Die Aufsicht über Wissenschaftseinrichtungen steht stets im Spannungsfeld zwischen staatlichem Zugriff und Wissenschaftsfreiheit. Durch die zunehmende Autonomisierung und steigende Erwartungen an die Eigenverantwortung der Hochschulen, neue Formen von Aufsicht und Kontrolle und verschiedene Akteure der Aufsicht entstehen weitere Herausforderungen. Dies nahm sich der Verein zur Förderung des deutschen und internationalen Wissenschaftsrechts zum Anlass, sich am 5. und 6. Mai im Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main mit dem Begriff der Aufsicht und der Wissenschaftsfreiheit sowie den verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen auseinanderzusetzen.
I. Aufsicht in der Wissenschaft: Begriff, Formen, Funktionen
Prof. Dr. Jörg Ennuschat (Ruhr-Universität Bochum, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht) versteht unter Aufsicht die Gesamtheit aller staatlichen Handlungen, die zum Zweck haben, das Verhalten der Einrichtung in Übereinstimmung mit einem feststehenden Richtmaß zu setzen.
Gegenstand der Aufsicht sei die Aufgabenerfüllung durch die Hochschulen. Diese führen im eigenen Wirkungskreis Aufgaben in Selbstverwaltungsangelegenheiten sowie im übertragenen Wirkungskreis Staatsaufgaben aus.1 Unterschieden wird deshalb zwischen Rechts‑, Fach- und Dienstaufsicht. Die Rechtsaufsicht überwacht nur die Rechtmäßigkeit der Wahrnehmung der Aufgaben im eigenen Wirkungskreis. Bei der Fach- und Dienstaufsicht wird im übertragenen Wirkungskreis neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung kontrolliert.2 Neben der klassischen Staatsaufsicht in Form von Rechts‑, Fach- und Dienstaufsicht gebe es auch Entwicklungen hin zu einem modernen Aufsichtsverständnis: Gerade im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells werden vermehrt Elemente der Kooperation zwischen Aufsicht und Wissenschaftseinrichtung herangezogen und dabei nicht nur Aufgaben und Mittel vergeben, sondern auch Ziele definiert (Outputorientierung).
Bei der Aufsicht über Hochschulen müsse die Wissenschaftsfreiheit beachtet werden. Nach dem BVerfG muss der Staat geeignete organisatorische Maßnahmen treffen, damit diese so weit wie möglich unangetastet bleibt.3 Da laut dem BVerfG eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsgedanken freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft am besten dient4, müsse die Sicherung dieser die Funktion von Aufsicht über Hochschulen sein.
Klassische Aufsichtsinstrumente seien in präventiver Hinsicht z.B. Anzeige- und Vorlagepflichten, Genehmigungsvorbehalte oder Unterrichtungs- und Informationsrechte. Repressive Instrumente seien Beanstandungen und Abhilfeverlangen, die Aufhebung von Beschlüssen, das Tätigwerden anstelle der Hochschule als Ersatzvornahme, das Erteilen von Weisungen, die Auflösung und Neuwahl eines Organs, die Bestellung von Beauftragten und teilweise sogar die vorübergehende Schließung der Hochschule. Zuständige Aufsichtsbehörde sei das Ministerium. Neben externer Aufsicht erfolge zudem Kontrolle innerhalb der Hochschulorganisation. Eine weitere Form der Aufsicht sei die Prüfung der Wirtschaftsführung der Hochschule durch den Landesrechnungshof. Aufsichtsmittel i.S.d. Neuen Steuerungsmodells können z.B. Controlling und die Anforderung anonymisierter Daten, Akkreditierungs- und Evaluationsverfahren sein. Die wichtigsten Instrumente seien jedoch Hochschulverträge bzw. Ziel- und Leistungsvereinbarungen. In diesen öffentlich-rechtlichen Verträgen werden konkrete Entwicklungs- und Leistungsziele zwischen Ministerium und Hochschulleitung vereinbart. Solche Vereinbarungen können auch zwischen Rektorat und Fakultät oder Rektorat und einzelnen Professoren getroffen werden.
1 Z.B. § 3 Abs. 1 HG NRW für Aufgaben im eigenen Wirkungskreis oder Art. 12 Abs. 3 BayHSchG für Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis.
2 So sichtbar z.B. in § 51 Abs. 1 S. 1 NHG.
3 BVerfGE 127, 87 (114), st. Rspr.
4 BVerfGE 47, 237 (370), 111, 333 (354).
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
Karoline Haake
Gibt es eine angemessene Aufsicht für Wissen-
schaftseinrichtungen?
