für eine Grund­ge­setz­än­de­rung aus­ge­spro­chen (Grü­ne: BT-Drs. 19/29280; S. 3; BT-Drs. 19/27826; S. 3; Grüne/FDP: BT-Drs. 19/4556, S. 2. Zu den zahl­rei­chen Wort­mel­dun­gen der Jah­re zuvor: Geis, Max-Ema­nu­el, Das „Koope­ra­ti­ons­ver­bot“ des Art. 91b GG oder: Die bil­dungs­po­li­ti­sche Büch­se der Pan­do­ra, in: ZG 2013 (28. Jg.), S. 305, 313 ff.; Spei­ser, Gui­do, Der deut­sche Wis­sen­schafts­fö­de­ra­lis­mus auf dem Prüf­stand – der neue Art. 91b Abs. 1 GG, 2017, S. 49 ff.
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2022, ISSN 2197–9197
    Gui­do Spei­ser
    Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be
    Bil­dung in Art. 91b GG
    2 0 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    5 Der Bund soll „stär­ker und dau­er­haf­ter Ver­ant­wor­tung“ über­neh­men:
    Stark-Watz­in­ger in Wiar­da (Fn. 3). Vgl. Stark-Watz­in­ger
    (Fn. 4); Lind­ner (Fn. 4), S. 8; Baer­bock, Anna­le­na, in: Gruß­wort
    zum 29. Gewerk­schafts­tag der GEW, 10.6.2021; diess., Kin­der sind
    nur so stark wie ihre Chan­cen – Impuls­pa­pier für eine natio­na­le
    Bil­dungs­of­fen­si­ve (10.7.2021), https://www.gruene.de/artikel/
    kin­der-sind-nur-so-stark-wie-ihre-chan­cen (zuletzt abge­ru­fen
    am 20.3.2022).
    6 SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP (Fn. 1), S. 94.
    7 BVerfGE 1, 14 (34); 6, 309 (346f.); 36, 342 (360f.); 81, 310 (334).
    8 BVerfGE 34, 9 (19f.). Vgl. Art. 79 Abs. 3 GG, der die Bun­destaat­lich­keit
    dem Zugriff des ver­fas­sungs­än­dern­den Gesetz­ge­bers
    ent­zieht.
    9 BVerfGE 36, 193 (202).
    10 BVerfGE 32, 145 (156); 63, 1 (38ff.); 108, 169 (182); 119, 331 (364f.).
    11 BVerfGE 15, 1 (17); 88, 203 (332).
    12 BVerfGE 6, 309 (346).
    13 BVerfGE 26, 338 (390f.); 81, 312 (314); Stern, Klaus, Das Staats­recht
    der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land (Bd. II.), 1980, S. 1138.
    14 Sie­he unten zu Finanz­hil­fen III. 2. a)
    säch­li­chen Macht­ver­hält­nis­se und die dar­aus fol­gen­den
    Kom­pro­miss­erfor­der­nis­se sind bekannt.
    Ange­sichts der heu­ti­gen Kom­pe­tenz­re­geln, die die
    Mit­wir­kung des Bun­des in der Bil­dung zual­ler­erst begren­zen
    (s. II. 1.), stärkt jede plau­si­ble koope­ra­ti­ons­för­dern­de
    Grund­ge­setz­än­de­rung zugleich die Rol­le des
    Bun­des. Auch die­ses Ziel wur­de vor der Wahl deut­li­cher
    arti­ku­liert als im Vertragstext.5 Dazu pas­sen die zahl­rei­chen
    Vor­ha­ben, die der Koali­ti­ons­ver­trag im Bil­dungs­be­reich
    benennt. Gemein­sam mit den Län­dern will der
    Bund die „öffent­li­chen Bil­dungs­aus­ga­ben deut­lich
    steigern“6. Län­der und Kom­mu­nen sol­len „dau­er­haft“
    bei der Digi­ta­li­sie­rung des Bil­dungs­we­sens unter­stützt
    wer­den. Neben dem schnel­le­ren Mit­tel­ab­fluss des lau­fen­den
    Digi­tal­pakts gehört dazu ein „Digi­tal­pakt 2.0“
    mit einer Lauf­zeit bis 2030. Mit den Län­dern sol­len
    Kom­pe­tenz­zen­tren für digi­ta­les Ler­nen und Platt­for­men
    für Open Edu­ca­tio­nal Res­sour­ces ein­ge­rich­tet wer­den.
    Mit dem Pro­gramm „Start­chan­cen“ sol­len 4.000 sozi­al
    benach­tei­lig­te Schu­len geför­dert wer­den. Das Pro­gramm
    umfasst Inves­ti­ti­ons­mit­tel, von den Schu­len frei ein­setz­ba­re
    Mit­tel und die dau­er­haf­te Unter­stüt­zung schu­li­scher
    Sozi­al­ar­beit. Noch­mals 4.000 Schu­len sol­len mit
    Zusatz­stel­len für schu­li­sche Sozi­al­ar­beit unter­stützt wer­den.
    Wei­te­re Maß­nah­men in den Berei­chen früh­kind­li­che
    Bil­dung, Ganz­tags­aus­bau, Leh­rer- und Erwach­se­nen­bil­dung
    sowie BAföG kom­men hin­zu. Viel­fach wer­den
    die jewei­li­gen Kos­ten und Eck­da­ten der Vor­ha­ben
    zwar nicht benannt. Unver­kenn­bar ist jedoch die Absicht
    des Bun­des, sich im Bil­dungs­sek­tor stark zu enga­gie­ren.
    Eben­falls deut­lich wird das Bestre­ben, in ver­schie­de­nen
    Berei­chen wie der Digi­ta­li­sie­rung natio­nal
    struk­tu­rie­rend und über län­ge­re Zeit hin­weg tätig zu
    wer­den.
    II. Grund­ge­setz­li­che Regelungen
  6. Aus­gangs­kon­stel­la­ti­on
    Nach Art. 20 GG ver­fü­gen die Län­der über eine Eigen­staat­lich­keit.
    7 Ihnen kom­men jeweils eige­ne Kom­pe­ten­zen
    in Gesetz­ge­bung, Ver­wal­tung und Recht­spre­chung
    zu. Die­se Kom­pe­ten­zen kön­nen zwar durch den ver­fas­sungs­än­dern­den
    Gesetz­ge­ber modi­fi­ziert wer­den, aber
    nicht unbe­grenzt. Den Län­dern muss stets ein „Kern
    eige­ner Auf­ga­ben als ´Haus­gut´ unent­zieh­bar
    verbleib[en]“8, damit ihre Staats­qua­li­tät nicht gefähr­det
    wird. Hin­sicht­lich der Kom­pe­tenz­ver­tei­lung bringt das
    Grund­ge­setz zwei Prin­zi­pi­en in Anschlag. Zum einen
    sind Dop­pel­zu­stän­dig­kei­ten – ob bereichs­spe­zi­fisch,
    the­men­be­zo­gen oder gene­ra­li­siert – nur in Aus­nah­me­fäl­len
    vor­ge­se­hen bzw. zulässig.9 Das kom­pe­ten­zi­el­le
    Trenn­prin­zip gilt auch für die Ver­wal­tungs­räu­me. Bund
    und Län­der haben ihre jewei­li­gen Ver­wal­tungs­auf­ga­ben
    grund­sätz­lich in eige­ner Ver­ant­wor­tung zu erfüllen.10
    Die so erzeug­te Ver­ant­wor­tungs­klar­heit ist für die Ver­wirk­li­chung
    des Bun­des­staats- und Demo­kra­tie­prin­zips
    erfor­der­lich (Art. 20 Abs. 1–2 GG). Zum ande­ren gilt die
    Auf­fang­zu­stän­dig­keit der Län­der nach Art. 30 GG bzw.
    Art. 70, 83 und 92 GG. Danach fal­len alle Kom­pe­ten­zen
    den Län­dern zu, wenn das Grund­ge­setz kei­ne Bun­des­zu­stän­dig­keit
    fest­legt oder zulässt. Kein Kom­pe­tenz­ti­tel
    der Län­der, aber alle Kom­pe­tenz­ti­tel des Bun­des bedür­fen
    der Rechtfertigung.11 Art. 30 GG ist für alle Staats­funk­tio­nen
    und Sach­ma­te­ri­en anzu­wen­den. In Bil­dung,
    Kul­tur und Wis­sen­schaft nor­miert das Grund­ge­setz fak­tisch
    nur weni­ge Zustän­dig­kei­ten des Bun­des. Die sich
    dar­aufs erge­ben­de Kul­tur­ho­heit der Län­der hat das
    BVerfG schon 1957 als „Kern­stück [ihrer] Eigen­staat­lich­keit“
    bezeichnet.12
    Nach dem Las­ten­tra­gungs­grund­satz des
    Art. 104a Abs. 1 GG müs­sen Bund und Län­der die ihnen
    jeweils zukom­men­den Ver­wal­tungs­auf­ga­ben finan­zie­ren.
    Zugleich sind Quer­fi­nan­zie­run­gen grund­sätz­lich
    aus­ge­schlos­sen, d.h. eine Gebiets­kör­per­schaft darf weder
    voll­stän­dig noch teil­wei­se Auf­ga­ben finan­zie­ren, für
    die sie nicht zustän­dig ist.13 Von Art. 104a Abs. 1 GG gibt
    es nur eng begrenz­te Ausnahmen.14 Damit das Quer­fi­nan­zie­rungs­ver­bot
    nicht zur einer defi­zi­tä­ren Auf­ga­ben­fi­nan­zie­rung
    führt, haben Bund und Län­der nach
    Art. 106 Abs. 4 GG Anspruch auf eine jeweils ange­mes­Spei­ser
    · Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung in Art. 91b GG 2 0 1
    15 Zum s.g. „gol­de­ne Zügel“: Kis­ker, Gun­ter, Koope­ra­ti­on im Bun­des­staat,
    1971, S. 36 ff.; Siek­mann, Hel­mut, Finanz­zu­wei­sun­gen
    des Bun­des an die Län­der auf unkla­rer Kom­pe­tenz­grund­la­ge, in:
    DÖV 2002 (15), S. 629, 629.
    16 Seckel­mann, Mar­grit, in: Ber­li­ner Kom­men­tar zum Grundgesetz,
  7. Erg.-Lfg. II/16 2015, Art. 91b GG, Rn. 3; Hen­ne­ke, Hans-Gün­ter,
    in: Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kom­men­tar zum Grundgesetz,
  8. Aufl. 2022, Art. 91b, Rn. 54.
    17 Suer­baum, Joachim/Ratka, Jac­que­line, Der neue Art. 91b Abs. 1
    GG – eine ers­te Zwi­schen­bi­lanz, in: RdjB 2017 (1), S. 11, 12; Kie­ne­mund,
    Andre­as, in: Wolff (Hrsg.), Grund­ge­setz für die Bun­des­re­pu­blik
    Deutsch­land, 13. Aufl. 2022, Art. 91a GG, Vorbem/Rn. 1;
    Haug, Vol­ker, Per­spek­ti­ven der gemein­sa­men Bund-Län­der-För­de­rung
    unter dem neu­en Art. 91b GG: Chan­cen und Streit­punk­te,
    OdW 2017 (4), S. 267, 267; Siek­mann, Hel­mut, in: Sachs (Hrsg.),
    Grund­ge­setz Kom­men­tar, 9. Aufl. 2021, Art. 91b, Rn. 5.
    18 Vgl. die pflich­ti­gen Gemein­schafts­auf­ga­ben des Art. 91a GG:
    Seckel­mann, Mar­grit, Kon­ver­genz und Ent­flech­tung im Wis­sen­schafts­fö­de­ra­lis­mus
    von 1998 bis 2009 — ins­be­son­de­re in den
    bei­den Etap­pen der Föde­ra­lis­mus­re­form, in: Seckelmann/Lange/
    Horst­mann (Hrsg.), Die Gemein­schafts­auf­ga­ben von Bund und
    Län­dern in der Wis­sen­schafts- und Bil­dungs­po­li­tik, 2010, S. 75.
    Vgl. Stern (Fn. 13), S. 835; Siek­mann (Fn. 17), Rn. 9.
    19 Heun, Wer­ner, in: Drei­er (Hrsg.), Grund­ge­setz-Kom­men­tar, 2018,
    Art. 91b, Rn. 8; Mager, Ute/Vasel, Jochen, in: Kämmerer/Kotzur
    (Hrsg.), Grund­ge­setz-Kom­men­tar (Band 2: Art. 70 bis 146), 7.
    Aufl. 2021, Art. 91b, Rn. 12.
    20 Wer­ner, Georg, Abbau von Misch­fi­nan­zie­run­gen, ZG 2002 (17),
    S. 14, 17; Volk­mann, Uwe/Kaufhold, Ann-Kat­rin, in: Huber/Voßkuhle
    (Hrsg.), Grund­ge­setz — Band 3, 7. Aufl. 2018, Art. 91b, Rn.
    29.
    21 Siek­mann (Fn. 17), Rn. 12.
    22 Heun (Fn. 19), Rn. 19; Mager/Vasel (Fn. 19), Rn. 33.
    23 BT-Drs. 18/2710, S. 6; Suerbaum/Ratka (Fn. 17), S. 11 ff. Die neu­en
    För­der­mög­lich­kei­ten wur­den erst­mals für die För­der­li­nie „Exzel­lenz­uni­ver­si­tä­ten“
    im Rah­men der Exzel­lenz­stra­te­gie genutzt.
    sene Mit­tel­aus­stat­tung. Der Las­ten­tra­gungs­grund­satz
    geht auf his­to­ri­sche Erfah­run­gen zurück. Ab Ende der
    1950er Jah­re orga­ni­sier­te sich der Bund mit der s.g.
