Die Frage, wer unter welchen Umständen berechtigt ist, ein grundständiges oder weiterführendes Studium aufzunehmen, ist von hoher gesellschaftlicher, ökonomischer, aber auch grundrechtlicher Bedeutung. Mit der Öffnung, also der Ausweitung auf berufspraktische Qualifikationen, wächst der Kreis der Zugangsberechtigten. Dies gibt Anlass, die grundlegende Systematik dieses Teilbereichs des Hochschulrechts zu beleuchten und dabei auch auf aktuelle Fragen, etwa Chancen und Grenzen der Digitalisierung, einzugehen.
I. Einleitendes
Die Bedeutung des tertiären Bildungsbereichs nimmt weltweit und andauernd zu.1 Damit einher geht die Frage nach der Berechtigung zum Hochschulzugang. Diese kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden: Traditionell im Rahmen der Schullaufbahn, zunehmend aber auch im Wege beruflicher Qualifikationen. Die Gewähr von Ausbildungsressourcen ist Regelungsgegenstand nationaler Gesetze, in Deutschland im Wesentlichen der Länder. Zugleich sind Hochschulen – von jeher und wesensimmanent – auf internationale Einflüsse angewiesen und Ziel transnationaler Wanderungsbewegungen. Somit begegnen sich hier einerseits Vorstellungen lokaler und bereichsspezifischer Verteilungsgerechtigkeit und andererseits Erfordernisse Bundesländer-übergreifender, bis hin zu internationaler Kompatibilität.2
In rechtlicher Hinsicht müssen die Normen des Zugangsrechts mit dem Grundgesetz und dem EU-Recht vereinbar sein.3 Zugleich sind organisatorische Aspekte im Blick zu behalten, die vielfach der Zugangs- bzw. Zulassungsentscheidung vorgelagert sind und somit einen faktischen Einfluss auf den Hochschulzugang entfalten. Dies betrifft etwa den zeitkritischen Transfer von Dokumenten zwischen Bewerbern und Hochschulen und die Verifikation von Daten. Das „Bürgerrecht auf Bildung“4 darf aber gerade nicht zu pauschal unter den Vorbehalt der Verfahrensökonomie gestellt werden, sondern seine möglichst effektive Durchsetzung richtet sich nach den „Möglichkeiten der Datenverarbeitung“, wie das BVerfG 2017 hervorhob5 – und dies kann eine Vereinfachung des Bewerbungsprozesses und damit die Reduktion von Hindernissen gebieten.
Traditionell fokussiert sich die hochschulrechtliche Diskussion im Zusammenhang mit der Aufnahme des Studiums auf den Numerus clausus – und damit vor allem auf das Hochschulzulassungsrecht. Dieses regelt die kapazitätsbedingte Auswahl zwischen mehreren prinzipiell in gleicher Weise Berechtigten.6 Hier hat das BVerfG 2017 im Rahmen der Numerus clausus III-Entscheidung neue Impulse gegeben.7 In diesem Beitrag soll stattdessen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des Hochschulzugangs eingegangen werden und zwar im grundständigen und im Masterbereich (II.). Weiter werden organisatorische Aspekte beleuchtet und Möglichkeiten der Digitalisierung in den Blick genommen (III.).
1 Dass Menschen kraft ihres Wissens eine gottgleiche Existenz anstreben werden, sieht Yuval N. Harari voraus. Y. N. Harari, Homo Deus, Eine Geschichte von Morgen, 2015, S. 38 ff.; zur „Vermehrung, Verdichtung“ und „Verteilung“ des Wissens im 19. Jahrhundert vgl. J. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, 2011, S. 1105 ff. vgl. zum Ganzen P. Burke, Die Explosion des Wissens, 2014, S. 294 ff.
2 Vgl. M.-E. Geis, Bildungsföderalismus und Zentralabitur, RdJB 2019, 241 (244 f.); M. Bode, Hochschulzulassungsrecht im Spannungsfeld von gesamtstaatlicher Planung und lokaler Gerechtigkeit – Ein Beitrag zum ersten Numerus clausus-Urteil, WissR 2013, 348 (359).
3 Vgl. hierzu K. Hailbronner, Verfassungsrechtliche Fragen des Hochschulzugangs, WissR 1996, 1 (1 ff.).
4 Vgl. R. Dahrendorf, Bildung ist Bürgerrecht, Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik, 1966.
5 BVerfGE 147, 253 (320).
6 Vgl. grundlegend J. F. Lindner, in: M. Hartmer/H. Detmer, Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 11, Rn. 97 ff.; M.-E. Geis, in: ders., Hochschulrecht im Freistaat Bayern, 2. Aufl., 2017, Kap. 2, Rn. 57 ff.; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum „Recht auf Bildung“ in den Jahren 1972–1977, WissR, Beiheft 18, 2007, 9 ff.
7 D. Wolff/P. Zimmermann, Gesetzgeberische Strategien für die Verteilung von Medizinstudienplätzen, WissR 2018, 159 (159 ff.); P. Zimmermann, Die Auswahlkriterien bei der Standplatzvergabe vor dem Hintergrund des dritten Numerus clausus-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, Wirtschaft und Verwaltung, 2020, 123 (123 ff.); A. Klafki, Grundrechtsschutz im Hochschulzulassungsrecht, JZ 2018, 541 (541 ff.); B. Freiin zu Knyphausen, Das Hochschulzulassungsrecht auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, 2021.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
Matthias Bode
Zwischen Öffnung und Digitalisierung: Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet des Hochschul-
zugangsrechts
1 8 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
8 Vgl. grds. BVerfGE 33, 303 (329); M. Ruffert, in: V. Epping/
C. Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 50. Edition, 2022,
Art. 12 Rn. 45.1.
9 BVerfGE 7, 377 (377 ff.).
10 Reichen auf der ersten Stufe noch vernünftige Erwägungen des
Allgemeinwohls, so müssen Eingriffe auf der zweiten Stufe dem
Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes bzw. auf dritter Stufe
der Abwendung schwerer und nachweisbarer Gefahren für ein
überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dienen. Vgl. BVerfGE 7,
377 (405 ff.); M. Ruffert (Fn. 8), Art. 12 Rn. 93 ff.
11 Die Numerus clausus III-Entscheidung erwähnt die Theorie nicht
einmal mehr. Vgl. BVerfGE 147, 253 (253 ff.).
12 Lindner (Fn. 6), Rn. 56; Hailbronner (Fn. 3), 1 (16).
13 BVerfGE 33, 303 (338).
14 J. Lüthje, Umdenken im Kapazitätsrecht, WissR Beiheft 18, 2007,
27 (31); M. Fehling, Die Verteilung des Mangels — Zum neuen
Numerus Clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, RdJB
2018, 100 (110).
15 BerlVerfGH, NVwZ 2009, 243 (243); HH OVG, Beschl. v. 17.2.2015
– 3 Nc 260/14 –, juris, Rn. 13.
16 Klafki (Fn. 7), 541 (549).
17 Zu Knyphausen (Fn. 7), S. 103 f.
18 M. Bode, Hochschulzugang und Hochschulzulassung, in: M. E.
Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, 58. Aktualisierung,
2022, Rn. 240, 249 ff.
II. Hochschulzugang als Rechtsfrage
Der Zugang zum Hochschulstudium als einer Ausbildungsstätte
im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG wird verfassungsrechtlich
geschützt. Die Konkretisierung obliegt
aber in weiten Teilen dem einfachen Gesetzgeber, inzwischen
den Ländern (1.). Tendenziell erweitern diese die
Möglichkeiten des Hochschulbesuchs, zuletzt etwa für
Beruflich Qualifizierte. Auch die Anerkennungsvorschriften
des Europäischen Hochschulraumes führen zu
einer Ausweitung des Kreises der Berechtigten (2.). Ähnliches
gilt für die weiterführenden Studiengänge im Masterbereich,
wobei hier die Regelungen stärker von den
Besonderheiten des jeweiligen Studienganges abhängen
(3.).
- Verfassungsrechtliche Einordnung
Die Hochschule ist „Ausbildungsstätte“ im Sinne des
Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG; der Zugang zu ihr wird damit von
der Berufsfreiheit geschützt.8 Für eine Beschränkung der
Berufsfreiheit gelten die vom BVerfG im sog. Apotheken-
Urteil aufgestellten Grundsätze der Drei-Stufen-
Lehre, einer modifizierten Verhältnismäßigkeitsprüfung.
9 Auf der ersten Stufe stehen bloße Berufsausübungsregelungen,
die allein die Art und Weise der
Tätigkeit betreffen. Subjektive Berufswahlregelungen
stehen auf der zweiten Stufe und betreffen die Aufnahme
des Berufes und knüpfen an Kriterien an, die in der Person
des Einzelnen liegen. Als objektive Berufswahlregelungen
– auf dritter Stufe – sind generelle Untersagungen,
etwa aus übergeordneten Gründen heraus, anzusehen.
Von Stufe zu Stufe steigen die
Rechtfertigungserfordernisse an.10 Auch wenn diese
Lehre in der gerichtlichen Praxis zunehmend einer generellen
Verhältnismäßigkeitsprüfung weicht,11 ist sie doch
nach wie vor hilfreich, um die Rechtfertigungserfordernisse
für staatliche – also parlamentsgesetzliche, verordnungs-
oder satzungsrechtliche – Normen zu verdeutlichen.
Der Zugang zur Hochschule lässt sich allerdings
nicht pauschal einer dieser genannten Stufen zuordnen;
vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände an. Das
generelle Erfordernis einer Hochschulzugangsberechtigung
zur Aufnahme des Studiums wird als subjektive
Zugangsregelung der zweiten Stufe angesehen und ist
gerechtfertigt, weil sie die Studienqualität als wichtiges
Gemeinschaftsgut absichert.12
Soweit ein Überhang an Studienbewerbern für einen
grundständigen Studiengang besteht und eine Auswahlentscheidung
zwischen diesen erforderlich wird, handelt
es sich um eine Frage der Hochschulzulassung. Regelungen
in diesem Bereich sind aus Sicht des BVerfG als objektive
Berufswahlregelung, also als die intensivste Form
der Einschränkung, zu klassifizieren.13 Dies solle jedenfalls
dann gelten, wenn der betroffene, auf den Beruf vorbereitende
Studiengang an allen deutschen Hochschulen
zulassungsbeschränkt sei (sog. absoluter Numerus clausus).
Soweit das Studium anderenorts zulassungsfrei aufgenommen
werden kann, also lediglich eine örtliche Zulassungsbeschränkung
vorliegt (sog. relativer Numerus
clausus), ist die Einordnung umstritten: Zum Teil wird
von einer bloßen Berufsausübungsregelung, also der
niedrigsten Stufe, ausgegangen.14 Diese Ansicht übersieht
allerdings, dass bereits das Erfordernis der individuellen
Hochschulzugangsberechtigung eine subjektive
Berufswahlregelung darstellt. Im Übrigen schützt die
Wahl der Ausbildungsstätte auch die Wahl ihres Ortes,15
insbesondere wenn es sich um einen nahezu bundesweit
zulassungsbeschränkten Studiengang handelt. Dementsprechend
ist von einer subjektiven16 oder sogar einer
objektiven Berufswahlregelung auszugehen.17 Letztere
Ansicht dürfte insbesondere bei kleinen, bzw. sehr spezifischen
und besonders nachgefragten Studiengängen zuzustimmen
sein, da eine Verweisung auf einen anderen
Studienort in aller Regel dann ein „anderes“ Studium bedeutet.
18 Auch die Zulassungsbeschränkung zu einem
Zweit- oder Drittstudium ist als objektive Zugangsregelung
zu verstehen, und es herrscht insoweit Einigkeit,
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 8 3
19 BVerfG, Beschl. v. 3.11.1982 — 1 BvR 900/78 = NVwZ 1983,
277 (279).
20 Ein Zugangsanspruch zu einem konsekutiven Masterstudiengang
ergibt sich für beruflich Qualifizierte ohne Hochschulabschluss
allerdings weder aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG noch aus landesverfassungsrechtlichen
Rechtsnormen; es steht dem Landesgesetzgeber
jedoch frei, diesen zu eröffnen. Vgl. BayVGH, Beschl. v. 15.1.2013
– 7 CE 12.2407 –, juris = BayVBl 2013, 604 ff.
21 BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 – 6 C 19/15 –, BVerwGE 157, 46–54, Rn.
21; VGH München (7. Senat), Beschl. v. 6.5.2019 — 7 CE 18.2023 =
BeckRS 2019, 8693, Leitsatz, Rn. 22; Beschl. v. 26.11.2020 – 7 CE
20.2216 –, juris, Rn. 17 f. VG Ansbach, Beschl. v. 27.10.2010 – AN
2 E 10.10315 –, juris, Rn. 14. Vgl. auch C. Tegethoff, jurisPR-BVerwG
6/2017 Anm. 2 zu BVerwG 6. Senat, Urteil vom 14.12.2016, 6
C 19/15; Bode (Fn. 17), Rn. 1161.
22 Vgl. T. Mann/E.-M. Worthmann, Berufsfreiheit (Art. 12 GG) –
Strukturen und Problemkonstellationen, JuS 2013, 385 (386);
23 Lindner (Fn. 6), Rn. 62 f.
24 Vgl. Bode (Fn. 17), Rn. 58.
25 Für die Wiederbelebung eines bundesweit einheitlichen Zugangsrechts
vgl. jedoch L. Giesecke, Mit der Zulassung sollte auch der
Zugang zum Studium bundesrechtlich geregelt werden, WissR
2007, 180 (180 ff).
26 Bode (Fn. 17), Rn. 114; ders., Hochschulrecht in Bund und Ländern, - Aktualisierung, 2022, § 27 HRG Rn. 19 ff.
27 Zu Knyphausen (Fn. 7), S. 109.
28 Vgl. etwa VG München, Beschl. v. 19.1.2022 – M 3 E 21.5482 –,
juris, Rn. 21.
29 Vgl. § 58 Abs. 2 HG BW; Art. 43 f. BayHG; § 10 Abs. 2 BerlHG
i.V.m. BerlSchulG; § 9 Abs. 2 BbgHG; § 33 Abs. 1 BremHG; § 37
Abs. 1 HH HG; § 54 Abs. 2 HessHG; § 18 HG M‑V; § 18 NHG;
§ 49 HG NRW; § 41 KHG NRW; § 65 Abs. 1 HG RLP; § 77
SaarlHSG; § 17 SächsHG; § 27 HSG LSA; § 39 Abs. 1 HSG SH;
§ 60 Abs. 1 ThürHG.