Bericht über die Tagung des Vereins zur Förderung des deutschen und internationalen Wissenschaftsrechts e.V. am 5./6.5.2022
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5 Diese zwei verschiedenen Legitimationsstränge spiegeln sich
auch in der Janusköpfigkeit der staatlichen Hochschulen wider:
Einerseits sind diese nach § 58 Abs. 1 S. 1 HRG Körperschaften
öffentlichen Rechts, die Aufgaben funktionaler Selbstverwaltung
wahrnehmen (und dabei Träger der Wissenschaftsfreiheit sind),
andererseits staatliche Einrichtungen, welche staatliche Gewalt
ausüben, die an den Volkswillen gekoppelt sein muss.
6 BVerfGE 35, 79 (132 f.).
7 So im Gesetzentwurf zur Änderung des HRG formuliert, BT Drs.
13/8796 S. 29.
8 BVerfGE 35, 79 ff und 47, 327 ff.
9 Die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen finde ihren
Ausdruck außerdem in Zivil- und Nachhaltigkeitsklauseln sowie
Ethikkommissionen in der Forschung.
II. Rechtliche Grundlagen der Aufsicht
Daran knüpfte Prof. Dr. Margrit Seckelmann (Leibniz
Universität Hannover, Professur für das Recht der digitalen
Gesellschaft) mit ihrer Betrachtung der rechtlichen
Grundlagen der Aufsicht an.
Auf verfassungsrechtlicher Ebene sei Aufsicht über
staatliche Hochschulen ein Instrument zur Sicherstellung
von Legitimationszusammenhängen und damit zur
Gewährleistung des Demokratieprinzips aus Art. 20
Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GG. Demnach müsse eine ununterbrochene
Legitimationskette zwischen der Ausübung öffentlicher
Gewalt durch einen Amtswalter oder ein Organ
und dem Volk gegeben sein. Es sind dabei zwei Formen
von Legitimation zu berücksichtigen: Die personelle
Legitimation, die durch individuelle Berufungsakte
innerhalb einer Legitimationskette vermittelt wird, und
die sachlich-inhaltliche Legitimation, die die inhaltliche
Bindung an die Gesetzgebung und den Volkswillen u.a.
durch Aufsicht gewährleistet. Zu beachten sei jedoch
auch, dass der Hochschule durch die ihr angehörenden
Wissenschaftler das Recht auf Wissenschaftsfreiheit vermittelt
wird. In staatlichen Hochschulen bestehen also
zwei gegenläufige Stränge: Der Legitimationsstrang vom
Volk zum Amtswalter, vermittelt u.a. durch Aufsicht,
aber auch der Wissenschaftsfreiheit vermittelnde Legitimationsstrang.
Daher habe die staatliche Sphäre neben
der Pflicht zur Aufsicht auch die Verpflichtung, die Autonomierechte
der Hochschule i.S. der Wissenschaftsfreiheit
zu wahren.5 Dazu kommen noch weitere Akteure,
deren Rechte zu bewahren sind. So müsse das Recht
der Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG auf qualitätsvolle
Ausbildung gewährleistet werden. Die staatliche Aufsicht
als notwendiges Mittel demokratischer Legitimation
stehe daher im Spannungsverhältnis zu den Grundrechten
der Akteure.
Grundlegendes Modell der Aufsicht über staatliche
Universitäten sei, dass das zuständige Fachministerium
die Verwaltung und das Präsidium beaufsichtigt, zudem
den Präsidenten bestellt und die Mitglieder der Universität
beruft. Zudem sind die kollegialen Repräsentationsorgane
an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen qualifiziert
zu beteiligen.6 Mit dem sich vollziehenden Wandel
der Aufsicht i.S. des Neuen Steuerungsmodells finde
zugunsten der Stärkung der Universitäten ein staatlicher
Rückzug bis auf die Rechtsaufsicht statt. Insbesondere
entwickelten sich Hochschulräte als neue „Aufsichtsorgane“,
die einerseits Hochschulorgan sind und andererseits
die Hochschulverwaltung und das Präsidium beaufsichtigen.
Das Fachministerium delegiert die Aufsichtskompetenzen
dabei an den Hochschulrat. In den
meisten Bundesländern wurden seit deren Entwicklung
Hochschulräte (in unterschiedlichen Formen) eingeführt.