    Fonds­wirt­schaft über Mit­fi­nan­zie­run­gen ver­fas­sungs­recht­lich
    frag­wür­di­ge Steue­rungs­kom­pe­ten­zen in Poli­tik­be­rei­chen,
    für die er kei­ne Zustän­dig­keit besaß.15 Die
    weit­ge­hen­de Ver­wal­tungs­zu­stän­dig­keit der Län­der im
    Bil­dungs­be­reich führt des­halb zu deren eben­so weit­ge­hen­den
    Finan­zie­rungs­pflich­ten sowie zum Ver­bot einer
    auf­ga­ben­dis­so­zi­ier­ten Mit­fi­nan­zie­rung des Bun­des. Das
    kaum beschränk­te Finan­zie­rungs­ver­bot für den Bund in
    der Bil­dung wird tech­nisch kor­rekt als „Koope­ra­ti­ons­ver­bot“
    bezeich­net. In der poli­ti­schen Debat­te wird der
    Begriff aller­dings unein­heit­lich oder gar nicht defi­niert.
    16 Offen ist des­halb auch, was mit dem begriff­li­chen
    Gegen­stück des „Koope­ra­ti­ons­ge­bots“ im poli­ti­schen
    Dis­kurs gemeint ist.
    Die in Abschnitt VIII.a. des Grund­ge­set­zes nor­mier­ten
    Gemein­schafts­auf­ga­ben stel­len Aus­nah­men zu bei­den
    o.g. kom­pe­tenz­recht­li­chen Prin­zi­pi­en dar. Zum einen
    eta­blie­ren sie eine ver­wal­tungs­mä­ßi­ge Mit­zu­stän­dig­keit
    des Bun­des in bestimm­ten Berei­chen, v.a. in der
    geset­zes­frei­en Ver­wal­tung. Als lex spe­cia­lis zu Art. 30 GG
    heben sie in die­sen Berei­chen die Allein­zu­stän­dig­keit
    der Län­der auf. Zum ande­ren ermög­li­chen oder bestim­men
    sie eine gemein­sa­me Auf­ga­ben­er­fül­lung von Bund
    und Län­dern und schaf­fen so eine Mischverwaltung.17
    Art. 91b Abs. 1 — 2 GG regeln Gemein­schafts­auf­ga­ben
    in Bil­dung und Wis­sen­schaft. Die Gemein­schafts­auf­ga­ben
    sind fakul­ta­tiv, d.h. Bund und Län­der kön­nen zusam­men­wir­ken,
    müs­sen es aber nicht.18 Die in bei­den
    Absät­zen jeweils ver­lang­ten Ver­ein­ba­run­gen sind in der
    poli­ti­schen Pra­xis Ver­wal­tungs­ver­ein­ba­run­gen, die die
    Regie­run­gen von Bund und Län­dern jeweils ohne zwin­gen­de
    Par­la­ments­be­tei­li­gung ver­han­deln und abschlie­ßen.
    Mit einer Ver­ein­ba­rung wird eine gemein­sa­me Ver­wal­tungs­zu­stän­dig­keit
    von Bund und den betei­lig­ten
    Län­dern für das För­der­ge­biet eta­bliert. Zwar kann das
    Gebiet sowohl in der ori­gi­nä­ren Zustän­dig­keit der Län­der
    als ursprüng­lich auch des Bun­des liegen.19 Mit Blick
    auf die tat­säch­li­che Zustän­dig­keits­ver­tei­lung ist die erst­ge­nann­te
    Kon­stel­la­ti­on in der Pra­xis aller­dings weit häu­fi­ger.
    In die­sem Fall erhält der Bund eine ver­wal­tungs­mä­ßi­ge
    Teil­zu­stän­dig­keit, die er vor­her nicht hat­te.
    Qua gemein­sa­mer Zustän­dig­keit wir­ken die Part­ner
    bei der För­der­maß­nah­me zusam­men, etwa hin­sicht­lich
    Pla­nung, Durch­füh­rung, Steue­rung und Wirk­sam­keits­mes­sung.
    20 Nicht umfasst ist aller­dings die Durch­füh­rung
    im Einzelfall.21 Nach dem Las­ten­tra­gungs­grund­satz
    müs­sen die Part­ner die gemein­sa­me Auf­ga­be auch
    gemein­sam finan­zie­ren. In aller Regel bedeu­tet das, dass
    der Bund eine Auf­ga­be mit­fi­nan­zie­ren kann und muss,
    die vor­her allein von den Län­dern zu finan­zie­ren war
    oder aber als sol­che noch gar nicht exis­tier­te. Wie die
    Kos­ten auf­ge­teilt wer­den, kön­nen die Part­ner nach
    Art. 91b Abs. 3 GG nach eige­nem Ermes­sen ver­ein­ba­ren.
    Mög­lich ist damit auch die über­wie­gen­de oder voll­stän­di­ge
    Kos­ten­über­nah­me durch den Bund. Mit der von
    den Exe­ku­ti­ven abge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­rung wer­den
    die Haus­halts­rech­te der betrof­fe­nen Par­la­men­te aller­dings
    nicht beschnit­ten. Sie müs­sen die vor­ge­se­he­nen
    Aus­ga­ben gemäß ihrer par­la­men­ta­ri­schen Rech­te im jewei­li­gen
    Haus­halts­ver­fah­ren bewilligen.22
    Art. 91b Abs. 1 GG regelt Gemein­schafts­auf­ga­ben in
    der Wis­sen­schaft. 2015 wur­de der Koope­ra­ti­ons­be­reich
    der Norm sub­stan­zi­ell erwei­tert: Zuvor waren im Hoch­schul­sek­tor
    nur befris­te­te Pro­jek­te för­der­fä­hig, seit­her
    kön­nen Hoch­schu­len auch insti­tu­tio­nell und damit dau­er­haft
    geför­dert werden.23 Seit­dem kön­nen Bund und
    Län­der den gesam­ten Bereich der Wis­sen­schaft gemein2
    0 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    24 Der außer­uni­ver­si­tä­re Bereich war bereits vor 2015 weit­ge­hend
    för­der­fä­hig. Zum Wis­sen­schafts­be­griff maß­geb­lich: BVerfGE 35,
    79 (113).
    25 Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn. 22; Seckel­mann (Fn. 16), Rn.
    19 f. A.A. Kie­ne­mund, Andre­as, in: Wolff (Hrsg.), Grund­ge­setz
    für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, 13. Aufl. 2022, Art. 91b
    GG, Rn. 6; Wolff, Johan­na, Der neue Arti­kel 91b GG — erwei­ter­te
    Koope­ra­ti­on im Wis­sen­schafts­fö­de­ra­lis­mus, DÖV 2015 (Heft 18),
    S. 771, 776.
    26 Löwer, Wolf­gang, Stel­lung­nah­me zur Öffent­li­chen Anhö­rung des
    Deut­schen Bun­des­tags zum The­ma „Ver­fas­sungs­recht­li­che Gren­zen
    und Per­spek­ti­ven einer bes­se­ren Zusam­men­ar­beit von Bund
    und Län­dern in Bil­dung und Wis­sen­schaft“, BT-Drs. 17(18)265g,
    S. 5; Seckel­mann (Fn. 16), Rn. 28; Spei­ser (Fn. 4), S. 128 ff. In der
    Lite­ra­tur ist aller­dings auch die Auf­fas­sung der Defi­nier­bar­keit
    ver­brei­tet, etwa: Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn. 24; Heun (Fn.
    19), Rn. 13. Vgl. die ähn­li­che Pro­ble­ma­tik des Begriffs „gesamt­staat­lich
    bedeut­sam“ des Art. 104c Satz 1 GG.
    27 Gemein­sa­me Wis­sen­schafts­kon­fe­renz (GWK), Gemein­sa­me För­de­rung
    des Bun­des und der Län­der auf der Grund­la­ge des Arti­kels
    91b GG (18.11.2021), https://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/
    Dokumente/Papers/GemFofoe-2020–2021_final.pdf (zuletzt
    abge­ru­fen am 4.2.2022). Zur Ent­wick­lung der Aus­ga­ben: Hint­ze,
    Patrick, Koope­ra­ti­ve Wis­sen­schafts­po­li­tik – Ver­hand­lun­gen und
    Ein­fluss in der Zusam­men­ar­beit von Bund und Län­dern, 2020,
    S. 323 ff.
    28 Aus­führ­lich dazu: Guckel­ber­ger, Annet­te, Bil­dungs­eva­lua­ti­on als
    neue Gemein­schafts­auf­ga­be gemäß Art. 91b Abs. 2 GG. RdJB
    2008 (3), S. 267, 267 ff. Vgl. Heun (Fn. 19), Rn. 16; BT-Drs. 16/813,
    S. 10.
    29 Mager/Vasel (Fn. 19), Rn. 29; Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn.
    1; Heun (Fn. 19), Rn. 16. Vgl. die weni­gen Zustän­dig­kei­ten des
    Bun­des in der Bil­dung, v.a. Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt 1 GG (Aus­bil­dungs­bei­hil­fen)
    und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11/12 GG (beruf­li­che
    Bil­dung).
    30 Siek­mann (Fn. 17), Rn. 23a; Seckel­mann (Fn. 16), Rn. 45; Heun
    (Fn. 19), Rn. 16; Hen­ne­ke (Fn. 16), Rn. 48;
    31 Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn. 34 f.
    32 Bun­des­re­gie­rung, Bekannt­ma­chung des Ver­wal­tungs­ab­kom­mens
    über das Zusam­men­wir­ken von Bund und Län­dern gemäß
    Arti­kel 91b Abs. 2 des Grund­ge­set­zes. BAnz Nr. 106 (13.6.2007),
    S. 5861 ff. Vgl. Siek­mann (Fn. 17), Rn. 32.
    sam fördern.24 Umfasst sind alle För­der­for­ma­te, För­der­emp­fän­ger
    und För­der­ge­gen­stän­de. Auch der all­ge­mei­ne
    Hoch­schul­bau ist aus hie­si­ger Sicht förderfähig.25 Die
    von der Norm ver­lang­te „über­re­gio­na­le Bedeu­tung“ einer
    För­der­maß­nah­me lässt sich kaum plau­si­bel defi­nie­ren
    und bleibt als Kri­te­ri­um wirkungslos.26
    Obwohl als ver­fas­sungs­recht­li­che Aus­nah­me ange­legt,
    hat Art. 91b Abs. 1 GG eine erheb­li­che för­der­prak­ti­sche
    und sys­tem­prä­gen­de Bedeu­tung erlangt. Auf die
    Norm stüt­zen sich die zen­tra­len wis­sen­schafts­po­li­ti­schen
    För­der­maß­nah­men der ver­gan­ge­nen bei­den Deka­den.
    Dazu zählt der Zukunfts­ver­trag bzw. zuvor der
    Hoch­schul­pakt, die Exzel­lenz­stra­te­gie bzw. zuvor die Exzel­lenz­in­itia­ti­ve,
    der Pakt für For­schung und Inno­va­ti­on
    sowie zahl­rei­che wei­te­re Ein­zel­maß­nah­men. Im Jahr
    2021 wen­de­ten Bund und Län­der ca. 16,5 Mrd. Euro auf
    Grund­la­ge des Art. 91b Abs. 1 GG auf.27 Art. 91b Abs. 1 GG
    gilt über­dies als para­dig­ma­ti­sche und erfolg­rei­che Form
    des koope­ra­ti­ven Föde­ra­lis­mus.
    In Art. 91b Abs. 2 GG wer­den Gemein­schafts­auf­ga­ben
    in der Bil­dung nor­miert. Die seit 2006 unver­än­der­te
    Rege­lung erlaubt das Zusam­men­wir­ken von Bund
    und Län­dern zur Fest­stel­lung der inter­na­tio­na­len Leis­tungs­fä­hig­keit
    des Bil­dungs­we­sens sowie bei ent­spre­chen­den
    Berich­ten und Emp­feh­lun­gen. Auf Grund­la­ge
    der Norm kön­nen bil­dungs­sys­tem­re­le­van­te Daten und
    Infor­ma­tio­nen erho­ben, ana­ly­siert und in eine inter­na­tio­nal
    ver­glei­chen­de Per­spek­ti­ve gesetzt werden.28 Der
    Koope­ra­ti­ons­be­reich wur­de gegen­über der aus dem Jahr
    1970 stam­men­den Vor­gän­ger­fas­sung, die noch auf den
    wei­te­ren Begriff der Bil­dungs­pla­nung abhob29, absichts­voll
    eng geschnit­ten. Nicht umfasst sind jeg­li­che Umset­zungs­maß­nah­men,
    die in den Emp­feh­lun­gen ent­hal­ten
    sind oder sich dar­aus ablei­ten lassen.30 Sol­che Maß­nah­men
    kom­men qua ori­gi­nä­rer Zustän­dig­keit wei­ter­hin
    über­wie­gend den Län­dern zu. Durch die Emp­feh­lun­gen
    aus­ge­lös­te, indi­rek­te Steue­rungs­ef­fek­te blei­ben davon
    gleich­wohl unberührt.31 Auf die Norm stützt sich ein
    2007 geschlos­se­nes Verwaltungsabkommen32, auf des­sen
    Grund­la­ge Bil­dungs­ver­gleichs­stu­di­en wie PISA,
    TIMSS und IGLU durch­ge­führt wer­den.
    Wäh­rend der För­der­be­reich des Art. 91b Abs. 1 GG
    also das gesam­te Feld der Wis­sen­schaft umfasst, blei­ben
    die Mög­lich­kei­ten der gemein­sa­men Bil­dungs­för­de­rung
    äußerst schmal. Auf Grund­la­ge von Art. 91b Abs. 2 GG
    kann der Bund nicht sub­stan­zi­ell im Bil­dungs­be­reich
    mit­wir­ken und mit­fi­nan­zie­ren. Gestat­tet ist nur die Dia­gno­se,
    nicht die The­ra­pie von Defi­zi­ten. Um das „Koope­ra­ti­ons­ge­bot“
    umzu­set­zen, rücken des­halb eine gegen­ständ­li­che
    Erwei­te­rung von Art. 91b Abs. 2 GG oder
    eine Fusi­on mit Art. 91b Abs. 1 GG in den Blick.