30 Vgl. Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe
und der Abiturprüfung, Beschluss der KMK v. 7.7.1972 i.d.F. v.
18.2.2021; Bode (Fn. 17), Rn. 159 ff.
dass „es objektiv sachgerecht und individuell zumutbar“
ist, „im Interesse einer gerechten Verteilung von Lebenschancen
bei Zweitstudienbewerbern, die zum wiederholten
Male von ihrem Grundrecht Gebrauch machen,
strengere Zulassungsvoraussetzungen“ vorzusehen als
im Bereich des Erststudiums.“19 Der Zugang zu postgradualen
Studiengängen wird ebenfalls durch die Berufsfreiheit
grundrechtlich geschützt.20 Beim Zugang zum
Masterstudium handelt es sich um eine subjektive Zugangsbeschränkung,
die wiederum dem Schutz der Qualität
des Studiums dient.21
Staatsangehörige aus anderen EU-Staaten können
sich in gleicher Weise wie Deutsche beim Zugang zu Bildungseinrichtungen
auf die Berufsfreiheit des
Art. 12 Abs. 1 GG berufen; der entgegenstehende Wortlaut
wird insoweit durch den Anwendungsvorrang des
EU-Rechts überspielt.22 Aus Art. 18, 20 AEUV ergibt sich
jedoch kein absoluter Anspruch auf Zugang zum Studium,
sondern ein Anspruch auf gleiche Behandlung wie
deutsche Staatsbürger.23 Für andere Drittstaatsangehörige,
z.B. Staatsangehörige aus den USA oder aus China,
bleibt es dagegen beim grundrechtlichen Schutz über die
allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG. Im
Ergebnis kann diese leichter und weiter eingeschränkt
werden, was sich zulassungsrechtlich teilweise in den
Auswahlverfahren für sog. Drittstaatler spiegelt, die allein
dem Willkürverbot unterliegen; ihnen fehlt auch das
– gerade nur aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete – Recht zur
Überprüfung der Kapazitäten.24 Soweit die vorgelegten
Bildungsnachweise dem Anwendungsbereich der Lissabon-
Konvention unterliegen, wird ihre Gleichwertigkeit,
wie zu zeigen sein wird, vermutet. - Hochschulzugang im grundständigen Bereich
a. Von schwindender Bedeutung: § 27 HRG
§ 27 HRG normiert seit 1976, wer zum Hochschulstudium
berechtigt ist. Die Norm kodifizierte das damals
bereits geltende Landesrecht und verleiht ihm bundesrechtlichen
Geltungsvorrang. Formal noch immer in
Kraft, schwindet jedoch ihre praktische Bedeutung.25
Seit der Föderalismusreform I, mit der die Regelungskompetenz
vom Bund auf die Länder übergangen ist,
kann sie nämlich durch Landesrecht ersetzt werden,
Art. 125a Abs. 1 GG.26 Neuere Regelungen gehen dann
vor.27 Da sich die Kernaussage der Regelung darin
erschöpft, dass der Hochschulzugang durch den erfolgreichen
Abschluss einer auf das Studium vorbereitenden
Schulbildung liegt, lenkt sie den Blick schnell auf das
Landesrecht. Gleichwohl wird § 27 HRG, etwa im Kapazitätsrecht,
vielfach noch angeführt.28
b. Normen der Landeshochschulgesetze
Ganz überwiegend normieren die Landeshochschulgesetze
den Hochschulzugang, indem sie die Vorgaben des
§ 27 HRG erweitern.29 Dabei kann zwischen schulischen
und zwischen berufspraktischen Hochschulzugangsberechtigungen
unterschieden werden.
aa. Schulische Zugangsberechtigungen
Die allgemeine Hochschulreife, regelmäßig das Abitur,
berechtigt zu einem Studium aller Fachrichtungen an
allen Hochschulen.30 Es wird mit der erfolgreichen Abiturprüfung,
also mit dem Abschluss der gymnasialen
1 8 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
31 J. Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018, Rn. 919.
32 Vgl. etwa § 34 ff. Abiturverordnung Gymnasien der Normalform
– NGVO Baden-Württemberg.
33 Vgl. § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HG BW; § 20 Abs. 1 Qualifikationsverordnung
Bayern.
34 § 9 Abs. 2 BbgHG.
35 § 18 Abs. 2 NHG.
36 Die Länder Bayern und Sachsen sehen diese Möglichkeit nicht
vor. Nr. 12 „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe
und der Abiturprüfung“, Beschluss der KMK v. 7.7.1972 i.d.F.
v. 15.2.2018.
37 Die dort erworbenen Zeugnisse der allgemeinen oder der fachgebundenen
Hochschulreife umfassen auch die Fachhochschulreife.
Vgl. Nr. 7 „Rahmenvereinbarung über die Berufsoberschule“,
Beschluss der KMK v. 25.11.1976 i.d.F. v. 3.12.2010.
38 § 49 Abs. 1 HG NRW.
39 Vgl. statt vieler § 58 Abs. 2 Nr. 8 HG BW.
40 Vgl. Ordnung für ein Probestudium mit Kleiner Matrikel der
Universität Bremen v. 26.1.2022.
41 Vgl. etwa § 64 Abs. 2 HG BW.
42 Vgl. § 40 Abs. 5 KHG NRW; A. Lenk, Kunst- und Musikhochschulen
im Reformprozess, DÖV 2009, 320 (325).
Oberstufe in der Sekundarstufe II, oder dem Abschluss
einer in entsprechender Schulform besuchten Oberstufe
der Berufsoberschule verliehen. Die im jeweiligen Land
erforderlichen Lehrinhalte bestimmen die Gesetz- bzw.
Verordnungsgeber.31 Das Landesrecht sieht regelmäßig
auch das „Abitur für Schulfremde“, das sog. Nichtschülerabitur,
vor, welches sich an Personen richtet, die zuvor
nicht die gymnasiale Oberstufe besucht zu haben.32
Die fachgebundene Hochschulreife kann in der gymnasialen
Oberstufe ebenso wie an Fachgymnasien, Studienkollegs,
Berufskollegs, Berufsakademien, Berufsoberschulen
und Fachakademien erlangt werden. Sie befähigt
zum Studium einer bestimmten Fachrichtung an
einer Universität sowie – teilweise33 – zum Studium aller
Fachrichtungen an einer Hochschule für angewandte
Wissenschaften bzw. je nach Landesrecht an Pädagogischen
Hochschulen, Kunsthochschulen, der Dualen
Hochschule Baden-Württemberg sowie weiteren Einrichtungen.
Zum Teil wird auch die Fachhochschulreife
fachgebunden ausgegeben.34 Ein Wechsel in eine andere
Fachrichtung ist zum Teil nach Ablegung einer Prüfung
nach Maßgabe der Hochschule möglich.35
Die Fachhochschulreife, auch als „Fachabitur“ bezeichnet,
berechtigt zu einem Studium an Hochschulen
für angewandte Wissenschaften sowie nach Maßgabe
des Landesrechts zum Studium an weiteren Bildungseinrichtungen,
etwa Pädagogischen Hochschulen. Der Abschluss
setzt sich aus einem schulischen und einem berufspraktischen
Teil zusammen. Der schulische Abschnitt
wird mit Abschluss der 11. Klasse eines Gymnasiums,
36 eines Berufskollegs, einer Fachoberschule, einer
Berufsoberschule37 und – in Abhängigkeit von der Fächerwahl
– dem Abschluss einer Fachschule erworben.
Der fachliche Teil wird durch ein mindestens halbjähriges
oder einjähriges Berufspraktikum oder eine abgeschlossene
Berufsausbildung erlangt. Zum Teil kann die
Fachhochschulreife je nach Landesrecht auch zur Berechtigung
eines universitären Studiums ausgeweitet
werden.38
Ein erfolgreich abgeschlossenes grundständiges
Hochschulstudium verleiht ebenfalls die allgemeine
Hochschulzugangsberechtigung.39 Dies ist vor allem für
Personen relevant, die vor ihrem Abschluss nur über
eine fachgebundene Berechtigung verfügten; allerdings
ist zu beachten, dass im Falle eines zulassungsbeschränkten
Studiengangs die Bewerber als Zweitstudienbewerber
zu behandeln sind, was ihre Zulassungschancen tendenziell
verringert.
Hinzu treten besondere Zugangswege. So berechtigen
etwa eine schulische Qualifikation und eine Aufbauprüfung
(sog. Deltaprüfung) in Baden-Württemberg
zum Studium eines Bachelorstudiengangs an allen
Hochschulen, § 58 Abs. 2 Nr. 4 Baden-Württembergisches
HochschulG. Das erfolgreiche Absolvieren eines
Kontaktstudiums, eines sog. Studiums mit „Kleiner Matrikel“,
verleiht in Bremen eine fachgebundene Hochschulreife,
wenn dieses Studium für die angestrebte fachgebundene
Hochschulreife fachlich einschlägig ist,
§ 33 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, § 58 Bremisches HochschulG.40 In
Schleswig-Holstein berechtigt der Erwerb von Leistungspunkten
im Umfang von drei Semestern in einem
Bachelor-Studiengang an einer Fachhochschule oder einer
Berufsakademie zum Studium fachlich verwandter
Fächer, § 39 Abs. 5 S. 2 HochschulG Schleswig-Holstein.
Nach Landesrecht können weitere schulische oder hochschulische
Zugangswege hinzutreten.
Schülern, die noch nicht über eine Hochschulzugangsberechtigung
verfügen, kann im Einzelfall der Besuch
von Lehrveranstaltungen und der Erwerb von Leistungen
gestattet werden, sofern sie „nach dem einvernehmlichen
Urteil von Schule und Hochschule besondere
Begabungen aufweisen“, wie es etwa § 49 Abs. 6
HochschulG NRW bestimmt. Dieses sog. „Frühstudium“
oder “Studium für Jungstudierende” ist inzwischen
in fast allen Bundesländern vorgesehen.41 Erworbene
Studienleistungen werden auf Antrag bei einem späteren
Studium angerechnet. Üblich ist diese Förderung im Bereich
der Kunst- und Musikhochschulen, die besondere
Begabungen voraussetzen und im Rahmen der Eignungsfeststellung
vielfach sogar auf das Vorliegen einer
Hochschulzugangsberechtigung verzichten können.42
Auch Studienortwechslern, die über die Voraussetzungen
für den Hochschulzugang im jeweiligen Bundesland
ursprünglich gar nicht verfügten, kann das LandesBode
· Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 8 5
recht den Hochschulzugang einräumen. Ein Jahr erfolgreiches
Studium an einer Hochschule eines anderen
Bundeslandes berechtigt zur Aufnahme eines Studiums
in dem gleichen oder in einem fachlich entsprechenden
Studiengang an einer Hochschule derselben Hochschulart
in Baden-Württemberg, Brandenburg und
Hamburg.43
bb. Berufspraktische Zugangsberechtigungen
Von steigender Bedeutung ist der Hochschulzugang
kraft beruflicher Qualifikation, wie ihn die Bundesländer
seit etwa 2010 sowohl rechtlich als auch organisatorisch
deutlich ausgebaut haben.44 Anders als etwa das
Nichtschülerabitur knüpft er nicht an schulische, sondern
an berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten an. Dies
entspricht dem von der EU geförderten Leitbild des
„lebenslangen Lernens“.45 Hinter der Öffnung der Hochschulen
für Beruflich Qualifizierte steht die Vorstellung,
dass berufliche Bildung prinzipiell geeignet ist, die für
ein Studium erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln.
Empirische Studien scheinen dieses Konzept zu bestätigen,
46 wobei sich abzeichnet, dass gerade die ersten
Semester und die Anerkennung innerhalb der Hochschule,
etwa seitens der Lehrenden, darüber entscheiden,
ob das Studium erfolgreich fortgeführt wird.47 Auch
eine längere berufliche Vorerfahrung korreliert positiv
mit dem Studienerfolg.48
Die KMK gab mit ihrem Beschluss vom 6. März 2009
einen Rahmen vor, der zwischen sog. Aufstiegsfortbildungen
und sonstigen Berufsausbildungen unterscheidet:
Die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erhalten
Inhaber von Abschlüssen der beruflichen Aufstiegsfortbildung
(v.a. Meister, Inhaber von Abschlüssen
von Fachschulen etc.). Die fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung
steht sonstigen beruflich qualifizierten
Bewerbern zu, sofern sie - einen Abschluss einer nach Berufsbildungsgesetz
bzw. Handwerksordnung und durch Bundes- oder Landesrecht
geregelten mindestens zweijährigen Berufsausbildung
in einem zum angestrebten Studiengang affinen
Bereich und mindestens dreijährige Berufspraxis in einem
zum Studiengang affinen Bereich nachweisen (für
Stipendiaten des Aufstiegsstipendienprogramms des
Bundes reichen zwei Jahre aus) und 2. über den erfolgreichen
Abschluss eines Eignungsfeststellungsverfahrens,
das durch eine Hochschule oder staatliche Stelle auf
der Grundlage einer Prüfungsordnung durchgeführt
wird, nachweisen; alternativ genügt hier auch ein erfolgreiches
Probestudium.
Die Länder haben diese Rahmenregelung inzwischen
konkretisiert.49 Ein Eignungsfeststellungsverfahren sehen
Baden-Württemberg, Bayern (je nach Studiengang),
Berlin (nur falls keine fachliche Nähe zum angestrebten
Studiengang besteht), Bremen (bei mindestens fünfjähriger
Berufstätigkeit auf Wunsch auch Probestudium),
Hamburg (ggf. ersetzbar durch Probestudium), Hessen,
Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen (bei
nicht fachverwandtem Studium), Saarland (nach Berufsausbildung
mit Abschlussnote 2,5 oder besser und Probestudium),
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
und Thüringen vor. Das Probestudium existiert in
Bayern (je nach Studiengang), Bremen (bei mindestens
fünfjähriger Berufstätigkeit), Hamburg (ggf. als Ersatz
der Eignungsfeststellungsprüfung), Nordrhein-Westfalen
(soweit Studiengang nicht zulassungsbeschränkt), im
Saarland, in Sachsen-Anhalt und in Schleswig-Holstein
43 § 58 Abs. 2 Nr. 9 HG BW; § 9 Abs. 3 S. 2 BbgHG; § 38 Abs. 5 HH
HG; § 27 Abs. 3 HSG LSA.