Zudem erlaubt § 58 Abs. 1 S. 2 HRG die Errichtung
der Hochschulen in anderen Rechtsformen als Körperschaften
des öffentlichen Rechts und gleichzeitig staatliche
Einrichtungen, z.B. als Stiftung oder Körperschaft
öffentlichen Rechts, die nicht zugleich eine staatliche
Einrichtung ist.7 Bei Errichtung einer Stiftungsuniversität
gebe das zuständige Ministerium Kompetenzen an
die Stiftung ab, die Trägerin der Hochschule ist. Auch die
Aufsichtskompetenzen delegiere das Ministerium teilweise
an den Stiftungsrat.
III. Setzt die Wissenschaftsfreiheit der Aufsicht Grenzen?
Prof. Dr. Winfried Kluth (Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht,
Richter am Landesverfassungsgericht a. D.) setzte sich
mit der Wissenschaftsfreiheit als Maßstab der Hochschulaufsicht
auseinander. Das BVerfG betone in seinen
Entscheidungen8 die herausgehobene starke Bedeutung
(„Wissen ist Macht“) für die Entwicklung von Wirtschaft
und Gesellschaft und die Notwendigkeit des Schutzes
vor staatlicher Vereinnahmung. Gleichzeitig verpflichte
diese Verantwortung die Wissenschaftseinrichtungen
gegenüber dem Gemeinwohl zum Wissenschaftstransfer
und damit zum Teilen ihrer Ergebnisse und Erkenntnisse.
9
Da Wissenschaft auf Infrastrukturen und finanzielle
Förderung angewiesen sei, sei der Staat verpflichtet, diese
zu gewährleisten. Auf Ebene der Länder bestehe dadurch
eine Einrichtungsgarantie zur Bereitstellung von
Wissenschaftseinrichtungen und Geldmitteln. Insbesondere
sei die Wissenschaftsfreiheit ein Abwehrrecht individueller
Grundrechtsträger gegen den Staat. Träger der
Wissenschaftsfreiheit seien an staatlichen Hochschulen
Haake· Gibt es eine angemessene Aufsicht für Wissenschaftseinrichtungen? 2 8 3
10 Z.B. BVerfGK 12, 440.
11 So urteilte das BVerwG, dass eine ad-hoc-Kommission der Universität
die Forschungsergebnisse eines Hochschullehrers nur auf
einen Missbrauch seiner Wissenschaftsfreiheit überprüfen, nicht
aber grundsätzlich fachlich bewerten dürfe, BVerwGE 102, 304,
bestätigt durch BVerfG NJW 2000, 3635.
12 Dazu BVerfGK 12, 17.
13 BVerfGK 5, 135 (140 f.).
sowohl die einzelnen Wissenschaftler als auch die Fakultäten
und Hochschulen, abgeleitet von der grundrechtlichen
Freiheit ihrer Mitglieder. Im privaten Sektor können
sich einzelne Wissenschaftler, Hochschulen und deren
Gründer und einzelfallbezogen forschende Wirtschaftsunternehmen
auf ihre Wissenschaftsfreiheit
berufen. Weiterhin verleihe die Art. 5 Abs. 3 GG wissenschaftlichen
Einrichtungen den Anspruch auf wissenschaftsadäquate
Organisationsformen und Verfahrensweisen,
insbesondere durch Beteiligungsrechte der einzelnen
Wissenschaftler.10
Die Gefahr einer Einwirkung auf die Wissenschaftsfreiheit
einzelner Wissenschaftler bestehe etwa bei versuchter
inhaltlicher Einflussnahme. Sowohl das BVerfG
als auch das BVerwG verdeutlichen in ihrer Rechtsprechung,
dass Einwirkungen durch die Hochschule oder
Aufsichtsbehörde insbesondere inhaltliche Zurückhaltung
zu wahren haben.11 Das Instrument, den Inhalt der
Wissenschaft zu überprüfen, sei nicht die Aufsicht, sondern
der wissenschaftliche Diskurs. Gegenüber den Fakultäten
können Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit
insbesondere in Form von Strukturwandel entstehen.12
Auch die Aufhebung einer Fakultät könne eine Verletzung
der Wissenschaftsfreiheit sein, wobei den Fakultäten
keine Bestandsgarantie zukomme, aber zumindest
ein Recht auf willkürfreie Entscheidung.13 Auch bei der
hochschulinternen Mittelverteilung und bei Zielvereinbarungen
sei die Wissenschaftsfreiheit der Fakultäten zu
achten.
Die Gründung einer privaten Hochschule sei nicht
nur durch die Berufs‑, sondern auch durch die Wissenschaftsfreiheit
als Hochschulgründungsfreiheit geschützt.
