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I. Ein­lei­tung
Ent­ge­gen der Behaup­tung, das Staats­examen sei ein seit über 150 Jah­ren wider bes­se­res Wis­sen reform­re­sis­ten­tes Instru­ment zur Gän­ge­lung des juris­ti­schen Nach­wuch­ses, ist die deut­sche juris­ti­sche Aus­bil­dung, deren Qua­li­tät euro­pa- und welt­weit höchs­tes Anse­hen genießt, oft Gegen­stand von Anpas­sun­gen und Refor­men gewe­sen. Der Deut­sche Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag (DJFT) hat die­se in den letz­ten Jahr­zehn­ten mehr­fach ange­sto­ßen und stets inten­siv begleitet.1
In den 1960er Jah­ren ging es um die Fächer­ka­ta­lo­ge der Prü­fungs­ord­nun­gen und die Ver­ein­heit­li­chung der Juris­ten­aus­bil­dung. In den 1970ern war man mit Kapa­zi­täts­pro­ble­men und der – will­kür­li­chen – Fest­set­zung des soge­nann­ten cur­ri­cu­la­ren Norm­werts 1976 auf 1,5 kon­fron­tiert. Der DJFT hat sich – lei­der nur zum Teil erfolg­reich – um eine Erhö­hung die­ses Werts bemüht, doch noch heu­te lei­den wir in beson­de­rem Maße unter der im Ver­hält­nis zu ande­ren Stu­di­en­gän­gen schlech­ten Betreu­ungs­re­la­ti­on, die von einer chro­ni­schen Unter­fi­nan­zie­rung der Fakul­tä­ten beglei­tet wird. Anfang der 1990er Jah­re wur­den stu­di­en­be­glei­ten­de Leis­tungs­kon­trol­len ein­ge­führt und, im Rah­men der Bemü­hun­gen um eine Stu­di­en­zeit­ver­kür­zung, der Frei­ver­such, der als erfolg­rei­ches Anreiz­mo­dell gel­ten darf. Mit­te der 1990er Jah­re wur­de – mit dem Ver­such, die Leh­re von spe­zi­fi­schen juris­ti­schen Berei­chen an Fach­hoch­schu­len anzu­sie­deln – die Wis­sen­schaft­lich­keit und die Ein­heit des Stu­di­ums in Fra­ge gestellt. Im Bolo­gna-Pro­zess rede­ten man­che einer Ver­schu­lung des Stu­di­ums unter rie­si­gem büro­kra­ti­schem Auf­wand das Wort. Der Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag konn­te das Staats­examen gegen die Umstel­lung auf das Bolo­gna-Sys­tem unter der Lei­tung sei­ner Vor­sit­zen­den Peter Huber und Hen­ning Rad­tke zusam­men mit dem Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, den Jus­tiz­mi­nis­te­ri­en der Län­der, den Ver­tre­tun­gen der juris­ti­schen Beru­fe und der Bun­des­fach­schaft Jura erfolg­reich verteidigen.2 Anfang der 2000er Jah­re hat sich der DJFT für die Eta­blie­rung des Schwer­punkt­be­reichs­stu­di­ums ein­ge­setzt. Die soge­nann­ten Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen wur­den 2003 im Deut­schen Richt­rge­setz (DRiG) auf­ge­nom­men. Letz­tes Jahr wur­de § 5a Abs. 2 DRiG dahin­ge­hend ergänzt, dass die Ver­mitt­lung der Pflicht­fä­cher auch in Aus­ein­an­der­set­zung mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unrecht und dem Unrecht der SED-Dik­ta­tur erfolgt.3 In § 5a Abs. 3 wur­de expli­zit dar­auf ver­wie­sen, dass die Inhal­te des Stu­di­ums die ethi­schen Grund­la­gen des Rechts berück­sich­ti­gen und die Fähig­keit zur kri­ti­schen Refle­xi­on des Rechts för­dern sol­len. Die For­mu­lie­rung im Gesetz geht zum Teil auf den Vor­schlag des DJFT zurück.4 Auch die Mög­lich­kei­ten der soge­nann­ten E‑Klausur und des Teil­zeit­re­fe­ren­da­ri­ats wur­den ein­ge­führt, eben­so vor eini­gen Jah­ren eine län­ge­re Dau­er der Anwalts­sta­ti­on wäh­rend des Refe­ren­da­ri­ats. Schließ­lich dür­fen die im Lau­fe der Jah­re wie­der­hol­ten Redu­zie­run­gen des Prü­fungs­stof­fes nicht uner­wähnt blei­ben, zuletzt auf der Grund­la­ge eines Stoff­ka­ta­logs, der 2017 von der Jus­tiz­mi­nis­ter­kon­fe­renz gebil­ligt wor­den ist und auf einen Vor­schlag des Aus­schuss der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung (Koor­di­nie­rungs­aus­schuss) zurück­geht, auf den der DJFT zum Teil ein­wir­ken konnte.5 Die Umset­zung in den Prü­fungs­ord­nun­gen der Län­der dürf­te mitt­ler­wei­le über­all abge­schlos­sen sein.
II. Aktu­el­le Her­aus­for­de­run­gen der juris­ti­schen Ausbildung

  1. Dem nega­ti­ven Nar­ra­tiv mit Fak­ten ent­ge­gen­tre­ten
    Seit eini­ger Zeit tra­gen Tei­le der Stu­die­ren­den im Hin­blick auf das Jura-Stu­di­um gleich­wohl ver­mehrt Unsi­Ti­zia­na
    Chi­usi
    The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Ausbildung*
  • Der Bei­trag knüpft an den Arti­kel an, der am 30. Juni 2022 in der F.A.Z. unter dem Titel „Ein Jodel-Diplom?“ erschie­nen ist.
    1 Umfas­send zu den Refor­men bis Mit­te der 1990er Jah­re Knemeyer/Hadding/Lange/Walz/Werner (Hrsg.), 75 Jah­re Deut­scher Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag, 2. Aufl. 1995.
    2 Deut­scher Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag (Hrsg.), Der »Bolo­gna-Pro­zess« und die Juris­ten­aus­bil­dung in Deutsch­land, Ver­öf­fent­li­chun­gen des Deut­schen Juris­ten-Fakul­tä­ten­ta­ges, 2005/2006.
    3 Gesetz zur Moder­ni­sie­rung des nota­ri­el­len Berufs­rechts und zur Ände­rung wei­te­rer Vor­schrif­ten v. 25.06.2021, BGBl. 2021, I, S. 2154.
    4 Beschluss des DJFT 2018/II Nr. 4; die hier und im Fol­gen­den nur mit „DJFT“ zitier­ten Beschlüs­se des DJFT ab 2006 sind auf der Web­sei­te der Inter­es­sen­ver­tre­tung zugäng­lich.
    5 Bericht des Aus­schus­ses der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung, Novem­ber 2017, abruf­bar unter: https://www.djft.de/wp-content/uploads/2019/03/2017–10-02-Gesamtbericht-endg%E2%94%9C%E2%95%9Dltige-Fassung‑1.pdf (letz­ter Zugriff am 02.12.2022).
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197
    4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    6 Bun­des­amt für Jus­tiz, Aus­bil­dungs­sta­tis­tik zur Juris­ten­aus­bil­dung
    über die Ergeb­nis­se der Pflicht­fach­prü­fung im Jahr 2019,
    abruf­bar unter: https://www.bundesjustizamt.de/SharedDocs/
    Downloads/DE/Justizstatistik/Juristenausbildung_2019.pdf?__
    blob=publicationFile&v=3 (letz­ter Zugriff am 02.12.2022).
    7 So Heublein/Hutzsch/Schmelzer, DZHW Brief 05/2022: „Die
    Ent­wick­lung der Stu­di­en­ab­bruch­quo­ten in Deutsch­land“, S. 5
    und 12; insb. auf S.12: Die Stu­di­en­ab­bruch­quo­te gibt danach den
    Anteil der Stu­di­en­an­fän­ger eines Jahr­gangs an, die ihr Erst­stu­di­um
    been­den, ohne einen Abschluss zu erwer­ben. Mit einem
    „Stu­di­en­ab­bruch“ flie­ßen also nur Per­so­nen in die Betrach­tung
    ein, die durch Imma­tri­ku­la­ti­on ein Erst­stu­di­um an einer
    deut­schen Hoch­schu­le auf­ge­nom­men haben, aber das deut­sche
    Hoch­schul­sys­tem ohne (ers­ten) Abschluss ver­las­sen. Fach­wech­sel,
    Hoch­schul­wech­sel wie auch ein erfolg­lo­ses Zweit­stu­di­um gel­ten
    hin­ge­gen nicht als Stu­di­en­ab­bruch. Aus die­sem Grund zu Recht
    kri­tisch Kili­an, Juris­ten­aus­bil­dung, S. 101: „wenig hilf­reich“. Die­ser
    nennt als mög­li­che Hin­ter­grün­de der Stu­di­en­ab­bruch­quo­te etwa
    die im Ver­gleich zu ande­ren Stu­di­en­gän­gen weni­ger star­ke Zugangs­be­schrän­kung
    oder dass Schul­ab­gän­ger mit der Rechts­wis­sen­schaft
    im Rah­men der sekun­dä­ren Aus­bil­dung, anders als mit
    vie­len ande­ren Stu­di­en­fä­chern, nicht in Berüh­rung gekom­men
    sind, vgl. S. 103 f.
    8 So jeden­falls Heublein/Hutzsch/Kracke/Schneider, Die Ursa­chen
    des Stu­di­en­ab­bruchs in den Stu­di­en­gän­gen des Staats­examens
    Jura. Eine Ana­ly­se auf Basis einer Befra­gung der Exma­tri­ku­lier­ten
    vom Som­mer­se­mes­ter 2014. DZHW-Pro­jekt­be­richt 2017, S. 2.
    9 Von 11.176 im Jahr 2009 über 11.848 im Jahr 2013 und 14.011 im
    Jahr 2016 zu zuletzt 14.278 im Jahr 2019 vgl. Bun­des­amt für Jus­tiz,
    Aus­bil­dungs­sta­tis­ti­ken zur Juris­ten­aus­bil­dung über die Ergeb­nis­se
    der Pflicht­fach­prü­fung, abruf­bar unter: https://www.bundesjustizamt.
    de/DE/Service/Justizstatistiken/Justizstatistiken_node.
    html#AnkerDokument44060 (letz­ter Zugriff am 02.12.2022).
    10 Der Tagungs­band mit dem Titel „Das hun­dert­jäh­ri­ge Jubi­lä­um
    des Deut­schen Juris­ten-Fakul­tä­ten­tags“ ist in Vor­be­rei­tung.
    cher­hei­ten und Zwei­fel in die Öffent­lich­keit. Der Umfang
    des Prü­fungs­stoffs wird ange­pran­gert und die Anfor­de­run­gen
    in der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung wer­den als zu
    hoch emp­fun­den.
    Zwar zei­gen die Prü­fungs­er­geb­nis­se, dass hohe, aber
    kei­ne uner­füll­ba­ren Anfor­de­run­gen an die Examens­kan­di­da­ten
    gestellt wer­den. Nach den Daten des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums
    der Jus­tiz haben im Jahr 2019 nur 3,9
    Pro­zent der geprüf­ten Kan­di­da­ten die Ers­te Juris­ti­sche
    Prü­fung end­gül­tig nicht bestanden.6 Die regel­mä­ßig
    durch das Bun­des­amt für Jus­tiz ver­öf­fent­lich­ten Durch­fall­quo­ten
    der letz­ten fünf Jah­re bewe­gen sich mit einem
    durch­schnitt­li­chen Wert von 4,7 Pro­zent eben­falls in einem
    sehr nied­ri­gen Bereich. Das Argu­ment, dar­in sei­en
    die Abbre­cher oder die­je­ni­gen, die auf einen zwei­ten
    Ver­such (oder einen drit­ten, wenn der Frei­ver­such wahr­ge­nom­men
    wur­de) ver­zich­ten, nicht berück­sich­tigt, ist
    für die Beur­tei­lung des Schwie­rig­keits­grads der Anfor­de­run­gen
    nicht wirk­lich ein­schlä­gig. Denn zum einen
    liegt die Stu­di­en­ab­bruch­quo­te in der Rechts­wis­sen­schaft
    – unge­ach­tet der Pro­ble­ma­tik der genau­en Ermitt­lung
    und damit Aus­sa­ge­kraft eines sol­chen Wer­tes – mit 35
    Pro­zent gera­de im uni­ver­si­tä­ren Durchschnitt.7 Zum ande­ren
    ist die Ent­schei­dung, nicht noch ein­mal anzu­tre­ten,
    obwohl es mög­lich wäre, eine per­sön­li­che, sub­jek­ti­ve
    Wahl, der kaum ein objek­ti­vie­ren­der Cha­rak­ter hin­sicht­lich
    der „Mach­bar­keit“ der Prü­fung zuge­ord­net
    wer­den kann. Auch las­sen sich die sub­jek­ti­ven Ent­schei­dun­gen
    für einen Stu­di­en­ab­bruch nach der in die­sem
    Zusam­men­hang oft bemüh­ten Sta­tis­tik nicht auf einen
    ein­zi­gen Grund zurück­füh­ren und unter­schei­den sich
    im Ver­gleich zu den ande­ren uni­ver­si­tä­ren Stu­di­en­gän­gen
    nicht wesentlich.8 Mögen man­che Stu­die­ren­de auf
    einen zwei­ten oder gar drit­ten Ver­such der Ers­ten Juris­ti­schen
    Prü­fung ver­zich­ten, haben ande­re in einem
    Zweit- oder Dritt­ver­such Erfolg und zei­gen, dass die Bewäl­ti­gung
    des Prü­fungs­drucks mög­lich ist. Im Übri­gen
    ist die abso­lu­te Zahl der erfolg­reich geprüf­ten Rechts­kan­di­da­ten
    nach den ver­öf­fent­lich­ten Sta­tis­ti­ken der
    letz­ten zehn Jah­re sogar deut­lich gestiegen.9
    Das Vor­tra­gen der Erfolgs- oder Miss­erfolgs­da­ten
    wird aber nicht genü­gen, um die Ängs­te und Zwei­fel zu
    besie­gen, die vie­le Stu­die­ren­de in der Prü­fungs­pha­se
    und sogar schon wäh­rend des Stu­di­ums ent­wi­ckeln, zumal
    es schwie­rig ist, Gefüh­le mit Pro­zent­zah­len zu bekämp­fen.
    Es bedarf von Sei­ten der Fakul­tä­ten viel­mehr
    einer star­ken Ant­wort inhalt­li­cher Natur auf die Unsi­cher­hei­ten
    der Stu­die­ren­den: Zwar wer­den die Prü­fungs­for­ma­te
    der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung dem
    Zweck, Fer­tig­kei­ten und Fähig­kei­ten der Kan­di­da­ten für
    die juris­ti­schen Beru­fe fest­zu­stel­len, grund­sätz­lich gut
    gerecht. Es geht hier näm­lich dar­um – was manch­mal in
    der Dis­kus­si­on über die Schwie­rig­keit des Stu­di­ums und
    der Prü­fung aus­ge­blen­det wird –, die fach­li­che Eig­nung
    für die Aus­übung von Beru­fen zu ermit­teln, in denen oft
    Ent­schei­dun­gen zu tref­fen sind, die für die Frei­heit oder
    den Ver­lauf des Lebens von Men­schen maß­geb­lich sein
    kön­nen. Doch das bedeu­tet selbst­ver­ständ­lich nicht,
    dass das Stu­di­um in man­cher Hin­sicht nicht ver­bes­se­rungs­fä­hig
    und anpas­sungs­be­dürf­tig sein kann.
    Die­se Her­aus­for­de­rung, den Stu­die­ren­den eine Lösung
    inhalt­li­cher Natur bereit­zu­stel­len, hat den DJFT als
    Inter­es­sen­ver­ei­ni­gung der 44 deut­schen juris­ti­schen Fakul­tä­ten
    und elf deutsch­spra­chi­gen Fakul­tä­ten aus Öster­reich,
    der Schweiz und Ungarn zuletzt anläss­lich sei­nes
    100-jäh­ri­gen Jubi­lä­ums auf dem Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag
    in Karls­ru­he im Jahr 2021 beschäftigt.10 Außer­dem
    wur­de der fol­gen­de 101. DJFT in Saar­brü­cken in mehr­fa­che­rer
    Hin­sicht der Ver­bes­se­rung des Stu­di­ums gera­de
    mit Blick auf die Prü­fungs­pha­se gewid­met.
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 5
    11 DJFT 2022/1 Nr. 1.
    12 DJFT 2022/1 Nr. 1.
    13 Die Ange­bo­te der Mit­glieds­fa­kul­tä­ten zur Examens­vor­be­rei­tung
    sind auf der Web­sei­te des DJFT ein­seh­bar, s. https://www.djft.de/
    wp-con­ten­t/u­pload­s/2022/07/­Ex­amens­an­ge­bo­te-der-Fakul­tae­ten.
    pdf (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    14 DJFT 2022/1 Nr. 2.
    15 Um nur eini­ge zu nen­nen: Work­shop „Fit und ohne Stress ins
    Examen“ der Uni­ver­si­tät in Augs­burg, Stress­be­wäl­ti­gungs­kurs
    in der Examens­vor­be­rei­tung der Uni­ver­si­tät in Bay­reuth oder
    – gleich­na­mig – der Uni­ver­si­tät in Mar­burg, Stress­kom­pe­tenz­se­mi­nar
    der Uni­ver­si­tät in Kon­stanz oder Work­shop der Psy­cho­so­zia­len
    Bera­tungs­stel­le der Uni­ver­si­tät in Osna­brück.
    16 Ein sol­ches Ange­bot exis­tiert etwa an den Uni­ver­si­tä­ten in Bie­le­feld,
    Bochum, Müns­ter und Trier.
    Der Prü­fungs­druck vor und in der ers­ten Staats­prü­fung
    ist schließ­lich nach­voll­zieh­bar: Inner­halb von zwei
    Wochen wird eine Fül­le an Wis­sen abge­fragt und das
    Ergeb­nis der Prü­fung spielt eine wich­ti­ge Rol­le für den
    wei­te­ren Ver­lauf der Kar­rie­re, auch wenn das Gerücht,
    man bräuch­te unbe­dingt exzel­len­te Prü­fungs­er­geb­nis­se,
    um eine gute beruf­li­che Ein­stel­lung zu errei­chen, durch
    die aktu­ell güns­ti­ge Markt­si­tua­ti­on so gut wie obso­let
    gewor­den ist und nicht dadurch wahr wird, dass es wie­der­holt
    wird.
  1. Effek­ti­ve

I. Ein­lei­tung
Ent­ge­gen der Behaup­tung, das Staats­examen sei ein seit über 150 Jah­ren wider bes­se­res Wis­sen reform­re­sis­ten­tes Instru­ment zur Gän­ge­lung des juris­ti­schen Nach­wuch­ses, ist die deut­sche juris­ti­sche Aus­bil­dung, deren Qua­li­tät euro­pa- und welt­weit höchs­tes Anse­hen genießt, oft Gegen­stand von Anpas­sun­gen und Refor­men gewe­sen. Der Deut­sche Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag (DJFT) hat die­se in den letz­ten Jahr­zehn­ten mehr­fach ange­sto­ßen und stets inten­siv begleitet.1
In den 1960er Jah­ren ging es um die Fächer­ka­ta­lo­ge der Prü­fungs­ord­nun­gen und die Ver­ein­heit­li­chung der Juris­ten­aus­bil­dung. In den 1970ern war man mit Kapa­zi­täts­pro­ble­men und der – will­kür­li­chen – Fest­set­zung des soge­nann­ten cur­ri­cu­la­ren Norm­werts 1976 auf 1,5 kon­fron­tiert. Der DJFT hat sich – lei­der nur zum Teil erfolg­reich – um eine Erhö­hung die­ses Werts bemüht, doch noch heu­te lei­den wir in beson­de­rem Maße unter der im Ver­hält­nis zu ande­ren Stu­di­en­gän­gen schlech­ten Betreu­ungs­re­la­ti­on, die von einer chro­ni­schen Unter­fi­nan­zie­rung der Fakul­tä­ten beglei­tet wird. Anfang der 1990er Jah­re wur­den stu­di­en­be­glei­ten­de Leis­tungs­kon­trol­len ein­ge­führt und, im Rah­men der Bemü­hun­gen um eine Stu­di­en­zeit­ver­kür­zung, der Frei­ver­such, der als erfolg­rei­ches Anreiz­mo­dell gel­ten darf. Mit­te der 1990er Jah­re wur­de – mit dem Ver­such, die Leh­re von spe­zi­fi­schen juris­ti­schen Berei­chen an Fach­hoch­schu­len anzu­sie­deln – die Wis­sen­schaft­lich­keit und die Ein­heit des Stu­di­ums in Fra­ge gestellt. Im Bolo­gna-Pro­zess rede­ten man­che einer Ver­schu­lung des Stu­di­ums unter rie­si­gem büro­kra­ti­schem Auf­wand das Wort. Der Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag konn­te das Staats­examen gegen die Umstel­lung auf das Bolo­gna-Sys­tem unter der Lei­tung sei­ner Vor­sit­zen­den Peter Huber und Hen­ning Rad­tke zusam­men mit dem Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, den Jus­tiz­mi­nis­te­ri­en der Län­der, den Ver­tre­tun­gen der juris­ti­schen Beru­fe und der Bun­des­fach­schaft Jura erfolg­reich verteidigen.2 Anfang der 2000er Jah­re hat sich der DJFT für die Eta­blie­rung des Schwer­punkt­be­reichs­stu­di­ums ein­ge­setzt. Die soge­nann­ten Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen wur­den 2003 im Deut­schen Richt­rge­setz (DRiG) auf­ge­nom­men. Letz­tes Jahr wur­de § 5a Abs. 2 DRiG dahin­ge­hend ergänzt, dass die Ver­mitt­lung der Pflicht­fä­cher auch in Aus­ein­an­der­set­zung mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unrecht und dem Unrecht der SED-Dik­ta­tur erfolgt.3 In § 5a Abs. 3 wur­de expli­zit dar­auf ver­wie­sen, dass die Inhal­te des Stu­di­ums die ethi­schen Grund­la­gen des Rechts berück­sich­ti­gen und die Fähig­keit zur kri­ti­schen Refle­xi­on des Rechts för­dern sol­len. Die For­mu­lie­rung im Gesetz geht zum Teil auf den Vor­schlag des DJFT zurück.4 Auch die Mög­lich­kei­ten der soge­nann­ten E‑Klausur und des Teil­zeit­re­fe­ren­da­ri­ats wur­den ein­ge­führt, eben­so vor eini­gen Jah­ren eine län­ge­re Dau­er der Anwalts­sta­ti­on wäh­rend des Refe­ren­da­ri­ats. Schließ­lich dür­fen die im Lau­fe der Jah­re wie­der­hol­ten Redu­zie­run­gen des Prü­fungs­stof­fes nicht uner­wähnt blei­ben, zuletzt auf der Grund­la­ge eines Stoff­ka­ta­logs, der 2017 von der Jus­tiz­mi­nis­ter­kon­fe­renz gebil­ligt wor­den ist und auf einen Vor­schlag des Aus­schuss der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung (Koor­di­nie­rungs­aus­schuss) zurück­geht, auf den der DJFT zum Teil ein­wir­ken konnte.5 Die Umset­zung in den Prü­fungs­ord­nun­gen der Län­der dürf­te mitt­ler­wei­le über­all abge­schlos­sen sein.
II. Aktu­el­le Her­aus­for­de­run­gen der juris­ti­schen Ausbildung

  1. Dem nega­ti­ven Nar­ra­tiv mit Fak­ten ent­ge­gen­tre­ten
    Seit eini­ger Zeit tra­gen Tei­le der Stu­die­ren­den im Hin­blick auf das Jura-Stu­di­um gleich­wohl ver­mehrt Unsi­Ti­zia­na
    Chi­usi
    The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Ausbildung*
  • Der Bei­trag knüpft an den Arti­kel an, der am 30. Juni 2022 in der F.A.Z. unter dem Titel „Ein Jodel-Diplom?“ erschie­nen ist.
    1 Umfas­send zu den Refor­men bis Mit­te der 1990er Jah­re Knemeyer/Hadding/Lange/Walz/Werner (Hrsg.), 75 Jah­re Deut­scher Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag, 2. Aufl. 1995.
    2 Deut­scher Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag (Hrsg.), Der »Bolo­gna-Pro­zess« und die Juris­ten­aus­bil­dung in Deutsch­land, Ver­öf­fent­li­chun­gen des Deut­schen Juris­ten-Fakul­tä­ten­ta­ges, 2005/2006.
    3 Gesetz zur Moder­ni­sie­rung des nota­ri­el­len Berufs­rechts und zur Ände­rung wei­te­rer Vor­schrif­ten v. 25.06.2021, BGBl. 2021, I, S. 2154.
    4 Beschluss des DJFT 2018/II Nr. 4; die hier und im Fol­gen­den nur mit „DJFT“ zitier­ten Beschlüs­se des DJFT ab 2006 sind auf der Web­sei­te der Inter­es­sen­ver­tre­tung zugäng­lich.
    5 Bericht des Aus­schus­ses der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung, Novem­ber 2017, abruf­bar unter: https://www.djft.de/wp-content/uploads/2019/03/2017–10-02-Gesamtbericht-endg%E2%94%9C%E2%95%9Dltige-Fassung‑1.pdf (letz­ter Zugriff am 02.12.2022).
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197
    4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    6 Bun­des­amt für Jus­tiz, Aus­bil­dungs­sta­tis­tik zur Juris­ten­aus­bil­dung
    über die Ergeb­nis­se der Pflicht­fach­prü­fung im Jahr 2019,
    abruf­bar unter: https://www.bundesjustizamt.de/SharedDocs/
    Downloads/DE/Justizstatistik/Juristenausbildung_2019.pdf?__
    blob=publicationFile&v=3 (letz­ter Zugriff am 02.12.2022).
    7 So Heublein/Hutzsch/Schmelzer, DZHW Brief 05/2022: „Die
    Ent­wick­lung der Stu­di­en­ab­bruch­quo­ten in Deutsch­land“, S. 5
    und 12; insb. auf S.12: Die Stu­di­en­ab­bruch­quo­te gibt danach den
    Anteil der Stu­di­en­an­fän­ger eines Jahr­gangs an, die ihr Erst­stu­di­um
    been­den, ohne einen Abschluss zu erwer­ben. Mit einem
    „Stu­di­en­ab­bruch“ flie­ßen also nur Per­so­nen in die Betrach­tung
    ein, die durch Imma­tri­ku­la­ti­on ein Erst­stu­di­um an einer
    deut­schen Hoch­schu­le auf­ge­nom­men haben, aber das deut­sche
    Hoch­schul­sys­tem ohne (ers­ten) Abschluss ver­las­sen. Fach­wech­sel,
    Hoch­schul­wech­sel wie auch ein erfolg­lo­ses Zweit­stu­di­um gel­ten
    hin­ge­gen nicht als Stu­di­en­ab­bruch. Aus die­sem Grund zu Recht
    kri­tisch Kili­an, Juris­ten­aus­bil­dung, S. 101: „wenig hilf­reich“. Die­ser
    nennt als mög­li­che Hin­ter­grün­de der Stu­di­en­ab­bruch­quo­te etwa
    die im Ver­gleich zu ande­ren Stu­di­en­gän­gen weni­ger star­ke Zugangs­be­schrän­kung
    oder dass Schul­ab­gän­ger mit der Rechts­wis­sen­schaft
    im Rah­men der sekun­dä­ren Aus­bil­dung, anders als mit
    vie­len ande­ren Stu­di­en­fä­chern, nicht in Berüh­rung gekom­men
    sind, vgl. S. 103 f.
    8 So jeden­falls Heublein/Hutzsch/Kracke/Schneider, Die Ursa­chen
    des Stu­di­en­ab­bruchs in den Stu­di­en­gän­gen des Staats­examens
    Jura. Eine Ana­ly­se auf Basis einer Befra­gung der Exma­tri­ku­lier­ten
    vom Som­mer­se­mes­ter 2014. DZHW-Pro­jekt­be­richt 2017, S. 2.
    9 Von 11.176 im Jahr 2009 über 11.848 im Jahr 2013 und 14.011 im
    Jahr 2016 zu zuletzt 14.278 im Jahr 2019 vgl. Bun­des­amt für Jus­tiz,
    Aus­bil­dungs­sta­tis­ti­ken zur Juris­ten­aus­bil­dung über die Ergeb­nis­se
    der Pflicht­fach­prü­fung, abruf­bar unter: https://www.bundesjustizamt.
    de/DE/Service/Justizstatistiken/Justizstatistiken_node.
    html#AnkerDokument44060 (letz­ter Zugriff am 02.12.2022).
    10 Der Tagungs­band mit dem Titel „Das hun­dert­jäh­ri­ge Jubi­lä­um
    des Deut­schen Juris­ten-Fakul­tä­ten­tags“ ist in Vor­be­rei­tung.
    cher­hei­ten und Zwei­fel in die Öffent­lich­keit. Der Umfang
    des Prü­fungs­stoffs wird ange­pran­gert und die Anfor­de­run­gen
    in der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung wer­den als zu
    hoch emp­fun­den.