  9. Neu­fas­sung von Art. 91b GG
    Der Koope­ra­ti­ons­be­reich des Art. 91b Abs. 2 GG kann in
    ver­schie­de­nen Gra­den erwei­tert wer­den. Denk­bar ist
    eine maxi­mal wei­te Fas­sung, etwa mit der For­mu­lie­rung
    Spei­ser · Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung in Art. 91b GG 2 0 3
    „Bund und Län­der kön­nen auf Grund von Ver­ein­ba­run­gen
    bei der Bil­dungs­för­de­rung zusammenwirken“.33
    Alter­na­tiv mög­lich ist die Strei­chung des
    Art. 91b Abs. 2 GG und die Ein­fü­gung des Begriffs „Bil­dung“
    in die Auf­zäh­lung der För­der­be­rei­che des
    Art. 91b Abs. 1 Satz 1 GG. Wür­de zugleich die tau­to­lo­gi­sche
    Tri­as „Wis­sen­schaft, For­schung und Leh­re“ des Satz
    1 auf ein schlich­tes, aber aus­rei­chen­des „Wis­sen­schaft“
    redu­ziert sowie das wir­kungs­lo­se Kri­te­ri­um der „über­re­gio­na­len
    Bedeu­tung“ gestri­chen, ergä­be sich die For­mu­lie­rung:
    „Bund und Län­der kön­nen auf Grund von Ver­ein­ba­run­gen
    bei der För­de­rung von Bil­dung und Wis­sen­schaft
    zusam­men­wir­ken.“ Auch eine text­lich
    noch­mals ent­schlack­te Vari­an­te wäre mög­lich: „Bund
    und Län­der kön­nen auf Grund von Ver­ein­ba­run­gen Bil­dung
    und Wis­sen­schaft gemein­sam för­dern.“
    Mit der Neu­fas­sung wird das föde­ra­le Zusam­men­wir­ken
    im gesam­ten Bildungsbereich34 mög­lich, soweit
    die sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen des Art. 91b GG erfüllt
    sind. Gegen­stand, For­mat, Emp­fän­ger, Dau­er und
    Volu­men von För­der­maß­nah­men kön­nen frei ver­han­delt
    wer­den. Auch die Umset­zungs­mo­da­li­tä­ten – etwa
    hin­sicht­lich von Gre­mi­en, Ver­fah­rens­we­gen und
    Aus­schüt­tungs­me­cha­nis­men – sind ad libi­dum regel­bar.
    Nach dem unver­än­dert gül­ti­gen Art. 91 Abs. 3 GG
    kön­nen die Part­ner auch die Kos­ten­auf­tei­lung frei
    ver­han­deln und müs­sen die­se in der Ver­ein­ba­rung
    nie­der­le­gen. Mög­lich wäre etwa die­se fik­ti­ve
    För­der­maß­nah­me: Bund und Län­der ver­ein­ba­ren,
    dau­er­haft bei der För­de­rung von zusätz­li­chen, fest
    ange­stell­ten Leh­re­rin­nen in MINT-Fächern an
    Regel­schu­len zusam­men­zu­wir­ken. Um eine För­de­rung
    zu erhal­ten, müs­sen die Schu­len ein päd­ago­gi­sches
    MINT-Kon­zept ein­rei­chen und sich in einem
    wett­be­werb­li­chen Ver­fah­ren durch­set­zen. Das
    Pro­gramm wird vom Wis­sen­schafts­rat admi­nis­triert
    und zu 90 Pro­zent vom Bund finan­ziert.
    Unter­halb der skiz­zier­ten, text­li­chen Maxi­mal­va­ri­an­te
    lässt sich der Koope­ra­ti­ons­be­reich des
    Art. 91b Abs. 2 GG in unter­schied­li­cher Wei­se enger fas­sen.
    Denk­bar ist bei­spiel­wei­se die Vari­an­te „Bund und
    Län­der kön­nen auf Grund von Ver­ein­ba­run­gen bei der
    För­de­rung von Bil­dungs­in­fra­struk­tur zusam­men­wir­ken.“
    Die For­mu­lie­rung lehnt sich an Art. 104c GG an,
    ohne aber u.a. die dor­ti­ge Beschrän­kung auf kom­mu­na­le
    Infra­struk­tur zu übernehmen.35 Damit sind u.a. Gemein­schafts­auf­ga­ben
    mög­lich, mit denen die bau­li­che
    und digi­ta­le Infra­struk­tur geför­dert wird. För­de­run­gen
    jen­seits der Infra­struk­tur sind nicht mög­lich, etwa die
    dau­er­haf­te För­de­rung von Per­so­nal­stel­len. Ansons­ten
    kön­nen Bund und betei­lig­te Län­der aber auch bei die­ser
    Vari­an­te die Moda­li­tä­ten des Zusam­men­wir­kens frei
    ver­ein­ba­ren.
    Bei­de Vari­an­ten nor­mie­ren wie bis­her fakul­ta­ti­ve Gemein­schafts­auf­ga­ben.
    Sie ermög­li­chen die Zusam­men­ar­beit
    von Bund und Län­dern, erzwin­gen sie aber nicht.
    Not­wen­dig blei­ben der Abschluss einer Ver­ein­ba­rung
    und damit die poli­ti­sche Ver­stän­di­gung von Bund und
    Län­dern. Allein die im Hin­blick auf den Sach­be­reich
    neue ver­fas­sungs­recht­li­che Mög­lich­keit des Zusam­men­wir­kens
    bedeu­tet aller­dings eine kom­pe­ten­zi­el­le Ver­schie­bung
    – zumal die­se aus noch zu dis­ku­tie­ren­den
    Grün­den in der poli­ti­schen Pra­xis inten­siv genutzt wer­den
    dürf­te. Die Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten des Bun­des
    deh­nen sich damit auf eine Län­der­do­maine aus. A for­tio­ri
    gilt dies, wenn die fakul­ta­ti­ve zugleich in eine pflich­ti­ge
    Gemein­schafts­auf­ga­be umge­wan­delt wird. Ana­log
    zu Art. 91a GG lässt sich dies durch den Ver­zicht auf das
    Modal­verb „kön­nen“ errei­chen. Ein Koope­ra­ti­ons­zwang
    dürf­te aber aus Bun­des­sicht wenig attrak­tiv sein, weil damit
    der mit der Kann-Norm ver­bun­de­ne, poli­tisch attrak­ti­ve
    Hand­lungs­spiel­raum ver­lo­ren geht.36 Zugleich
    wären erheb­li­che Wider­stän­de von Län­der­sei­te zu erwar­ten.
    Es ist des­halb wahr­schein­lich, dass der Begriff
    33 Die Idee einer „Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung“ ist im poli­ti­schen
    Dis­kurs der ver­gan­ge­nen Jah­re immer wie­der auf­ge­taucht,
    aller­dings fast immer ohne Kon­kre­ti­on: FDP: BT-Drs. 19/31173,
    S. 2; BT-Drs. 19/15767, S. 3; FDP/Grüne: BT-Drs. 19/4556, S. 2;
    Stark-Watz­in­ger (Fn. 4); Grü­ne: BT-Drs. 17/1984, S. 2; SPD: BTDrs.
    17/5911, S. 2; Lin­ke: BT-Drs. 18/3162, S. 1; BT-Drs. 18/6875, S.
    2; BT-Drs. 18/588, S. 3. Vgl. die vage in die­se Rich­tung deu­ten­den
    Posi­tio­nie­run­gen von Län­der­sei­te: BR-Drs. 621/17, S. 2; BT-Drs.
    18/2710, S. 8; Vgl. über­dies Über­le­gun­gen in der Lite­ra­tur: Seckel­mann,
    Mar­grit, Stel­lung­nah­me in der Öffent­li­chen Anhö­rung
    zum Gesetz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung „Ent­wurf eines Geset­zes
    zur Ände­rung des Grund­ge­set­zes (Arti­kel 91b)“, BT-Drs.
    18(18)48d, 2014, S. 6; Wie­land, Joa­chim, Von der Ver­hin­de­rungs­ver­fas­sung
    zur Ermög­li­chungs­ver­fas­sung, ZG 2012 (3), S. 266,
    273 ff.; GEW, Stel­lung­nah­me in der Öffent­li­chen Anhö­rung zum
    Gesetz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung „Ent­wurf eines Geset­zes zur
    Ände­rung des Grund­ge­set­zes (Arti­kel 91b)“, BT-Drs. 18(18)48g,
    2014, S. 3 f.; Deut­scher Städ­te­tag, Münch­ner Erklä­rung des
    Deut­schen Städ­te­tags „Bil­dung gemein­sam ver­ant­wor­ten“ (8. 11
    2012), http://www.miz.org/dokumente/2012_muenchner_erklaerung_
    staedtetag.pdf (zuletzt abge­ru­fen am 30.1.2022), S. 3 f. Vgl.
    die kur­ze Dis­kus­si­on in: Fun­ke, Aria­ne, Hoch­schul- und Wis­sen­schafts­fi­nan­zie­rung
    als bun­des­staat­li­che Pro­ble­me, 2022, S. 397 f.
    34 Zum Umfang des Begriffs: Mager/Vasel (Fn. 19), Rn. 28; Siek­mann
    (Fn. 17), Rn. 23.
    35 Vgl. zu Finanz­hil­fen: III. 2. a). Zum Begriff der Infra­struk­tur:
    Siek­mann, Hel­mut, in: Sachs (Hrsg.), Grund­ge­setz Kommentar,
  10. Aufl. 2021, Art. 104c, Rn. 10/12.
    36 Der Bund, so Haug mit Blick auf Art. 91b Abs. 1 GG, möch­te „ver­mei­den,
    in das graue All­tags­ge­schäft der all­ge­mei­nen […] Hoch­schul­fi­nan­zie­rung
    der Län­der hin­ein­ge­zo­gen zu wer­den“. Daher
    zie­le er dar­auf, sei­ne Res­sour­cen auf „´Leuchtturm´-Förderungen
    [zu] kon­zen­trie­ren“: Haug (Fn. 17), S. 271.
    2 0 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    des „Koope­ra­ti­ons­ge­bots“ nicht im recht­li­chen Sinn als
    bin­den­de Anord­nung, son­dern im poli­ti­schen Sinn als
    Emp­feh­lung (die eben der recht­li­chen Ermög­li­chung bedarf)
    ver­stan­den wird.
    Zeit­his­to­risch betrach­tet setz­te sich mit einer Erwei­te­rung
    des Koope­ra­ti­ons­be­reichs in der Bil­dung eine
    Gegen­be­we­gung zur Föde­ra­lis­mus­re­form von 2006 fort.
    Mit der Reform soll­ten die dama­li­gen Kom­pe­ten­zen von
    Bund und Län­dern ent­floch­ten, das Trenn­prin­zip gestärkt
    und die Eigen­stän­dig­keit der Län­der geför­dert
    werden.37 Seit­dem hat es eine Serie von rück­ab­wi­ckeln­den
    Grund­ge­setz­än­de­run­gen gege­ben, die den Ver­flech­tungs­grad
    wie­der erhöht und dem Bund mehr Gestal­tungs-
    und/oder Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten im Wis­sen­schafts-
    und Bil­dungs­be­reich eröff­net haben.38 Eine
    Erwei­te­rung des Art. 91b Abs. 2 GG wür­de in der Bil­dung
    jene Ent­wick­lung spie­geln, die in der Wis­sen­schaft
    mit der Novel­le des Art. 91b Abs. 1 GG im Jahr 2015 bereits
    voll­zo­gen wurde.39
    III. Dis­kus­si­on
  11. Grund­sätz­li­che Über­le­gun­gen
    Die Vor­stel­lung, mit einer Ände­rung der kom­pe­tenz­recht­li­chen
    Rege­lun­gen und einer stär­ke­ren Rol­le des
    Bun­des zen­tra­le Defi­zi­te des Bil­dungs­sys­tems zu behe­ben
    oder sub­stan­zi­ell zu mil­dern, ist weit ver­brei­tet. Die
    zugrun­de­lie­gen­de The­se ist ein kon­tra­fak­ti­scher Ver­gleich:
    Hät­te der Bund eine stär­ke­re Stel­lung, wäre das
    Poli­ti­k­ergeb­nis gegen­über der weit­ge­hen­den Län­der­zu­stän­dig­keit
    bes­ser. In ana­lo­ger Wei­se wird vor­ge­bracht,
    die Erfül­lung der von Bund und Län­dern gemein­sam
    ver­ant­wor­te­ten Auf­ga­ben sei pro­ble­ma­tisch und auch
    hier müss­ten die Gewich­te stär­ker zum Bund ver­scho­ben
    werden.40
    Weil sie den Vor­zug der empi­ri­schen Exis­tenz haben,
    wird bei die­sem Ver­gleich regel­mä­ßig nur das poli­ti­sche
    Han­deln der Län­der und der Sta­tus Quo des Bil­dungs­sys­tems
    betrach­tet. Die Zustän­dig­keit der Län­der, so das
    Argu­ment, füh­re zu mehr oder weni­ger unein­heit­li­chen,
    unüber­sicht­li­chen, inef­fi­zi­en­ten und inef­fek­ti­ven Lösun­gen.
    Der Befund wird auf ver­schie­de­ne bil­dungs­po­li­ti­sche
    Teil­be­rei­che bezo­gen, etwa Schul­ab­schlüs­se, Lehr­plä­ne,
    Leh­rer­bil­dung, G8/G9, Feri­en­re­ge­lun­gen oder die
    bau­li­che und digi­ta­le Schulinfrastruktur.41 Von die­ser
    Defi­zit­ana­ly­se wird auf die Not­wen­dig­keit eines stär­ke­ren
    Bun­des­en­ga­ge­ments geschlos­sen. Die Über­le­gen­heit
    von „Bun­des­lö­sun­gen“ hat in Tei­len der media­len und
    poli­ti­schen Debat­te gera­de­zu axio­ma­ti­schen Sta­tus erlangt.
    Para­dig­ma­tisch fin­det sich das Argu­ment in einem
    Namens­bei­trag von FDP-Par­tei­chef Lind­ner aus dem
    Jahr 2020. Die län­der­ver­ant­wor­te­te Schul­po­li­tik, so
    Lind­ner, erbrin­ge ins­ge­samt deso­la­te Ergeb­nis­se. Nötig
    sei des­halb eine „natio­na­le Koor­di­na­ti­on für die Gestal­tung,
    Eva­lua­ti­on und Wei­ter­ent­wick­lung von Schu­len“
    sowie ein „Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dungs­in­no­va­ti­on
    & Schulqualität“42.