Gleichzeitig müsse der Staat im Rahmen der
Gründungsaufsicht dafür Sorge tragen, dass die Ausübung
der Wissenschaftsfreiheit durch die einzelnen
Wissenschaftler gesichert sei. Im Akkreditierungsverfahren
durch den Wissenschaftsrat werden daher insbesondere
die Ausgestaltung der Verträge mit den Professoren
und die Gewährleistung von Forschung und Lehre
überprüft. Hier müsse jedoch gesichert bleiben, dass das
Akkreditierungsverfahren wissenschaftsadäquat ausgestaltet
ist.
IV. Hochschulräte: Zwischen Steuerung, Beratung
und Kontrolle
Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (Deutscher Bundestag, Vizepräsidentin
a.D., Bundesministerium für Bildung und
Forschung, Bundesministerin a. D.), berichtete von der
Tätigkeit der Hochschulräte, insbesondere aus ihrer
Position als Vorsitzende des Kuratoriums der Humboldt-
Universität zu Berlin.
Bulmahn skizzierte zunächst drei verschiedene
Grundtypen von Hochschulräten: Der erste Typ seien
Hochschulräte, die als „critical friends“ der kritisch-konstruktiven
Begleitung und Beratung der Hochschule dienen,
aber keine Entscheidungskompetenzen innehaben.
Als zweiten Typus qualifizierte Bulmahn Hochschulräte
mit beratender, aber auch kontrollierender, mitgestaltender
Funktion. Der dritte Typ habe die weitreichendsten,
aufsichsratsähnlichen Kompetenzen, dies sei insbesondere
bei Stiftungsuniversitäten der Fall.
Die konkreten Aufgaben und Zusammensetzungen
der Hochschulräte ergäben sich aus den Landeshochschulgesetzen
und den Universitätssatzungen. Sie unterscheiden
sich daher spürbar zwischen den Ländern. Bulmahn
kategorisierte diese in alleinige Beschlusskompetenzen
(z.B. für die Feststellung des Haushaltsplans, die
Einrichtung, Aufhebung oder Veränderung von Fakultäten
oder Studiengängen, Entscheidungen grundsätzlicher
Art oder die Rahmengebührensatzung), Beschlusskompetenzen
unter Berücksichtigung des Vorschlagsrechts
des akademischen Senates, Vorschlagskompetenzen
(z.B. für die Besetzung des Präsidenten und der
Vizepräsidenten), Beratungskompetenzen (z.B. bzgl. des
Rechenschaftsberichts oder der mittelfristige Bau- und
Investitionsplanung) und Initiativkompetenzen (z.B. in
Form der Anforderung von Berichten oder Anregungen
an die Landesregierung). Damit seien die Kompetenzen
der Hochschulräte meist eine Mischung zwischen Beratung,
Kontrolle und Gestaltung der Hochschule.
Anhand verschiedener Fallbeispiele stellte Bulmahn
anschließend verschiedene Konfliktpotenziale aus der
Praxis vor. So gebe es ein Spannungsfeld zwischen der
Position als oberste Dienstherrin und der Ausübung der
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Rechtsaufsicht durch das zuständige Ministerium. Problematisch
sei es auch, wenn Mitglieder des Präsidiums
oder des zuständigen Ministeriums gleichzeitig stimmberechtigte
Mitglieder des Hochschulrates seien. Im Falle
einer Bearbeitung einer Dienstaufsichtsbeschwerde
gegen das Präsidium durch den Hochschulrat käme es
unweigerlich zu Interessenkonflikten. Notwendig sei in
allen Fällen die eindeutige Zuordnung von Zuständigkeiten
und Verantwortlichkeiten zwischen dem Hochschulrat,
dem Präsidium und dem aufsichtsführenden
Ministerium.
Bulmahn bilanzierte, dass das Selbstverständnis der
Hochschulräte für deren Erfolg essenziell sei und diese
sich stets als Gremium der Interessen der gesamten
Hochschule und als Schnittschnelle zur Gesellschaft zu
betrachten hätten. Eine enge Kommunikation sowohl
mit dem Präsidium als auch mit den Statusgruppen der
Hochschule sei daher ebenso von Bedeutung wie die klare
Zuschreibung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten.
Bulmahn lobte zudem den Austausch zwischen
den Hochschulräten der deutschen Hochschulen
im Forum Hochschulräte und plädierte für eine zusätzliche
Plattform für die German U15.
