Nach § 8 des 2016 novellierten WissZeitVG waren die Auswirkungen der Novelle im Jahr 2020 zu evaluieren. Diese Evaluation liegt nun vor. Sie ist im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von der INTERVAL GmbH in Kooperation mit dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. (HIS-HE) erstellt und am 17. Mai 2022 veröffentlicht worden.1
Der (einschließlich Anhang) 225seitige Bericht basiert auf Befragungen der Personalverwaltungen von Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken, Analyse befristeter Arbeitsverträge an ausgewählten Einrichtungen, der Befragung von Beschäftigten dieser Einrichtungen, Interviews mit Akteursgruppen für Fallstudien an einem Teil dieser Einrichtungen, Experteninterviews und Literaturanalysen sowie Analysen von Sekundärdaten und übernommenen Primärdaten einer parallelen Evaluation, nämlich der Evaluation des Vertrags über gute Beschäftigungsbedingungen des Hochschulpersonals in Nordrhein-Westfalen aus den Jahren2020/2021.2 Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ausgewertet — bis hin zum Urteil vom 2. Februar 2022 (7 AZR 573/20), welches die Förderung einer wissenschaftlichen Kompetenz, die in irgendeiner Form zu einer beruflichen Karriere auch außerhalb der Hochschule befähigt, als Qualifizierungszweck im Sinne von § 2 Abs. 1 WissZeitVG genügen lässt.
Die Evaluation sollte insbesondere feststellen, ob die 2016 erfolgte Novellierung des WissZeitVG ihren Hauptzweck erreicht hat, nämlich unsachgemäße Kurzbefristungen zu unterbinden und insgesamt die Zahl der Kurzbefristungen zu begrenzen. Die Evaluation zeigt in beiden Punkten signifikante Fortschritte: Nach den Feststellungen des Berichts haben sich die Vertragslaufzeiten nach der Gesetzesnovelle erkennbar verlängert. An den Universitäten hatten die befristeten Arbeitsverträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Jahr 2015 noch eine mittlere Laufzeit von rund 15 Monaten (nicht promoviert) und 17 Monaten (promoviert). Nach einem Höchstwert im Jahr 2017 (21 bis 22 Monate) lagen diese Mittelwerte 2019 bei 20 Monaten. 2020 sind sie im Mittel wieder um 2,7 Monate gesunken; nach Meinung des Berichts kann dieser Rückgang aber in Zusammenhang mit der Pandemie stehen. Ähnliche Werte hat der Bericht bei den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Außeruniversitäten Forschungseinrichtungen ermittelt. Auch der Anteil der Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr ist nach dem Bericht spürbar zurückgegangen. Lag er vor der Novelle noch in einer Größenordnung von 50 Prozent, war er 2018 und 2019 bei den Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auf einen Anteil von einem Drittel und bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und im medizinischen Bereich auf einen Anteil von einem Viertel zurückgegangen.
Der Bericht hat sich auch mit dem Verhältnis von Qualifizierungsbefristung (§ 2 Abs. 1 WissZeitVG) und Drittmittelbefristung (§2 Abs. 2 WissZeitVG) befasst. Er stellt fest, dass es zwischen den Einrichtungen erhebliche Abweichungen in der Frage gibt, welche dieser Rechtsgrundlagen gewählt wird, vermerkt aber die Tendenz, im Rahmen eines Drittmittelprojekts, das auch eine Qualifizierung ermöglicht, eher auf die Drittmittelbefristung zurückzugreifen. Zu den Gründen dieser Tendenz zählen auf Seiten der Einrichtungen die als größer erachtete Rechtssicherheit und der Ausschluss der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 5 WissZeitVG. Auf Seiten der Beschäftigten sind es die als deutlich besser empfundenen Bedingungen für die Arbeit am Qualifizierungsziel, wobei freilich die Qualifizierungsbefristung im Rahmen eines Drittmittelprojekts am besten bewertet wird. Dass die Drittmittelbefristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG nicht an feste Zeiträume, sondern an die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer gebunden ist, spielt nach den Befragungen für die Wahl des Wegs über § 2 Abs. 2 WissZeitVG ebenso wenig eine Rolle wie die vom BAG weit gezogene Schranke eines Rechtsmissbrauchs.3
Die Bewertung der von der Evaluation gelieferten empirischen Daten obliegt, wie der Bericht am Ende seiner Zusammenfassung richtig sagt, nun dem wissen1
Abrufbar unter https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/wissenschaftlicher-nachwuchs/wissenschaftszeitvertragsgesetz/wissenschaftszeitvertragsgesetz_node.html,
2 Abrufbar unter https://www.mkw.nrw/hoxchschule-und-forschung/hochschulen/vertrag-ueber-gute-beschaeftigugnsbedingen.
3 BAG 8. 6. 2016, 7 AZR 259/14, EzA § 620 BGB 2002 Hochsachulen Nr. 2; dazu Löwisch/Anselment, OdW 2021, 166, 169.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
Manfred Löwisch
Evaluation des novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
2 1 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 2 2 1 — 2 2 2
4 Dazu Krieglstein, HRK-Vizepräsidentin für Forschung, wissenschaftlichen
Nachwuchs, Medizin und Gesundheitswissenschaften,
OdW 2021, 209f.
schaftspolitischen Diskussions- und Entscheidungsprozess.
Dieser Prozess wird aber zu berücksichtigen haben,
dass die Novellierung des WissZeitVG 2016 nicht der
von manchen befürchtete Fehlschlag war, sondern
durchaus zu Verbesserungen im Sinne des Gesetzgebers
geführt hat. Nicht Aufhebung, sondern Weiterentwicklung
des WissZeitVG und sachgerechte Handhabung des
vom Gesetz gezogenen Rahmens4 sind deshalb die von
der Evaluation ausgehenden Botschaften.
Manfred Löwisch ist Professor an der Albert-Ludwig-
Universität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle
für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht.
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