    Neue Nah­rung hat die­ses Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter
    durch die Coro­na-Kri­se erhal­ten. Die föde­ral ver­teil­te
    Bil­dungs­zu­stän­dig­keit hat sich danach als schlecht gerüs­tet
    erwie­sen, der Pan­de­mie zu begeg­nen. In unge­ahn­ter
    Klar­heit habe die Coro­na-Kri­se über­dies die struk­tu­rel­le
    Man­gel­haf­tig­keit des Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus frei­ge­legt,
    die sich auch in wei­te­ren Defi­zi­ten zeige.43 Der Föde­ra­lis­mus
    – so lie­ße sich der Gedan­ke zuspit­zen – ist
    nicht mehr die rich­ti­ge Ant­wort auf die vie­len bil­dungs­po­li­ti­schen
    Auf­ga­ben der heu­ti­gen Zeit.44
    Mit einem erwei­ter­ten Art. 91b GG lie­ße sich nun
    eine stär­ke­re Betei­li­gung des Bun­des in der Bil­dung und
    damit die zwei­te Sei­te des Ver­gleichs rea­li­sie­ren. Zu die­sem
    Ver­gleich sind zwei grund­sätz­li­che Bemer­kun­gen
    zu machen. Ers­tens ist es unplau­si­bel, dass eine stär­ker
    bun­des­ge­präg­te Lösung bei allen Bil­dungs­auf­ga­ben
    über­le­gen ist. Zum einen sind eini­ge der monier­ten De-
    37 „Ent­flech­tungs­eu­pho­rie“: Seckel­mann, Mar­grit, Die Gemein­schafts­auf­ga­ben
    von Bund und Län­dern in der Wis­sen­schafts­und
    Bil­dungs­po­li­tik — zur Ein­lei­tung, in: Seckelmann/Lange/
    Horst­mann (Hrsg.), Die Gemein­schafts­auf­ga­ben von Bund und
    Län­dern in der Wis­sen­schafts- und Bil­dungs­po­li­tik, 2010, S. 18.
    Vgl. Mey­er, Hans, Die Föde­ra­lis­mus­re­form 2006, 2008, S. 239 ff.
    38 Sie­he zur Ver­än­de­rung von Art. 104b‑c GG III. 2. a).
    39 Ana­lo­ges trifft auf den Ver­lauf der ver­fas­sungs­po­li­ti­schen Debat­te
    zu. Sei­ner­zeit stand der als zu eng auf­ge­fass­te Koope­ra­ti­ons­be­reich
    des Art. 91b Abs. 1 GG in der Kri­tik, die schließ­lich zur
    Grund­ge­setz­än­de­rung von 2015 führ­te.
    40 Refe­rie­rend: Wiar­da, Jan-Mar­tin, Der Traum von einem neu­en
    Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus, https://www.jmwiarda.de/2021/11/23/
    der-traum-von-einem-neuen-bildungsf%C3%B6deralismus/
    (24.11.2021) (zuletzt abge­ru­fen am 19.1.2022).
    41 Bei­spiel­haft: Lind­ner (Fn. 4), S. 8. Vgl. die Pro­blem­be­schrei­bun­gen
    ver­schie­de­ner Autoren im Band Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus in der
    Kri­tik, ifo-Schnell­dienst 2019 (Nr. 72).
    42 Lind­ner (Fn. 4), S. 8. Ähn­lich Stark-Watz­in­ger (Fn. 4).
    43 „Brenn­glas“: Stark-Watz­in­ger in Wiar­da (Fn. 3). Vgl. bei­spiel­haft
    die abge­wo­ge­ne Ana­ly­se: Illan, Luis, Bil­dungs­fö­de­ra­lis­mus in
    Zei­ten der Coro­na-Kri­se. GWP 2020 (3), 273, pas­sim.
    44 Dar­über hin­aus exis­tie­ren grund­sätz­li­che Zwei­fel, ob der Föde­ra­lis­mus
    in sei­ner jet­zi­gen Aus­prä­gung die bes­te aller mög­li­chen
    Staats­or­ga­ni­sa­tio­nen ist. Moniert wer­den u.a. die regu­la­to­ri­sche
    Zer­split­te­rung, die Behä­big­keit und wenig kri­sen­taug­li­che Kom­ple­xi­tät
    der föde­ra­len Ver­fah­ren, die inkon­sis­ten­te Umset­zung
    ver­ab­re­de­ter Maß­nah­men und die Kos­ten von Mehr­fach­struk­tu­ren.
    Spei­ser · Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung in Art. 91b GG 2 0 5
    fizi­te erkenn­bar gar nicht oder teil­wei­se nicht auf die
    weit­ge­hen­de Poli­tik­ge­stal­tung durch die Län­der und die
    kor­re­spon­die­ren­de unter­di­men­sio­nier­te Rol­le des Bun­des
    zurück­zu­füh­ren. Ein­schlä­gig kön­nen ande­re Fak­to­ren
    sein, etwa der poli­tik­prak­ti­sche Umgang mit den föde­ra­len
    Struk­tu­ren (statt der Struk­tu­ren selbst), poli­tisch
    moti­vier­te Blo­cka­den oder Umset­zungs­pro­ble­me auf regio­na­ler
    bzw. loka­ler Ebe­ne. Die Vor­stel­lung des „Mehr
    Bund ist immer bes­ser“ kann aus die­sem Grund nicht
    über­zeu­gen.
    Zwei­tens ist Art. 91b GG kein All­zweck­werk­zeug, um
    bei jeder Bil­dungs­auf­ga­be eine stär­ke­re Rol­le des Bun­des
    zu orga­ni­sie­ren. Die Norm regelt das Zusam­men­wir­ken
    in der geset­zes­frei­en Ver­wal­tung, wozu die gemein­sa­me,
    also bun­des­mit­ge­tra­ge­ne Finan­zie­rung von För­der­maß­nah­men
    gehört. Alle sons­ti­gen, weit­ge­hend den Län­dern
    zukom­men­den Zustän­dig­kei­ten in der Bil­dung blei­ben
    unberührt.45 Das gilt etwa für die Schul­ge­setz­ge­bung,
    die schul­be­zo­ge­ne Haus­halts­ge­setz­ge­bung und zahl­rei­che
    unter­ge­setz­li­che Zustän­dig­kei­ten. Auch die hori­zon­ta­le
    Abstim­mung und gemein­sa­me Stra­te­gie­bil­dung, die
    sich auf die benann­ten Mate­ri­en bezieht, bleibt unge­schmä­lert
    Län­der­sa­che. Eine Rei­he der pro­ble­ma­ti­sier­ten
    Bil­dungs­auf­ga­ben fällt aber voll­stän­dig oder haupt­säch­lich
    in die­se Kate­go­rie. Vis-a-vis die­ser Auf­ga­ben
    blie­be ein novel­lier­ter Art. 91b GG wir­kungs­los oder jeden­falls
    wir­kungs­arm. Wür­den für die­se Auf­ga­ben stär­ker
    bun­des­ge­präg­te Arran­ge­ments ange­strebt, wären ande­re
    Rege­lun­gen anzu­pas­sen, etwa Gesetz­ge­bungs­kom­pe­ten­zen.
    Ein erwei­ter­ter Art. 91b GG ist damit von
    vorn­her­ein nur für eine Teil­men­ge jener Bil­dungs­de­fi­zi­te
    rele­vant, für deren Behe­bung eine grö­ße­re Rol­le des
    Bun­des als sinn­voll erach­tet wird.
    Nur in die­sen ein­schlä­gi­gen Fäl­len lohnt sich der genaue
    Ver­gleich der gemein­sa­men Auf­ga­ben­wahr­neh­mung
    mit der heu­ti­gen Kon­stel­la­ti­on. Die erfor­der­li­che
    auf­ga­ben­schar­fe Betrach­tung kann hier zwar nicht in
    Gän­ze geleis­tet wer­den. Dar­ge­stellt wer­den kön­nen aber
    die typi­schen posi­ti­ven und nega­ti­ven Wir­kun­gen von
    Gemein­schafts­auf­ga­ben, die sich bei spe­zi­fi­schen Bil­dungs­auf­ga­ben
    jeweils unter­schied­lich ausprägen.
  12. Bes­se­re Bil­dungs­po­li­tik?
    a) Kon­zep­ti­on einer Gemein­schafts­auf­ga­be
    Um eine gemein­sa­me Auf­ga­ben­zu­stän­dig­keit auf
    Grund­la­ge von Art. 91b GG zu schaf­fen, bedarf es der
    Eini­gung von Bund und Län­dern. Die Viel­zahl und
    unter­schied­li­chen Inter­es­sen­la­gen der betei­lig­ten
    Akteu­re kön­nen die Ver­hand­lun­gen lang­wie­rig und
    kom­pli­ziert gestalten.46 Dies gilt ins­be­son­de­re dann,
    wenn die Gemein­schafts­auf­ga­be fakul­ta­tiv und der
    Eini­gungs­druck des­halb gerin­ger ist. Zur Kom­ple­xi­tät
    der Ver­hand­lun­gen trägt über­dies bei, dass eine
    gemein­sa­me Ver­wal­tungs­zu­stän­dig­keit eta­bliert wird
    und des­halb viel­fäl­ti­ge Durch­füh­rungs­de­tails der För­der­maß­nah­me
    zu regeln sind. Dazu zäh­len Zweck­be­stim­mung
    der Mit­tel, Emp­fän­ger, Allo­ka­ti­ons­me­cha­nis­men
    und Ein­zel­hei­ten der Mit­tel­ver­wen­dung. Auch
    von den Emp­fän­gern zu leis­ten­de Berichts­pflich­ten
    und vor­ge­se­he­ne Eva­lua­tio­nen wer­den i.d.R. fest­ge­legt.
    Zwar sind Bund und Län­der gleich­be­rech­tig­te Ver­hand­lungs­part­ner.
    Gleich­wohl fällt der Ein­fluss des Bun­des
    auf die Kon­zep­ti­on der Gemein­schafts­auf­ga­be regel­mä­ßig
    des­to stär­ker aus, je höher sein Anteil an der Gesamt­fi­nan­zie­rung
    ist. Die „Asym­me­tri­sie­rung der
    Machtverhältnisse“47 birgt das Risi­ko, dass sich Ungleich­hei­ten
    zwi­schen den Län­dern ver­schär­fen und somit
    die Kohä­si­on des Bun­des­staats nicht nur nicht gestärkt,
    son­dern geschwächt wird. Zwar ist dem Bund
    eine sach­lich nicht gerecht­fer­tig­te Ungleich­be­hand­lung
    der Län­der ver­fas­sungs­recht­lich untersagt.48 Mög­lich
    sind aber Ver­ein­ba­run­gen, die aus sach­li­chen Grün­den
    nur mit aus­ge­wähl­ten Län­dern abschlos­sen wer­den,
    etwa weil nur die­se von der För­der­maß­nah­me betrof­fen
    sind. Über­dies kann ein vom Bund allen Län­dern
    vor­ge­leg­tes Ange­bot so aus­fal­len, dass es nicht für alle
    attrak­tiv ist. Eine poten­zi­el­le Bruch­li­nie ver­läuft
    zwi­schen den abseh­bar stark pro­fi­tie­ren­den und den
    weni­ger oder gar nicht pro­fi­tie­ren­den Län­dern. Eine
    ande­re Bruch­li­nie ver­läuft zwi­schen den Län­dern, die
    45 Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn. 12.
    46 Umfas­sen­de Ana­ly­se des Ein­flus­ses der betei­lig­ten Akteu­re in der
    koope­ra­ti­ven Wis­sen­schafts­po­li­tik: Hint­ze (Fn. 27), S. 13 ff.
    47 Seckel­mann (Fn. 18), S. 69. Vgl. Hint­ze (Fn. 27), S. 322/357 ff.; Kis­ker
    (Fn. 15), S. 289; Pas­ter­nack, Peer, Die föde­ra­le Kom­pe­tenz­ord­nung
    im deut­schen Hoch­schul­we­sen: Ent­wick­lung und Sta­tus, in:
    Pas­ter­nack (Hrsg.), Hoch­schu­len nach der Föde­ra­lis­mus­re­form,
    2011, S. 21, 33.
    48 Eine Kon­se­quenz aus dem Gebot zu län­der­freund­li­chem Ver­hal­ten:
    BVerfGE 1, 299 (315); 72, 330 (404). Vgl. die ana­lo­ge Anfor­de­rung
    bei Finanz­hil­fen: BVerfGE 12, 205 (255ff.); 41, 291 (300ff.).
    2 0 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    die mit der Gemein­schafts­auf­ga­be ein­her­ge­hen­den Ko-
    Finan­zie­rungs­pflich­ten schul­tern kön­nen, und jenen,
    die es nicht kön­nen. Um der­ar­ti­ge Spalt­ef­fek­te zu
    ver­mei­den, lie­gen län­der­sei­ti­ge Veto-Rech­te wie in
    Art. 91b Abs. 1 Satz 2 GG nahe. Dann aller­dings wird die
    Zustim­mung eines Lan­des zum han­del­ba­ren Gut.49 Dies
    macht Ver­hand­lungs­er­geb­nis­se wahr­schein­li­cher, die
    für alle Län­der hin­rei­chend vor­teil­haft sind. Bei­spiels­wei­se
    kann die Mit­tel­al­lo­ka­ti­on so kon­zi­piert wer­den,
    dass alle Län­der auf die ein oder ande­re Wei­se pro­fi­tie­ren.
    Eben­so kön­nen län­der­sei­ti­ge Ko-Finan­zie­rungs­pflich­ten
    „weich“ for­mu­liert wer­den, um die Anrech­nung
    bereits bestehen­der Finan­zie­rungs­flüs­se zu ermög­li­chen.