    Zwar zei­gen die Prü­fungs­er­geb­nis­se, dass hohe, aber
    kei­ne uner­füll­ba­ren Anfor­de­run­gen an die Examens­kan­di­da­ten
    gestellt wer­den. Nach den Daten des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums
    der Jus­tiz haben im Jahr 2019 nur 3,9
    Pro­zent der geprüf­ten Kan­di­da­ten die Ers­te Juris­ti­sche
    Prü­fung end­gül­tig nicht bestanden.6 Die regel­mä­ßig
    durch das Bun­des­amt für Jus­tiz ver­öf­fent­lich­ten Durch­fall­quo­ten
    der letz­ten fünf Jah­re bewe­gen sich mit einem
    durch­schnitt­li­chen Wert von 4,7 Pro­zent eben­falls in einem
    sehr nied­ri­gen Bereich. Das Argu­ment, dar­in sei­en
    die Abbre­cher oder die­je­ni­gen, die auf einen zwei­ten
    Ver­such (oder einen drit­ten, wenn der Frei­ver­such wahr­ge­nom­men
    wur­de) ver­zich­ten, nicht berück­sich­tigt, ist
    für die Beur­tei­lung des Schwie­rig­keits­grads der Anfor­de­run­gen
    nicht wirk­lich ein­schlä­gig. Denn zum einen
    liegt die Stu­di­en­ab­bruch­quo­te in der Rechts­wis­sen­schaft
    – unge­ach­tet der Pro­ble­ma­tik der genau­en Ermitt­lung
    und damit Aus­sa­ge­kraft eines sol­chen Wer­tes – mit 35
    Pro­zent gera­de im uni­ver­si­tä­ren Durchschnitt.7 Zum ande­ren
    ist die Ent­schei­dung, nicht noch ein­mal anzu­tre­ten,
    obwohl es mög­lich wäre, eine per­sön­li­che, sub­jek­ti­ve
    Wahl, der kaum ein objek­ti­vie­ren­der Cha­rak­ter hin­sicht­lich
    der „Mach­bar­keit“ der Prü­fung zuge­ord­net
    wer­den kann. Auch las­sen sich die sub­jek­ti­ven Ent­schei­dun­gen
    für einen Stu­di­en­ab­bruch nach der in die­sem
    Zusam­men­hang oft bemüh­ten Sta­tis­tik nicht auf einen
    ein­zi­gen Grund zurück­füh­ren und unter­schei­den sich
    im Ver­gleich zu den ande­ren uni­ver­si­tä­ren Stu­di­en­gän­gen
    nicht wesentlich.8 Mögen man­che Stu­die­ren­de auf
    einen zwei­ten oder gar drit­ten Ver­such der Ers­ten Juris­ti­schen
    Prü­fung ver­zich­ten, haben ande­re in einem
    Zweit- oder Dritt­ver­such Erfolg und zei­gen, dass die Bewäl­ti­gung
    des Prü­fungs­drucks mög­lich ist. Im Übri­gen
    ist die abso­lu­te Zahl der erfolg­reich geprüf­ten Rechts­kan­di­da­ten
    nach den ver­öf­fent­lich­ten Sta­tis­ti­ken der
    letz­ten zehn Jah­re sogar deut­lich gestiegen.9
    Das Vor­tra­gen der Erfolgs- oder Miss­erfolgs­da­ten
    wird aber nicht genü­gen, um die Ängs­te und Zwei­fel zu
    besie­gen, die vie­le Stu­die­ren­de in der Prü­fungs­pha­se
    und sogar schon wäh­rend des Stu­di­ums ent­wi­ckeln, zumal
    es schwie­rig ist, Gefüh­le mit Pro­zent­zah­len zu bekämp­fen.
    Es bedarf von Sei­ten der Fakul­tä­ten viel­mehr
    einer star­ken Ant­wort inhalt­li­cher Natur auf die Unsi­cher­hei­ten
    der Stu­die­ren­den: Zwar wer­den die Prü­fungs­for­ma­te
    der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung dem
    Zweck, Fer­tig­kei­ten und Fähig­kei­ten der Kan­di­da­ten für
    die juris­ti­schen Beru­fe fest­zu­stel­len, grund­sätz­lich gut
    gerecht. Es geht hier näm­lich dar­um – was manch­mal in
    der Dis­kus­si­on über die Schwie­rig­keit des Stu­di­ums und
    der Prü­fung aus­ge­blen­det wird –, die fach­li­che Eig­nung
    für die Aus­übung von Beru­fen zu ermit­teln, in denen oft
    Ent­schei­dun­gen zu tref­fen sind, die für die Frei­heit oder
    den Ver­lauf des Lebens von Men­schen maß­geb­lich sein
    kön­nen. Doch das bedeu­tet selbst­ver­ständ­lich nicht,
    dass das Stu­di­um in man­cher Hin­sicht nicht ver­bes­se­rungs­fä­hig
    und anpas­sungs­be­dürf­tig sein kann.
    Die­se Her­aus­for­de­rung, den Stu­die­ren­den eine Lösung
    inhalt­li­cher Natur bereit­zu­stel­len, hat den DJFT als
    Inter­es­sen­ver­ei­ni­gung der 44 deut­schen juris­ti­schen Fakul­tä­ten
    und elf deutsch­spra­chi­gen Fakul­tä­ten aus Öster­reich,
    der Schweiz und Ungarn zuletzt anläss­lich sei­nes
    100-jäh­ri­gen Jubi­lä­ums auf dem Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag
    in Karls­ru­he im Jahr 2021 beschäftigt.10 Außer­dem
    wur­de der fol­gen­de 101. DJFT in Saar­brü­cken in mehr­fa­che­rer
    Hin­sicht der Ver­bes­se­rung des Stu­di­ums gera­de
    mit Blick auf die Prü­fungs­pha­se gewid­met.
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 5
    11 DJFT 2022/1 Nr. 1.
    12 DJFT 2022/1 Nr. 1.
    13 Die Ange­bo­te der Mit­glieds­fa­kul­tä­ten zur Examens­vor­be­rei­tung
    sind auf der Web­sei­te des DJFT ein­seh­bar, s. https://www.djft.de/
    wp-con­ten­t/u­pload­s/2022/07/­Ex­amens­an­ge­bo­te-der-Fakul­tae­ten.
    pdf (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    14 DJFT 2022/1 Nr. 2.
    15 Um nur eini­ge zu nen­nen: Work­shop „Fit und ohne Stress ins
    Examen“ der Uni­ver­si­tät in Augs­burg, Stress­be­wäl­ti­gungs­kurs
    in der Examens­vor­be­rei­tung der Uni­ver­si­tät in Bay­reuth oder
    – gleich­na­mig – der Uni­ver­si­tät in Mar­burg, Stress­kom­pe­tenz­se­mi­nar
    der Uni­ver­si­tät in Kon­stanz oder Work­shop der Psy­cho­so­zia­len
    Bera­tungs­stel­le der Uni­ver­si­tät in Osna­brück.
    16 Ein sol­ches Ange­bot exis­tiert etwa an den Uni­ver­si­tä­ten in Bie­le­feld,
    Bochum, Müns­ter und Trier.
    Der Prü­fungs­druck vor und in der ers­ten Staats­prü­fung
    ist schließ­lich nach­voll­zieh­bar: Inner­halb von zwei
    Wochen wird eine Fül­le an Wis­sen abge­fragt und das
    Ergeb­nis der Prü­fung spielt eine wich­ti­ge Rol­le für den
    wei­te­ren Ver­lauf der Kar­rie­re, auch wenn das Gerücht,
    man bräuch­te unbe­dingt exzel­len­te Prü­fungs­er­geb­nis­se,
    um eine gute beruf­li­che Ein­stel­lung zu errei­chen, durch
    die aktu­ell güns­ti­ge Markt­si­tua­ti­on so gut wie obso­let
    gewor­den ist und nicht dadurch wahr wird, dass es wie­der­holt
    wird.
  1. Effek­ti­ve Examens­vor­be­rei­tung durch die juris­ti­schen
    Fakul­tä­ten
    Um der Furcht der Stu­die­ren­den vor­zu­beu­gen, könn­te
    man z. B. damit anfan­gen, dass sich die­je­ni­gen unter uns
    Leh­ren­den, die den anwe­sen­den Zuhö­rern in der ers­ten
    Vor­le­sung immer noch pro­phe­zei­en, ihre Zahl wer­de
    unwei­ger­lich und rapi­de wegen intel­lek­tu­el­ler Über­for­de­rung
    sin­ken, fra­gen, ob dies zur Stei­ge­rung der Moti­va­ti­on
    der Stu­die­ren­den geeig­net und über­haupt für den
    Erfolg der Vor­le­sung för­der­lich ist. Die­sen soll viel­mehr
    in den Vor­le­sun­gen von Beginn an das Gefühl ver­mit­telt
    wer­den, dass die Pro­fes­so­ren­schaft auf ihrer Sei­te steht,
    und ihnen sämt­li­che nütz­li­che Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung
    stellt, um sie best­mög­lich und vor allem lang­fris­tig
    auf das Examen vor­zu­be­rei­ten. Eine gewis­se Unsi­cher­heit
    ent­steht bereits bei dem Besuch der Vor­le­sun­gen im
    Grund­stu­di­um, wenn die Stu­die­ren­den der unte­ren
    Semes­ter zum ers­ten Mal mit der juris­ti­schen Abs­trak­ti­on
    kon­fron­tiert wer­den. Um zu ver­mei­den, dass sich aus
    die­ser Unsi­cher­heit eine wach­sen­de Angst vor dem Examen
    ent­wi­ckelt, ist es not­wen­dig, ver­stärkt im Stu­di­um
    Ver­an­stal­tun­gen anzu­bie­ten, wel­che die Anwen­dung der
    Theo­rie aus den Vor­le­sun­gen für Klau­su­ren und Haus­ar­bei­ten
    klar wer­den las­sen.
    Aber auch nach Abschluss des Grund­stu­di­ums dür­fen
    die Stu­die­ren­den nicht mit der Examens­vor­be­rei­tung
    allei­ne gelas­sen wer­den: Es gehört zu den Kern­auf­ga­ben
    der deut­schen juris­ti­schen Fakul­tä­ten, die Stu­die­ren­den
    für die fach­li­chen und metho­di­schen Anfor­de­run­gen
    der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung vorzubereiten.11
    Die Fakul­tä­ten haben die der Examens­vor­be­rei­tung die­nen­den
    Pro­gram­me in den ver­gan­ge­nen Jah­ren trotz enger
    wer­den­der finan­zi­el­ler Spiel­räu­me deut­lich aus­ge­baut.
    Denn bei ihnen ist die Examens­vor­be­rei­tung in
    den bes­ten Hän­den: Wir wis­sen, was wir prü­fen – und
    wir reden auch darüber.12 Das inzwi­schen eta­blier­te Ange­bot
    der Fakul­tä­ten umfasst die sys­te­ma­ti­sche Dar­stel­lung
    des rele­van­ten Stof­fes in spe­zi­el­len Vor­le­sun­gen
    und Kur­sen eben­so wie die Ver­mitt­lung von Fall­be­ar­bei­tungs­kom­pe­ten­zen
    in Klausurenkursen.13 Der Deut­sche
    Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag begrüßt die­se vie­len zusätz­li­chen
    Ange­bo­te ausdrücklich.14
    Die Qua­li­tät von uni­ver­si­tä­ren Repe­ti­to­ri­en ist regel­mä­ßig
    zu über­prü­fen und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln; die­se
    kann näm­lich stark vari­ie­ren, nicht nur von Fakul­tät zu
    Fakul­tät, son­dern auch inner­halb ein­zel­ner Fach­säu­len
    an den Fakul­tä­ten. Das Ange­bot an Ver­an­stal­tun­gen zur
    Examens­vor­be­rei­tung muss aus die­sem Grund stän­dig
    ver­bes­sert wer­den, um den Stu­die­ren­den die Sicher­heit
    zu geben, auch ohne ein teu­res kom­mer­zi­el­les Repe­ti­to­ri­um
    gut vor­be­rei­tet in die Prü­fun­gen zu gehen und ihnen,
    soweit es mög­lich ist, die über­trie­be­ne Angst davor
    zu neh­men. Das kann ins­be­son­de­re durch die – bereits
    an vie­len Fakul­tä­ten exis­tie­ren­den – Ange­bo­te zur
    Stress­be­wäl­ti­gung geschehen.15 Begrü­ßens­wert sind in
    die­sem Zusam­men­hang außer­dem die Hil­fe­stel­lun­gen,
    die sich gezielt an die Repe­ten­ten rich­ten, also die­je­ni­gen,
    die bereits ein­mal geschei­tert sind.16
    In den Ver­tie­fungs­ver­an­stal­tun­gen und in den Uni-
    Repe­ti­to­ri­en soll­te dabei nicht ohne Wei­te­res ange­nom­men
    wer­den, jeg­li­che Inhal­te stell­ten nur eine Wie­der­ho­lung
    dar: Diver­se Berei­che, deren Inhal­te even­tu­ell für
    die Grund­vor­le­sun­gen zu abs­trakt waren, gilt es hier inten­siv
    zu bear­bei­ten. Der Grund dafür liegt in dem Umstand,
    dass vie­le Stu­die­ren­de, auf­grund der Fül­le des zu
    ver­ar­bei­ten­den Stof­fes, bei der Vor­be­rei­tung der – mitt­ler­wei­le
    an allen Fakul­tä­ten mehr oder weni­ger zu fin­den­den
    – jewei­li­gen Abschluss­klau­su­ren für die ein­zel­nen
    Vor­le­sun­gen wäh­rend des Stu­di­ums ver­lei­tet wer­den,
    nur die für das Bestehen der jewei­li­gen Klau­sur essen­ti­el­len
    Inhal­te zu ler­nen und zu ver­in­ner­li­chen. Die
    Uni-Repe­ti­to­ri­en sol­len daher kon­sis­tent und über län­ge­re
    Zeit­räu­me Kur­se anbie­ten, in denen die Mög­lich­keit
    besteht, sämt­li­che The­men­ge­bie­te inten­siv zu behan­deln
    und die Stu­die­ren­den auf dem Weg zum Examen länger6
    O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    17 Towfigh/Traxler/Glöckner, Zur Beno­tung in der Examens­vor­be­rei­tung
    und im ers­ten Examen. Eine empi­ri­sche Ana­ly­se, Zeit­schrift
    für Didak­tik der Rechts­wis­sen­schaft 2014, S. 8, 12 ff.
    18 DJFT 2022/II Nr. 2 und 3.
    19 DJFT 2022/II Nr. 4; das The­ma war schon im Jahr 2019 Gegen­stand
    eines Beschlus­ses, s. DJFT 2019/III.
    fris­tig zu beglei­ten, um Pro­ble­men und Schwä­chen
    nach­hal­tig auf den Grund zu gehen. Ein Crash­kurs von
    maxi­mal einer oder zwei Wochen reicht ledig­lich zur
    Stoff­wie­der­ho­lung kurz vor dem Examen aus. Zusätz­lich
    soll­ten die Pro­gram­me zur Examens­vor­be­rei­tung durch
    ein kon­ti­nu­ier­li­ches Ange­bot zur Anfer­ti­gung von Examens­klau­su­ren
    sowie Pro­be­ex­ami­na mit ange­mes­se­ner
    Kor­rek­tur auf Examens­ni­veau unter­stützt wer­den. Gera­de
    die ste­ti­ge Ver­bes­se­rung und Ver­si­che­rung durch das
    Anfer­ti­gen von Klau­su­ren auf Examens­ni­veau unter Examens­be­din­gun­gen
    kann die Sicher­heit der Stu­die­ren­den
    für die Prü­fungs­ta­ge bewie­se­ner­ma­ßen fördern.17
    Die Rea­li­sie­rung und Inten­si­vie­rung der in den Fakul­tä­ten
    schon exis­tie­ren­den Pro­gram­me ist frei­lich
    nicht umsonst zu haben. Die chro­nisch unter­fi­nan­zier­ten
    und per­so­nell unter­be­setz­ten juris­ti­schen Fakul­tä­ten
    arbei­ten schon jetzt über das sich aus den vor­han­de­nen
    Stel­len erge­ben­de Lehr­de­pu­tat hin­aus. Es ist daher not­wen­dig,
    die Aus­stat­tung der Fakul­tä­ten zu ver­bes­sern;
    dafür muss die Poli­tik sen­si­bi­li­siert wer­den. Schon jetzt
    gilt aber für die Fakul­tä­ten, gezielt und bewusst alle vor­han­de­nen
    Kräf­te zu mobi­li­sie­ren, um ihre Stu­die­ren­den
    davon zu über­zeu­gen, dass ein erfolg­rei­ches Examen
    ohne teu­res, kom­mer­zi­el­les Repe­ti­to­ri­um mög­lich ist.
  2. Geschür­te Ängs­te
    Kom­mer­zi­el­le Anbie­ter ver­mit­teln den Stu­die­ren­den
    von Beginn an, dass ihr Examen nur durch den Besuch
    des kos­ten­pflich­ti­gen Kur­ses erfolg­reich sein kann, weil
    dort jeg­li­che höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung bespro­chen
    wird, sowohl die aktu­ells­te als auch die, die in den
    letz­ten Jah­ren in den deutsch­land­weit geschrie­be­nen
    Examens­klau­su­ren rele­vant war. Dabei wird ver­kannt,
    dass die Kennt­nis der logi­schen und sys­te­ma­ti­schen
    Denk­grund­la­gen erfor­der­lich und aus­rei­chend ist, um
    anhand bekann­ter Argu­men­ta­ti­ons­struk­tu­ren eine
    Lösung auch für uner­war­te­te Fäl­le abzu­lei­ten. Die Fakul­tä­ten
    soll­ten den Stu­die­ren­den daher von Beginn an ver­mit­teln,
    dass nur die Beherr­schung der dog­ma­ti­schen
    und sys­te­ma­ti­schen Grund­struk­tu­ren der Rechts­ord­nung
    und der juris­ti­schen Argu­men­ta­ti­ons­tech­nik wirk­lich
    die Lösung von Fäl­len, auch der unbe­kann­ten, und
    daher ein erfolg­rei­ches Examen garan­tie­ren.
    Dar­über hin­aus soll­te deut­li­cher her­vor­ge­ho­ben wer­den,
    dass im Examen kei­nes­falls das „Nach­be­ten“ einer
    Mus­ter­lö­sung erwar­tet wird, son­dern die Prü­fungs­leis­tung
    gera­de dar­in besteht, inner­halb der Kür­ze der vor­ge­ge­be­nen
    Zeit eine ver­tret­ba­re Lösung eigen­stän­dig
    und voll­stän­dig aus­zu­for­mu­lie­ren. Damit ist bei der Ers­ten
    Juris­ti­schen Staats­prü­fung nicht ledig­lich die Fähig­keit
    gefragt, umfang­rei­ches Wis­sen zu repro­du­zie­ren,
    son­dern es geht viel­mehr dar­um, bekann­te Struk­tu­ren in
    einer Trans­fer­leis­tung auf unbe­kann­te Sach­ver­hal­te anzu­wen­den
    und gleich­zei­tig ein soli­des Zeit­ma­nage­ment
    an den Tag zu legen.
  3. Stär­ke­re pro­fes­so­ra­le Betei­li­gung an der Ers­ten Juris­ti­schen
    Staats­prü­fung
    Kon­se­quent dazu ist, dass eine ange­mes­se­ne Betei­li­gung
    von Pro­fes­so­ren und Pro­fes­so­rin­nen an Gestal­tung und
    Durch­füh­rung des schrift­li­chen und münd­li­chen Examens
    erfolgt. Der Prü­fungs­stil der Uni­ver­si­tät, die
    metho­di­sche Her­an­ge­hens­wei­se, die The­men sind den
    Examens­kan­di­da­ten aus dem Stu­di­um ver­traut; Examens­klau­su­ren­vor­schlä­ge
    sei­tens der Fakul­tä­ten stel­len
    die Ver­bin­dung zwi­schen uni­ver­si­tä­rer Leh­re und staat­li­cher
    Prü­fung her. Auch das ist geeig­net, Ängs­te vor
    dem Examen abzubauen.18 Die Pra­xis dies­be­züg­lich ist
    aller­dings in den Bun­des­län­dern unter­schied­lich.
    Grund­sätz­lich sind die Fakul­tä­ten regel­mä­ßig sowohl
    bei der Erstel­lung als auch bei der Kor­rek­tur von Examens­klau­su­ren
    betei­ligt und in den münd­li­chen Prü­fungs­kom­mis­sio­nen
    ver­tre­ten. Das ist aber nicht über­all
    und vor allem nicht in der glei­chen Art und Wei­se
    gewähr­leis­tet, sowohl was den Umfang als auch was die
    Prü­fungs­ver­gü­tung und die Ver­gü­tung für die Erstel­lung
    von Auf­ga­ben­vor­schlä­gen anbe­langt. Des­we­gen hat der
    DJFT im Juni per Beschluss bekräftigt,19 dass die Bun­des­län­der,
    soweit nicht schon gesche­hen, die Vor­aus­set­zung
    dafür schaf­fen sol­len, Pro­fes­so­ren und Pro­fes­so­rin­nen
    eine ange­mes­se­ne Ver­gü­tung für die Betei­li­gung am
    staat­li­chen Teil der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung zu
    gewäh­ren, um so sicher­zu­stel­len, dass auch im Pflicht­teil
    der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung eine hohe uni­ver­si­tä­re
    Betei­li­gung vorherrscht.
  4. Digi­ta­li­sie­rung in der Leh­re
    In die Dis­kus­si­on über die Prü­fungs­mo­da­li­tä­ten, die
    kon­kre­ten Ant­wor­ten auf die Zwei­fel der Stu­die­ren­den
    und die aktu­el­len Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­Chi­usi
    · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 7
    20 Vgl. nun­mehr § 5d Abs. 6 S. 2 DRiG.
    21 In den Län­dern Rhein­land-Pfalz, Sach­sen und Sach­sen-Anhalt
    besteht die Mög­lich­keit bereits; in Nord­rhein-West­fa­len sind die
    Jus­tiz­prü­fungs­äm­ter ab 2024 ver­pflich­tet, die Anfer­ti­gung der
    Auf­sichts­ar­bei­ten in elek­tro­ni­scher Form zu ermög­li­chen, s. § 10
    Abs. 1 JAG NRW.
    dung hat der DJFT auf der 101. Tagung in Saar­brü­cken
    dar­über hin­aus das The­ma der Digi­ta­li­sie­rung ein­be­zo­gen.
    Die­se ist gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht eine Her­aus­for­de­rung:
    als Medi­um der Leh­re, als Prü­fungs­ge­gen­stand
    und schließ­lich als Prü­fungs­for­mat selbst.
    Die Pan­de­mie hat die Anwen­dung von digi­ta­ler Leh­re
    sehr beschleu­nigt, wenn auch aus der Not her­aus, um
    Leh­re über­haupt zu gewähr­leis­ten. Zwar besteht Kon­sens
    dar­über, dass die digi­ta­le Leh­re die Prä­senz­leh­re
    nicht erset­zen kann und soll. So liegt doch eine grund­le­gen­de
    Erfah­rung aus der Coro­na-Zeit in der Bestä­ti­gung,
    dass die Uni­ver­si­tät ein Ort der Begeg­nung von
    Leh­ren­den und Ler­nen­den ist, weil die Prä­senz und der
    ana­lo­ge Aus­tausch im per­sön­li­chen Gespräch für bei­de
    Sei­ten unver­zicht­bar sind und dass der Aus­tausch unter
    den Stu­die­ren­den essen­ti­el­ler Bestand­teil des uni­ver­si­tä­ren
    Lebens ist. Doch ist zu über­le­gen, wie die Erfah­run­gen
    mit den Digi­tal­for­ma­ten als reflek­tier­te Bestand­tei­le
    der Leh­re wei­ter­hin sinn­voll und effek­tiv frucht­bar gemacht
    wer­den kön­nen, auch nach dem Ende der pan­de­mie­be­ding­ten
    Beschrän­kun­gen und zwar vor dem Hin­ter­grund
    ihrer spe­zi­fi­schen Eigen­schaf­ten. So erlau­ben
    die Digi­tal­for­ma­te zum Bei­spiel Inter­ak­ti­ons­for­men
    (Brea­kout-Ses­si­ons, Umfra­gen, Reak­tio­nen per Chat
    oder Emo­ti­cons), die sich durch­aus posi­tiv auf den Lern­pro­zess
    aus­wir­ken kön­nen, las­sen aber Ablen­kung und
    Ver­ein­sa­mung vor dem Bild­schirm zu, was weder sinn­voll
    noch wün­schens­wert ist. Sozia­le Iso­la­ti­on und feh­len­der
    Aus­tausch mit „Lei­dens­ge­nos­sen“ ins­be­son­de­re
    in der Examens­vor­be­rei­tung dro­hen so gese­hen, die psy­chi­sche
    Belas­tung und Prü­fungs­ängs­te gar zu
    ver­stär­ken.
    Schon jetzt umfasst das Stu­di­um – und damit die Ers­te
    Juris­ti­sche Prü­fung – selbst­ver­ständ­lich Nor­men aus
    dem Pflicht­be­reich des Bür­ger­li­chen Rechts, des Öffent­li­chen
    Rechts und des Straf­rechts, die mit der Digi­ta­li­sie­rung
    zu tun haben (§§ 327 ff. BGB; §§ 3a, 35a VwVfG;
    §§ 202a ff., §§ 303a ff. StGB). Bei die­sen wird es sicher
    nicht blei­ben – die The­men­viel­falt, der Umfang des Prü­fungs­stoffs,
    die Anfor­de­run­gen in der Ers­ten Juris­ti­schen
    Prü­fung und damit letzt­lich auch der ange­pran­ger­te
    Prü­fungs­druck wer­den erneut stei­gen. Die Stu­die­ren­den
    müs­sen auch im Hin­blick dar­auf vor­be­rei­tet und
    opti­mal mit dem nöti­gen Wis­sen aus­ge­rüs­tet wer­den. Es
    geht dabei nicht um die Fähig­keit, eige­ne Soft­ware zu erstel­len
    – dafür besteht kein Bedürf­nis, auf dem Markt
    gibt es spe­zia­li­sier­te Fach­kräf­te – son­dern etwa dar­um,
    den Umgang mit Infor­ma­tio­nen von auto­ma­ti­sier­ten
    Sys­te­men prü­fend zu betrach­ten und die Mecha­nis­men
    bewusst zur Kennt­nis zu neh­men (v. a. die Ver­knüp­fung
    von Infor­ma­tio­nen), auf deren Basis Algo­rith­men Ent­schei­dun­gen
    tref­fen oder vor­schla­gen. Die Schwer­punkt­be­rei­che
    bie­ten im Anschluss dar­an die Mög­lich­keit,
    spe­zi­el­le­ren Digi­ta­li­sie­rungs­fra­gen nach­zu­ge­hen.
    Dar­über hin­aus ent­wi­ckelt sich der Bereich der Ergän­zung
    des juris­ti­schen Stu­di­ums durch Begleit- oder Auf­bau­stu­di­en­gän­ge
    als Zusatz­an­ge­bo­te. Hier kön­nen tech­ni­sche
    Grund­la­gen wie Daten­or­ga­ni­sa­ti­on, Netz­struk­tu­ren,
    Fra­gen der IT-Sicher­heit etc. ver­mit­telt wer­den. Die
    zu all­dem not­wen­di­ge Kom­pe­tenz kann, falls sie (noch)
    nicht in den Fakul­tä­ten aus­rei­chend vor­han­den ist,
    durch Lehr­be­auf­trag­te aus der Pra­xis oder – dann digi­tal
    – durch eine Ver­net­zung von Lehr­kräf­ten, auch aus dem
    Aus­land, und Block­ver­an­stal­tun­gen inte­griert wer­den.
    Dies­be­züg­lich ist aller­dings fest­zu­hal­ten, dass es sich dabei
    nicht um eine regel­mä­ßi­ge oder gar insti­tu­tio­nel­le
    Über­nah­me von Vor­le­sun­gen an einer Fakul­tät durch
    Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen aus einer ande­ren Fakul­tät
    han­deln kann, son­dern nur um punk­tu­el­le Erwei­te­rung
    des Ange­bots durch spe­zi­fi­sche Kom­pe­ten­zen: Sinn­vol­le,
    gute digi­ta­le Leh­re erfor­dert mehr Mit­tel, nicht weni­ger,
    sie darf jeden­falls nicht als Anlass zur Redu­zie­rung der
    Gesamt­zahl von Lehr­stüh­len miss­braucht wer­den.
    Nach­dem der Bun­des­ge­setz­ge­ber die Mög­lich­keit des
    Com­pu­ter­ein­sat­zes in der staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fung
    expli­zit zuge­las­sen hat,20 haben die­se schon eini­ge Bun­des­län­der
    für die Zwei­te Juris­ti­sche Prü­fung vor­ge­se­hen.
    21 Die Ent­schei­dung über einen Ein­satz liegt zwar
    nicht in der Kom­pe­tenz der Fakul­tä­ten, die­se wer­den die
    Stu­die­ren­den aber auch dar­auf ent­spre­chend vor­be­rei­ten
    müs­sen: Es kann nicht ver­langt wer­den, Klau­su­ren
    wäh­rend des Stu­di­ums per Hand schrei­ben zu müs­sen
    und sie in der staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fung in den
    Com­pu­ter ein­zu­tip­pen. Die Anschaf­fung von geeig­ne­ten
    Text­ver­ar­bei­tungs­ge­rä­ten und die Bereit­stel­lung der logis­ti­schen
    Infra­struk­tur (Tische, Räum­lich­kei­ten, Strom­netz
    etc.) wird nicht uner­heb­li­che Kos­ten und orga­ni­sa­to­ri­sche
    Maß­nah­men nach sich zie­hen, die sicher­lich
    nicht aus den alles ande­re als üppi­gen Finan­zen der Fakul­tä­ten
    bestrit­ten wer­den kön­nen. Da auch die Jus­tiz­prü­fungs­äm­ter
    in den Prü­fungs­räum­lich­kei­ten nicht
    über die nöti­ge Aus­stat­tung ver­fü­gen und daher auch
    dort ent­spre­chen­de Anschaf­fungs­kos­ten anfal­len wer­den,
    wird die denk­ba­re Umstel­lung von handgeschriebe8
    O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    22 Vgl. dazu Lobin­ger, in: Schnei­der, LTO Kar­rie­re v. 19.11.2019, Digi­ta­li­sie­rung
    der Juris­ten­aus­bil­dung: „Das elek­tro­ni­sche Examen
    ist eine Ver­füh­rung“, abruf­bar unter: https://www.lto.de/karriere/
    jura-stu­di­um/s­to­ries/­de­tail­/e‑­ex­amen-klau­sur-lap­top-debat­te­koeln-
    ver­fueh­rung-zukunft (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    23 Fünf­tes Gesetz zur Ände­rung des DRiG v. 22.11.2019, BGBl. 2019,
    I, S. 1755.
