I. Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des nach dem WissZeitVG geschlossenen Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin ist Diplomingenieurin und war auf der Grundlage von fünf befristeten Arbeitsverträgen seit dem 01.09.2010 ununterbrochen bei der Beklagten bis zum 31.12.2019 beschäftigt. Gegen den zuletzt geschlossenen Vertrag mit einer Befristungsdauer von ca. 15 Monaten reichte sie Befristungskontrollklage ein. Sie war mit unterschiedlichen Stundenanteilen in Teilzeit beschäftigt.
Die Arbeitsplatzbeschreibung der Klägerin wies als Hauptaufgabe die federführende und alleinige Betreuung eines konkreten Forschungsprojektes im Betonstraßenbau namens HESTER aus. Der Arbeitsvorgang war in der Tätigkeitsbeschreibung mit 50 % veranschlagt. Genauer sollte hier die Betonfertigteilbauweise für den Straßenbau – insbesondere für die Erhaltung – weiterentwickelt werden, um sie in kürzester Bauzeit mit einer hohen Dauerhaftigkeit nutzbar machen zu können. Die eigenständige Erstellung eines Schlussberichts war von ihr gefordert. Übergreifendes Ziel war ferner, sämtliche Erkenntnisse aus den bis dato bei der Beklagten betreuten Forschungsvorhaben zum Thema „Betonfertigteile im Straßenbau“ zusammenzufassen, auszuwerten und diesbzgl. einen übergreifenden Fachbeitrag zu veröffentlichen (sog. Verbundprojekt). Dazu war die Klägerin bereits in ihren ursprünglichen Arbeitsverträgen mit dem messtechnischen Monitoring aller relevanten Demonstratoren bzw. Erprobungen beauftragt. Die Planung und Betreuung dieser experimentellen Versuchsreihen wurden mit einem Arbeitsvorgang im Umfang von 30 % deklariert. Sowohl in der o.g. Hauptaufgabe als auch bei der Betreuung von Versuchsreihen waren „allgemeine administrative Aufgaben“ genannt. Die restlichen 20 % entfielen auf die Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien.
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wurde für die Klägerin ferner ein sog. „Qualifizierungsplan“ ausgefüllt. Dieser unterteilte sich in „fachliche“ und „weitere Qualifizierungsziele“. Im fachlichen Teil wurden die o.g. Inhalte der Tätigkeitsbeschreibung wiederholt. Unter „weitere Qualifizierungsziele“ waren als weitere, zu erwerbende „wissenschaftliche Kompetenzen“ sodann „Projektkompetenz“, „Darstellungsvermögen“, „Strategiekompetenz“, „Verhandlungs- und Überzeugungsfähigkeit“ sowie „Kommunikations- und Informationsfähigkeit“ angekreuzt und näher definiert. Weiterhin war vorgesehen, dass die Klägerin eine Weiterbildung zum Thema „Kommunizieren und Kooperieren“ besuchen sollte.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Befristung nach dem WissZeitVG unzulässig sei. Sie trug vor, sie sei nicht schwerpunktmäßig wissenschaftlich, sondern vielmehr als „Edelsachbearbeiterin“ tätig geworden. Die wissenschaftliche Forschung habe nur mehr ca. 1 % ihrer Tätigkeit ausgemacht. Die Qualifizierungsmaßnahmen seien weder zu ihrer wissenschaftlichen Qualifizierung erfolgt noch zähle sie mit 43 Jahren zum wissenschaftlichen Nachwuchs und könne sich damit nicht mehr (weiter-)qualifizieren.
Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Klägerin zähle zum wissenschaftlichen Personal der Forschungseinrichtung. Die der Klägerin übertragenen Aufgaben beinhalteten höchstes wissenschaftliches Potential. Auch durch die oben genannten „weitere Qualifizierungsziele“ seien insbesondere durch die Betreuung des Forschungsvorhabens (HESTER) „on the job“ erzielt worden. Die Qualifizierung in diesen Bereichen sei unbewusster, immanenter Bestandteil ihrer forscherischen Tätigkeit gewesen. Die Weiterentwicklung dieser Fähigkeiten habe wiederum der Sicherung bzw. Verarbeitung des neu gewonnenen Erkenntnisstandes der Disziplin gedient.