    50 Ein ver­wand­tes Risi­ko sind Lösun­gen, die ande­re
    Gegen­stän­de berück­sich­ti­gen als jene, um die es in
    der Gemein­schafts­auf­ga­be geht. Dass Ver­fas­sungs­re­geln,
    die zu Groß­lö­sun­gen, Aus­gleichs­zah­lun­gen und Kop­pel­ge­schäf­ten
    ein­la­den, zur Ziel­ge­nau­ig­keit und Wirt­schaft­lich­keit
    der Mit­tel­ver­wen­dung bei­tra­gen, ist immer wie­der
    bezwei­felt worden.51
    Die geschil­der­ten Kom­ple­xi­tä­ten sind eng mit dem
    Instru­ment der Gemein­schafts­auf­ga­ben ver­knüpft.
    Struk­tu­rell ver­mei­den las­sen sich, indem die inhalt­li­che
    Steue­rungs­mög­lich­keit des Bun­des redu­ziert wird. Strebt
    man dies an (oder nimmt es jeden­falls in Kauf) und
    möch­te zugleich eine finan­zi­el­le Betei­li­gung des Bun­des
    an Bil­dungs­auf­ga­ben orga­ni­sie­ren, bie­ten sich Finanz­hil­fen
    an. Unter restrik­ti­ven Bedin­gun­gen (v.a. der Befris­tung
    und Über­prü­fungs­pflich­tig­keit der Mit­tel) ermög­li­chen
    Art. 104b GG und ins­be­son­de­re Art. 104c GG
    Finanz­hil­fen des Bun­des an die Län­der im Bil­dungs­be­reich.
    Art. 104c GG wur­de 2017 ins Grund­ge­setz ein­ge­fügt.
    Bereits 2019 wur­de die Norm ver­än­dert, indem der
    Emp­fän­ger­kreis erwei­tert und die finan­zier­ba­ren Aus­ga­be­ar­ten
    erwei­tert wurden.52 Auch die Ein­fluss- und Kon­troll­mög­lich­kei­ten
    des Bun­des sind mit einer Ver­än­de­rung
    des Art. 104b Abs. 2 GG in den Jah­ren 2017/2019
    und der Ein­fü­gung von Art. 104c Satz 3 GG im Jahr 2019
    erwei­tert bzw. dif­fe­ren­ziert wor­den. Eben­falls 2017 wur­den
    die Prüf­kom­pe­ten­zen des Bun­des­rech­nungs­hofs in
    Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG ausgeweitet.53 Die letzt­ge­nann­ten
    Ver­än­de­run­gen waren inter­es­san­ter­wei­se Fol­ge der
    auf Bun­des­sei­te weit ver­brei­te­ten Kri­tik, man kön­ne auf
    die Ver­wen­dung der Finanz­hil­fe­mit­tel zu wenig Ein­fluss
    neh­men. Mit dem Anwach­sen der Finanz­hil­fen wur­de
    die­se Kri­tik virulenter.54 Über­dies ist der maß­geb­lich
    vom Bund bestimm­te Zweck von Finanz­hil­fen ver­bind­lich
    und muss neben ande­ren Ein­zel­hei­ten bun­des­ge­setz­lich
    oder per Ver­wal­tungs­ver­ein­ba­rung bestimmt
    werden.55
    Den­noch blei­ben Finanz­hil­fen Instru­men­te der Finanz­ver­fas­sung.
    Mit ihrer Nut­zung wird die für Gemein­schafts­auf­ga­ben
    cha­rak­te­ris­ti­sche gemein­sa­me
    Ver­wal­tungs­zu­stän­dig­keit gera­de nicht kon­sti­tu­iert. Bei­spiels­wei­se
    bleibt die Bil­dungs­zu­stän­dig­keit der Län­der
    durch den auf Art. 104c GG gestütz­ten Digi­tal­pakt unbe­rührt.
    Dem Bund ist es auch nicht gestat­tet, Finanz­hil­fen
    an Einvernehmens‑, Zustim­mungs- oder Geneh­mi­gungs­vor­be­hal­te
    und wei­te­re Auf­la­gen zu knüpfen.56
    Des­halb sind die Län­der Emp­fän­ger von Finanzhilfen.57
    49 Spei­ser (Fn. 4), S. 175.
    50 Sie­he unten III. 2. b).
    51 Scharpf, Fritz, Die Poli­tik­ver­flech­tungs-Fal­le: Euro­päi­sche
    Inte­gra­ti­on und deut­scher Föde­ra­lis­mus im Ver­gleich, in: PVS
    1985 (Heft 4), S. 323, 330 ff.; Wer­ner (Fn. 20), S. 26; Siek­mann (Fn.
    17), Rn. 7. Ob Gemein­schafts­auf­ga­ben jen­seits der geschil­der­ten
    Phä­no­me­ne best­mög­lich kon­zi­piert wer­den (u.a. mit Blick auf
    die Zweck­mä­ßig­keit und Mess­bar­keit des För­der­zwecks, die Eva­lua­tions-
    und Report­ing-Mecha­nis­men, die Aus­schüt­tungs­mo­da­li­tä­ten
    und ggf. Haf­tungs­tat­be­stän­de) und ob der Bund sei­ne
    inhalt­li­chen Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten hin­rei­chend nutzt, ist eine
    wei­te­re, vor­wie­gend poli­ti­sche und offe­ne­re Fra­ge. Vgl. die genau
    aus die­sem Grund vehe­men­te Kri­tik des Bun­des­rech­nungs­hofs
    am Hoch­schul­pakt: Bun­des­rech­nungs­hof, Bericht an den Haus­halts­aus­schuss
    des Deut­schen Bun­des­ta­ges über die Prü­fung der
    zweck­ent­spre­chen­den Ver­wen­dung rest­li­cher Hoch­schul­pakt­mit­tel
    und der Bedin­gun­gen des Zukunfts­ver­trags Stu­di­um und
    Leh­re stär­ken, 2020, S. 53 f.
    52 Siek­mann (Fn 35), Rn. 7 ff.; Spei­ser, Gui­do, Bun­des­fi­nanz­hil­fen
    im Bil­dungs­be­reich — der neue Art. 104c GG, DÖV 2020 (1), 14,
    pas­sim.
    53 Sie­he unten III. 2. b) zu wei­te­ren Details.
    54 Die Über­le­gung ist auch heu­te noch zu hören: „Wir wer­den
    [bei der Digi­ta­li­sie­rung der Schu­len] mehr machen wol­len und
    müs­sen, aber wir wer­den nicht unkon­di­tio­niert Geld an Län­der
    geben kön­nen“: MdB Jar­zom­bek, in: BT-Ple­nar­pro­to­koll 20/11
    (13.1.2022), S. 590. „Der­zeit kann der Bund im Schul­be­reich nur
    Geld geben […] Das passt nicht in die Zeit“: Bil­dungs­mi­nis­te­rin
    a.D. Kar­lic­zek, in: Bur­chard, Amory/Birnbaum, Robert, Kar­lic­zek
    for­dert mehr Koope­ra­ti­on für die digi­ta­le Schu­le (20.6.2021),
    https://www.tagesspiegel.de/politik/bundesbildungsministerinfuer-
    grund­ge­setz­aen­de­rung-kar­lic­zek-for­dert-mehr-koope­ra­ti­on­fuer-
    die-digitale-schule/27301702.html (zuletzt abge­ru­fen am
    15.1.2022).
    Deut­lich auch die in der ver­gan­ge­nen Legis­la­tur für den Bil­dungs­etat
    zustän­di­gen Haus­häl­ter der gro­ßen Koali­ti­on MdB
    Reh­berg (CDU) und MdB Schulz (SPD), in: Wiar­da, Jan-Mar­tin,
    „Wir müs­sen nicht die bes­ten Freun­de der Regie­rung sein“ –
    Inter­view mit Eckardt Reh­berg und Swen Schulz (26.11.2020),
    https://www.jmwiarda.de/2020/11/26/wir‑m%C3%BCssen-nichtdie-
    bes­ten-freun­de-der-regie­rung-sein/ (zuletzt abge­ru­fen am
    18.2.2022). Vgl. zahl­rei­che Hin­wei­se in der Lite­ra­tur, statt aller:
    Sei­ler, Chris­ti­an, Wider die Kom­pe­tenz­ver­flech­tung, ZG 2018 (33),
    329, 330 ff.
    55 Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG. Vgl. BVerfGE 39, 96 (115ff.); Siek­mann
    (Fn. 35), Rn. 14b.
    56 BVerfGE 39, 96 (120). Vgl. BVerfGE 41, 291 (313); 86, 148 (268).
    57 BVerfGE 39, 96 (121f.); 41, 291 (313); Siek­mann (Fn. 35), Rn. 7.
    Spei­ser · Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung in Art. 91b GG 2 0 7
    Sie set­zen die Mit­tel in eige­ner haus­hal­te­ri­scher Ver­ant­wor­tung
    ein und lei­ten sie ggf. an die Kom­mu­nen als
    Letzt­emp­fän­ger wei­ter. Aus glei­chem Grund ent­kop­peln
    Finanz­hil­fen die Bereit­stel­lung und Ver­wen­dungs­steue­rung
    von Bun­des­mit­teln. Im Gegen­satz zu Gemein­schafts­auf­ga­ben
    durch­bre­chen sie somit den Las­ten­tra­gungs­grund­satz
    des Art. 104a Abs. 1 GG.58 Folg­lich ste­hen
    Finanz­hil­fen in Span­nung zu Art. 109 Abs. 1 GG,
    nach dem die Haus­halts­räu­me von Bund und Län­dern
    getrennt sind. Das BVerfG hat daher wie­der­holt den
    Aus­nah­me­cha­rak­ter von Finanz­hil­fen unter­stri­chen: Sie
    dür­fen kein Instru­ment zur dau­er­haf­ten finan­zi­el­len Betei­li­gung
    des Bun­des an Län­der­auf­ga­ben sein.59 Ver­fas­sungs­sys­te­ma­tisch
    haben Finanz­hil­fen des­halb eine Nut­zungs­be­gren­zung,
    die aller­dings nir­gend­wo prä­zi­se defi­niert
    ist.
    Sol­len die Län­der dau­er­haft für ihre Bil­dungs­auf­ga­ben
    finan­zi­ell ertüch­tigt wer­den, ohne dem Bund eine
    stär­ke­re inhalt­li­che Mit­wir­kung zu ermög­li­chen, sind Finanz­hil­fen
    des­halb nicht das rich­ti­ge Instru­ment. Um einen
    struk­tu­rel­len Res­sour­cen­man­gel der Län­der zu behe­ben,
    bie­tet sich die Anpas­sung der Regel­fi­nan­zie­rung
    der Län­der bzw. des bun­des­staat­li­chen Finanz­aus­gleichs
    nach Art. 106/107 GG an.60 Damit wird eine Dys­ba­lan­ce
    zwi­schen Mit­tel- und Auf­ga­ben­ver­tei­lung der Staats­ebe­nen
    kor­ri­giert, ohne das Kon­ne­xi­täts­prin­zip zu durch­bre­chen.
    Poli­tisch ist dies aller­dings schwie­rig durch­zu­set­zen,
    nicht zuletzt weil erst 2020 ein neu­er Finanz­aus­gleich
    in Kraft getre­ten ist und das The­ma damit zunächst
    als erle­digt gel­ten dürfte.61 Alter­na­tiv kann der
    Bund die Län­der ent­las­ten, indem er höhe­re Finan­zie­rungs­an­tei­le
    an bereits bestehen­den gemein­sa­men Auf­ga­ben
    über­nimmt, etwa bei den auf Art. 91b Abs. 1 GG
    gestütz­ten För­der­maß­nah­men in der Wis­sen­schaft. Auf
    Bun­des­sei­te wer­den die­se Lösun­gen oft skep­tisch betrach­tet,
    weil sie ent­we­der dem Bun­des­haus­halt dau­er­haft
    Mit­tel oder aber län­der­sei­tig frei wer­den­de Mit­tel
    der eige­nen Ein­fluss­sphä­re entziehen.62 In bei­den Fäl­len
    kann der Bund sei­ne Steue­rungs­in­ter­es­sen, etwa die geziel­te
    Mit­tel­ver­wen­dung im Bil­dungs­sek­tor, nicht wirk­sam
    durch­set­zen.
    Zurück zu einem ver­än­der­ten Art. 91b GG. Neben
    der Fra­ge, wel­chen Ein­fluss der Bund auf die Kon­zep­ti­on
    von Gemein­schafts­auf­ga­ben hat, ist von Inter­es­se, wel­cher
    Akteur auf Bun­des­ebe­ne die­sen Ein­fluss fak­tisch
    aus­übt. Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te monie­ren seit Jah­ren,
    das Par­la­ment wer­de bei wich­ti­gen Vor­ha­ben des Bun­des
    in Bil­dung und Wis­sen­schaft zu wenig betei­ligt. „Das
    Par­la­ment“, kri­ti­sie­ren die Abge­ord­ne­ten Esdar und
    Schulz (SPD), „wird vor voll­ende­te Tat­sa­chen gestellt
    und zum Notar degra­diert“. Der Bun­des­tag sei gezwun­gen,
    die aus­ver­han­del­ten Pro­gram­me abzu­seg­nen, ohne
    inhalt­lich Ein­fluss neh­men zu kön­nen oder auch nur adäquat
    infor­miert wor­den zu sein. Dies sei in Zukunft zu
    ändern, sonst kön­ne man „doch mal aus […] demo­kra­ti­schen
    Erwä­gun­gen das Geld verweigern“63. Tat­säch­lich
    wur­de eine sol­che Mit­tel­sper­rung 2020 bereits voll­zo­gen,
    als der Haus­halts­aus­schuss des Bun­des­tags 190 Mio.
    Euro der Hoch­schul­pakt­mit­tel sowie die Mit­tel für ein
    KI-Pro­gramm vor­läu­fig sperrte.64 Über­dies wur­de der
    Maß­ga­be­be­schluss gefasst, dass „ohne ange­mes­se­ne Infor­ma­ti­on
    und Betei­li­gung des Haus­halts­aus­schus­ses
    […] kei­ne Mit­tel für Bund-Län­der-Ver­ein­ba­run­gen
    mehr frei­ge­ge­ben“ wer­den. Damit eska­lier­te eine Aus­ein­an­der­set­zung
    zwi­schen Exe­ku­ti­ve und Legis­la­ti­ve, die
    bereits 2019 (dem Jahr des Abschlus­ses meh­re­rer groß­vo­lu­mi­ger
    Bund-Län­der-Ver­ein­ba­run­gen) anhän­gig gewe­sen
    war.