V. Aufsicht über private Hochschulen
Prof. Dr. Burghard Hermeier (FOM Hochschule Essen,
Rektor und Mitglied der Geschäftsleitung) lieferte Einblicke
in die Aufsicht über private Hochschulen. Diese
ergänzen die Hochschullandschaft, indem sie sich an
spezielle Zielgruppen wenden, z.B. Studierende, die
berufstätig sind und bleiben wollen, oder Studierende
aus nicht-akademischen Elternhäusern. Private Hochschulen
können daher einen wichtigen Beitrag zur Akademisierung
und zur Behebung des Fachkräftemangels
leisten.
Der privaten Hochschule stehe ein breiter Regulierungsrahmen
gegenüber. Zum einen habe sie das Hochschulrecht
der Bundesländer einzuhalten. Problematisch
sei hierbei, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die
Lage der privaten Hochschulen oft nicht hinreichend
oder gar nicht berücksichtige. Private Hochschulen müssen
nicht nur die Akkreditierung ihres Studienangebots
im Wege der Programm- oder Systemakkreditierung
durchführen. Zusätzlich seien sie, sowohl zur erstmaligen
als auch zur Verlängerung der staatlichen Anerkennung,
zu einer aufwändigen institutionellen Akkreditierung
verpflichtet. Daneben gelten für private Hochschulen
noch spezielle Vorgaben der Bundesländer, z.B. die
Hinterlegung hoher Bürgschaften. Weiterhin bindend
seien die die Trägerinstitution der Hochschule betreffenden
gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsverpflichtungen,
im Falle der FOM insbesondere die Einhaltung der Gemeinnützigkeitskriterien.
Auch andere Rechtsgebiete,
die staatliche Hochschulen selten berühren, seien zu beachten,
z.B. im Bereich Steuer- oder Sozialversicherungsrecht.
Zudem seien viele private Hochschulen nach
dem Betriebsverfassungsgesetz zur Einrichtung eines
Betriebsrats verpflichtet. Private Hochschulen unterliegen
typischerweise einer engen Aufsicht des jeweiligen
Wissenschaftsministeriums. Besonders markante Pflichten
beträfen die jährlichen Lehr- oder Forschungsberichte
und ggf. die Erfüllung daraus resultierender Auflagen.
In Bezug auf Hochschulentwicklungsmaßnahmen
gäbe es weitreichende Abstimmungs- und
Genehmigungsbedarfe.
Wie eingangs erwähnt sei besonders nachteilig, dass
die Erteilung der staatlichen Anerkennung typischerweise
nur befristet und auf der Basis einer institutionellen
Akkreditierung erteilt werde. Das aufwändige Verfahren
werde vom Wissenschaftsrat durchgeführt. Der
Akkreditierungsprozess dauere ca. anderthalb Jahre, dabei
werden im Falle der FOM ca. 130 Personen der Hochschule
angehört, zudem ein Selbstbericht von etwa 100
Seiten nebst 7.500 Seiten Anhang eingereicht. Die Kosten
des Verfahrens trage die Hochschule. Auf Basis des Votums
des Wissenschaftsrats spreche das Land die staatliche
Anerkennung und ggf. Auflagen aus. Das Verfahren
sei in der Gründungsphase einer privaten Hochschule
im Grundsatz angemessen und wichtig, um die Ausübung
der Wissenschaftsfreiheit abzusichern. Die ständige
Wiederholung des Prozesses sei aber zu bürokratisch.
Der Wissenschaftsrat habe für diese institutionellen
Verfahren sehr umfängliche Akkreditierungsleitfäden
und Kriterienkataloge entwickelt. Allerdings
beobachtete Hermeier, dass diese Maßstäbe die Innovationsspielräume
der privaten Hochschulen immer weiter
einschränken und eine Gleichförmigkeit der privaten
und der staatlichen Hochschulen zur Folge habe. Private
Hochschulen müssen jedoch gerade nicht genauso organisiert
sein wie staatliche Hochschulen, zumal zur Beurteilung
privater Hochschulen die Standards eines Idealbilds
staatlicher Hochschulen angesetzt werden, die letztere
selbst in der Realität nicht in Gänze erfüllten.
Private Hochschulen bräuchten daher eine „Privathochschulträgerfreiheit“
als Ausprägung der Wissenschaftsfreiheit
und mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
Haake· Gibt es eine angemessene Aufsicht für Wissenschaftseinrichtungen? 2 8 5
VI. Universitätsklinika: Aufsichtsräte im Spannungsverhältnis
zwischen Wirtschaftlichkeit und Wissenschaft
Prof. Dr. Peter Dominiak (Universität zu Lübeck, Präsident
a.D., Universitätsklinikum Düsseldorf, Vorsitzender
des Aufsichtsrats a.D.) berichtete aus eigener Erfahrung
aus dem Aufsichtsrat eines Universitätsklinikums.