44 Vgl. hierzu grds. A. Wolter, Von der Öffnung des Hochschulzugangs
zur offenen Hochschule, Der Hochschulzugang für
Berufstätige im Wandel, RdJB 2015, 291 (291 ff.); Lindner (Fn. 6),
Rn. 88 ff.
45 Vgl. J. Ennuschat, Europäische Impulse zur Entstaatlichung
des Bildungswesens, WissR 2003, 186 (195 f.); Bericht des Rates
(Bildung) an den Europäischen Rat über die konkreten künftigen
Ziele der Systeme der Allgemeinen und Beruflichen Bildung,
5980/01 Educ 23, S. 11 ff. Vgl. zum lebenslangen Lernen: A. Hüfner,
Das bildungspolitische Konzept der Kultusministerkonferenz
zum lebenslangen Lernen im Kontext staatlicher Bildungspolitik
in der Bundesrepublik Deutschland, BuE 2013, 385 (385 ff.).
46 So seien Abbruchquote und Studienerfolg schulischer und nicht
traditioneller Studierender ähnlich. M.w.N. G. Dahm/C. Kerst,
Wie erfolgreich sind Studierende mit und ohne Abitur?, Ein
bundesweiter Vergleich zu Studienerfolg und Studienleistungen,
DZHW Brief, 3/2019;.
47 Vgl. G. Dahm, C. Kamm, C. Kerst, A. Otto, A. Wolter, Ohne
Abitur an der Hochschule – Studienstrategien und Studienerfolg
von nicht-traditionellen Studierenden, in: I. Buß, M. Erbsland,
P. Rahn, P. Pohlenz, Öffnung von Hochschulen: Impulse zur
Weiterentwicklung von Studienangeboten, 2018, S. 157 (182); K.
Engenhorst, Anerkennung als wesentlicher Faktor zur Förderung
von Lernerfolg nicht-traditioneller Studierender, in: N. Sturm,
Anerkennung als wesentlicher Faktor zur Förderung von Lernerfolg
nicht-traditioneller Studierender, 2020, S. 133 (149).
48 T. Grendel/H. Lübbe/I. Haußmann, Effekte der Dauer und der
Qualität berufspraktischer Vorerfahrungen auf den Studienerfolg
beruflich Qualifizierter, Beiträge zur Hochschulforschung, 36.
Jahrgang, 4/2014, 40 (58). Hinzu kommen weitere Faktoren, bei
Teilzeit-Studierenden etwa die Akzeptanz und die Unterstützung
ihrer Arbeitgeber. L. Hillebrecht, Studienerfolg von berufsbegleitend
Studierenden Entwicklung und Validierung eines Erklärungsmodells,
2019, S. 300 f.
49 Vgl. § 58 Abs. 2 HG BW; Art. 45 BayHG; § 11 BerlHG; § 9 Abs.
2 BbgHG; § 33 Abs. 3a und 5 BremHG; § 37 Abs. 1, § 38 HH
HG; § 60 Abs. 6 HessHG i.V.m. Verordnung über den Zugang
beruflich Qualifizierter zu den Hochschulen in Hessen; § 18 Abs.
1, § 19 HG M‑V; § 18 Abs. 4 NHG; § 49 Abs. 4 HG NRW i.V.m.
BBHZVO; § 41 Abs. 4 KHG NRW; § 65 Abs. 2 HG RLP; § 77 Abs.
3, 5 SaarlHSG; § 17 Abs. 3 bis 5 SächsHG; § 27 Abs. 2 bis 5 HSG
LSA; § 39 Abs. 2 bis 4 HSG SH; § 67 Abs. 1, § 69 ThürHG.
1 8 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
(nach Maßgabe der Hochschule). Ergänzend ist teilweise
ein Beratungsgespräch vorgesehen.50 Weder Eignungsfeststellung
noch Probestudium sind erforderlich in
Brandenburg und Niedersachsen. In Rheinland-Pfalz
wird inzwischen bei Vorliegen eines Berufsabschlusses
mit mindestens der Abschlussnote 2,5 oder besser auf die
Eignungsfeststellungsprüfung und auf die Berufspraxis
verzichtet.51
Die Eignungsfeststellungsprüfung für beruflich Qualifizierte
schreibt – soziologisch betrachtet – die „Gatekeeper-
Funktion“ der Hochschule fort; vielfach wird sie
als „persönliche[s] Abitur-Äquivalent“ betrachtet.52 Der
Wissenschaftsrat empfahl 2014, Berufsabschlüsse generell
als Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen
und damit auf die – in der Praxis komplizierte – Prüfung
der Fachbindung zu verzichten.53 Perspektivisch ist jedenfalls
weiterer Anpassungsbedarf ersichtlich. So ist es
kaum nachvollziehbar, dass bestimmte Ausbildungen,
etwa solche, die nach den Empfehlungen der Deutschen
Krankenhausgesellschaft absolviert worden sind und auf
anerkannten Fachstandards beruhen, nicht in den Anwendungsbereich
des Hochschulzugangs für Beruflich
Qualifizierte fallen, da sie nicht explizit durch Bundesoder
Landesrecht geregelt sind.54
Schließlich kann der Hochschulzugang auch nach einer
individuellen Prüfung studiengangspezifisch (also
nicht generell fachgebunden) durch die Hochschule eröffnet
werden. Dies setzt – je nach Bundesland – neben
einer entsprechenden Berufsausbildung und einer daran
anknüpfenden Berufstätigkeit von regelmäßig drei Jahren
(bzw. entsprechenden Kindererziehungszeiten) wiederum
eine Eingangsprüfung oder ein erfolgreiches Probestudium
voraus. Hierbei handelt es sich um Vorläufer
der Regelungen über den Hochschulzugang beruflich
Qualifizierter. Eine solche Abweichung vom Vorliegen
der traditionellen Hochschulzugangsberechtigung für
besondere Studiengänge sehen derzeit noch die meisten
Bundesländer vor.55 Die Einzelheiten bestimmen die
Hochschulen.
cc. Eignungsprüfung und weitere Leistungsnachweise
Neben – oder z.T. sogar anstelle der Hochschulzugangsberechtigung56
– muss für einige Studiengänge auch eine
besondere Eignung nachgewiesen werden.57 Dies betrifft
vor allem künstlerische bzw. musische Studiengänge
oder das Sportstudium. Hintergrund ist, dass die erforderliche
Eignung hierfür in der schulischen Hochschulzugangsberechtigung
regelmäßig nur unzureichend
abgebildet wird. Wer sich als geeignet erwiesen hat, kann
aber – falls es einen Überhang geeigneter Bewerber gibt
– noch im Zulassungsverfahren scheitern. Insbesondere
muss im Rahmen der zulassungsrechtlichen Auswahlentscheidung
die Eignung nicht erneut berücksichtigt
werden.58
Seit Langem wird versucht, das Erfordernis der Eignung
auch auf andere Studiengänge zu übertragen, zum
Teil als „Abitur plus“ bezeichnet.59 Die Gerichte waren
hier bislang kritisch und machten den Rückgriff auf Eignungsprüfungen
davon abhängig, dass der Studiengang
nachweislich besondere Fähigkeiten voraussetzt. So
führt der VGH Bayern im Zusammenhang mit dem Zugang
zu grundständigen Studiengängen aus, dass Eignungsfeststellungsverfahren
nicht „die vom Gesetzgeber
als Regelfall konzipierte Hochschulreife aushöhlen“
dürften und auch keine „über die Anforderungen des
Studiengangs hinausgehende ‚Niveaupflege‘“ gestatten.60
50 Etwa in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg (nach
Wahl der Hochschule), Nordrhein-Westfalen („sollen“), Rheinland-
Pfalz (nach Wahl der Hochschule), im Saarland, in Sachsen
und Thüringen.
51 § 65 Abs. 2 S. 1 HochschulG Rheinland-Pfalz, vgl. Landtag
Rheinland-Pfalz, Drs. 17/11430, 206 f.
52 S. Schreiber-Barsch/H. Gundlach, „Du kannst doch MEHR!“ –
Studierfähigkeit als Bewertungskriterium im Hochschulzugang:
Validierungsverfahren zwischen subjektiver Deutung und hochschulischem
Gatekeeping, ZfW 2019 (42), 69 (91 f.).
53 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses
von beruflicher und akademischer Bildung, Erster Teil, Drs. 3818-
14, 13, 89 f.
54 Einige Bundesländer, etwa Bayern, stellen die Ausbildungen
inzwischen den nach Bundes- oder Landesrecht geregelten gleich.
Vgl. § 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 QualifikationsVO Bayern.
55 Vgl. statt vieler § 58 Abs. 2 Nr. 6 HG BW.
56 Vgl. § 58 Abs. 2 Nr. 7 HG BW; Art. 44 Abs. 1, 2 BayHG; § 10 Abs.
4 BerlHGG § 9 Abs. 4 BbgHG; § 33 Abs. 2 BremHG; § 37 Abs. 3,
4 HH HG; § 60 Abs. 4 HessHG; § 18 Abs. 3 HG M‑V; § 18 Abs. 5
NHG; § 49 Abs. 11 HG NRW; § 41 Abs. 11 KHG NRW; § 66 Abs. 1
HG RLP; § 17 Abs. 11 SächsHG; § 39 Abs. 6 HSG SH; § 68 Abs. 3
ThürHG.
57 Vgl. § 58 Abs. 6 HG BW; Art. 44 Abs. 1 bis 3 BayHG; § 10 Abs. 4
bis 5 BerlHG; § 9 Abs. 4 BbgHG; § 33 Abs. 2 BremHG; § 37 Abs.
3, 4 HH HG; § 60 Abs. 4 HessHG; § 18 Abs. 3 HG M‑V; § 18 Abs.
5 NHG; § 49 Abs. 7, 11 HG NRW; § 41 Abs. 7, 11 KHG NRW; § 66
Abs. 1 HG RLP; § 77 Abs. 7 SaarlHSG; § 17 Abs. 9, 11 SächsHG;
§ 27 Abs. 2 S. 3 HSG LSA; § 39 Abs. 6 HSG SH; § 68 Abs. 2
ThürHG.
58 VG Münster, Beschl. v. 19.5.2021 – 9 L 923/20 –, juris, Rn. 29 ff.
59 V. M. Haug, in: ders., Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, - Aufl. 2020, Rn. 1325.
60 Eignungsfeststellungsverfahren seien „zur Vermeidung einer
hohen Misserfolgs- oder Abbrecherquote nur zulässig, soweit das
Studium besondere Anforderungen stellt, bezüglich derer die Abiturnote
allein nur begrenzte Aussagekraft hat“. BayVGH, Beschl.
v. 2.2.2012 – 7 CE 11.3019 –, juris, Rn. 23.
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 8 7
Gleichwohl ist es vielfach gelungen, dieses Erfordernis
zu begründen und Eignungsfeststellungsverfahren zu
etablieren.61
In Studiengängen, die besondere Vorbildungen, eine
spezifische Eignung oder praktische berufspraktische
Erfahrung erfordern, kann die Eröffnung des Hochschulzugangs
vom Nachweis dieser Qualifikationen abhängig
gemacht werden. Entsprechende Regelungen, die
alle Hochschulgesetze vorsehen,62 finden sich beispielsweise
im Bereich der Pflege-Studiengänge oder der Hebammenwissenschaft.
Es werden vielfach Praktika oder
sogar abgeschlossene Ausbildungen vorausgesetzt.63
dd. Ausländische Zugangsberechtigungen
Die Eröffnung des Hochschulzugangs hängt vom Staat
ihres Erwerbs, nicht von der Nationalität des Erwerbenden
ab. Eine nach deutschem Recht erworbene Qualifikation
eröffnet in allen Bundesländern den Hochschulzugang.
64 Handelt es sich um nicht-Deutsche, so werden
sie zu sog. „Bildungsinländern“. Auch im sich vielfach
anschließenden Zulassungsverfahren sind sie Deutschen
gleichgestellt, nehmen also z.B. an der Verteilung in den
sog. Hauptquoten, nicht aber der Quote für Drittstaatler,
teil.
Im Ausland erworbene Zugangsberechtigungen qualifizieren
dagegen – selbst wenn sie von deutschen Staatsangehörigen
erworben werden, nur unter bestimmten
Anforderungen zum Studium – wenn sie nämlich als
gleichwertig anerkannt sind. Hier wird zwischen dem
unmittelbaren, also einem vollkommen den Anforderungen
entsprechenden, und dem mittelbaren Hochschulzugang
unterschieden, bei dem die vorgelegten
Vorbildungsnachweise alleine (noch) nicht zur Aufnahme
des Studiums befähigen. In diesem Falle kann ein
Studienkolleg besucht werden, das mit einer Feststellungsprüfung
abschließt.
Ob eine gleichwertige Hochschulzugangsberechtigung
vorliegt, richtet sich nach den bildungspolitischen
Rahmenbedingungen. Hier ist zu beachten, ob es sich
um Abschlüsse eines Staates handelt, der Mitglied des
Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen
im Hochschulbereich in der europäischen Region
vom 11. April 1997 (Lissabon-Konvention)65 ist. Dies regelt
die Anerkennung von Studienzeiten, Abschlüssen
und Graden und trägt damit zur Entstehung eines einheitlichen
Europäischen Hochschulraumes bei.66 Jede
Vertragspartei erkennt für den Zweck des Zugangs zu
den zu ihrem Hochschulsystem gehörenden Programmen
grundsätzlich die von den anderen Vertragsparteien
ausgestellten Qualifikationen an, welche die allgemeinen
Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschulbildung
in diesen Staaten erfüllen, Art. IV.1 Konvention.