    24 DJFT 2022/III a.
    25 DJFT 2022/III b.
    26 Das ers­te Modell wird z. B. in Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg,
    Nie­der­sach­sen und Rhein­land-Pfalz prak­ti­ziert, das zwei­te in
    Schles­wig-Hol­stein, Ber­lin, Ham­burg, Sach­sen und Thü­rin­gen. Es
    fällt auf, dass in den­je­ni­gen Län­dern, die eine Noten­ver­bes­se­rung
    auf Frei­ver­such­ler beschrän­ken, der Anteil der Frei­ver­such­ler
    über­durch­schnitt­lich groß ist (über 50 Pro­zent z. B. in Ber­lin,
    Ham­burg, Sach­sen, Thü­rin­gen und Schles­wig-Hol­stein), wäh­rend
    er in den­je­ni­gen Län­dern, die die Noten­ver­bes­se­rung unab­hän­gig
    vom Frei­ver­such ermög­li­chen, viel gerin­ger ist (um die 20
    Pro­zent in Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg, Nie­der­sach­sen und
    Rhein­land-Pfalz).
    27 In den Jah­ren von 2014 bis 2019 lag z. B. in Schles­wig-Hol­stein
    – das von der Bun­des­fach­schaft in der Podi­ums­dis­kus­si­on
    anläss­lich der Bun­des­fach­schaft­en­ta­gung 2022 in Ham­burg als
    Bei­spiel für die restrik­ti­ve Noten­ver­bes­se­rungs­re­ge­lung ange­führt
    wur­de – der pro­zen­tua­le Anteil der Kan­di­da­ten, die end­gül­tig
    nicht bestan­den haben, drei Mal über und drei Mal unter dem
    bun­des­wei­ten Gesamt­durch­schnitt, vgl. Bun­des­amt für Jus­tiz,
    Aus­bil­dungs­sta­tis­tik zur Juris­ten­aus­bil­dung über die Ergeb­nis­se
    der Pflicht­fach­prü­fung, jeweils abruf­bar unter: https://www.
    bundesjustizamt.de/DE/Service/Justizstatistiken/Justizstatistiken_
    node.html#AnkerDokument44060 (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    28 DJFT 2021/I; 2021/II.
    29 DJFT 2021/II Nr. 1 und 2.
    30 In die­se Rich­tung geht die im letz­ten Jahr erfolg­te Erwei­te­rung
    des § 5a Abs. 2 DRiG, nach der „…die Ver­mitt­lung der Pflicht­fä­cher
    […] auch in Aus­ein­an­der­set­zung mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen
    Unrecht und dem Unrecht der SED-Dik­ta­tur“ erfolgt.
    nen auf com­pu­ter­ge­tipp­te Examens­klau­su­ren auch in
    die­ser Hin­sicht zu einer Her­aus­for­de­rung, bei der eine
    sorg­fäl­ti­ge Kos­ten-Nut­zen­ana­ly­se vor­an­ge­hen soll­te.
    Dem prak­ti­schen Nut­zen (etwa bes­se­re Les­bar­keit der
    Klau­su­ren, Ein­fach­heit und Sicher­heit der Über­mitt­lung
    der Klau­su­ren an die Lan­des­prü­fungs­äm­ter, Umgang
    mit elek­tro­ni­schen Medi­en), ste­hen näm­lich die tech­ni­schen
    und öko­no­mi­schen Her­aus­for­de­run­gen sowie die
    mög­li­chen Kon­se­quen­zen für die Denk­struk­tu­ren der
    Stu­die­ren­den beim Ver­zicht auf hand­ge­schrie­be­ne Klau­su­ren
    und Lösungs­skiz­zen gegenüber.22 Der DJFT steht
    dies­be­züg­lich in engem Aus­tausch mit Ver­tre­tern der
    Poli­tik, den Stu­die­ren­den­ver­tre­tern und den Lan­des­jus­tiz­prü­fungs­äm­tern,
    um eine best­mög­li­che Lösung zu
    garan­tie­ren.
  5. Frei­ver­suchs­re­ge­lun­gen
    Auch der letz­te Beschluss des jüngs­ten Fakul­tä­ten­ta­ges
    war der Opti­mie­rung der Prü­fungs­mo­da­li­tä­ten zum
    Zweck des Angst­ab­baus gewid­met. Die 2019 erfolg­te
    Ver­län­ge­rung der Regelstudienzeit23 erfor­dert eine
    Anpas­sung der Frist zur Mel­dung für den Frei­ver­such
    auf das neun­te Semes­ter, was der DJFT gefor­dert hat.24
    Dane­ben hat sich die Inter­es­sen­ver­tre­tung dafür aus­ge­spro­chen,
    die Mög­lich­keit der Noten­ver­bes­se­rung unab­hän­gig
    vom Zeit­punkt der Mel­dung für den Erst­ver­such
    vorzusehen.25 Der im Rah­men der Pro­ble­ma­tik des psy­chi­schen
    Drucks von der Bun­des­fach­schaft geäu­ßer­te
    Wunsch, die in den Bun­des­län­dern noch zum Teil unter­schied­lich
    gere­gel­te Frei- und Ver­bes­se­rungs­ver­suchs­re­ge­lung
    zu har­mo­ni­sie­ren, wird vom DJFT unter­stützt.
    Den Län­dern, die eine Ver­bes­se­rungs­mög­lich­keit nur
    dann zulas­sen, wenn ein Frei­ver­such absol­viert wur­de,
    nicht aber gene­rell nach bestan­de­nem Erst­ver­such, wird
    daher emp­foh­len, den Ver­bes­se­rungs­ver­such auch nach
    bestan­de­nem Erst­ver­such vorzusehen.26 Zwar hat die
    restrik­ti­ve­re Rege­lung nur einen Ein­fluss auf die Mög­lich­keit,
    die Note zu ver­bes­sern, sodass kei­ne grö­ße­re
    Gefahr der Abschluss­lo­sig­keit auf­grund die­ser Rege­lung
    besteht.27 Im Ergeb­nis steht den Kan­di­da­ten, die den
    Frei­ver­such wahr­neh­men, näm­lich in bei­den Model­len
    nach zwei fehl­ge­schla­ge­nen Ver­su­chen ein wei­te­rer zur
    Ver­fü­gung. Doch ver­lei­tet die restrik­ti­ve­re Rege­lung die
    Stu­die­ren­den dazu, auch dann in das Examen zu gehen,
    wenn sie sich noch nicht genü­gend vor­be­rei­tet füh­len
    (und mög­li­cher­wei­se sind), was sicher­lich den Druck
    und den Stress erhöht und zu schlech­te­ren Ergeb­nis­sen
    füh­ren kann.
  6. Wis­sen­schaft­lich­keit und Inter­na­tio­na­li­sie­rung des
    Stu­di­ums
    In der Per­spek­ti­ve der Ver­bes­se­rung und Ver­tie­fung
    des Stu­di­ums hat sich der Deut­sche Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag
    gera­de anläss­lich sei­nes in Karls­ru­he gefei­er­ten 100.
    Jubi­lä­ums mit den The­men „Grund­la­gen­fä­cher in der
    Aus­bil­dung“ und „Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Stu­di­ums“
    beschäf­tigt und Beschlüs­se dazu gefasst.28 Dabei wur­de
    betont, dass die Ver­bin­dung im rechts­wis­sen­schaft­li­chen
    Stu­di­um zwi­schen dog­ma­ti­schen Fächern und Grund­la­gen­fä­chern
    sich auf „die begriff­lich-sys­te­ma­ti­sche Erfas­sung
    der Rechts­ord­nung in ihrer Gesamt­heit sowie die
    Ver­knüp­fung zwi­schen For­schung und Pra­xis, zwi­schen
    Dog­ma­tik und theo­rie­fun­dier­ter Rechts­an­wen­dung“
    grün­det. Des­we­gen stel­len sie „einen wesent­li­chen Teil
    des Pflicht­fach­stu­di­ums“ dar und „[…] sind maß­geb­lich
    für die Ver­wirk­li­chung des wis­sen­schaft­li­chen Anspruchs
    der juris­ti­schen Aus­bil­dung an der Uni­ver­si­tät
    […]“.29 Die Aus­ein­an­der­set­zung mit Grund­la­gen­wis­sen
    soll daher nicht nur in sepa­ra­ten Lehr­ver­an­stal­tun­gen,
    son­dern auch in der Leh­re der dog­ma­ti­schen Fächer30
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 9
    31 DJFT 2021/II Nr. 3.
    32 DJFT 2021/I Nr. 1.
    33 DJFT 2021/I Nr. 3 und 4.
    34 DJFT 2021/I Nr. 5 und 6.
    35 DJFT 2004/II; 2005/I; 2006/I; 2007/I; 2008/I; 2010/I; 2011/I.
    36 Deut­scher Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag, Der »Bolo­gna-Pro­zess«, (o.
    Anm. 2).
    37 S. hier­zu auch u. Anm. 56 und 57.
    erfol­gen und sich über das gesam­te Stu­di­um
    erstrecken.31
    Hin­sicht­lich der Not­wen­dig­keit einer wei­te­ren Inter­na­tio­na­li­sie­rung
    des Stu­di­ums wur­de in Karls­ru­he betont,
    wie sehr „die Euro­päi­sie­rung und Inter­na­tio­na­li­sie­rung
    des Stu­di­ums eine Vor­aus­set­zung des beruf­li­chen
    Erfolgs zukünf­ti­ger Gene­ra­tio­nen von Juris­tin­nen und
    Juris­ten“ sei.32 Des­we­gen sol­len Aus­lands­auf­ent­hal­te
    und deren BAföG-För­de­rung, Sprach- und Kul­tur­kom­pe­tenz
    sowie Kennt­nis­se aus­län­di­scher Rechts­ord­nun­gen
    als wesent­li­cher Teil der juris­ti­schen Aus­bil­dung
    wei­ter aus­ge­baut wer­den und die im Aus­land erwor­be­nen
    Leis­tun­gen bei gleich­wer­ti­ger wis­sen­schaft­li­cher
    Qua­li­tät groß­zü­gig aner­kannt wer­den. Denn der Erwerb
    ver­glei­chen­der Kennt­nis­se ande­rer Rechts­ord­nun­gen
    wei­tet den Hori­zont und ermög­licht ein tie­fe­res Ver­ständ­nis
    des natio­na­len Rechts.33 Schließ­lich soll­te eine
    zwei­te Fremd­spra­che bzw. eine juris­ti­sche Fach­spra­che
    das Stu­di­um ergän­zen; der DJFT hat sich ver­pflich­tet,
    sich dafür ein­zu­set­zen, dass die Erwei­te­rung des Fremd­spra­chen­an­ge­bots
    auch in den ande­ren Län­dern der
    Uni­on ange­strebt wird.34
    III. Die Dis­kus­si­on über den „inte­grier­ten“ Bachelor
  7. Grund­sätz­li­che Fra­gen
    Ist man der Mei­nung, dass dem von den Stu­die­ren­den
    beklag­ten Druck zweck­mä­ßig mit den oben genann­ten
    inhalt­li­chen Maß­nah­men, die gleich­zei­tig eine Ver­bes­se­rung
    der Stu­di­en­be­din­gun­gen und der Stu­di­en­ergeb­nis­se
    dar­stel­len, abge­hol­fen wer­den kann, steht man
    der Fokus­sie­rung der Dis­kus­si­on zum Angst­ab­bau auf
    den soge­nann­ten „inte­grier­ten Bache­lor“ ziem­lich rat­los
    gegen­über. Die Idee, einen Abschluss auf­grund des Umstan­des
    zu ver­lei­hen, dass der eigent­lich avi­sier­te und gewoll­te
    nicht geschafft wur­de, mutet nicht nur vor dem
    Hin­ter­grund der tra­di­tio­nel­len Anfor­de­run­gen der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung min­des­tens selt­sam, son­dern auch
    im Hin­blick auf das Regel­werk des auf Bachelor/Master
    basie­ren­den Bolo­gna-Sys­tems bei­na­he arro­gant an.
    Als Argu­ment für den „inte­grier­ten Bache­lor“ wird
    aus­ge­führt, dass der Druck und die Ängs­te der Stu­die­ren­den
    ver­schwän­den, wenn nach drei Jah­ren Jura-Stu­di­um
    ein juris­ti­scher Bache­lor erwor­ben wer­den könn­te.
    Es wird vor­ge­bracht, damit wäre gera­de die Angst vor
    der Abschluss­lo­sig­keit, die die Stu­die­ren­den beson­ders
    unter Druck set­ze, gebannt, denn man hät­te auf jeden
    Fall, d. h. auch beim Nicht­be­stehen der Ers­ten Juris­ti­schen
    Staats­prü­fung, etwas in der Hand. Dabei stellt sich
    unwei­ger­lich die Fra­ge, was das für ein Abschluss wäre,
    der als Trost dafür ver­lie­hen wird, dass man den eigent­lich
    ange­streb­ten nicht erreicht hat? Wel­che Fer­tig­kei­ten
    und Kom­pe­ten­zen wür­de er amt­lich doku­men­tie­ren?
    Wozu wür­de er qua­li­fi­zie­ren? Und vor allem: Ist ein zusätz­li­cher
    Abschluss über­haupt geeig­net, den Prü­fungs­druck
    der Stu­die­ren­den nach­hal­tig zu min­dern oder
    wer­den damit nicht mehr Pro­ble­me geschaf­fen als
    gelöst?
    Der Deut­sche Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag hat sich aus guten
    Grün­den mehr­mals gegen die Ein­füh­rung eines Bache­lors
    als flä­chen­de­cken­den regu­lä­ren Abschluss der
    juris­ti­schen Aus­bil­dung ausgesprochen.35 Im Zuge des
    Bolo­gna-Pro­zes­ses wur­de bewusst dar­auf ver­zich­tet, die
    auf den Staats­exami­na basie­ren­de juris­ti­sche Aus­bil­dung
    in einen Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gang umzu­wan­deln.
    Die Mit­glie­der der juris­ti­schen Fakul­tä­ten, d. h. Leh­ren­de
    und Ler­nen­de, zusam­men mit den Jus­tiz­mi­nis­te­ri­en
    der Län­der und dem Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um kämpf­ten
    gemein­sam, am Ende erfolg­reich, gegen die Umstel­lung
    des Jura-Stu­di­ums auf „Bologna“.36 Die Erfah­rung der
    letz­ten Jah­re in den ande­ren Fakul­tä­ten, die das
    „Bologna“-Modell über­nom­men haben, hat die Rich­tig­keit
    der damals aus­ge­tausch­ten Argu­men­te bestä­tigt.
    Weder ist die Mobi­li­tät der Stu­die­ren­den gestie­gen, noch
    ist die Ver­gleich­bar­keit der Abschlüs­se ein­fa­cher gewor­den.
    37 Aber auch das Qua­li­fi­zie­rungs­po­ten­ti­al des drei1
    0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    38 So z. B. Schlicht, in: Tages­spie­gel, Der Mas­ter wird zum Eli­te
    Abschluss, v. 07.02.2012, abruf­bar unter https://www.tagesspiegel.
    de/wissen/der-master-wird-zum-eliteabschluss-2052661.html
    (letz­ter Zugriff 07.11.2022); Boh­mann, in: Welt, Nur die Eli­te
    macht den Mas­ter, v. 25.10.2012, abruf­bar unter: https://www.welt.
    de/prin­t/­wel­t_­kom­pak­t/ar­tic­le110223954/Nur-die-Eli­te-macht­den-
    Master.html (letz­ter Zugriff 02.12.2022); Euen, in: Deutsch­land­funk,
    Psy­cho­lo­gie-Mas­ter, Die Krux mit den Stu­di­en­plät­zen,
    v. 23.09.2014, abruf­bar unter https://www.deutschlandfunk.de/
    psychologie-master-die-krux-mit-den-studienplaetzen-100.html
    (letz­ter Zugriff 07.11.2022); die Situa­ti­on hat sich in den letz­ten
    Jah­ren zwar ver­bes­sert, etwa Busch, in: Zeit, IST ES SCHWER,
    EINEN PLATZ ZU BEKOMMEN?, v. 27.05.2016, abruf­bar unter:
    https://www.zeit.de/campus/2016/s2/zulassung-master-studienplaetze
    (letz­ter Zugriff 02.12.2022), aber teil­wei­se feh­len wei­ter­hin
    aus­rei­chen­de Mas­ter­plät­ze, s. Spin­rad, in: Süd­deut­sche Zei­tung,
    War­um in Bay­ern Stu­di­en­plät­ze für Psy­cho­the­ra­peu­ten feh­len, v.
    28.05.2022, abruf­bar unter https://www.sueddeutsche.de/bayern/
    eichstaett-psychotherapie-ausbildung-bayern‑1.5586639 (letz­ter
    Zugriff 02.12.2022). In den letz­ten Jah­ren scheint der Bache­lor­ab­schluss
    in abso­lu­ten Zah­len an Akzep­tanz gewon­nen zu haben,
    doch ver­bleibt ein – in unse­rem Zusam­men­hang sehr inter­es­san­ter
    – rele­van­ter Unter­schied zwi­schen Uni­ver­si­tä­ten und
    Fach­hoch­schu­len: Die Quo­te der­je­ni­gen, die nach dem Abschluss
    eines uni­ver­si­tä­ren Bache­lors einen Mas­ter­ab­schluss anhän­gen,
    liegt mit 66 Pro­zent wei­ter­hin auf einem hohen Niveau (mit
    Spit­zen­wer­ten von knapp 80 Pro­zent bei der Fächer­grup­pe „Mathe­ma­tik
    und Natur­wis­sen­schaf­ten“), wäh­rend nur 29 Pro­zent
    der­je­ni­gen, die einen Bache­lor an einer Fach­hoch­schu­le erwor­ben
    haben, ein Mas­ter­stu­di­um auf­neh­men, s. Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt,
    Pres­se­mit­tei­lung Nr. 201 v. 12.05.2022, Prü­fungs­jahr 2019:
    45 % der Bache­lor­ab­sol­ven­tin­nen und ‑absol­ven­ten began­nen
    ein Mas­ter­stu­di­um, abruf­bar unter: https://www.destatis.de/DE/
    Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_201_213.html (letz­ter
    Zugriff 02.12.2022).
    39 Vgl. Cam­pos Nave/Bauer, in: F.A.Z., Der Bache­lor mischt den
    Juris­ten­markt auf, v. 12.10.2022, abruf­bar unter: https://www.faz.
    net/ak­tu­el­l/­kar­rie­re-hoch­schu­le/­bue­ro-co/­der-bache­lor-mischt­den-
    juristenmarkt-auf-18379793.html (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    Dort heißt es, ein Bache­lor wür­de in man­chen spe­zi­fisch en Arbeits­markt­si­tua­tio­nen
    bes­ser qua­li­fi­zie­ren als die Staats­prü­fung.
    Da es schon denk­lo­gisch unmög­lich ist, dass das Bestehen eini­ger
    Abschluss­klau­su­ren zusam­men mit dem Erwerb eini­ger Schei­ne,
    was die Vor­aus­set­zung für die Anmel­dung zu der umfas­sen­den
    Ers­ten Staats­prü­fung bil­det, bes­ser als das Bestehen die­ser qua­li­fi­ziert,
    kön­nen die Autoren nur Bache­lor-Abschlüs­se mit einer
    zusätz­li­chen, spe­zi­fisch en Qua­li­fi­ka­ti­on im Blick gehabt haben,
    nicht den „inte­grier­ten Bache­lor“. Doch könn­te der flüch­ti­ge
    bzw. nicht in der The­ma­tik erfah­re­ne Leser gera­de den Ein­druck
    bekom­men, es sei letz­te­rer gemeint.
    40 Man­che der rabia­ten oder gar dif­fa­mie­ren­den Reak­tio­nen auf
    mei­nen F.A.Z.-Artikel vom 30.Juni 2022 basie­ren auch dar­auf,
    dass mir – viel­leicht auf Grund der von der Redak­ti­on gewähl­ten
    Über­schrift des online-Arti­kels – eine Miss­bil­li­gung sämt­li­cher
    Bache­lor­ab­schlüs­se unter­stellt wur­de.
    41 Die gro­ße Viel­falt der – wie bereits gesagt – schon jetzt exis­tie­ren­den
    grund­stän­di­gen sowie kom­ple­men­tä­ren Stu­di­en­gän­ge mit
    einem Bache­lor-Mas­ter-Abschluss sind eben­falls auf der Web­sei­te
    des DJFT ein­seh­bar, vgl. https://www.djft.de/studium/ (letz­ter
    Zugriff 02.12.2022) unter „Stu­di­en­an­ge­bo­te“.
    42 DJFT 2007/I Nr. 6.
    43 DJFT 2010/I Nr. 1.
    44 Vgl. exem­pla­risch die Richt­li­nie des Prü­fungs­aus­schus­ses des
    Bache­lor­stu­di­en­gangs Recht und Wirt­schaft zur Anrech­nung von
    Kom­pe­ten­zen an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth.
    45 Exem­pla­risch hier­zu § 24 Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nung der
    Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum für das Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaft
    mit Abschluss „Ers­te Prü­fung“.
    jäh­ri­gen Abschlus­ses wur­de in der Pra­xis rela­ti­viert, wie
    die Dis­kus­si­on über nicht aus­rei­chen­de Mas­ter-Stu­di­en­plät­ze
    für alle Bache­lor­ab­sol­ven­ten, die auch den dar­auf­fol­gen­den
    Mas­ter absol­vie­ren möch­ten, gezeigt hat.38
  8. Spe­zia­li­sier­te Bache­lor-Stu­di­en­gän­ge an juris­ti­schen
    Fakul­tä­ten
    In der aktu­el­len Dis­kus­si­on über einen uni­ver­si­tä­ren
    „inte­grier­ten“ Bache­lor als all­ge­mei­nen juris­ti­schen
    Abschluss wird die­ser immer wie­der mit ande­ren Bache­lor­ab­schlüs­sen,
    die im Umfeld der Rechts­wis­sen­schaft
    exis­tie­ren, in einen Topf geworfen,39 was unzu­tref­fend
    ist und für Miss­ver­ständ­nis­se sorgt.40 Neben dem Stu­di­en­gang
    Rechts­wis­sen­schaft, der mit der Ers­ten Juris­ti­schen
    Prü­fung abge­schlos­sen wird, bie­ten näm­lich
    bereits jetzt diver­se juris­ti­sche Fakul­tä­ten wei­te­re kom­ple­men­tä­re
    Stu­di­en­gän­ge und Auf­bau­stu­di­en­gän­ge an,
    die den Stu­die­ren­den Berufs­fel­der abseits der klas­si­schen
    juris­ti­schen Beru­fe erschlie­ßen, bzw. eine zusätz­li­che
    Qua­li­fi­ka­ti­on ermöglichen.41 Der DJFT sieht das
    schon lan­ge als eine posi­ti­ve Ent­wick­lung. Schon 2007
    hieß es in dem ent­spre­chen­den Beschluss des DJFT: „In
    der Kom­bi­na­ti­on mit nicht-juris­ti­schen Inhal­ten (z. B.
    wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen, natur­wis­sen­schaft­li­chen,
    medi­en­spe­zi­fi­schen) und gege­be­nen­falls mit einem ent­spre­chen­den
    Mas­ter-Abschluss kann ein Bache­lor mit
    juris­ti­schen Inhal­ten, B.A., Sinn machen“.42 Die­se juris­ti­schen
    Bache­lor­stu­di­en­gän­ge, die für Tätig­kei­ten in
    Unter­neh­men, Ban­ken, Ver­si­che­run­gen etc. gedacht
    sind, exis­tie­ren schon an vie­len juris­ti­schen Fakul­tä­ten
    und ste­hen Inter­es­sen­ten mit einem sol­chen Berufs­wunsch
    offen. Dazu zäh­len auch die Bache­lor- oder Mas­ter-
    Stu­di­en­gän­ge, die eine spe­zi­fi­sche Qua­li­fi­ka­ti­on in
    einem aus­län­di­schen Rechts­sys­tem in Kom­bi­na­ti­on mit
    dem deut­schen anbie­ten. An die­sem Modell der „plu­ra­lis­ti­schen
    Aus­bil­dung“ hält der DJFT fest.43
    Übri­gens ist, was in der Dis­kus­si­on völ­lig aus­ge­blen­det
    wird, in vie­len die­ser bereits exis­tie­ren­den
    Bache­lor­stu­di­en­gän­gen eine Aner­ken­nung von
    erbrach­ten Prü­fungs­leis­tun­gen auch ohne bzw. nach
    einem geschei­ter­ten Staats­examen, ggf. durch den
    jewei­li­gen Prü­fungs­aus­schuss der Fakul­tät, möglich44,so
    wie umge­kehrt ein Wech­sel etwa von wirt­schafts­ju­ris­ti­schen
    Bache­lor­stu­di­en­gän­gen zum klas­si­schen Stu­di­en­gang
    mit dem Ziel Ers­te Juris­ti­sche Staats­prü­fung zuläs­sig
    ist.45
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 1 1
    46 Dass das kei­ne blo­ße Befürch­tung ist, zeigt der Appell des Dekans
    der HU Ber­lin v. 19.05.2021, abruf­bar unter: https://www.rewi.huberlin.
    de/de/sp/2015/llb (letz­ter Zugriff 02.12.2022). Nach die­sem
    haben zwar alle „for­mal das Recht“, den Bache­lor zu bean­tra­gen;
    weil der Ver­wal­tungs­auf­wand zur Aus­stel­lung der Bache­lor­zeug­nis­se
    auf­grund der gel­ten­den Vor­schrif­ten erheb­lich ist,
    „ohne dass die Fakul­tät dafür wei­te­re Res­sour­cen zur Ver­fü­gung
    gestellt bekom­men kann“, wird aber dar­um gebe­ten, ein sol­ches
    Zeug­nis nur im Aus­nah­me­fall zu bean­tra­gen, damit es nicht zu
    „unbe­ab­sich­tig­ten für alle Stu­die­ren­de der Fakul­tät nach­tei­li­gen
    Fol­gen“ kommt, da „ande­re wich­ti­ge Arbei­ten im Prü­fungs­bü­ro
    (Prü­fungs­ko­or­di­na­ti­on, Leis­tungs­ver­bu­chun­gen, Bera­tun­gen)
    ver­zö­gert oder ein­ge­schränkt wer­den“.
    47 In die­sem Zusam­men­hang könn­te sich dann die Fra­ge stel­len,
    wie sich die Her­an­zie­hung der Leis­tun­gen des Schwer­punkt­be­reichs
    zum Erwerb des inte­grier­ten Bache­lors auf die Dis­kus­si­on
    über die Gesamt­no­te der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung aus­wir­ken
    wird. Gel­ten die Leis­tun­gen und die Ergeb­nis­se des Schwer­punkt­be­reichs­stu­di­ums
    auch als Leis­tun­gen zum Zweck des Erwerbs
    des Bache­lors, wür­den sie zwei­mal ver­wer­tet wer­den, für die Note
    des Bache­lors und für die Note der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung.
    Unab­hän­gig von hoch­schul- und prü­fungs­recht­li­chen Pro­fi­len,
    die zu eru­ie­ren wären, könn­te dies Was­ser auf die Müh­len der
    Geg­ner der Gesamt­no­te sein.
    48 Aus man­chen Gesprä­chen mit Stu­den­ten­ver­tre­tun­gen gewinnt
    man zum Teil den Ein­druck, dass in deren Vor­stel­lung mit dem
    Bache­lor eigent­lich eine amt­li­che Form der Aner­ken­nung der
    übli­cher­wei­se auf dem Weg zum Staats­examen bestan­de­nen
    Leis­tungs­kon­trol­len (Zwi­schen­prü­fun­gen, Abschluss­klau­su­ren,
    Schwer­punkt­be­reichs­leis­tun­gen usw.) inten­diert ist, ein Gesamt­zeug­nis
    mit Vor­di­plom-Cha­rak­ter (das übri­gens zu dem Dipl.
    Jur.-Titel pas­sen wür­de, den so gut wie alle Fakul­tä­ten nach der
    bestan­de­nen Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung ver­lei­hen) als amt­li­che
    Zer­ti­fi­zie­rung dafür, dass man auf dem rich­ti­gen Weg zur
    Staats­prü­fung ist. Es fällt aber schwer zu glau­ben, dass ein sol­cher
    Bache­lor sui gene­ris hoch­schul­recht­lich mög­lich sein könn­te und
    durch die Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­en aus­ge­rech­net für die Juris­ten,
    die sich erfolg­reich gegen das Bolo­gna-Sys­tem gestemmt hat­ten,
    durch­ge­wun­ken wür­de.
    49 § 8 Abs. 2 S. 1 Mus­ter­rechts­ver­ord­nung gemäß Art. 4 Abs. 1
    – 4 Stu­di­en­ak­kre­di­tie­rungs­staats­ver­trag (Beschluss der
    Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz v. 07.12.2017).