    Die Kri­tik spie­gelt grund­sätz­li­che Beden­ken wider,
    die schon seit Jahr­zehn­ten in der Lite­ra­tur geäu­ßert wer-
    58 Siek­mann (Fn. 35), Rn. 3; Hel­ler­mann, Johan­nes, in: Huber/Voßkuhle
    (Hrsg.), Kom­men­tar zum Grund­ge­setz, 2018 (7. Aufl.), Art.
    104c, Rn. 3; BT-Drs. 19/3440, S. 1.
    59 BVerfGE 127, 165 (86ff.). Vgl. BVerfGE 39, 96 (115ff.); Kirch­hof,
    Fer­di­nand, Emp­feh­len sich Maß­nah­men, um in der Finanz­ver­fas­sung
    Auf­ga­ben- und Aus­ga­ben­ver­ant­wor­tung von Bund, Län­dern
    und Gemein­den stär­ker zusam­men­zu­füh­ren? in: 61. Deut­scher
    Juris­ten­tag, Ver­hand­lun­gen, Band I (S. Gut­ach­ten D), 1996, D1,
    D43; BT-Drs. 16/813, S. 19.
    60 Siek­mann (Fn. 17), Rn. 44. Vgl. Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann
    in: BR-Ple­nar­pro­to­koll 958 (2.6.2017), S. 268f.; Bäu­me­rich, Maik/
    Schnei­der, Maxi­mi­li­an, Koope­ra­ti­on von Bund und Län­dern –
    Grund­la­gen und Gren­zen, in: Die Ver­wal­tung 2019 (52), S. 118 ff.
    61 Das sys­te­ma­ti­sche Gegen­stück zur (mit­wir­kungs­frei­en) Neu­zu­wei­sung
    von bis­he­ri­gen Mit­teln des Bun­des an die Län­der ist die
    (mit­tel­freie) Neu­zu­wei­sung von Auf­ga­ben von den Län­dern zum
    Bund. Die­se Über­le­gung ist aller­dings eher theo­re­tisch, weil sie,
    im Bil­dungs­be­reich zumal, auf die Oppo­si­ti­on der Län­der sto­ßen
    dürf­te.
    62 Vgl. die dies­be­züg­li­che Kri­tik an der voll­stän­di­gen Über­nah­me
    des BAföG im Jahr 2015 und die in die­sem Punkt ähn­li­che Kri­tik
    an Finanz­hil­fen, sie­he oben.
    63 Alle in: Esdar, Wiebke/Schulz, Swen, Den Hoch­schul­pakt bes­ser
    auf­stel­len, Tages­spie­gel (31.1.2019), S. 21. Vgl. die Abge­ord­ne­ten
    Schulz und Reh­berg in Wiar­da (Fn. 54).
    64 BT-Drs. 19/23324, S. 183.
    2 0 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    den. Bereits in den Jah­ren rund um die Ein­fü­gung der
    Gemein­schafts­auf­ga­ben ins Grund­ge­setz 1969 wur­de bemän­gelt,
    die dar­auf grün­den­den Ver­ein­ba­run­gen wer­den
    aus­schließ­lich von den Regie­run­gen von Bund und
    Län­dern ver­han­delt. Die exe­ku­ti­ve Hege­mo­nie höh­le die
    Haus­halts­rech­te des Par­la­ments aus.65 For­mal blie­ben
    die­se Rech­te zwar unbe­rührt, weil Ver­wal­tungs­ver­ein­ba­run­gen
    nur Kom­pe­ten­zen der Regie­run­gen betref­fen
    und des­halb auch nur von die­sen geschlos­sen wer­den
    müss­ten. Der fak­ti­sche Druck auf die Par­la­men­te, die in
    den Ver­ein­ba­run­gen vor­ge­se­he­nen Haus­halts­mit­tel frei­zu­ge­ben,
    sei jedoch offen­kun­dig. Über­dies wur­den
    Zwei­fel dar­an geäu­ßert, dass Tei­le der Wis­sen­schafts­för­de­rung
    wie die Exzel­lenz­in­itia­ti­ve dem Geset­zes­vor­be­halt
    genügen.66
    Struk­tu­rell ist aller­dings eine Vor­rang­stel­lung der Exe­ku­ti­ven
    kaum zu ver­mei­den. Zum einen ist es Sache der
    Regie­run­gen, Ver­wal­tungs­ver­ein­ba­run­gen zu ver­han­deln
    und abzu­schlie­ßen. Zum ande­ren wäre die inten­si­ve
    Ein­bin­dung der Par­la­men­te in die Ver­hand­lun­gen
    wegen der Kom­ple­xi­tät der ver­han­del­ten Mate­ri­en und
    der dro­hen­den Immo­bi­li­tät des dann schwer­gän­gi­gen
    Pro­zes­ses schwierig.67 Ähn­li­ches gilt für die Idee, statt
    Ver­wal­tungs­ver­ein­ba­run­gen künf­tig Staats­ver­trä­ge ein­zu­set­zen.
    Beglei­ten­de Frage‑, Aus­kunfts- und Infor­ma­ti­ons­rech­te
    dürf­ten in der Pra­xis die weit­rei­chends­te Ein­bin­dungs­mög­lich­keit
    der Par­la­men­te in die Ver­hand­lun­gen
    sein.68 Das bedeu­tet aber: Je mehr Mit­tel über Gemein­schafts­auf­ga­ben
    ver­ge­ben wer­den, des­to rele­van­ter
    das Pro­blem der Par­la­ments­be­tei­li­gung.
    Auch aus einem wei­te­ren Grund kön­nen Gemein­schafts­auf­ga­ben
    die Haus­halts­ho­heit der Par­la­men­te gefähr­den.
    Die Ver­ein­ba­run­gen bin­den i.d.R. für län­ge­re
    Zeit­räu­me beträcht­li­che Haus­halts­mit­tel von Bund und
    Län­dern (vgl. etwa den Hoch­schul­pakt bzw. des­sen
    Nach­fol­ge­pro­gramm Zukunfts­ver­trag). In der poli­ti­schen
    Pra­xis sind die­se Bin­dun­gen kaum mehr ver­än­der­lich.
    Die „finan­zi­el­le Pfadabhängigkeit“69 erstreckt
    sich regel­mä­ßig nicht nur über meh­re­re Haus­halts­jah­re,
    son­dern über Legis­la­tur­pe­ri­oden und daher u.U. über
    unter­schied­li­che Regie­rungs­kon­stel­la­tio­nen. Dies kann
    neben den für die För­der­maß­nah­me selbst auf­ge­wen­de­ten
    Mit­tel auch Zusatz- und Fol­ge­kos­ten betref­fen, die
    im Bil­dungs­be­reich fast immer auf Län­der­sei­te anfal­len.
    Dazu zäh­len etwa die lang­fris­ti­ge Unter­hal­tung von Infra­struk­tur
    oder die Vor­sor­ge für Per­so­nal­stel­len, inklu­si­ve
    etwa­iger Pensionsansprüche.70 Das Pro­blem lässt sich
    zwar durch die Gestal­tung der För­der­pro­gram­me mil­dern,
    etwa deren Ent­fris­tung oder das Vor­se­hen von aus­rei­chen­den
    Over­heads. Aller­dings sind Aus­ga­ben, deren
    Nut­zen sich erst in der Zukunft ent­fal­tet, in der Gegen­wart
    nicht immer leicht durch­zu­set­zen.
    Die Situa­ti­on kann aus Sicht der jewei­li­gen Bil­dungs­mi­nis­te­ri­en
    zwar ein Vor­teil sein, weil die Mit­tel in den
    Haus­hal­ten lang­fris­tig reser­viert und dem Zugriff des eige­nen
    Finanz­mi­nis­ters ent­zo­gen sind.71 Aller­dings kann
    dar­in eine Ein­schrän­kung der Haus­halts­ho­heit von
    künf­ti­gen Bun­des­ta­gen und Län­der­par­la­men­ten gese­hen
    werden.72 Für den BMBF-Etat ist die­se Über­le­gung
    ins­be­son­de­re ein­schlä­gig, weil dar­in der Anteil der ent­spre­chend
    gebun­de­nen Mit­tel bereits heu­te hoch ist.
    Zugleich kön­nen die Län­der poli­tisch gezwun­gen
    sein, sol­che Bin­dun­gen „sehen­den Auges“ ein­zu­ge­hen.
    Einer Gemein­schafts­auf­ga­be nicht bei­zu­tre­ten, ist einer
    Lan­des­re­gie­rung bzw. den sie tra­gen­den Frak­tio­nen
    zwar mög­lich, kann aber erheb­li­che sym­bo­li­sche und
    mate­ri­el­le Kos­ten nach sich zie­hen. Zum einen ver­zich­tet
    das Land auf Repu­ta­ti­ons­ge­win­ne, die vor allem in
    wett­be­werb­li­chen For­ma­ten win­ken (vgl. die Exzel­lenz­stra­te­gie).
    Zum ande­ren ver­zich­tet man auf oft drin­gend
    benö­tig­te Mit­tel. „Gegen den Sog von Zuschüs­sen“,
    macht Wer­ner gel­tend, „haben ande­re Zwe­cke […] kaum
    eine Chance“73. Die lang­fris­ti­ge Mit­tel­bin­dung bei fak­tisch
    feh­len­der poli­ti­scher Wahl­frei­heit ver­schärft die
    Beden­ken hin­sicht­lich der par­la­men­ta­ri­schen Rech­te.
    65 Vgl. Kom­mis­si­on für die Finanz­re­form, Gut­ach­ten über die
    Finanz­re­form in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, 1966, Tz. 60;
    Kis­ker (Fn. 15), S. 289 ff.; Col­lin, Peter, Ent­wick­lungs­li­ni­en ver­fas­sungs­recht­li­cher
    Kon­tu­rie­rung und ver­fas­sungs­dog­ma­ti­scher
    Pro­ble­ma­ti­sie­rung der Gemein­schafts­auf­ga­ben im Bil­dungs- und
    For­schungs­be­reich, in: Seckelmann/Lange/Horstmann (Hrsg.),
    Die Gemein­schafts­auf­ga­ben von Bund und Län­dern in der Wis­sen­schafts-
    und Bil­dungs­po­li­tik, 2010, S. 55; Wer­ner (Fn. 20), S. 27
    ff.; Pfost, Heinz/Franz, Tho­mas, Misch­fi­nan­zie­run­gen zwi­schen
    Bund und Län­dern — ein Ele­ment not­wen­di­ger Föde­ra­lis­mus­re­for­men
    aus Sicht der Finanz­kon­trol­le des Bun­des, in: ZG 2003
    (18), S. 339, 345; Heun (Fn. 19), Rn. 19; Siek­mann (Fn. 17), Rn. 42;
    Mager/Vasel (Fn. 19), Rn. 42.
    66 Zur Exzel­lenz­in­itia­ti­ve: Sie­we­ke, Simon, Ver­fas­sungs­recht­li­che
    Anfor­de­run­gen an die Fort­set­zung der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, DÖV
    2009 (Heft 22), S. 946, 948 ff.; Marz­lin, Chris­ti­an, Die Exzel­lenz­in­itia­ti­ve
    von Bund und Län­dern auf dem ver­fas­sungs­recht­li­chen
    Prüf­stand, 2015, S. 81 ff.; Fun­ke (Fn. 33), S. 208 ff.; a.A. Volkmann/
    Kauf­hold (Fn. 20), Rn. 14. Vgl. die Dar­stel­lung in Suerbaum/Ratka
    (Fn. 17), S. 22.
    67 Wis­sen­schaft­li­cher Dienst des Deut­schen Bun­des­ta­ges, Ein­zel­fra­gen
    zu Bund-Län­der-Ver­wal­tungs­ab­kom­men (WD 4–3000-003/20),
    2020, S. 11.
    68 Vgl. Esdar/Schulz (Fn. 63), S. 21.
    69 Col­lin (Fn. 65), S. 56. Ähn­lich Kirch­hof (Fn. 59), D78; Wer­ner (Fn.
    20), S. 31.
    70 Vgl. die fik­ti­ven För­der­maß­nah­men oben II. 2. Hin­sicht­lich der
    Exzel­lenz­stra­te­gie: Stark-Watz­in­ger in Schmoll/Thiel (Fn. 3), S. 4.
    71 Zum Wis­sen­schafts­be­reich: Hint­ze (Fn. 27), S. 321/442.
    72 Kruis, Kon­rad, Finanz­au­to­no­mie und Demo­kra­tie im Bun­des­staat,
    DÖV 2003 (Heft 1), S. 10, 12 ff.; Bun­des­rech­nungs­hof in:
    BT-Drs. 16/160, S. 106.
    73 Wer­ner (Fn. 20), S. 33.
    Spei­ser · Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung in Art. 91b GG 2 0 9
    b) Durch­füh­rung einer Gemein­schafts­auf­ga­be
    Ist die Gemein­schafts­auf­ga­be ver­ein­bart, sind die schon
    zu Beginn des koope­ra­ti­ven Föde­ra­lis­mus in den frü­hen
    1960er Jah­ren und seit­dem immer wie­der beschrie­be­nen
    Vor­tei­le des staats­ebe­nen­über­grei­fen­den Zusam­men­wir­kens
    ein­schlä­gig.
    In zen­tra­len För­der­be­rei­chen ermög­li­chen Gemein­schafts­auf­ga­ben
    eine koor­di­nier­te Kräf­te­kon­zen­tra­ti­on.