Die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Zeugnisse wird
unterstellt.67 Die Anwendung der Lissabon-Konvention
bewirkt also – im Gegensatz zu anderen Gleichwertigkeitsvereinbarungen
– eine Beweislastumkehr zugunsten
des Bewerbers und bestimmt, dass unwesentliche
Unterschiede zwischen Bildungssystemen anerkannt
werden müssen, selbst wenn nach herkömmlicher Betrachtung
völlige Gleichwertigkeit vorliegt.68
Wesentliche Unterschiede zwischen den Zugangssystemen
stehen der Anerkennung allerdings entgegen, sofern
diese in dem anerkennenden Staat nachgewiesen
werden, Art. IV.1 und 3 der Lissabon-Konvention. Um
festzustellen, ob ein solcher Unterschied zwischen den
Bildungssystemen vorliegt, greifen die Behörden auf die
Erkenntnisse aus der ANABIN-Datenbank der Zentralstelle
für das ausländische Bildungswesen (ZAB) der
KMK zurück. Den Bewertungsvorschlägen kommt der
Charakter eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“
zu.69 Das bedeutet, dass die Normanwender, etwa
Behörden oder Gerichte, sich darüber nur hinwegsetzen
61 So etwa an der TU München. Hier findet in vielen Studiengängen
ein zweistufiges Eignungsfeststellungsverfahren statt; dabei wird
zunächst pro Bewerber aus schulischen und außerschulischen
Qualifikationen ein Punktewert (bis zu 100 Punkte) ermittelt.
Liegt dieser – je nach Studiengang – z.B. bei 74 oder mehr
Punkten, gilt die Person als geeignet, liegt sie bei 59 oder weniger
Punkten, gilt sie nicht als geeignet. Für das mittlere Segment
finden dann in einem zweiten Schritt Auswahlgespräche statt.
Vgl. Satzung über die Eignungsfeststellung für den Bachelorstudiengang
Gesundheitswissenschaft an der TU München
v. 13.5.2022, verfügbar unter www.tum.de (31.5.2022).
62 Vgl. etwa § 49 Abs. 7 HG NRW.
63 Vgl. zum Ganzen M. Bode, Linderung in Sicht? Zugang und
Zulassung zu Pflegestudiengängen und zum Medizinstudium
vor dem Hintergrund des „Pflegenotstandes“, in: R. Lehner,
Die Zukunft der Gesundheitsberufe in Bildung und Migration,
ineges-Tagung Sep. 2021 (im Erscheinen),
64 Vgl. etwa § 58 Abs. 2 Nr. 10 HG BW.
65 Zur Interpretation vgl. auch BT-Drs. 16/1291, 27 ff. Vgl. Lindner
(Fn. 6), Rn. 41.
66 Vgl. hierzu W.-D. Wenzel, Das Übereinkommen über die
Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der
europäischen Region (sog. Lissabon-Konvention) und seine Auswirkungen
auf den rechtswissenschaftlichen Bereich, ThürVBl.
2003, 203 (203 ff.).
67 Zugleich bleibt es den aufnehmenden Staaten unbenommen,
besondere Zugangsvoraussetzungen bzw. Fachbindungen
vorzusehen oder Zulassungsverfahren durchführen, die auch im
Ausgangsstaat üblich sind, Art. IV.3 und 4 Lissabon-Konvention.
68 Vgl. in Bezug auf die Zulassung zum Master VG Bremen, Beschl.
v. 18.2.2011 – 5 V 1331/10 –, juris, Rn. 15.
69 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.2.2010 – OVG 5 S 3.10
–, juris, Orientierungssatz. OVG Berlin-Brandenburg (5. Senat),
Beschl. v. 9.7.2018 — OVG 5 S 1.18 = BeckRS 2018, 15491; Beschl.
v. 7.3.2022 – 7 ZB 20.197 –, juris, Rn. 13; VG Magdeburg (7. Kammer),
Urt. v. 26.9.2018 — 7 A 750/16 = BeckRS 2018, 47512.
1 8 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
dürfen, soweit die Empfehlungen „methodisch zweifelhaft
oder sachlich überholt“ sind bzw. falls „im jeweiligen
Einzelfall Besonderheiten auftreten, die erkennbar
nicht bedacht worden sind“.70 Soweit ausländische
Schulabschlüsse in der Datenbank nicht geführt werden,
ist „im Einzelfall“ zu entscheiden, ob eine Anerkennung
erfolgt.71
Wesentliche Unterschiede können entweder in strukturellen
Unterschieden der Bildungssysteme oder in individuellen
Abweichungen liegen: Als wesentlicher Unterschied
ist es etwa zu bewerten, dass in Großbritannien
weder die Allgemeine noch die Fachgebundene
Hochschulreife als Abschlüsse vorgesehen sind und die
Hochschulen auf Grundlage der von ihnen selbst formulierten
Anforderungen über den Zugang entscheiden.72
Ein englisches General Certificate of Education (GCE A/
AS) darf somit nicht als dem deutschen Abitur gleichwertig
anerkannt werden, sofern keine erfolgreiche Teilnahme
an den Fächern Mathematik oder einer der Naturwissenschaften
Biologie, Chemie oder Physik erfolgt
ist.73 Das Nachholen entsprechender Kurse ist grundsätzlich
möglich.74 Ein solcher wesentlicher Unterschied
ist auch dann gegeben, wenn ein ausländischer Abschluss
nicht im Rahmen der im Ausland hierfür vorgesehenen
Sprachen, etwa auf Englisch oder Maori, sondern
in deutscher Sprache erworben wurde. Daran ändert
es auch nichts, dass für eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung
der Erwerb auf Deutsch ebenfalls
möglich wäre; Sinn der Regelung ist nämlich die Gleichbehandlung
ausländischer Abschlüsse, nicht der Schutz
unter Umgehung der jeweiligen nationalen Regelungen
erworbener Qualifikationen.75
Soweit die Lissabon-Konvention im Verhältnis zum
Herkunftsstaat eines Bewerbers nicht anwendbar ist,76
findet die vom Europarat initiierte Europäische Konvention
über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse vom - Dezember 195377, Anwendung, sofern die betroffenen
Staaten sich unter den 38 Mitgliedstaaten befinden, die
bis in das Jahr 2002 beigetreten sind, darunter Litauen,
Neuseeland und Russland. Als Grundlage der Bewertung
werden zwar ebenfalls die Vorgaben aus ANABIN
herangezogen, allerdings findet keine Beweislastumkehr
statt, und die Verweigerung der Anerkennung ist auch
nicht auf wesentliche Unterschiede beschränkt.
c. Der „Wert“ einer Hochschulzugangsberechtigung
Liegt nach alledem eine Hochschulzugangsberechtigung
vor, die zum Studium berechtigt, und sind die sonstigen
Formalvoraussetzungen eingehalten, etwa Fristen oder
das Erfordernis einer Beteiligung am Dialogorientierten
Serviceverfahren (DoSV), so kann die betroffene Person
die Immatrikulation beantragen,78 sofern es sich um
einen zulassungsfreien Studiengang handelt. Geht es
dagegen um einen zulassungsbeschränkten Studiengang,
so genügt die dichotome, also mit „ja“ oder „nein“
zusammenzufassende Feststellung über den Hochschulzugang
nicht; vielmehr muss eine Auswahl zwischen
konkurrierenden Bewerbern getroffen werden; dies ist
die Aufgabe des Hochschulzulassungsrechts. Dieses
greift regelmäßig unter anderem auf Informationen
zurück, welche in der Zugangsberechtigung bereits
angelegt sind. Daneben stehen unabhängige Kriterien,
etwa Studierfähigkeitstests oder berufliche Abschlüsse,
worauf hier nicht näher eingegangen werden soll.79
Gegenwärtig – aber nur vorübergehend – sinkt der
Anteil der zulassungsbeschränkten Studiengänge,80
70 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 7.3.2022 – 7 ZB 20.197 –,
juris, Rn. 13; BayVGH, Beschl. v. 25.1.2022 – 7 CE 21.2684 –, juris,
Rn. 6.
71 Es ging um einen Waldorf-Schul-Abschluss. OVG Berlin-Brandenburg,
Beschl. v. 7.3.2022 – 7 ZB 20.197 –, juris, Rn. 15.
72 Die Notwendigkeit eines ausdrücklichen Ausschlusses Großbritanniens
von der gegenseitigen Anerkennungspraxis ergibt sich
daraus nicht. Auch aus der Unionsbürgerschaft und der Freizügigkeit
nach den Art. 20, 21 AEUV folgt angesichts der Kompetenzbeschränkungen
im Art. 165 Abs. 1 AEUV keine Pflicht, in
anderen Mitgliedstaaten erworbene schulische Qualifikationen
anzuerkennen. OVG HH, Beschl. v. 25.8.2010 – 1 Bf 94/10.Z –,
juris, Rn. 6, 11 = NVwZ-RR 2010, 975 f. Vgl. auch in Bezug auf die
Anerkennung von Abschlüssen VG Dresden, Urt. v. 24.8.2009 – 5
K 1579/08 –, juris.
73 Es ist insofern unerheblich, dass es in Deutschland auch ausreicht,
wenn diese Fächer lediglich mit „mangelhaft“ bewertet
worden sind; denn insoweit dürfen zumindest Grundkenntnisse
angenommen werden. OVG Berlin-Brandenburg (5. Senat),
Beschl. v. 9.7.2018 — OVG 5 S 1.18 = BeckRS 2018, 15491.
74 VG Magdeburg (7. Kammer), Urt. v. 26.9.2018 — 7 A 750/16 =
BeckRS 2018, 47512.
75 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 7.3.2022 – 7 ZB 20.197 –,
juris, Rn. 20.
76 Vertragsparteien der Lissabon-Konvention, die gleichzeitig
Vertragsparteien der Europäischen Konvention über die
Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse sind, a) wenden in ihren
gegenseitigen Beziehungen nur das vorliegende Übereinkommen
an; b) wenden die Europäischen Konvention über die Gleichwertigkeit
der Reifezeugnisse, deren Vertragspartei sie sind, in ihren
Beziehungen zu anderen Staaten, die ebenfalls Vertragsparteien
jener Übereineinkunft, nicht aber der Lissabon-Konvention sind,
weiterhin an. Vgl. Art. XI.4 Abs. 1 Lissabon-Konvention.
77 Vgl. Lindner, (Fn. 6), Rn. 40.
78 Vgl. Lindner (Fn. 6), Rn. 152 f.
79 Vgl. Bode (Fn. 17), Rn. 273 ff.
80 Von den ca. 10.920 grundständigen Studienangeboten aller Hochschularten
wiesen etwa 6.480 im WiSe 2021/22 keine Zulassungsbeschränkung
auf, ca. 830 setzten eine Eignungsprüfung voraus,
die übrigen, also rund 3.610, waren zulassungsbeschränkt. HRK,
Statistiken zur Hochschulpolitik 1/2021, 2021, S. 10, 68.
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 8 9
während die Zahl der Studienangebote in Deutschland
absolut betrachtet ansteigt.81 Gerade die bewerberstarken
„traditionellen“ Fächer wie Medizin, Jura und Ökonomie
sind aber ganz überwiegend nach wie vor
zulassungsbeschränkt.
Diese drei Kriterien, die dabei herangezogen werden,
sind erstens das Gesamtergebnis der Hochschulzugangsberechtigung
für das gewählte Studium, wobei auf Note
oder Punkte abgestellt werden kann, vgl. Art. 10 Abs. 3 S.
1 Nr. 1a Staatsvertrag über die Hochschulzulassung (StV).
Während traditionell auf die Dezimalnoten (z.B. 1,0 bzw.
1,1 u.s.w.) zurückgegriffen wird, werden im Zentralen
Verfahren für die Human‑, Zahn- und Tiermedizin sowie
die Pharmazie nun auf die Einzelpunkte (840 bzw.
900 Punkte abzüglich der Bestehensgrenze von 280 bzw.
300 Punkten) herangezogen.82 Zweitens kann auf gewichtete
Einzelnoten der Hochschulzugangsberechtigung
abgestellt werden, die über die fachspezifische Eignung
Auskunft geben, vgl. Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1b StV.
Dies setzt voraus, dass Einzelnoten, etwa der Leistungsbzw.
der K‑Kurse, überhaupt ausgewiesen sind. Soweit
dies der Fall ist, stellt sich die Frage, ob die Note als solche
herangezogen wird oder allein der Umstand zählt,
dass das entsprechende Fach mit besonderem Schwerpunkt
belegt worden ist.
Drittens kann auch auf den Zeitpunkt des Erwerbs
der Qualifikation abgestellt werden. Die ist immer dann
der Fall, wenn es um eine Zulassung nach Wartezeit
geht, die nach wie vor in vielen Bundesländern, jedoch
nicht mehr im Zentralen Verfahren vorgesehen ist. Nach
Kritik des BVerfG ist diese auf maximal sieben Halbjahre
zu beschränken, da eine längere Wartezeit als Zulassungskriterium
„dysfunktional“ sei.83 Die Wartezeit
knüpft an den Zeitpunkt des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung
an. Allerdings kann dieser Wert
durch andere Faktoren beeinflusst werden. So gelten
etwa Studiensemester an einer deutschen Hochschule
nicht als Wartezeit im Sinne des Zulassungsrechts;84 z.T.
wird dies auch für Studienzeiten an Hochschulen eines
Mitgliedstaates der Europäischen Union oder anderer
Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums
angenommen.85
Für die oben dargestellten besonderen Arten von
Hochschulzugangsberechtigungen kann sich die Bestimmung
dieser Werte als schwierig erweisen. Hinsichtlich
der Fachhochschulreife wird auf die zumeist
ausgewiesene Note des schulischen Teils abgestellt, und
bei den Fachfortbildungen, etwa dem Meister, ist die Gesamtnote
heranzuziehen. Bei den übrigen Beruflich
Qualifizierten erfolgt die Notenberechnung – je nach
landesrechtlichen Vorgaben – auf unterschiedliche Weise.
Die Note bestimmt sich entweder nach dem Ergebnis
der beruflichen Fortbildungen oder, falls vorgesehen,
dem Ergebnis einer Eignungsprüfung. Die Wartezeit bestimmt
sich überwiegend nach dem Zeitpunkt, zu dem
die Hochschulzugangsberechtigung „vollwertig“ vorlag;
dies ist etwa dann der Fall, wenn die beruflichen Tätigkeiten
im erforderlichen Umfang nachweisbar erbracht
worden sind oder ein Beratungsgespräch durchgeführt
worden ist.
Auch bei im Ausland erworbenen Hochschulzugangsberechtigungen
fällt die Bestimmung einer Note
regelmäßig schwer, denn bereits die Notenskala ist – soweit
überhaupt eine Note ausgewiesen wird86 – vielfach
eine unterschiedliche. Um diese dem deutschen System
anzugleichen, wird die sog. modifizierte Bayerische Formel
herangezogen.87 Besonderheiten gelten für Feststellungsprüfungen.