    50 Das Bestehen der diver­sen Leis­tungs­kon­trol­len und der Übun­gen
    ist sinn­voll und aus­rei­chend im Hin­blick auf das Examen, ver­schafft
    aber nicht die für die Aus­übung eines juris­ti­schen Berufs
    not­wen­di­gen Kom­pe­ten­zen, auch dann nicht, wenn zusätz­lich
    eine Haus- oder Semi­nar­ar­beit im Rah­men des Schwer­punkt­be­reich­stu­di­ums
    als Bache­lor­ar­beit geschrie­ben wer­den muss.
    51 Vgl. etwa Art. 17 Abs. 1 Rah­men­prü­fungs­ord­nung der Uni­ver­si­tät
    des Saar­lan­des für Bache­lor- und Mas­ter-Stu­di­en­gän­ge; auch das
    ist aber nicht ein­heit­lich geregelt.
  9. Kon­se­quen­zen der Ein­füh­rung eines „inte­grier­ten“
    Bache­lors
    Wür­de man aber neben den ohne­hin schon bestehen­den
    diver­sen Bache­lor­stu­di­en­gän­gen einen wei­te­ren, flä­chen­de­cken­den,
    all­ge­mei­nen Bache­lor­stu­di­en­gang – mit
    dem Ziel „Bache­lor of Laws“ – in den Stu­di­en­gang
    Rechts­wis­sen­schaft – mit dem Ziel „Ers­te Juris­ti­sche
    Prü­fung“ – imple­men­tie­ren, müss­ten, unge­ach­tet der
    mit einer sol­chen „Ver­mi­schung“ zwei­er an sich auto­no­mer
    Stu­di­en­gän­ge ver­bun­de­nen hoch­schul­recht­li­chen
    Fra­gen, kon­se­quen­ter­wei­se auch alle ent­spre­chen­den
    Vor­ga­ben des Modu­la­ri­sie­rungs- und Noten­ver­ga­be­pro­zes­ses
    sowie der Anfer­ti­gung einer Bache­lor­ar­beit ein­ge­hal­ten
    wer­den. Dies bedeu­te nicht nur eine zusätz­li­che
    Belas­tung für die Ver­wal­tung der Fakultäten,46 son­dern
    eben­so zusätz­li­chen Lern- und Prü­fungs­druck für die
    Stu­die­ren­den: Die unter Stu­die­ren­den ver­brei­te­te Idee,
    man kön­ne einen sol­chen „inte­grier­ten“ Bache­lor of
    Laws qua­si neben­bei durch das Bestehen der „Gro­ßen
    Übun­gen“, der ver­gleichs­wei­se in Anzahl über­schau­ba­ren
    und in den Moda­li­tä­ten der Prü­fungs­durch­füh­rung
    weni­ger streng orga­ni­sier­ten Abschluss­klau­su­ren des
    jet­zi­gen, auf die Staats­prü­fung aus­ge­rich­te­ten Stu­di­ums
    sowie der Ableis­tung einer (ohne­hin kaum ver­gleich­ba­ren)
    Schwerpunktbereichsleistung47 erwer­ben, basiert
    auf Unkennt­nis oder min­des­tens Unter­schät­zung der
    büro­kra­ti­schen Anfor­de­run­gen des Bachelorsystems.48
    Die­ses ist näm­lich ein durch­re­gu­lier­tes, von der Erbrin­gung
    von modu­la­ri­sier­ten und regel­mä­ßi­gen Stu­di­en­leis­tun­gen
    in Höhe von min­des­tens 180 ECTS-Punk­ten
    gekenn­zeich­ne­tes System.49 Die­se Anfor­de­run­gen gel­ten
    für alle Fakul­tä­ten und sind nor­ma­ler­wei­se Vor­aus­set­zung
    für die Akkre­di­tie­rung eines jeden Bache­lors, ohne
    den auch kein Mas­ter mög­lich ist. Sie sind aber kaum
    kom­pa­ti­bel mit der jet­zi­gen Struk­tur des Jura-Stu­di­ums,
    wel­ches die Abschluss­klau­su­ren und Zwi­schen­prü­fun­gen
    als Pro­pä­deu­ti­kum zum Examen bzw. als Kon­trol­le
    für die Stu­die­ren­den hin­sicht­lich ihrer eige­nen Vor­be­rei­tung,
    50 nicht als defi­ni­ti­ve Ent­schei­dung über das
    Erwer­ben eines Abschlus­ses begreift, und daher sich
    eine gewis­se Frei­heit und Groß­zü­gig­keit in der Gestal­tung
    und Durch­füh­rung der Leis­tungs­kon­trol­len erlau­ben
    kann. Trotz der Ein­füh­rung von Leis­tungs­kon­trol­len
    in unter­schied­li­chen For­men in bei­na­he allen juris­ti­schen
    Fakul­tä­ten bleibt das Jura-Stu­di­um, gera­de weil es
    nicht in das Bolo­gna-Sys­tem inte­griert ist, im Ver­gleich
    zu ande­ren uni­ver­si­tä­ren Stu­di­en­gän­gen weni­ger streng
    regle­men­tiert. Auch die „gro­ßen Übun­gen“ sind gegen­wär­tig
    nicht als defi­ni­ti­ve Ent­schei­dung über das Erwer­ben
    eines Abschlus­ses kon­zi­piert und des­we­gen grund­sätz­lich
    belie­big oft wie­der­hol­bar. Die Prü­fun­gen im
    Bolo­gna-Sys­tem sind dage­gen in der Regel nur begrenzt
    wie­der­hol­bar; das Nicht­be­stehen führt zum Aus­schluss
    vom Studium.51 Mit der flä­chen­de­cken­den Ein­füh­rung
    eines inte­grier­ten Bache­lors gin­ge also zum einen ein­her,
    dass jede ein­zel­ne Prü­fungs­leis­tung in die Bil­dung einer
    Gesamt­no­te ein­flie­ßen wür­de und jede Teil­leis­tung im
    1 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    52 Das führ­te über­dies zu der Fra­ge nach einer – ein­heit­li­chen? –
    Umrech­nung der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Klau­sur­punk­te auf das
    Noten­sche­ma in den Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gän­gen. An der
    Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des füh­ren z. B. 9 Klau­sur­punk­te „nur“ zu
    einer 2,7 in der Bolo­gna-Noten­ska­la; eben­so an der HU Ber­lin.
    An der Uni­ver­si­tät Bre­men oder der Uni­ver­si­tät in Frank­furt
    wäre es bereits eine 2,3.
    53 Übri­gens gehör­te damit wohl die bekann­te, wenn nicht ver­trau­te
    Tak­tik „4 gewinnt“ der Ver­gan­gen­heit an.
    54 Nach Heublein/Hutzsch/Kracke/Schneider, Die Ursa­chen des
    Stu­di­en­ab­bruchs in den Stu­di­en­gän­gen des Staats­examens Jura.
    Eine Ana­ly­se auf Basis einer Befra­gung der Exma­tri­ku­lier­ten vom
    Som­mer­se­mes­ter 2014. DZHW-Pro­jekt­be­richt, 2017, S. 19 ver­las­sen
    56 Pro­zent der Jura-Stu­di­en­ab­bre­cher das Stu­di­um inner­halb
    der ers­ten vier Semes­ter, ein Anteil von 27 Pro­zent bricht das
    Stu­di­um nach dem zehn­ten Semes­ter ab. Damit exma­tri­ku­lie­ren
    sich die Stu­di­en­ab­bre­cher in der Rechts­wis­sen­schaft durch­schnitt­lich
    nach 6,8 Semes­tern, wäh­rend der uni­ver­si­tä­re Durch­schnitt
    bei 5,2 Semes­tern liegt. Als Grund für den spä­te­ren Abbruch im
    Stu­di­en­gang der Rechts­wis­sen­schaft ver­mu­ten die Autoren der
    Stu­die den Umstand, dass es „an Fak­to­ren fehlt, die einen sol­chen
    Pro­zess (Ent­schei­dungs­pro­zess, der zum Stu­di­en­ab­bruch führt)
    beschleu­ni­gen, wie z. B. Leis­tungs­an­for­de­run­gen oder Pra­xis­er­fah­run­gen“,
    vgl. Pro­jekt­be­richt, S. 23.
    55 Obgleich der spä­te­re Stu­di­en­ab­bruch, der im Jura-Stu­di­um oft
    ange­pran­gert wird, grund­sätz­lich als Nach­teil anzu­se­hen ist, weil
    sich damit die Zeit für ein ande­res Stu­di­um und für das Ergrei­fen
    eines ande­ren Berufs in die Län­ge zieht, bie­tet gera­de die weni­ger
    aus­ge­präg­te Regle­men­tie­rung des jet­zi­gen Jura-Stu­di­ums im Ver­gleich
    mit den Bache­lor­stu­di­en­gän­gen die Mög­lich­keit, län­ger im
    Aus­bil­dungs­sys­tem zu blei­ben und daher län­ger die Chan­ce ergrei­fen
    zu kön­nen, zur erfolg­rei­chen Staats­prü­fung zu kom­men.
    Vgl. Mühlenweg/Sprietsma/Horstschräter (Hrsg.), Human­ka­pi­tal­po­ten­zia­le
    der gestuf­ten Hoch­schul­ab­schlüs­se in Deutsch­land:
    Aus­wer­tun­gen zu Stu­di­en­be­tei­li­gung, Stu­di­en­ab­brü­chen, Mobi­li­tät
    und Ein­gangs­se­lek­ti­on, 2010, die dar­auf hin­wei­sen, dass ein
    län­ge­rer Ent­schei­dungs­pro­zess „auch zusätz­li­che inter­ve­nie­ren­de
    Mög­lich­kei­ten eröff­nen, einen Stu­di­en­ab­bruch gege­be­nen­falls
    noch abzu­wen­den“ (S. 24).
    56 Woisch/Willige (Hrsg.), Inter­na­tio­na­le Mobi­li­tät im Stu­di­um
    2015, Ergeb­nis­se der fünf­ten Befra­gung deut­scher Stu­die­ren­der
    zur stu­di­en­be­zo­ge­nen Aus­lands­mo­bi­li­tät, DAAD und DZHW
    Pro­jekt­be­richt.
    57 Mühlenweg/Sprietsma/Horstschräter (Hrsg.),
    Human­ka­pi­tal­po­ten­zia­le der gestuf­ten Hoch­schul­ab­schlüs­se
    in Deutsch­land: Aus­wer­tun­gen zu Stu­di­en­be­tei­li­gung,
    Stu­di­en­ab­brü­chen, Mobi­li­tät und Ein­gangs­se­lek­ti­on, 2010,
    S. 9 zu den MINT-Fächern; Win­ter, Die Revo­lu­ti­on blieb aus:
    Über­blick über empi­ri­sche Befun­de zur Bolo­gna-Reform in
    Deutsch­land, in: Nickel (Hrsg.), Der Bolo­gna Pro­zess aus Sicht
    der Hoch­schul­for­schung, Ana­ly­sen und Impul­se für die Pra­xis,
    S. 24; Nickel, Zwi­schen Kri­tik und Empi­rie – Wie wirk­sam ist
    der Bolo­gna-Pro­zess?, in: Nickel (Hrsg.), Der Bolo­gna-Pro­zess
    aus Sicht der Hoch­schul­for­schung, Ana­ly­sen und Impul­se für die
    Pra­xis, S. 12.
    58 Auch die Gesamt­sta­tis­ti­ken der Stu­di­en­an­fän­ger sind auf der
    Web­sei­te des DJFT abruf­bar: Die Zah­len der Stu­di­en­an­fän­ger
    schwan­ken – frei­lich in uni­ver­si­tä­ren Ver­gleich immer auf
    höchs­ten Niveau – von 13.856 im Jahr­gang 2008/2009 über 15.999
    im Jahr­gang 2009/2010 zu 23.399 im Jahr­gang 2010/2011, von
    18.502 im Jahr­gang 2012/2013 zu 20.225 im Jahr­gang 2013/2014,
    von 19.843 im Jahr­gang 2014/2015 zu 21.131 im Jahr­gang 2017/2018
    und von 20.018 im Jahr­gang 2018/2019 zu 19.831 im Jahr­gang
    2019/2020 sowie 19.442 im Jahr­gang 2020/2021.
    Zeug­nis auf­ge­führt würde.52 Zum ande­ren wür­de
    dadurch das zusätz­li­che Risi­ko geschaf­fen, dass das
    mehr­ma­li­ge Nicht­be­stehen früh zum Aus­schluss vom
    Stu­di­um füh­ren könn­te. Inwie­weit hier­durch die Stress­be­las­tung
    im Stu­di­um und der Prü­fungs­druck gesenkt
    wäre, erschließt sich nicht.53
    Das alles liegt sicher nicht im wohl­ver­stan­de­nen Inter­es­se
    der Stu­die­ren­den; Ziel der juris­ti­schen Aus­bil­dung
    soll­te kein „Aus­sie­ben“ durch stren­ge­re Regle­men­tie­rung
    bereits in den unte­ren Semes­tern sein;54 schließ­lich
    gibt es genü­gend Stu­die­ren­de, die eine gewis­se Zeit
    brau­chen, um die Denk­wei­se, Grund­struk­tu­ren und
    Tech­ni­ken sowohl des Stu­di­ums als auch des Recht­sys­tems
    zu ver­ste­hen und daher im Grund­stu­di­um noch
    mäßi­ge Ergeb­nis­se erzie­len, bis sich die Mosa­ik­stei­ne zu
    einem Gesamt­bild zu fügen begin­nen, das die Ein­heit
    der Rechts­ord­nung vor dem geis­ti­gen Auge zeigt, was
    sich am Ende in einer guten Examens­no­te niederschlägt55.
    Viel­mehr soll­ten wir immer mehr und immer
    bes­se­re Juris­ten und Juris­tin­nen aus­bil­den, die gleich­wohl
    Freu­de am und Erfolg im Stu­di­um und in der
    Staats­prü­fung haben. Das gelingt nur – wie oben aus­ge­führt
    – durch inhalt­li­che Maßnahmen.
  10. Eini­ge nicht über­zeu­gen­de Argu­men­te
    Das Argu­ment, dass ein inte­grier­ter Bache­lor die inter­na­tio­na­le
    Mobi­li­tät der Stu­die­ren­den erleich­tern wür­de,
    ist uns bereits aus dem Bolo­gna-Pro­zess bekannt. Tat­säch­lich
    sind die Juris­ten und Juris­tin­nen im Ver­gleich
    zu ande­ren Stu­di­en­gän­gen aber nicht weni­ger mobil, im
    Gegenteil.56 Dar­über hin­aus zei­gen sta­tis­ti­sche Erkennt­nis­se,
    dass die Umstel­lung auf das Bache­lor-Mas­ter-Sys­tem
    in ande­ren Stu­di­en­gän­gen nicht zu einer Stei­ge­rung
    der inter­na­tio­na­len Mobi­li­tät bei­getra­gen hat.57
    Auch die Behaup­tung, die juris­ti­schen Fakul­tä­ten erreich­ten
    zuneh­mend poten­ti­el­le Stu­di­en­in­ter­es­sier­te
    nicht, weil die­se von den Examens­be­din­gun­gen abge­schreckt
    wür­den, wider­spricht der Gesamt­sta­tis­tik der
    Stu­di­en­an­fän­ger in der Rechts­wis­sen­schaft und lässt die
    Berück­sich­ti­gung gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Ent­wick­lun­gen
    – wie des demo­gra­phi­schen Rück­gangs oder zuletzt
    der Coro­na Pan­de­mie – vermissen.58 Jeden­falls blei­ben
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 1 3
    59 Da das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt die Anzahl der Stu­die­ren­den nur
    nach Fächer­grup­pen lie­fert, in denen die Rechts­wis­sen­schaft
    zusam­men mit den Sozi­al- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten auf­ge­lis­tet
    ist, wur­den die Bei­spie­le aus den im Inter­net zugäng­li­chen
    Daten ein­zel­ner Uni­ver­si­tä­ten, nicht alle ver­öf­fent­li­chen die
    Stu­die­ren­den­zah­len, recher­chiert; man beach­te, dass man­che
    Fakul­tä­ten (z. B. die phi­lo­so­phisch-his­to­risch-phi­lo­lo­gi­schen
    oder die natur­wis­sen­schaft­li­chen, oder die psy­cho­lo­gi­sche­s­port­wis­sen­schaft­li­chen
    usw.) anders als die juris­ti­schen, die im
    Wesent­li­chen nur den Stu­di­en­gang Rechts­wis­sen­schaft anbie­ten,
    diver­se Stu­di­en­gän­ge beinhal­ten: Augs­burg (SoSe 2022): Juris­ti­sche
    Fakul­tät: 2.883, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 264, Phi­lo­so­phisch-
    Sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 2.912, Phi­lo­lo­gisch-His­to­ri­sche
    Fakul­tät: 4.756; Bie­le­feld (WiSe 2018/19): Recht­wis­sen­schaft:
    1.560, Sozio­lo­gie: 1.173, tech­ni­sche Fakul­tät: 1.285, Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten:
    781, Phy­sik: 903; Bochum (WiSe 2021/22):
    Juris­ti­sche Fakul­tät: 4.317, Fakul­tät für Wirt­schafts­wis­sen­schaft:
    3.424, Fakul­tät für Sozi­al­wis­sen­schaft: 2.024, medi­zi­ni­sche
    Fakul­tät: 3.361; Erlan­gen (WiSe 2021/22): Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 9.683, Phi­lo­so­phi­sche Fakul­tät
    und Fach­be­reich Theo­lo­gie: 9.241, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 4.245,
    Natur­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 5.444; Frank­furt a. M. (WiSe
    2021/22): Rechts­wis­sen­schaft: 4.597, Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten:
    5.794, Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten: 4.105, Neue­re Phi­lo­lo­gien:
    4.393, Medi­zin: 4.160, Psy­cho­lo­gie und Sport­wiss.: 1.837; Frankfurt/
    Oder (SoSe 2022): Juris­ti­sche Fakul­tät: 1.480, Kul­tur­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 1.317, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät:
    1.433; Frei­burg (SoSe 2022): Rechts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät:
    2.289, Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 286, Wirt­schafts- u. Ver­hal­tens­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 2.710, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 4.155,
    Phi­lo­lo­gi­sche Fakul­tät: 1.857, Tech­ni­sche Fakul­tät: 2.215; Gie­ßen
    (SoSe 2022): Rechts­wis­sen­schaft: 2.033, Wirt­schafts­wis­sen­schaft:
    1.422, Anglis­tik: 1.086, Psychologie/Sport: 1.754, Human­me­di­zin:
    2.725; Göt­tin­gen (WiSe 2021/22): Juris­ti­sche Fakul­tät: 2.865, Phi­lo­so­phi­sche
    Fakul­tät: 4.633, Fakul­tät für Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik:
    1.428, Fakul­tät für Phy­sik: 1.109, Fakul­tät für Bio­lo­gie und
    Psy­cho­lo­gie: 2.687, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 3.980,
    Fakul­tät für Che­mie: 751, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 3.851; Greifs­wald
    (SoSe 2022): Rechts­wis­sen­schaft: 1.131, Betriebs­wirt­schafts­leh­re:
    849, Medi­zin: 1.586, Geschich­te: 276, Deutsch: 494, Ame­ri­ka­nis­tik:
    305, Psy­cho­lo­gie: 412; Hei­del­berg (SoSe 2022): Juris­ti­sche
    Fakul­tät: 2.695, Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 628, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät:
    4.522, Fakul­tät für Verhaltens- und Empi­ri­sche Kul­tur­wis­sen­schaf­ten:
    2.433, Fakul­tät für Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik: 1.641;
    Jena (WiSe 2019/20): Rechts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 1.406,
    Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 123, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät:
    1.557, Phi­lo­so­phi­sche Fakul­tät: 3.413, Fakul­tät für Sozi­al- und
    Ver­hal­tens­wis­sen­schaf­ten: 3.788, Fakul­tät für Mathe­ma­tik und
    Infor­ma­tik: 869, Che­misch-Geo­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 1.397,
    Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 2.591; Leip­zig (WiSe 2019/20): Juris­ten­fa­kul­tät:
    2.948, Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 595, Fakul­tät für Geschich­te,
    Kunst- und Ori­ent­wis­sen­schaf­ten: 3.019, Phi­lo­lo­gi­sche Fakul­tät:
    4.559, Erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 3.180, Fakul­tät für
    Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und Phi­lo­so­phie: 2.647, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 2.083, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 3.394, Fakul­tät
    für Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik: 2.243, Fakul­tät für Che­mie und
    Mine­ra­lo­gie: 909.
    60 So unzu­tref­fend iur.reform, Reformoptionen/Integrierter Bachelor/
    Pro Nr. 3, abruf­bar unter: https://iurreform.de/reformoptionen/
    (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    61 Vgl. hier­zu Towfigh/Traxler/Glöckner (Hrsg.), Geschlechts- und
    Her­kunfts­ef­fek­te bei der Beno­tung juris­ti­scher Staats­prü­fun­gen,
    ZDRW 2/2018, S. 115 ff.; sowie bereits dies., Zur Beno­tung in der
    Examens­vor­be­rei­tung und im ers­ten Examen. Eine empi­ri­sche
    Ana­ly­se, ZDRW 1/2014, S. 8 ff.
    62 Zu den gefähr­li­chen Aus­wir­kun­gen eines sol­chen Abschlus­ses für
    das Sys­tem des Staats­examens s. u. sub IV. 2.
    die rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tä­ten unter den stu­die­ren­den­stärks­ten
    Fakultäten.59
    Es ist zudem nicht der inte­grier­te Bache­lor als „Zwi­schen­ab­schluss“,
    der dazu geeig­net ist, eine sozia­le und
    damit chan­cen­un­glei­che Selek­ti­on durch den Stu­di­en­gang
    Ers­te Juris­ti­sche Prü­fung zu ver­hin­dern, wie behaup­tet
    wird.60 Die Aus­wir­kun­gen der Her­kunft und sozia­ler
    Netzwerke61 im Staats­examen wer­den dadurch
    kei­nes­wegs ange­gan­gen, son­dern dro­hen sogar noch
    ver­stärkt zu wer­den, wenn künf­tig auf einen angeb­lich
    berufs­qua­li­fi­zie­ren­den drei­jäh­ri­gen Abschluss als Trost­pflas­ter
    ver­wie­sen wer­den kann. Es ist näm­lich die Gefahr
    nicht zu unter­schät­zen, dass Stu­die­ren­de, die Voll­ju­ris­ten
    wer­den könn­ten – und die­se wer­den drin­gend
    gebraucht – die Fokus­sie­rung auf das Ziel Staats­prü­fung
    ver­lie­ren und (auf­grund per­sön­li­cher, wirt­schaft­li­cher
    oder sozia­ler Lebens­um­stän­de) der Ver­su­chung erlie­gen
    könn­ten, sich mit dem inte­grier­ten Bache­lor zufrie­den
    zu geben, statt wei­ter die Staats­prü­fung anzu­stre­ben
    (ggf. durch Wie­der­ho­lung), in der (irr­tüm­li­chen) Auf­fas­sung,
    auch damit einen für den Arbeits­markt attrak­ti­ven
    juris­ti­schen Abschluss erwor­ben zu haben. Erst
    recht wird auch die Quo­te der Repe­ten­ten und damit die
    Zahl derer, die in einem zwei­ten oder drit­ten Ver­such
    Erfolg haben könn­ten, sin­ken.
    Es ist die inhalt­li­che Ver­bes­se­rung des uni­ver­si­tä­ren
    Stu­di­ums und der Aus­bau der uni­ver­si­tä­ren – und damit
    nicht­kom­mer­zi­el­len – Examens­vor­be­rei­tung, wie vom
    DJFT vor­ge­schla­gen, die zur Wah­rung der sozia­len Gerech­tig­keit
    des Stu­di­ums bei­trägt. Der „inte­grier­te LL.B.“
    spie­gelt nicht nur dem Markt, son­dern auch und vor allem
    den Stu­die­ren­den die Illu­si­on einer arbeits­qua­li­fi­zie­ren­den
    juris­ti­schen Qua­li­fi­ka­ti­on vor, die eher Beschäf­ti­gun­gen
    auf unspe­zia­li­sier­ten Tätig­keits­ebe­nen
    mit ent­spre­chen­der Bezah­lung ermög­li­chen dürf­te.
    An die Not­wen­dig­keit der sozia­len Gerech­tig­keit der
    juris­ti­schen Aus­bil­dung knüpft näm­lich die Fra­ge nach
    den beruf­li­chen Per­spek­ti­ven an, die ein sol­cher „inte­grier­ter
    LL.B.“ den Stu­die­ren­den eröff­nen wür­de. Erdacht
    für die­je­ni­gen, die die Ers­te Juris­ti­sche Prü­fung end­gül­tig
    nicht bestan­den haben, wür­de ein sol­cher Abschluss
    – jeden­falls noch62 – nicht für die klas­si­schen juris­ti­schen
    Beru­fe wie Rich­ter, Staats­an­walt, Notar oder
    Rechts­an­walt qua­li­fi­zie­ren. Da die Stu­di­en­an­fän­ger bereits
    heu­te ent­schei­den kön­nen, ob sie den Weg des klas­si­schen,
    auf der Staats­prü­fung basier­ten Jura-Stu­di­ums
    1 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    63 Der Umstand, dass der DJFT zu sei­nem hun­dert­jäh­ri­gen Jubi­lä­um
    in Karls­ru­he, der „Haupt­stadt des Rechts“, in Zusam­men­ar­beit
    mit dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt getagt hat, woll­te als
    Zei­chen der für die deut­sche Rechts­wis­sen­schaft typi­schen und
    frucht­ba­ren Ver­bin­dung zwi­schen Rechts­for­schung und Rechts­pra­xis
    die­nen.
    64 So etwa in Frank­reich und Spa­ni­en mit jeweils fünf Jah­ren
    Stu­di­en­dau­er, vgl. für Spa­ni­en Real Decre­to 822/2021 sowie für
    Frank­reich Art. L611‑1 ff. Code de l’éducation. Auch in Ita­li­en
    dau­ert das Stu­di­um nach „Bolo­gna“ fünf Jah­re, wobei man nach
    einer ursprüng­li­chen Umstel­lung auf das „3+2‑System“ ziem­lich
    schnell zum ein­heit­li­chen Stu­di­um zurück­ge­kehrt ist, weil die
    Fül­le des Stoffs, der für einen arbeits­qua­li­fi­zie­ren­den drei­jäh­ri­gen
    Abschluss als not­wen­dig erach­tet wur­de, des­sen Stu­dier­bar­keit
    prak­tisch unmög­lich mach­te. Ein Bache­lor („lau­rea bre­ve“) wird
    in man­chen Fakul­tä­ten noch ange­bo­ten, die abso­lu­te Mehr­heit
    der Stu­die­ren­den ent­schei­det sich aber für das nor­ma­le
    fünf­jäh­ri­ge Stu­di­um. Ähn­li­ches lässt sich für die Schweiz sagen:
    Dort wur­de die Umstel­lung auf das Bache­lor-Mas­ter-Sys­tem vor
    mehr als einem Jahr­zehnt ins­be­son­de­re von den Gerich­ten und
    der Anwalt­schaft mit dem Argu­ment kri­ti­siert, die Absol­ven­ten
    und Absol­ven­tin­nen sei­en zu wenig auf die Pra­xis vor­be­rei­tet,
    und mün­de­te in eine inzwi­schen umge­setz­te Stu­di­en­re­form, die
    erheb­li­che struk­tu­rel­le Ände­run­gen mit sich brach­te und letzt­lich
    den Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gang wie­der­um als Ein­heit kon­zi­piert
    hat.
    65 Zum Bei­spiel in Spa­ni­en nach Art. 301.3 Ley Orgá­ni­ca 6/1985 für
    die Rich­ter- und Staats­an­walt­schaft, nach Art. 2, 3 Ley 34/2006 für
    die Anwalt­schaft; in Frank­reich nach Art. 14 ff., insb. Art. 17 Ordon­nan­ce
    n° 58–1270 du 22 décembre 1958 portant loi orga­ni­que
    rela­ti­ve au sta­tut de la magis­tra­tu­re und Décret n°72–355 du 4 mai
    1972 rela­tif à l‘Ecole natio­na­le de la magis­tra­tu­re für die Rich­te­r­und
    Staats­an­walt­schaft sowie Art. 42 ff. Décret n°91–1197 du 27
    novembre 1991 orga­nisant la pro­fes­si­on d‘avocat bzw. Arrêté du
    17 octobre 2016 fix­ant le pro­gram­me et les moda­li­tés de l‘examen
    d‘accès au cent­re régio­nal de for­ma­ti­on pro­fes­si­on­nel­le d‘avocats
    für die Anwalt­schaft; in Öster­reich nach § 26 i. V. m. § 174 RStDG
    für die Rich­ter- und Staats­an­walt­schaft und §§ 1, 2, 3 Rechts­an­walts­ord­nung
    für die Anwalt­schaft.
    66 In Spa­ni­en gem. Art. 4.3, 6 Ley 34/2006; in Frank­reich gem.
    wäh­len möch­ten oder sich lie­ber in einen spe­zia­li­sier­ten
    Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gang an einer Uni­ver­si­tät bzw.
    in einen Bache­lor of Laws-Stu­di­en­gang einer Fach­hoch­schu­le
    ein­schrei­ben und so die Mög­lich­keit haben, einen
    Abschluss – ggf., bei den spe­zia­li­sier­ten uni­ver­si­tä­ren
    Bache­lors, auf dem Weg zum Staats­examen – zu erwer­ben,
    besteht aus uni­ver­si­tä­rer Sicht kein Grund, hier ein
    Kon­kur­renz­ver­hält­nis ent­ste­hen zu las­sen. Mit der flä­chen­de­cken­den
    Ein­füh­rung eines unspe­zia­li­sier­ten inte­grier­ten
    Bache­lor of Laws an Uni­ver­si­tä­ten wür­den die­se
    mit dem bereits bestehen­den brei­ten Ange­bot von juris­tisch
    ori­en­tier­ten Bache­lor-Stu­di­en­gän­gen an Fach­hoch­schu­len
    kon­kur­rie­ren, ohne dass sich hier­für ein Bedürf­nis
    auf dem Markt erken­nen lässt. Dar­über hin­aus ist anzu­neh­men,
    dass gera­de die spe­zia­li­sier­ten uni­ver­si­tä­ren
    Bache­lors von einem inte­grier­ten Bache­lor Kon­kur­renz
    bekä­men.