    74 Eine natio­na­le Res­sour­cen­bün­de­lung legt nicht zuletzt
    die zuneh­men­de inter­na­tio­na­le Kon­kur­renz in vie­len
    The­men­fel­dern nahe.75 Zuletzt wur­de die­se Über­le­gung
    vor allem bei der Digi­ta­li­sie­rung der Schu­len
    vor­ge­bracht, etwa bei digi­ta­len Lern- und Lehr­platt­for­men
    oder der Zer­ti­fi­zie­rung von Lern-Apps.76
    Mit Gemein­schafts­auf­ga­ben wird über­dies die finan­zi­el­le
    und admi­nis­tra­ti­ve Über­for­de­rung von ein­zel­nen
    Län­dern und damit die dro­hen­de Hier­ar­chi­sie­rung in
    der Län­der­ge­mein­schaft ver­mie­den. So wer­den gleich­wer­ti­ge
    Lebens­ver­hält­nis­se im Bun­des­ge­biet gestärkt.77
    Zugleich wer­den Mehr­fach­struk­tu­ren und Dop­pel­för­de­run­gen
    ver­mie­den sowie ggf. Syn­er­gie- und Ska­len­ef­fek­te
    erzielt.78 Über­dies kann der Bund als Druck­ma­cher
    und Inte­gra­tor wir­ken, etwa indem gemein­sa­me Stan­dards,
    Ver­fah­ren und Zwi­schen­zie­le fest­ge­legt werden.79
    Dahin­ter steht ein gewis­ses – und nach ver­brei­te­ter Auf­fas­sung
    auch erfah­rungs­ge­sät­tig­tes – Miss­trau­en hin­sicht­lich
    des Koor­di­na­ti­ons­ver­mö­gens der Län­der
    untereinander.80
    Schließ­lich las­sen sich mit Gemein­schafts­auf­ga­ben
    s.g. „free-rider“-Effekte ver­mei­den, bei denen Län­der
    von den Inves­ti­tio­nen ande­rer Län­der pro­fi­tie­ren und
    des­halb eige­ne Inves­ti­tio­nen vermeiden.81 Sol­che Effek­te
    dürf­ten in der Bil­dung aller­dings weni­ger aus­ge­prägt
    sein als in der Wis­sen­schaft, weil die Anrei­ze für eige­ne
    Inves­ti­tio­nen oft­mals hoch sind (vgl. den mit­un­ter ent­schei­den­den
    Ein­fluss der Schul­po­li­tik auf
    Land­tags­wah­len).
    Zugleich brin­gen Gemein­schafts­auf­ga­ben poten­ti­ell
    Nach­tei­le für die Qua­li­tät der Auf­ga­ben­er­le­di­gung mit
    sich. Vie­le die­ser Pro­ble­me wur­den im Kon­text der Föde­ra­lis­mus­re­form
    von 2006 dis­ku­tiert und sind in ihrer
    Sub­stanz wei­ter­hin rele­vant. Gemein­schafts­auf­ga­ben
    wer­den moniert, weil sie kom­ple­xe, lang­wie­ri­ge und inef­fi­zi­en­te
    Abstim­mungs­pro­zes­se erfor­dern können.82
    Die Zuwen­dungs­ge­ber sind teil­wei­se inten­siv in die
    Durch­füh­rung von För­der­maß­nah­men ein­ge­bun­den,
    etwa im Rah­men von GWK-Gre­mi­en. Auch die Finanz­kon­trol­le
    kann kom­pli­ziert sein, weil die Prüf­tä­tig­kei­ten
    der betei­lig­ten Rech­nungs­hö­fe koor­di­niert wer­den müs­sen.
    Mit Ein­fü­gung des Satz 2 in Art. 114 Abs. 2 GG im
    Jahr 2017 wur­de die Kon­troll­be­fug­nis des Bun­des­rech­nungs­hofs
    auch auf Stel­len außer­halb der Bun­des­ver­wal­tung
    und damit auf Stel­len im Bereich der Län­der aus­ge­dehnt.
    Die Ermäch­ti­gung erfasst aus­drück­lich Fäl­le, in
    denen „zweck­ge­bun­de­ne Finan­zie­rungs­mit­tel zur Erfül­lung
    von Län­der­auf­ga­ben“ fließen.83
    In grund­sätz­li­cher Wei­se mag man die gegen­ständ­li­che
    Erwei­te­rung des Art. 91b GG kri­ti­sie­ren, gera­de weil
    sie die bei­den genann­ten kom­pe­tenz­recht­li­chen Prin­zi­pi­en
    des Grund­ge­set­zes durch­bricht. Zum einen wird
    damit das Kom­pe­tenz­ge­fü­ge zulas­ten der Län­der ver­scho­ben
    und Art. 30 GG eine wei­te­re Aus­nah­me hin­zu­ge­fügt.
    Wie skiz­ziert, deh­nen sich mit der Neu­fas­sung
    die Bun­des­kom­pe­ten­zen in der geset­zes­frei­en Ver­wal­tung
    auf die Bil­dung und damit auf einen tra­di­tio­nell
    iden­ti­täts­prä­gen­den Poli­tik­be­reich der Län­der aus. Der
    Gestal­tungs­fö­de­ra­lis­mus, der zuletzt aus vie­ler­lei Grün­den
    unter Druck gera­ten ist, wird damit wei­ter geschwächt.
    Wür­de die­se Ent­wick­lung fort­ge­setzt, führ­te
    sie ab einem gewis­sen Punkt zu einer Gefähr­dung der
    Län­der­staat­lich­keit und zu einem Kon­flikt mit
    Art. 20 Abs. 1 GG.84 Ver­tre­ter einer Rei­he von Län­dern,
    beson­ders aber Baden-Würt­tem­berg, haben die­sen
    grund­le­gen­den staats­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Aspekt wie­der­holt
    in die Debat­te eingebracht.85
    74 Zu Art. 91a GG: Kie­ne­mund (Fn. 17), Rn. 2. Zu Art. 91b GG:
    Suerbaum/Ratka (Fn. 17), S. 12.
    75 Pas­ter­nack (Fn. 47), S. 33 f.
    76 Stark-Watz­in­ger in: Wiar­da (Fn. 3).
    77 Sie­he bereits das Finanz­re­form­ge­setz von 1968: BT-Drs. V/2861,
    Tz. 9 ff.; Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn. 11. Vgl. Art. 72 Abs. 2
    GG und Art. 106 Abs. 3 GG. Auch der Koali­ti­ons­ver­trag bringt
    das „Koope­ra­ti­ons­ge­bot“ in Zusam­men­hang mit gleich­wer­ti­gen
    Lebens­ver­hält­nis­sen: SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP (Fn. 1),
    S. 94.
    78 Zen­tra­le Pro­ble­me, die eine über­ak­zen­tu­ier­te Kom­pe­tenz­tren­nung
    von Bund und Län­dern erzeugt, wer­den weit­hin unter
    dem Stich­wort der „Ent­flech­tungs­fal­le“ gefasst: Benz, Arthur,
    Föde­ra­lis­mus­re­form in der „Ent­flech­tungs­fal­le“, in: Euro­päi­sches
    Zen­trum für Föde­ra­lis­mus-For­schung (Hrsg.), Jahr­buch des
    Föde­ra­lis­mus 2007, 2008, S. 180, 187 ff.
    79 Stark-Watz­in­ger (Fn. 4).
    80 Volkmann/Kaufhold (Fn. 20), Rn. 11.
    81 Seckel­mann (Fn. 18), S. 83; Scharpf, Fritz, Föde­ra­lis­mus­re­form -
    Kein Aus­weg aus der Poli­tik­ver­flech­tungs­fal­le?, 2009, S. 151.
    82 Kirch­hof (Fn. 59), D77; Pfost/Franz (Fn. 65), S. 344 f.; Suerbaum/
    Rat­ka (Fn. 17), S. 21.
    83 Vgl. Wis­sen­schaft­li­cher Dienst (Fn. 67), S. 11 f.
    84 Sie­he oben II. 1.
    85 Vgl. Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­manns Beden­ken gegen den
    „fal­schen Geist des Zen­tral­staats“, in: BR-Ple­nar­pro­to­koll 958
    (2.6.2017), S. 268. Vgl. bzgl. Art. 91b‑c: Bäumerich/Schneider
    (Fn. 60), S. 99.
    2 1 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    Zum ande­ren weicht ein novel­lier­ter Art. 91b GG das
    Trenn­prin­zip wei­ter auf. Auch die­se Kri­tik ist in der Lite­ra­tur
    immer wie­der for­mu­liert wor­den. Gemein­schafts­auf­ga­ben
    füh­ren dem­nach zu unkla­ren Ver­ant­wort­lich­kei­ten,
    einer ver­min­der­ten poli­ti­schen Zure­chen­bar­keit
    und einer ein­her­ge­hen­den Hem­mung des Demo­kra­tie­prin­zips.
    Die „Dif­fu­si­on der poli­ti­schen Ver­ant­wor­tung“
    86 wur­de in der Ver­gan­gen­heit z.T. als so gra­vie­rend
    ein­ge­schätzt, dass auch dar­in eine Gefähr­dung der
    Eigen­staat­lich­keit der Län­der gese­hen wurde.87 Im Fall
    eines erwei­ter­ten Art. 91b GG sind die­se Pro­ble­me poten­zi­ell
    gewich­tig, weil sie einen poli­tisch und finan­zi­ell
    bedeu­ten­den Poli­tik­be­reich betref­fen. Inter­es­san­ter­wei­se
    for­dert der Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel-Par­tei­en
    „trans­pa­ren­te­re“ und „effi­zi­en­te­re“ Zustän­dig­kei­ten von
    Bund und Ländern.88 Das „Koope­ra­ti­ons­ge­bot“ steht
    mit die­sem Ziel in Span­nung. Jen­seits ihrer mög­li­chen
    Vor­tei­le ist eine stär­ke­re Poli­tik­ver­flech­tung einer höhe­ren
    Ver­ant­wor­tungs­klar­heit nicht zuträglich.
  13. Mehr Geld für die Bil­dung?
    Mit einer gemein­sa­men Auf­ga­ben­wahr­neh­mung wird
    fast immer der Vor­teil ver­bun­den, dass zusätz­li­che Mit­tel
    für den För­der­zweck mobi­li­siert wer­den. Nomi­nell
    bezieht sich die­se Erwar­tung auf Bund und Län­der glei­cher­ma­ßen.
    Tat­säch­lich ruhen die Hoff­nun­gen aber
    meist auf dem Bund. Die Aus­sicht auf Bun­des­mit­tel
    kann die poli­ti­sche Bewer­tung einer Gemein­schafts­auf­ga­be
    domi­nie­ren – was immer dann gut sicht­bar wird,
    wenn die ein­her­ge­hen­de inhalt­li­che Mit­steue­rung des
    Bun­des kri­tisch gese­hen wird.89Analog wird i.d.R. die
    Ver­än­de­rung des Art. 91b GG als sol­che bewer­tet, also
    die Bedin­gung der Mög­lich­keit addi­ti­ver Bun­des­mit­tel.
    In die­sem Sin­ne wird mit einem novel­lier­ten Art. 91b GG
    eine finan­zi­el­le Stär­kung des Bil­dungs­sek­tors ver­bun­den.
    90 Als wei­te­rer Vor­teil gilt, dass Gemein­schafts­auf­ga­ben
    ggf. bestehen­de Zwei­fel an der Legi­ti­mi­tät bestehen­der
    Mit­tel­flüs­se besei­ti­gen kön­nen. Pro­ble­ma­ti­sche
    Umge­hungs­fi­nan­zie­run­gen wer­den vermeidbar.91
    Ist die Erwar­tung berech­tigt, dass mit einem novel­lier­ten
    Art. 91b GG zusätz­li­che Mit­tel in den Bil­dungs­sek­tor
    flie­ßen?
    Unzwei­fel­haft wer­den mit einer Norm­än­de­rung die
    Vor­aus­set­zun­gen dafür geschaf­fen. Ein erwei­ter­ter
    Art. 91b GG eröff­net einen neu­en Finan­zie­rungs­ka­nal
    für den Bund in der Bil­dung. Im Rah­men des Zusam­men­wir­kens
    kann der Bund Maß­nah­men mit­fi­nan­zie­ren,
    bei denen dies vor­her nicht, sach­lich begrenzt bzw.
    nur unter restrik­ti­ven Bedin­gun­gen mög­lich war, etwa
    mit­tels Finanz­hil­fen nach Art. 104c GG. Bei­spiels­wei­se
    könn­te der Bund die Per­so­nal­kos­ten für fest ange­stell­te
    MINT-Leh­re­rin­nen an Regel­schu­len mitfinanzieren.92
    Aller­dings garan­tiert eine Norm­än­de­rung den Mit­tel­zu­fluss
    nicht. Dafür sind der poli­ti­sche Wil­le der betei­lig­ten
    Regie­run­gen, mit­hin eine Ver­stän­di­gung der jewei­li­gen
    Regie­rungs­ko­ali­tio­nen und der Abschluss einer
    Ver­ein­ba­rung not­wen­dig. Für all dies wie­der­um muss
    der haus­hal­te­ri­sche Spiel­raum bei den betei­lig­ten Part­nern
    vor­han­den sein. Gera­de aus Sicht des Bun­des sind
    die Rah­men­be­din­gun­gen der­zeit schwie­rig. Zu berück­sich­ti­gen
    sind die in den Coro­na-Jah­ren ent­stan­de­ne
    his­to­ri­sche Ver­schul­dung, die ab 2023 mut­maß­lich wie­der
    ein­zu­hal­ten­de Schul­den­brem­se, die ambi­tio­nier­ten
    Vor­ha­ben der Ampel-Koali­ti­on in nahe­zu allen Poli­tik­be­rei­chen,
    die jüngst avi­sier­ten hohen Zusatz­aus­ga­ben
    im Ver­tei­di­gungs­be­reich, ver­schärf­te Mit­tel­kon­kur­ren­zen
    zwi­schen den Res­sorts sowie Effizienz‑, Umschich­tungs-
    und Prio­ri­sie­rungs­druck in den Ein­zel­plä­nen.
    Auch die Tat­sa­che, dass der BMBF-Etat in den ver­gan­ge­nen
    Jah­ren regel­mä­ßig stär­ker gewach­sen ist als der Gesamt­haus­halt,
    kann bei der Mit­tel­ver­tei­lung zum Malus
    wer­den.