88 Vergleichsweise einfach ist dagegen
der Zeitpunkt des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung
zu bestimmen. Es handelt sich regelmäßig
um das Datum, zu dem die Voraussetzungen für den
Hochschulzugang in Bezug auf den konkreten Bewerber
erstmals vorlagen.
Unabhängig hiervon hat das BVerfG bestimmt, dass
– zumindest in stark nachgefragten Studiengängen – die
Note der Hochschulzugangsberechtigung um föderalistische
Unterschiede zu bereinigen ist. Hier schließt sich
ein kompliziertes Verrechnungsverfahren unter Rück-
81 Von 11.265 zum WiSe 2007/08 auf 20.951 zum WiSe 2021/22.
HRK, Statistiken zur Hochschulpolitik 1/2021, 2021, S. 10. Aber
auch die Zahl der Zugangsberechtigten wird in den kommenden
Jahren ansteigen. Vgl. KMK, Statistische Veröffentlichungen Nr.
230, Vorausberechnung der Zahl der Schüler/-innen und Absolvierenden
2020 bis 2035, 2021.
82 Kritisch dazu Bode (Fn. 17), Rn. 650 ff.
83 BVerfGE 147, 253 (308 f., 351).
84 Statt vieler: § 6 Abs. 1 S. 4 HG BW.
85 § 14 Abs. 6 HochschulzulassungsVO Berlin.
86 Können ausländische Bildungsnachweise nur indirekt und ohne
Notennachweis belegt werden, werden sie mit der untersten
Bestehensnote in die Berechnung einbezogen.
87 Vereinfacht besagt sie: Maximalnote minus erreichter Note,
geteilt durch Maximalnote verringert um unterste Bestehensnote;
das Ergebnis wird mit drei multipliziert und mit eins addiert.
„Vereinbarung über die Festsetzung der Gesamtnote bei ausländischen
Hochschulzugangszeugnissen“, Beschluss der KMK v.
15.3.1991 i.d.F. v. 18.11.2004; vgl. VG Cottbus, Urt. v. 15.11.2006 – 1
K 41/02 –, juris.
88 Soweit der Hochschulzugang erst durch das Bestehen einer
Feststellungsprüfung eröffnet wird, ist die Gesamtnote durch die
Bildung des arithmetischen Mittels aus der Note der ausländischen
Bildungsnachweise und der jeweils abgelegten Prüfung zu
errechnen. Beschluss der KMK v. 15.3.1991 i.d.F. v. 12.9.2013, Nr. 1
Abs. 3.
1 9 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
griff auf den Anteil der Länder an den Studienplatzressourcen,
den bundesweiten Rangplatz des Bewerbers
und Weiteres an.89 Hieraus ergibt sich also eine bewerbungsspezifische
Anpassung des ausgewiesenen Wertes,
die dazu führen kann, dass aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit
eine nominal geringwertigere einer
höherwertigeren Hochschulzugangsberechtigung vorgezogen
wird. Schließlich können im Rahmen des Zulassungsverfahrens
Notenwerte oder Wartezeiten auch verbessert
werden, wenn dies zum Ausgleich eines erlittenen,
nicht selbst zu vertretenen Umstandes erforderlich
ist.90
Es wird deutlich, dass der „Wert“ einer Hochschulzugangsberechtigung
in vielen Fällen, vor allem im Bereich
der allgemeinen Hochschulzugangsberechtigungen, relativ
einfach zu bestimmen ist; in einigen Konstellationen,
insbesondere, sofern bereits studiert worden ist
oder soweit Qualifikationsnachweise Beruflich Qualifizierter
oder ausländischer Studierender betroffen sind,
kann sich die Bestimmung als sehr kompliziert erweisen.
Wenn darüber auf Grundlage des Hochschulrechts entschieden
wird, etwa in Bezug auf Fachbindungen, Eignungsprüfungen
oder Beratungsgesprächen, ist die Entscheidung
vielschichtig und kann sogar zu divergenten
Prüfungsergebnissen führen, wenn beispielsweise der
Hochschulzugang für das gleiche Studienangebot an unterschiedlichen
Hochschulen eröffnet bzw. verschlossen
ist bzw. der „Wert“ der Berechtigung voneinander abweicht.
Insofern handelt es sich hierbei nicht um eine absolute
bzw. universelle Legitimation. Vielmehr ist die Eröffnung
des Hochschulzugangs relativ zum begehrten
Studium und der gewählten Hochschule zu sehen. - Hochschulzugang zu weiterführenden Studiengängen
Die Rahmenbedingungen des Masterzugangs sind landesgesetzlich
geregelt.91 Voraussetzung für den Zugang
zum Masterstudiengang ist bundesweit zunächst ein erster
berufsqualifizierender Hochschulabschluss. Hinzu
kommen – je nach Land bzw. Hochschule unterschiedliche
– zusätzliche Eignungs- und Qualifikationsvoraussetzungen.
Wie weit hier die Note und zusätzlich oder
alternativ weitere inhaltliche Eignungs- und Qualifikationskriterien
herangezogen werden, unterscheidet sich
von Bundesland zu Bundesland und vielfach auch zwischen
den Hochschulen.
a. Erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss
Die erste Berufsqualifikation in Form eines Hochschulabschlusses
ist in aller Regel der Bachelor. Allerdings
können auch Staatsexamen, Magister, Diplom oder ein
kirchlicher Abschluss nach einem Studium an einer
staatlich anerkannten Hochschule zu einem Masterstudiengang
berechtigen.92 Es kommt nicht darauf an, ob
der Abschluss an einer Fachhochschule oder einer Universität
erworben worden ist. Anderes kann ausnahmsweise
dann gelten, wenn der Fachhochschulabschluss
„wesensverschieden vom Universitätsabschluss in der
gleichen Materie ist und eine wesentliche Verwandtschaft
zwischen beiden kaum noch besteht“.93 Unzulässig
ist es außerdem, Zugangsvoraussetzungen so zu
gestalten, dass praktisch nur eigene Absolventen Zugang
finden. Dies wäre der Fall, wenn Prüfungen oder Module
vorausgesetzt werden, die nur die eigene Hochschule
anbietet.94
Es ist nicht erforderlich, dass ein identischer Studienabschluss
vorliegt; vielmehr kommt es auf die Vergleichbarkeit
an. In diesem Sinne gleichwertig sind Hochschulabschlüsse
dann, wenn ihre Regelstudienzeit mindestens
drei Jahre umfasst bzw. bei einem Kompaktstudiengang
mindestens 180 ECTS beträgt.95 Der vollwertig
erbrachte Hochschulabschluss ist unverzichtbar und
kann auch nicht durch andere Qualifikationen, etwa
Fortbildungen96 oder Kompetenzen nach dem Deutschen
Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen
89 BVerfGE 147, 253 (338); M. Bode, Zwischen Realität und Utopie,
Die „Numerus clausus III“-Entscheidung des BVerfG, OdW 2018,
173 (173 ff.); ders., Nach Numerus clausus III: Aktuelle Entwicklungen
auf dem Gebiet des Hochschulzulassungsrechts, NVwZ
(im Erscheinen).
90 Bode (Fn. 17), Rn. 877 ff., 1014 ff.
91 Vgl. § 59 Abs. 1 S. 2 HG BW; Art. 43 Abs. 5, 6 BayHG; § 10 Abs. 5,
5a BerlHG; § 9 Abs. 5, 6 BbgHG; § 32 Abs. 6, 8 BremHG; § 39 HG
HH; § 16, § 20 Abs. 2 Nr. 14 HessHG i.V.m. Satzungen der Hochschulen;
§ 18 Abs. 4 HG M‑V i.V.m. Satzungen der Hochschulen;
§ 18 Abs. 8 NHG; § 49 Abs. 6 HG NRW; § 41 Abs. 6 KHG NRW:
§ 19 Abs. 2 HG RLP; § 77 Abs. 6 SaarlHG; § 17 Abs. 10 SächsHG;
§ 27 Abs. 7 und 8 HG LSA; § 49 Abs. 4 bis 6 HSG S‑H; § 67 Abs. 1
S. 1 Nr. 4 ThürHG.
92 J. Hofmann, in: C. von Coelln/V. Haug, BeckOK Hochschulrecht
Baden-Württemberg, 14. Edition, § 59 Rn. 12.
93 C. Ernst/J. A. Kämmerer, Berufsfreiheit im Bologna-Prozess. Verfassungsrechtliche
Anforderungen an den Zugang zu Bachelor
und Master, RdJB 2011, 297 (310).
94 A. Musil, Aktuelle Rechtsprobleme der Masterzulassung in
Deutschland, RdJB 2014, 400 (407 f.).
95 C. Colditz, in: C. von Coelln/A. Pautsch, BeckOK Hochschulrecht
Niedersachsen, 14. Edition, § 14 Rn. 35.
96 Vgl. E. Albrecht/A. Drescher, in: L. Knopp/F.-J. Peine/H. Topel,
Brandenburgisches Hochschulgesetz, 3. Aufl. 2018, § 9 Rn. 63 f.
Vgl. zur jeweiligen landesspezifischen Rechtslage VG Karlsruhe,
Urt. v. 29.1.2015 – 7 K 3300/14 –, juris, Rn. 25 ff.; VG Berlin, Beschl.
v. 9.10.2012 – 3 L 524.12 –, juris, Rn. 5. Vgl. Ernst/Kämmerer
(Fn. 93), 297 (309 f.).
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 9 1
(DQR),97 ersetzt werden. Auch das „Zusammenziehen
von fachspezifischen Leistungen aus mehreren Studiengängen“,
etwa der BWL und der Psychologie, ist kein zulässiges
Instrument, um die Befähigung für ein Masterstudium
nachzuweisen.98 Beruflich Qualifizierte, die
nicht über einen Hochschulabschluss verfügen, können
nicht den Zugang zu einem Masterstudiengang beanspruchen,
99 auch wenn einige Bundesländer den Zugang
für bestimmte Masterstudiengänge öffnen.100
Für ausländische Bildungsabschlüsse gilt auch hier
die Lissabon-Konvention, nach der – unabhängig von einer
Überprüfung der Lehrinhalte – die Anerkennung erfolgen
muss, wenn nicht ein wesentlicher Unterschied
zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in
der ausstellenden Vertragspartei und der aufnehmenden
Vertragspartei besteht. Entscheidend sind wiederum die
Empfehlungen der ZAB.101 Der Abschluss eines sog.
Franchise-Studiengangs, bei dem die ausländische
Hochschule einen Bachelorgrad verleiht, ist nicht automatisch
gleichwertig; entscheidend ist, wer faktisch die
Lehre erbringt.102 Insgesamt können hier komplizierte
Fragestellungen auftreten.103
b. Zusätzliche Eignungs- und Qualifikationsvoraussetzungen
Die Festlegung bestimmter Eignungs- und Qualifikationsvoraussetzungen
für die einzelnen Studiengänge
obliegt den Hochschulen nach Maßgabe des Landesrechts.
Als Kriterien in Betracht kommen grundsätzlich
die Note des grundständigen Studienganges, eine besondere
fachliche Nähe zum angestrebten Masterstudium
oder der Nachweis von Einzelleistungen des Bachelors.
aa. Note
Die Frage, ob eine qualifizierte, also eine von vornherein
definierte, Note des Bachelorabschlusses zur Zugangsbedingung
gemacht werden kann, wird unter den Bundesländern
kontrovers beurteilt. Ein Teil der Bundesländer,
etwa Bremen und NRW, hält die Heranziehung der Note
auf der Zugangsebene für geboten.104 Anderes gilt allerdings
für den Zugang zu reglementierten Berufen wie
dem Lehramt.105 Gerichte anderer Bundesländern, darunter
Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern,
erachten den Rückgriff auf eine qualifizierte
Note für unzulässig bzw. unverhältnismäßig. Das VG
Hamburg etwa geht davon aus, dass § 39 Abs. 1 HG HH
die Hochschulen nicht ermächtige, bestimmte Zugangsnoten
festzusetzen; dies überschreite im Übrigen die Satzungsbefugnis
der Hochschulen.106
Soweit eine Heranziehung der Note auf Ebene des
Zugangs erfolgt, haben die Literatur und vor allem die
Rechtsprechung inzwischen Maßstäbe für die Prüfung
der Verhältnismäßigkeit entwickelt:107 Anhaltspunkt ist
das Notenniveau im entsprechenden Studiengang. Eine
Regelung ist nach der Rechtsprechung des VGH Bayern
dann angemessen, wenn die Anforderungen in einem
Bereich liegen, der dem Ergebnis von über 60 % der Absolventen
des Bachelorstudiengangs in den vorigen Jahren
entspricht.108 Unangemessen dagegen ist die Note
1,1, die nur ca. 5 Prozent der Absolventen erreichen, für
den unmittelbaren Zugang zum Studium der Psychologie,
und zwar auch dann, wenn Bewerber im Bereich von
1,2 bis 1,8 nach Durchführung eines Eignungsverfahrens
den Zugang erhalten können.109 Demgegenüber geht das
VG Berlin davon aus, dass sämtliche Zugangsvorausset-
97 OVG Lüneburg (2. Senat), Beschl. v. 21.3.2017 – 2 ME 75/17 =
BeckRS 2017, 104446; Colditz, (Fn. 95), § 14 Rn. 35.
98 VG Kassel, Beschl. v. 2.12.2019 – 3 L 2696/19.KS –, juris, Rn. 38.
99 BayVGH, Beschl. v. 15.1.2013 – 7 CE 12.2407 –, juris = BayVBl
2013, 604 ff.; BayVGH, Urt. v. 13.7.2015 – 7 BV 14.1507 =
BeckRS 2015, 49683; diese Entscheidung bestätigend BVerwG,
Urt. v. 14.12.2016 – 6 C 19/15 –, juris; N. Leiher, in: V. von
Coelln/J. F. Lindner, BeckOK Hochschulrecht Bayern, 15. Edition,
Art. 43 Rn. 14.