    IV. Zur Bedeu­tung der deut­schen juris­ti­schen
    Aus­bil­dung
  11. Eigen­schaf­ten und Funk­ti­on
    Das Ide­al des sog. Voll­ju­ris­ten, der die wis­sen­schaft­li­che
    Pha­se an der Uni­ver­si­tät und die Pra­xis­pha­se im Refe­ren­da­ri­at
    durch­lau­fen hat, der für alle Juris­ten und Juris­tin­nen
    ein­heit­li­che Weg, ist in Euro­pa kei­nes­wegs der
    Regel­fall. Gera­de aber die von die­sem Modell gesi­cher­te
    Qua­li­tät der deut­schen Juris­ten­aus­bil­dung stellt eine
    essen­ti­el­le Vor­aus­set­zung für den wirt­schaft­li­chen und
    rechts­staat­li­chen Erfolg der Bun­des­re­pu­blik dar.
    Es ist für die nicht (nur) in Deutsch­land aus­ge­bil­de­te
    Beob­ach­te­rin immer wie­der über­ra­schend, fest­zu­stel­len,
    wie wenig bei der Ana­ly­se und Beur­tei­lung der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung der Zusam­men­hang zwi­schen der
    Aus­bil­dung und ihren Aus­wir­kun­gen auf die deut­sche
    Wirt­schaft und Gesell­schaft durch die seit Jahr­zehn­ten
    von ihr her­vor­ge­brach­ten Juris­ten und Juris­tin­nen, die
    in der Ver­wal­tung, den Gerich­ten und wei­te­ren Orga­nen
    der Rechts­pfle­ge tätig sind, gewür­digt wird. Dabei wür­de
    z. B. für die Beur­tei­lung der Qua­li­tät der medi­zi­ni­schen
    Ver­sor­gung nie­mand die Bedeu­tung der medi­zi­ni­schen
    Aus­bil­dung bestrei­ten.
    Der Rekurs auf Gerich­te und ihre Fähig­keit, Pro­zes­se
    inner­halb abseh­ba­rer Zeit und unter Wah­rung der Rech­te
    der Par­tei­en zu Ende zu füh­ren sowie die Ver­läss­lich­keit
    der Ver­wal­tung im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern
    sind ein Ver­trau­ens­be­weis in den Rechts­staat, der den
    Zusam­men­halt inner­halb der deut­schen Gesell­schaft erheb­lich
    prägt. Die juris­ti­sche Aus­bil­dung mit ihrem
    Cha­rak­te­ris­ti­kum der Ver­bin­dung zwi­schen Rechts­for­schung
    und Rechts­pra­xis stellt einen gro­ßen Stand­ort­vor­teil
    dar, denn der juris­ti­sche Dis­kurs auf Augen­hö­he
    unter den Betei­lig­ten stärkt die Rechts­si­cher­heit glei­cher­ma­ßen
    wie die Rechtsstaatlichkeit.63
    In ande­ren euro­päi­schen Rechts­ord­nun­gen basiert
    das Stu­di­um auf ein­zel­nen Leis­tun­gen, die inner­halb von
    vier oder – nach „Bolo­gna“ – fünf Jahren64 in den diver­sen
    Fächern erbracht wer­den und deren Noten ins­ge­samt
    zum Abschluss füh­ren. Typi­sche Kon­se­quenz die­ser
    Stu­di­en­or­ga­ni­sa­ti­on ist, dass am Ende des Stu­di­ums
    wei­test­ge­hend ver­ges­sen ist, was am Anfang gelernt wur­de.
    Da aber selbst­ver­ständ­lich auch in die­sen Aus­bil­dungs­sys­te­men
    das Prin­zip der Ein­heit der Rechts­ord­nung
    gilt, kön­nen die klas­si­schen juris­ti­schen Beru­fe erst
    aus­ge­übt wer­den, wenn man eine – nicht ein­heit­lich
    vom Staat, son­dern von dem jewei­li­gen juris­ti­schen Berufs­stand
    orga­ni­sier­te – Prü­fung bestan­den hat, in der
    alle Fächer, schrift­lich und münd­lich, abge­fragt wer­den.
    65 Der Unter­schied zur deut­schen juris­ti­schen Aus­bil­dung
    liegt also dar­in, dass in Deutsch­land schon die
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 1 5
    Art. 58 Arrêté du 17 octobre 2016 fix­ant le pro­gram­me et les
    moda­li­tés de l‘examen d‘accès au cent­re régio­nal de for­ma­ti­on
    pro­fes­si­on­nel­le d‘avocats; in Öster­reich gem. § 2 Rechts­an­walts­ord­nung.
    67 Aus­schuss der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter
    zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung, Bericht
    über Mög­lich­kei­ten und Kon­se­quen­zen einer Bache­lor-Mas­ter-
    Struk­tur anhand unter­schied­li­cher Model­le ein­schließ­lich der
    berufs­prak­ti­schen Pha­se unter Berück­sich­ti­gung des ent­wi­ckel­ten
    Dis­kus­si­ons­mo­dells eines Spar­ten­vor­be­rei­tungs­diens­tes,
    v. 31.03.2011, KOA-Bericht 2011 (Bolo­gna).
    68 Zumal die Exis­tenz eines Bache­lor-Abschlus­ses zur Fort­set­zung
    des Jura-Stu­di­ums auch Stu­die­ren­de ver­an­las­sen könn­te, die
    heu­te im drit­ten oder vier­ten Semes­ter auf­grund der gemach­ten
    Erfah­run­gen zum Schluss kom­men, dass das Jura-Stu­di­um ihnen
    doch nicht gefällt und sich daher ande­ren Fächern mit bes­se­rem
    Erfolg und grö­ße­rer Zufrie­den­heit zuwen­den.
    69 Schließ­lich ist dem Bolo­gna-Sys­tem imma­nent, dass einem
    Uni­ver­si­tät mit ihrem wis­sen­schaft­li­chen Anspruch zusam­men
    mit den Lan­des­prü­fungs­äm­tern für eine ein­heit­li­che
    Prü­fung zustän­dig ist.
    Zusätz­lich zu dem uni­ver­si­tä­ren Abschluss muss in
    den ande­ren euro­päi­schen Län­dern anschlie­ßend ein
    meist zwei­jäh­ri­ges – nicht vom Staat finan­zier­tes – Prak­ti­kum
    oder ein selbst zu finan­zie­ren­der Vor­be­rei­tungs­kurs
    in einem der juris­ti­schen Beru­fe absol­viert wer­den,
    66 an des­sen Ende ein Examen zu bestehen ist. Anders
    als die deut­sche Zwei­te Juris­ti­sche Prü­fung qua­li­fi­ziert
    die­ses aber nur für den jewei­li­gen juris­ti­schen Beruf
    und wird von dem ent­spre­chen­den Berufs­stand orga­ni­siert
    und an des­sen Markt­be­darf aus­ge­rich­tet. Das ist die
    not­wen­di­ge Kon­se­quenz der Über­las­sung der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung (vor allem für die Anwalt­schaft) an
    den jewei­li­gen Berufs­stand. Die eben­falls schon in der
    Ver­gan­gen­heit geführ­te Dis­kus­si­on über die „Spar­ten­aus­bil­dung“
    hat die Schwä­che einer sol­chen Aus­bil­dung
    gezeigt:67 Die „glei­che Augen­hö­he“ zwi­schen Rich­ter,
    Staats­an­walt und Rechts­an­walt, die typisch für die deut­schen
    Juris­ten und Juris­tin­nen ist, wür­de ver­lo­ren gehen.
    Das gegen­sei­ti­ge Ver­ständ­nis der juris­ti­schen Beru­fe,
    wel­ches sich dar­aus ergibt, dass jeder Jurist für eine gewis­se
    Zeit auch die Arbeits­er­fah­rung des­je­ni­gen, der
    ihm jetzt gegen­über­steht, gemacht hat, wäre nicht mehr
    vor­han­den. Auch der Wech­sel von einem juris­ti­schen
    Beruf in einen ande­ren wäre, wenn über­haupt prak­tisch
    noch mög­lich, jeden­falls erheb­lich erschwert. Sicher­lich
    wür­de der Staat Kos­ten spa­ren, wür­de er nur den eige­nen
    Nach­wuchs aus­bil­den. Die­sem Argu­ment, das in der
    Ver­gan­gen­heit manch­mal vor­ge­bracht wur­de, soll­te aber
    nicht mehr Gewicht bei­gemes­sen wer­den als den inhalt­li­chen
    Grün­den, die gegen eine „Spar­ten­aus­bil­dung“
    und eine Über­las­sung der Aus­bil­dung an die Berufs­stän­de
    spre­chen.
    Die deut­sche juris­ti­sche Aus­bil­dung unter­schei­det
    sich von der­je­ni­gen im euro­päi­schen Aus­land also nicht,
    wie häu­fig behaup­tet, durch ihre Dau­er, son­dern vor allem
    durch das Ide­al des Voll­ju­ris­ten und die Tat­sa­che,
    dass das Refe­ren­da­ri­at vom Staat finan­ziert wird. Damit
    hat die juris­ti­sche Aus­bil­dung in Deutsch­land einen
    stark sozi­al inte­grie­ren­den und demo­kra­ti­sie­ren­den
    Cha­rak­ter, den es zu bewah­ren und nicht aufs Spiel zu
    set­zen gilt.
  12. Gefähr­dung des Staats­examens
    Trotz Beteue­rung des Gegen­teils wür­de die Ein­füh­rung
    des inte­grier­ten Bache­lors eine grund­le­gen­de Gefahr für
    das Sys­tem des juris­ti­schen Staats­examens und damit für
    das Ide­al des Voll­ju­ris­ten dar­stel­len. Die Zahl der­je­ni­gen,
    die nur einen inte­grier­ten Bache­lor besit­zen wür­den
    und daher kei­nen Zugang zu den regle­men­tier­ten juris­ti­schen
    Beru­fe hät­ten, wür­de in weni­gen Jah­ren – aus
    den oben dis­ku­tier­ten Grün­den – pro­zen­tu­al beacht­li­cher
    sein als die Anzahl der­je­ni­gen, die das Examen heu­te
    defi­ni­tiv nicht bestehen.68 Es ist anzu­neh­men, dass alle
    die­se Bache­lor-Absol­ven­ten durch poli­ti­schen oder
    sogar juris­ti­schen Druck ver­su­chen wer­den, sich mit
    ihrem Abschluss min­des­tens durch Öff­nung des Rechts­be­ra­tungs­markts
    eine attrak­ti­ve­re Arbeits­per­spek­ti­ve zu
    ver­schaf­fen; für den Staats­dienst wird es ver­mut­lich ein­fa­cher
    sein, am Staats­examen als Vor­aus­set­zung fest­zu­hal­ten.
    Das wür­de zu einer Auf­wei­chung der Zugangs­vor­aus­set­zun­gen
    in die­sem Bereich füh­ren. Die Kon­se­quenz,
    min­der­qua­li­fi­zier­te Absol­ven­ten in der
    Anwalt­schaft, wäre vor dem Hin­ter­grund des durch das
    Schei­tern bei der Staats­prü­fung bewie­se­nen Man­gels an
    aus­rei­chen­den Rechts­kennt­nis­sen gegen­über dem
    Rechts­rat suchen­den Bür­ger nicht zu ver­ant­wor­ten.
    Über­haupt besteht, ange­sichts des Umstan­des, dass in
    weni­gen Jah­ren vie­le Juris­ten und Juris­tin­nen (die soge­nann­ten
    Baby-Boo­mer) in Ren­te gehen wer­den, die
    Gefahr, dass die Idee auf­kommt, die regu­lier­ten juris­ti­schen
    Beru­fe für die Absol­ven­ten mit einem inte­grier­ten
    Bache­lor zu öff­nen. Gera­de die­je­ni­gen, die heu­te sagen,
    der inte­grier­te Bache­lor will und wird das Staats­examen
    nicht in Fra­ge stel­len, wer­den dann erklä­ren, es loh­ne
    sich nicht, beim Staats­examen zu blei­ben, wenn schon
    1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    Bache­lor­stu­di­en­gang ein Mas­ter­stu­di­en­gang folgt. Es ist daher
    durch­aus nahe­lie­gend, dass einem all­ge­mei­nen Bache­lor of Laws
    ein all­ge­mei­ner Mas­ter of Laws fol­gen wird. Der Abschluss Ers­te
    Juris­ti­sche Prü­fung wird aber mit der eben­falls bestehen­den
    mög­li­chen Bean­tra­gung des aka­de­mi­schen Titels eines Dipl. Jur.,
    gegen­wär­tig mit einem Mas­ter äqui­va­lent bewer­tet. Umge­kehrt
    wird man argu­men­tie­ren kön­nen, dass ein von einer juris­ti­schen
    Fakul­tät ver­lie­hen Mas­ter of Laws-Titel, der einem Bache­lor of
    Laws folgt, dem Abschluss der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung äqui­va­lent
    sei.
    ein berufs­qua­li­fi­zie­ren­der juris­ti­scher Abschluss ver­lie­hen
    wird.69 In der Tat ist es wenig glaub­haft, dass zwei
    grund­ver­schie­de­ne Sys­te­me – das auf den Bachelor/
    Mas­ter gerich­te­te und daher auf vie­len ein­zel­nen Prü­fun­gen,
    die zum Abschluss füh­ren, basie­ren­de und das
    auf die Staats­prü­fung gerich­te­te und daher auf dem
    Modell des Ein­heits­ju­ris­ten basie­ren­de – auf Dau­er
    neben­ein­an­der koexis­tie­ren kön­nen: Wer den flä­chen­de­cken­den
    Bache­lor for­dert, wird Bolo­gna bekom­men.
    Respi­ce finem: Der „inte­grier­te LL.B.“ kann aus die­sem
    Grund der Ein­stieg in den Aus­stieg aus dem Staats­examen
    wer­den.
    V. Schluss­wort
    Ziel der deut­schen juris­ti­schen Aus­bil­dung ist, die ange­hen­den
    Juris­ten und Juris­tin­nen zum kri­ti­schen Den­ken
    zu erzie­hen, zur reflek­tier­ten Erfas­sung des juris­ti­schen
    Sys­tems zu füh­ren und zur kon­se­quen­ten, logi­schen und
    nach­voll­zieh­ba­ren Anwen­dung von Nor­men und Prin­zi­pi­en
    aus­zu­bil­den. Das erfolg­rei­che Absol­vie­ren der
    Staats­exami­na soll das unter Beweis stel­len, denn die
    Stu­die­ren­den von heu­te wer­den auch künf­tig eine zen­tra­le
    Rol­le für den demo­kra­ti­schen Zusam­men­halt der
    Gesell­schaft ein­neh­men und oft schwie­ri­ge, fol­gen­träch­ti­ge
    Ent­schei­dun­gen tref­fen müs­sen.
    Die Dis­kus­si­on über den Prü­fungs­druck und den
    Angst­ab­bau wäh­rend des Stu­di­ums ist ernst zu neh­men
    und muss inten­siv geführt wer­den. Des­we­gen hat der
    DJFT in sei­nen bei­den letz­ten Ver­samm­lun­gen noch­mals
    Pro­ble­me der juris­ti­schen Aus­bil­dung iden­ti­fi­ziert,
    Per­spek­ti­ven dis­ku­tiert und Lösun­gen beschlos­sen, die
    durch die Ver­bes­se­rung der Stu­di­en­be­din­gun­gen nicht
    nur in der Lage sind, jenen Ängs­ten und jenem Druck
    ent­ge­gen­zu­tre­ten, son­dern auch den hohen Anfor­de­run­gen
    und aktu­el­len Auf­ga­ben der Aus­bil­dung Rech­nung
    zu tra­gen und die­se wei­ter­hin in die Lage ver­set­zen, die
    Erwar­tun­gen von Staat und Gesell­schaft ver­ant­wor­tungs­voll
    zu erfül­len.
    Dem Prü­fungs­druck und den Ängs­ten der Stu­die­ren­den
    allein mit der Ein­füh­rung eines zusätz­li­chen Bache­lor-
    Abschlus­ses zu begeg­nen, greift zu kurz, ver­kennt
    die Her­aus­for­de­run­gen der juris­ti­schen Aus­bil­dung und
    droht mehr Pro­ble­me zu schaf­fen als zu lösen. Es bleibt
    zu hof­fen, dass sich die Dis­kus­si­on, die in die brei­te (juris­ti­sche)
    Öffent­lich­keit zu tra­gen mir gelun­gen ist, von
    der Fixie­rung auf den inte­grier­ten Bache­lor löst und uns
    ermög­licht, gemein­sam Ver­bes­se­run­gen im aktu­el­len
    Sys­tem zu errei­chen, um so wei­ter­hin die Qua­li­tät der
    deut­schen Juris­ten­aus­bil­dung auf­recht zu erhal­ten.
    Prof. Dr. Dr. h. c. Tizia­na Chi­usi ist nach For­schungs­und
    Lehr­tä­tig­keit an den Uni­ver­si­tä­ten Padua, Rom,
    Mün­chen und Tübin­gen seit 2001 Inha­ber­hin des Lehr­stuhls
    für Zivil­recht, Römi­sches Recht und Euro­päi­sche
    Rechts­ver­glei­chung an der Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des
    und seit 2019 Direk­to­rin des dor­ti­gen Insti­tuts für
    Euro­päi­sches Recht. Ihre For­schungs­schwer­punk­te lie­gen
    im Bür­ger­li­chen Recht, Römi­schen Recht und in
    der Rechts­ver­glei­chung. Sie ist u. a. Mit­her­aus­ge­be­rin
    des Cor­pus der Römi­schen Rechts­quel­len zur anti­ken
    Skla­ve­rei der Main­zer Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten,
    Kom­men­ta­to­rin im Stau­din­ger-Kom­men­tar und seit
    2020 Vor­sit­zen­de des DJFT.
  1. durch die juris­ti­schen
    Fakul­tä­ten
    Um der Furcht der Stu­die­ren­den vor­zu­beu­gen, könn­te
    man z. B. damit anfan­gen, dass sich die­je­ni­gen unter uns
    Leh­ren­den, die den anwe­sen­den Zuhö­rern in der ers­ten
    Vor­le­sung immer noch pro­phe­zei­en, ihre Zahl wer­de
    unwei­ger­lich und rapi­de wegen intel­lek­tu­el­ler Über­for­de­rung
    sin­ken, fra­gen, ob dies zur Stei­ge­rung der Moti­va­ti­on
    der Stu­die­ren­den geeig­net und über­haupt für den
    Erfolg der Vor­le­sung för­der­lich ist. Die­sen soll viel­mehr
    in den Vor­le­sun­gen von Beginn an das Gefühl ver­mit­telt
    wer­den, dass die Pro­fes­so­ren­schaft auf ihrer Sei­te steht,
    und ihnen sämt­li­che nütz­li­che Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung
    stellt, um sie best­mög­lich und vor allem lang­fris­tig
    auf das Examen vor­zu­be­rei­ten. Eine gewis­se Unsi­cher­heit
    ent­steht bereits bei dem Besuch der Vor­le­sun­gen im
    Grund­stu­di­um, wenn die Stu­die­ren­den der unte­ren
    Semes­ter zum ers­ten Mal mit der juris­ti­schen Abs­trak­ti­on
    kon­fron­tiert wer­den. Um zu ver­mei­den, dass sich aus
    die­ser Unsi­cher­heit eine wach­sen­de Angst vor dem Examen
    ent­wi­ckelt, ist es not­wen­dig, ver­stärkt im Stu­di­um
    Ver­an­stal­tun­gen anzu­bie­ten, wel­che die Anwen­dung der
    Theo­rie aus den Vor­le­sun­gen für Klau­su­ren und Haus­ar­bei­ten
    klar wer­den las­sen.
    Aber auch nach Abschluss des Grund­stu­di­ums dür­fen
    die Stu­die­ren­den nicht mit der Examens­vor­be­rei­tung
    allei­ne gelas­sen wer­den: Es gehört zu den Kern­auf­ga­ben
    der deut­schen juris­ti­schen Fakul­tä­ten, die Stu­die­ren­den
    für die fach­li­chen und metho­di­schen Anfor­de­run­gen
    der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung vorzubereiten.11
    Die Fakul­tä­ten haben die der Examens­vor­be­rei­tung die­nen­den
    Pro­gram­me in den ver­gan­ge­nen Jah­ren trotz enger
    wer­den­der finan­zi­el­ler Spiel­räu­me deut­lich aus­ge­baut.
    Denn bei ihnen ist die Examens­vor­be­rei­tung in
    den bes­ten Hän­den: Wir wis­sen, was wir prü­fen – und
    wir reden auch darüber.12 Das inzwi­schen eta­blier­te Ange­bot
    der Fakul­tä­ten umfasst die sys­te­ma­ti­sche Dar­stel­lung
    des rele­van­ten Stof­fes in spe­zi­el­len Vor­le­sun­gen
    und Kur­sen eben­so wie die Ver­mitt­lung von Fall­be­ar­bei­tungs­kom­pe­ten­zen
    in Klausurenkursen.13 Der Deut­sche
    Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag begrüßt die­se vie­len zusätz­li­chen
    Ange­bo­te ausdrücklich.14
    Die Qua­li­tät von uni­ver­si­tä­ren Repe­ti­to­ri­en ist regel­mä­ßig
    zu über­prü­fen und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln; die­se
    kann näm­lich stark vari­ie­ren, nicht nur von Fakul­tät zu
    Fakul­tät, son­dern auch inner­halb ein­zel­ner Fach­säu­len
    an den Fakul­tä­ten. Das Ange­bot an Ver­an­stal­tun­gen zur
    Examens­vor­be­rei­tung muss aus die­sem Grund stän­dig
    ver­bes­sert wer­den, um den Stu­die­ren­den die Sicher­heit
    zu geben, auch ohne ein teu­res kom­mer­zi­el­les Repe­ti­to­ri­um
    gut vor­be­rei­tet in die Prü­fun­gen zu gehen und ihnen,
    soweit es mög­lich ist, die über­trie­be­ne Angst davor
    zu neh­men. Das kann ins­be­son­de­re durch die – bereits
    an vie­len Fakul­tä­ten exis­tie­ren­den – Ange­bo­te zur
    Stress­be­wäl­ti­gung geschehen.15 Begrü­ßens­wert sind in
    die­sem Zusam­men­hang außer­dem die Hil­fe­stel­lun­gen,
    die sich gezielt an die Repe­ten­ten rich­ten, also die­je­ni­gen,
    die bereits ein­mal geschei­tert sind.16
    In den Ver­tie­fungs­ver­an­stal­tun­gen und in den Uni-
    Repe­ti­to­ri­en soll­te dabei nicht ohne Wei­te­res ange­nom­men
    wer­den, jeg­li­che Inhal­te stell­ten nur eine Wie­der­ho­lung
    dar: Diver­se Berei­che, deren Inhal­te even­tu­ell für
    die Grund­vor­le­sun­gen zu abs­trakt waren, gilt es hier inten­siv
    zu bear­bei­ten. Der Grund dafür liegt in dem Umstand,
    dass vie­le Stu­die­ren­de, auf­grund der Fül­le des zu
    ver­ar­bei­ten­den Stof­fes, bei der Vor­be­rei­tung der – mitt­ler­wei­le
    an allen Fakul­tä­ten mehr oder weni­ger zu fin­den­den
    – jewei­li­gen Abschluss­klau­su­ren für die ein­zel­nen
    Vor­le­sun­gen wäh­rend des Stu­di­ums ver­lei­tet wer­den,
    nur die für das Bestehen der jewei­li­gen Klau­sur essen­ti­el­len
    Inhal­te zu ler­nen und zu ver­in­ner­li­chen. Die
    Uni-Repe­ti­to­ri­en sol­len daher kon­sis­tent und über län­ge­re
    Zeit­räu­me Kur­se anbie­ten, in denen die Mög­lich­keit
    besteht, sämt­li­che The­men­ge­bie­te inten­siv zu behan­deln
    und die Stu­die­ren­den auf dem Weg zum Examen länger6
    O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    17 Towfigh/Traxler/Glöckner, Zur Beno­tung in der Examens­vor­be­rei­tung
    und im ers­ten Examen. Eine empi­ri­sche Ana­ly­se, Zeit­schrift
    für Didak­tik der Rechts­wis­sen­schaft 2014, S. 8, 12 ff.
    18 DJFT 2022/II Nr. 2 und 3.
    19 DJFT 2022/II Nr. 4; das The­ma war schon im Jahr 2019 Gegen­stand
    eines Beschlus­ses, s. DJFT 2019/III.
    fris­tig zu beglei­ten, um Pro­ble­men und Schwä­chen
    nach­hal­tig auf den Grund zu gehen. Ein Crash­kurs von
    maxi­mal einer oder zwei Wochen reicht ledig­lich zur
    Stoff­wie­der­ho­lung kurz vor dem Examen aus. Zusätz­lich
    soll­ten die Pro­gram­me zur Examens­vor­be­rei­tung durch
    ein kon­ti­nu­ier­li­ches Ange­bot zur Anfer­ti­gung von Examens­klau­su­ren
    sowie Pro­be­ex­ami­na mit ange­mes­se­ner
    Kor­rek­tur auf Examens­ni­veau unter­stützt wer­den. Gera­de
    die ste­ti­ge Ver­bes­se­rung und Ver­si­che­rung durch das
    Anfer­ti­gen von Klau­su­ren auf Examens­ni­veau unter Examens­be­din­gun­gen
    kann die Sicher­heit der Stu­die­ren­den
    für die Prü­fungs­ta­ge bewie­se­ner­ma­ßen fördern.17
    Die Rea­li­sie­rung und Inten­si­vie­rung der in den Fakul­tä­ten
    schon exis­tie­ren­den Pro­gram­me ist frei­lich
    nicht umsonst zu haben. Die chro­nisch unter­fi­nan­zier­ten
    und per­so­nell unter­be­setz­ten juris­ti­schen Fakul­tä­ten
    arbei­ten schon jetzt über das sich aus den vor­han­de­nen
    Stel­len erge­ben­de Lehr­de­pu­tat hin­aus. Es ist daher not­wen­dig,
    die Aus­stat­tung der Fakul­tä­ten zu ver­bes­sern;
    dafür muss die Poli­tik sen­si­bi­li­siert wer­den. Schon jetzt
    gilt aber für die Fakul­tä­ten, gezielt und bewusst alle vor­han­de­nen
    Kräf­te zu mobi­li­sie­ren, um ihre Stu­die­ren­den
    davon zu über­zeu­gen, dass ein erfolg­rei­ches Examen
    ohne teu­res, kom­mer­zi­el­les Repe­ti­to­ri­um mög­lich ist.
  2. Geschür­te Ängs­te
    Kom­mer­zi­el­le Anbie­ter ver­mit­teln den Stu­die­ren­den
    von Beginn an, dass ihr Examen nur durch den Besuch
    des kos­ten­pflich­ti­gen Kur­ses erfolg­reich sein kann, weil
    dort jeg­li­che höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung bespro­chen
    wird, sowohl die aktu­ells­te als auch die, die in den
    letz­ten Jah­ren in den deutsch­land­weit geschrie­be­nen
    Examens­klau­su­ren rele­vant war. Dabei wird ver­kannt,
    dass die Kennt­nis der logi­schen und sys­te­ma­ti­schen
    Denk­grund­la­gen erfor­der­lich und aus­rei­chend ist, um
    anhand bekann­ter Argu­men­ta­ti­ons­struk­tu­ren eine
    Lösung auch für uner­war­te­te Fäl­le abzu­lei­ten. Die Fakul­tä­ten
    soll­ten den Stu­die­ren­den daher von Beginn an ver­mit­teln,
    dass nur die Beherr­schung der dog­ma­ti­schen
    und sys­te­ma­ti­schen Grund­struk­tu­ren der Rechts­ord­nung
    und der juris­ti­schen Argu­men­ta­ti­ons­tech­nik wirk­lich
    die Lösung von Fäl­len, auch der unbe­kann­ten, und
    daher ein erfolg­rei­ches Examen garan­tie­ren.
    Dar­über hin­aus soll­te deut­li­cher her­vor­ge­ho­ben wer­den,
    dass im Examen kei­nes­falls das „Nach­be­ten“ einer
    Mus­ter­lö­sung erwar­tet wird, son­dern die Prü­fungs­leis­tung
    gera­de dar­in besteht, inner­halb der Kür­ze der vor­ge­ge­be­nen
    Zeit eine ver­tret­ba­re Lösung eigen­stän­dig
    und voll­stän­dig aus­zu­for­mu­lie­ren. Damit ist bei der Ers­ten
    Juris­ti­schen Staats­prü­fung nicht ledig­lich die Fähig­keit
    gefragt, umfang­rei­ches Wis­sen zu repro­du­zie­ren,
    son­dern es geht viel­mehr dar­um, bekann­te Struk­tu­ren in
    einer Trans­fer­leis­tung auf unbe­kann­te Sach­ver­hal­te anzu­wen­den
    und gleich­zei­tig ein soli­des Zeit­ma­nage­ment
    an den Tag zu legen.