Nachdem das Arbeitsgericht in erster Instanz die Klage abwies,1 hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Klägerin den Klageanträgen entsprochen.2
Johannes Stalberg
Zum Qualifizierungserfordernis nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG — Anmerkung zu BAG, Urteil vom 2.02.2022 — 7 AZR 573/20
1 AG Köln, Urteil, 26. Mai 2020, 11 Ca 295/20.
2 LAG Köln, Urteil, 7. Oktober 2020, 5 Sa 451/20 = AE 2021, 82–84 (Gründe); Anmerkung: Mandler/Banerjee, OdW 2021, S. 193 f.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
2 7 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 7 7 — 2 8 0
3 Zum Meinungsstand ebenfalls: Mandler/Banerjee, OdW 2021, S. 195.
Mit ihrer Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung
der erstinstanzlichen Entscheidung.
II. Entscheidung des BAG (aus den Gründen)
Der BAG gab der Beklagten Recht und hob das Urteil
des Landesarbeitsgerichts auf.
Das Gericht bestätigt in den Zf. 24 f. zunächst seine
ständige Rechtsprechung zum wissenschaftlichen
Personal:
Bei sog. Mischtätigkeiten, d.h. nichtwissenschaftlichen
neben wissenschaftlichen Tätigkeiten, sei erforderlich,
dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich
überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis
prägen (Zf. 26). Es sei unschädlich, dass auch Tätigkeiten
administrativer Art geschuldet worden seien. Nach der
Tätigkeitsbeschreibung sei der Klägerin zu 50 % ihrer
Arbeitszeit die Betreuung und Bearbeitung des Forschungsprojektes
(HESTERS) und zu 30 % die konzeptionelle
Planung und Betreuung exponentieller Versuchsreihen
übertragen worden. Beide Gebiete umfassten
zwar auch „allgemeine administrative Tätigkeiten“, bestünden
jedoch „im Wesentlichen in der Mitarbeit bei Erforschung
und Testung eines neuartigen Material- und
Technologieeinsatzes im Betonstraßenbau und dessen
baupraktischer Realisierbarkeit“. Die prägenden Tätigkeiten
„zielten damit auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse
in der Betonstraßen(fertigteil-)bauweise und deren
Weiterentwicklung“ (Zf. 29). Ausgehend von den „arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen“ bestünden keine
Zweifel am wissenschaftlichen Zuschnitt der geschuldeten
Tätigkeiten. Die – streitige – tatsächliche Beschäftigung
mit anderen Aufgaben sei – ebenso wie ihr Lebensalter
– ohne Belang (Zf. 30).
Zum Merkmal „zur Förderung der eigenen wissenschaftliche
Qualifizierung“ nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG
verhält sich das BAG erstmals ausführlich und weicht
zugleich von den Wertungen der Vorinstanz ab:
Die bislang in der Literatur umstrittene Frage, ob es
sich bei dem Merkmal um ein eigenständiges Tatbestandmerkmal
handelt, bejaht das BAG („neben der Personalbeschreibung
… und die zulässige Befristungshöchstdauer
tretende, weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit
der Befristung“, Zf. 35 m.w.N.)3. Hierfür spreche zum einen
der Wortlaut („zulässig, wenn …“), da die Zulässigkeit
der Befristung damit unter eine Bedingung gestellt
werde (Zf. 36). Zum anderen spreche die innere Systematik
der jeweiligen Sätze des § 2 Abs. 1 WissZeitVG für
diese Wertung. Aus der Einfügung des Satzes 3, wonach
die jeweils vereinbarte Befristungsdauer zur angestrebten
Qualifizierung des Satzes 1 angemessen sein müsse,
müsse der Qualifizierung eine inhaltlich-eigenständige
Bedeutung zukommen. Denn die Merkmale könnten –
wären sie inhaltsleer – nicht in Beziehung zueinander
gesetzt werden (Zf. 37 f.). Im Hinblick auf den Gesetzeszweck
und die Genese verweist das BAG zunächst auf
den durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
im Rahmen der Gesetzesbegründung festgestellten
Handlungsbedarf, einerseits unsachgemäße Kurzbefristungen
unterbinden zu wollen, andererseits klarzustellen,
dass die Wahrnehmung von Daueraufgaben nur
im Kontext der Qualifizierung sachgerecht sei (Zf. 42).