Die Aufgaben des Aufsichtsrats seien die Beratung und
Überwachung des Vorstands, die Bestellung und Entlassung
der Vorstandsmitglieder, die Festsetzung der Vorstandsgehälter,
die Abstimmung der Strategie mit dem
Vorstand z.B. in Strategiesitzungen sowie die Feststellung
des wirtschaftlichen Jahresabschlusses. Eine der
wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats sei die Ausschusstätigkeit,
welche die Sitzungen und Entscheidungen
des Aufsichtsrats vorbereiten.
Die Besetzung des Aufsichtsrates lege dieser in seiner
Geschäftsordnung fest. In Düsseldorf seien dies die Vertreter
des Wissenschafts‑, Finanz- und Sozialministeriums,
Rektor und Kanzler der Universität, je zwei externe
Sachverständige aus der Wissenschaft und Wirtschaft,
ein Mitglied der Professorenschaft, die Gleichstellungsbeauftragte
sowie Vertreter des wissenschaftlichen und
nichtwissenschaftlichen Personals. Die verschiedenen
Aufsichtsratsmitglieder nehmen verschiedene Interessen
zwischen Wirtschaft und Wissenschaft vertreten
wahr: Das Land verfolge Interessen an der Aufsicht des
Klinikums und der Finanzierung von Forschung und
Lehre. Die Universität wolle fakultätsübergreifende Forschung
und Lehre sicherstellen. Die medizinische Fakultät
verfolge das Ziel exzellenter medizinischer Forschung
und Lehre, während das Universitätsklinikum Spitzenmedizin
in Koordination mit dem Forschungsprofil und
einem betriebswirtschaftlich ausgeglichenen Ergebnis
betreiben möchte. Regelmäßig sei weder im von vielen
Universitätsklinika implementierten Public Corporate
Governance Codex (PCGK) noch in der Geschäftsordnung
des Aufsichtsrats die Wissenschaft als dessen Interesse
und Schutzziel explizit thematisiert. Eine Schnittstelle
zur Wissenschaft könne aber die Überwachung der
Finanzströme und die Trennungsrechnung durch den
Aufsichtsrat sein.
Herausforderung der Universitätsklinika sei, dass neben
Forschung und Lehre auch die Krankenversorgung
als Aufgabe hinzukomme. Damit zusammenhängend
werden auch die Finanzströme komplizierter. Die Finanzierung
der Universitätsklinika erfolge aus vier Säulen,
namentlich der stationären Krankenversorgung, der ambulanten
Versorgung, dem Zuschuss für Forschung und
Lehre und Investitionen des Landes. Insbesondere die
Einführung des DRG-Systems, eines pauschalierten Abrechnungssystems
für stationäre Versorgung durch die
Krankenkassen, führe deshalb zu negativen finanziellen
Entwicklungen der Universitätsklinika. In diesem System
unbeachtet bleiben aber die Sonderaufgaben der
Hochschulmedizin im Vergleich zu anderen
Krankenhäusern.14
Universitätsklinika hätten wegen der verschiedenen
Akteure eine so komplexe und komplizierte Universitätsstruktur:
Die Universität, der Aufsichtsrat, die Landesregierung,
der Personalrat und die Krankenkassen
verfolgen jeweils unterschiedliche Interessen. So werde
die Handlungsfähigkeit des Vorstands eingeschränkt. Es
gebe zwar keine ideale Struktur für die Zusammenarbeit
der Akteure, dennoch plädierte Dominiak für eine Strukturvereinfachung
und betriebswirtschaftliche Organisation
der Universitätsklinika, womöglich durch Herauslösung
aus der Universität und Bildung medizinischer
Hochschulen, sowie eine Interessensentflechtung des
Aufsichtsrats.
VII. Aufsicht über außeruniversitäre Forschungseinrichtungen:
Welche Rolle spielen Zuwendungsgeber?