  3. Stär­ke­re pro­fes­so­ra­le Betei­li­gung an der Ers­ten Juris­ti­schen
    Staats­prü­fung
    Kon­se­quent dazu ist, dass eine ange­mes­se­ne Betei­li­gung
    von Pro­fes­so­ren und Pro­fes­so­rin­nen an Gestal­tung und
    Durch­füh­rung des schrift­li­chen und münd­li­chen Examens
    erfolgt. Der Prü­fungs­stil der Uni­ver­si­tät, die
    metho­di­sche Her­an­ge­hens­wei­se, die The­men sind den
    Examens­kan­di­da­ten aus dem Stu­di­um ver­traut; Examens­klau­su­ren­vor­schlä­ge
    sei­tens der Fakul­tä­ten stel­len
    die Ver­bin­dung zwi­schen uni­ver­si­tä­rer Leh­re und staat­li­cher
    Prü­fung her. Auch das ist geeig­net, Ängs­te vor
    dem Examen abzubauen.18 Die Pra­xis dies­be­züg­lich ist
    aller­dings in den Bun­des­län­dern unter­schied­lich.
    Grund­sätz­lich sind die Fakul­tä­ten regel­mä­ßig sowohl
    bei der Erstel­lung als auch bei der Kor­rek­tur von Examens­klau­su­ren
    betei­ligt und in den münd­li­chen Prü­fungs­kom­mis­sio­nen
    ver­tre­ten. Das ist aber nicht über­all
    und vor allem nicht in der glei­chen Art und Wei­se
    gewähr­leis­tet, sowohl was den Umfang als auch was die
    Prü­fungs­ver­gü­tung und die Ver­gü­tung für die Erstel­lung
    von Auf­ga­ben­vor­schlä­gen anbe­langt. Des­we­gen hat der
    DJFT im Juni per Beschluss bekräftigt,19 dass die Bun­des­län­der,
    soweit nicht schon gesche­hen, die Vor­aus­set­zung
    dafür schaf­fen sol­len, Pro­fes­so­ren und Pro­fes­so­rin­nen
    eine ange­mes­se­ne Ver­gü­tung für die Betei­li­gung am
    staat­li­chen Teil der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung zu
    gewäh­ren, um so sicher­zu­stel­len, dass auch im Pflicht­teil
    der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung eine hohe uni­ver­si­tä­re
    Betei­li­gung vorherrscht.
  4. Digi­ta­li­sie­rung in der Leh­re
    In die Dis­kus­si­on über die Prü­fungs­mo­da­li­tä­ten, die
    kon­kre­ten Ant­wor­ten auf die Zwei­fel der Stu­die­ren­den
    und die aktu­el­len Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­Chi­usi
    · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 7
    20 Vgl. nun­mehr § 5d Abs. 6 S. 2 DRiG.
    21 In den Län­dern Rhein­land-Pfalz, Sach­sen und Sach­sen-Anhalt
    besteht die Mög­lich­keit bereits; in Nord­rhein-West­fa­len sind die
    Jus­tiz­prü­fungs­äm­ter ab 2024 ver­pflich­tet, die Anfer­ti­gung der
    Auf­sichts­ar­bei­ten in elek­tro­ni­scher Form zu ermög­li­chen, s. § 10
    Abs. 1 JAG NRW.
    dung hat der DJFT auf der 101. Tagung in Saar­brü­cken
    dar­über hin­aus das The­ma der Digi­ta­li­sie­rung ein­be­zo­gen.
    Die­se ist gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht eine Her­aus­for­de­rung:
    als Medi­um der Leh­re, als Prü­fungs­ge­gen­stand
    und schließ­lich als Prü­fungs­for­mat selbst.
    Die Pan­de­mie hat die Anwen­dung von digi­ta­ler Leh­re
    sehr beschleu­nigt, wenn auch aus der Not her­aus, um
    Leh­re über­haupt zu gewähr­leis­ten. Zwar besteht Kon­sens
    dar­über, dass die digi­ta­le Leh­re die Prä­senz­leh­re
    nicht erset­zen kann und soll. So liegt doch eine grund­le­gen­de
    Erfah­rung aus der Coro­na-Zeit in der Bestä­ti­gung,
    dass die Uni­ver­si­tät ein Ort der Begeg­nung von
    Leh­ren­den und Ler­nen­den ist, weil die Prä­senz und der
    ana­lo­ge Aus­tausch im per­sön­li­chen Gespräch für bei­de
    Sei­ten unver­zicht­bar sind und dass der Aus­tausch unter
    den Stu­die­ren­den essen­ti­el­ler Bestand­teil des uni­ver­si­tä­ren
    Lebens ist. Doch ist zu über­le­gen, wie die Erfah­run­gen
    mit den Digi­tal­for­ma­ten als reflek­tier­te Bestand­tei­le
    der Leh­re wei­ter­hin sinn­voll und effek­tiv frucht­bar gemacht
    wer­den kön­nen, auch nach dem Ende der pan­de­mie­be­ding­ten
    Beschrän­kun­gen und zwar vor dem Hin­ter­grund
    ihrer spe­zi­fi­schen Eigen­schaf­ten. So erlau­ben
    die Digi­tal­for­ma­te zum Bei­spiel Inter­ak­ti­ons­for­men
    (Brea­kout-Ses­si­ons, Umfra­gen, Reak­tio­nen per Chat
    oder Emo­ti­cons), die sich durch­aus posi­tiv auf den Lern­pro­zess
    aus­wir­ken kön­nen, las­sen aber Ablen­kung und
    Ver­ein­sa­mung vor dem Bild­schirm zu, was weder sinn­voll
    noch wün­schens­wert ist. Sozia­le Iso­la­ti­on und feh­len­der
    Aus­tausch mit „Lei­dens­ge­nos­sen“ ins­be­son­de­re
    in der Examens­vor­be­rei­tung dro­hen so gese­hen, die psy­chi­sche
    Belas­tung und Prü­fungs­ängs­te gar zu
    ver­stär­ken.
    Schon jetzt umfasst das Stu­di­um – und damit die Ers­te
    Juris­ti­sche Prü­fung – selbst­ver­ständ­lich Nor­men aus
    dem Pflicht­be­reich des Bür­ger­li­chen Rechts, des Öffent­li­chen
    Rechts und des Straf­rechts, die mit der Digi­ta­li­sie­rung
    zu tun haben (§§ 327 ff. BGB; §§ 3a, 35a VwVfG;
    §§ 202a ff., §§ 303a ff. StGB). Bei die­sen wird es sicher
    nicht blei­ben – die The­men­viel­falt, der Umfang des Prü­fungs­stoffs,
    die Anfor­de­run­gen in der Ers­ten Juris­ti­schen
    Prü­fung und damit letzt­lich auch der ange­pran­ger­te
    Prü­fungs­druck wer­den erneut stei­gen. Die Stu­die­ren­den
    müs­sen auch im Hin­blick dar­auf vor­be­rei­tet und
    opti­mal mit dem nöti­gen Wis­sen aus­ge­rüs­tet wer­den. Es
    geht dabei nicht um die Fähig­keit, eige­ne Soft­ware zu erstel­len
    – dafür besteht kein Bedürf­nis, auf dem Markt
    gibt es spe­zia­li­sier­te Fach­kräf­te – son­dern etwa dar­um,
    den Umgang mit Infor­ma­tio­nen von auto­ma­ti­sier­ten
    Sys­te­men prü­fend zu betrach­ten und die Mecha­nis­men
    bewusst zur Kennt­nis zu neh­men (v. a. die Ver­knüp­fung
    von Infor­ma­tio­nen), auf deren Basis Algo­rith­men Ent­schei­dun­gen
    tref­fen oder vor­schla­gen. Die Schwer­punkt­be­rei­che
    bie­ten im Anschluss dar­an die Mög­lich­keit,
    spe­zi­el­le­ren Digi­ta­li­sie­rungs­fra­gen nach­zu­ge­hen.
    Dar­über hin­aus ent­wi­ckelt sich der Bereich der Ergän­zung
    des juris­ti­schen Stu­di­ums durch Begleit- oder Auf­bau­stu­di­en­gän­ge
    als Zusatz­an­ge­bo­te. Hier kön­nen tech­ni­sche
    Grund­la­gen wie Daten­or­ga­ni­sa­ti­on, Netz­struk­tu­ren,
    Fra­gen der IT-Sicher­heit etc. ver­mit­telt wer­den. Die
    zu all­dem not­wen­di­ge Kom­pe­tenz kann, falls sie (noch)
    nicht in den Fakul­tä­ten aus­rei­chend vor­han­den ist,
    durch Lehr­be­auf­trag­te aus der Pra­xis oder – dann digi­tal
    – durch eine Ver­net­zung von Lehr­kräf­ten, auch aus dem
    Aus­land, und Block­ver­an­stal­tun­gen inte­griert wer­den.
    Dies­be­züg­lich ist aller­dings fest­zu­hal­ten, dass es sich dabei
    nicht um eine regel­mä­ßi­ge oder gar insti­tu­tio­nel­le
    Über­nah­me von Vor­le­sun­gen an einer Fakul­tät durch
    Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen aus einer ande­ren Fakul­tät
    han­deln kann, son­dern nur um punk­tu­el­le Erwei­te­rung
    des Ange­bots durch spe­zi­fi­sche Kom­pe­ten­zen: Sinn­vol­le,
    gute digi­ta­le Leh­re erfor­dert mehr Mit­tel, nicht weni­ger,
    sie darf jeden­falls nicht als Anlass zur Redu­zie­rung der
    Gesamt­zahl von Lehr­stüh­len miss­braucht wer­den.
    Nach­dem der Bun­des­ge­setz­ge­ber die Mög­lich­keit des
    Com­pu­ter­ein­sat­zes in der staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fung
    expli­zit zuge­las­sen hat,20 haben die­se schon eini­ge Bun­des­län­der
    für die Zwei­te Juris­ti­sche Prü­fung vor­ge­se­hen.
    21 Die Ent­schei­dung über einen Ein­satz liegt zwar
    nicht in der Kom­pe­tenz der Fakul­tä­ten, die­se wer­den die
    Stu­die­ren­den aber auch dar­auf ent­spre­chend vor­be­rei­ten
    müs­sen: Es kann nicht ver­langt wer­den, Klau­su­ren
    wäh­rend des Stu­di­ums per Hand schrei­ben zu müs­sen
    und sie in der staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fung in den
    Com­pu­ter ein­zu­tip­pen. Die Anschaf­fung von geeig­ne­ten
    Text­ver­ar­bei­tungs­ge­rä­ten und die Bereit­stel­lung der logis­ti­schen
    Infra­struk­tur (Tische, Räum­lich­kei­ten, Strom­netz
    etc.) wird nicht uner­heb­li­che Kos­ten und orga­ni­sa­to­ri­sche
    Maß­nah­men nach sich zie­hen, die sicher­lich
    nicht aus den alles ande­re als üppi­gen Finan­zen der Fakul­tä­ten
    bestrit­ten wer­den kön­nen. Da auch die Jus­tiz­prü­fungs­äm­ter
    in den Prü­fungs­räum­lich­kei­ten nicht
    über die nöti­ge Aus­stat­tung ver­fü­gen und daher auch
    dort ent­spre­chen­de Anschaf­fungs­kos­ten anfal­len wer­den,
    wird die denk­ba­re Umstel­lung von handgeschriebe8
    O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    22 Vgl. dazu Lobin­ger, in: Schnei­der, LTO Kar­rie­re v. 19.11.2019, Digi­ta­li­sie­rung
    der Juris­ten­aus­bil­dung: „Das elek­tro­ni­sche Examen
    ist eine Ver­füh­rung“, abruf­bar unter: https://www.lto.de/karriere/
    jura-stu­di­um/s­to­ries/­de­tail­/e‑­ex­amen-klau­sur-lap­top-debat­te­koeln-
    ver­fueh­rung-zukunft (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    23 Fünf­tes Gesetz zur Ände­rung des DRiG v. 22.11.2019, BGBl. 2019,
    I, S. 1755.
    24 DJFT 2022/III a.
    25 DJFT 2022/III b.
    26 Das ers­te Modell wird z. B. in Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg,
    Nie­der­sach­sen und Rhein­land-Pfalz prak­ti­ziert, das zwei­te in
    Schles­wig-Hol­stein, Ber­lin, Ham­burg, Sach­sen und Thü­rin­gen. Es
    fällt auf, dass in den­je­ni­gen Län­dern, die eine Noten­ver­bes­se­rung
    auf Frei­ver­such­ler beschrän­ken, der Anteil der Frei­ver­such­ler
    über­durch­schnitt­lich groß ist (über 50 Pro­zent z. B. in Ber­lin,
    Ham­burg, Sach­sen, Thü­rin­gen und Schles­wig-Hol­stein), wäh­rend
    er in den­je­ni­gen Län­dern, die die Noten­ver­bes­se­rung unab­hän­gig
    vom Frei­ver­such ermög­li­chen, viel gerin­ger ist (um die 20
    Pro­zent in Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg, Nie­der­sach­sen und
    Rhein­land-Pfalz).
    27 In den Jah­ren von 2014 bis 2019 lag z. B. in Schles­wig-Hol­stein
    – das von der Bun­des­fach­schaft in der Podi­ums­dis­kus­si­on
    anläss­lich der Bun­des­fach­schaft­en­ta­gung 2022 in Ham­burg als
    Bei­spiel für die restrik­ti­ve Noten­ver­bes­se­rungs­re­ge­lung ange­führt
    wur­de – der pro­zen­tua­le Anteil der Kan­di­da­ten, die end­gül­tig
    nicht bestan­den haben, drei Mal über und drei Mal unter dem
    bun­des­wei­ten Gesamt­durch­schnitt, vgl. Bun­des­amt für Jus­tiz,
    Aus­bil­dungs­sta­tis­tik zur Juris­ten­aus­bil­dung über die Ergeb­nis­se
    der Pflicht­fach­prü­fung, jeweils abruf­bar unter: https://www.
    bundesjustizamt.de/DE/Service/Justizstatistiken/Justizstatistiken_
    node.html#AnkerDokument44060 (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    28 DJFT 2021/I; 2021/II.
    29 DJFT 2021/II Nr. 1 und 2.
    30 In die­se Rich­tung geht die im letz­ten Jahr erfolg­te Erwei­te­rung
    des § 5a Abs. 2 DRiG, nach der „…die Ver­mitt­lung der Pflicht­fä­cher
    […] auch in Aus­ein­an­der­set­zung mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen
    Unrecht und dem Unrecht der SED-Dik­ta­tur“ erfolgt.
    nen auf com­pu­ter­ge­tipp­te Examens­klau­su­ren auch in
    die­ser Hin­sicht zu einer Her­aus­for­de­rung, bei der eine
    sorg­fäl­ti­ge Kos­ten-Nut­zen­ana­ly­se vor­an­ge­hen soll­te.
    Dem prak­ti­schen Nut­zen (etwa bes­se­re Les­bar­keit der
    Klau­su­ren, Ein­fach­heit und Sicher­heit der Über­mitt­lung
    der Klau­su­ren an die Lan­des­prü­fungs­äm­ter, Umgang
    mit elek­tro­ni­schen Medi­en), ste­hen näm­lich die tech­ni­schen
    und öko­no­mi­schen Her­aus­for­de­run­gen sowie die
    mög­li­chen Kon­se­quen­zen für die Denk­struk­tu­ren der
    Stu­die­ren­den beim Ver­zicht auf hand­ge­schrie­be­ne Klau­su­ren
    und Lösungs­skiz­zen gegenüber.22 Der DJFT steht
    dies­be­züg­lich in engem Aus­tausch mit Ver­tre­tern der
    Poli­tik, den Stu­die­ren­den­ver­tre­tern und den Lan­des­jus­tiz­prü­fungs­äm­tern,
    um eine best­mög­li­che Lösung zu
    garan­tie­ren.
  5. Frei­ver­suchs­re­ge­lun­gen
    Auch der letz­te Beschluss des jüngs­ten Fakul­tä­ten­ta­ges
    war der Opti­mie­rung der Prü­fungs­mo­da­li­tä­ten zum
    Zweck des Angst­ab­baus gewid­met. Die 2019 erfolg­te
    Ver­län­ge­rung der Regelstudienzeit23 erfor­dert eine
    Anpas­sung der Frist zur Mel­dung für den Frei­ver­such
    auf das neun­te Semes­ter, was der DJFT gefor­dert hat.24
    Dane­ben hat sich die Inter­es­sen­ver­tre­tung dafür aus­ge­spro­chen,
    die Mög­lich­keit der Noten­ver­bes­se­rung unab­hän­gig
    vom Zeit­punkt der Mel­dung für den Erst­ver­such
    vorzusehen.25 Der im Rah­men der Pro­ble­ma­tik des psy­chi­schen
    Drucks von der Bun­des­fach­schaft geäu­ßer­te
    Wunsch, die in den Bun­des­län­dern noch zum Teil unter­schied­lich
    gere­gel­te Frei- und Ver­bes­se­rungs­ver­suchs­re­ge­lung
    zu har­mo­ni­sie­ren, wird vom DJFT unter­stützt.
    Den Län­dern, die eine Ver­bes­se­rungs­mög­lich­keit nur
    dann zulas­sen, wenn ein Frei­ver­such absol­viert wur­de,
    nicht aber gene­rell nach bestan­de­nem Erst­ver­such, wird
    daher emp­foh­len, den Ver­bes­se­rungs­ver­such auch nach
    bestan­de­nem Erst­ver­such vorzusehen.26 Zwar hat die
    restrik­ti­ve­re Rege­lung nur einen Ein­fluss auf die Mög­lich­keit,
    die Note zu ver­bes­sern, sodass kei­ne grö­ße­re
    Gefahr der Abschluss­lo­sig­keit auf­grund die­ser Rege­lung
    besteht.27 Im Ergeb­nis steht den Kan­di­da­ten, die den
    Frei­ver­such wahr­neh­men, näm­lich in bei­den Model­len
    nach zwei fehl­ge­schla­ge­nen Ver­su­chen ein wei­te­rer zur
    Ver­fü­gung. Doch ver­lei­tet die restrik­ti­ve­re Rege­lung die
    Stu­die­ren­den dazu, auch dann in das Examen zu gehen,
    wenn sie sich noch nicht genü­gend vor­be­rei­tet füh­len
    (und mög­li­cher­wei­se sind), was sicher­lich den Druck
    und den Stress erhöht und zu schlech­te­ren Ergeb­nis­sen
    füh­ren kann.
  6. Wis­sen­schaft­lich­keit und Inter­na­tio­na­li­sie­rung des
    Stu­di­ums
    In der Per­spek­ti­ve der Ver­bes­se­rung und Ver­tie­fung
    des Stu­di­ums hat sich der Deut­sche Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag
    gera­de anläss­lich sei­nes in Karls­ru­he gefei­er­ten 100.
    Jubi­lä­ums mit den The­men „Grund­la­gen­fä­cher in der
    Aus­bil­dung“ und „Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Stu­di­ums“
    beschäf­tigt und Beschlüs­se dazu gefasst.28 Dabei wur­de
    betont, dass die Ver­bin­dung im rechts­wis­sen­schaft­li­chen
    Stu­di­um zwi­schen dog­ma­ti­schen Fächern und Grund­la­gen­fä­chern
    sich auf „die begriff­lich-sys­te­ma­ti­sche Erfas­sung
    der Rechts­ord­nung in ihrer Gesamt­heit sowie die
    Ver­knüp­fung zwi­schen For­schung und Pra­xis, zwi­schen
    Dog­ma­tik und theo­rie­fun­dier­ter Rechts­an­wen­dung“
    grün­det. Des­we­gen stel­len sie „einen wesent­li­chen Teil
    des Pflicht­fach­stu­di­ums“ dar und „[…] sind maß­geb­lich
    für die Ver­wirk­li­chung des wis­sen­schaft­li­chen Anspruchs
    der juris­ti­schen Aus­bil­dung an der Uni­ver­si­tät
    […]“.29 Die Aus­ein­an­der­set­zung mit Grund­la­gen­wis­sen
    soll daher nicht nur in sepa­ra­ten Lehr­ver­an­stal­tun­gen,
    son­dern auch in der Leh­re der dog­ma­ti­schen Fächer30
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 9
    31 DJFT 2021/II Nr. 3.
    32 DJFT 2021/I Nr. 1.
    33 DJFT 2021/I Nr. 3 und 4.
    34 DJFT 2021/I Nr. 5 und 6.
    35 DJFT 2004/II; 2005/I; 2006/I; 2007/I; 2008/I; 2010/I; 2011/I.
    36 Deut­scher Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag, Der »Bolo­gna-Pro­zess«, (o.
    Anm. 2).
    37 S. hier­zu auch u. Anm. 56 und 57.
    erfol­gen und sich über das gesam­te Stu­di­um
    erstrecken.31
    Hin­sicht­lich der Not­wen­dig­keit einer wei­te­ren Inter­na­tio­na­li­sie­rung
    des Stu­di­ums wur­de in Karls­ru­he betont,
    wie sehr „die Euro­päi­sie­rung und Inter­na­tio­na­li­sie­rung
    des Stu­di­ums eine Vor­aus­set­zung des beruf­li­chen
    Erfolgs zukünf­ti­ger Gene­ra­tio­nen von Juris­tin­nen und
    Juris­ten“ sei.32 Des­we­gen sol­len Aus­lands­auf­ent­hal­te
    und deren BAföG-För­de­rung, Sprach- und Kul­tur­kom­pe­tenz
    sowie Kennt­nis­se aus­län­di­scher Rechts­ord­nun­gen
    als wesent­li­cher Teil der juris­ti­schen Aus­bil­dung
    wei­ter aus­ge­baut wer­den und die im Aus­land erwor­be­nen
    Leis­tun­gen bei gleich­wer­ti­ger wis­sen­schaft­li­cher
    Qua­li­tät groß­zü­gig aner­kannt wer­den. Denn der Erwerb
    ver­glei­chen­der Kennt­nis­se ande­rer Rechts­ord­nun­gen
    wei­tet den Hori­zont und ermög­licht ein tie­fe­res Ver­ständ­nis
    des natio­na­len Rechts.33 Schließ­lich soll­te eine
    zwei­te Fremd­spra­che bzw. eine juris­ti­sche Fach­spra­che
    das Stu­di­um ergän­zen; der DJFT hat sich ver­pflich­tet,
    sich dafür ein­zu­set­zen, dass die Erwei­te­rung des Fremd­spra­chen­an­ge­bots
    auch in den ande­ren Län­dern der
    Uni­on ange­strebt wird.34
    III. Die Dis­kus­si­on über den „inte­grier­ten“ Bachelor
  7. Grund­sätz­li­che Fra­gen
    Ist man der Mei­nung, dass dem von den Stu­die­ren­den
    beklag­ten Druck zweck­mä­ßig mit den oben genann­ten
    inhalt­li­chen Maß­nah­men, die gleich­zei­tig eine Ver­bes­se­rung
    der Stu­di­en­be­din­gun­gen und der Stu­di­en­ergeb­nis­se
    dar­stel­len, abge­hol­fen wer­den kann, steht man
    der Fokus­sie­rung der Dis­kus­si­on zum Angst­ab­bau auf
    den soge­nann­ten „inte­grier­ten Bache­lor“ ziem­lich rat­los
    gegen­über. Die Idee, einen Abschluss auf­grund des Umstan­des
    zu ver­lei­hen, dass der eigent­lich avi­sier­te und gewoll­te
    nicht geschafft wur­de, mutet nicht nur vor dem
    Hin­ter­grund der tra­di­tio­nel­len Anfor­de­run­gen der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung min­des­tens selt­sam, son­dern auch
    im Hin­blick auf das Regel­werk des auf Bachelor/Master
    basie­ren­den Bolo­gna-Sys­tems bei­na­he arro­gant an.
    Als Argu­ment für den „inte­grier­ten Bache­lor“ wird
    aus­ge­führt, dass der Druck und die Ängs­te der Stu­die­ren­den
    ver­schwän­den, wenn nach drei Jah­ren Jura-Stu­di­um
    ein juris­ti­scher Bache­lor erwor­ben wer­den könn­te.
    Es wird vor­ge­bracht, damit wäre gera­de die Angst vor
    der Abschluss­lo­sig­keit, die die Stu­die­ren­den beson­ders
    unter Druck set­ze, gebannt, denn man hät­te auf jeden
    Fall, d. h. auch beim Nicht­be­stehen der Ers­ten Juris­ti­schen
    Staats­prü­fung, etwas in der Hand. Dabei stellt sich
    unwei­ger­lich die Fra­ge, was das für ein Abschluss wäre,
    der als Trost dafür ver­lie­hen wird, dass man den eigent­lich
    ange­streb­ten nicht erreicht hat? Wel­che Fer­tig­kei­ten
    und Kom­pe­ten­zen wür­de er amt­lich doku­men­tie­ren?
    Wozu wür­de er qua­li­fi­zie­ren? Und vor allem: Ist ein zusätz­li­cher
    Abschluss über­haupt geeig­net, den Prü­fungs­druck
    der Stu­die­ren­den nach­hal­tig zu min­dern oder
    wer­den damit nicht mehr Pro­ble­me geschaf­fen als
    gelöst?
    Der Deut­sche Juris­ten-Fakul­tä­ten­tag hat sich aus guten
    Grün­den mehr­mals gegen die Ein­füh­rung eines Bache­lors
    als flä­chen­de­cken­den regu­lä­ren Abschluss der
    juris­ti­schen Aus­bil­dung ausgesprochen.35 Im Zuge des
    Bolo­gna-Pro­zes­ses wur­de bewusst dar­auf ver­zich­tet, die
    auf den Staats­exami­na basie­ren­de juris­ti­sche Aus­bil­dung
    in einen Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gang umzu­wan­deln.
    Die Mit­glie­der der juris­ti­schen Fakul­tä­ten, d. h. Leh­ren­de
    und Ler­nen­de, zusam­men mit den Jus­tiz­mi­nis­te­ri­en
    der Län­der und dem Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um kämpf­ten
    gemein­sam, am Ende erfolg­reich, gegen die Umstel­lung
    des Jura-Stu­di­ums auf „Bologna“.36 Die Erfah­rung der
    letz­ten Jah­re in den ande­ren Fakul­tä­ten, die das
    „Bologna“-Modell über­nom­men haben, hat die Rich­tig­keit
    der damals aus­ge­tausch­ten Argu­men­te bestä­tigt.
    Weder ist die Mobi­li­tät der Stu­die­ren­den gestie­gen, noch
    ist die Ver­gleich­bar­keit der Abschlüs­se ein­fa­cher gewor­den.
    37 Aber auch das Qua­li­fi­zie­rungs­po­ten­ti­al des drei1
    0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    38 So z. B. Schlicht, in: Tages­spie­gel, Der Mas­ter wird zum Eli­te
    Abschluss, v. 07.02.2012, abruf­bar unter https://www.tagesspiegel.
    de/wissen/der-master-wird-zum-eliteabschluss-2052661.html
    (letz­ter Zugriff 07.11.2022); Boh­mann, in: Welt, Nur die Eli­te
    macht den Mas­ter, v. 25.10.2012, abruf­bar unter: https://www.welt.
    de/prin­t/­wel­t_­kom­pak­t/ar­tic­le110223954/Nur-die-Eli­te-macht­den-
    Master.html (letz­ter Zugriff 02.12.2022); Euen, in: Deutsch­land­funk,
    Psy­cho­lo­gie-Mas­ter, Die Krux mit den Stu­di­en­plät­zen,
    v. 23.09.2014, abruf­bar unter https://www.deutschlandfunk.de/
    psychologie-master-die-krux-mit-den-studienplaetzen-100.html
    (letz­ter Zugriff 07.11.2022); die Situa­ti­on hat sich in den letz­ten
    Jah­ren zwar ver­bes­sert, etwa Busch, in: Zeit, IST ES SCHWER,
    EINEN PLATZ ZU BEKOMMEN?, v. 27.05.2016, abruf­bar unter:
    https://www.zeit.de/campus/2016/s2/zulassung-master-studienplaetze
    (letz­ter Zugriff 02.12.2022), aber teil­wei­se feh­len wei­ter­hin
    aus­rei­chen­de Mas­ter­plät­ze, s. Spin­rad, in: Süd­deut­sche Zei­tung,
    War­um in Bay­ern Stu­di­en­plät­ze für Psy­cho­the­ra­peu­ten feh­len, v.
    28.05.2022, abruf­bar unter https://www.sueddeutsche.de/bayern/
    eichstaett-psychotherapie-ausbildung-bayern‑1.5586639 (letz­ter
    Zugriff 02.12.2022). In den letz­ten Jah­ren scheint der Bache­lor­ab­schluss
    in abso­lu­ten Zah­len an Akzep­tanz gewon­nen zu haben,
    doch ver­bleibt ein – in unse­rem Zusam­men­hang sehr inter­es­san­ter
    – rele­van­ter Unter­schied zwi­schen Uni­ver­si­tä­ten und
    Fach­hoch­schu­len: Die Quo­te der­je­ni­gen, die nach dem Abschluss
    eines uni­ver­si­tä­ren Bache­lors einen Mas­ter­ab­schluss anhän­gen,
    liegt mit 66 Pro­zent wei­ter­hin auf einem hohen Niveau (mit
    Spit­zen­wer­ten von knapp 80 Pro­zent bei der Fächer­grup­pe „Mathe­ma­tik
    und Natur­wis­sen­schaf­ten“), wäh­rend nur 29 Pro­zent
    der­je­ni­gen, die einen Bache­lor an einer Fach­hoch­schu­le erwor­ben
    haben, ein Mas­ter­stu­di­um auf­neh­men, s. Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt,
    Pres­se­mit­tei­lung Nr. 201 v. 12.05.2022, Prü­fungs­jahr 2019:
    45 % der Bache­lor­ab­sol­ven­tin­nen und ‑absol­ven­ten began­nen
    ein Mas­ter­stu­di­um, abruf­bar unter: https://www.destatis.de/DE/
    Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_201_213.html (letz­ter
    Zugriff 02.12.2022).