Regelungswille des Gesetzgebers sei also, die Zulässigkeit
der befristeten Beschäftigung unter den „strikten
Vorbehalt deren Qualifizierungsförderung zu stellen“, wobei
hiervon „nicht mehr ohne Weiteres auszugehen“ sei.
Vielmehr sei eine „positive Feststellung zu fordern“
(Zf. 42).
Nach der Feststellung, es handele sich um ein selbstständiges
Tatbestandsmerkmal, attestiert das BAG eine
weite Auslegung des Merkmals. Die Erreichung eines
formalen Qualifizierungsziels sei keinesfalls gemeint
(Zf. 49).
An mehreren nachfolgenden Stellen unternimmt das
BAG sodann den Versuch, das Merkmal zu konturieren.
Zunächst führt es – letztlich den Wortlaut der Gesetzesbegründung
wiederholend – aus, es genüge, wenn
„eine wissenschaftliche Kompetenz angestrebt wird, die in
irgendeiner Form zu einer beruflichen Karriere, auch außerhalb
der Hochschule, befähigt, was sich in der Erbringung
wissenschaftlicher, qualifikationsförderlicher Dienstleistungen
‘an sich‘ zu gründen vermag.“ (Zf. 47).
Sodann formuliert es mit eigenen Worten, das Qualifizierungserfordernis
liege vor, wenn
„eine dem persönlichen Befähigungszuwachs probate sowie
dem beruflichen Fortgang förderliche wissenschaftliche
Tätigkeit ‘an sich‘ ausgeübt wird.“
Seine eigene Norminterpretation stelle dabei ab
„auf die bloße Geeignetheit der Beschäftigung für einen individuellen
Kompetenzerwerb“ (Zf. 49).
Schließlich fasst das Gericht zusammen, die befristete
Beschäftigung erfülle ihren Zweck, wenn
„die wissenschaftliche Tätigkeit ihrem Inhalt nach der Förderung
der Eigenqualifizierung dient. Hierfür muss sie auf
eine Befähigungsförderung gerichtet und dafür geeignet
sein. … Dass die Beschäftigung der Qualifizierung dienlich
ist, hat der Arbeitgeber darzulegen.“ (Zf. 51 f.)
In der gebotenen Kürze stellt das BAG im Anschluss
fest, dass die Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt
seien. Die im Qualifizierungsplan festgehaltenen
Stalberg · Zum Qualifizierungserfordernis nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG 2 7 9
4 BGBl. I S. 442 – 1. WissZeitVGÄnG.
5 Vgl. BT-Drs. 18/6489, S. 10.
6 So bereits in der Literatur: Preis/Ulber, WissZeitVG, 2. Auflage,
§ 2 WissZeitVG, Rn 9; ähnlich: Mandler/Banerjee, OdW
2021, S. 196, „materieller Unterschied … wird man verneinen
müssen“.
Ziele seien „geeignet, ihre entsprechenden Kenntnisse und
Befähigungen zu vertiefen und fortzuentwickeln“. Auch
sei die Tätigkeit darauf gerichtet und dafür geeignet gewesen,
die Klägerin im Bereich des Projektmanagements
zu qualifizieren. Es handele sich insgesamt um eine Qualifizierung,
die ihrer beruflichen Karriere auch außerhalb
wissenschaftlicher Einrichtungen – z.B. bei Bauunternehmen
in der Privatwirtschaft – förderlich sein könne
(Zf. 53).