100 Vgl. § 10 Abs. 6 Nr. 9 BerlHG; § 29 Abs. 3 HH HG (Zugang zu
künstlerischen oder weiterbildenden Masterstudiengängen); §
16 Abs. 2; § 23 Abs. 2 HessHG (Zugang zu weiterbildenden oder
künstlerischen Masterstudiengängen); § 63 Abs. 3 ThürHG (Zugang
zu weiterbildenden Masterstudiengängen).
101 Vgl. zu den Bewertungen der ZAB in Bezug zur Anerkennung
von ausländischen Diplomen VG Dresden, Urt. v. 24.8.2009 – 5
K 1579/08 –, juris; VG Freiburg (1. Kammer), Urt. v. 2.3.2016 – 1 K
1511/14 = BeckRS 2016, 43947.
102 Vgl. VG München, Urt. v. 4.5.2016 – M 15 K 14.1191 –, juris,
Rn. 29.
103 Bode (Fn. 17), Rn. 1276 f.
104 Es ging um eine Mindestnote von 2,5 beim Zugang zum Masterstudiengang
„Business Management“: OVG Bremen, Beschl.
v. 6.8.2010 – 2 B 133/10 –, juris, Rn. 33; OVG NRW, Beschl. v.
26.1.2011 – 13 B 1640/10 –, juris, Rn. 5; Beschl. v. 16.5.2013 – 13
B 307/13 –, juris, Rn. 3 ff, 18; Beschl. v. 16.2.2016 – 13 B 1516/15 =
OVG Münster, NVwZ-RR 2016, 503.
105 Vgl. § 49 Abs. 6 S. 3 HG NRW.
106 VG Hamburg, Beschl. v. 14.11.2014 – 19 E 4290/14 = BeckRS 2015,
51346.
107 Vgl. R. Brehm/W. Zimmerling, Eignungsprüfungen und Master-
Zulassungsvoraussetzungen als Studienzulassungshürde, NVwZ
2012, 1376 (1378 f.); H. Maier/R. Brehm, Zugangs- und Auswahlregelungen
zur Aufnahme eines Masterstudiums, OdW 2014, 151
(159 ff.).
108 BayVGH, Beschl. v. 2.9.2013 – 7 CE 13.1084 –, juris, Rn. 32; Musil,
Fn 94, 400 (407); ähnlich: VG Regensburg, Urt. v. 23.1.2015 – RO
9 K 14.1431 = BeckRS 2015, 43518.
109 BayVGH, Beschl. v. 26.11.2020 – 7 CE 20.2216 –, juris, Rn. 18 f.
1 9 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
zungen für diesen Masterstudiengang auch über das hinausgehen
dürften, was Studierende des entsprechenden
Bachelorstudiengangs an der entsprechenden Hochschule
zu absolvieren hätten, sofern die Erfahrungen
und Einschätzungen des Fachbereichs dies erforderlich
machten.110 Die Kasuistik zu dieser Frage ist vielfältig.111
Keine Bedenken sah etwa das OVG des Saarlandes bei
der Note 2,9 im Studiengang „International Management“.
112 Das OVG NRW erachtete die Note 2,5 oder
besser für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen
(Fachrichtung Maschinenbau) als angemessen;113 in
Psychologie billigte das Gericht die Maßgabe der Hochschule,
dass der Bachelorabschluss in Psychologie eine
Gesamtnote von mindestens 2,5 aufweisen muss bzw. bei
einem noch ausstehenden Abschluss bereits mindestens
132 Leistungspunkte mit einem Notendurchschnitt von
mindestens 2,2 vorliegen.114 Eine jährlich schwankende
Anpassung der Note an die Bewerberzahlen ist unzulässig,
weil sich diese offenkundig nicht nach den Anforderungen
an den Studiengang richtet, sondern marktregulatorischen
Zwecken dient bzw. den Aufwand der Unterlagenprüfung
reduziert.115
Soweit die Note herangezogen wird, stellt sich die
Frage der Vergleichbarkeit, schließlich kann nicht geleugnet
werden, dass verschiedene Hochschulen im Inund
Ausland unterschiedliche Notenniveaus aufweisen.
Zwar ist bislang noch offen, ob die strengen Maßstäbe,
die das BVerfG im Zusammenhang mit der Hochschulzulassung
zumindest bei deutlich nachgefragten Studiengängen
für die Vergleichbarkeit von Noten aufgestellt
hat,116 auch in Bezug auf den Zugang zum Master gelten.
117 Dies lässt sich mit guten Gründen zumindest für
stark nachgefragte Studiengänge annehmen. Die Bundesländer
haben das Problem bereits frühzeitig erkannt:
Mit der Einführung relativer Noten bzw. Prozentränge
innerhalb Deutschlands118 und mit der sog. Prozentrangtransformation
der KMK in Bezug auf ausländische
Abschlüsse haben sie versucht, die Vergleichbarkeit zu
erhöhen.119 Allerdings scheiterten diese Ansätze, wohl
unter anderem deswegen, weil keine gemeinsamen Standards,
etwa für die Bestimmung der Referenzgruppen,
gefunden werden konnten.120 Eine Lösung könnte die
pauschale Einführung schriftlicher oder mündlicher
Prüfungsverfahren bieten, die allerdings für die Hochschulen
ausgesprochen aufwändig sind.121
Die Noten ausländischer Bachelorabschlüsse werden
– wie die Schulzeugnisse im grundständigen Bereich –
anhand der modifizierten Bayerischen Formel auf das
deutsche Notensystem umgerechnet.122
bb. Weitere Eignungs- und Qualifikationsvoraussetzungen
Neben oder statt der Note können die Hochschulen weitere
Eignungs- und Qualifikationsvoraussetzungen festlegen,
falls – und nur soweit – dies wegen spezieller fachlicher
Anforderungen des jeweiligen Masterstudienganges
nachweislich erforderlich ist.123 Über die Auswahl
dieser besonderen Zugangsvoraussetzungen, die sich an
der Studienordnung und dem Profil des Studiengangs
orientieren, entscheidet die Hochschule im Rahmen
ihrer Zugangssatzung.124 Diese dient der Qualitätssicherung
ebenso wie der effektiven Durchführung des Masterstudiums.
125
Zu den Qualifikationsvoraussetzungen gehören die
enge fachliche Nähe zum Masterstudiengang, nachgewiesene
Einzelleistungen des ersten berufsqualifizierenden
Abschlusses (belegte Fächer nachgewiesen z.B.
durch ECTS), fachbezogene Sprachkenntnisse, standardisierte
und strukturierte Testverfahren zur Feststellung
der Eignung als Hochschulprüfung, ggf. und soweit erforderlich,
fachlich einschlägige Berufserfahrung. Dagegen
ist es unzulässig, Vorpraktika oder Eignungsfeststellungsprüfungen
zu verlangen, soweit keine Rechtsgrundlage
hierfür besteht. Auch Motivationsschreiben
110 VG Berlin (3. Kammer), Beschl. v. 6.7.2017 – VG 3 L 419.16 =
BeckRS 2017, 120681.
111 Vgl. Bode (Fn. 17), Rn. 1280 f.
112 OVG Saarland, Beschl. v. 16.1.2012 – 2 B 409/11 –, juris, Rn. 24 ff.
113 OVG NRW, Beschl. v. 15.6.2015 – 13 B 505/15 –, juris, Rn. 4.
114 OVG NRW, Beschl. v. 16.5.2013 – 13 B 308/13 –, juris, Rn. 2, 6 f.
115 Ernst/Kämmerer (Fn. 93), 297 (311).
116 Vgl. Bode (Fn. 17), Rn. 307 ff.
117 Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 15.1.2020 – 13 A 2332/19 –, juris,
Rn. 18 ff.
118 Brandenburg hatte dies als einziges Bundesland zwischenzeitlich
vorgesehen. M. Bode, in: L. Knopp/F.-J. Peine/H. Topel, Brandenburgisches
Hochschulgesetz, 3. Aufl. 2018, BbgHZG § 2 Rn. 12 ff.
119 Auch der Gesetzgeber in NRW ging offenkundig davon aus,
dass es „tabellarischen Prozentrangliste[n]“ bzw. „ähnliche
Vergleichsbewertung[en] des Europäischen Hochschulraums“
geben sollte. NRW LT-Drs. 16/5410, 345.
120 Bode (Fn. 89), 173 (186 f.).
121 Leiher, in: (Fn. 99), Art. 43 Rn. 18.
122 Vgl. VG Cottbus, Urt. v. 15.11.2006 – 1 K 41/02 –, juris.
123 Vgl. zur Rechtsprechung Brehm/Zimmerling (Fn. 107), 1376 (1378
f.); Maier/Brehm (Fn. 107), 151 (158); S. Kluckert, Gesetzliche Zugangsregelungen
für Masterstudiengänge im Land Berlin und das
Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, DÖV 2008, 905 (905 ff.);
C. Morgenroth, Hochschulstudienrecht und Hochschulprüfungsrecht, - Aufl. 2021, Rn. 203 ff.; Bode (Fn. 118), BbgHZG, Vorbem.
Rn. 21 ff.
124 VG Potsdam, Beschl. v. 28.5.2014 – 9 L 71/14 –, juris, Rn. 3.
125 A 2.1, Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung
von Bachelor- und Masterstudiengängen, Beschl. der KMK
v. 10.10.2003 in der Fassung v. 4.2.2010. Vgl. VerfGH Berlin,
Beschl. v. 19.6.2013 – 150/12, 150 A/12 –, juris, Rn. 50; Ernst/Kämmerer
(Fn. 93), 297 (305 ff.).
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 9 3
weisen für sich genommen keinen fachlichen Bezug zur
wissenschaftlichen Eignung auf und sind überdies
missbrauchsanfällig.126
Konsekutive Master setzen voraus, dass der Bachelor
im entsprechenden zugehörigen grundständigen oder in
einem „inhaltlich verwandten“ Studiengang erworben
worden ist. Dieses Kriterium ist nicht immer leicht zu
bestimmen, aber grundsätzlich zulässig.127 Hier ist im
Einzelnen zu untersuchen, ob die Studiengänge mit dem
entsprechenden grundständigen Bachelorstudium vergleichbar
sind, wobei nicht allein auf die Bezeichnung,
sondern die inhaltliche Ausgestaltung und die Schwerpunkte
abgestellt werden muss.128 Während etwa der
Abschluss im Bachelorstudiengang Sportmanagement
dem Masterstudiengang Betriebswirtschaftslehre als inhaltlich
verwandt anzusehen ist, da er zu einem maßgeblichen
Anteil Leistungen aus der Betriebswirtschaftslehre
umfasst,129 gilt dies nicht für den Abschluss als Diplom-
Biologin im Verhältnis zum Hochschulabschluss in
„Theologische Studien/Theological Studies“ weil inhaltlich
nicht gleichwertig.130 Es steht der Vergleichbarkeit
nicht entgegen, wenn einzelne Fächer an bestimmten
Hochschulen nicht gelehrt werden, solange dies durch
andere Fächer oder Schwerpunktsetzungen auszugleichen
ist.131 Bei der Feststellung der Gleichwertigkeit eines
Abschlusses, die auch auf eine Auswahlkommission
delegiert werden kann,132 handelt es sich um einen gerichtlich
voll überprüfbaren unbestimmten
Rechtsbegriff.133
Deutlicher als andere Gerichte betont das OVG NRW
den Charakter des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses
als Ausgangspunkt für den Masterzugang.
Dessen Relativierung durch eine Kombination mit weiteren
Kriterien hält es für nicht angängig. So fehlt es aus
Sicht des OVG NRW an einer Rechtsgrundlage für die
Heranziehung von Zugangskriterien jenseits der „Qualität
des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses“, also
der Durchschnittsnote bzw. dem Anforderungsprofil in
Gestalt von einer Mindestzahl von Leistungspunkten aus
bestimmten Gebieten sowie der fachlichen Nähe. Die
Zugangsregelung zum Master134 sei abschließend; ein
Rückgriff auf andere Kriterien, etwa das der Studiendauer
oder besonderer Einzelleistungen, sei damit unzulässig,
ebenso wie die Subdelegation der Entscheidung über
den Zugang an den Prüfungsausschuss.135 Möglich bleiben
allerdings studiengangsbezogene Vorbildungen,
Eignungen und Vortätigkeiten, soweit diese „nicht an
den ersten berufsqualifizierenden Abschluss anknüpfen“
und im Einzelfall dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
gerecht werden.136
Sofern Einzelleistungen oder sonstige Kriterien verlangt
werden, müssen diese Anforderungen eine fachliche
Berechtigung haben.137 Für den Studiengang „Management
und Marketing“ des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft
darf etwa ein „Mindestanteil von 18 Leistungspunkten
in den Grundlagen der Mathematik,
Statistik und/oder Ökonometrie“ gefordert werden „sowie
der durch Vorlage einer Abschlussarbeit des Bachelorstudiengangs
oder durch gleichwertige Leistungen zu
erbringende Nachweis der Fähigkeit, Themen aus dem
Bereich Management und Marketing nach wissenschaftlichen
Methoden bearbeiten zu können“.138 Für den
Masterstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ darf
eine „mindestens zweijährige ingenieurspezifische Berufstätigkeit“
oder „ein Hochschulabschluss in einem ingenieurwissenschaftlichen
Studiengang und eine mindestens
zweijährige kaufmännische Berufstätigkeit“ verlangt
werden.139 Qualifikationsvoraussetzungen, die bereits
Gegenstand des ersten berufsqualifizierenden
Hochschulabschlusses waren, etwa die Fähigkeit, ein
Thema nach wissenschaftlichen Methoden bearbeiten zu
können, gelten mit dem Nachweis des Bachelorstudienabschluss
regelmäßig bereits als nachgewiesen.140 Unzulässig
ist es nach dem VGH Bayern, wenn nur mit der
Note 1,1 der unmittelbare Zugang zum Masterstudiengang
Psychologie eingeräumt wird und bis zur Notenstufe
1,8 eine Eignungsfeststellungsprüfung folgt, denn hier
sei nicht erkennbar, warum in diesem Segment eine besondere
Eignung erst noch nachgewiesen werden
müsste.141
126 Albrecht/Drescher (Fn. 96), § 9 Rn. 65; kritisch gegenüber Motivationsschreiben
auch Morgenroth (Rn. 122), Rn. 204.
127 VG Potsdam, Beschl. v. 28.5.2014 – 9 L 71/14 –, juris, Rn. 6; vgl.
Leiher (Fn. 99), Art. 43 Rn. 14.