    39 Vgl. Cam­pos Nave/Bauer, in: F.A.Z., Der Bache­lor mischt den
    Juris­ten­markt auf, v. 12.10.2022, abruf­bar unter: https://www.faz.
    net/ak­tu­el­l/­kar­rie­re-hoch­schu­le/­bue­ro-co/­der-bache­lor-mischt­den-
    juristenmarkt-auf-18379793.html (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    Dort heißt es, ein Bache­lor wür­de in man­chen spe­zi­fisch en Arbeits­markt­si­tua­tio­nen
    bes­ser qua­li­fi­zie­ren als die Staats­prü­fung.
    Da es schon denk­lo­gisch unmög­lich ist, dass das Bestehen eini­ger
    Abschluss­klau­su­ren zusam­men mit dem Erwerb eini­ger Schei­ne,
    was die Vor­aus­set­zung für die Anmel­dung zu der umfas­sen­den
    Ers­ten Staats­prü­fung bil­det, bes­ser als das Bestehen die­ser qua­li­fi­ziert,
    kön­nen die Autoren nur Bache­lor-Abschlüs­se mit einer
    zusätz­li­chen, spe­zi­fisch en Qua­li­fi­ka­ti­on im Blick gehabt haben,
    nicht den „inte­grier­ten Bache­lor“. Doch könn­te der flüch­ti­ge
    bzw. nicht in der The­ma­tik erfah­re­ne Leser gera­de den Ein­druck
    bekom­men, es sei letz­te­rer gemeint.
    40 Man­che der rabia­ten oder gar dif­fa­mie­ren­den Reak­tio­nen auf
    mei­nen F.A.Z.-Artikel vom 30.Juni 2022 basie­ren auch dar­auf,
    dass mir – viel­leicht auf Grund der von der Redak­ti­on gewähl­ten
    Über­schrift des online-Arti­kels – eine Miss­bil­li­gung sämt­li­cher
    Bache­lor­ab­schlüs­se unter­stellt wur­de.
    41 Die gro­ße Viel­falt der – wie bereits gesagt – schon jetzt exis­tie­ren­den
    grund­stän­di­gen sowie kom­ple­men­tä­ren Stu­di­en­gän­ge mit
    einem Bache­lor-Mas­ter-Abschluss sind eben­falls auf der Web­sei­te
    des DJFT ein­seh­bar, vgl. https://www.djft.de/studium/ (letz­ter
    Zugriff 02.12.2022) unter „Stu­di­en­an­ge­bo­te“.
    42 DJFT 2007/I Nr. 6.
    43 DJFT 2010/I Nr. 1.
    44 Vgl. exem­pla­risch die Richt­li­nie des Prü­fungs­aus­schus­ses des
    Bache­lor­stu­di­en­gangs Recht und Wirt­schaft zur Anrech­nung von
    Kom­pe­ten­zen an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth.
    45 Exem­pla­risch hier­zu § 24 Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nung der
    Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum für das Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaft
    mit Abschluss „Ers­te Prü­fung“.
    jäh­ri­gen Abschlus­ses wur­de in der Pra­xis rela­ti­viert, wie
    die Dis­kus­si­on über nicht aus­rei­chen­de Mas­ter-Stu­di­en­plät­ze
    für alle Bache­lor­ab­sol­ven­ten, die auch den dar­auf­fol­gen­den
    Mas­ter absol­vie­ren möch­ten, gezeigt hat.38
  8. Spe­zia­li­sier­te Bache­lor-Stu­di­en­gän­ge an juris­ti­schen
    Fakul­tä­ten
    In der aktu­el­len Dis­kus­si­on über einen uni­ver­si­tä­ren
    „inte­grier­ten“ Bache­lor als all­ge­mei­nen juris­ti­schen
    Abschluss wird die­ser immer wie­der mit ande­ren Bache­lor­ab­schlüs­sen,
    die im Umfeld der Rechts­wis­sen­schaft
    exis­tie­ren, in einen Topf geworfen,39 was unzu­tref­fend
    ist und für Miss­ver­ständ­nis­se sorgt.40 Neben dem Stu­di­en­gang
    Rechts­wis­sen­schaft, der mit der Ers­ten Juris­ti­schen
    Prü­fung abge­schlos­sen wird, bie­ten näm­lich
    bereits jetzt diver­se juris­ti­sche Fakul­tä­ten wei­te­re kom­ple­men­tä­re
    Stu­di­en­gän­ge und Auf­bau­stu­di­en­gän­ge an,
    die den Stu­die­ren­den Berufs­fel­der abseits der klas­si­schen
    juris­ti­schen Beru­fe erschlie­ßen, bzw. eine zusätz­li­che
    Qua­li­fi­ka­ti­on ermöglichen.41 Der DJFT sieht das
    schon lan­ge als eine posi­ti­ve Ent­wick­lung. Schon 2007
    hieß es in dem ent­spre­chen­den Beschluss des DJFT: „In
    der Kom­bi­na­ti­on mit nicht-juris­ti­schen Inhal­ten (z. B.
    wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen, natur­wis­sen­schaft­li­chen,
    medi­en­spe­zi­fi­schen) und gege­be­nen­falls mit einem ent­spre­chen­den
    Mas­ter-Abschluss kann ein Bache­lor mit
    juris­ti­schen Inhal­ten, B.A., Sinn machen“.42 Die­se juris­ti­schen
    Bache­lor­stu­di­en­gän­ge, die für Tätig­kei­ten in
    Unter­neh­men, Ban­ken, Ver­si­che­run­gen etc. gedacht
    sind, exis­tie­ren schon an vie­len juris­ti­schen Fakul­tä­ten
    und ste­hen Inter­es­sen­ten mit einem sol­chen Berufs­wunsch
    offen. Dazu zäh­len auch die Bache­lor- oder Mas­ter-
    Stu­di­en­gän­ge, die eine spe­zi­fi­sche Qua­li­fi­ka­ti­on in
    einem aus­län­di­schen Rechts­sys­tem in Kom­bi­na­ti­on mit
    dem deut­schen anbie­ten. An die­sem Modell der „plu­ra­lis­ti­schen
    Aus­bil­dung“ hält der DJFT fest.43
    Übri­gens ist, was in der Dis­kus­si­on völ­lig aus­ge­blen­det
    wird, in vie­len die­ser bereits exis­tie­ren­den
    Bache­lor­stu­di­en­gän­gen eine Aner­ken­nung von
    erbrach­ten Prü­fungs­leis­tun­gen auch ohne bzw. nach
    einem geschei­ter­ten Staats­examen, ggf. durch den
    jewei­li­gen Prü­fungs­aus­schuss der Fakul­tät, möglich44,so
    wie umge­kehrt ein Wech­sel etwa von wirt­schafts­ju­ris­ti­schen
    Bache­lor­stu­di­en­gän­gen zum klas­si­schen Stu­di­en­gang
    mit dem Ziel Ers­te Juris­ti­sche Staats­prü­fung zuläs­sig
    ist.45
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 1 1
    46 Dass das kei­ne blo­ße Befürch­tung ist, zeigt der Appell des Dekans
    der HU Ber­lin v. 19.05.2021, abruf­bar unter: https://www.rewi.huberlin.
    de/de/sp/2015/llb (letz­ter Zugriff 02.12.2022). Nach die­sem
    haben zwar alle „for­mal das Recht“, den Bache­lor zu bean­tra­gen;
    weil der Ver­wal­tungs­auf­wand zur Aus­stel­lung der Bache­lor­zeug­nis­se
    auf­grund der gel­ten­den Vor­schrif­ten erheb­lich ist,
    „ohne dass die Fakul­tät dafür wei­te­re Res­sour­cen zur Ver­fü­gung
    gestellt bekom­men kann“, wird aber dar­um gebe­ten, ein sol­ches
    Zeug­nis nur im Aus­nah­me­fall zu bean­tra­gen, damit es nicht zu
    „unbe­ab­sich­tig­ten für alle Stu­die­ren­de der Fakul­tät nach­tei­li­gen
    Fol­gen“ kommt, da „ande­re wich­ti­ge Arbei­ten im Prü­fungs­bü­ro
    (Prü­fungs­ko­or­di­na­ti­on, Leis­tungs­ver­bu­chun­gen, Bera­tun­gen)
    ver­zö­gert oder ein­ge­schränkt wer­den“.
    47 In die­sem Zusam­men­hang könn­te sich dann die Fra­ge stel­len,
    wie sich die Her­an­zie­hung der Leis­tun­gen des Schwer­punkt­be­reichs
    zum Erwerb des inte­grier­ten Bache­lors auf die Dis­kus­si­on
    über die Gesamt­no­te der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung aus­wir­ken
    wird. Gel­ten die Leis­tun­gen und die Ergeb­nis­se des Schwer­punkt­be­reichs­stu­di­ums
    auch als Leis­tun­gen zum Zweck des Erwerbs
    des Bache­lors, wür­den sie zwei­mal ver­wer­tet wer­den, für die Note
    des Bache­lors und für die Note der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung.
    Unab­hän­gig von hoch­schul- und prü­fungs­recht­li­chen Pro­fi­len,
    die zu eru­ie­ren wären, könn­te dies Was­ser auf die Müh­len der
    Geg­ner der Gesamt­no­te sein.
    48 Aus man­chen Gesprä­chen mit Stu­den­ten­ver­tre­tun­gen gewinnt
    man zum Teil den Ein­druck, dass in deren Vor­stel­lung mit dem
    Bache­lor eigent­lich eine amt­li­che Form der Aner­ken­nung der
    übli­cher­wei­se auf dem Weg zum Staats­examen bestan­de­nen
    Leis­tungs­kon­trol­len (Zwi­schen­prü­fun­gen, Abschluss­klau­su­ren,
    Schwer­punkt­be­reichs­leis­tun­gen usw.) inten­diert ist, ein Gesamt­zeug­nis
    mit Vor­di­plom-Cha­rak­ter (das übri­gens zu dem Dipl.
    Jur.-Titel pas­sen wür­de, den so gut wie alle Fakul­tä­ten nach der
    bestan­de­nen Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung ver­lei­hen) als amt­li­che
    Zer­ti­fi­zie­rung dafür, dass man auf dem rich­ti­gen Weg zur
    Staats­prü­fung ist. Es fällt aber schwer zu glau­ben, dass ein sol­cher
    Bache­lor sui gene­ris hoch­schul­recht­lich mög­lich sein könn­te und
    durch die Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­en aus­ge­rech­net für die Juris­ten,
    die sich erfolg­reich gegen das Bolo­gna-Sys­tem gestemmt hat­ten,
    durch­ge­wun­ken wür­de.
    49 § 8 Abs. 2 S. 1 Mus­ter­rechts­ver­ord­nung gemäß Art. 4 Abs. 1
    – 4 Stu­di­en­ak­kre­di­tie­rungs­staats­ver­trag (Beschluss der
    Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz v. 07.12.2017).
    50 Das Bestehen der diver­sen Leis­tungs­kon­trol­len und der Übun­gen
    ist sinn­voll und aus­rei­chend im Hin­blick auf das Examen, ver­schafft
    aber nicht die für die Aus­übung eines juris­ti­schen Berufs
    not­wen­di­gen Kom­pe­ten­zen, auch dann nicht, wenn zusätz­lich
    eine Haus- oder Semi­nar­ar­beit im Rah­men des Schwer­punkt­be­reich­stu­di­ums
    als Bache­lor­ar­beit geschrie­ben wer­den muss.
    51 Vgl. etwa Art. 17 Abs. 1 Rah­men­prü­fungs­ord­nung der Uni­ver­si­tät
    des Saar­lan­des für Bache­lor- und Mas­ter-Stu­di­en­gän­ge; auch das
    ist aber nicht ein­heit­lich geregelt.
  9. Kon­se­quen­zen der Ein­füh­rung eines „inte­grier­ten“
    Bache­lors
    Wür­de man aber neben den ohne­hin schon bestehen­den
    diver­sen Bache­lor­stu­di­en­gän­gen einen wei­te­ren, flä­chen­de­cken­den,
    all­ge­mei­nen Bache­lor­stu­di­en­gang – mit
    dem Ziel „Bache­lor of Laws“ – in den Stu­di­en­gang
    Rechts­wis­sen­schaft – mit dem Ziel „Ers­te Juris­ti­sche
    Prü­fung“ – imple­men­tie­ren, müss­ten, unge­ach­tet der
    mit einer sol­chen „Ver­mi­schung“ zwei­er an sich auto­no­mer
    Stu­di­en­gän­ge ver­bun­de­nen hoch­schul­recht­li­chen
    Fra­gen, kon­se­quen­ter­wei­se auch alle ent­spre­chen­den
    Vor­ga­ben des Modu­la­ri­sie­rungs- und Noten­ver­ga­be­pro­zes­ses
    sowie der Anfer­ti­gung einer Bache­lor­ar­beit ein­ge­hal­ten
    wer­den. Dies bedeu­te nicht nur eine zusätz­li­che
    Belas­tung für die Ver­wal­tung der Fakultäten,46 son­dern
    eben­so zusätz­li­chen Lern- und Prü­fungs­druck für die
    Stu­die­ren­den: Die unter Stu­die­ren­den ver­brei­te­te Idee,
    man kön­ne einen sol­chen „inte­grier­ten“ Bache­lor of
    Laws qua­si neben­bei durch das Bestehen der „Gro­ßen
    Übun­gen“, der ver­gleichs­wei­se in Anzahl über­schau­ba­ren
    und in den Moda­li­tä­ten der Prü­fungs­durch­füh­rung
    weni­ger streng orga­ni­sier­ten Abschluss­klau­su­ren des
    jet­zi­gen, auf die Staats­prü­fung aus­ge­rich­te­ten Stu­di­ums
    sowie der Ableis­tung einer (ohne­hin kaum ver­gleich­ba­ren)
    Schwerpunktbereichsleistung47 erwer­ben, basiert
    auf Unkennt­nis oder min­des­tens Unter­schät­zung der
    büro­kra­ti­schen Anfor­de­run­gen des Bachelorsystems.48
    Die­ses ist näm­lich ein durch­re­gu­lier­tes, von der Erbrin­gung
    von modu­la­ri­sier­ten und regel­mä­ßi­gen Stu­di­en­leis­tun­gen
    in Höhe von min­des­tens 180 ECTS-Punk­ten
    gekenn­zeich­ne­tes System.49 Die­se Anfor­de­run­gen gel­ten
    für alle Fakul­tä­ten und sind nor­ma­ler­wei­se Vor­aus­set­zung
    für die Akkre­di­tie­rung eines jeden Bache­lors, ohne
    den auch kein Mas­ter mög­lich ist. Sie sind aber kaum
    kom­pa­ti­bel mit der jet­zi­gen Struk­tur des Jura-Stu­di­ums,
    wel­ches die Abschluss­klau­su­ren und Zwi­schen­prü­fun­gen
    als Pro­pä­deu­ti­kum zum Examen bzw. als Kon­trol­le
    für die Stu­die­ren­den hin­sicht­lich ihrer eige­nen Vor­be­rei­tung,
    50 nicht als defi­ni­ti­ve Ent­schei­dung über das
    Erwer­ben eines Abschlus­ses begreift, und daher sich
    eine gewis­se Frei­heit und Groß­zü­gig­keit in der Gestal­tung
    und Durch­füh­rung der Leis­tungs­kon­trol­len erlau­ben
    kann. Trotz der Ein­füh­rung von Leis­tungs­kon­trol­len
    in unter­schied­li­chen For­men in bei­na­he allen juris­ti­schen
    Fakul­tä­ten bleibt das Jura-Stu­di­um, gera­de weil es
    nicht in das Bolo­gna-Sys­tem inte­griert ist, im Ver­gleich
    zu ande­ren uni­ver­si­tä­ren Stu­di­en­gän­gen weni­ger streng
    regle­men­tiert. Auch die „gro­ßen Übun­gen“ sind gegen­wär­tig
    nicht als defi­ni­ti­ve Ent­schei­dung über das Erwer­ben
    eines Abschlus­ses kon­zi­piert und des­we­gen grund­sätz­lich
    belie­big oft wie­der­hol­bar. Die Prü­fun­gen im
    Bolo­gna-Sys­tem sind dage­gen in der Regel nur begrenzt
    wie­der­hol­bar; das Nicht­be­stehen führt zum Aus­schluss
    vom Studium.51 Mit der flä­chen­de­cken­den Ein­füh­rung
    eines inte­grier­ten Bache­lors gin­ge also zum einen ein­her,
    dass jede ein­zel­ne Prü­fungs­leis­tung in die Bil­dung einer
    Gesamt­no­te ein­flie­ßen wür­de und jede Teil­leis­tung im
    1 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    52 Das führ­te über­dies zu der Fra­ge nach einer – ein­heit­li­chen? –
    Umrech­nung der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Klau­sur­punk­te auf das
    Noten­sche­ma in den Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gän­gen. An der
    Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des füh­ren z. B. 9 Klau­sur­punk­te „nur“ zu
    einer 2,7 in der Bolo­gna-Noten­ska­la; eben­so an der HU Ber­lin.
    An der Uni­ver­si­tät Bre­men oder der Uni­ver­si­tät in Frank­furt
    wäre es bereits eine 2,3.
    53 Übri­gens gehör­te damit wohl die bekann­te, wenn nicht ver­trau­te
    Tak­tik „4 gewinnt“ der Ver­gan­gen­heit an.
    54 Nach Heublein/Hutzsch/Kracke/Schneider, Die Ursa­chen des
    Stu­di­en­ab­bruchs in den Stu­di­en­gän­gen des Staats­examens Jura.
    Eine Ana­ly­se auf Basis einer Befra­gung der Exma­tri­ku­lier­ten vom
    Som­mer­se­mes­ter 2014. DZHW-Pro­jekt­be­richt, 2017, S. 19 ver­las­sen
    56 Pro­zent der Jura-Stu­di­en­ab­bre­cher das Stu­di­um inner­halb
    der ers­ten vier Semes­ter, ein Anteil von 27 Pro­zent bricht das
    Stu­di­um nach dem zehn­ten Semes­ter ab. Damit exma­tri­ku­lie­ren
    sich die Stu­di­en­ab­bre­cher in der Rechts­wis­sen­schaft durch­schnitt­lich
    nach 6,8 Semes­tern, wäh­rend der uni­ver­si­tä­re Durch­schnitt
    bei 5,2 Semes­tern liegt. Als Grund für den spä­te­ren Abbruch im
    Stu­di­en­gang der Rechts­wis­sen­schaft ver­mu­ten die Autoren der
    Stu­die den Umstand, dass es „an Fak­to­ren fehlt, die einen sol­chen
    Pro­zess (Ent­schei­dungs­pro­zess, der zum Stu­di­en­ab­bruch führt)
    beschleu­ni­gen, wie z. B. Leis­tungs­an­for­de­run­gen oder Pra­xis­er­fah­run­gen“,
    vgl. Pro­jekt­be­richt, S. 23.
    55 Obgleich der spä­te­re Stu­di­en­ab­bruch, der im Jura-Stu­di­um oft
    ange­pran­gert wird, grund­sätz­lich als Nach­teil anzu­se­hen ist, weil
    sich damit die Zeit für ein ande­res Stu­di­um und für das Ergrei­fen
    eines ande­ren Berufs in die Län­ge zieht, bie­tet gera­de die weni­ger
    aus­ge­präg­te Regle­men­tie­rung des jet­zi­gen Jura-Stu­di­ums im Ver­gleich
    mit den Bache­lor­stu­di­en­gän­gen die Mög­lich­keit, län­ger im
    Aus­bil­dungs­sys­tem zu blei­ben und daher län­ger die Chan­ce ergrei­fen
    zu kön­nen, zur erfolg­rei­chen Staats­prü­fung zu kom­men.
    Vgl. Mühlenweg/Sprietsma/Horstschräter (Hrsg.), Human­ka­pi­tal­po­ten­zia­le
    der gestuf­ten Hoch­schul­ab­schlüs­se in Deutsch­land:
    Aus­wer­tun­gen zu Stu­di­en­be­tei­li­gung, Stu­di­en­ab­brü­chen, Mobi­li­tät
    und Ein­gangs­se­lek­ti­on, 2010, die dar­auf hin­wei­sen, dass ein
    län­ge­rer Ent­schei­dungs­pro­zess „auch zusätz­li­che inter­ve­nie­ren­de
    Mög­lich­kei­ten eröff­nen, einen Stu­di­en­ab­bruch gege­be­nen­falls
    noch abzu­wen­den“ (S. 24).
    56 Woisch/Willige (Hrsg.), Inter­na­tio­na­le Mobi­li­tät im Stu­di­um
    2015, Ergeb­nis­se der fünf­ten Befra­gung deut­scher Stu­die­ren­der
    zur stu­di­en­be­zo­ge­nen Aus­lands­mo­bi­li­tät, DAAD und DZHW
    Pro­jekt­be­richt.
    57 Mühlenweg/Sprietsma/Horstschräter (Hrsg.),
    Human­ka­pi­tal­po­ten­zia­le der gestuf­ten Hoch­schul­ab­schlüs­se
    in Deutsch­land: Aus­wer­tun­gen zu Stu­di­en­be­tei­li­gung,
    Stu­di­en­ab­brü­chen, Mobi­li­tät und Ein­gangs­se­lek­ti­on, 2010,
    S. 9 zu den MINT-Fächern; Win­ter, Die Revo­lu­ti­on blieb aus:
    Über­blick über empi­ri­sche Befun­de zur Bolo­gna-Reform in
    Deutsch­land, in: Nickel (Hrsg.), Der Bolo­gna Pro­zess aus Sicht
    der Hoch­schul­for­schung, Ana­ly­sen und Impul­se für die Pra­xis,
    S. 24; Nickel, Zwi­schen Kri­tik und Empi­rie – Wie wirk­sam ist
    der Bolo­gna-Pro­zess?, in: Nickel (Hrsg.), Der Bolo­gna-Pro­zess
    aus Sicht der Hoch­schul­for­schung, Ana­ly­sen und Impul­se für die
    Pra­xis, S. 12.
    58 Auch die Gesamt­sta­tis­ti­ken der Stu­di­en­an­fän­ger sind auf der
    Web­sei­te des DJFT abruf­bar: Die Zah­len der Stu­di­en­an­fän­ger
    schwan­ken – frei­lich in uni­ver­si­tä­ren Ver­gleich immer auf
    höchs­ten Niveau – von 13.856 im Jahr­gang 2008/2009 über 15.999
    im Jahr­gang 2009/2010 zu 23.399 im Jahr­gang 2010/2011, von
    18.502 im Jahr­gang 2012/2013 zu 20.225 im Jahr­gang 2013/2014,
    von 19.843 im Jahr­gang 2014/2015 zu 21.131 im Jahr­gang 2017/2018
    und von 20.018 im Jahr­gang 2018/2019 zu 19.831 im Jahr­gang
    2019/2020 sowie 19.442 im Jahr­gang 2020/2021.
    Zeug­nis auf­ge­führt würde.52 Zum ande­ren wür­de
    dadurch das zusätz­li­che Risi­ko geschaf­fen, dass das
    mehr­ma­li­ge Nicht­be­stehen früh zum Aus­schluss vom
    Stu­di­um füh­ren könn­te. Inwie­weit hier­durch die Stress­be­las­tung
    im Stu­di­um und der Prü­fungs­druck gesenkt
    wäre, erschließt sich nicht.53
    Das alles liegt sicher nicht im wohl­ver­stan­de­nen Inter­es­se
    der Stu­die­ren­den; Ziel der juris­ti­schen Aus­bil­dung
    soll­te kein „Aus­sie­ben“ durch stren­ge­re Regle­men­tie­rung
    bereits in den unte­ren Semes­tern sein;54 schließ­lich
    gibt es genü­gend Stu­die­ren­de, die eine gewis­se Zeit
    brau­chen, um die Denk­wei­se, Grund­struk­tu­ren und
    Tech­ni­ken sowohl des Stu­di­ums als auch des Recht­sys­tems
    zu ver­ste­hen und daher im Grund­stu­di­um noch
    mäßi­ge Ergeb­nis­se erzie­len, bis sich die Mosa­ik­stei­ne zu
    einem Gesamt­bild zu fügen begin­nen, das die Ein­heit
    der Rechts­ord­nung vor dem geis­ti­gen Auge zeigt, was
    sich am Ende in einer guten Examens­no­te niederschlägt55.
    Viel­mehr soll­ten wir immer mehr und immer
    bes­se­re Juris­ten und Juris­tin­nen aus­bil­den, die gleich­wohl
    Freu­de am und Erfolg im Stu­di­um und in der
    Staats­prü­fung haben. Das gelingt nur – wie oben aus­ge­führt
    – durch inhalt­li­che Maßnahmen.
  10. Eini­ge nicht über­zeu­gen­de Argu­men­te
    Das Argu­ment, dass ein inte­grier­ter Bache­lor die inter­na­tio­na­le
    Mobi­li­tät der Stu­die­ren­den erleich­tern wür­de,
    ist uns bereits aus dem Bolo­gna-Pro­zess bekannt. Tat­säch­lich
    sind die Juris­ten und Juris­tin­nen im Ver­gleich
    zu ande­ren Stu­di­en­gän­gen aber nicht weni­ger mobil, im
    Gegenteil.56 Dar­über hin­aus zei­gen sta­tis­ti­sche Erkennt­nis­se,
    dass die Umstel­lung auf das Bache­lor-Mas­ter-Sys­tem
    in ande­ren Stu­di­en­gän­gen nicht zu einer Stei­ge­rung
    der inter­na­tio­na­len Mobi­li­tät bei­getra­gen hat.57
    Auch die Behaup­tung, die juris­ti­schen Fakul­tä­ten erreich­ten
    zuneh­mend poten­ti­el­le Stu­di­en­in­ter­es­sier­te
    nicht, weil die­se von den Examens­be­din­gun­gen abge­schreckt
    wür­den, wider­spricht der Gesamt­sta­tis­tik der
    Stu­di­en­an­fän­ger in der Rechts­wis­sen­schaft und lässt die
    Berück­sich­ti­gung gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Ent­wick­lun­gen
    – wie des demo­gra­phi­schen Rück­gangs oder zuletzt
    der Coro­na Pan­de­mie – vermissen.58 Jeden­falls blei­ben
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 1 3
    59 Da das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt die Anzahl der Stu­die­ren­den nur
    nach Fächer­grup­pen lie­fert, in denen die Rechts­wis­sen­schaft
    zusam­men mit den Sozi­al- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten auf­ge­lis­tet
    ist, wur­den die Bei­spie­le aus den im Inter­net zugäng­li­chen
    Daten ein­zel­ner Uni­ver­si­tä­ten, nicht alle ver­öf­fent­li­chen die
    Stu­die­ren­den­zah­len, recher­chiert; man beach­te, dass man­che
    Fakul­tä­ten (z. B. die phi­lo­so­phisch-his­to­risch-phi­lo­lo­gi­schen
    oder die natur­wis­sen­schaft­li­chen, oder die psy­cho­lo­gi­sche­s­port­wis­sen­schaft­li­chen
    usw.) anders als die juris­ti­schen, die im
    Wesent­li­chen nur den Stu­di­en­gang Rechts­wis­sen­schaft anbie­ten,
    diver­se Stu­di­en­gän­ge beinhal­ten: Augs­burg (SoSe 2022): Juris­ti­sche
    Fakul­tät: 2.883, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 264, Phi­lo­so­phisch-
    Sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 2.912, Phi­lo­lo­gisch-His­to­ri­sche
    Fakul­tät: 4.756; Bie­le­feld (WiSe 2018/19): Recht­wis­sen­schaft:
    1.560, Sozio­lo­gie: 1.173, tech­ni­sche Fakul­tät: 1.285, Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten:
    781, Phy­sik: 903; Bochum (WiSe 2021/22):
    Juris­ti­sche Fakul­tät: 4.317, Fakul­tät für Wirt­schafts­wis­sen­schaft:
    3.424, Fakul­tät für Sozi­al­wis­sen­schaft: 2.024, medi­zi­ni­sche
    Fakul­tät: 3.361; Erlan­gen (WiSe 2021/22): Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 9.683, Phi­lo­so­phi­sche Fakul­tät
    und Fach­be­reich Theo­lo­gie: 9.241, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 4.245,
    Natur­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 5.444; Frank­furt a. M. (WiSe
    2021/22): Rechts­wis­sen­schaft: 4.597, Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten:
    5.794, Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten: 4.105, Neue­re Phi­lo­lo­gien:
    4.393, Medi­zin: 4.160, Psy­cho­lo­gie und Sport­wiss.: 1.837; Frankfurt/
    Oder (SoSe 2022): Juris­ti­sche Fakul­tät: 1.480, Kul­tur­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 1.317, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät:
    1.433; Frei­burg (SoSe 2022): Rechts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät:
    2.289, Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 286, Wirt­schafts- u. Ver­hal­tens­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 2.710, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 4.155,
    Phi­lo­lo­gi­sche Fakul­tät: 1.857, Tech­ni­sche Fakul­tät: 2.215; Gie­ßen
    (SoSe 2022): Rechts­wis­sen­schaft: 2.033, Wirt­schafts­wis­sen­schaft:
    1.422, Anglis­tik: 1.086, Psychologie/Sport: 1.754, Human­me­di­zin:
    2.725; Göt­tin­gen (WiSe 2021/22): Juris­ti­sche Fakul­tät: 2.865, Phi­lo­so­phi­sche
    Fakul­tät: 4.633, Fakul­tät für Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik:
    1.428, Fakul­tät für Phy­sik: 1.109, Fakul­tät für Bio­lo­gie und
    Psy­cho­lo­gie: 2.687, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 3.980,
    Fakul­tät für Che­mie: 751, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 3.851; Greifs­wald
    (SoSe 2022): Rechts­wis­sen­schaft: 1.131, Betriebs­wirt­schafts­leh­re:
    849, Medi­zin: 1.586, Geschich­te: 276, Deutsch: 494, Ame­ri­ka­nis­tik:
    305, Psy­cho­lo­gie: 412; Hei­del­berg (SoSe 2022): Juris­ti­sche
    Fakul­tät: 2.695, Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 628, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät:
    4.522, Fakul­tät für Verhaltens- und Empi­ri­sche Kul­tur­wis­sen­schaf­ten:
    2.433, Fakul­tät für Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik: 1.641;
    Jena (WiSe 2019/20): Rechts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 1.406,
    Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 123, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät:
    1.557, Phi­lo­so­phi­sche Fakul­tät: 3.413, Fakul­tät für Sozi­al- und
    Ver­hal­tens­wis­sen­schaf­ten: 3.788, Fakul­tät für Mathe­ma­tik und
    Infor­ma­tik: 869, Che­misch-Geo­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 1.397,
    Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 2.591; Leip­zig (WiSe 2019/20): Juris­ten­fa­kul­tät:
    2.948, Theo­lo­gi­sche Fakul­tät: 595, Fakul­tät für Geschich­te,
    Kunst- und Ori­ent­wis­sen­schaf­ten: 3.019, Phi­lo­lo­gi­sche Fakul­tät:
    4.559, Erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­che Fakul­tät: 3.180, Fakul­tät für
    Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und Phi­lo­so­phie: 2.647, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che
    Fakul­tät: 2.083, Medi­zi­ni­sche Fakul­tät: 3.394, Fakul­tät
    für Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik: 2.243, Fakul­tät für Che­mie und
    Mine­ra­lo­gie: 909.