Ergänzend führt es aus, dass
„jeglicher fachlich-inhaltlicher (Mit-)Arbeit an Forschungsprojekten
ein Kompetenzuwachs ungeachtet des bisherigen
Kenntnisstandes immanent ist; auch liegt in ihr regelmäßig
eine ‘bewerbungstaugliche‘ Steigerung des Wissens- und
Qualifikationsniveaus. Eine entsprechende Tätigkeit ist deshalb
ohne tragfähige Anhaltspunkte für die gegenteilige
Annahme prinzipiell qualifizierungsgeeignet.“ (Zf. 54).
In der Sache war das Qualifizierungserfordernisses
nach Ansicht des BAG im vorliegenden Fall damit eindeutig
erfüllt (Zf. 54: „nichts dafür ersichtlich, dass es sich
… um eine ihrer Qualifizierungsförderung … nicht zuträgliche
Tätigkeit gehandelt hat“).
III. Anmerkung
Das BAG hat zu dem mit der Novelle vom 17.03.20164 in §
2 Abs. 1 WissZeitVG eingeführten Merkmal „zur Förderung
der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen
Qualifizierung“ erstmals Stellung genommen. Der Entscheidung
des BAG ist dabei jedenfalls im Ergebnis
dahingehend zuzustimmen, dass keine nennenswerten
Anforderungen an das sog. „Qualifizierungserfordernis“
zu stellen sind. Das Auslegungsergebnis des BAG, dass es
sich hierbei um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal
handelt, überzeugt jedoch nur zum Teil.
Lehrbuchartig bedient sich das BAG zunächst der
gängigen Auslegungsmethoden. Die gefundenen Argumente
zur Auslegung des Wortlautes und der Systematik
der Norm überzeugen. Beide Auslegungsmethoden sprechen
dafür, dass es sich um ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal
handelt. Im Rahmen der Wiedergabe der
Genese der Norm dürfte das BAG den gesetzgeberischen
Willen jedoch überspannen. Denn aus der Genese der
Norm ergibt sich kein dahingehender, eindeutiger Regelungswille
des Gesetzgebers, die „Zulässigkeit der befristeten
Beschäftigung … unter den strikten Vorbehalt deren
Qualifizierungsförderung zu stellen“ und „diesbzgl. eine
(ausdrücklich) positive Feststellung zu fordern“ (Zf. 42). Im
Gegenteil: Die Gesetzesbegründung spricht vielmehr lediglich
von einer „Klarstellung“ des Gesetzeszwecks.
Auch die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung,
der Tatbestand werde „damit nicht zu einer Sachgrundbefristung“,
bestätigen, dass kein selbstständiges
Tatbestandsmerkmal mit echtem Regelungsgehalt begründet
werden sollte.5 Der Gesetzgeber hat darüber hinaus
schlicht keine weiteren Überlegungen dazu angestellt,
wie das Merkmal dogmatisch zu qualifizieren ist
und welche Zwänge sich für den Rechtsanwender aus
dem modifizierten Wortlaut ergeben.
In seinem Vorgehen konsequent, versucht das BAG
sodann das zum selbstständigen Tatbestandsmerkmal
emporgehobene Qualifizierungserfordernis zu konturieren.
Dies gelingt jedoch nicht. Das Merkmal wird für den
Rechtsanwender nicht ausreichend greifbar umrissen.
Zunächst macht sich das BAG die Formulierung der Gesetzesbegründung
zu eigen, wonach eine wissenschaftliche
Kompetenz angestrebt wird, die „zu einer beruflichen
Karriere auch und gerade auch außerhalb der Wissenschaft
befähigen“ muss. Diese übernommene Formulierung
des Gesetzgebers wird durch die Ergänzung des
BAG „in irgendeiner Form“ weiter abgeschwächt (Zf. 47).