128 Vgl. VG Braunschweig (6. Kammer), Beschl. v. 31.3.2017 – 6 B
434/16 = BeckRS 2017, 106713.
129 VG Potsdam, Beschl. v. 28.5.2014 – 9 L 71/14 –, juris, Rn. 5 f.
130 BayVGH, Beschl. v. 25.04.2012 – 7 CE 12.153 und 7 C 12.154 =
BeckRS 2012, 52757.
131 VG Berlin, Beschl. v. 22.11.2011 – 3 L 675.11 –, juris, Rn. 8.
132 OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.8.2021 – 2 NB 57/21 –, juris, Rn. 9 f.
133 OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.8.2021 – 2 NB 57/21 –, juris, Rn. 11.
134 § 49 Abs. 6 S. 3 HG NRW: „Die Prüfungsordnungen können
bestimmen, dass für einen Studiengang […] ein vorangegangener
qualifizierter Abschluss nachzuweisen ist.“
135 OVG NRW, Beschl. v. 15.6.2015 – 13 B 505/15 –, juris, Rn. 5 ff.;
Beschl. v. 18.4.2012 – 13 B 52/12 –, juris, Rn. 15; Beschl. v. 26.1.2011
– 13 B 1640/10 –, juris, Rn. 20 ff.
136 OVG NRW, Beschl. v. 15.2.2018 – 13 C 60/17 –, juris, Rn. 17.
137 M.w.N. Bode (Fn. 17), Rn. 1289 f.
138 VG Berlin, Beschl. v. 29.5.2013 – 3 L 408.12 –, juris, Rn. 5 ff.
139 VG Berlin, Beschl. v. 11.12.2012 – 3 L 338.12 –, juris, Rn. 8 ff.
140 VG Berlin, Urt. v. 15.8.2011 – 3 K 267.10 –, juris, Rn. 51 f.; Beschl. v.
22.2.2011 – 3 L 265.10 –, juris, Rn. 59.
141 BayVGH, Beschl. v. 26.11.2020 – 7 CE 20.2216 –, juris, Rn. 19.
1 9 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
Der Zugang zu weiterbildenden Masterstudiengängen
setzt regelmäßig einen ersten Hochschulabschluss
oder einen gleichwertigen Abschluss sowie eine qualifizierte
berufspraktische Erfahrung von in der Regel mindestens
einem Jahr voraus. Die Konkretisierung der berufspraktischen
Qualifikation obliegt der Hochschule.
c. Ausnahme von den zusätzlichen Eignungs- und Qualifikationsvoraussetzungen
Fraglich ist, wie weit diese Zugangsvoraussetzungen
unabdingbar sind – so das traditionelle Verständnis –
bzw. wie weit im Einzelfall Ausnahmen gemacht werden
können. Bislang wurden die Zugangsbedingungen zum
Master, insbesondere die Notenerfordernisse, recht
streng eingehalten und sind beispielsweise auch dann
bindend, wenn im Kapazitätsverfahren weitere Studienplätze
zu vergeben sind.142
In zeitlicher Hinsicht wird der Zugang zum Master
auch dann gewährt, wenn die Hochschule die Eignung
„insbesondere anhand einer nach den bislang vorliegenden
Prüfungsleistungen ermittelten Durchschnittsnote“
feststellen kann.143 Entsprechende Normen dienen der
Vermeidung von Verzögerungen und sind unbedenklich,
solange sie nicht in einem sich ggf. anschließenden
Zulassungsverfahren verzerrende Wirkung entfalten, indem
besser qualifizierte Bewerber aufgrund von Prognosefehlern
verdrängt werden.144
Im Zusammenhang mit dem Masterzugang urteilte
der VGH München, dass es „zur Wahrung der Zumutbarkeit
[…] auch bei zugangsbeschränkenden Qualifikationsanforderungen
geboten sein [kann, erg.], in begründeten
Ausnahmefällen geringere Qualifikationen
ausreichen zu lassen oder Befreiungsmöglichkeiten vorzusehen“.
145 Die Hochschule bestimmte für den Zugang
zum Masterstudiengang Psychologie eine Durchschnittsnote
von mindestens 1,3 bzw. 1,4 bis 1,8 bei spezifischem
Nachweis der Eignung; der VGH Bayern hielt
diese Zugangshürde, die von ca. 78 Prozent der Bewerber
erreicht wird, für angemessen. Dennoch verpflichtete
er die Hochschule, eine Bewerberin mit der Gesamtnote
von 2,3 aufzunehmen, die auf den Rollstuhl angewiesen
ist und eine Sehbehinderung hat, so dass ihr weder
das Studium an einem nicht-rollstuhlgerechten
Campus noch entsprechende Autofahrten zumutbar
sind.146
Der VGH Bayern nahm dabei auf eine Entscheidung
des BVerwG Bezug, in welcher dieses zwar die vorhergehende
Entscheidung der Vorinstanz aufrecht erhalten
und für rechtmäßig befunden hatte, dass der Zugang zu
Masterstudiengängen ein fachlich einschlägiges Hochschulstudium
voraussetze, zugleich aber „Zugangsbeschränkungen,
die darauf angelegt sind, dass sie nur
überdurchschnittlich befähigte Bewerber erfüllen können,“
für unverhältnismäßig erklärt hatte; aus Gründen
der „Zumutbarkeit“ sei es geboten, Ausnahmen und Befreiungen
zuzulassen.147
Zumindest für nicht zulassungsbeschränkte postgraduale
Masterstudiengänge, bei denen „neben einem
Hochschulabschluss oder einem vergleichbaren Abschluss“
zusätzliche Qualifikationsvoraussetzungen verlangt
würden, dürfte „der Bewerber, der diese weitergehenden
Voraussetzungen nicht erfüllt, daher nicht generell
darauf verwiesen werden, die Berücksichtigung besonderer
Härtegesichtspunkte sei ausgeschlossen“, wie
der VGH Bayern weiter ausführte.148 Qualifikationsvoraussetzungen
können also generell angemessen sein, im
Einzelfall allerdings eine Abweichung vom Notenerfordernis
aus Härtegründen gebieten.149 In einer weiteren
Entscheidung griff der VGH Bayern seine Rechtsprechung
wiederum auf, lehnte jedoch den Antrag eines Bewerbers,
der über einen entsprechenden ersten Studienabschluss
mit der Note 3,1 verfügte, für den Masterstudiengang
Elektrotechnik und Informationstechnik, bei
dem ein Eignungsfeststellung stattfindet, ab und betonte
die engen Voraussetzungen für die Annahme einer entsprechenden
Härte. Insbesondere hänge diese nicht
zwangsläufig von einer Behinderung ab; vielmehr sei
eine „besonders schwerwiegende persönliche Ausnahmesituation“
zu verneinen, sofern der Betroffene „zumutbare
Maßnahmen nicht ergreift“.150
Diese Rechtsprechung des VGH Bayern wird inzwischen
auch von anderen Gerichten rezipiert. Für den Zugang
zum Masterstudiengang Wirtschaftschemie (Mindestnote
von 2,5) verneinte das VG Schleswig-Holstein
die Unzumutbarkeit im Fall einer Bewerberin mit der
Abschlussnote 3,0. Eine Ausnahmeregelung erscheine
142 VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.5.2020 – NC 9 S 1346/20
–, juris, Rn. 25.
143 Vgl. § 49 Abs. 6 S. 4 HG NRW.
14 Bode (Fn. 17), Rn. 1306 f.
145 VGH München (7. Senat), Beschl. v. 6.5.2019 — 7 CE 18.2023 =
BeckRS 2019, 8693, Leitsatz, Rn. 22.
146 VGH München (7. Senat), Beschl. v. 6.5.2019 — 7 CE 18.2023 =
BeckRS 2019, 8693, Leitsatz, Rn. 20 ff.
147 BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 – 6 C 19/15 –, juris = BVerwGE 157,
46–54, Rn. 10 f.
148 VGH München (7. Senat), Beschl. v. 6.5.2019 — 7 CE 18.2023 =
BeckRS 2019, 8693, Leitsatz, Rn. 23.
149 VGH München (7. Senat), Beschl. v. 6.5.2019 — 7 CE 18.2023 =
BeckRS 2019, 8693, Leitsatz, Rn. 25 f.
150 BayVGH, Beschl. v. 4.2.2021 – 7 CE 20.3072 –, juris, Rn. 25, 27.
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 9 5
dann „sachgerecht und gerechtfertigt, wenn sie […]
dazu dient, Schwächen im Grenzbereich zu qualifikationssichernden
Zugangsvoraussetzungen wie einer Mindestnote
abzumildern“; dagegen sei „eine qualifikationsunabhängige
Ausnahmeregel für Studierende mit
Behinderung“ nicht erforderlich.151 Das OVG NRW hält
eine Ausnahmeregelung „allenfalls“ dann für angemessen,
wenn sie „Schwächen im Grenzbereich zu anderen
qualifikationssichernden Zugangsvoraussetzungen“,
etwa einer Mindestnote, ausgleichen soll. Im Fall einer
Bewerberin mit der Note 3,4 und einer Behinderung, die
sich auf einen Masterstudiengang Betriebswirtschaft mit
der Zugangsschwelle von 2,5 bewarb, sah das Gericht
diesen Grenzbereich als nicht mehr gegeben an. Dem
„allgemeinen Ausgleich von Härten – hier eine geltend
gemachte Ortsgebundenheit infolge einer Behinderung
– unter einem generellen Verzicht auf den Nachweis einer
noch genügenden Qualifikation zur Bewältigung des
Studiums“ diene eine solche Ausnahmeregelung jedoch
nicht.152
Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung geht auf
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurück, wie er aus
dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip erwächst.
Im Einzelfall können hiernach auch Regelungen, für die
der Gesetzgeber an sich gebundene Entscheidungen vorsieht,
durchbrochen werden, wenn diese die Grenze der
Unzumutbarkeit überschreiten.153 Dies dürfte allerdings
ebenso wenig für das grundsätzliche Erfordernis des ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses gelten wie es sich
auf den Zugang zu grundständigen Studiengängen übertragen
lässt. Hierfür besteht auch keine Notwendigkeit,
soweit – etwa im Beriech des Zulassungsrechts – Härteklauseln
und die Möglichkeit des Nachteilsausgleich
vorgesehen sind.
III. Hochschulzugang und Digitalisierung
Der Hochschulzugang ist nicht nur als Rechtsinstitut zu
betrachten. Daneben treten auch tatsächliche Bezüge,
die einen großen faktischen Einfluss auf die Realisierung
eines Zugangsrechts haben können, etwa die Verfügbarkeit
und die Übermittlungswege von Dokumenten, die
Einhaltung von Fristen etc. Hier bieten digitale Anwendungen
Vereinfachungen (1.). Es lassen sich unterschiedliche
Anwendungsfelder skizzieren (2.). - Digitalisierung und ihre Chancen
Der Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung zieht
vielfach tatsächliche Schwierigkeiten nach sich. Zu nennen
sind etwa die Aufwände für die Übersendung der
Dokumente zur Einhaltung der Ausschlussfristen, das
Risiko des Verlusts auf dem Postweg, Kostenfragen und
ähnliches. Besonders deutlich wird dies, wenn Zeugnisdokumente
abhandenkommen, etwa bei Geflüchteten.
154 Schließlich ergeben sich auch Aufwände des Staates
durch die Entgegennahme und Prüfung der Dokumente
auf Echtheit.
Es stellt sich daher die Frage, ob diese Risiken und
Aufwände nicht unter Rückgriff auf technische Hilfestellungen
reduziert werden können, etwa im Rahmen der
derzeit vieldiskutierten „Digitalisierung“. Hierunter soll
zunächst „die Umwandlung von analogen Werten in digitale
Formate“ verstanden werden. Dabei ist zwischen
einer „basale[n] (oder schwache[n]) Digitalisierung“, die
die Abbildung der bisherigen Dienstleistungen in digitalen
Formaten umfasst, und einer „starke[n] Digitalisierung“
zu unterscheiden, bei der die digitale Technologie
die bisherigen Prozesse nicht nur abbildet, sondern wesentlich
verändert.155 Die auf diese Weise angestoßenen
Veränderungen erfassen sowohl technische als auch gesellschaftliche
Bereiche und betreffen auch die
Hochschulen.156
Impulse gehen dabei von der nationalen wie von der
europäischen Ebene aus. So verpflichtet das Onlinezugangsgesetz
Bund, Länder und Kommunen, ihre Dienstleistungen,
also etwa Schulzeugnisse, bis Ende 2022 zusätzlich
in digitaler Form anzubieten. Die EU hat sich
bereits 2018 das Ziel gesetzt, ein „digitales Bildungsökosystem“
zu erschaffen und europaweit die Fähigkeiten zu
einer „digitalen Transformation“ zu fördern. Aus diesem
Grund verabschiedete die EU-Kommission den Digital
Education Action Plan, der unter anderem die Vorkeh-
151 Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 23.6.2020 – 9 B 6/20 –,
juris, Rn. 19.
152 OVG NRW, Beschl. v. 15.1.2020 – 13 A 2332/19 –, juris, Rn. 3, 13 ff.
153 Vgl. R. Pitschas, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/A.
Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2. Aufl.
2012, § 42 Rn. 107 ff.; F. Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot,
in: P. Badura/R. Scholz, FS Peter Lerche, 1993, S. 151
(154).
154 Vgl. M. Bode, Hochschulzugang für Flüchtlinge: Bildungsrechte
im entstehenden Integrationsverwaltungsrecht, ZAR 2018, 46 (46
ff.), zu Formvorschriften generell vgl. Bode (Fn. 17), Rn. 1367 ff.
155 T. Klenk/F. Nullmeier/G. Wewer, Auf dem Weg zum Digitalen
Staat?, Stand und Perspektiven der Digitalisierung in Staat und
Verwaltung, in: dies., Handbuch Digitalisierung in Staat und
Verwaltung, 2020, S. 3 (4 f., 7 f.).
156 Vgl. Klenk/Nullmeier/Wewer (Fn. 155), S. 3 (4 f.); vgl. J. Stember/
V. Hasenkamp, E‑Government in Deutschland, Ein Überblick, in:
J. Stember/W. Eixelsberger/A. Spichiger, Handbuch E‑Government,
2019, S. 31 (46 ff.); J. C. A. Pongratz, IT-Architektur für die
digitale Hochschule, 2018.