Dr. Karl-Eugen Huthmacher (Bundesministerium für
Bildung und Forschung, Ministerialdirektor a.D.) schilderte
die Aufsicht über außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
am Beispiel der Helmholtz Gemeinschaft
(HGF), in deren Forschungszentren Huthmacher als
Ministerialdirektor Vorsitzender von sechs Aufsichtsräten
bzw. Kuratorien war. Bei der institutionellen Forschungsförderung
nehme ein Ministerium stets eine
Doppelrolle als Zuwendungsgeber und als Aufsichtsbehörde
ein: Als Zuwendungsgeber sei es neben der Finanzierung
der Wissenschaftseinrichtung die Aufgabe des
Ministeriums, die Wissenschaftseinrichtung als Anteilseigner
zu kontrollieren und beraten. Dabei verfolge das
Ministerium das Ziel, zuwendungsrechtlich nicht zu
beanstandende Zustände herzustellen, daneben aber
auch das allgemeine öffentliche Interesse wahren und im
Dialog mit der HGF wissenschaftspolitische Ziele zu
erarbeiten. Daneben werde Aufsicht über die Helmholtz-
Zentren ausgeübt, indem Ministerialbeamte als
Vorsitzende in den Aufsichtsräten und Kuratorien der
Helmholtz Zentren sitzen. Bei der HGF, der Dachorganisation
über den selbstständigen Helmholtz Zentren,
bestehe zudem ein Ausschuss der Zuwendungsgeber, der
14 Dominiak verwies zu den Problemen der Universitätsklinika auf
Ludwig/Windmann, Taumelnde Tanker, SPIEGEL v. 30.6.2014.
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mit Vertretern aus Bund und Ländern besetzt ist und
forschungspolitische Ziele vorgibt.
Der Staat könne so sowohl über den Ausschuss, als finanzieller
Zuwendungsgeber als auch über die Aufsichtsgremien
Einfluss auf die Helmholtz Zentren nehmen
und daher das Finanzmanagement, die Struktur
und inhaltliche Ausrichtung beeinflussen. Huthmacher
kam zu dem Schluss, dass diese besondere Kontrolldichte
gegenüber der HGF aus den öffentlichen Interessen
resultierte, die die Mission der HGF durch Forschungsbeiträge
zur Beantwortung der großen gesellschaftlichen
Herausforderungen und den Bau und Betrieb von Großgeräten
berühre. Dies seien beides nicht nur zentrale
Fragen der Wissenschaft an sich, sondern auch der
Wissenschaftspolitik.
Allerdings müsse auch die Wissenschaftsfreiheit im
Lichte dieser Kontrollmacht berücksichtigt werden. Deshalb
gelte ein generelles Gebot der Zurückhaltung in inhaltlichen
Fragen, aber auch nachvollziehbare inhaltliche
Kriterien der Forschung, z.B. die Ausrichtung der
Mission, die Beachtung grundlegender rechtsstaatlicher
und demokratischer Prinzipien, die Effizienz und Funktionsfähigkeit
der Wissenschaftsorganisation sowie die
Anforderungen aus PCGK. Die Aufsichtsratstätigkeit
des Bundes versteht Huthmacher auch als Mittlerrolle
zwischen Politik und Wissenschaft. In der Besetzung des
Aufsichtsratsvorstands mit höherrangigen Ministeriumsbeamten
bestehe die Möglichkeit, Konflikte zu lösen,
da eine Vertrauensbasis sowohl in Beziehung zur
Ministeriumsspitze als auch zum Präsidenten der HGF
bestehe. Konflikte entstünden durch unterschiedliche
Erwartungshaltungen zwischen Wissenschaft und Politik.
Außerdem bestehe Konfliktpotenzial dort, wo Grenzen
der Selbstorganisation der einzelnen Forschungszentren
entstehen, sodass es zu internen Konflikte etwa
zu finanziellen Ressourcen und zu singulärer Interessenwahrnehmung
in oder zwischen den einzelnen Zentren
kommt. Die Erfolgsfaktoren eines gelingenden Zusammenspiels
zwischen Wissenschaft und Politik seien ein
klares Rollenverständnis angesichts der unterschiedlichen
Logiken zwischen Politik und Wissenschaft.
VIII. Welche Aufsicht ist für Wissenschaftseinrichtungen
angemessen?
Die abschließende Podiumsdiskussion moderierte Wissenschaftsjournalist
Dr. Jan-Martin Wiarda. Es diskutierten
Prof. Dr. Frank Dellmann (FH Münster, Präsident),
Dr. Thomas Grünewald (Hochschule Niederrhein,
Präsident, Staatssekretär im Ministerium Wissenschaft
und Forschung NRW a.D.), Prof. Dr. Georg Krausch
(Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Präsident) und
Prof. Dr. Frank Ziegele (Hochschule Osnabrück, Professor
für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement,
CHE, Geschäftsführer).
Nach Dellmann ist die Aufsicht über Wissenschaftseinrichtungen
angemessen, wenn ein Ausgleich zwischen
Wissenschaftsfreiheit und der nötigen Kontrolle
stattfinde. Im Speziellen zeige sich aber schon am Programm
der Tagung, dass aufgrund der Heterogenität der
Wissenschaftseinrichtungen nicht eine einzige angemessene
Aufsicht bestehe. Auch zwischen den Fachhochschulen
müsse für diese Beurteilung zwischen Träger,
Größe oder Profil der Hochschule differenziert werden.