Es stellt sich die Frage, welche Tätigkeit hier bei wissenschaftlich
tätigem Personal herausfallen sollte. Im Weiteren
versucht das BAG die Anforderung dahingehend zu
umschreiben, die wissenschaftliche Tätigkeit müsse „darauf
gerichtet und dafür geeignet sein muss“, die eigene Befähigung
zu fördern (Zf. 51). Erneut bleibt unklar, welche
beruflichen Tätigkeiten hiervon nicht umfasst sein sollten.
Beide vorgenannten vermeintlichen Konkretisierungen
des BAG sind derart weit, dass das Qualifizierungserfordernis
regelmäßig durch das engere Merkmal des wissenschaftlichen
Personals miterfüllt wird.6 Das Merkmal
läuft damit leer. Es dürfte keine überwiegend wissenschaftliche
Tätigkeit geben, die darauf angelegt ist, neue
Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den
Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin
zu sichern oder zu erweitern (Merkmal „wissenschaftliches
Personal“), ohne dabei auf die eigene Befähigungsförderung
gerichtet und hierfür geeignet zu sein
(Qualifizierungserfordernis). Anders formuliert kann
Personal nicht wissenschaftlich arbeiten i.S.d. § 1 Abs. 1
WissZeitVG, ohne dass die Arbeit dazu geeignet wäre, es
in irgendeiner Weise für seine weitere berufliche Karriere
zu befähigen.
Dass das BAG einen Leerlauf des Merkmals in Erwägung
zieht und billigend in Kauf nimmt, zeigt sich an
2 8 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 7 7 — 2 8 0
7 Zur problematischen Abgrenzung zu administrativen Tätigkeiten
sowie dazu, dass die Wahrnehmung administrativer Aufgaben
u.U. auch wissenschaftlich sein kann, siehe: Preis/Ulber, Wiss-
ZeitVG, 2. Auflage, § 1 WissZeitVG, Rn 28, 37; aus der Rechtsprechung:
BAG, Urteil 24.02.2016 – 7 AZR 182/14, Zf. 37 = NZA 2016,
949–953; LAG Hamm, Urteil 14.06.2018 — 11 Sa 1775/17, Zf. 60 f. =
ArbuR 2018, 485; LAG Hamm, Urteil 02.07.2015 – 18 SA 517/15, Zf.
51 f. = ZTR 2016, 105–107.
8 Siehe Fn. 7.
mehreren Stellen des Urteils. Das BAG führt zunächst
aus, dass sich die Befähigungsförderung (Qualifizierungserfordernis)
bereits „in der Erbringung wissenschaftlicher
Dienstleistungen ‘an sich‘ zu gründen vermag“ (Zf.
47). Noch eindeutiger stellt das BAG im Fall „fachlich-inhaltlicher
Mitarbeit an Forschungsprojekten“ fest, dass diese
Tätigkeit „prinzipiell qualifizierungsgeeignet“ ist (Zf.
54). Die Qualifizierung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist
auch hier grundsätzlich immanent.
In der Gesamtschau lässt sich feststellen, dass dem
BAG die undankbare Aufgabe zuteilwurde, über einen
wenig überzeugenden gesetzgeberischen Wortlaut zu
entscheiden. Wortlaut und Systematik der Norm sprechen
zunächst für ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal.
Der Gesetzgeber beabsichtigte – über das Merkmal
des wissenschaftlichen Personals hinaus – jedoch keine
weitere Verengung des Tatbestandes. Diesen Konflikt löst
das BAG dahingehend, dass es dem Rechtsanwender eine
derart weitgehende Auslegung des Merkmals an die
Hand gibt, dass dem Merkmal kein eigenständiger Regelungsgehalt
verbleibt. Der gesetzgeberische Wille wird
damit erreicht und in der Praxis sind keine weiteren Probleme
in der Rechtsanwendung zu erwarten.