1 9 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
rungen zur „Ausstellung digital zertifizierter Qualifikationen“
vorsieht.157Zwar dürfte es sich dabei primär um
berufliche Qualifikationen handeln, doch dem Ziel nach
geht es der EU-Kommission auch um die Förderung der
Mobilität von Studierenden.
Verschiedene Unternehmen und Konsortien versuchen
vor diesem Hintergrund, Lösungen für eine digitale
Authentifizierung der Bewerber anzubieten: Unter Federführung
des Finanzministeriums des Landes Sachsen-
Anhalt arbeitete die Bundesdruckerei gemeinsam
mit der von der öffentlichen Verwaltung und öffentlichrechtlichen
Unternehmen getragenen Firma govdigital
sowie weiteren Bundesländern an einer Digitalisierung
der Schulzeugnisse.158 Damit gewann das Konsortium
2021 den ersten Platz des Berliner Verwaltungspreises in
der Kategorie „Innovativer Service für Bürger/innen und
Kund/innen“.159 Der Berliner Datenschutzbeauftragte
zeigte sich darüber „erstaunt“, da „die rechtlichen Voraussetzungen
für den Start des Projektes […] derzeit
noch nicht gegeben“ seien, überdies fehle „die vollständige
technische Dokumentation des Projekts“.160 Der
Testbetrieb wurde im Februar 2022 gestoppt, da Datenschutz-
Aktivisten „grundlegende Sicherheitsmängel“
entdeckt hatten, die unter anderem die unproblematische
Erstellung eines fiktiven Zeugnisses ermöglicht hätten.
161 Die ersten digitalen Zeugnisse sollen 2023 ausgestellt
werden. Ein weiteres Pilotprojekt, ebenfalls unter
Beteiligung der Bundesdruckerei, läuft derzeit in
NRW.162 - Anwendungsfelder
Als Fazit der bisherigen Ausführungen lassen sich einige
Anwendungsfelder für eine mögliche digitale Innovation
ausmachen. Auf der Hand liegen das Identitäts- und
das Dokumentenmanagement. Perspektivisch wäre es
vorstellbar, dass nicht nur das Dokument selbst, sondern
sein rechtlicher Inhalt auslesbar wird oder sogar mögliche
Studienwege prognostiziert werden.
a. Identitätsnachweise
Von zentraler Bedeutung im Bereich des Hochschulzugangs-
und Hochschulzulassungsrecht ist die Feststellung
der Identität der Bewerber, um mehrfache Bewerbungen
oder Bewerbungen mit fremden oder gefälschten
Zeugnissen zu verhindern. Bislang erfolgt diese
Feststellung im Vorfeld der Bewerbung über die Angabe
der E‑Mail-Adresse und die Selbstangaben; bei der Einschreibung
oder im Nachgang wird häufig der Nachweis
durch Vorlage von Ausweisdokumenten und Originalzeugnissen
gefordert. Die Missbrauchsrate ist gering,
doch wäre es wünschenswert, dass eine eindeutige Identifizierung
der Bewerber erfolgen könnte. Dies wäre
künftig – je nach Verbreitungsstand – durch den elektronischen
Personalausweis bzw. die eID-Karte oder über
die sog. Steuer-ID, ein gegen Veränderung geschütztes
Ordnungsmerkmal, möglich.163
b. Dokumentenmanagement und Validierung
Eine elektronische Bereitstellung der Hochschulzugangsberechtigungen
in Form von Scan könnte eine
erhebliche Erleichterung für die meisten Bewerber darstellen,
allerdings ist die Echtheit der vorgelegten Dokumente
entscheidend. Anderenfalls drohen vor allem im
Zulassungsrecht gefährliche, weil irreversible Verzerrungen
der Vergabeergebnisse.
Erforderlich wäre daher eine Authentifizierung der
Zeugnisse. In Betracht kommt hierfür die sog. Blockchain-
Technologie, die darauf basiert, dass Daten in Blöcken
gespeichert und diese fälschungssicher miteinander
verbunden werden. Anhand eines Private Key kann
sich der legitime Eigentümer der jeweiligen Information
ausweisen und anderen Nutzern den Zugriff auf die Information
gewähren. Insofern liegt das „Potenzial“ der
Blockchain-Technologie für die öffentliche Verwaltung
gerade „in der Anwendung als digitales Bescheinigungsund
Nachweiswesen von Rechten“.164 Sie wird in Testläu-
157 Europäische Kommission, Erasmus+ Programmleitfaden Version
1 (2022): 24-11-2021; vgl. EU-Kommission, Aktionsplan für digitale
Bildung, COM(2018) 22 final v. 17.1.2018; EU-Kommission,
Aktionsplan für digitale Bildung 2021–2027, COM(2020) 624 final
v. 30.9.2020.
158 Vgl. auch das von der EU geförderte Konsortium „Studies+”,
bestehend aus der Fancotyp-Postalia Holding AG, der Hochschule
Harz, der FU Berlin, den Unternehmen SiXFORM GmbH und
der Bundesdruckerei GmbH. Es wurde versucht, den Austausch
von Zeugnis- und Prüfungsdaten zu ermöglichen. www.hs-harz.
de/forschung/ausgewaehlte-forschungsprojekte/studiesplus/
(25.5.2022).
159 Verleihung des Berliner Verwaltungspreises 2021, Pressemitteilung
v. 28.10.2021, verfügbar unter: www.berlin.de (31.5.2022).
160 Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit,
Jahresbericht 2021, 2022, S. 48, verfügbar unter: www.datenschutz-
berlin.de (31.5.2022). Vgl. S. Gründer, Digitale Zeugnisse
wohl noch ohne Rechtsgrundlage, verfügbar unter: www.golem.
de (31.5.2022).
161 W. Zehentmeier, Zeugnisse: Deutschlands holpriger Weg in die
Digitalisierung, verfügbar unter: www.br.de (31.5.2022).
162 Vgl. www.digiz.nrw (31.5.2022).
163 Beides steht grundsätzlich auch Bewerbern aus der EU und dem
Europäischen Wirtschaftsraum zur Verfügung. Vgl. L. Gerrits/M.
Wirtz/S. Hemesath, Der elektronische Personalausweis, in: Handbuch
Digitalisierung in Staat und Verwaltung, 2020, S. 539 (545
ff.); vgl. § 1, 3 Identifikationsnummerngesetz.
164 D. Rehfeld, Blockchain in der öffentlichen Verwaltung, in: T.
Klenk/F. Nullmeier/G. Wewer, Handbuch Digitalisierung in Staat
und Verwaltung, 2020, S. 63 (64 f., 67).
Bode · Zwischen Öffnung und Digitalisierung 1 9 7
fen bereits zur Echtheitsprüfung von Zeugnissen verwandt;
das Dokument erhält bei seiner Ausstellung eine
Transaktions-Identifikationsnummer und einen Hashwert,
also einer Zeichenkette, die mittels eines Programms
aus dem Zeugnis errechnet wurde. Ein Bewerber
etwa kann seinem Arbeitgeber mittels Identifikationsnummer
die Validierung gestatten.165 In gleicher
Weise könnten Bewerber künftig den Hochschulen oder
der Stiftung für Hochschulzulassung zum Zweck der Zulassung
bzw. der Einschreibung ihre Daten zur Verfügung
stellen. Hierdurch wäre garantiert, dass die vorgelegten
Dokumente echt sind. Wozu sie im Einzelfall berechtigen,
bliebe allerdings weiterhin Gegenstand manueller
Prüfung.
c. Automatische Auswertung
Ein großer Mehrwert wäre daher die automatische Auslesbarkeit
der Dokumente in Bezug auf die Berechtigungen,
die sie verleihen. Beispielsweise könnte ein Abiturzeugnis
mit seinen vergaberelevanten Werten unmittelbar
verwendbar gemacht werden, ebenso wie Zeugnisse
der Fachhochschulreife etc. Durch die automatisierte
Übernahme von Daten könnten aufwändige Berechtigungsprüfungen
erheblich reduziert werden. Auch die
Anerkennung von Dokumenten beim Hochschulwechsel
wäre wesentlich schneller und ressourcenschonender
möglich. Gleiches gilt für den Übergang zum Master
und die Prüfung des vergleichbaren Studienganges. Hier
dürfte das Problem vor allem in der Etablierung eines
einheitlichen fachlichen Standards für die unterschiedlichen
Berechtigungsarten liegen.166 Hochschulen, Schulen
und Ministerien müssten sich auf einen Registrator
einigen, der die Standards verbindlich festlegt. Weiterhin
ist eine verfahrensübergreifende Fortschreibung erforderlich,
da viele Zeugnisse erst mit Verzögerung genutzt
werden. Angesichts des aufgezeigten Facettenreichtums
der Hochschulzugangsberechtigungen dürfte dies eine
erhebliche Hürde darstellen.
d. Digitaler Hochschulzugang
Weitergedacht könnten Algorithmen – im Sinne einer
„starken Digitalisierung“ – künftig womöglich auch die
ressourcen- und neigungsgerechte Verteilung der Studienplätze
begleiten. Freilich ist die Zulassungsentscheidung
bereits seit den 1970er Jahren ein klassischer
Anwendungsbereich automatisierter Verwaltungsakte,
noch bevor § 35a VwVfG überhaupt erlassen worden
war.167 Denn nur die algorithmengesteuerte Verarbeitung
von Bewerberdaten auf Ranglisten im „Gemeinsamen
Gebietsrechenzentrum Hagen“ konnte die Vergabe
der Studienplätze durch die damalige Zentralstelle für
die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) sicherstellen. An
einigen Hochschulen existieren inzwischen bereits nahezu
automatisierte Zulassungsverfahren, bei denen
anhand der selbst in die Bewerbungsportale eingetragenen
Bewerberdaten Ranglisten erstellt und Zulassungen
bzw. Ablehnungen erteilt werden.168 Die Rechtsprechung
lotet derzeit aus, wie weit die Pflichten der Behörden
reichen, Fehler zu korrigieren, die sich aus Unsicherheiten
im Umgang mit bei Portalen bzw. IT insgesamt,
ergeben. Hier reflektieren sich einerseits die
Anforderungen der Massendatenverarbeitung und andererseits
das Postulat des BVerfG, nach welchem „Möglichkeiten
der Datenverarbeitung“ zu nutzen sind, um
eine möglichst verteilungsgerechte und ohne verfahrensökonomische
Hindernisse belastete Zulassungsentscheidung
zu unterstützen.169
Perspektivisch wäre es denkbar, dass ein digitales Zulassungssystem
anhand der Hochschulzugangsberechtigung
die Neigungen der Bewerber berücksichtigt und
165 Rehfeld (Fn. 164), S. 63 (68). Zur Nutzung unter anderem im
Registerwesen der Kommunen vgl. C. Johannisbauer, Blockchain
in der Kommunalverwaltung – die Technologie hinter Bitcoin als
Baustein von E‑Government – Anwendungsfelder und aktuelle
Projekte, DVBl 2020, 318 (320 f.).
166 Über statistische Kennzahlen zum Bildungswesen verfügt unter
anderem das Statistische Bundesamt. Zu den Anforderungen an
Standards vgl. M. Döring/S. Noack, Standardisierter Datenaustausch,
in: T. Klenk/F. Nullmeier/G. Wewer, Handbuch Digitalisierung
in Staat und Verwaltung, 2020, S. 633 (634 f.).
167 Vgl. dazu M. Martini/D. Nink, Subsumtionsautomaten ante
portas?, Zu den Grenzen der Automatisierung in verwaltungsrechtlichen
(Rechtsbehelfs-)Verfahren, DVBl 2018, 1128 (1128 ff.);
M. Stegmüller, Vollautomatische Verwaltungsakte – eine kritische
Sicht auf die neuen § 24 I 3 und § 35a VwVfG, NVwZ 2018, 353
(358).
168 Besondere Arten von Bewerbungen, etwa solche, die Härtegründe
enthalten, die sich auf ein Zweitstudium beziehen oder die
eine Hochschulzugangsberechtigung Beruflich Qualifizierter
enthalten, werden allerdings manuell geprüft.
169 BVerfGE 147, 253 (320); vgl. Bode (Fn. 17), Rn. 1091 ff.
170 Solche Recommender Systeme gehören zu den Basisanwendungen
Künstlicher Intelligenz. A. Felfernig/M. Stettinger/M. Wundara
u.a., Künstlicher Intelligenz in der Öffentlichen Verwaltung,
in: J. Stember/W. Eixelsberger/A. Spichiger, Handbuch E‑Government,
2019, S. 491 (492 ff.).
1 9 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 3 ( 2 0 2 2 ) , 1 8 1 — 1 9 8
171 Eine „Berufslenkung“ bzw. eine „Bedarfsprüfung“ wäre verfassungswidrig.
BVerfGE 33, 303 (334).
ihnen spezifische Angebote unterbreitet.170 Damit käme
dem Zulassungsprozess eine beratende und lenkende –
aber nicht zwingende171 – Funktion zu.
IV. Fazit
Die Öffnung des Hochschulzugangs gewinnt an Bedeutung
und spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung zu
einer Wissensgesellschaft wider. Die rechtlichen Voraussetzungen
der Zugangsberechtigungen diversifizieren
sich. Neben Schulnoten treten z.B. Eignungsprüfungen,
praktische Anteile, Beratungsgespräche oder besondere
Qualifikationsmerkmale. Zum Teil entsteht die Berechtigung
sogar erst im Zusammenwirken mit einer – und
nur dieser – aufnehmenden Hochschule (etwa beim
Härte-bedingten Absehen von Qualifikationsvoraussetzungen
im Masterbereich). Zugleich muss dieses Berechtigungssystem
auch kompatibel sein mit allen gleichwertigen
Nachweisen aus dem nicht-deutschen Bildungsraum.
Digitale Dokumente können Aufwände für Bewerber
reduzieren und damit faktische Hindernisse auf dem
Weg zu einem verteilungsgerechten Bildungssystem reduzieren.
Zu kurz gegriffen wäre es allerdings, die Digitalisierung
von Zeugnissen ausschließlich als Rechtsfrage
bzw. allein als IT-Projekt anzusehen.
Dr. iur., M.A. Matthias Bode ist Professor für Staats- und
Europarecht an der Hochschule für Polizei und öffentliche
Verwaltung (HSPV) NRW.