Krausch differenzierte zur Beantwortung der Frage nach
den Formen der Aufsicht. Die Angemessenheit der
Rechtsaufsicht und Finanzaufsicht könnten institutionenübergreifend
gleich beantwortet werden. Die notwendige
inhaltliche Steuerung unterscheide sich jedoch
zwischen den verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen.
Nach Ansicht Ziegeles sei insbesondere das alte Modell
der staatlichen Fachaufsicht mit der Detailkontrolle
und Steuerung einzelner Prozesse für Wissenschaftseinrichtungen
nicht angemessen. Statt eine institutionenübergreifende
Angemessenheit der Aufsicht festzulegen,
gebe es Prinzipien, die für die Aufsicht über alle Wissenschaftseinrichtungen
gelten, wie etwa die Widerspruchsfreiheit
eines Aufsichtsmodells. Insbesondere angesichts
der verschiedenen Akteure bei der Aufsicht benötigen
Aufsichtsmaßnahmen ein Mindestmaß an Konsistenz,
da ansonsten die Handlungsfähigkeit der Wissenschaftseinrichtung
eingeschränkt sei. Während also dieselben
Grundprinzipien für die Aufsicht über alle Wissenschaftseinrichtungen
gelten, seien je nach Einrichtung
unterschiedliche Detailregelungen der Aufsicht
erforderlich.
Inwieweit Ministeriumsvertreter Mitglieder der
Hochschul- oder Aufsichtsräte sein sollten und wie ihre
Rolle dort auszugestalten sei, schätzte Grünewald differenziert
nach den verschiedenen Einrichtungen ein: In
den Hochschulräten sei die Rolle mit Zurückhaltung als
die eines Beobachters wahrzunehmen, während in den
Aufsichtsräten außeruniversitärer Forschungseinrichtungen
eine stärkere inhaltliche Einflussnahme und
Kontrolle geboten sei. Dies sei, wie auch bei Huthmacher
dargestellt, von der Missionsbindung und dem Investitionsbedarf
der Organisation abhängig. Der Differenzierung
stimmte auch Ziegele zu, warf jedoch Zweifel an der
Eignung der Hochschulräte als Austauschforum zwischen
Hochschule und Ministerium auf, da sich die AnHaake
· Gibt es eine angemessene Aufsicht für Wissenschaftseinrichtungen? 2 8 7
wesenheit von Ministeriumsvertretern restringierend
auf die Diskussionen im Hochschulrat auswirken könne.
Dies beobachtete auch Dellmann, zumal der Rollenwechsel
im Hochschulrat vom Ministeriumsvertreter
zum im Interesse der Hochschule agierenden Hochschulratsmitglied
in der Praxis oft misslinge. Konflikte
im Hochschulrat könnten auch entstehen, wenn Angehörige
der Hochschule als Mitglieder des Hochschulrats
die Aufsicht über das Präsidium ausübten, der Präsident
aber gleichzeitig auch die Dienstaufsicht über die Hochschulangehörigen
innehabe. Der Erfolg der Aufsicht sei
in Anbetracht möglicher solcher Konfliktfelder sowohl
von den geschaffenen Strukturen als auch den einzelnen
Prozessen oder Personen abhängig.
In Bezug auf Drittmittelprojekte und die Steuerung
der Hochschulen durch Programme sah Grünewald insbesondere
die Grundfinanzierung und die Drittmittelfinanzierung
der Hochschulen außer Verhältnis. Eine Lösung
könnte die Überführung der Dritt- oder Zweitmittel
in die Grundfinanzierung sein. Krausch beobachtete
oft eine hohe Detailschärfe im Rahmen von staatlichen
Programmen, die auf begrenzte Zeit Zweitmittel bereitstellen,
sodass im Rahmen dieser detaillierten Zielvorgaben
kaum Hochschulautonomie gegeben sei. Es bestehe
in dieser Hinsicht ein Widerspruch zwischen dem erklärten
Rückzug aus der detaillierten Fachaufsicht des
Staates einerseits und kleinteiligen inhaltlichen Vorgaben
der Programme andererseits.
Karoline Haake ist als Doktorandin am Institut für
Internationales Recht, Lehrstuhl für Öffentliches Recht,
Völker- und Europarecht an der Leibniz Universität
Hannover tätig.
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