Zum Tatbestandsmerkmal des wissenschaftlichen
Personals nach § 1 Abs. 1 WissZeitVG enthält das Urteil
keine wesentlichen Neuerungen für den
Rechtsanwender.
Erneut bestätigt das BAG die hohe Bedeutung von
Arbeitsplatzbeschreibung und Qualifizierungsplan für
die Frage der Wirksamkeit der Befristung nach dem
WissZeitVG. Die Arbeitsplatzbeschreibung dient originär
der Bewertung des Arbeitsplatzes, d.h. der sachgerechten
Eingruppierung nach den Tarifverträgen. Bei der
Frage, ob eine Person zum wissenschaftlichen Personal
zählt, fokussiert das BAG erneut und zuvörderst auf die
Umstände bei Vertragsschluss. Der im vorliegenden Fall
bei Vertragsschluss beiden Parteien vorliegenden Arbeitsplatzbeschreibung
war der beidseitige Wille der Parteien
zu entnehmen, wissenschaftlich tätig sein zu wollen.
Beiden Parteien war nach den Vertragsdokumenten klar,
was von der Klägerin erwartet wurde.
Die prozentualen Anteile der beschriebenen Arbeitsvorgänge
wurden seitens des BAG zur Klärung dafür herangezogen,
ob die wissenschaftlichen Tätigkeiten überwiegen
(s. Zf. 29). Sofern demnach Arbeitsvorgänge mit
über 50 % mit wissenschaftlichen Aufgaben beschrieben
werden, spricht dies für ein wissenschaftliches Tätigsein.
Die innerhalb der jeweiligen Arbeitsvorgänge aufgeführten
Arbeitsleistungen wurden seitens des BAG genau betrachtet.
Aus Sicht des Rechtsanwenders ist demnach
Vorsicht geboten, wenn in den Arbeitsvorgängen in nicht
unerheblichem Umfang administrative Arbeitsleistungen
aufgeführt werden. Denn diese sind grundsätzlich nicht
wissenschaftlich, solange sie nicht integraler Bestandteil
einer Forschungstätigkeit sind, d.h. bei ihnen nicht die
Zielsetzung festgestellt werden kann, der Sicherung bzw.
Verarbeitung des Erkenntnisstandes der jeweiligen Disziplin
zu dienen.7 Insbesondere den vorgenannten Urteilen
des LAG Hamm8 lässt sich eine gute Übersicht entnehmen,
welche administrativen Tätigkeiten grundsätzlich!
kein wissenschaftliches Tätigsein darstellen.
Da im vorliegenden Fall bereits nach der Vertragslage
eindeutig war, dass die Beschäftigte zum wissenschaftlichen
Personal zählte, ließ sich das BAG – ebenso wie die
Vorinstanzen – auf die Auswertung der – streitigen – tatsächlichen
Vertragsdurchführung mit keinem Wort ein
(Zf. 30).
IV. Fazit
Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Urteil hinsichtlich
des bislang ungeklärten Inhaltes des Qualifizierungserfordernisses
nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG der Praxis
Rechtssicherheit gibt. Der Rechtsanwender kann den
Fokus weiterhin auf die Erfüllung des engeren Merkmals
des wissenschaftlichen Personals legen und mit einer
„sauberen“ Vertragslage – Arbeitsplatzbeschreibung und
Qualifizierungsplan – beide Merkmale zugleich erfüllen.
Somit ist es für den Rechtsanwender letztlich unerheblich,
dass es dem BAG nicht überzeugend gelingt, das
Merkmal ausreichend zu konturieren. Fest steht, dass an
das Qualifizierungserfordernis seitens des BAG keine
hohen Anforderungen gestellt werden. Es dürfte regelmäßig
bei Erfüllung des Merkmals des wissenschaftlichen
Personals miterfüllt sein.
Dr. Johannes Stalberg ist Leiter des Personalreferats
einer Ressortforschungseinrichtung des Bundes. Der
Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Rechtsauffassung
des Autors wieder.
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