    Sind die­se Hür­den über­wun­den und eine Ver­ein­ba­rung
    geschlos­sen, sind die Mit­tel­flüs­se, wenn auch nicht
    86 Scharpf (Fn. 51), S. 336. Vgl. das umfas­sen­de­re Kon­zept der
    „Poli­tik­ver­flech­tung“, aus­führ­lich in: Scharpf, Fritz/Reissert,
    Bernd/Schnabel, Fritz, Poli­tik­ver­flech­tung: Theo­rie und Empi­rie
    des koope­ra­ti­ven Föde­ra­lis­mus in der Bun­des­re­pu­blik, 1976. Vgl.
    auch in die­ser Hin­sicht die im Zuge der Föde­ra­lis­mus­re­form
    2006 vor­ge­brach­ten Argu­men­te, etwa in BT-Drs. 16/813, S. 7 f.
    87 Kirch­hof (Fn. 59), D77; Kis­ker (Fn. 15), S. 298 ff. Vgl. die ana­lo­ge
    Kri­tik an Finanz­hil­fen: Sei­ler (Fn. 54), S. 330 ff; Siek­mann (Fn. 35),
    Rn. 16.
    88 Sie­he oben I.
    89 Vgl. die von Scharpf zitier­te Aus­sa­ge eines Lan­des­ver­tre­ters zum
    dama­li­gen Art. 91a GG a.F.: „Wenn der Bund den Vor­schlag
    gemacht hät­te, wir neh­men die Zahl der Apfel­bäu­me für den
    Wege­bau, und das wäre für mein Land güns­tig gewe­sen, ich hät­te
    mich nicht dage­gen gewehrt. […] Ent­schei­dend ist, ich muss für
    mein Land etwas Bes­se­res her­aus­ho­len, bzw. mög­lichst wenig
    ver­lie­ren“ (Scharpf (Fn. 81), S. 29). Vgl. bzgl. der Wis­sen­schafts­po­li­tik:
    Hint­ze (Fn. 27), S. 321; Spei­ser (Fn. 4), S. 160 ff.
    90 Vgl. die poli­ti­schen Posi­tio­nie­run­gen in Fn. 4.
    91 Es hat immer wie­der Bei­spie­le für zwei­fel­haf­te Kon­struk­tio­nen
    und Vor­gän­ge gege­ben, etwa die ener­ge­ti­sche Schul­sa­nie­rung im
    Kon­junk­tur­pa­ket II bzw. im Kom­mu­na­l­in­ves­ti­ti­ons­för­de­rungs­ge­setz
    oder die dama­li­ge Bun­des­fi­nan­zie­rung des Kita-Aus­baus.
    Vgl. ana­lo­ge Fäl­le in der Wis­sen­schaft, z.B. „Zwit­ter­ein­rich­tun­gen“
    aus AUF und Hoch­schu­len (Suerbaum/Ratka (Fn. 17), S.
    14), die pro­ble­ma­ti­sche Eti­ket­tie­rung von För­der­maß­nah­men als
    „Vor­ha­ben“ oder die Ver­schie­bung des IFM-GEOMAR von der
    Leib­niz-Gemein­schaft zur Helm­holtz-Gemein­schaft im Jahr 2012
    (bei­de: Geis (Fn. 4), S. 310 ff.).
    92 Sie­he das fik­ti­ve Bei­spiel oben II. 2.
    Spei­ser · Eine neue Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung in Art. 91b GG 2 1 1
    haus­halts­recht­lich, so doch poli­tisch fixiert. Jen­seits die­ser
    „Absi­che­rung nach unten“ kön­nen jedoch Sub­sti­tu­ti­ons­ef­fek­te
    auf­tre­ten. Die im Rah­men der Gemein­schafts­auf­ga­be
    ein­ge­setz­ten BMBF-Mit­tel kön­nen ande­re
    bil­dungs­be­zo­ge­ne BMBF-Mit­tel voll­stän­dig oder teil­wei­se
    erset­zen. Im (eher theo­re­ti­schen) Extrem­fall kann sich für
    den För­der­be­reich ein Null­sum­men­spiel erge­ben. Alter­na­tiv
    oder zusätz­lich mög­lich ist die Mit­tel­ver­drän­gung
    im Bereich der Bil­dungs­aus­ga­ben des Bun­des ins­ge­samt.
    Bei­spiels­wei­se ist es denk­bar, dass der Bund die Mit­tel für
    die fik­ti­ve Gemein­schafts­auf­ga­be zur För­de­rung von
    MINT-Leh­re­rin­nen auf­bringt, zugleich aber die Mit­tel für
    schul­be­zo­ge­ne Pro­jekt­för­der­maß­nah­me kürzt bzw. hier­für
    vor­ge­se­he­ne Mit­tel­stei­ge­run­gen nach unten anpasst.
    Sol­che Umschich­tun­gen kön­nen schwer nach­zu­voll­zie­hen
    sein, u.a. weil sie unspe­zi­fisch kon­zi­piert sind (etwa
    als glo­ba­le Min­der­aus­ga­be), zeit­lich gestreckt wer­den und
    sich auf öffent­lich unbe­kann­te pla­ne­ri­sche Mit­tel­an­sät­ze
    bezie­hen, also kei­ne „Kür­zun­gen“ nach sich zie­hen. Anders
    for­mu­liert: Die Idee der „zusätz­li­chen Mit­tel“, die mit
    Gemein­schafts­auf­ga­ben ver­bun­den wird, lässt sich nur
    schwer operationalisieren.93 Ver­stö­ße gegen das „Zusätz­lich­keits­ge­bot“
    sind des­halb schwie­rig nach­zu­wei­sen.
    Ana­lo­ge Über­le­gun­gen las­sen zu den jeweils von den
    Län­dern im Rah­men von Gemein­schafts­auf­ga­ben auf­ge­wen­de­ten
    Mit­tel anstellen.94 Da die Län­der das Gros der
    klas­si­schen Bil­dungs­fi­nan­zie­rung leis­ten, bie­ten sich in
    ihren Haus­hal­ten wesent­lich mehr Sub­sti­tu­ti­ons­ge­le­gen­hei­ten.
    Zugleich fal­len die für eine Gemein­schafts­auf­ga­be
    jeweils ein­ge­setz­ten Lan­des­mit­tel z.T. gerin­ger aus als
    die Bun­des­mit­tel, die Dimen­si­on des poten­zi­el­len Phä­no­mens
    ist in sol­chen Fäl­len klei­ner.
    Dar­über hin­aus kön­nen bei gemein­schaft­li­chen Finan­zie­run­gen
    Lan­des- durch Bun­des­mit­tel sub­sti­tu­iert
    wer­den. Dies kann ins­be­son­de­re Lan­des­mit­tel betref­fen,
    die für den För­der­be­reich vor­ge­se­hen sind und nicht zur
    lan­des­sei­ti­gen Ko-Finan­zie­rung der Gemein­schafts­auf­ga­be
    zäh­len. In der Theo­rie ist es sogar vor­stell­bar, dass
    sich die­se Lan­des­mit­tel um den vol­len Betrag der zuflie­ßen­den
    Bun­des­mit­tel ver­rin­gern. Sub­sti­tu­iert das Land
    über­dies sei­ne eige­nen Mit­tel, wür­de die Gemein­schafts­auf­ga­be
    ver­trags­treu bedient, es kämen net­to aber nicht
    mehr Mit­tel im För­der­be­reich an als vor­her. Nur der Finan­zie­rungs­mix
    hät­te sich zulas­ten des Bun­des ver­scho­ben.
    Ob eine Sub­sti­tu­ti­on von Lan­des- durch Bun­des­mit­tel
    statt­fin­det, ist aus ana­lo­gen Grün­den wie den genann­ten
    schwer fest­zu­stel­len. Vor die­sem Hin­ter­grund
    sind Gemein­schafts­auf­ga­ben kri­ti­siert wor­den, weil sie
    zu einer gefühl­ten Ent­pflich­tung der Län­der führen.95
    IV. Fazit
    Das von der neu­en Bun­des­re­gie­rung geplan­te „Koope­ra­ti­ons­ge­bot“
    in der Bil­dung lässt sich mit einer Neu­fas­sung
    des Art. 91b GG plau­si­bel ver­wirk­li­chen. Der
    Koope­ra­ti­ons­be­reich der Norm kann so erwei­tert wer­den,
    dass der Bil­dungs­sek­tor ins­ge­samt oder in zen­tra­len
    Teil­be­rei­chen erfasst wird. Das Zusam­men­wir­ken von
    Bund und Län­dern, das auf die­ser Grund­la­ge ver­ein­bart
    wird, stellt eine dop­pel­te Aus­nah­me von der kom­pe­tenz­recht­li­chen
    Aus­gangs­la­ge des Grund­ge­set­zes dar. Es hebt
    die Allein­zu­stän­dig­keit der Län­der für den ver­ein­bar­ten
    För­der­be­reich auf, indem der Bund eine
    Ver­wal­tungs­mit­zu­stän­dig­keit erhält. Über­dies durch­bricht
    es das Trenn­prin­zip, weil Bund und Län­der
    gemein­sam für die betref­fen­de Auf­ga­be zustän­dig sind.
    Ein novel­lier­ter Art. 91b GG eröff­net aller­dings nur die
    Mög­lich­keit, einem Teil der weit­hin beklag­ten Defi­zi­te im
    Bil­dungs­sys­tem zu begeg­nen. Neben der föde­ra­len Auf­ga­ben­ver­tei­lung
    wir­ken viel­fäl­ti­ge wei­te­re Ursa­chen auf die
    Poli­ti­k­ergeb­nis­se im Bil­dungs­sek­tor ein. Mes­sia­ni­sche Erwar­tun­gen
    an eine Gemein­schafts­auf­ga­be Bil­dung gehen
    des­halb fehl. Für bestimm­te Bil­dungs­auf­ga­ben ist eine
    Ver­wal­tungs­zu­sam­men­ar­beit und die damit ein­her­ge­hen­de
    grö­ße­re Rol­le des Bun­des initi­al jedoch ein aus­sichts­rei­cher
    Lösungs­an­satz. Um für die­se Auf­ga­ben zu einer
    begrün­de­ten Bewer­tung zu gelan­gen, ist jeweils die (hypo­the­ti­sche)
    gemein­sa­me Zustän­dig­keit von Bund und
    Län­dern der (fak­ti­schen) Allein­zu­stän­dig­keit der Län­der
    gegen­über­zu­stel­len. Bei einem sol­chen Ver­gleich sind die
    jeweils spe­zi­fi­schen Aus­prä­gun­gen jener Vor- und Nach­tei­le
    von Gemein­schafts­auf­ga­ben zu ana­ly­sie­ren, die in
    die­sem Bei­trag in grund­sätz­li­cher Wei­se dar­ge­stellt
    wur­den.
    Vor allem ein poten­ti­el­ler Vor­teil von Gemein­schafts­auf­ga­ben
    spielt in der Debat­te eine zen­tra­le Rol­le: Die
    Aus­sicht auf zusätz­li­che Bun­des­mit­tel für eine bestimm­te
    Bil­dungs­auf­ga­be. Wie dar­ge­legt, ist nicht garan­tiert,
    dass die­se Erwar­tung stets erfüllt wird. Zum einen müs­sen
    der bud­ge­tä­re Spiel­raum und der poli­ti­sche Wil­le
    93 Hin­sicht­lich Art. 104b‑c GG stellt sich ein ana­lo­ges Pro­blem:
    Spei­ser (Fn. 52), S. 19 ff.
    94 Vgl. die kri­ti­schen Hin­wei­se zur Gegen­fi­nan­zie­rung des
    Zukunfts­ver­trags: Bun­des­rech­nungs­hof (Fn. 51), S. 47 ff. Von Sub­sti­tu­ti­ons­ef­fek­ten
    zu unter­schei­den sind die Fehl­ver­wen­dung von
    Mit­teln, wozu auch das Bil­den von unzu­läs­si­gen Aus­ga­be­res­ten
    gehört, sowie die intrans­pa­ren­te bzw. feh­len­de Doku­men­ta­ti­on
    der Mit­tel­ver­wen­dung. Die­se Kri­tik­punk­te hat der Bun­des­rech­nungs­hof
    vor allem hin­sicht­lich des Hoch­schul­pakts bzw. des Zukunfts­ver­trags
    vor­ge­bracht: Bun­des­rech­nungs­hof (Fn. 51), S. 16 ff.
    95 Bun­des­rech­nungs­hof (Fn. 51), S. 9 f./62.
    2 1 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 9 9 — 2 1 2
    des Bun­des gege­ben sein, um die finan­zi­el­len Mit­tel für
    eine Gemein­schafts­auf­ga­be auf­zu­brin­gen. Zum ande­ren
    sind Sub­sti­tu­ti­ons­ef­fek­te mög­lich, die die Zusätz­lich­keit
    der Mit­tel im För­der­be­reich unter­lau­fen.
    Wird mit Gemein­schafts­auf­ga­ben vor allem oder
    aus­schließ­lich die finan­zi­el­le Bes­ser­stel­lung der Län­der
    ver­bun­den, sind sie nicht das rich­ti­ge Instru­ment. Dann
    geht es nicht um die ver­wal­tungs­mä­ßi­ge Mit­wir­kung des
    Bun­des in der Bil­dung, son­dern um die Kor­rek­tur einer
    kurz­fris­ti­gen oder struk­tu­rel­len Dys­ba­lan­ce zwi­schen
    Mit­tel- und Auf­ga­ben­ver­tei­lung der Staats­ebe­nen. Steht
    die­ses Ziel im Mit­tel­punkt, bie­ten sich Finanz­hil­fen oder
    eine Anpas­sung der Regel­fi­nan­zie­rung als geeig­ne­te­re
    Optio­nen an. Vor einer mög­li­chen Ver­än­de­rung des
    Grund­ge­set­zes soll­te des­halb eine poli­ti­sche Ver­stän­di­gung
    dar­über ste­hen, wel­cher Kern­zweck ver­folgt wird.
    Danach soll­te sich rich­ten, wel­ches Instru­ment gewählt
    wird und ob das­sel­be einer Anpas­sung bedarf.
    Gui­do Spei­ser ist im Ber­li­ner Büro der Max-Planck-
    Gesell­schaft tätig. Der vor­lie­gen­de Bei­trag spie­gelt sei­ne
    Mei­nung wider, nicht die der Max-Planck-Gesellschaft.