    60 So unzu­tref­fend iur.reform, Reformoptionen/Integrierter Bachelor/
    Pro Nr. 3, abruf­bar unter: https://iurreform.de/reformoptionen/
    (letz­ter Zugriff 02.12.2022).
    61 Vgl. hier­zu Towfigh/Traxler/Glöckner (Hrsg.), Geschlechts- und
    Her­kunfts­ef­fek­te bei der Beno­tung juris­ti­scher Staats­prü­fun­gen,
    ZDRW 2/2018, S. 115 ff.; sowie bereits dies., Zur Beno­tung in der
    Examens­vor­be­rei­tung und im ers­ten Examen. Eine empi­ri­sche
    Ana­ly­se, ZDRW 1/2014, S. 8 ff.
    62 Zu den gefähr­li­chen Aus­wir­kun­gen eines sol­chen Abschlus­ses für
    das Sys­tem des Staats­examens s. u. sub IV. 2.
    die rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tä­ten unter den stu­die­ren­den­stärks­ten
    Fakultäten.59
    Es ist zudem nicht der inte­grier­te Bache­lor als „Zwi­schen­ab­schluss“,
    der dazu geeig­net ist, eine sozia­le und
    damit chan­cen­un­glei­che Selek­ti­on durch den Stu­di­en­gang
    Ers­te Juris­ti­sche Prü­fung zu ver­hin­dern, wie behaup­tet
    wird.60 Die Aus­wir­kun­gen der Her­kunft und sozia­ler
    Netzwerke61 im Staats­examen wer­den dadurch
    kei­nes­wegs ange­gan­gen, son­dern dro­hen sogar noch
    ver­stärkt zu wer­den, wenn künf­tig auf einen angeb­lich
    berufs­qua­li­fi­zie­ren­den drei­jäh­ri­gen Abschluss als Trost­pflas­ter
    ver­wie­sen wer­den kann. Es ist näm­lich die Gefahr
    nicht zu unter­schät­zen, dass Stu­die­ren­de, die Voll­ju­ris­ten
    wer­den könn­ten – und die­se wer­den drin­gend
    gebraucht – die Fokus­sie­rung auf das Ziel Staats­prü­fung
    ver­lie­ren und (auf­grund per­sön­li­cher, wirt­schaft­li­cher
    oder sozia­ler Lebens­um­stän­de) der Ver­su­chung erlie­gen
    könn­ten, sich mit dem inte­grier­ten Bache­lor zufrie­den
    zu geben, statt wei­ter die Staats­prü­fung anzu­stre­ben
    (ggf. durch Wie­der­ho­lung), in der (irr­tüm­li­chen) Auf­fas­sung,
    auch damit einen für den Arbeits­markt attrak­ti­ven
    juris­ti­schen Abschluss erwor­ben zu haben. Erst
    recht wird auch die Quo­te der Repe­ten­ten und damit die
    Zahl derer, die in einem zwei­ten oder drit­ten Ver­such
    Erfolg haben könn­ten, sin­ken.
    Es ist die inhalt­li­che Ver­bes­se­rung des uni­ver­si­tä­ren
    Stu­di­ums und der Aus­bau der uni­ver­si­tä­ren – und damit
    nicht­kom­mer­zi­el­len – Examens­vor­be­rei­tung, wie vom
    DJFT vor­ge­schla­gen, die zur Wah­rung der sozia­len Gerech­tig­keit
    des Stu­di­ums bei­trägt. Der „inte­grier­te LL.B.“
    spie­gelt nicht nur dem Markt, son­dern auch und vor allem
    den Stu­die­ren­den die Illu­si­on einer arbeits­qua­li­fi­zie­ren­den
    juris­ti­schen Qua­li­fi­ka­ti­on vor, die eher Beschäf­ti­gun­gen
    auf unspe­zia­li­sier­ten Tätig­keits­ebe­nen
    mit ent­spre­chen­der Bezah­lung ermög­li­chen dürf­te.
    An die Not­wen­dig­keit der sozia­len Gerech­tig­keit der
    juris­ti­schen Aus­bil­dung knüpft näm­lich die Fra­ge nach
    den beruf­li­chen Per­spek­ti­ven an, die ein sol­cher „inte­grier­ter
    LL.B.“ den Stu­die­ren­den eröff­nen wür­de. Erdacht
    für die­je­ni­gen, die die Ers­te Juris­ti­sche Prü­fung end­gül­tig
    nicht bestan­den haben, wür­de ein sol­cher Abschluss
    – jeden­falls noch62 – nicht für die klas­si­schen juris­ti­schen
    Beru­fe wie Rich­ter, Staats­an­walt, Notar oder
    Rechts­an­walt qua­li­fi­zie­ren. Da die Stu­di­en­an­fän­ger bereits
    heu­te ent­schei­den kön­nen, ob sie den Weg des klas­si­schen,
    auf der Staats­prü­fung basier­ten Jura-Stu­di­ums
    1 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    63 Der Umstand, dass der DJFT zu sei­nem hun­dert­jäh­ri­gen Jubi­lä­um
    in Karls­ru­he, der „Haupt­stadt des Rechts“, in Zusam­men­ar­beit
    mit dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt getagt hat, woll­te als
    Zei­chen der für die deut­sche Rechts­wis­sen­schaft typi­schen und
    frucht­ba­ren Ver­bin­dung zwi­schen Rechts­for­schung und Rechts­pra­xis
    die­nen.
    64 So etwa in Frank­reich und Spa­ni­en mit jeweils fünf Jah­ren
    Stu­di­en­dau­er, vgl. für Spa­ni­en Real Decre­to 822/2021 sowie für
    Frank­reich Art. L611‑1 ff. Code de l’éducation. Auch in Ita­li­en
    dau­ert das Stu­di­um nach „Bolo­gna“ fünf Jah­re, wobei man nach
    einer ursprüng­li­chen Umstel­lung auf das „3+2‑System“ ziem­lich
    schnell zum ein­heit­li­chen Stu­di­um zurück­ge­kehrt ist, weil die
    Fül­le des Stoffs, der für einen arbeits­qua­li­fi­zie­ren­den drei­jäh­ri­gen
    Abschluss als not­wen­dig erach­tet wur­de, des­sen Stu­dier­bar­keit
    prak­tisch unmög­lich mach­te. Ein Bache­lor („lau­rea bre­ve“) wird
    in man­chen Fakul­tä­ten noch ange­bo­ten, die abso­lu­te Mehr­heit
    der Stu­die­ren­den ent­schei­det sich aber für das nor­ma­le
    fünf­jäh­ri­ge Stu­di­um. Ähn­li­ches lässt sich für die Schweiz sagen:
    Dort wur­de die Umstel­lung auf das Bache­lor-Mas­ter-Sys­tem vor
    mehr als einem Jahr­zehnt ins­be­son­de­re von den Gerich­ten und
    der Anwalt­schaft mit dem Argu­ment kri­ti­siert, die Absol­ven­ten
    und Absol­ven­tin­nen sei­en zu wenig auf die Pra­xis vor­be­rei­tet,
    und mün­de­te in eine inzwi­schen umge­setz­te Stu­di­en­re­form, die
    erheb­li­che struk­tu­rel­le Ände­run­gen mit sich brach­te und letzt­lich
    den Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gang wie­der­um als Ein­heit kon­zi­piert
    hat.
    65 Zum Bei­spiel in Spa­ni­en nach Art. 301.3 Ley Orgá­ni­ca 6/1985 für
    die Rich­ter- und Staats­an­walt­schaft, nach Art. 2, 3 Ley 34/2006 für
    die Anwalt­schaft; in Frank­reich nach Art. 14 ff., insb. Art. 17 Ordon­nan­ce
    n° 58–1270 du 22 décembre 1958 portant loi orga­ni­que
    rela­ti­ve au sta­tut de la magis­tra­tu­re und Décret n°72–355 du 4 mai
    1972 rela­tif à l‘Ecole natio­na­le de la magis­tra­tu­re für die Rich­te­r­und
    Staats­an­walt­schaft sowie Art. 42 ff. Décret n°91–1197 du 27
    novembre 1991 orga­nisant la pro­fes­si­on d‘avocat bzw. Arrêté du
    17 octobre 2016 fix­ant le pro­gram­me et les moda­li­tés de l‘examen
    d‘accès au cent­re régio­nal de for­ma­ti­on pro­fes­si­on­nel­le d‘avocats
    für die Anwalt­schaft; in Öster­reich nach § 26 i. V. m. § 174 RStDG
    für die Rich­ter- und Staats­an­walt­schaft und §§ 1, 2, 3 Rechts­an­walts­ord­nung
    für die Anwalt­schaft.
    66 In Spa­ni­en gem. Art. 4.3, 6 Ley 34/2006; in Frank­reich gem.
    wäh­len möch­ten oder sich lie­ber in einen spe­zia­li­sier­ten
    Bache­lor-Mas­ter-Stu­di­en­gang an einer Uni­ver­si­tät bzw.
    in einen Bache­lor of Laws-Stu­di­en­gang einer Fach­hoch­schu­le
    ein­schrei­ben und so die Mög­lich­keit haben, einen
    Abschluss – ggf., bei den spe­zia­li­sier­ten uni­ver­si­tä­ren
    Bache­lors, auf dem Weg zum Staats­examen – zu erwer­ben,
    besteht aus uni­ver­si­tä­rer Sicht kein Grund, hier ein
    Kon­kur­renz­ver­hält­nis ent­ste­hen zu las­sen. Mit der flä­chen­de­cken­den
    Ein­füh­rung eines unspe­zia­li­sier­ten inte­grier­ten
    Bache­lor of Laws an Uni­ver­si­tä­ten wür­den die­se
    mit dem bereits bestehen­den brei­ten Ange­bot von juris­tisch
    ori­en­tier­ten Bache­lor-Stu­di­en­gän­gen an Fach­hoch­schu­len
    kon­kur­rie­ren, ohne dass sich hier­für ein Bedürf­nis
    auf dem Markt erken­nen lässt. Dar­über hin­aus ist anzu­neh­men,
    dass gera­de die spe­zia­li­sier­ten uni­ver­si­tä­ren
    Bache­lors von einem inte­grier­ten Bache­lor Kon­kur­renz
    bekä­men.
    IV. Zur Bedeu­tung der deut­schen juris­ti­schen
    Aus­bil­dung
  11. Eigen­schaf­ten und Funk­ti­on
    Das Ide­al des sog. Voll­ju­ris­ten, der die wis­sen­schaft­li­che
    Pha­se an der Uni­ver­si­tät und die Pra­xis­pha­se im Refe­ren­da­ri­at
    durch­lau­fen hat, der für alle Juris­ten und Juris­tin­nen
    ein­heit­li­che Weg, ist in Euro­pa kei­nes­wegs der
    Regel­fall. Gera­de aber die von die­sem Modell gesi­cher­te
    Qua­li­tät der deut­schen Juris­ten­aus­bil­dung stellt eine
    essen­ti­el­le Vor­aus­set­zung für den wirt­schaft­li­chen und
    rechts­staat­li­chen Erfolg der Bun­des­re­pu­blik dar.
    Es ist für die nicht (nur) in Deutsch­land aus­ge­bil­de­te
    Beob­ach­te­rin immer wie­der über­ra­schend, fest­zu­stel­len,
    wie wenig bei der Ana­ly­se und Beur­tei­lung der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung der Zusam­men­hang zwi­schen der
    Aus­bil­dung und ihren Aus­wir­kun­gen auf die deut­sche
    Wirt­schaft und Gesell­schaft durch die seit Jahr­zehn­ten
    von ihr her­vor­ge­brach­ten Juris­ten und Juris­tin­nen, die
    in der Ver­wal­tung, den Gerich­ten und wei­te­ren Orga­nen
    der Rechts­pfle­ge tätig sind, gewür­digt wird. Dabei wür­de
    z. B. für die Beur­tei­lung der Qua­li­tät der medi­zi­ni­schen
    Ver­sor­gung nie­mand die Bedeu­tung der medi­zi­ni­schen
    Aus­bil­dung bestrei­ten.
    Der Rekurs auf Gerich­te und ihre Fähig­keit, Pro­zes­se
    inner­halb abseh­ba­rer Zeit und unter Wah­rung der Rech­te
    der Par­tei­en zu Ende zu füh­ren sowie die Ver­läss­lich­keit
    der Ver­wal­tung im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern
    sind ein Ver­trau­ens­be­weis in den Rechts­staat, der den
    Zusam­men­halt inner­halb der deut­schen Gesell­schaft erheb­lich
    prägt. Die juris­ti­sche Aus­bil­dung mit ihrem
    Cha­rak­te­ris­ti­kum der Ver­bin­dung zwi­schen Rechts­for­schung
    und Rechts­pra­xis stellt einen gro­ßen Stand­ort­vor­teil
    dar, denn der juris­ti­sche Dis­kurs auf Augen­hö­he
    unter den Betei­lig­ten stärkt die Rechts­si­cher­heit glei­cher­ma­ßen
    wie die Rechtsstaatlichkeit.63
    In ande­ren euro­päi­schen Rechts­ord­nun­gen basiert
    das Stu­di­um auf ein­zel­nen Leis­tun­gen, die inner­halb von
    vier oder – nach „Bolo­gna“ – fünf Jahren64 in den diver­sen
    Fächern erbracht wer­den und deren Noten ins­ge­samt
    zum Abschluss füh­ren. Typi­sche Kon­se­quenz die­ser
    Stu­di­en­or­ga­ni­sa­ti­on ist, dass am Ende des Stu­di­ums
    wei­test­ge­hend ver­ges­sen ist, was am Anfang gelernt wur­de.
    Da aber selbst­ver­ständ­lich auch in die­sen Aus­bil­dungs­sys­te­men
    das Prin­zip der Ein­heit der Rechts­ord­nung
    gilt, kön­nen die klas­si­schen juris­ti­schen Beru­fe erst
    aus­ge­übt wer­den, wenn man eine – nicht ein­heit­lich
    vom Staat, son­dern von dem jewei­li­gen juris­ti­schen Berufs­stand
    orga­ni­sier­te – Prü­fung bestan­den hat, in der
    alle Fächer, schrift­lich und münd­lich, abge­fragt wer­den.
    65 Der Unter­schied zur deut­schen juris­ti­schen Aus­bil­dung
    liegt also dar­in, dass in Deutsch­land schon die
    Chi­usi · The­men und Per­spek­ti­ven der juris­ti­schen Aus­bil­dung 1 5
    Art. 58 Arrêté du 17 octobre 2016 fix­ant le pro­gram­me et les
    moda­li­tés de l‘examen d‘accès au cent­re régio­nal de for­ma­ti­on
    pro­fes­si­on­nel­le d‘avocats; in Öster­reich gem. § 2 Rechts­an­walts­ord­nung.
    67 Aus­schuss der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter
    zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung, Bericht
    über Mög­lich­kei­ten und Kon­se­quen­zen einer Bache­lor-Mas­ter-
    Struk­tur anhand unter­schied­li­cher Model­le ein­schließ­lich der
    berufs­prak­ti­schen Pha­se unter Berück­sich­ti­gung des ent­wi­ckel­ten
    Dis­kus­si­ons­mo­dells eines Spar­ten­vor­be­rei­tungs­diens­tes,
    v. 31.03.2011, KOA-Bericht 2011 (Bolo­gna).
    68 Zumal die Exis­tenz eines Bache­lor-Abschlus­ses zur Fort­set­zung
    des Jura-Stu­di­ums auch Stu­die­ren­de ver­an­las­sen könn­te, die
    heu­te im drit­ten oder vier­ten Semes­ter auf­grund der gemach­ten
    Erfah­run­gen zum Schluss kom­men, dass das Jura-Stu­di­um ihnen
    doch nicht gefällt und sich daher ande­ren Fächern mit bes­se­rem
    Erfolg und grö­ße­rer Zufrie­den­heit zuwen­den.
    69 Schließ­lich ist dem Bolo­gna-Sys­tem imma­nent, dass einem
    Uni­ver­si­tät mit ihrem wis­sen­schaft­li­chen Anspruch zusam­men
    mit den Lan­des­prü­fungs­äm­tern für eine ein­heit­li­che
    Prü­fung zustän­dig ist.
    Zusätz­lich zu dem uni­ver­si­tä­ren Abschluss muss in
    den ande­ren euro­päi­schen Län­dern anschlie­ßend ein
    meist zwei­jäh­ri­ges – nicht vom Staat finan­zier­tes – Prak­ti­kum
    oder ein selbst zu finan­zie­ren­der Vor­be­rei­tungs­kurs
    in einem der juris­ti­schen Beru­fe absol­viert wer­den,
    66 an des­sen Ende ein Examen zu bestehen ist. Anders
    als die deut­sche Zwei­te Juris­ti­sche Prü­fung qua­li­fi­ziert
    die­ses aber nur für den jewei­li­gen juris­ti­schen Beruf
    und wird von dem ent­spre­chen­den Berufs­stand orga­ni­siert
    und an des­sen Markt­be­darf aus­ge­rich­tet. Das ist die
    not­wen­di­ge Kon­se­quenz der Über­las­sung der juris­ti­schen
    Aus­bil­dung (vor allem für die Anwalt­schaft) an
    den jewei­li­gen Berufs­stand. Die eben­falls schon in der
    Ver­gan­gen­heit geführ­te Dis­kus­si­on über die „Spar­ten­aus­bil­dung“
    hat die Schwä­che einer sol­chen Aus­bil­dung
    gezeigt:67 Die „glei­che Augen­hö­he“ zwi­schen Rich­ter,
    Staats­an­walt und Rechts­an­walt, die typisch für die deut­schen
    Juris­ten und Juris­tin­nen ist, wür­de ver­lo­ren gehen.
    Das gegen­sei­ti­ge Ver­ständ­nis der juris­ti­schen Beru­fe,
    wel­ches sich dar­aus ergibt, dass jeder Jurist für eine gewis­se
    Zeit auch die Arbeits­er­fah­rung des­je­ni­gen, der
    ihm jetzt gegen­über­steht, gemacht hat, wäre nicht mehr
    vor­han­den. Auch der Wech­sel von einem juris­ti­schen
    Beruf in einen ande­ren wäre, wenn über­haupt prak­tisch
    noch mög­lich, jeden­falls erheb­lich erschwert. Sicher­lich
    wür­de der Staat Kos­ten spa­ren, wür­de er nur den eige­nen
    Nach­wuchs aus­bil­den. Die­sem Argu­ment, das in der
    Ver­gan­gen­heit manch­mal vor­ge­bracht wur­de, soll­te aber
    nicht mehr Gewicht bei­gemes­sen wer­den als den inhalt­li­chen
    Grün­den, die gegen eine „Spar­ten­aus­bil­dung“
    und eine Über­las­sung der Aus­bil­dung an die Berufs­stän­de
    spre­chen.
    Die deut­sche juris­ti­sche Aus­bil­dung unter­schei­det
    sich von der­je­ni­gen im euro­päi­schen Aus­land also nicht,
    wie häu­fig behaup­tet, durch ihre Dau­er, son­dern vor allem
    durch das Ide­al des Voll­ju­ris­ten und die Tat­sa­che,
    dass das Refe­ren­da­ri­at vom Staat finan­ziert wird. Damit
    hat die juris­ti­sche Aus­bil­dung in Deutsch­land einen
    stark sozi­al inte­grie­ren­den und demo­kra­ti­sie­ren­den
    Cha­rak­ter, den es zu bewah­ren und nicht aufs Spiel zu
    set­zen gilt.
  12. Gefähr­dung des Staats­examens
    Trotz Beteue­rung des Gegen­teils wür­de die Ein­füh­rung
    des inte­grier­ten Bache­lors eine grund­le­gen­de Gefahr für
    das Sys­tem des juris­ti­schen Staats­examens und damit für
    das Ide­al des Voll­ju­ris­ten dar­stel­len. Die Zahl der­je­ni­gen,
    die nur einen inte­grier­ten Bache­lor besit­zen wür­den
    und daher kei­nen Zugang zu den regle­men­tier­ten juris­ti­schen
    Beru­fe hät­ten, wür­de in weni­gen Jah­ren – aus
    den oben dis­ku­tier­ten Grün­den – pro­zen­tu­al beacht­li­cher
    sein als die Anzahl der­je­ni­gen, die das Examen heu­te
    defi­ni­tiv nicht bestehen.68 Es ist anzu­neh­men, dass alle
    die­se Bache­lor-Absol­ven­ten durch poli­ti­schen oder
    sogar juris­ti­schen Druck ver­su­chen wer­den, sich mit
    ihrem Abschluss min­des­tens durch Öff­nung des Rechts­be­ra­tungs­markts
    eine attrak­ti­ve­re Arbeits­per­spek­ti­ve zu
    ver­schaf­fen; für den Staats­dienst wird es ver­mut­lich ein­fa­cher
    sein, am Staats­examen als Vor­aus­set­zung fest­zu­hal­ten.
    Das wür­de zu einer Auf­wei­chung der Zugangs­vor­aus­set­zun­gen
    in die­sem Bereich füh­ren. Die Kon­se­quenz,
    min­der­qua­li­fi­zier­te Absol­ven­ten in der
    Anwalt­schaft, wäre vor dem Hin­ter­grund des durch das
    Schei­tern bei der Staats­prü­fung bewie­se­nen Man­gels an
    aus­rei­chen­den Rechts­kennt­nis­sen gegen­über dem
    Rechts­rat suchen­den Bür­ger nicht zu ver­ant­wor­ten.
    Über­haupt besteht, ange­sichts des Umstan­des, dass in
    weni­gen Jah­ren vie­le Juris­ten und Juris­tin­nen (die soge­nann­ten
    Baby-Boo­mer) in Ren­te gehen wer­den, die
    Gefahr, dass die Idee auf­kommt, die regu­lier­ten juris­ti­schen
    Beru­fe für die Absol­ven­ten mit einem inte­grier­ten
    Bache­lor zu öff­nen. Gera­de die­je­ni­gen, die heu­te sagen,
    der inte­grier­te Bache­lor will und wird das Staats­examen
    nicht in Fra­ge stel­len, wer­den dann erklä­ren, es loh­ne
    sich nicht, beim Staats­examen zu blei­ben, wenn schon
    1 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 — 1 6
    Bache­lor­stu­di­en­gang ein Mas­ter­stu­di­en­gang folgt. Es ist daher
    durch­aus nahe­lie­gend, dass einem all­ge­mei­nen Bache­lor of Laws
    ein all­ge­mei­ner Mas­ter of Laws fol­gen wird. Der Abschluss Ers­te
    Juris­ti­sche Prü­fung wird aber mit der eben­falls bestehen­den
    mög­li­chen Bean­tra­gung des aka­de­mi­schen Titels eines Dipl. Jur.,
    gegen­wär­tig mit einem Mas­ter äqui­va­lent bewer­tet. Umge­kehrt
    wird man argu­men­tie­ren kön­nen, dass ein von einer juris­ti­schen
    Fakul­tät ver­lie­hen Mas­ter of Laws-Titel, der einem Bache­lor of
    Laws folgt, dem Abschluss der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung äqui­va­lent
    sei.
    ein berufs­qua­li­fi­zie­ren­der juris­ti­scher Abschluss ver­lie­hen
    wird.69 In der Tat ist es wenig glaub­haft, dass zwei
    grund­ver­schie­de­ne Sys­te­me – das auf den Bachelor/
    Mas­ter gerich­te­te und daher auf vie­len ein­zel­nen Prü­fun­gen,
    die zum Abschluss füh­ren, basie­ren­de und das
    auf die Staats­prü­fung gerich­te­te und daher auf dem
    Modell des Ein­heits­ju­ris­ten basie­ren­de – auf Dau­er
    neben­ein­an­der koexis­tie­ren kön­nen: Wer den flä­chen­de­cken­den
    Bache­lor for­dert, wird Bolo­gna bekom­men.
    Respi­ce finem: Der „inte­grier­te LL.B.“ kann aus die­sem
    Grund der Ein­stieg in den Aus­stieg aus dem Staats­examen
    wer­den.
    V. Schluss­wort
    Ziel der deut­schen juris­ti­schen Aus­bil­dung ist, die ange­hen­den
    Juris­ten und Juris­tin­nen zum kri­ti­schen Den­ken
    zu erzie­hen, zur reflek­tier­ten Erfas­sung des juris­ti­schen
    Sys­tems zu füh­ren und zur kon­se­quen­ten, logi­schen und
    nach­voll­zieh­ba­ren Anwen­dung von Nor­men und Prin­zi­pi­en
    aus­zu­bil­den. Das erfolg­rei­che Absol­vie­ren der
    Staats­exami­na soll das unter Beweis stel­len, denn die
    Stu­die­ren­den von heu­te wer­den auch künf­tig eine zen­tra­le
    Rol­le für den demo­kra­ti­schen Zusam­men­halt der
    Gesell­schaft ein­neh­men und oft schwie­ri­ge, fol­gen­träch­ti­ge
    Ent­schei­dun­gen tref­fen müs­sen.
    Die Dis­kus­si­on über den Prü­fungs­druck und den
    Angst­ab­bau wäh­rend des Stu­di­ums ist ernst zu neh­men
    und muss inten­siv geführt wer­den. Des­we­gen hat der
    DJFT in sei­nen bei­den letz­ten Ver­samm­lun­gen noch­mals
    Pro­ble­me der juris­ti­schen Aus­bil­dung iden­ti­fi­ziert,
    Per­spek­ti­ven dis­ku­tiert und Lösun­gen beschlos­sen, die
    durch die Ver­bes­se­rung der Stu­di­en­be­din­gun­gen nicht
    nur in der Lage sind, jenen Ängs­ten und jenem Druck
    ent­ge­gen­zu­tre­ten, son­dern auch den hohen Anfor­de­run­gen
    und aktu­el­len Auf­ga­ben der Aus­bil­dung Rech­nung
    zu tra­gen und die­se wei­ter­hin in die Lage ver­set­zen, die
    Erwar­tun­gen von Staat und Gesell­schaft ver­ant­wor­tungs­voll
    zu erfül­len.
    Dem Prü­fungs­druck und den Ängs­ten der Stu­die­ren­den
    allein mit der Ein­füh­rung eines zusätz­li­chen Bache­lor-
    Abschlus­ses zu begeg­nen, greift zu kurz, ver­kennt
    die Her­aus­for­de­run­gen der juris­ti­schen Aus­bil­dung und
    droht mehr Pro­ble­me zu schaf­fen als zu lösen. Es bleibt
    zu hof­fen, dass sich die Dis­kus­si­on, die in die brei­te (juris­ti­sche)
    Öffent­lich­keit zu tra­gen mir gelun­gen ist, von
    der Fixie­rung auf den inte­grier­ten Bache­lor löst und uns
    ermög­licht, gemein­sam Ver­bes­se­run­gen im aktu­el­len
    Sys­tem zu errei­chen, um so wei­ter­hin die Qua­li­tät der
    deut­schen Juris­ten­aus­bil­dung auf­recht zu erhal­ten.
    Prof. Dr. Dr. h. c. Tizia­na Chi­usi ist nach For­schungs­und
    Lehr­tä­tig­keit an den Uni­ver­si­tä­ten Padua, Rom,
    Mün­chen und Tübin­gen seit 2001 Inha­ber­hin des Lehr­stuhls
    für Zivil­recht, Römi­sches Recht und Euro­päi­sche
    Rechts­ver­glei­chung an der Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des
    und seit 2019 Direk­to­rin des dor­ti­gen Insti­tuts für
    Euro­päi­sches Recht. Ihre For­schungs­schwer­punk­te lie­gen
    im Bür­ger­li­chen Recht, Römi­schen Recht und in
    der Rechts­ver­glei­chung. Sie ist u. a. Mit­her­aus­ge­be­rin
    des Cor­pus der Römi­schen Rechts­quel­len zur anti­ken
    Skla­ve­rei der Main­zer Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten,
    Kom­men­ta­to­rin im Stau­din­ger-Kom­men­tar und seit
    2020 Vor­sit­zen­de des DJFT.